Ausgewählte Texte aus der Carakasaṃhitā

1. Sūtrasthāna

5. Kapitel 5: "Maßvoll essend"

Sūtra 81 - 93


übersetzt und erläutert von Alois Payer

mailto:payer@payer.de


Zitierweise / cite as:

Carakasaṃhitā: Ausgewählte Texte aus der Carakasaṃhitā / übersetzt und erläutert von Alois Payer <1944 - >. -- 1. Sūtrasthāna. -- 5. Kapitel 5: "Maßvoll essend". -- Sūtra 81 - 93. -- Fassung vom 2007-06-30. -- URL: http://www.payer.de/ayurveda/caraka0105081.htm        

Erstmals publiziert: 2007-06-30

Überarbeitungen:

Anlass: Lehrveranstaltung SS 2007

©opyright: Dieser Text steht der Allgemeinheit zur Verfügung. Eine Verwertung in Publikationen, die über übliche Zitate hinausgeht, bedarf der ausdrücklichen Genehmigung des Verfassers

Dieser Text ist Teil der Abteilung Sanskrit  von Tüpfli's Global Village Library

WARNUNG: dies ist der Versuch einer Übersetzung und Interpretation eines altindischen Textes. Es ist keine medizinische Anleitung. Vor dem Gebrauch aller hier genannten Heilmittel wird darum ausdrücklich gewarnt. Nur ein erfahrener, gut ausgebildeter ayurvedischer Arzt kann Verschreibungen und Behandlungen machen!


Falls Sie die diakritischen Zeichen nicht dargestellt bekommen, installieren Sie eine Schrift mit Diakritika wie z.B. Tahoma.

Verwendete und zitierte Werke siehe: http://www.payer.de/ayurveda/caraka0001.htm

Die Verse sind, wenn nichts anderes vermerkt ist, im Versmaß Śloka abgefasst.

Definition des Śloka in einem Śloka:

śloke ṣaṣṭhaṃ guru jñeyaṃ
sarvatra laghu pañcamam
dvicatuṣpādayor hrasvaṃ
saptamaṃ dīrgham anyayoḥ

"Im Śloka ist die sechste Silbe eines Pāda schwer, die fünfte in allen Pādas leicht
Die siebte Silbe ist im zweiten und vierten Pāda kurz, lang in den beiden anderen."

Das metrische Schema ist also:

 ̽  ̽  ̽  ̽ ˘ˉˉ ̽ 
 ̽  ̽  ̽  ̽ ˘ˉ˘ ̽ 

 ̽  ̽  ̽  ̽ ˘ˉˉ ̽ 
 ̽  ̽  ̽  ̽ ˘ˉ˘ ̽

Zur Metrik siehe:

Payer, Alois <1944 - >: Einführung in die Exegese von Sanskrittexten : Skript.  -- Kap. 8: Die eigentliche Exegese, Teil II: Zu einzelnen Fragestellungen synchronen Verstehens. -- Anhang B: Zur Metrik von Sanskrittexten. -- URL: http://www.payer.de/exegese/exeg08b.htm


mūrdhni tailaniṣevaṇam

Salben des Kopfes mit Öl


nityaṃ snehārdraśirasaḥ
śiraḥśūkaṃ na jāyate |
na khālityaṃ na pālityaṃ
na keśāḥ prapatanti ca |81|

81. Wer seinen Kopf stets mit Öl feucht hält bekommt kein Kopfweh, keine Glatze, keine grauen Haare und keinen Haarausfall.

balaṃ śiraḥkapālānāṃ
viśeṣeṇābhivardhate |
dṛḍhamūlāś ca dīrghāś ca
kṛsṇāḥ keśā bhavanti ca |82|

82. Kopf und Schädel werden besonders kräftig. Die Haare bekommen feste Wurzeln, werden lang und schwarz.


Abb.: Die Haare werden lang und schwarz
[Bildquelle: Indian Gypsy. -- http://www.flickr.com/photos/indiangypsy/302757297/. -- Zugriff am 2007-06-29. -- NamensnennungKeine kommerzielle NutzungWeitergabe unter gleichen BedingungenCreative Commons Lizenz (namensnennung, keine kommerzielle Nutzung)]

indriyāṇi prasīdanti
sutvag bhavati cānanam |
nidrālābhaḥ sukhaṃ ca syān
mūrdhni tailaniṣevaṇāt |83|

83. Die Sinnesorgane werden klar, man bekommt eine gute Gesichtshaut. Wenn man Öl am Kopf anwendet, schlaft man gut und ist glücklich.


karṇatarpaṇam

Ölen der Ohren


na karṇarogā vātotthā
na manyāhanusaṃgrahaḥ |
noccaiḥ śrutir na bādhiryaṃ
syān nityaṃ karṇatarpaṇāt |84|

84. Wenn man stets in die Ohren Öl füllt (tarpaṇa), dann bekommt man keine Ohrkrankheit durch Wind (vāta), keinen Schiefhals (manyāsaṃgraha) (Torticollis)1  oder Kieferklemme (hanusaṃgraha) (Trismus)2, keine Schwerhörigkeit (uccaiḥ śruti) und keine Taubheit.

Kommentar:

1 manyāsaṃgraha - Schiefhals (Torticollis)

"Torticollis ist eine spezielle Form einer zervikalen Dystonie (Auch: Schiefhals, Torticollis spasmodicus oder veraltet Torticollis spasticus). Dabei handelt es sich um eine neurologische Erkrankung, bei der es zu unkontrollierten Bewegungen oder zur Fehlhaltung des Kopfes kommt.

Symptome

Ein Torticollis entsteht durch überaktive Muskeln im Hals- und Nackenbereich. Dabei ist die Koordination der Muskeln und ihrer Antagonisten gestört, so dass sie gleichzeitig aktiviert werden. Auch wenn häufig nur der Begriff Torticollis verwendet wird, werden in der Medizin verschiedene Typen unterschieden, die auch in Kombination auftreten können:

  • drehend: rotatorischer Torticollis
  • zur Schulter kippend: Laterocollis
  • nach vorn auf die Brust gebeugt: Anterocollis
  • nach hinten überstreckt: Retrocollis

Die Fehlhaltung kann mit rhythmischen und teilweise heftigen Bewegungen einhergehen. Meist ist die Achse zwischen Kopf und Körper verschoben und es kann auch zu einem Schulterhochstand kommen.

Ursachen

Unterschieden wird zwischen einem angeborenen, skelettbedingten (z. B. Klippel-Feil-Syndrom) und einem muskulärem Torticollis, der häufig später auftritt. Das Krankheitsgeschehen spielt sich im Gehirn im extrapyramidalen System und hier speziell in den Basalganglien ab. Bekannte Ursachen können sein:

  • Schädigungen bestimmter Hirnregionen verursacht durch Schlaganfälle, Tumore, Hirnverletzungen oder -entzündungen, Gefäßmissbildungen, Unfallfolge (Schleudertrauma)
  • Stoffwechselerkrankungen
  • Einnahme von Medikamenten, die auf die Basalganglien wirken
  • geburtstraumatisch durch Einblutung in den M. sternocleidomastoideus
  • Tumor der hinteren Schädelgrube
  • Kalzifikation der Zwischenwirbelscheiben
  • Verletzungsbedingt (Torticollis traumaticus)

Meist ist keine Schädigung festzustellen (idiopathische Krankheit). Ein Nachweis der schädigenden Ursachen ist bis jetzt nicht wissenschaftlich belegbar.

Behandlung

Eine allgemeinverbindlich etablierte und vor allem kurative Therapie existiert bis heute noch nicht. Behandlungsmethoden bei zervikalen Dystonien sind:

  • Injektion von Botulinumtoxin in die betroffenen Muskeln
  • Physiotherapie
  • Einnahme von Medikamenten (in akuten Fällen z.B. Akineton[Wirkstoff: Piperiden] Inj Lös. 5 mg Amp 1 ml Sprtize i.m.)
  • Psychotherapie
  • Alternative, d.h. nichtschulmedizinische Heilmethoden
  • Operative Eingriffe, z.B. Denervierung (Chirurgische Trennung der Nerven vom betroffenen Muskel) oder Myotomie (operative Durchtrennung von Muskeln)
Verlauf

Der Verlauf der Krankheit kann ohne Behandlung nicht vorhergesagt werden. Neben einer Spontanheilung gibt es häufig Phasen der Besserung und Verschlechterung, die auch im Verlauf eines Tages auftreten können."

[Quelle: http://de.wikipedia.org/wiki/Torticollis. -- Zugriff am 2007-06-29] 

2 hanusaṃgraha - Kieferklemme (Trismus)

"Als Trismus (von griech. trizein (knirschen)) oder Kieferklemme, umgangssprachlich auch Maulsperre, bezeichnet man einen tonischen Krampf der Kaumuskulatur des Unterkiefers, sodass sich der Mund nicht mehr öffnen lässt.

Er tritt vorwiegend als Nebenerscheinung beim Durchbruch der Weisheitszähne auf. Hierbei schwillt das Gewebe rund um die Zähne an und übt Druck auf die Kiefermuskulatur aus, sodass sich dieser verspannt.

Eine Kieferklemme ist auch eines der ersten Symptome bei Wundstarrkrampf, kann aber auch bei der Tetanie, einem generalisierten epileptischen Anfall oder als Krampfanfall bei einer Hysterie beobachtet werden.

Seltener tritt ein Trismus bei einer Entzündung des Kiefergelenks oder dessen unmittelbarer Umgebung auf, so bei einer Entzündung der Zunge, der Ohrspeicheldrüse, der Knochenhaut, oder bei einem Abszess im Gewebe um die Mandeln (Peritonsillar-Abszess).

Auch Amphetamin und Amphetaminderivate wie MDA, MDE und MDMA (siehe auch Speed, Ecstasy) können einen Trismus auslösen."

[Quelle: http://de.wikipedia.org/wiki/Trismus. -- Zugriff am 2007-06-29]


abhyaṅgaḥ

Einreiben mit Fett



Abb.: Baba Massage Center, Indien, 2006
[Bildquelle: Shira Golding. -- http://www.flickr.com/photos/boojee/312277083/. -- Zugriff am 2007-06-28. -- NamensnennungKeine kommerzielle NutzungCreative Commons Lizenz (Namensnennung, keine kommerzielle Nutzung)]

snehābhyaṅgād yathā kumbhaś
carma snehavimardanāt |
bhavaty upāṅgād akṣaś ca
dṛḍhaḥ kleśasaho yathā |85|
tathā śarīram abhyaṅgād
dṛḍhaṃ sutvak ca jāyate |
praśāntamārutābādhaṃ
kleśavyāyāmasaṃsaham |86|

85.-86. Wie ein Topf durch Einreiben mit Fett, Leder durch Kneten mit Fett und eine Wagenachse durch Schmieren (upāṅga) fest und widerstandsfähig werden, so wird der Körper durch Einreiben mit Fett fest, bekommt eine gute Haut, wird unempfindlich gegenüber Leiden durch Wind und wird widerstandsfähig und beanspruchbar.

sparśane 'bhyadhiko vāyuḥ
sparśanaṃ ca tvagāśritam |
tvacyaś ca param abhyaṅgas
tasmāt taṃ śīlayen naraḥ |87|

87. Im Berührungsorgan ist Wind (vāyu) vorherrschend und das Berührungsorgan sitzt in der Haut. Einreiben mit Fett bekommt der Haut überaus. Deshalb mache ein Mann sich dieses Einreiben zur Gewohnheit.

nā cābhighātābhihataṃ
gātram abhyaṅgasevinaḥ |
vikāraṃ bhajate 'tyarthaṃ
balakarmaṇi vā kvacit |88|

88. Wenn jemand Einreiben mit Fett pflegt, dann wird sein Körper nicht übermäßig verunstaltet, selbst wenn er Schlägen ausgesetzt ist oder bei schwerer Arbeit.

susparśo 'pacitāṅgaś ca
balavān priyadarśanaḥ |
bhavaty abhyaṅganityatvān
naro 'lpajara eva ca |89|

89. Durch stetes Einreiben mit Fett wird ein Mann angenehm anzufassen, bekommt einen bewunderten, mageren Körper1, wird stark und angenehm anzuschauen und altert wenig.

Kommentar:

1 apacitāṅga kann heißen "bekommt einen mageren Körper" oder "bekommt einen beachteten/bewunderten Körper"

kharatvaṃ stabdhatā raukṣyaṃ
śramaḥ suptiś ca pādayoḥ |
sadya evopaśāmyanti
pādābhyaṅganiṣevaṇāt |90|

90. Wenn man die Füße mit Fett einreibt, dann vergeht sofort Rauheit und Härte, Steife, Trockenheit, Erschöpfung und Eingeschlafenheit der Füße.


Abb.: Ayurvedische Fußmassage, Indien, 2003
[Bildquelle: JasonUnbound. -- http://www.flickr.com/photos/jasonunbound/98030230/. -- Zugriff am 2007-06-28. -- NamensnennungKeine kommerzielle NutzungCreative Commons Lizenz (Namensnennung, keine kommerzielle Nutzung)]

jāyate saukumāryaṃ ca
balaṃ sthairyaṃ ca pādayoḥ |
dṛṣṭiḥ prasādaṃ labhate
mārutaś copaśāmyati |91|

91. Die Füße werden zart, stark und ausdauernd; die Sicht wird klar und der Wind (vāta) beruhigt sich.

na ca syād gṛdhrasīvātaḥ
pādayoḥ sphuṭanaṃ na ca |
na sirāsnāyusaṃkocaḥ
pādābhyaṅgena pādayoḥ |92|

92. Wenn man die Füße mit Fett einreibt, bekommt man keinen ischiasähnlichen Beschwerden (gṛdhrasīvāta), die Fußgelenke knacken nicht, Blutgefäße (sirā)1 und Sehnen (snāyu)2 der Füße schrumpfen nicht.

Kommentar:

1 Blutgefäße (sirā)

"Sirā (Śirā): Meaning "the tubular vessels which admit the flow of fluids' (saraṇāt). the expression stands for fine capillaries, arteries, veins, or ducts. Sometimes, it is identified with dhamanī . but it is erroneous (cf. SS, śarīra. 9. 2). Dhamanīs are twenty-four in number, while the sirās are seven hundred; their functions also differ. The two, however, originate from the same source (viz. umbilicus region, nābhi-deśa), and ramify to cover the entire body. The sirā network represents the vascular system."

[Quelle: Encyclopaedia of Indian medicine / Ed.: S. K. Ramachandra Rao. - Bombay : Popular Prakashan. -- 25 cm. -- Vol. 2: Basic concepts / with assistance of S. R. Sudarshan. -- 1987. -- XIV, 236 S. : Ill. -- S. 189.]

2 Sehnen (snāyu)

"Snāyu: Translated as 'ligament', 'snāyu' (from the root "snā' or 'snai'. snāti śuddhyati doṣo anayā, "the doshas are purified by it" cf. sinew in English) is described as tendonous portions of the muscle (peśī). fibres which pervade the muscle both within and without, and help in 'bearing the load' (bhāra-saha). It is also described as 'vāta-carrying duct' (vāyu-vāhanī-nādī), (SKD). signifying its involvement in biomotor functions. Injury to it, more than injury to the bone, sirā, muscle, or joints, may result in serious disturbances in the functioning of the organs of action, paralysis, loss of limbs, or death."

[Quelle: Encyclopaedia of Indian medicine / Ed.: S. K. Ramachandra Rao. - Bombay : Popular Prakashan. -- 25 cm. -- Vol. 2: Basic concepts / with assistance of S. R. Sudarshan. -- 1987. -- XIV, 236 S. : Ill. -- S. 192.]

daurgandhyaṃ gauravaṃ tandrāṃ
kaṇḍūṃ malam arocakam |
svedabībhatsatāṃ hanti
śarīraparimārjanam |93|

93. Einreiben des Körpers mit Fett vertreibt üblen Geruch, Schwere, Schlaffheit, Juckreiz (kaṇḍū), unappetitlichen Schmutz und Ekelhaftigkeit durch Schweiß.


Zu Carakasaṃhitā I.5,94 - 11