Karl Bernhard Seidenstücker (1876-1936) : Leben, Schaffen, Wirken

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Kapitel 6: Eklektischer und sektiererischer Buddhismus


von Ulrich Steinke

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Zitierweise / cite as:

Steinke, Ulrich: Karl Bernhard Seidenstücker (1876-1936) : Leben, Schaffen, Wirken. -- Kapitel 6: Eklektischer und sektiererischer Buddhismus. -- Fassung vom 28. Juni 1996. -- URL: http://www.payer.de/steinke/steink06.htm. -- [Stichwort].

Letzte Überarbeitung: 28. Juni 1996

Anlaß: Magisterarbeit, Universität Tübingen, 1989

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6.0. Übersicht



6.1. Bund für buddhistisches Leben


Der Bund für Buddhistisches Leben, am 18.8.1912 mit Dr. Bohn (1871-) als Vorsitzendem und Oskar Schloss (1881-1945) als Geschäftsführer gegründet, hatte bereits ab Ende 1913 bis August 1914 mehrere Hefte als ersten Jahrgang der Zeitschrift für Buddhismus herausgegeben. Der Krieg lähmte jede Propaganda und machte alle öffentliche Tätigkeit unmöglich, doch der Bund blieb mit vielen seiner Mitglieder "in innerlicher Verbindung". [Zeitschrift für Buddhismus 2 (1920). -- S. 30]. Ab Januar 1920 gelang es Wolfgang Bohn, die Zeitschrift im zweiten Jahrgang fortzusetzen.


6.1.1. Bohn gegen Ansichten und für eine breite Basis


Gleich zu Anfang beteuerte Bohn, daß im Bund für buddhistisches Leben die Anhänger beider buddhistischen Schulen Deutschlands in Eintracht den buddhistischen Weg gehen könnten, wenn sie wollten. Diese Aussage verlor leider an Wert dadurch, daß zuvor die scharfen Gedankengänge von P. Dahlke gelobt wurden um dann zusammen mit Nyânatiloka denen von G. Grimm und Seidenstücker gegenübergestellt zu werden:

"Hingegen erklären die Vertreter der neuen Lehre, Dr. Grimm und Dr. Seidenstücker, die allerdings den Buddhismus nur in Deutschland studiert haben und von Spiritismus, Theosophie und vom Veda ausgehend zu Buddha kamen, den siamesischen Buddhismus, also den Pâlibuddhismus der Mönche Ceylons, Birmas und Siams für eine grundstürzende Verkennung der wahren Buddhalehre."
[Zeitschrift für Buddhismus 2 (1920). -- S. 7].

[Dahlke lehnte eine Vermittlung ab:

"Hier gibt es keine Kompromisse ... Kompromisse machen, haißt nicht Buddhismus geben, sondern über den Buddhismus reden wie freilich frühere buddhistische Zeitschriften es auch getan haben ... Wir wünschen der neuen Zeitschrift, ihrem Verleger und Herausgebe r... gegenüber der Buddhalehre eine bstimmtere Stellung einzunehmen ..."
[Neubuddhistische Zeitschrift 2/1920. -- S.39f]].

Seidenstücker erwiderte diese Stichelei im Buddhistischen Weltspiegel 2 (1920/21), S.215f, als er fogendes Buch von Bohn (treffend) besprach:

Bohn, Wolfgang: Die Selbstheilung der kranken Seele durch Erkenntnis und Vertiefung : Ein Buch für Nervöse und Gemütskranke. -- Leipzig : Altmann, 1920. -- 120 S.

"Auf der einen Seite steht der Verfasser auf dem Boden des materialistischen Siamismus, auf der anderen Seite ist er nachweislich von Beckh, der seinerseits wieder den Buddhismus durch das getrübte Brillenglas der Anthroposophie sieht, stark beeinflußt, wodurch des Verfassers Siamismus erheblich mystisch gefärbt erscheint, wie er denn auch nicht wenige Fremdkörper aus der christlichen Mystik in sich aufgenommen hat...."

Bohn hatte Markgraf's Fehler und Seidenstüker's erfolgreiches Vorgehen durchschaut und zog die Konsequenzen. Er bezog folgendermaßen Stellung:

"Der Siamesische Buddhismus geht eben über den vedisch oder theosophisch verbrämten Atta-Buddhismus weit hinaus und bildet damit den höchsten Aspekt der Erlösungslehre überhaupt. Man kann ja einer buddhistischen Zeitschrift verschiedene Aufgaben stellen. Unsere Zeitschrift soll nicht für eine bestimmte Schule missionieren, sondern die praktischen Konsequenzen der Buddhalehre ziehen und neben dem hohen Wissen von der Erlösungslehre auch die Wissenschaft und das Wissen vom Buddhismus und über den Buddhismus sammeln, genau wie es frühere buddhistische Zeitschriften taten, im besonderen die »buddhistische Welt« und der erste Jahrgang der »Zeitschrift für Buddhismus«. Sie will vor allem den Laienbuddhismus anregen, fest begründen und einigen. Denn der Buddhismus hat eben auch in dieser Welt allerlei zu geben: nicht nur die Wenigen dieses Zeitalters auf dem kürzesten Wege aus dem Leiden heraus zu führen, sondern auch den Vielen das Leiden lindern und langsam den Weg bereiten zu helfen."


[Zeitschrift für Buddhismus 2 (1920). -- S. 8].

Zusätzlich zu Sîlâcâra wurden Nyânatiloka und Dahlke als Ehrenmitglieder begrüßt.

6.1.2. Seidenstücker für Ansichten und gegen Kompromisse

Seidenstücker dagegen war schon einen Schritt weiter:

"... vor nunmehr 14 Jahren ... galt es zunächst einmal ... einen offenen Sprechsaal zu schaffen, in dem jede Meinung, sofern sie nicht direkt gegnerisch war, zu Worte kommen konnte, und den Buddhismus in seinen verschiedenen Aspekten kennen zu lernen; es galt, Material zu weiterem Studium zu liefern, um so auch einem größeren Kreise von Interessenten die Möglichkeit zu bieten, den Buddhismus besser zu verstehen... [In Grimm's Werken] war es nicht mehr der Buddhismus in irgendeinem seiner Aspekte, der dargelegt wurde, sondern die echte transcendentale Buddha-Wahrheit selbst, die sich ihren Weg bahnte. Damit war die buddhistische Bewegung in Deutschland in ihr zweites, entscheidendes Stadium getreten: Die Richtung, in der weiterhin fortgeschritten werden mußte, war klar vorgezeichnet... Wie die Herren Hinz und Kunz ... in Breslau oder Berlin... die Buddha-Lehre für ihre persönlichen Bedürfnisse frikassieren... das kommt für den »Weltspiegel« überhaupt nicht in Betracht. Ihm ist es allein um die echte Buddha-Lehre zu tun, wie sie in den alten Partien des Pâli-Kanons enthalten ist; sie allein verkündet er, ihr allein dient er...[221] Der Kern der Buddha-Lehre, der Anattâ-Gedanke, daß unser tiefstes Wesen, unser eigentliches Ich, etwas so radikal Außerweltliches und deshalb Unerkennbares ist, daß es richtig überhaupt nur in der Form des Nicht-Ich-Begriffs mit dem Bewußtsein gefaßt werden kann, ist etwas so schier übermenschlich Großes, daß es schon sehr bald unverständlich werden mußte... so kam man auf die ... Annahme ... der Buddha habe das Ich als eine vom körperlichen Organismus unabhängige Größe überhaupt geleugnet. Und so mußte sich denn diese vermaterialisierte Buddha-Lehre damals aus Indien wegflüchten und sich bei geistig entsprechend tief stehenden Völkern ihren Hauptstützpunkt schaffen, bei den Völkern des heutigen südlichen Buddhismus, während die nordbuddhistischen Schulen den transcendenten Kern der Lehre als solchen bis heute zu erhalten gewußt haben, wenigstens zum Teil. Jene materialisierende Erstarrung der Lehre schritt im Verlauf der nun folgenden Jahrhunderte immer mehr vor, bis sie schließlich die Form des heutigen Siamismus annahm, der sich wie ein ungeheures Leichentuch [222] über die südbuddhistischen Länder, namentlich Siam und Ceylon ausgebreitet hat...".
[Buddhistischer Weltspiegel 1 (1919/20). -- S. 221-223].


6.1.3. Zeitschrift für Buddhismus


Bis zur sechsten Nummer des dritten Jahrgangs blieb Wolfgang Bohn (1871-) der "Hauptschriftsteller" der Zeitschrift [nicht Schloß, wie Notz auf S. 45 nahelegt], Ludwig Ankenbrand (1888-1971) und Franz Josef Bauer (1887-1956) waren Schriftleiter. Die Zeitschrift brachte meist eine Übersetzung aus dem Pâli [was alle drei buddhistischen zeitschriften verband, war daß sowohl Dahlke, als auch Nyânatiloka und Seidenstücker auf Karl Eugen Neumann's Übersetzungen herumhackten], allgemeine Artikel über den Buddhismus, und viele Reisebeschreibungen vermittelten Eindrücke aus Südostasien. Ein kleinerer Teil war den Mitteilungen aus der buddhistischen Welt und den Bücherrezensionen mit Zeitschriftenschau gewidmet. Im März 1921 erschien erstmals ein Artikel von Wilhelm Geiger "Dhamma und Brahman", in der folgenden Nummer brachte Bohn "Die Religion des Jina und ihr Verhältnis zum Buddhismus" und Auszüge aus Vorlesungsverzeichnissen wurden abgedruckt. Im Sommer 1921 legte Bohn den Vorsitz nieder, "aus schwerwiegenden Gründen privater Natur", wie im Pfad mitgeteilt wurde. [Der Pfad 1 (1921). -- S. 17].

Es wurde verschwiegen, daß Bohn sich zum Christentum bekehrt hatte. In seinem 1920 erschienen "Ratgeber für Nervöse und Gemütskranke" [Bohn, Wolfgang: Die Selbstheilung der kranken Seele durch Erkenntnis und Vertiefung : Ein Buch für Nervöse und Gemütskranke. -- Leipzig : Altmann, 1920. -- 120 S.] hatte er noch eine freilich äußerst abstruse Auffassung von Buddhismus, vermischt mit christlicher Mystik, als Genesung empfohlen. Zwei Jahre später versprach er unter dem gleichen Titel (als zweiten Teil) "Die Lösung der Konflikte des Lebens und die Aufhellung des dunklen Zieles." Darin rechtfertigte er den Buddhismus als mögliche, minderwertige Stufe auf dem Weg zur Mystik. "Und alle echte Mystik... hat sich an die Kirche angeschlossen." [Bohn, Wolfgang: Die Selbstheilung der kranken Seele durch Erkenntnis und Vertiefung. -- Zweiter Teil: Die Lösung der Konflikte des Lebens und die Aufhellung des dunklen Zieles. -- Leipzig : Altmann, 1922. -- S. 127].

Der Buddhistische Weltspiegel und die Zeitschrift für Buddhismus befruchteten sich gegenseitig.

Grimm schrieb beispielsweise in einem Artikel "Verstandesaskese", daß die folgende Ansicht von Dahlke: "Die Wahrheit kann überhaupt nicht bewiesen, sie kann nur erlebt werden, erlebt werden in der Form, daß man auf sie »einschnellt«", durch andauernde Suggestion entstehe. [Buddhistischer Weltspiegel 1 (1919/20). -- S. 298. Damit wehrt sich Grimm gegen Dahlke's Angriffe, daß Buddhismus nicht bewiesen werden kann].

Bohn polemisierte in der folgenden Nummer der Zeitschrift für Buddhismus in einem gleichnamigen Artikel. Darin stellte er fest:

"Der nach Wahrheit ringende Jünger sieht ein, daß auch die Wollust des Willens... der Vollendung entgegen ist...[81] Der Buddha lehrt immer wieder, daß es keine Seele, kein Ich, kein Selbst gibt, nichts was bestehen bleibt, wandert oder die Wanderung überdauert. Denn das ist ja die Grundbedingung der Erlösung. Freilich, daß dem so ist, kann ebensowenig bewiesen werden, wie die große Transzendenz, es muß intuitiv erfaßt werden, man muß beim öffnen dieser Pforte »einschnellen«... Bloße Anschauung, bloße Meditation gibt das reinste Wissen, die logischen Beweise hinken nach und sind Verständigungskrücken, um mit dem Wissen an die Umwelt heranzukommen, sie führen höchstens zur Wissenschaft."
[Zeitschrift für Buddhismus 2 (1920). -- S. 81-87].


6.2. Bund für buddhistisches Leben -- Mahâbodhi - Versöhnung


Hornung und Bohn einigten sich im Mai 1920, daß die Zeitschrift für Buddhismus das Organ der Mahâbodhi-Gesellschaft werden sollte:

"Die Mahâbodhi-Gesellschaft. Deutscher Zweig, Sitz Leipzig, hält jetzt ihre Zusammenkünfte im Vegetarischen Speisehaus »Ceres«... Gäste, besonders auch die Mitglieder des »B.f.b.L.« sind stets willkommen... Da das Vereinsorgan der Mahâbodhi-Gesellschaft unter dem Drange der Kriegsverhältnisse ... 1916 ebenfalls sein Erscheinen einstellen mußte ... hat der Vorstand ... in dankbarer Entgegennahme eines ihm seitens des Herrn Verlegers und Herausgebers der »Zeitschrift für Buddhismus« gemachten Anerbietens beschlossen, hinfort letztere Zeitschrift für seine Veröffentlichungen zu benützen."
[Zeitschrift für Buddhismus 2 (1920). -- S. 198].

Ein Jahr später war man sich soweit näher gekommen, daß man in der April-Juni-Nummer verkünden konnte:

"Die Verschmelzung der Mahâbodhi-Gesellschaft (Deutscher Zweig) mit dem »Bund für buddhistisches Leben« ist von den beiderseitigen Vorständen soeben durchgeführt worden. Der Name der Gesellschaft lautet nunmehr »Bund für buddhistisches Leben, zugleich Deutscher Zweig der Mahâbodhi-Gesellschaft«. Geschäftsstelle München-Neubiberg."
[Zeitschrift für Buddhismus 3 (1921). -- S. 181].

F. Hornung, der die Gründung des Bund für buddhistisches Leben 1912 noch als einen der Mahâbodhi-Gesellschaft zugedachten Schlag empfunden hatte, erkannte jetzt:

"Ziel und Zweck des deutschen Zweiges der Mahâbodhi-Gesellschaft waren nie andere als diejenigen des B.f.b.L.."
[Der Pfad 1 (1921). -- S. 1].

"Die Verschmelzung... zeugt von dem festen Willen der Beteiligten, in dieser Zeit der Zersplitterung und inneren Kämpfe mit vereinten Kräften und in brüderlichem Geiste den erhabenen Buddha-Gedanken weiter zu tragen... Wir dürfen nicht vergessen, daß es gerade auf die Außenstehenden immer wieder befremdend wirken muß, wenn in dem immerhin kleinen Häuflein deutscher Buddhisten über diese und jene Frage Unstimmigkeiten leider noch allzusehr vorherrschen... Laßt uns daher nicht länger über einzelne Worte und Begriffe streiten..."
[Der Pfad 1 (1921). -- S. 17].

Professor Hans Much (1880-1932) und C.T.Strauß gehörten dem Vorstand an. Es gab Ortsgruppen in Berlin (die ursprüngliche vom 2.1.1914), Hamburg (8.1.1921) und Breslau (11.1.1921).


6.2.1. Der Pfad


Vereinigt gründeten Bohn und Hornung eine weitere "Vierteljahres-Zeitschrift", Der Pfad im Verlag von Oskar Schloß, die als Vereinszeitschrift gedacht war. In ihm sollten Mitglieder sich äußern und eigene Arbeiten veröffentlichen können. [Anfangs sollten auch die Vereinsnachrichten darin erscheinen, aber obwohl kaum etwas mitgeteilt wurde, entschied man bald, diese separat zu verteilen]. Dies spiegelte sich wieder im ersten Jahrgang vor allem in Gedichten oder in den Tagebuch-Aufzeichnungen eines jungen Buddhisten. Nach der Doppelnummer 3-4 des ersten Jahrgangs im Februar 1922 erschien 1924 der zweite Jahrgang als ein 158 Seiten starkes Heft und unterschied sich kaum mehr vom von der Zeitschrift für Buddhismus. [Die Bücherbesprechungen wurden mitlerweile von Seidenstücker geliefert; siehe unten].

Gleich in der ersten Nummer vom Juli 1921 war endlich -- nach 18 Monaten -- durch den Consul General for Siam, Luang Mitrakarm Raksha, richtiggestellt worden, daß kein einziger siamesischer Bhikkhu freiwillig in den Krieg gezogen war. [Der Pfad 1 (1921). -- S. 20]. Auslöser für dieses Dokument war die Weiterleitung einer Anfrage von C. T. Strauss durch A. Dharmapâla gewesen aufgrund einer Besorgnis erregenden Notiz von Seidenstücker. Um die Schlechtigkeit des Siamismus auszumalen hatte Seidenstücker in der Nov-Dez 1919 Ausgabe des Buddhistischen Weltspiegels in einer Fußnote behauptet, daß 20 000 siamesische Mönche sich im ersten Weltkrieg gegen Deutschland anwerben hätten lassen. [Buddhistischer Weltspiegel 1 (1919/20). -- S. 223]. Dies war nun nach allen Regeln der Kunst widerlegt worden. (Nicht, daß Seidenstücker deshalb einen Rückzieher gemacht hätte. In der nächsten Ausgabe seiner Zeitschrift wiederholte er die Behauptung um mit den Worten zu schließen:

"Da wir aber den Tatbestand augenblicklich nicht selbst nachprüfen können und ein Irrtum auf einer der beiden sich widersprechenden Seiten nicht ausgeschlossen ist, halten wir es für unsere Pflicht, unseren Lesern von der gegenteiligen Auslassung [sic] hiermit Kenntnis zu geben." )
[Buddhistischer Weltspiegel 3 (1921/22). -- S. 404].


6.2.2. Zeitschrift für Buddhismus -- Neue Folge


Nach der Verschmelzung des Bund für buddhistisches Leben und der Mahâbodhi-Gesellschaft sollte also Der Pfad für weite Kreise verständlich sein und Forum der praktizierenden Mitglieder. Der Zeitschrift für Buddhismus hingegen sollte die neue Aufgabe zukommen, als Zentralstelle der Buddhaforschung eine möglichst genaue und gesicherte Kenntnis des Buddhismus zu erlangen. Dazu bemühte man sich der Mitarbeit von Gelehrten und Fachleuten und gewann den Münchener Indologen Wilhelm Geiger als Schriftleiter (ab Heft Nr.7-8 des 3.Jg.) R. Garbe, H. Haas, A. Hillebrandt, E. Leumann, L. Bachhofer, Lucian und Christine Scherman, W. Stede, M. Walleser, Th. Schtscherbazkoj und M. Winternitz lieferten Beiträge. Um der Entwicklung auch äußerlich Ausdruck zu verleihen, wurde der vierte Jahrgang zum ersten Jahrgang der "neuen Folge" erklärt.

"Es soll aus ihm eine neue Zeitschrift hervorgehen, die sich die Aufgabe stellt, der geschichtlichen Erforschung des Buddhismus, seines Ursprungs, seines Inhalts, seiner Wirkungen mit wissenschaftlicher Methode zu dienen. Dabei versteht es sich wohl von selbst, daß wir über das engere Gebiet des Buddhismus selbst gelegentlich hinausgreifen müssen. Auch die Grundlagen, auf denen er ruht, die vorbuddhistische Philosophie der Upanishaden, das Samkhya-System und Verwandtes muß in den Kreis der Beobachtung hineingezogen werden... die Jainalehre... die späteren Entwicklungsformen des Buddhismus..."
[Zeitschrift für Buddhismus 3 (1921). -- S. 272].

Die Zeitschrift zeichnete sich durch qualifizierte Beiträge aus, so erschienen beispielsweise in den ersten Heften der neuen Serie: "Die Nonne" eine Übersetzung des mittelalterlichen indischen Textes Tarangalolâ von Ernst Leumann, "Vorarbeiten zur Geschichte der mahâyânistischen Erlösungslehren" von Stanislav Schayer. L.Scherman stellte eine neue Buddhaskulptur des Münchener Museums vor und Hermann Goetz rezensierte A.Grünwedels Turfanforschung. Geiger selber begann mit der Veröffentlichung des Nidâna-Samyutta. Die Polemiken wurden eingestellt.

Spätestens ab Sommer 1924 arbeitete Seidenstücker im Schloß-Verlag mit, obwohl der fünfte Jahrgang (1924), den ein holländischer Gönner durch eine 1000 Gulden-Spende wieder ermöglicht hatte, noch ohne sein Mitwirken gestaltet worden zu sein scheint. Erst ab dem sechsten Jahrgang (1925), der in zwei je etwa 200 Seiten starken Heften herauskam, erschienen Übersetzungen, Rezensionen und andere Beiträge von ihm.


6.2.3. Einschlafen des Bundes für buddhistisches Leben


1926 (im 7.Jg) schrieb Ludwig Ankenbrand (1888-1971) noch in der Weltschau des ersten Heftes der Zeitschrift für Buddhismus: "Die buddhistische Bewegung im Abendland scheint stark zuzunehmen", wobei als erster Maßstab die Flut der Vorträge, Zeitschriftenartikel und die Verbreitung wissenschaftlicher Arbeiten zählte. [Zeitschrift für Buddhismus 7 (1926). -- S. 222]. Vielleicht berücksichtigte er auch den Film Die Leuchte Asiens : Gautama Buddha's Kampf um Liebe und Entsagung , den die Münchener Lichtspielkunst A.G. in Indien von Franz Osten zum Zwecke der "Kulturvermittlung" hatte drehen lassen, und der in den deutschen Kinos lief. [Filmbuch: Die Leuchte Asiens : Gautama Buddha's Kampf um Liebe und Entsagung. Mit 23 Bildtafeln aus dem gleichnamigen Emelka-Film. -- München : Drei-Masken, 1925. -- 23 S. + 23 Bildtafeln, Nachwort und Personenverzeichnis nicht nummeriert. -- Nach einem originellen Drehbuch von Niranjal Pal wird Buddha's Tierliebe und Zweikampf mit Devadatta um die schöne Gopa dargestellt].

In der nächsten Nummer, im Sommer 1926 korrigierte sich Ankenbrand, ebenfalls in der Weltschau der Zeitschrift für Buddhismus, nachdem er die letzten noch erscheinenden Zeitschriften aufgezählt hatte: "...sonst kann in Nord-, West- und Südeuropa von einer buddhistischen »Bewegung« kaum die Rede sein." Er ging kurz auf die Buddhist Lodge und auf Dharmapâla ein, der in London im Mai die Zeitschrift Buddhism in England gegründet hatte, sowie auf außereuropäische Ereignisse. Dies war die letzte Weltschau, da Ankenbrand einerseits erkrankte, es andererseits wohl kaum nennenswerte Ereignisse gab.

Der achte Jahrgang der Zeitschrift für Buddhismus erschien erst 1928, mit interessanten Artikeln und zahlreichen Rezensionen, aber ohne aktuelle Ereignisse zu berichten.

1928 erschien auch nochmal ein Heft vom Pfad mit Artikeln u.a. von E. L. Hoffmann (dem späteren Lama Govinda), L. Narasu, McKechnie (Sîlâcâra) und den ersten drei Suttas aus dem Suttanipâta von Seidenstücker.

Angaben über die Anzahl der Mitglieder des Bundes für buddhistisches Leben oder der Mahâbodhigesellschaft sind bisher nicht aufgetaucht, ebensowenig Zeitschriften-Abonnentenlisten, wie F. Schwab beispielsweise 1933 eine an Schumacher sendete, damit dieser Probenummern seiner Zeitschrift an das Zielpublikum schicken konnte. [Wiedergeburt und Wirken (1933), Heft 2. -- S. 22].

Daß Vereinsnachrichten in Rundschreiben versandt wurden, wird höchstens in seltenen Fällen zugetroffen haben. [So beispielsweise nach Die Brockensammlung 3 (1926). -- S. 117f. Dort kritisert Dahlke, daß Schloß in einem Rundschreiben unterstellt habe, daß der Buddha ein "Metaphysikum irgendwelchen Namens" anerkannt hätte. Weiter bedauert Dahlke, daß das Erwiederungsschreiben des Buddhistischen Hauses erwartungsgemäß nichts gebracht hatte].

Bis zum Beweis des Gegenteils gehe ich davon aus, daß der Bund nie mehr als einige Dutzend Mitglieder hatte, die sich alle untereinander kannten und in privatem Schriftverkehr miteinander standen. Die Schopenhauerstraße in München-Neubiberg war das wichtigste Sammelbecken, dort befanden sich, nur wenige Häuser voneinander entfernt, Grimm's Ânandarama und der Schloß-Verlag (später Benares-Verlag). [Notz, S. 46 schreibt dazu:

"Nach 1933 zerfiel die Mahâbodhi-Gesellschaft / der »Bund« endgültig ... Immerhin hatte der »Bund« in verschiedenen deutschen Städten ... starke Ortsgruppen gründen können."]

Auch Hecker nennt keine Zahlen sondern schreibt nur:

"Der Bund verkleinerte sich 1925 durch Selbstbeschränkung auf die ernsthaften Mitglieder, ging dann aber 1928 ein."
[Hecker, Hellmuth: Buddhismus in Deutschland : Eine Chronik. -- Zweite erweiterte Auflage. -- Hamburg, 1978 -- S. 37].

Gleich darauf schreibt er über den Kunstmaler v. Megerle (1863-1935) (der bereits 1908 einen kleinen Kreis begründet hatte), die drei Brüder Bauer (1887-1940, 1887-1956), Oskar Schloß (1881-1945), Heinrich Rödel und Fritz Würffel (1891-1955), die 1925 eine

"Buddhistische Gemeinde München (BGM) [bildeten], die jedoch nur ein lockerer Freundeskreis war und über sieben Mitglieder nicht hinauskam. Unter der Leitung von W. v. Megerle (gest.1935) traf man sich wöchentlich im Münchener Cafe Grünwald. Bei Kriegsausbruch 1939 kam sie zum Erliegen."
[Hecker, Hellmuth: Buddhismus in Deutschland : Eine Chronik. -- Zweite erweiterte Auflage. -- Hamburg, 1978 -- S. 37].

[In Buddhistisches Leben und Denken 1, Heft 3 (Okt.-Dez. 1930). -- S. 47 findet sich folgende Notiz:

"Aus München wird uns mitgeteilt, daß dort kürzlich ein »Dahlke-Bund« (Gesellschaft für Buddhismus) gegründet wurde, der sich zum Ziel setzt, das Lebenswerk Dr. Dahlke's zu pflegen und zu verbreiten und gleichzeitig die Freunde des Buddhismus in München zu sammeln. Vorsitzender ist Herr Kunstmaler Wilhelm v. Megerle, Oberföhring 32 bei München. Anfragen sind an ihn zu richten."

In späteren Heften wird nichts weiter bemerkt.]

Folgender Leserbrief, der 1937 in Buddhistisches Leben und Denken erschien, hätte genausogut in der Zeitschrift für Buddhismus stehen können:

"Herr A. U. in D. In meiner Umgebung komme ich mir als Buddhist bisweilen recht vereinsamt vor. Es ist traurig zu wissen, daß man in einer Stadt von mehr als 600 000 Einwohnern der einzige ist, der sich zur Lehre bekennt, womit ich selbstverständlich nicht gesagt haben will, daß mich das im meiner Überzeugung auch nur im geringsten wankelmütig machen könnte..."
[ Buddhistisches Leben und Denken 8 (1937/38). -- S. 129].


Zu Kapitel 7: Neu- und Altbuddhismus in der Wirtschaftskrise