Einführung in den Theravâdabuddhismus der Gegenwart

Kapitel 1: Einführung


von Alois Payer

mailto:payer@well.com


Zitierweise / cite as:

Payer, Alois <1944 - >: Einführung in den Theravâdabuddhismus der Gegenwart. -- Kapitel 1: Einführung. -- Fassung vom 8. März 1996. -- URL: http://www.payer.de/theravgegenw/therav01.htm. -- [Stichwort].

Letzte Überarbeitung: 8. März 1996

Anlass: Lehrveranstaltungen Einführung in den Theravâdabuddhismus der Gegenwart, Univ. Tübingen, SS 1982, SS 1991

©opyright: Dieser Text steht der Allgemeinheit zur Verfügung. Eine Verwertung in Publikationen, die über übliche Zitate hinausgeht, bedarf der ausdrücklichen Genehmigung des Verfassers.


Übersicht


1. Einleitung


1.1. Thema

"Einführung": für Anfänger, insbes. Religionswissenschaftler.

"Theravâdabuddhismus": nicht Hînayâna, da dies meint, dass etwas fehlt, und ein despektierlicher Ausdruck von Seiten des sog. Mahâyâna ist. Auf der ersten buddhistischen Weltkonferenz, 1950 in Colombo und Kandy wurde die Abschaffung der Bezeichnung Hînayâna beschlossen, wegen des abschätzigen Beigeschmacks dieser Bezeichnung . Theravâda (Sanskrit: Sthaviravâda) "Lehre der Alten" ist eine Schule des alten Buddhismus, die beim zweiten Konzil von Vai`sâlî ca. 100 Jahre nach Buddhas Tod entstand, als sich der alte Buddhismus spaltete über einige Fragen der Ordensdisziplin (z.B.: Ist es erlaubt, Salz in einem Horn aufzubewahren?, nachmittags zu essen?, Gold und Silber zu benutzen?) sowie über die Lehrfragen, ob ein Arahant noch Versuchungen ausgesetzt sei und ob er allwissend sei. Bei der Spaltung entstanden die Mahâsa°ngika und die, die an der alten Lehre festhielten.. Die Theravâdins haben ihre Heiligen Schriften, das sog. Tipi.taka in Pâli. Heute ist der Theravâdacbuddhismus die vorherrschende Form des Buddhismus in folgenden Ländern:

"der Gegenwart": Schwierigkeit, Gegenwart wirklich als 1991 zu fassen, da viele Nachrichtenquellen nicht erreichbar. Gegenwart also ca. die letzten 20 Jahre, teilweise auch Nachrichten von davor verwertet. Eigene unterschiedliche Kenntnisse.

Als Einführung in das Thema unseres Semesters will ich Ihnen einen kurzen Vortrag über den Theravâdabuddhismus Thailands halten. Darin werde ich viele Themen ansprechen, die wir im Laufe dieses Semesters ausführlicher behandeln werden. Sie werden sehen, dass ich mich bemühe, keine Darstellung allein der Doktrin zu geben, sondern dass ich mich bemühen werde, die verschiedensten Aspekte des gelehrten und des gelebten Buddhismus zu erfassen.


1.2. Zur Einführung: Der Theravâdabuddhismus in Thailand


Ich stelle als Einführung den Theravâdabuddhismus exemplarisch an einer heute gelebten Form dar: dem Theravâdabuddhismus in Thailand. Dabei werde ich die verschiedenen Dimensionen anschneiden wie Überzeugung ("Glaube"), Erfahrung und Handeln. Lehrmäßig gehört der Theravadabuddhismus Sri Lankas, Birmas (Myanmars), Laos, Kambodschas und Thailands zum 'Srâvakayâna (Fahrzeug der ursprünglichen Hörer bzw. kleinen Fahrzeug). Der Theravâdabuddhismus ist die einzige noch heute existierende Form dieser alten Schulen des Buddhismus. Alle anderen heute existierenden Formen des Buddhismus gehören dem Mahâyâna bzw. Vajrayâna an.

Der Theravâdabuddhismus hat seine lehrmäßige Grundlage in einem in Pâli - einer altindischen Sprache - abgefassten Kanon heiliger Schriften, dem sog. Tipi.taka. Die Interpretation von Lehre und Mönchsdisziplin fand im wesentlichen ihren Abschluss mit der Abfassung der großen Kommentare in Ceylon im 5. Jhdt. n. Chr.

Wenn ich im folgenden der Einfachheit halber von Buddhismus spreche, meine ich immer Theravâdabuddhismus, insbesondere in seiner thailändischen Ausprägung.

Der Theravadabuddhismus ist seit dem Ende des 13.Jhdts. die vorherrschende Religionsform in Thailand, der sich über 90% der Bevölkerung zurechnen.


1.2.1. Was ist Theravâdabuddhismus


Buddhismus ist eine Erlösungslehre, die sich auf Gautama Buddha zurückführt. Gautama Buddha gelangte nach thailändischer Anschauung um 543 v. Chr. zur endgültigen Auflösung (Mahâparinibbâna). Gautama ist nur der vorläufig letzte einer langen Reihe von Menschen, die jeweils in einem Weltzeitalter aus eigenen Kräften zu derselben Einsicht gelangten. Seit seinem völligen Erlöschen existiert er nicht mehr in irgend einer individuellen Form und ist folglich auch kein Gott, Schutzgeist, Nothelfer oder dergleichen, an den man sich um Hilfe wenden könnte.

Als Erlösungslehre geht der Buddhismus von der Einsicht aus, dass alles leidvoll ist. Dies bedeutet nicht, dass der Großteil der Gefühle leidvoll ist; es bedeutet aber, dass gerade alles, was einem lieb und teuer ist, unbeständig ist und damit irgendwann einmal verloren geht und so demjenigen, der daran hängt, Leid bereitet. Ursache für Leid ist also, dass man an etwas hängt, dass man Wünsche, Erwartungen, Absichten hat, die enttäuscht werden können, bzw. deren Erfüllung nur von begrenzter Dauer ist. Befreiung von Leid heißt folglich, dass man sich loslöst von jedem Haften an irgendetwas, dass man frei von Wünschen und von Abscheu wird. Der buddhistische Heilsweg besteht in Übungen - meditativer Art - die zu einer Verwirklichung der Einsichten in das Leid und die Aufhebung des Leides führen, und die somit die Erreichung eines Erlösungszustandes (Nibbâna, Nirvâ.na) bewirken. Erlösung bedeutet dabei in diesem Leben vor allem auch die absolute Gewissheit, dass die Reihe der Wiedergeburten beendet ist oder in einer absehbaren Anzahl von Wiedergeburten beendet sein wird. Erlösung bedeutet für die Zeit nach dem Tod, dass es keine Wiedergeburt - auch nicht in einem Himmel mehr - gibt, und dass somit kein Leid mehr entstehen kann. Über die Natur des Nirvâ.na, des Erlösungszustandes, findet man erstaunlich wenig Aussagen. Dies hängt einerseits damit zusammen, dass theoretische überlegungen über das Nirvana nutzlose Spekulationen sind: es gilt, die Erlösung zu verwirklichen, nicht über sie zu spekulieren. Außerdem ist der Erlösungszustand etwas, was gänzlich anders ist als alles, was unserer gewöhnlichen Erfahrung zugänglich ist. Über die Natur des Nirvâ.na zu jemandem zu sprechen, der es noch nicht verwirklicht hat, ist so, wie wenn man einem Farbenblinden die Natur von Farbempfindungen beibringen wollte. Würde ich zu Ihnen über das Nirvâ.na sprechen, wäre es, als ob ein Farbenblinder anderen vermutlich Farbenblinden die Natur von Farbempfindungen erklären wollte.

Die Einsicht in die Unbeständigkeit - und damit in das Leidvolle - von allem ist so ausgeprägt, dass nach buddhistischer Auffassung zwischen zwei Augenblicken nichts Identisches bleibt: der Zustand A - jetzt - und der Zustand B - im nächsten Augenblick - haben nichts Gemeinsames, was vom Zustand A in den Zustand B übergehen würde; dennoch sind Zustand A und Zustand B nicht voneinander unabhängig, sondern Zustand B wird vom Zustand A bedingt: es gibt also einen Bedingungszusammenhang zwischen früher und später, aber keinen Zusammenhang einer bleibenden Substanz. Der Bedingungszusammenhang ist solcher Art, dass im allgemeinen eine gute Tat irgendwann - noch in diesem Leben oder später - gute Früchte bringt, eine böse Tat böse Früchte. Diese Abfolge von Tat und Reifung der Frucht findet ihr Ende nicht mit dem natürlichen Tod, sondern erst mit der völligen Erlösung. Dabei ist zu beachten, dass die damit ausgedrückte Wiedergeburt (sei's als Mensch, Tier, Gespenst, Gottheit usw.) nach strenger buddhistischer Lehre keine Seelenwanderung ist, da es ja so etwas wie eine bleibende Seele, die von einer Existenz zur anderen wandert oder die erlöst wird, nicht gibt. Nur wenige ergreifen jeweils, wenn sie das Glück haben, als Menschen geboren zu werden und die Lehre Buddhas zu erfahren, diese günstige Gelegenheit und versuchen, ob diese Lehre hält, was sie verspricht. Tun sie das, so gibt es für sie außer der Unterweisung keine Hilfe von außerhalb, sei es von einem Gott, einem Erlöser oder dergleichen. Diejenigen, die den buddhistischen Weg noch nicht ausprobieren wollen, haben die Möglichkeit, sich durch das Tun von Gutem, Verdienstvollem in dieser und in zukünftigen Existenzen gute Bedingungen zu schaffen. Eine wichtige verdienstvolle Tat ist es, denen, die den buddhistischen Heilsweg zu gehen versuchen, dies zu ermöglichen, indem man ihnen alle Sorgen um das Lebensnotwendige aus dem Weg räumt. Dies bedeutet Unterstützung des buddhistischen Ordens durch die Laien, da der buddhistische Heilsweg im Normalfall als Mönch oder Nonne versucht wird. Deshalb wird es im Folgenden sinnvoll sein, den Buddhismus der Laien und den Buddhismus der Mönche je gesondert zu behandeln.

Der hier gegebene Aufriss der buddhistischen Lehre folgte den für die Buddhalehre als verbindlich angesehenen Pâlischriften. Die einzelnen Anhänger des Buddhismus haben je nach ihrem Fortschritt auf dem Weg zur Erlösung ganz unterschiedliche Ansichten. So findet man in Thailand häufig Ansichten, die dem Glauben an eine bleibende Seele sehr nahe kommen, und es gibt auch Leute, die glauben, sie könnten von einem Buddha, der in einer Art Paradies lebt, Hilfe erlangen. Auch bei der Verehrung von Buddhastatuen finden sich die unterschiedlichsten Ansichten nebeneinander: die Verwendung der Statuen als äußeres Hilfsmittel, um auszudrücken, dass man Buddha und seine Lehre ernst nimmt, neben dem Glauben an besonders wirksame Statuen. Buddhistisches Lehren wird Leute mit unkorrekten Ansichten nicht unter allen Umständen zur rechten Lehre zu bekehren versuchen, sondern wird sich dem jeweiligen Fassungsvermögen und der jeweiligen Auffassungsbereitschaft anpassen.


1.2.2. Der buddhistische Laie


Obwohl auch Laien bis zu den ersten Stadien der Erlösung vom Leid gelangen können, bewegt sich in der Regel ein Laie im Bereich von Gutes- und Böses-Tun und der Reifung von guten und bösen Folgen dieser Taten. Die Lebensanweisungen für Laien, die noch nicht so weit sind, dass sie im gegenwärtigen Leben die Erlösung und damit die Beendigung der Wiedergeburten verwirklichen können oder wollen, bewegen sich also im Schema:

So ist dem Einzelnen überlassen, welche Taten er in Kenntnis ihrer Konsequenzen wählen will. Diese Konsequenzen sind nicht die Folgen der Gesetzgebung eines Gottes, sondern es sind ewige Gesetze, die die gleiche universale Gültigkeit haben wie Naturgesetze; umgekehrt sind auch alle Götter und überirdischen Wesen dem Gesetz von Tat und Reifung der Tat zu ihren Konsequenzen unterworfen. Böses Tun ist folglich auch nicht Beleidigung eines übermenschlichen Wesens, sondern schlichtweg Torheit. Die im folgenden gegebenen Regeln der Laienethik haben unmittelbar nichts mit der Erlösung zu tun (nur mittelbar insofern ein grundschlechter Mensch nicht die Voraussetzungen für die Erlösung erfüllt); sie dienen vielmehr nur der Orientierung in dieser Welt und den innerweltlichen Folgen, auch für Wiedergeburten.

Will ein Laie böse Folgen nicht neu bedingen, so wird er unter anderem die fünf Dinge vermeiden, die durch die fünf Trainingspunkte der Sittlichkeit ausgedrückt werden. In der Praxis sieht das so aus, dass Laien an bestimmten Tagen zu einem Mönch gehen, um sich die fünf Trainingspunkte der Sittlichkeit geben zu lassen, nämlich:

das Unterlassen

  1. von Töten irgendeines Lebewesens
  2. von Diebstahl
  3. von Fehlverhalten in sexueller Hinsicht
  4. von Lügen (samt Hintertreiberei, Geschwätz und bösartige Rede),
  5. von Einnahme von berauschenden Mitteln, die Anlass zu Nachlässigkeit sind.

An positiven Eigenschaften sollte jemand, der an guten Konsequenzen seiner Taten interessiert ist, unter anderem folgendes kultivieren:

Im folgenden sollen einige Beispiele die Art der Unterweisungen illustrieren, ein glückliches und nutzbringendes Leben als Mitglied eines Haushalts zu führen:

Vier Dinge bringen einem Mann Wohl und Glück im gegenwärtigen Leben:

  1. dass er fleißig ist
  2. dass er das, was er erworben hat, bewacht und behütet
  3. dass er Umgang mit guten Freunden hat
  4. dass er in finanzieller Hinsicht nicht über, aber auch nicht unter seinen Verhältnissen lebt.

Für die Zukunft heilsam ist für einen solchen Mann, dass er zunächst einmal (d.h. so lange er sich noch kein eigenes Urteil erlauben kann) dem Buddha vertraut, die fünf Trainingspunkt der Sittlichkeit einhält, freigebig ist und letztlich auf dem Weg der erlösenden Einsicht möglichst fortschreitet.

Um den Verlust und die Verminderung des Besitzes zu vermeiden, muss man sich folgenden Dingen fernhalten:

  1. Trinken von Alkohol
  2. dem Herumstreunen auf Straßen zur Unzeit
  3. dem Besuch von Festveranstaltungen
  4. Würfelspiel und anderem Spiel
  5. dem Umgang mit schlechten Freunden
  6. dem Müßiggang.

Für jeden einzelnen Punkt werden wieder die negativen Konsequenzen dargestellt z.B. für das Trinken von Alkohol:

Für die Regeln für das Verhalten bestimmter Personengruppen zueinander die folgenden Beispiele:

Eltern zu den Söhnen:

Gatte zu Gattin:

Die Frau revanchiert sich für solches Verhalten ihres Ehemannes dadurch, dass sie

Auch oberhalb des Bereiches von Böses-Tun bzw. Gutes-Tun gibt es nach der entfalteten Lehre des Theravâdabuddhismus noch einen weiteren Bereich, der sich unter der Gesetzmäßigkeit von Tat und Tatreifung und somit Wiedergeburt befindet, nämlich die die Ruhigwerde-Meditation, auf die ich später zurückkommen werde im Zusammenhang von Mönchsleben und Meditation.

Sehr viele Thais lieben es, Verdienstvolles zu tun, wobei die Unterstützung der Mönche, das Errichten von Klöstern, Pagoden und ähnliches einen ganz zentralen Platz hat: die Thais geben im Durchschnitt ca 7% ihres Einkommens freiwillig für solche Zwecke aus. Ich kenne Thais, die 30% und mehr dafür ausgeben. Die Motive mögen verschieden sein: seis

All dies klingt für westliche Menschen zunächst sehr selbstsüchtig; wer aber, wie ich, selbst erlebt hat mit welchem Wohlwollen Thais z.B. beim täglichen Almosengang der Mönche geben, der weiß, dass dieser Egoismus echte menschliche Wärme, Freundlichkeit und Hilfsbereitschaft nicht ausschließt. Vielleicht ist diese Haltung ehrlicher als manche sogenannte Selbstlosigkeit.

Tun Thai Gutes, so tun sie es nicht im "stillen Kämmerlein", sondern die guten Taten werden öffentlich bekannt gemacht: so erhalten andere die Möglichkeit, sich neidlos mitzufreuen, dass ihr Mitmensch Gutes tat: eine Möglichkeit, sich Verdienst zu erwerben, auch wenn man keine großen finanziellen Möglichkeiten hat. Sich neidlos mitzufreuen, kann heilsamer sein, als ein Kloster zu erbauen.

Als Gelegenheit zum Tun von Verdienstvollem gibt es u.a. den täglichen Almosengang der Mönche und die zahlreichen Tempelfeste. Dabei kommt es den Thais darauf an, dass diese Feste - wie auch Leichenverbrennungen - Spaß machen. Dies ist eine Haltung, die im Buddhismus eine Begründung findet: heilsam sind nur freudvolle oder neutrale Zustände, wenn auch nicht alle freudvollen oder neutralen Zustände heilsam sind. Etwas, bei dem man traurig ist, Reue empfindet, es ungern tut, das ist auf alle Fälle unheilsam. So werden auch bei den Tempelfesten und Verbrennungen oft die verschiedensten Amüsements geboten: Filmaufführungen, Showtrupps, Tänze und anderes; all dies im Klosterbereich.

Nun noch ein paar Worte zur religiösen Praxis im engeren Sinn, d.h. den religiösen Ritualen:

Zunächst die täglichen Riten: Fromme Buddhisten beginnen ihren Tag und beenden ihn vor einem kleinen Schrein, der aber nicht unbedingt ein Buddhabildnis enthalten muss. Im Gegenteil mancherorts fürchtet man, dass man, wenn man ein Buddhabildnis im Hause hat, man ungewollt unehrerbietig gegenüber diesem Bildnis sein könnte. Da man geweihten Buddhastatuen oft magische Kräfte zuschreibt, erwartet man dann verheerende Folgen auch für Unehrerbietigkeit aus Unachtsamkeit.

Der wöchentliche und monatliche rituelle Zyklus ist vor allem durch die sog. Uposatha-Tage gekennzeichnet, die dem Mondzyklus folgen: Neumond und Vollmondtag sowie jeweils der achte Tag danach. Diese Uposathatage dienen besonders dem Verdiensttun: an ihnen geben z.B. besonders viele Leute den Mönchen beim Almosengang Essen. Fromme Laien bleiben gern den ganzen oder wenigstens einen Teil des Uposathatages im Bereich des Tempels, nehmen die acht oder zehn Trainingspunkt der Sittlichkeite auf sich, hören auf Predigten usw. Wichtig ist, dass die Beobachtung der Uposathatage zwar großes Verdienst bringt, ihre Nichteinhaltung aber keine bösen Folgen hat [Wie etwa die Verletzung des Sonntagsgebotes: es gibt kein Uposathataggebot]. Beobachter der Uposathatage sind vor allem Frauen [Wie überhaupt die Frauen frömmer zu sein scheinen als die Männer: deshalb glauben die Burmesen, dass auf einen männlichen Gott fünfhundert weibliche Götter kommen, so dass die frommen Männer auch noch den Vorteil haben von der geringeren Frömmigkeit der meisten Männer!].

Es gibt auch einen jährlichen Zyklus von Festen: die wichtigsten Feste des Jahrefestkreises sind:

Mit dem Lebenszyklus verbunden sind nur sehr wenige buddhistische Feste: Geburt, Heirat usw. werden nicht als buddhistische Feste gefeiert. Als Lebenszyklusfest könnte man evtl. den Eintritt in den Mönchsorden vor dem 25. Lebensjahr bezeichnen. Das wichtigste Fest im Leben eines Buddhisten ist die Verbrennung seiner Leiche. Diese Feier wird dazu genutzt, um auf den Verstorbenen nochmals Verdienst zu übertragen.


1.2.3. Mönche und Klöster


Nach diesem summarischen Aufriss des Lebens eines buddhistischen Laien, nun zu den Mönchen. Während der Regenzeit 1969 gab es in Thailand ca. 25 000 Tempel, 190 000 Mönche und 115 000 Novizen, d.h. auf ca. 115 Thais kam ein Mönch oder Novize. Auf die Anzahl der erwachsenen männlichen Buddhisten bezogen kam auf ca. 35 erwachsene männliche Buddhisten ein Mönch. Obwohl heute die Zahlen, besonders in den Städten, etwas verschieden sein werden, geben diese Zahlen doch einen guten Eindruck der Verhältnisse.

Der Mönchs- und Nonnenorden waren ursprünglich dafür gedacht, dass die Gemeinschaft der Laien solchen, die die Erlösung zu verwirklichen wünschen oder die die Erlösung schon verwirklicht haben, es ermöglicht, frei von den Alltagssorgen ein bescheidenes Leben zu führen. Wenn jemand nämlich sich für den Unterhalt von sich und einer Familie kümmern muss, ist es sehr schwer, sich freizumachen von den Bindungen. Deswegen ist der Weg als Mönch oder Nonne der leichtere Weg zur Erlösung.

Die Verwirklichung der Erlösung kann sehr schnell, ja plötzlich geschehen, sie kann aber auch das Ergebnis von lange währender Meditation sein. Um schwere Missverständnisse zu vermeiden, muss man zwischen zwei Arten von Meditation unterscheiden: der Ruhigwerdemeditation und der Einsichtsmeditation. Obwohl die Ruhigwerdemeditation sich oberhalb des Bereiches von Böses-Tun bzw Gutes-Tun befindet, den ich oben im Zusammenhang mit dem Laien behandelt habe, steht die Ruhigwerdemeditation unter der Gesetzmäßigkeit von Tat und Tatreifung und somit Wiedergeburt. Die Ruhigwerdemeditation ist kein Spezifikum des Buddhismus, sondern sie wird z.B. auch von nichtbuddhistischen indischen Yogis und auch vielen Christen gepflegt. Ihr wesentlicher Unterschied zu den zur Erlösung führenden Übungen, der sog. Einsichtsmeditation, besteht darin, dass sie zwar zu außergewöhnlichen Glücks- oder Gleichmutszuständen führt, dass sie aber nicht zur Einsicht führt, dass gar alles vergänglich, leidvoll und herrenlos ist [Dies sind die drei grundlegenden Merkmale jeder Wirklichkeit, die nicht Nirvâ.na ist]. Die Entfaltung dieser Ruhigwerdemeditation führt zur Wiedergeburt als begierdeloses Wesen mit unvorstellbar langer, aber begrenzter Lebenszeit.

Demgegenüber soll die sog. Einsichtsmeditation (besser: die Einübung von Einsicht) zur Verwirklichung der Einsicht führen, dass alles unbeständig, ohne Herrn und bleibendes Ich und deshalb leidvoll ist. Die wichtigsten Methoden bestehen in der bewussten Zurkenntnisnahme des Atmens - nicht in Atemkontrolle -, in der bewussten Zurkenntnisnahme aller automatisierten Akte wie zB. des Gehens, Stehens, Liegens, Sitzens; und in der bewussten Zurkenntnisnahme objektbezogener Vorgänge als Akte, d.h. zB. wenn ich etwas sehe, ist meine ganze Aufmerksamkeit nicht wie im Alltag auf das gesehene Objekt gerichtet, sondern darauf, dass Sehen stattfindet. Diese Übungen führen über verschiedene Zustände evtl. zum Durchbruch zur Heilsgewissheit.

Doch nun zurück zum Mönchsorden: Obwohl also der Mönchsorden ursprünglich nur für diejenigen gedacht war, die ausprobieren wollen, ob der buddhistische Weg zur Erlösung führt, machen solche Mönche innerhalb des thailändischen buddhistischen Mönchsordens gewiss die Minderheit aus. Mönch wird man aus den verschiedensten Gründen z.B.

Es gibt einen Thaispruch, der einige mögliche Motive nennt, derentwillen man Mönch wird:

Die Motive, derentwillen man in den Mönchsorden eintritt, brauchen nicht identisch zu sein mit denen, wegen derer man dann bleibt. So kann es sein, dass jemand wegen der alten Sitte, und um seiner Mutter eine Freude zu machen, für eine Regenzeit Mönch werden will, später aber sein Leben lang bleibt, weil ihn eine bestimmte Art von Meditation so sehr überzeugt.

Man kann Mönch werden sobald man das zwanzigste Lebensjahr erreicht hat. Vorher kann man Novize werden. Der Eintritt in den Mönchsorden geschieht in einer recht einfachen Zeremonie. Mit dem Eintritt in den Mönchsorden nimmt man die Einhaltung der 227 Mönchsregeln auf sich. Das Gewicht, das man in Thailand auf die Einhaltung der einzelnen Regeln legt, ist unterschiedlich. Großer Wert wird auf korrektes Verhalten, besonders auch gegenüber Frauen gelegt:

ein Mönch soll freundlich, milde, nie aufgeregt, zornig, grob oder streitlustig sein, er soll sich immer ordentlich benehmen und seine beiden Gewandtücher ordentlich tragen, darf mit keiner Frau direkt oder indirekt in Berührung kommen, hat darauf zu achten, dass er nur Dinge isst, die er formell überreicht bekam, darf von 12 Uhr mittags bis zum anderen Morgen nach Sonnenaufgang nicht mehr essen, soll beim Essen nicht gierig sein und nicht zeigen, dass er hungrig ist, darf nicht betteln und vieles andere mehr.

Aus dem Mönchsorden für immer ausgeschlossen wird man, wenn man als Mönch Sexualverkehr hat, schweren Diebstahl begeht, einen Menschen tötet, zum Mord an einem Menschen Beihilfe leistet oder jemandem das Leben so mies darstellt, dass dieser Selbstmord begeht. Aus dem Orden wird man ebenfalls ausgeschlossen, wenn man bewusst fälschlich erzählt, dass man irgendwelche übermenschliche Zustände erreicht hat.

Den Lebensunterhalt hat man als Mönch vor allem durch freiwillige Gaben der Laien: beim morgendlichen Almosengang gibt der Mönch den Laien, die an dem betreffenden Tag etwas Heilsames tun wollen, die Gelegenheit dazu: die Laien warten an den Straßen auf die vorbeikommenden Mönche und laden diese ein, von ihnen Speisen (Reis, Fleisch, Fisch, Süßigkeiten, Obst, usw.) entgegen zu nehmen. Der Mönch spricht in Pâli den Wunsch aus, dass für den Geber alle Widerwärtigkeiten vergehen mögen und dass der Geber langes Leben, Schönheit, Gesundheit und Glück erlangen möge. Andere Laien bringen Essen und die kleinen Notwendigkeiten des Alltags (z.B. Seife, Zahnpasta usw.) ins Kloster. Bei verschiedenen Festen zieht man mit Wunschbäumen, auf die man solche Kleinigkeiten und auch Geldscheine gehängt hat, mit Musik und Tanz zum Kloster. Eine weitere Einnahmequelle für die Mönche sind die Gaben (oft Geld), die Laien den Mönchen als Gegenleistung dafür geben, dass diese Pâlitexte anlässlich von Hauseinweihungen, Verbrennungen, Totengedächtnis usw. rezitieren. Wie eine solche Rezitation wirkt, darüber sind die Ansichten verschieden: die einen sprechen den rezitierten Texten als solchen Wirksamkeit zu (es sind ja von Buddha selbst formulierte Wahrheiten); andere denken, dass die Geister sich freuen, wenn sie Buddhas Wort hören können und so gut gesinnt werden; andere wieder bejahen solche Rezitationen, weil sie den Leuten heilsame Freude bereiten. Auch für astrologische und heilkundliche Dienstleistungen beschenkt man die Mönche. Eine weitere Einnahme sind für bestimmte Mönche staatliche Gehälter (z.B. als Lehrer usw., wobei diese weit unter den Gehältern für Laien liegen) und Zuwendungen. Nach den Mönchsregeln dürften Mönche kein Geld entgegennehmen. Die eine der beiden verschiedenen Richtungen der Mönchstradition in Thailand, der sog. Thammayutnikây, hält dies auch streng ein: mit Geld darf nur ein Laie umgehen: wenn man verreist, muss ein Laie für einen die Fahrkarten lösen usw. Die überwiegende Richtung der Mönchsdisziplin, der sog. Mahânikây, ist in dieser Beziehung nicht so streng: die Mönche nehmen Geld entgegen und gehen damit auch um. Obwohl es einige Mönche gibt, die für sich persönlich Reichtum anhäufen [Solche Fälle gehen immer wieder durch die Presse und rufen Empörung hervor, in neuester Zeit scheinen sie sich zu häufen, wohl eine Folge des unglaublichen wirtschaftlichen Aufschwungs von Thailand], so sind doch die Einnahmen der großen Mehrheit der Mönche äußerst bescheiden. Viele Äbte, die höhere Einnahmen haben, verwenden den Großteil davon, um armen Novizen den Schulbesuch zu ermöglichen, und zum Unterhalt der Buben aus meist ärmeren Familien, die im Kloster leben und dort kleine Dienstleistungen verrichten, um eine bessere Erziehung zu bekommen. Andere sehr angesehene Mönche verwenden ihren Einfluss, um Gelder für soziale Aufgaben wie Bau von Schulen, Bewässerungsanlagen, Kauf von besserem Saatgut zusammenzubringen.

Das Leben der Mönche sieht sehr unterschiedlich aus: eine wichtige Unterscheidung ist die zwischen Mönchen, die ganzjährig in Klöstern leben und den sogenannten Thudong, die außerhalb der Regenzeit frei herumziehen, teils in Höhlen leben, teils ihren Schirm mit Moskitonetz am Fuß von Bäumen aufspannen und heute hier, morgen dort übernachten. Noch andere, solche - dem frühen buddhistischen Mönchtum entsprechende Praktiken, werden heute in Thailand ausgeübt.

Die Klöster sind unterschiedlich orientiert: es gibt Klöster, die spezialisiert sind auf buddhistische Studien, andere widmen sich mehr dem Unterricht in weltlichen Dingen - oft auch für Laien, andere sind Meditationsklöster für Mönche und Laien, wieder andere sind das Zentrum eines Dorfes. Auch Klöster, die sich auf die Behandlung von drogenabhängigen Laien spezialisiert haben oder solche, die Mönche und Novizen als praktische Entwicklungshelfer für die Dörfer ausbilden gibt es.

Es ist die Regel, dass ein Mönch, wenn er längere Zeit im Orden bleibt, an verschiedenen Orten in verschiedene Klöster zieht: die Mönche bilden mit ihrer starken geographischen Mobilität ein Band des Zusammenhaltes zwischen den verschiedenen Regionen Thailands und auch einen wesentlichen Faktor bei der Verbreitung von Neuerungen (z.B. sanitären Einrichtungen) ins Land hinaus.

Während in einigen Klöstern die äußere Regelung des Tagesablaufs recht locker ist (abgesehen von den festen Essenszeiten), gibt es andere Klöster, in denen dieser Ablauf ziemlich stark geregelt ist. Es gibt Meditationsklöster, in denen von morgens 4.30 bis abends 11 Uhr meditiert wird, es gibt Klöster zur Erlernung der Pâlisprache, in denen die ganze Zeit mit Pauken ausgefüllt ist, es gibt Klöster, in denen die Mönche die meiste Zeit die Süßheit des Nichtstuns genießen.

Im Unterschied zum frühen Buddhismus hat der Mönchsorden in Thailand eine hierarchische Organisation: an der Spitze steht ein Sa°ngharâja - ein König der Mönchsgemeinde - zuunterst stehen die Äbte der einzelnen Klöster. Dazwischen gibt es eine Gliederung, die der politischen Gliederung Thailands ungefähr entspricht. Diese Organisation ermöglicht disziplinarisches Eingreifen durch die obere Stelle, wenn die Selbstkontrolle der Mönchsdisziplin auf einer untergeordneten Ebene nicht funktioniert. Diese hierarchische Organisation gewährleistet aber auch durch Mitspracherechte des Staates bei der Besetzung der ämter eine gewisse politische Kontrolle über den Mönchsorden, d.h. vor allem auch Kontrolle der geforderten Enthaltsamkeit der Mönche von jeder direkten politischen Betätigung.

In neuerer Zeit bemühen sich buddhistische Mönche, Mitglieder der Bergvölker für den Orden zu gewinnen und somit zur Integration der Bergvölker in die Thaigesellschaft beizutragen. Missionarische Tätigkeiten im Ausland sind sehr beschränkt. Von größerer Bedeutung ist die wachsende Zahl von Ausländern, die für längere oder kürzere Zeit als Mönche, Maechee oder Laien in Thaiklöstern verweilen.

Die Mönche stehen in der thailändischen Sozialordnung, soweit sie durch Höflichkeitsformen bestimmt wird, an oberster Stelle. Manche Thais betonen allerdings, dass sie das Mönchsamt verehren, nicht den Träger desselben. Mönche, die einen guten Lebenswandel führen oder die im Ruf außergewöhnlicher Fähigkeiten stehen, haben auch ein außerordentlich hohes persönliches Ansehen. Medaillen, die von ihnen geweiht wurden und die ihr Bildnis tragen, werden auch von Thais, die sonst ein eher distanziertes Verhältnis zum Buddhismus haben, gerne getragen und erzielen auf dem Markt hohe Preise.

Der Austritt aus dem Mönchsorden ist jederzeit möglich: man erklärt vor den Mönchen dreimal in Pâli und in Thai, dass man von nun an das Leben eines Laien führen will. Wiedereintritt ist möglich, mehr als zweimaliger Eintritt kommt aber in Thailand kaum vor.

Im alten Buddhismus hatten Frauen die Möglichkeit, Nonnen zu werden; dazu muss man sowohl von einer Nonnen- wie einer Mönchsgemeinde aufgenommen werden. Die Tradition der Nonnengemeinden erlosch aber in den Ländern des Theravâdabuddhismus und so gab es in Thailand bis vor einem Jahr meines Wissens nur eine einzige Nonne: sie erhielt 1971 die Aufnahme in den Nonnenorden durch Mahâyânamönche und -nonnen in Taiwan, die ihre eigene Tradition auf Theravâdanonnen Sri Lankas zurückführen. Obwohl diese Ordination also in Theravâdatradition steht, hat diese Nonne in Thailand Probleme, als Thervâdanonne anerkannt zu werden. Diese Nonne ist stark sozial engagiert tätig. Normalerweise können Frauen in Thailand sog. Maechee's werden. Maechee's sind Frauen, die wie die Novizen die 10 buddhistischen Trainingspunkte der Sittlichkeit auf sich nehmen. Bisher waren das sehr oft Witwen oder Frauen, die ihr Mann verlassen hatte, in letzter Zeit aber nahm die Zahl derjenigen Mädchen und jungen Frauen zu, die für eine kurze Zeit das Leben einer Maechee führen, z.B. Studentinnen in Examensnöten.


1.2.4. Nichtbuddhistische Religion der Buddhisten


Für alle Dinge, die nicht zum Weg der Befreiung vom Leid gehören, erhebt der Theravâdabuddhismus nicht den Anspruch, die besten Mittel anzubieten. So bleibt auch für einen überzeugten Buddhisten für solch irdische Dinge wie den Umgang mit Gespenstern, die Sicherung von genügend Regen, die Erlangung von Nachkommenschaft und dergl. der Weg zu Spezialisten (Geisterpriestern und -Priesterinnen, Medien, indischen Brahmanen) auf diesen Gebieten offen. So kann man auch fast überall in Thailand die Geisterhäuschen sehen. Geisterhäuschen stehen zwar nicht in einem direkten Zusammenhang zum Buddhismus, sie werden durch diesen aber auch nicht ausgeschlossen.

Die Einstellung zu anderen Religionen, wie sie in Thailand in den Schulen und Klöstern vermittelt wird, ist die, dass alle Religionen dasselbe wollen, da sie den Menschen lehren, das Gute zu tun und das Böse zu lassen. Eine polemischere Haltung entsteht manchmal als Reaktion auf das Wirken christlicher Missionare, falls diese versuchen den Buddhismus herabzusetzen.


1.2.5. Zusammenfassung


Wir können beim thailändischen Buddhismus verschiedene Aspekte beobachten, auf die ich zum Teil eingegangen bin:

Man darf aber keineswegs den Fehler begehen, diese verschiedenen Aspekte des einen Theravâdabuddhismus als verschiedene Buddhismen anzusehen und sie gegeneinander auszuspielen. Da Buddhisten nicht nur mit einem Leben rechnen, sondern mit unzählig vielen, haben sie große Geduld mit sich selbst und mit den Mitmenschen: was man in diesem Leben nicht schafft, schafft man vielleicht in einem künftigen. Darum wäre es auch töricht, zu erwarten, dass alle Menschen oder auch nur der Großteil der Menschen Erlösung als ein erstrebenswertes Ziel wirklich ansehen. Selbstverständlich ist es für die meisten viel erstrebenswerter, unter besseren Umständen leben zu können. Deswegen kann man auch nicht den nibbânischen gegen den kammischen Aspekt des Buddhismus ausspielen: die Menschheit braucht beide.


1.3. Lernziel und Methode


Lernziel: Vermittlung von Kenntnissen (weniger von Fertigkeiten).

Methode: Gespräch mit Dias, Tonvorführungen, praktischen Vorführungen.


1.4. Vorschau


Wir werden die verschiedenen Dimensionen des Theravadabuddhismus behandeln:

  1. religiöse Praxis
  2. religiöse Überzeugung ("Glaube")
  3. religiöses Wissen
  4. religiöse Erfahrung
  5. Konsequenzen für das nichtrituelle Handeln
  6. soziale Dimension.

"Objekt" unserer Betrachtungen werden u.a. sein:

Gliederung:

Nach einer Einführung werden wir uns den buddhistischen Laien zuwenden: zunächst den wichtigen Vorstellungen von Karma und Wiedergeburt, dann darauf fußend der Laienethik und dem zentralen Verdienst-Tun.

Als Verbindungsglied zwischen Laien und Mönchen werden wir uns dann dem Ritual zuwenden, den täglichen Riten, dem Festkreis und den anlassbezogenen Riten bis zu den Bestattungszeremonien.

Dann werden wir uns dem Mönchsweg widmen:

Wer wird Mönch/Novize, warum, wie lange, wie wird man Mönch, was tut man als Mönch, welche Regeln bestimmen das Mönchsleben, welche Arten von Klöstern gibt es, Mönchsdisziplin, Hierarchie, Mönch und Gesellschaft, Nonnen, Austritt aus Mönchsorden.

Anschließend werden wir uns den Fragen von Buddhismus, Staat und Gesellschaft zuwenden. Hier werden wir, da die Theravadaländer alle sog. Entwicklungsländer sind, insbesondere auch mit der Frage Buddhismus und wirtschaftlich-gesellschaftliche Entwicklung befassen.

Wenn es die Zeit gestattet, werden wir am Schluss noch auf theravadabuddhistische Minderheiten in Indien und im Westen eingehen.


1.5. Traditionen des Buddhismus (zur Standortbestimmung des Theravâda)


Bei den Traditionsströmen und Richtungen des Buddhismus muss man unterscheiden:

Man kann die Traditionen des Buddhismus auch nach äußeren Kriterien einteilen nach:


Traditionen der Ordensdisziplin (Vinayatraditionen)


Alle Traditionen der Ordensdisziplin mit Ausnahme der Zen-Tradition gehören den alten Schulen an, d.h. auch Mahâyâna und Vajrayânamönche und -nonnen anerkennen einen Text der Ordensdisziplin, der zu den alten Schulen gehört. Es gibt keinen eigenen Text der Mahâyânaordensdisziplin.

Vinayatradition: heute verbreitet in:

Lehrtraditionen



1.6. Historische Stichworte zum Thervâdabuddhismus


Ein paar sehr lückenhafte historische Stichworte zu den Ländern des Theravadabuddhismus. Zu neueren Entwicklungen werde ich jeweils im entsprechenden Kontext etwas sagen.


1.6.1. Sri Lanka


Im 3. Jhdt vor Christus: König A`soka (273-236v Chr) von Indien schickt als Missionar seinen Sohn Mahinda (Mönch) nach Ceylon, dieser bekehrt den dortigen König Devânampiyatissa (250-210 v. Chr.), der den Buddhismus unter besonderen königlichen Schutz stellte und faktisch zur Staatsreligion machte.

Seit dem 2. Jhdt. v. Chr. immer wieder Kriege mit den Tamilen von Südindien. Wiederholt haben tamilische Eroberer den größten Teil der Insel in Besitz genommen. Die Auseinandersetzung mit den Tamilen ist für den heutigen Buddhismus bes. von Bedeutung wegen der Herausbildung eines buddhistischen Nationalismus und Rassismus "arya-singhala-bauddha".

Wichtig für das Verständnis des heutigen ceylonesischen Buddhismus ist auch die Kolonialzeit: ab 1505 Eroberung des Westens und später des Nordens der Insel durch die Portugiesen, 1656 statt der Portugiesen Holländer, 1796 die Engländer. Daneben existierte jedoch im Inneren der Insel ein unabhängiges sighalesisches Königreich mit der Hauptstadt Kandy weiter. 1815 nahmen die Engländer auch dieses Reich in Besitz. Kolonialzeit wichtig bes. wegen Auseinandersetzung mit dem Christentum. 1948 Unabhängigkeit Ceylons.

Heutige religionsgeographische Lage: buddhistisch ist der Großteil der Singhalesen (zwischen 60 u 70 % der Gesamtbevölkerung), daneben gibt es die hinduistischen Tamilen (Ceylon-Tamilen und Indian-Tamilen der Plantagen), Christen, und die ca 1/2 Mio Tamil-sprecheden, muslimischen Moors.


1.6.2. Burma (Myanmar)


Schon zur Zeit des Königs As'oka eine Mission nach Burma.

Schon im 1.Jahrtausend nach Chr. in birmanischen Ebenen Buddhismus und Hinduismus vorherrschende Religionen. Im Reiche der Pyu (Oberbirma) verschiedene Formen des Buddhismus, auch Mahayana, Sarvastivada, Theravada. Im Mon-Reich (Niederbirma und Teile Thailands) überwiegend Theravada. Der Theravada scheint aus Südindien eingeführt worden zu sein. Im 9. Jhdt. Einwandern der Birmanen im Reich der Pyu. Tantrischer Buddhismus aus Ostindien.

König Anuruddha (1044-77) führt in Oberbirma den Theravada ein: Religionskrieg gegen die Mon, um Abschriften der Hl. Schriften nach Pagan zu bringen, nachdem die Mon sich geweigert hatten, freiwillig eine Abschrift der Hl. Schriften und einige Reliquien zu senden . Ab 13. Jhdt. Vordringen der Shan.

1824/26 erster englisch-birmanischer Krieg: Abtretung von Arakan und Tenasserim, 1852 zweiter Krieg: Verlust ganz Niederbirmas. 1885 dritter Krieg: Sturz Oberbirmas.

1948 Unabhängigkeit.

Heutige religionsgeographische Lage: buddhistisch sind Birmanen, Shan, Mon, Arakanesen, InTha (am Inle Lake) (insgesamt ca 85 % der Bevölkerung), daneben aber Karen, Katschin, Tschin u.a. Muslims 2-3%, Hindus 2%, Christen usw.


1.6.3. Thailand


Seit 9.Jhdt nach Chr. Einströmen von Thaistämmen.

Im Reich von Sukhothai führte König Rama Khamheng (1275-1317) den Theravadabuddhismus ein. 1361 ersuchte König Thamaraja Lüthai den Sangharaja im Lande der Mon, ihm einen gelehrten Mönch zu senden, um den reinen Buddhismus singhalesischer Tradition einzuführen. Auch in anderen Thaistaaten seit 13./14. Jhdt Theravadabuddhismus als Staatsreligion. Zwar seit 16. Jhdt. Kontakte mit europäischen Mächten, aber nie Kolonie.

Heutige religionsgeographische Lage: Buddhisten sind die verschiedenen Thaivölker (Zentralthai, Nordthai, Isan-Lao, Südthai), Khmer, Mon, Shan. Daneben weniger als 3% Muslime (Mehrheit in Pattani, Narathiwat, Yala), christliche Minoritäten (bes. Bergvölker).


1.6.4. Laos


Heutiges Laos gehörte zum Khmer-Reich, als im 12./13. Jhdt. Lao ins heutige Gebiet vorstießen. Schon vor dem 14. Jhdt war Buddhismus in Laos verbreitet, strittig ist, welche Form.

Nach der einheimischen Tradition wurde unter Fa Ngum von Luang Prabang (Mitte 14.Jhdt) der Buddhismus aus dem Khmer-Reich nach Laos verpflanzt und zur Staatsreligion gemacht.

Von 1883 an Vordringen der Franzosen in Laos, 1893 erkennt Siam die französische Oberhohheit über das heutige Gebiet Laos (endgültige Grenzfestlegung erst 1907). Rechtsstatus des Königreichs Luang Prabang blieb jahrzehntelang völlig unklar.

Nach dem 2. Weltkrieg Befreiungskampf gegen die Franzosen (1950 Gründung der Pathet Lao), 1953 Unabhängigkeit von Frankreich, Beim Genfer Waffenstillstand von 1954 wurden dem Pathet Lao zwei Provinzen zugestanden, ständige Zusammeenstösse zwischen königlicher Regierung und Pathet Lao, 1957 Wiedervereinigung von Laos, USA bauen laotische Armee auf, die ganz von den USA finanziert wurde, starke Auseinandersetzungen mit Pathet Lao. Wechsel zwischen Anfeindungen und Koalitionsregierungen , seit 1975 kommunistisch (bis 1989 unter stark vietnamesischer Beteiligung).

Religionsgeographische Situation: buddhistisch sind die Lao, während die zahlreichen Bergvölker Stammesreligionen anhängen oder christianisiert sind.


1.6.5. Kambodscha


Ab 1. Jhdt. n. Chr. setzt sich bei den Khmer der Brahmanismus durch. Seit 6. Jhdt Ausbreitung des Buddhismus: von China über Annam Mahayana, von Südindien und Ceylon Theravadabuddhismus.

Zweite Hälfte des 12. Jhdts. Jayavarman VI. - erster buddhistischer Herrscher Kambodschas. Seit 14. Jhdt ständig Kriege zwischen Thais und Khmer. Seit 17. Jhdt Kriege mit Vietnamesen.

1860 Schutzvertrag der Franzosen an Norodom, 1864 krönten Vertreter Siams und Frankreichs Norodom zum König: die Krone erhält er aus Händen des französischen Geschäftsträgers, 1884 wird Kambodscha von Franzosen bestzt und faktisch zur Kolonie (rechtlich 1887). Seit Ende der 30er Jahre Widerstandsbewegung.

1946 Abkommen zwischen Sihanouk und Frankreich: Frankreich verzichtet auf sein Protektorat,aber gehört weiterhin zur französischen Union, 1953 völlige Souveränität, ab 1960 Verwicklung in den Vietnamkrieg, ab 1969 Operation Breakfast (bis 1973). 1975 Beginn der Herrschaft der Roten Khmer: Vernichtung der buddhistischen Kultur. 1979 Vietnamesen erobern Phnom Penh. Trotz "Befriedung" durch UNO bis heute von Roten Khmer geplagt.

Heutige religionsgeographische Lage: Früher: buddhistisch Khmer, vietnames. Mahayana, daneben kleine muslimische und christliche Minderheiten, Moi (Montagnards).


1.7. Weiterführende Ressourcen


Ausführlicheres und Präziseres zu vielen Einzelgebieten und zur buddhistischen Lehre als Ganzes s. in meinen übrigen Online-Veröffentlichungen in:

Buddhismus / Buddhism. -- URL: http://www.payer.de/budlink.htm

Einführung in den Buddhismus (lehrmäßig):

Schumann, Hans Wolfgang: Buddhismus : Stifter, Schulen, Systeme. - Olten : Walter, 1976. - 238 S. : Ill.

Sehr gute "einheimische" Darstellung der Lehre des Theravada:

Narada <Mahâ Thera>: The Buddha and His teachings. - Colombo, 2517=1973. - 713 S.

Sehr gut illustrierte Gesamtdarstellung:

Die Welt des Buddhismus / hrsg. von Heinz Bechert und Richard Gombrich. - München : Beck, 1984. - 309 S. : zahlr. Ill. - ISBN 3-406-301115-0

Bringt auch soziale u. a. Aspekte:

Gard, Richard A.: Der Buddhismus. - Genf, 1972. - 337 S. : Ill. - (Die großen Religionender Welt). - Einheitssachtitel: Buddhism

Obwohl darin nur einige Aspekte unseres Seminarthemas dagestellt sind, sollte jeder zumindest einen Teil durcharbeiten von:

Bechert, Heinz: Buddhismus, Staat und Gesellschaft in den Ländern des Theravada-Buddhismus. 3 Bde. - Wiesbaden, 1966 -1973.

Sehr einseitige Darstellung des südostasiatishen Theravada:

Sarkisyanz, Manuel: Die Religionen Kambodschas, Birmas, Laos, Thailand und Malayas. - In: Die Religionen Südostasiens. - Stuttgart [u.a.] : Kohlhammer, 1975. - (Die Religionen der Menschheit ; 23). - ISBN 3-17-001158-8. - S. 384-560.

Als erste anschauliche Darstellung des Lebens der Völker, die wir in diesem Seminar behandeln eignen sich die entsprechenden Kapitel in:

Bild der Völker : die Brockhaus Völkerkunde in zehn Bänden - 1974. Bd 6 und 7.

Die beste Zusammenfassung der gegenwärtigen politischen und sozialen Situation findet sich jeweils im:

Asia Yearbook der Far Eastern Economic Review.


Zu Kapitel 2: Karma und Wiedergeburt