Karl Bernhard Seidenstücker (1876-1936) : Leben, Schaffen, Wirken

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Kapitel 7: Neu- und Altbuddhismus in der Wirtschaftskrise


von Ulrich Steinke

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Zitierweise / cite as:

Steinke, Ulrich: Karl Bernhard Seidenstücker (1876-1936) : Leben, Schaffen, Wirken. -- Kapitel 7: Neu- und Altbuddhismus in der Wirtschaftskrise. -- Fassung vom 28. Juni 1996. -- URL: http://www.payer.de/steinke/steink07.htm. -- [Stichwort].

Letzte Überarbeitung: 28. Juni 1996

Anlaß: Magisterarbeit, Universität Tübingen, 1989

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7.0. Übersicht


  • 7.2.1. Blüte der Gemeinde
  • 7.2.2. Verlagswechsel von Seidenstücker
  • 7.2.3. Die Gemeinde wird Buddhistische Loge
  • 7.2.4. Von der Loge zur Altbuddhistischen Gemeinde

Aufgrund der Inflation hielten sich weder Paul Dahlke's Neubuddhistische Zeitschrift, noch der Buddhistische Weltspiegel lange, erstere stellte ihr Erscheinen mit dem vollendeten fünften Jahrgang im Herbst 1922 ein.


7.1. Dahlke und Kurt Fischer


Gleichzeitig konzentrierte sich Dahlke (1865-1928) auf sein Projekt vom Buddhistischen Haus in Frohnau, das im Oktober 1924 fertiggestellt wurde, sich zu einem Mittelpunkt für Buddhismus in Deutschland entwickelte und ab dem 18.August 1934 beanspruchen konnte, (als dritter deutscher Buddhistenverein) Zweig der Mahâbodhi Society zu sein. [1848 sollte der Buddhistischen Gemeinde München das Glück beschert sein, den Zweig zu vertreten -- keinesfalls die letzte Gruppe, die siese Ehre beanspruchte].

Klicken Sie hier, um einen Plan des Buddhistischen Hauses zu sehen.

Nach Dahlke's Tod (29.2.1928) wurde in der Brockensammlung 1929 noch ein Teil seiner Nachlaßschriften veröffentlicht, danach muß es zu Spannungen zwischen den Geschwistern Dahlke's, den rechtlichen Erben, und seinen Schülern, den geistigen Erben, gekommen sein. Deshalb betrachtete Kurt Fischer (1891-1942), als er im Mai 1930 die erste Nummer von Buddhistisches Leben und Denken herausgab, seine Zeitschrift als "dem Inhalt nach eine Fortsetzung der von Dr.Paul Dahlke herausgegebenen »Brockensammlung«" {Buddhistisches Leben und Denken 1, Heft 1 (Apr.-Juni 1930). -- S. 3].

Bereits Ende Februar 1930 hatten sich Dahlke's Schüler auf "einen kleinen Teil des zum Buddhistischen Hause gehörenden Geländes zurückgezogen", der in der Folge das Buddhistische Holzhaus genannt wurde. Bis zum 31.Dezember 1933 fanden die Uposatha-Feiern noch im Saal (Tempel) des Buddhistischen Hauses statt, dann wurde auch dieser "von den Eigentümern gekündigt" und ins Holzhaus verlegt. {Buddhistisches Leben und Denken 4 (1933/34). -- S. 195]..

Kurt Fischer verurteilte sowohl Schumacher's (1908-1961) als auch Steinke -- Tao Chün's (1882-1966) Auffassungen. Über die Geschwister Dahlke's, die noch bis 1938 jährlich eine Brockensammlung aus Dahlke's Nachlaß herausbrachten, bewahrte er eisiges Schweigen. Nur einmal, anläßlich des Internationalen Buddhistischen Kongresses vom 16.18. Juni 1937 erwähnte er, daß Fräulein Berta Dahlke (1866-1947) unter den deutschen Sprechern gewesen sei {Buddhistisches Leben und Denken 8 (1937/38). -- S. 73f.]., und promt folgte von dieser eine Richtigstellung bzgl. ihrer Aussagen.

Schumacher's "Erörterungen über den Buddhismus" betrachtete Fischer als "überflüssig" {Buddhistisches Leben und Denken 4 (1933/34). -- S. 45ff.].. Steinke -- Tao Chün's Unternehmen ("Schriften..., die den Anspruch erheben, buddhistisch zu sein" [140]) hielt er für hinfällig, da dieser sich selbst "ad absurdum" geführt hätte mit der Aussage:

"Das, was man Denken, Geist und Bewußtsein nennt, ist nur ein Bestandteil der menschlichen Persönlichkeit, bei der gleichfalls ein Entstehen und Vergehen wahrgenommen wird, hat aber mit dem wahren, wirklichen Wesen des Menschen nichts zu tun." [148]
{Buddhistisches Leben und Denken 7 (1936/37). -- S. 140-148].

Daß er Grimm's Auslegungen verurteilte, bedarf keiner weiteren Ausführung. {Buddhistisches Leben und Denken 3 (1932/33). -- S. 28ff.; 7 (1937/38). -- S. 64ff.].

1942 starb Kurt Fischer und die in den Kriegsjahren immer noch regelmäßig wenngleich in geringerer Dicke erschienene Vierteljahresschrift Buddhistisches Leben und Denken kam zum Ende. Hecker schreibt, daß die Gestapo das gesamte Material in seinem Todesjahr beschlagnahmte und der Bewegung ein vorläufiges Ende bereitete. [Hecker, Hellmuth: Buddhismus in Deutschland : Eine Chronik. -- Zweite erweiterte Auflage. -- Hamburg, 1978 -- S. 31f.]. Es bleibt unklar, wie weit das Ende durch Fischer's Tod bedingt war oder durch Nazi-Zwang.


7.2. Buddhistische "Gemeinde"


Grimm war darauf bedacht, eine buddhistische "Gemeinde" zu gründen, in der die Buddha-Lehre in die Tat umgesetzt werden sollte. Bereits Anfang 1920 plante er,

"der Buddhalehre eine auf ihre praktische Verwirklichung abzielende, also lebendige Organisation zu geben"
[Buddhistischer Weltspiegel 1 (1919). -- S. 269].

Aber

"Trotz des regen Interesses, das dieser Vorschlag fand, mußte er aus Gründen, die nicht in dem Projekt selbst lagen, einstweilen zurückgestellt werden."
[Buddhistischer Weltspiegel 2 (1920). -- S. 339].

Grimm's Utopie war eine

"buddhistische Siedlung mit einem eigenen Gemeindehaus und verschiedenen Andachts- und Meditationsräumen. Dieser Plan, der bis ins einzelne ausgearbeitet wurde ... scheiterte aber dann leider an den fehlenden finanziellen Mitteln."
[Maya Keller-Grimm in: Yâna 14 (1961), Nr 4-5. -- S. 94].

Dahlke war neidisch:

"Es will der »Weltspiegel« zur Befestigung seiner Lehre praktische Uebungen einrichten, etwa als Gegenstück zum »Bund für buddhistisches Leben«. Ein solches Bemühen ist nur zu begrüßen. Wir selber von der N.-B.-Z., die gerne auch ähnliches einrichten würden, sind leider durch Mangel an Zeit gezwungen, vorläufig von solchem Unternehmen abzusehen und wann unser »Buddhistisches Haus« die natürliche Möglichkeit hierfür bieten wird, das mögen die dreiunddreißig Götter wissen."
[Neubuddhistische Zeitschrift 2/1920. -- S. 33].

Im März/April-Heft 1921 machten Seidenstücker und Grimm eine mit Bedingungen verknüpfte Aufforderung, die Buddhistische Gemeinde zu gründen:

"Freilich, die Gemeinde müßte mehr als zehn, mindestens fünfzig Mitglieder haben, und jedes Mitglied müßte bei dieser Mitgliederzahl monatlich mindestens 20 Mk beisteuern."
[Buddhistischer Weltspiegel 2 (1920). -- S. 340].

Im Juni konnten sie feststellen, daß die Einladung

"einen so freudigen und begeisterten Widerhall gefunden, und die Opferfreudigkeit der Teilnehmer ... sich in einem so hellen Licht gezeigt [hat], daß die Gründung einer Buddhistischen Gemeinde für Deutschland gesichert erscheint ..."
[Buddhistischer Weltspiegel 2 (1920). -- S. 441].

Am Dhammacakka-uposatha, dem Vollmondtag vom 20.Juli 1921 wurde die Gemeinde gegründet und ins Leipziger Vereinsregister eingetragen. Im siebenköpfigen Ältestenrat waren vertreten, Georg Grimm als Leiter, Seidenstücker als geschäftsführender Vorsitzender, Curt Oelzner (1893-1966) als Schriftführer und Kurt Schmidt (1879-1975) als Bücherwart. [Buddhistischer Weltspiegel 3 (1921). -- S. 82].Seidenstücker hob ihre Ziele folgendermaßen hervor:

"Die Buddhistische Gemeinde für Deutschland stellt einen engeren Zusammenschluß aller derer dar, die für die Buddha-Lehre ein mehr als bloß theoretisches Interesse haben, die also Willens sind, die Lehre entsprechend den Lebensverhältnissen in denen sie sich befinden, zu verwirklichen, ihr nachzuleben. Alle, die nur Interessenten für Buddhismus sind, finden durch Anschluß an anderweite Vereine und Gesellschaften Gelegenheit, ihrem Interesse Genüge zu tun. Dahingegen ist die Buddhistische Gemeinde für Deutschland eine wirkliche Gemeinde buddhistischer Laienanhänger. Ein buddhistischer Laienanhänger ist jeder, der durch Aussprechen der Dreifachen Zuflucht bezeugt, daß er den Buddha fortan zu seinem Lehrer und Vorbild erwählt,daß er in der Lehre den Inbegriff und die Grundprinzipien der Wahrheit und Gerechtigkeit sowie den Weg zur Selbstvervollkommnung und Befreiung erblickt, daß er die Brüderschaft der Erlesenen als die verehrungswürdigen Nachfolger des Buddha betrachtet; der Laienanhänger bekundet ferner durch das Aussprechen der Fünf Gebote, die nur das Mindestmaß, das Grundgerüst einer sittlichen Lebensführung darstellen, daß er die Regeln des sittlichen Wandels, wie sie der Buddha für weltliche Anhänger aufgestellt hat, als Richtschnur anerkennt und daß er aufrichtig entschlossen ist, ihnen nachzugehen... Hier gilt es einmal ernstlich zu zeigen, ob wir ein starkes moralisches Rückgrat haben, hier gilt es zu beweisen, daß wir, einer ganzen Welt von Widersachern zum Trotz, fest entschlossen bleiben, den Weg, den wir als den richtigen erkannt haben, unentwegt weiterzugehen! Hilft uns niemand auf dem weiten Erdenrund, so helfen wir uns eben selbst..."
[Buddhistischer Weltspiegel 3 (1921). -- S. 43f.].

Als Ziele der Gemeinde wurden unter anderem verankert,

[Buddhistischer Weltspiegel 3 (1921). -- S. 79].

Organ der Gemeinde wurde Der Buddhistische Weltspiegel.

"Man wolle dabei nie vergessen, daß der »Weltspiegel« keine historisch-kritische, noch eine die Buddhalehre rationalistisch verwässernde oder frivol umbiegende, sondern in der Hauptsache eben eine religiöse Zeitschrift auf der Grundlage des »akaliko dhammo« ist, wie denn überhaupt der religiöse Gedanke gerade in der Buddhalehre seinen reinsten Ausdruck und seine höchste Vollendung gefunden hat."
[Buddhistischer Weltspiegel 3 (1921/22). -- S. 443].

Deshalb konnte man werben:

"Tendenz und Charakter dieser vornehmen Zeitschrift, die unter allen buddhistischen Blättern im Abendlande die größte Verbreitung sowohl wie auch die größte Beachtung der gebildeten Kreise gefunden hat, können mit kurzen Worten so gekennzeichnet werden:

Negativ:

  • Kein Sichbegnügen mit einer für das religiöse Leben völlig unfruchtbaren rein historischen Einstellung auf den Buddhismus;
  • eine scharfe und entschiedene Absage an alle Bestrebungen und Versuche, die Lehre des Buddha unter Eliminierung ihres religiösen Gehaltes zu verflachen und materialistisch umzudeuten; -- eine Ablehnung jener Versuche, die darauf abzielen, die scharfen Grundlinien der Buddha-Lehre durch überleitung zum Esoterismus und Mystizismus zu verwischen und zu verwässern;
  • kein Versuch, irgendeine Richtung innerhalb des heutigen Buddhismus Asiens nach Europa zu verpflanzen oder zum Ausgangspunkt der Propaganda zu machen.

Positiv:

  • Wiederherstellung und Darstellung der alten Buddha-Lehre in ihrer ursprünglichen Reinheit;
  • Aufzeigung dieser »zeitlosen« Lehre als des auch und gerade für unsere Zeit noch vollwertigen höchsten und unvergänglichen Ausdrucks des religiösen Bewußtseins;
  • Erschließung buddhistischer Quellenschriften durch Originalübersetzungen;
  • die Einleitung einer Erneuerung des religiösen Bewußtwseins und die Anbahnung einer neuen Kulturgemeinschaft auf der Grundlage der ursprünglichen Buddha-Lehre."

[Buddhistischer Weltspiegel 4 (1922/23). -- Zusätzöliches Blatt vor S. 1 in der gebundenen Jahresausgabe].


7.2.1. Blüte der Gemeinde


"Segensreiche Jahre folgten mit großen öffentlichen Uposathafeiern, geleitet von unserem Mahâ-Thera und Seidenstücker, vor ca. 500 Zuhörern im früheren Steinecke-Saal in München, einem grossen Vortrag unseres Mahâ-Thera vor über tausend Zuhörern in der Aula der Universität der gleichen Stadt."
[Maya keller-Grimm in: Yâna 14 (1961), Nr 4-5. -- S. 95].

"Dr.Grimm verfügte über eine bewunderungswürdige Gewalt der Rede, von ihm ging eine grosse Ueberzeugungskraft aus, er riss die Zuhörer zu begeisterter Zustimmung hin, Dr. Seidenstücker war ganz besonders befähigt, diesen Veranstaltungen den würdigen Rahmen zu geben, mit klangvoller Stimme wusste er das Ritual, insbesondere auch die Pâlitexte, vorzutragen. Den grossen öffentlichen Vorträgen ging ein Harmoniumspiel voran, um die Besucher, die unmittelbar aus dem Getriebe der Strasse hereinkamen, andächtiger zu stimmen."
Max Hoppe in: Yâna 9 (1956), Nr 5. -- S. 210f.].

Trotz dieser großen Veranstaltungen blieb das Interesse Insidern vorbehalten, denn die Tageszeitungen brachten nicht einmal Veranstaltungshinweise.

Seidenstücker war fast jedes Jahr während vieler Wochen Gast im Ânandarama, dem Waldgarten Grimms in München-Neubiberg. Georg Grimm war aus Gesundheitsgründen ab 1921 oft monatelang auf Mallorca. So kam es, daß Grimm Kontakte in Frankreich knüpfte und Louis Ansiano dort 1930 eine Zweigstelle der Loge gründete.


7.2.2. Verlagswechsel von Seidenstücker


Der Buddhistische Weltspiegel stellte sein Erscheinen im Frühjahr 1924 mit dem vollendeten fünften Jahrgang ein. Der fünfte Jahrgang erschien -- zumindest teilweise -- nicht mehr als selbständiges Heft sondern als Beilage zu Otto Barth's okkultem Magazin Lotusblätter.

Lotusblätter / Hrsg. Otto Barth. -- München : Asokthebu.
Heft 7-9 des 3. Jg. (Juli-Sept. 1923) enthält Buddhistischer Weltspiegel 5, Heft 1 (Nov. 1923);
Heft 10-12 des 3. Jg. (Okt.-Dez. 1923) enthält Buddhistischer Weltspiegel 5, Heft 2 (Jan. 1924)
Heft 2 des 4. Jg. (April 1924) enthält Buddhistischer Weltspiegel 5, Heft 3 (später als Juni 1924).
Die Lotusblätter teilen sich in Gehalt und Gestalt und brachten esoterische Artikel über Rosenkreuzer, Okkultismus, Tarot etc.
z.B.: Haase, H. <Dr.>: Der Hermesstab : ein Schlüsselsymbol zum Raumerlebnis. Beitrag zur stereognostischen Grundlegung der Symbologie.
Oder: Müller, Johannes <Dr.>: Die anatomisch-physiologischen Grundlagen der Chiromantie und ihre Anwendung in der Medizin.

Seidenstücker war bereits vorher übergewechselt zum Oskar Schloss Verlag. In der drittletzten Nummer des Buddhistischen Weltspiegels, im November 1923 erklärte Seidenstücker:

"Da ich in den kommenden Monaten durch anderweitige Arbeiten voll in Anspruch genommen bin, kann ich leider die laufenden Geschäfte der Gemeinde nicht mehr erledigen."

In einem Brief an den Hamburger Museumsdirektor Thilenius erläuterte er näher,

"dass meine Zeit augenblicklich durch die Arbeiten des [Oskar-Schloß-]Verlags ganz aussergewöhnlich in Anspruch genommen ist. Wir müssen hier alle Kräfte anspannen, um den Verlag in diesen schweren Monaten über Wasser zu halten und ihn für die Folgezeit möglichst hoch zu bringen. Ich arbeite hier nicht nur verlagstechnisch, sondern auch wissenschaftlich indem ich übersetzungen indischer Texte vorbereite, die dann in unserem Verlage erscheinen sollen."
[Peronalakte D4,65. -- Brief vom 29.7.1924].

Die Gründe für den Wechsel müssen vielfältig gewesen sein, zum einen die immer stärkere Abkapselung Grimms, zum anderen Seidenstücker's Wunsch, wissenschaftlich zu arbeiten und seine allmähliche Zuwendung zum Katholizismus.


7.2.3. Die Gemeinde wird Buddhistische Loge


Grimm dagegen wurde immer mehr zum Führer (Mahâthera) eines kleinen Kreises, der sich strenge Übungen vornahm und vor allem am eigenen Seelenheil arbeitete.

So schrieb Seidenstücker noch über die buddhistische Gemeinde, es solle

"dem Grundprinzip des Buddhismus getreu, ein jeder vollkommen freier Herr seiner Entschlüsse bleiben. Es soll und darf auf den Einzelnen keinerlei direkter oder indirekter Zwang ausgeübt werden, ob und inwieweit er sich anderen anschließen, ob er an gemeinsamen übungen und anderen Veranstaltungen religiösen Charakters teilnehmen will oder nicht."
[Buddhistischer Weltspiegel 3 (1921). -- S. 44].

Grimms

"ganze Freude war es, wenn er wirkliche Kämpfer um sich sah und wenn ihm mitgeteilt wurde, dass der eine oder andere seiner Freunde jene transzendentale Charakteränderung erreicht habe, die den Stromeintritt bedeutet. So war es nur die Folge einer natürlichen Entwicklung, dass unser Mahâ-Thera in den folgenden Jahren mehr und mehr das Gewicht auf den Pfad verlegte und den Eingeweihten kam es keineswegs überraschend, als bereits nach drei Jahren, am 26.September 1924, die »Buddhistische Gemeinde für Deutschland« in die »Buddhistische Loge zu den drei Juwelen« umgewandelt wurde. Jetzt, wo man die Gemeinde nach aussen hin abgeschirmt wusste, konnte man rückhaltslos über seine Fehler und Schwächen sprechen..."
[Maya keller-Grimm in: Yâna 14 (1962), Nr 4-5. -- S. 95f.].

Die Mitgliederzahl der Loge pendelte sich bei gut zwei Dutzend ein. (Seidenstücker trat der Bruderschaft nicht bei.) Als neues Organ der Loge diente Der Spiegel der Lehre. Er wurde für die Mitglieder hektographiert und enthielt vor allem praktische Anweisungen und monatliche Richtlinien, nach denen man sich orientieren sollte.

"Ein Ordensbruder hat angefragt, ob die Zeitschriften des Schlossschen Verlages durch Abonnement zu unterstützen seien. Hierauf ist zu erwidern: Unsere Loge ist eine Vereinigung von Menschen, die den Anatta-Gedanken durchdrungen haben und ihn nicht nur an sich selbst verwirklichen, sondern, soweit sich passende Gelegenheit bietet, auch anderen vermitteln wollen. Sie müssen also jedes Unternehmen, das durch Leugnung oder gar Umkehrung dieses ungeheueren Gedankens in sein Gegenteil der Buddhalehre den Giftzahn ausziehen [sic], mit dem sie die ganze Welt zu vernichten mag -- Buddh.Weltspiegel 1 S.303 -- folgerichtig als die allerschwerste Versündigung empfinden, an der irgendwie mitzuwirken sie sich ängstlich hüten werden. Bei dieser Gelegenheit mag auch noch folgendes bemerkt werden: Die von Schloss vertretene siamesische Richtung paradiert, um Anhänger zu gewinnen, in neuester Zeit mit Dharmapâla in Calcutta als Ehrenpräsidenten und buddhistischen Mönchen als Ehrenmitgliedern. Zur Charakterisierung Dharmapâla's mag folgendes dienen: Im »Buddhist Annual of Ceylon« glaublich von 1922 war eine buddhistische Prozession abgebildet, in der Dharmapâla als Hauptperson figurierte, in grossem Ornat, eine Reliquie des Buddha tragend, glaublich einen Zahn desselben!!! Das dürfte für die Einschätzung seiner geistigen Höhe genügen. Nicht näher steht das moderne buddhistische Mönchtum in Asien. Nähere Aufklärung in dieser Richtung kann der Logenmeister in reichem Masse mündlich geben."
[Nachlaß Kiene S. 101 = Spiegel der Lehre 7 (Nov.-Dez. 1925)].

Die Buddhistische Loge subventionierte Grimm's Bücher um eine weite Verbreitung zu sichern. 1934 wurden sie von den Nazis verbrannt.


7.2.4. Von der Loge zur Altbuddhistischen Gemeinde


Grimm hatte 1931 noch zwei Nummern des Spiegel der Lehre im September und Dezember herausgebracht, damit war auch dieser beendet. Ab Januar 1932 veröffentlichte er die Logennachrichten in Yâna, diesen Namen trägt die Zeitschrift der Altbuddhistischen Gemeinde noch heute.

Grimm siedelte im Herbst 1933 nach Utting über. Maya Keller-Grimm erinnert sich,

"im Jahre 1934 [wurde] die Gemeinde als Loge verboten, der »Samsâro« wurde verbrannt, äussersten Falles durften noch drei Mitglieder gleichzeitig anwesend sein und Hans Keller musste in Vertretung unseres Maha-Thera zu wiederholten Malen in Sachen der Gemeinde bei der Gestapo vorsprechen."
[Yâna 14 (1961), Nr. 4-5. -- S. 96. -- Notz schreibt auf S. 51: "im Zuge des nationalsozialistischen Freimaurerverbots". Zum damaligen Zeitpunkt gab es meines Wissens noch kein Verbot von Logen, auch wenn diese Repressionen ausgesetzt wurden].

Trotzdem arbeitete Grimm im Stillen weiter, im Juni 1935 entwarf er die Satzung für die Altbuddhistische Gemeinde, im Juli wurde sie offiziell gegründet. [Maya Keller Grimm in: Yâna 4 (1951). -- S. 102f.]. Es ist richtig, von einer Umbenennung in Altbuddhistische Gemeinde zu sprechen denn

"Trotz der neuen äußeren Form hat sich jedoch der Geist der Gemeinde niemals geändert. Nach wie vor ist der engere Kreis bestrebt, die erste Etappe des Heilsweges, die Frucht der Sotâpannaschaft zu erreichen, während der weitere Kreis auf die Sicherung einer günstigen Wiedergeburt hinarbeitet. Um allen Bedürfnissen der heutigen Zeit entgegenzukommen, wurde der Gemeinde ein Kreis Interessenten angeschlossen."
[Nachlaß Kiene. -- S. 444f.].


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