Karl Bernhard Seidenstücker (1876-1936) : Leben, Schaffen, Wirken

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Kapitel 1: Zur Situation des Buddhismus in Deutschland um 1905


von Ulrich Steinke

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Zitierweise / cite as:

Steinke, Ulrich: Karl Bernhard Seidenstücker (1876-1936) : Leben, Schaffen, Wirken. -- Kapitel 1: Zur Situation des Buddhismus in Deutschland um 1905. -- Fassung vom 28. Juni 1996. -- URL: http://www.payer.de/steinke/steink01.htm. -- [Stichwort].

Letzte Überarbeitung: 28. Juni 1996

Anlaß: Magisterarbeit, Universität Tübingen, 1989

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1.0. Übersicht



1.1. Gesellschaftlicher Umbruch


Der ersten Euphorie des gewonnenen deutsch-französischen Krieges (1871/72) folgte mit den sich verändernden Produktionsbedingungen, mit der einsetzenden Freizeit und bürgerlichem Wohlstand die Anzweifelung der Werte des autoritär regierten Beamtenstaats. Der Zerfall des Kaiserreichs war nicht mehr aufzuhalten. Kaiser Wilhelm II. versuchte, die fremden Einflüsse abzuwehren. Davon zeugt das berühmt gewordene Gemälde, das Maler H. Knackfuß (1848-1915) auf des Kaisers Entwurf hin anfertigte: Völker Europas, wahrt Eure heiligsten Güter. Klicken Sie hier, um das Bild zu sehen. Er übergab es dem russischen Zaren Nikolaus mit der Bitte, die Einflüsse aus dem Osten unter Kontrolle zu halten ("die drohende Gefahr eines durch Japan mobilisierten chinesischen Ansturmes"). Dieser war sichtlich erfreut über das schöne Werk und so konnte Wilhelm II. befriedigt feststellen: "Also es wirkt, das ist sehr erfreulich"

[Propyläen-Weltgeschichte. -- Bd. 10. -- Berllin, 1933. -- S. 244. In Mahâodhi and the united Buddhist world. -- vol. 22 (1914), Nr 10. -- S. 260 veröffentlichte H. Dharmapala einen Artikel Thought for the Kaiser's next painting. Leider ist die entsprechende Seite aus dem Exemplar der Preußischen Staatsbibliothek herausgetrennt. Andere Bibliotheken in Deutschland oder England besitzen das Exemplar nicht.]

Doch im Reich selbst war die Entwicklung nicht mehr aufzuhalten. Die Strömungen des Freidenkertums, der Wandervögel, der Anhänger des Naturheilverfahrens, der Abstinenz- und Friedensbewegung, der Gegner der Vivisektion und des Impfzwangs sowie die Vegetarier, breiteten sich aus.


1.2. Kenntnisse über den Buddhismus


Die Entwicklung des Buddhismus in Deutschland begann mit Arthur Schopenhauer (1788 -- 1860), da Schopenhauer wie kein zweiter Einfluß auf die deutschen Buddhisten der ersten Generation hatte. In seinem Exemplar der zweiten Auflage von Über den Willen in der Natur, (1854) machte Schopenhauer folgenden handschriftlichen Zusatz zum Satz: Diese Religion [näml. der Buddhaismus], welche sowohl wegen ihrer innern Vortrefflichkeit und Wahrheit als wegen der überwiegenden Anzahl ihrer Bekenner als die vornehmste auf Erden zu betrachten ist ...:

"Der Verfall des Christentums rückt sichtlich heran. Dereinst wird gewiß indische Weisheit sich über Europa verbreiten. Denn der in allem andern den übrigen weit vorangehende Teil der Menschheit [näml. der Westen] kann nicht in der Hauptsache [näml. Religion und Weltanschauung] große Kinder bleiben; angesehn, daß das metaphysische Bedürfnis unabweisbar, Philosophie aber immer nur für wenige ist. Jener Eintritt der Upanischaden-Lehre oder auch des Buddhaismus würde aber nicht wie einst der des Christentums in den unteren Schichten der Gesellschaft anfangen, sondern in den obern; wodurch jene Lehren sogleich in gereinigter Gestalt und möglichst frei von mythischen Zutaten auftreten werden."
[Schopenhauer, Arthur: Sämtliche Werke / textkrit. bearb. und hrsg. von Wolfgang Freiherr von Löhneysen. -- Frankfurt : Suhrkamp. -- Bd. III, 1986. -- S. 461-462.]

In der 2. Aufl. desselben Werkes gibt Schopenhauer in einer Fußnote des Kapitels Sinologie Literaturempfehlungen zum Buddhaismus, eine sehr gute Übersicht darüber, was einem interessierten Nichtindologen zu jener Zeit an Kenntnissen über den Buddhismus zugänglich war. Der Schwerpunkt lag damals noch auf Quellen aus dem Bereich des Mahâyâna, besonders auch des kalmückisch-tibetischen Buddhismus (Isaak Jakob Schmidt (1779-1847)). [Schopenhauer, Arthur: Sämtliche Werke / textkrit. bearb. und hrsg. von Wolfgang Freiherr von Löhneysen. -- Frankfurt : Suhrkamp. -- Bd. III, 1986. -- S. 461f.]. Im Unterschied zu Frankreich, wo man im Gefolge E. Burnouf's (1801-1852) alle zugänglichen Quellen gemeinsam untersuchte, um so die alten Elemente des Buddhismus zu finden, verschob man in Deutschland im Bestreben, zu den Ursprüngen zurückzukehren, die Hauptforschung später mehr und mehr auf die Pâli-Texte.

Hierzu bildeten Max Müller's (1823-1900) Sacred Books of the East [50 Bände. -- Oxford, 1879-1910.], Robert Childers' (1838-1876) Pâli-Wörterbuch [Childers, Robert Caesar: A dictionary of the Pâli language. - London, 1875. -- 624 S.] und die Gründung der Pâli Text Society 1881 durch T. W. Rhys Davids (1842-1922) (zusammen mit Max Müller und anderen) eine sichere Grundlage für Übersetzungen und Quellenmaterial.

Leben und Lehre des historischen Buddha wurden 1881 bei Hermann Oldenberg (1854 -- 1920) zum Mittelpunkt seiner Untersuchungen. Oldenberg's Buddha ist zum Standardwerk geworden. [Oldenberg, Hermann: Buddha : sein Leben, seine Lehre, seine Gemeinde. -- Berlin, 1851. -- 5. Aufl.: 1906.]. Oldenberg fand die buddhistische Moral zwar egoistisch und die Vorschriften negativ, aber er widerlegte die allgemeine Meinung, daß der Buddhismus pessimistisch sei. (Wie zuvor von Eduard von Hartmann (1842-1906) [Hartmann, Eduard von: Philosophie des Unbewußten. -- Berlin, 1869.] und danach wieder von dem Jesuiten Josef Dahlmann [Dahlmann, Josef: Buddha, ein Culturbild des Ostens. -- Berlin, 1898.] vertreten.)

Der Oberpräsidialrat Theodor Schultze (1824-1898) schließlich kämpfte ab Mitte der achtziger Jahre offen für den Buddhismus und verteidigte ihn gegen die Angriffe des Indologen L. v. Schroeder (1851-1920).[Pfungst, Arthur: Ein deutscher Buddhist : Oberpräsidiarat Theodor Schultze. - Stuttgart, 1899 ; Schultze, Theodor: Nochmals vom Buddhismus. -- In: Allgemeine Zeitung. -- München, 1890, Nr 313 Morgenblatt vom 11.11.1890 {Erwiderung auf den Artikel von Schiller, F.: Sollen wir Buddhisten werden. -- In: Allgemeine Zeitung. -- München, 1890, Nr. 285 Morgenblatt vom 14.10.1890}]. Schultze lobte die "Gottlosigkeit" als "Gottfreiheit", fand die rationale Lehre dem Jesus-Personenkult überlegen und behauptete, das subjektiv-idealistische Paradies der Christen passe für Kinder, das Nirvâna des Buddha dagegen sei eine objektiv-realistische Metaphysik. [Schultze, Theodor: Die Religion der Zukunft / Hrsg. Arthur Pfungst. -- 3. Aufl. -- Frankfurt a. M. : Neuer Frankfurter verlag, 1901. -- 2 Bde. -- Bd. 2. -- S.181ff.].

In den neunziger Jahren endlich übersetzte Karl Eugen Neumann (1865-1915) erstmals wichtige Suttas ins Deutsche. [s. Hecker, Hellmuth: Karl Eugen Neumann. -- Hamburg, 1986. -- S.447f.].Seine Werke trugen mehr als irgendwelche anderen Bücher zur Verbreitung des buddhistischen Gedankenguts bei.

Buddha drang auch in das schöngeistige Schrifttum und in die Musik ein. Es seien nur die bekanntesten Werke genannt:

J. V. Widmann's (1842-1911) Epos Buddha erschien in Bern 1869 [Widmann, Josef Viktor (1842-1911): Buddha : epische Dichtung in zwanzig Gesängen. -- 1869.
2. [unveränd.] Aufl. mit einer Einl. von Ferdinand Vetter. -- Bern : Francke, 1912.]

Ferdinand von Hornstein's (1865-1961) Drama Buddha erlebte gleich eine zweite Auflage. [Hornstein, Ferdinand von: Buddha : Legende in drei Akten. -- München : Beck, 1899. -- 123 S.]

Doch es würde nicht ausreichen, nur die literarische Entwicklung zu betrachten. [Diese findet sich ausführlich und gewissenhaft bei: Slepcevic, Pero: Buddhismus in der deutschen Literatur. -- Wien, 1920. -- 128 S. - Zugl.: Fribourg, Univ. Diss.].


Zu Schopenhauer s. Payer, Alois: Materialien zum Neobuddhismus, Kapitel 2: Deutschland: Anfänge des Neobuddhismus: Schopenhauer. -- URL: http://www.payer.de/neobuddhismus/neobud02.htm

Zu Childers, T.W. Rhys Davids s. Payer, Alois: Materialien zum Neobuddhismus, Kapitel 4: Großbritanien: Anfänge des Buddhismus. - URL: http://www.payer.de/neobuddhismus/neobud04.htm

Zu Oldenberg, Schultze, Widmann s. Payer, Alois: Materialien zum Neobuddhismus, Kapitel 10: Die Entwicklung in Deutschland 1860-1890. -- URL: http://www.payer.de/neobuddhismus/neobud10.htm

Zu K. E. Neumann s. Payer, Alois: Materialien zum Neobuddhismus, Kapitel 11: Karl Eugen Neumann (1865-1915). -- URL: http://www.payer.de/neobuddhismus/neobud11.htm


1.3. "Geheimbuddhismus"


1884 wurde durch Dr. Wilhelm Hübbe-Schleiden (1846-1916) die erste deutsche Theosophische Gesellschaft gegründet. 1902 schlossen sich ihre meisten Mitglieder der Theosophischen Gesellschaft in Adyar als Deutsche Sektion an, deren Generalsekretär zunächst Dr. Rudolf Steiner (1861-1925) war, der dann aber bald die Anthroposophische Gesellschaft gründete.

Blavatsky (1831-91), Olcott (1832-1906) und Besant (1847-1933) hatten das agglutinierende Prinzip des Hinduismus in ihren Verein übernommen und breiteten ihre Thesen dadurch schnell aus. Blavatsky und Olcott waren am 25.Mai 1880 in Ceylon als erste Westler vor einem buddhistischem Mönch niedergekniet und hatten öffentlich die buddhistische Zuflucht ausgesprochen. [Fields, Rick: How the swans came to the lake : a narrative history of Buddhism in America. -- Rev. and updated ed. -- Boston : Shambala, 1986. -- S.97.].Olcott organisierte in Adyar im Januar 1891 eine Konferenz, mit dem Ziel, die verschiedenen asiatischen buddhistischen Vereinigungen zusammenzuschließen. Als Grundlage zum Minimalkonsens hatte er vierzehn Thesen ausgearbeitet, denen auch die zahlreichen Vertreter zustimmten. [Text der Thesen: URL: http://www.payer.de/neobuddhismus/neobud05.htm#5.5 .Später hatte Dharmapâla viel Schwierigkeiten, sich von den Theosophen zu emanzipieren, die vor allem unter A.Besant sich mehr dem Hinduismus zuwandten. (Olcott erklärte 1903 in London: "Madame Blavatsky und ich haben nie versucht, zu verheimlichen, daß wir Buddhisten sind".Römer, Hermann: Die Propaganda für asiatische Religionen im Abendland. -- Basel, 1910. -- (Basler Missionsstudien ; 36). -- S. 31].)

So kamen die buddhistischen Ideen im Verein von Blavatsky's Lehre der allgemeinen Menschenverbrüderung und dem esoterischen Buddhismus nach Deutschland. In den beiden größten, ausschließlich okkulte Schriften verbreitenden Verlagen, dem Theosophischen Verlagshaus von Dr. Hugo Vollrath und der Theosophischen Zentralbuchhandlung von Hans Fändrich, beide in Leipzig, sollten auch Seidenstücker's erste Schriften erscheinen. [s. Gennrich, Paul: Moderne buddhistische Propaganda und Wiedergeburtslehre in Deutschland. -- Leipzig : Scholll, 1914. -- S.10f.] . Theosophie war Neobuddhismus. Diese Lehre wurde dann auch bis 1903 in zahlreichen Abhandlungen in christlichen Zeitschriften kritisiert. Auch nach 1903 wurde dem alten Buddhismus eine viel geringere Bedeutung zugemessen als den Theosophenlehren. In zahlreichen Auseinandersetzungen wurden die "eigentlichen Buddhisten" nur am Rande erwähnt während die Gefahr von den "Geheimbuddhisten" ausging.


Zu Blavatsky, Olcott, Dharmapâla s. Payer, Alois: Materialien zum Neobuddhismus, Kapitel 5: Buddhismus und theosophische Bewegung. -- URL: http://www.payer.de/neobuddhismus/neobud05.htm

Zu Hugo Vollrath:

"Ein Wegbereiter der modernen deutschen Astrologie war Hugo Vollrath. Da er seit seiner Studienzeit an der Theosophie interessiert war, erkannte er schnell, daß es einen möglicherweise lukrativen Markt für okkultes Wissen gab. Mit der Gründung des Theosophischen Verlags in Leipzig sicherte er sich eilends einen Anteil daran. (Wie er sich über sein Geschäft lustig machte, zeigte sich daran, daß er im Büro einen Fez trug, um »mich mit einer Aura zu umgeben«.) Später beging Vollrath einige üble Betrügereien -- so verkaufte er Fernkurse über Okkultismus --, doch mit seinen anfänglichen Bemühungen weckte er echtes Interesse an der Astrologie. 1909 brachte er das okkulte Magazin Prana heraus und stellte den Österreicher Karl Brandler-Pracht als Redakteur ein. Brandler-Pracht gründete später die Deutsche Astrologische Gesellschaft in Leipzig und gab eine astrologische Monatsbeilage zu Prana mit dem Titel Die astrologische Rundschau heraus."

"Hugo Vollrath trat 1933 der NSDAP bei; für ihn rechtfertigte die Astrologie die Idee von der Überlegenheit der arischen Rasse. Als die Nazis Wahrsagerei verboten, mußte er 1937 die Astrologie aufgeben."

[Die Astrologie / von der Redaktion der Time-Life Bücher. - Amsterdam : Time-Life, 1989. -- (Geheimnisse des Unbekannten). -- ISBN 90-6182-999-2. -- S. 130, 134].


1.4. "Mahâbodhi-Society"


[Zur Geschichte der Mahâbodhi-Society s.

Dutt, Nalinaksha: The Mahâbodhi-Society, its history and influence. -- In: Mahâbodhi Society of India Diamond Jubilee Souvenir. - Calcutta, 1952. -- S. 66-132].

Im Ausland war die Entwicklung bereits einen Schritt weiter.

Unter dem Einfluß Olcott's war in dem Ceylonesen Anagârika Dharmapâla (David Hewavitarane , 1864-1933) der Eifer für den Buddhismus erwacht. Am 31. May 1891 gründete er die Budh-Gaya-Mahâbodhi Society in Colombo [Dutt, S. 68] um sie im folgenden Jahr als Mahâbodhi Society mit dem Hauptsitz nach Calcutta zu verlegen .

Ab Mai 1892 veröffentlichte er The Mahâbodhi and United Buddhist World. Dharmapâla reiste durch die westliche Welt und traf sich mit Persönlichkeiten wie Sir Edwin Arnold (1832-1904) und Rhys Davids. 1893 vertrat er auf dem Weltkongress der Religionen den Theravâda-Buddhismus (mit seiner Rede The World's Debt to Buddha), und zwar so erfolgreich, daß kurz darauf nicht nur der New Yorker Kaufmann Charles Theodor Strauss (1852-1937) öffentlich zum Buddhismus übertrat sondern 1897 auch die Gründung des amerikanischen Mahâ-Bodhi-Zweigs erfolgte [Dutt, S. 75] , der durch wohlhabende amerikanische Upâsikâs (Mary E.Foster , eine unermeßlich reiche Nachkommin des Königs von Hawaii; Gräfin de Canavarro , C.Shearer) [Dutt, S. 77] unterstützt wurde. Vor allem in Paul Carus (1852-1919) gewann die Mahâbodhi-Society einen engagierten Verleger, der mit seinem Buch The Gospel of Buddha (1894) eine Grundlage schuf, der auch Soyen Shaku (Zen Shyn), der Vertreter des japanischen Buddhismus auf dem Weltkongress, zustimmte. [Der ganze Text des Gospel ist auf dem Internet erhältlich unter: http://acc6.its.brooklyn.cuny.edu/~phalsall/texts/bud-gosp.txt ].


Zu Olcott, Dharmapâla s. Payer, Alois: Materialien zum Neobuddhismus, Kapitel 5: Buddhismus und theosophische Bewegung. -- URL: http://www.payer.de/neobuddhismus/neobud05.htm

Zum Weltparlament der Religionen s. Payer, Alois: Materialien zum Neobuddhismus, Kapitel 6: Das Weltparlament der Religionen in Chicago 1893. -- URL: http://www.payer.de/neobuddhismus/neobud06.htm

Zu Carus s. Payer, Alois: Materialien zum Neobuddhismus, Kapitel 7: Paul Carus (1852-1919). - URL: http://www.payer.de/neobuddhismus/neobud07.htm


1.5. Beeinflussung durch die Entwicklung in den USA


Die erste buddhistische Zeitschrift in Amerika, die von einem Schweden herausgegeben wurde, war The Buddhist Ray : A Monthly Magazine Devoted to the Lord Buddha's Doctrine of Enlightenment. Sie erschien in Californien von 1887 bis 1894, weil ihr Herausgeber Philangi Dâsa, Drucker von Beruf, ein Gelübde abgelegt hatte, sieben Jahre lang die Zeitschrift herauszubringen. Dies tat er mit Liebe und Geschick bis die Zeit verstrichen war. [Fields, Rick: How the swans came to the lake : a narrative history of Buddhism in America. -- Rev. and updated ed. -- Boston : Shambala, 1986. -- S.130ff.; Seidenstücker in Buddhistischer Weltspiegel 4 (1922/23). -- S. 42f.].

Ebenfalls 1887 wurde von einem reichen Fabrikanten die Open Court Publishing Company gegründet, die im folgenden Jahr in Paul Carus (1852-1919) einen fähigen Herausgeber fand. Ihr Ziel war es, Religion und Wissenschaft zusammenzuführen. Zahlreiche aufklärerische Schriften und die Zeitschriften The Monist, The Open Court wurden veröffentlicht.

Weitaus mehr fremde Einflüsse brachten die asiatischen Einwanderer. Die Chinesen, zahlenmäßig am stärksten vertreten, hatten bis zum Ende des Jahrhunderts über vierhundert Tempel an der amerikanischen Westküste errichtet und praktizierten eine Mischreligion aus Taoismus, Konfuzianismus und Buddhismus. [Fields, Rick: How the swans came to the lake : a narrative history of Buddhism in America. -- Rev. and updated ed. -- Boston : Shambala, 1986. -- S.73f.].

Es folgten die japanischen Einwanderer, die, anders als die Chinesen, sich den amerikanischen Verhältnissen so gut wie möglich anpaßten und dadurch ihre Ideen stärker in das amerikanische Leben trugen. Soyen Shaku war der erste Zen-Meister in Amerika [Fields, Rick: How the swans came to the lake : a narrative history of Buddhism in America. - Rev. and updated ed. -- Boston : Shambala, 1986. -- S.126.], sein Schüler Daisetz Taitaro Suzuki (1870-1966) arbeitete eng mit Paul Carus zusammen. Nicht nur weitere Zen-Meister folgten, 1898 gründeten die Missionare Eryu Honda und Ejun Myamoto in San Francisco den Buddhistischen Verein junger Männer, 1899 errichteten die Jodo Shinshu-Priester Shuye Sonoda und Kakuryo Nishijima die Buddhist Mission of North America , die zur größten buddhistischen Gemeinde Amerikas (Buddhist Churches of America)anwuchs. 1900 gründeten sie zusammen mit einheimischen Amerikanern den Dharma Sangha of Buddha [Fields, Rick: How the swans came to the lake : a narrative history of Buddhism in America. -- Rev. and updated ed. - Boston : Shambala, 1986. -- S.143ff. -- Oder den Diamond Sangha of America (nach Prebish, Charles S.: American Buddhism. -- North Scitutate ; Duxbury, 1979. -- S. 58f)]und begannen, zweimonatlich The Light of Dharma zu veröffentlichen.


Zur Entwicklung in Amerika s.

Payer, Alois: Materialien zum Neobuddhismus

Kapitel 3: USA: Anfänge des Buddhismus. -- URL : http://www.payer.de/neobuddhismus/neobud03.htm

Kapitel 8: Buddhismus in Hawaii. -- URL: http://users.aol.com/murrpayer/neobud08.html

Kapitel 9: Die Japaner in Amerika. -- URL: http://www.payer.de/neobuddhismus/neobud08.htm


1.6. Beeinflussung durch die Entwicklung in Europa


Gordon Douglas, einem englischen Aristokraten, wurde die Ordination in den ceylonesischen Orden vom Präsidenten der Mahâbodhi-Society, H. Sumangala Mahâ Thera verweigert, woraufhin er 1900 durch einen siamesischen Mönch zum Bhikkhu Asoka ordiniert wurde. Er starb jedoch noch im selben Jahr an Cholera. [Dutt, S. 78.].

Der schottische Chemiker Allan McGregor (1872-1923) war im Dezember 1901 in den birmanischen Sangha eingetreten und hatte am 21.5.1902 in Akyab, Burma, die Bhikkhu-Weihe erhalten und den Mönchsnamen Ânanda Maitreya (Metteyya). [Die Schreibung wechselt, da er später die Pâli-Form bevorzugte]. Er gründete am 15.März 1903 unter der Schirmherrschaft des ersten Sangharâja (Thathanabaing) von Birma in Rangoon die International Buddhist Society = Buddhasâsana-Samâgama und gab fünf Hefte von The Buddhism heraus. [ Webb, Russell in: Courier VI,II (Juli 1985) / Hrsg. Bruno Portigliatti, Via Pia Rollo 71, 10094 Giaveno, Italien. -- S. 15]. Er ging 1907 für ein halbes Jahr nach England, wo er die 1906 von J. R. Pain und R. J. Jackson gegründete Buddhist Society of England zu einem Zweig seiner International Buddhist Society zur Buddhist Society of Great Britain and Ireland umgestaltete. Ânanda Metteyya kehrte 1914 endgültig und krank nach England zurück. Ânanda Metteyya's Sekretär, Dr.med. E. R. Rost stand in Kontakt mit Seidenstücker. [Römer, Hermann: Die Propaganda für asiatische Religionen im Abendland. -- Basel 1910. -- S. 20]. Von 1909 bis 1921 veröffentlichte vor allem Francis Payne für die Gesellschaft The Buddhist Review. In Rhys Davids fand die Gesellschaft einen tatkräftigen Förderer. Trotzdem ging die Gesellschaft langsam ein.

Gleichzeitig wurde im April 1923 als Zweig der Theosophischen Gesellschaft von Christmas Humphreys (1901-) die Buddhist Lodge gegründet, die ab Herbst 1925 ein monatliches Bulletin hektographierte, ab Frühjahr 1926 dann Buddhism in England, von A. C. March (1880-) und zeitweilig Alan Watts (1915-1973) editiert. Erst 1943 kam es zur Abspaltung von den Theosophen, als die Buddhist Society gegründet wurde, deren Journal The Middle Way von A. C. March weiterherausgegeben wurde.

Der Ire J. F. McKechnie (1871-1951), der 1906 als Bhikku Sîlâcâra von Ananda Metteyya in Rangoon ordiniert wurde, trat 1925 wieder aus dem Orden aus, und kehrte ebenfalls aus Gesundheitsgründen nach England zurück und lebte bis zum Tode in einem Altersheim in Bury. [Snelling, John: The Buddhist handbook : a complete guide to Buddhist teaching, practice, history and schools.- London [u.a.] : Rider, 1987. -- S. 227f.].

Anagarika Dharmapala war 1925 für zwei Jahre nach England gekommen und Ealing den London Branch of the Mahâ Bodhi Society gegründet. [Humphreys, Christmas: Both sides of the circle : the autobiography of Christmas Humphreys. -- London : Allan & Unwin, 1978. -- S. 56.].Dort wollte er auch einen Vihâra errichten, doch obwohl für einige Zeit asiatische Mönche in London waren scheiterte das Projekt aus finanziellen Gründen.

Die Theosophen und die Mahâ Bodhi Gesellschaft bildeten die beiden buddhistischen Pole bis zum Zweiten Weltkrieg.


Zu Douglas, McGregor, McKechnie s. Payer, Alois: Materialien zum Neobuddhismus, Kapitel 12: Die ersten europäischen Mönche und Versuche der Gründung eines Vihâra auf dem europäischen Festland. -- URL : http://www.payer.de/neobuddhismus/neobud12.htm


In Frankreich erweckten in den achtziger Jahren die kulturellen Veranstaltungen des Musée Guimet (beispielsweise ein japanisch-buddhistischer Gottesdienst), öffentliche Aufmerksamkeit und Professor Leon de Rosny (1837-1914) von der École des hautes Études und der École des langues orientales vivantes ließ aus seinen Lehrkursen angeblich Missionen werden, wo sich die Damen und Herren der großen Welt in den Buddhismus einweihen ließen. [Beilage (Nr. 117) zur Allgemeinen Zeitung. -- München. -- Nr 140 vom 23.5.1894]. Es bleibt freilich völlig unklar, wen Bois zu den Buddhisten zählt, wenn er behauptet: "Le Bouddha compte à Paris plus de cent mille amis et au moins dix mille adeptes." [Bois, Jules: Les petites religions de Paris. -- Nouvelle ed. -- Paris : Flammarion, o. J. -- S. 41].


1.7. Christliche Apologetik


Die christlichen Kirchen waren erschreckt, plötzlich Gegenmissionen zu erhalten und in Frage gestellt zu werden. Sie versuchten nicht, sich ernsthaft mit dem neuen Phänomen auseinanderzusetzen, sondern versuchten den Buddhismus ganz allgemein dadurch zu verdammen, daß er als minderwertige Religion dargestellt wurde. Eins der typischsten Beispiele ist Joseph Dahlmann's (1861-1930) Buddha, ein Culturbild des Ostens (1898). Nach Dahlmann gediehen die destruktiven Elemente des Materialismus und Nihilismus üppig im Buddhismus. [Dahlmann, Joseph: Buddha, ein Culturbild des Ostens. - Berlin, 1898].

Andere Theologen zügelten sich etwas mehr als der Jesuit Dahlmann, aber ihre Tendenz war die gleiche. So schrieb beispielsweise Theodor Simon , daß der Buddhismus durch sein Eindringen in den Westen die jahrhundertealten Grundfesten der kulturellen Werte erschüttere. [Simon, Theodor: Das Wiedererwachen des Buddhismus und seine Einflüsse in unserer Geisteskultur. - Stuttgart : Greiner & Pfeifer, 1909. -- 42 S. -- (Gegenwartsfragen ; 5)].


1.8. Nationalistische Reaktionen


Pioniergeist und Fremdenhaß halten sich am stärksten in den entferntesten Gebieten. Davon zeugt ein Zitat, das ich (ungeprüft) aus der Zeitschriftenschau der Zeitschrift für Buddhismus, 3.Jahrgang (1921), Seite 256f. wiedergeben möchte:

"»Weshalb Deutschland den Krieg verlieren mußte« . (Deutschösterreichische Tageszeitung, Wien, Folge 94 vom 7.April [1921]). Unter diesem Titel veröffentlicht die Deutschösterreichische Tageszeitung einen längeren Aufsatz, der einen Brief aus deutschfreundlichen Kreisen Amerikas aus der Illinois-Staats-Zeitung vom 7.Februar wiedergibt. Dort heißt es u. a. »Eine Nation, die ein halbes Dutzend Bände über Buddha veröffentlicht, während der Bolschewismus in voller Blüte steht, hat keinen Anspruch auf Weltherrschaft. Der gelehrte Deutsche, der an einer Übersetzung des Mahâparinirvanasuttam zu arbeiten vermochte, während Enver Paschas Türken die Retirade bekamen, sollte kriegsgerichtlich erschossen werden. Sie haben es verdient, Herr Junker, den Krieg zu verlieren, und die Bücherkataloge hier vor mir beweisen mir Ihre Unwürdigkeit!«"


Zu Kapitel 2: Seidenstücker bis zur Gründung des Buddhistischen Missionsvereins