Ausgewählte Texte aus der Carakasaṃhitā

1. Sūtrasthāna

6. Kapitel 6: "Der von ihm gegessenen"

Sūtra 1 - 8


übersetzt und erläutert von Alois Payer

mailto:payer@payer.de


Zitierweise / cite as:

Carakasaṃhitā: Ausgewählte Texte aus der Carakasaṃhitā / übersetzt und erläutert von Alois Payer <1944 - >. -- 1. Sūtrasthāna. -- 6. Kapitel 6: "Der von ihm gegessenen". -- Sūtra 1 - 8. -- Fassung vom 2007-07-03. -- URL: http://www.payer.de/ayurveda/caraka0106001.htm         

Erstmals publiziert:

Überarbeitungen:

Anlass: Lehrveranstaltung SS 2007

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Dieser Text ist Teil der Abteilung Sanskrit  von Tüpfli's Global Village Library

WARNUNG: dies ist der Versuch einer Übersetzung und Interpretation eines altindischen Textes. Es ist keine medizinische Anleitung. Vor dem Gebrauch aller hier genannten Heilmittel wird darum ausdrücklich gewarnt. Nur ein erfahrener, gut ausgebildeter ayurvedischer Arzt kann Verschreibungen und Behandlungen machen!


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Verwendete und zitierte Werke siehe: http://www.payer.de/ayurveda/caraka0001.htm

Die Verse sind, wenn nichts anderes vermerkt ist, im Versmaß Śloka abgefasst.

Definition des Śloka in einem Śloka:

śloke ṣaṣṭhaṃ guru jñeyaṃ
sarvatra laghu pañcamam
dvicatuṣpādayor hrasvaṃ
saptamaṃ dīrgham anyayoḥ

"Im Śloka ist die sechste Silbe eines Pāda schwer, die fünfte in allen Pādas leicht
Die siebte Silbe ist im zweiten und vierten Pāda kurz, lang in den beiden anderen."

Das metrische Schema ist also:

 ̽  ̽  ̽  ̽ ˘ˉˉ ̽ 
 ̽  ̽  ̽  ̽ ˘ˉ˘ ̽ 

 ̽  ̽  ̽  ̽ ˘ˉˉ ̽ 
 ̽  ̽  ̽  ̽ ˘ˉ˘ ̽

Zur Metrik siehe:

Payer, Alois <1944 - >: Einführung in die Exegese von Sanskrittexten : Skript.  -- Kap. 8: Die eigentliche Exegese, Teil II: Zu einzelnen Fragestellungen synchronen Verstehens. -- Anhang B: Zur Metrik von Sanskrittexten. -- URL: http://www.payer.de/exegese/exeg08b.htm


athātas tasyāśitīyam adhyāyaṃ vyākhyāsyāmaḥ |1|

iti ha smāha bhagavān ātreyaḥ |2|

tasyāśitādyād āhārad
balaṃ varṇaś ca vardhate |
yasyartusātmyaṃ viditaṃ
ceṣṭāhāravyapāśrayam |3|

iha khalu saṃvatsaraṃ ṣaḍaṅgam ṛtuvibhāgena vidyāt | tatrādityasyodagyanam ādānaṃ ca trīn ṛtūñ chaśirādīn grīṣmāntān vyavasyet, varṣādīn punar hemantāntān dakṣiṇāyanaṃ visargaṃ ca |4|

Kommentar:

āyana ṛtu māsa westlicher Kalender
uttarāyana
(ādāna-kāla)
śiśira māgha Januar/Februar
phālguna Februar/März
vasanta caitra März/April
vaiśākha April/Mai
grīṣma jyaiṣṭha Mai/Juni
āṣāḍha Juni/Juli
dakṣiṇāyana
(visarga-kāla)
varṣā śrāvaṇa Juli/August
bhādrava August/September
śarad āśvina September/Oktober
kārttika Oktober/November
hemanta mārgaśīrṣa November/Dezember
pauṣa Dezember/Januar

āyana = die (scheinbare) Wanderung der Sonne im Laufe eines Sonnenjahres. Diese Wanderung bewirkt die Jahreszeiten. Ursache für diese Wanderung die  Neigung der Erdachse zur Erdbahn-Ebene (etwa 23,5°)

"Im Laufe eines Erdenumlaufs um die Sonne (Jahr) wird die Erde auf Grund der Neigung der Erdachse zur Erdbahn-Ebene (etwa 23,5°) in unterschiedlicher Weise beschienen. Dies betrifft sowohl die Dauer (Länge des Tages) als auch die Winkel, in denen die Erde vom Sonnenlicht bestrahlt wird.

Während der Zeit zwischen März-Tagundnachtgleiche und September-Tagundnachtgleiche ist die Nordhalbkugel der Sonne zugeneigt, so dass die Sonne für einen auf gemäßigten nördlichen Breiten befindlichen Beobachter im Zuge ihrer scheinbaren täglichen Bewegung einen hohen Bogen durchläuft. Bei hochstehender Sonne trifft aber die Sonnenstrahlung steil auf die Erdoberfläche und liefert einen relativ hohen Energieeintrag pro Fläche. Außerdem liegt der größere Teil der täglich durchlaufenen Sonnenbahn oberhalb des Horizonts, so dass die Tage lang sind und viel Zeit für den Energieeintrag zur Verfügung steht. Der erhöhte Energie-Eintrag bewirkt in diesem Zeitraum eine Erwärmung der nördlichen Erd-Halbkugel.

Befindet sich die Erde ein halbes Jahr später am gegenüberliegenden Punkt ihrer Bahn, so ist die Nordhalbkugel -wegen der relativ (siehe Präzession) raumfesten Lage der Erdachse- der Sonne abgeneigt. Für einen Beobachter auf der Nordhalbkugel ergibt sich eine niedrig verlaufende tägliche Sonnenbahn. Steht die Sonne tief, so trifft die Sonnenstrahlung flach auf die Erdoberfläche, so dass sie sich auf eine größere Fläche verteilt und ein geringerer Energieeintrag erfolgt. Außerdem liegt nur der kleinere Teil der täglichen Sonnenbahn oberhalb des Horizonts, so dass der Energieeintrag nur immer für eine kurze Zeitspanne erfolgen kann. Die Folge ist eine Abkühlung der nördlichen Erd-Halbkugel.

Wegen der thermischen Trägheit der Erde folgen Erwärmung und Abkühlung den Höchst- und Tiefstständen der Sonne mit einer Verzögerung von ein bis zwei Monaten. Die unterschiedlichen Sonnenbahnen haben in höheren geografischen Breiten die größte Auswirkung (Polarnacht), zum Äquator hin werden die jahreszeitlichen Unterschiede geringer.

Auf der Süd- und der Nordhalbkugel der Erde herrschen jeweils die entgegengesetzten Jahreszeiten: Ist im Süden Sommer, so herrscht auf der Nordhalbkugel Winter, und umgekehrt."

[Quelle: http://de.wikipedia.org/wiki/Jahreszeiten. -- Zugriff am 2007-07-03]

Die geographischen Tropen sind der Bereich, in dem die Sonne mindestens einmal im Jahr im Zenit (d.h. genau senkrecht - 90° - über dem Ort) steht, sie erstrecken sich von Wendekreis zu Wendekreis, d.h. von 23,5° nördlicher zu 23,5° südlicher Breite. Da sich Indien vom zwischen dem 8. und dem 37. Grad nördlicher Breite erstreckt, liegt der nördliche Teil Indiens (man kann grob sagen: nördlich von Kalkutta - 22°34' N) nicht in den geographischen Tropen.


Abb.: Der nördliche Wendekreis in Indien
[Quelel der Karte: Wikipedia]

Der nördliche Wendekreis wurde unter Candragupta II Vikramāditya (* 375 n. Chr., † 414 n. Chr.) in Viṣṇupādagiri durch eine gusseiserne Säule für astronomische Untersuchungen markiert. Diese Säule steht heute im Qutb-Komplex (Urdu: قطب )  in Delhi (दिल्ली)


Abb.: gusseiserne Säule von Viṣṇupādagiri, heute in Delhi
[Bildquelle: Victor Radziun. -- Zugriff am 2007-07-03. -- NamensnennungKeine kommerzielle NutzungWeitergabe unter gleichen BedingungenCreative Commons Lizenz (Namensnennung, keine kommerzielle Nutzung)]

"Die Säule von Kuttub ist 7 m lang, 6,5 t schwer und wurde von Chandragupta II Vikramaditya (* 375 n. Chr., † 414 n. Chr.) in der Gupta-Dynastie erbaut, die Nordindien von 320 bis 540 beherrschte (Diese Deutung basiert auf sorgfältigen Analysen der urtypischen Goldmünzen aus dem Gupta-Reich.).  Die Säule mit dem Chakra-Idol auf seiner Spitze war ursprünglich an einem Ort untergebracht, der Vishnupadagiri („Hügel mit dem Fußabdruck Vishnus“) genannt wurde.  Dieser Ort wurde als das moderne Udayagiri identifiziert, der in der näheren Umgebung von Besnagar, Vidisha und Sanchi zu finden ist. Die Städte sind etwa 50 km östlich von Bhopal in Zentralindien lokalisiert. Das Besondere an dem einstmaligen Standort der Säule in Udaiagiri ist die Tatsache, dass Vishnupadagiri am nördlichen Wendekreis liegt und daher astronomisches Untersuchungszentrum im Gupta-Zeitalter war. Die Säule von Kuttub erfüllte eine bedeutende astronomische Funktion, als sie an ihrem ursprünglichen Ort in Vishnupadagiri stand. Der Schatten der eisernen Säule fiel einmal im Jahr am frühen Morgen zur Sommersonnenwende (21. Juni) in die Richtung des Fußes von Anantasayin Vishnu.

Die Gründung und Entwicklung von Udayagiri schien offensichtlich von hoch entwickeltem astronomischen Wissen begleitet gewesen zu sein, weshalb Udayagiri und insbesondere die Eiserne Säule ein stichhaltiger Beweis für das astronomische Wissen im alten Indien um 400 n. Chr. sind.

Die Säule enthält eine Inschrift, auf der erklärt ist, dass sie als Symbol zur Ehre des Hindu-Gottes Vishnu errichtet wurde. Ferner preist es den Heldenmut und die Güte des als Chandra bezeichneten Königs des Gupta-Reichs Chandragupta II.

Die Eiserne Säule besteht aus 98% reinem Schmiedeeisen, ist 7,21 m lang und hat an der unteren Seite einen Durchmesser von 0,41 m, der nach oben hin abnimmt. Die Säule von Kuttub wurde durch Hammerschweißen hergestellt. Die benötigten Temperaturen, um eine solche Säule zu formen können durch das Verbrennen von Kohle erreicht werden. Die Schmiede, die die Säule herstellten mussten eine hohe Fachkenntnis bei der Eisengewinnung und -verarbeitung unter Beweis stellen."

[Quelle: http://de.wikipedia.org/wiki/Eiserne_S%C3%A4ule. -- Zugriff am 2007-07-03]

ādāna = Aufnehmen des Wassers und der Feuchtigkeit = Trockenzeit

visarga = Loslassen des Wassers und der Feuchtigkeit = Feuchte Jahreszeit (Regenzeit im weiteren Sinn)

ādāna und visarga entsprechen dem Wandern des tropischen Regengürtels zwischen den beiden Wendekreisen:

"The weather in the tropics is dominated by the tropical rain belt, which oscillates from the northern to the southern tropics over the course of the year. The tropical rain belt lies in the southern hemisphere roughly from October to March, and during this time the northern tropics experience a dry season in which precipitation is very rare, and days are typically hot and sunny throughout. From April to September, the rain belt lies in the northern hemisphere, and a wet season occurs there, while the southern tropics experience their dry season.

The rain belt reaches roughly as far north as the Tropic of Cancer and as far south as the Tropic of Capricorn, although there have been in such cases where the rain belt itself has gone far into the temperate zones especially those near the Tropic of Cancer and the Tropic of Capricorn. Near these latitudes, there is one wet season and one dry season annually. On the equator, there are two wet and two dry seasons as the rain belt passes over twice a year, once moving north and once moving south. Between the tropics and the equator, locations may experience a short wet and a long wet season. Local geography may substantially modify these climate patterns, however."

[Quelle: http://en.wikipedia.org/wiki/Tropical_rain_belt. -- Zugriff am 2007-07-03]

ādāna und visarga haben ihre Ursache in der Innertropischen Konvergenzzone (ITCZ) sowie der für die Monsune entscheidenden Verteilung von Land und Wasser. Siehe dazu:

Entwicklungsländerstudien / hrsg. von Margarete Payer. -- Teil I: Grundgegebenheiten. -- Kapitel 2: Klima, Wetter, Wasser / zusammengestellt von Alois Payer. -- URL: http://www.payer.de/entwicklung/entw02.htm

visargaṃ punar vāyavo nātirūkṣāḥ pravānti, itare punar ādāne; somaś cāvyāhatabalaḥ śiśirābhirrbhāchir āpūrayañ jagadāpñ āyayati śaśvat, ato visargaḥ saumyaḥ | ādānaṃ punar āgneyaṃ; tāv etaāv arkavāyū somaś ca kālasvabhāvamārgaparigṛhītāḥ kālartur asadoṣadehabalanirvṛttipratyayabhūtāḥ samupadiśyante |5|


Abb.: Trockenheit während ādāna-kāla bei Supa bei Ahmednagar (अहमदनगर), Maharashtra (महाराष्ट्र), 26. April 2007
[Bildquelle: Harshad Sharma. -- http://www.flickr.com/photos/harshadsharma/472725471/. -- Zugriff am 2007-07-03. --   NamensnennungKeine kommerzielle NutzungCreative Commons Lizenz (Namensnennung, keine kommerzielle Nutzung)]


Abb.: Vollmond über dem Kāmākhyā-Tempel, Gauhati (Bengalisch: গৌহাটি; Asamiya/Bishnupriya Manipuri: গূৱাহাটি) 5. Oktober 2006 (Lakṣmī-Pūjā)
[Bildquelle: savia. -- http://www.flickr.com/photos/savia/344946789/. -- Zugriff am 2007-07-03. -- NamensnennungKeine kommerzielle NutzungKeine BearbeitungCreative Commons Lizenz (Namensnennung, keine kommerzielle Nutzung, keine Bearbeitung)]

tatra ravir bhābhir ādadāno jagataḥ snehaṃ vāyavas tīvrrarūkṣāś copaśoṣayantaḥ śiśiravasantagrīṣmēṣu yathākramaṃ raukṣyam utpādayanto rūkṣān rasāṃs tiktakaṣāyakaṭukāṃś cābhivardhayanto nṛṇāṃ daurbalyam āvahanti |6|


Abb.: Sandsturm in Bodh Gaya, Bihar, 10. Mai 2006
[Bildquelle: juicyrai. --  http://www.flickr.com/photos/wink/188848607/. -- NamensnennungKeine kommerzielle NutzungWeitergabe unter gleichen BedingungenCreative Commons Lizenz (Namensnennung, keine kommerzielle Nutzung)]

varṣāśaraddhemanteṣu tu dakṣiābhimukhe 'rke kālamārgameghavātavarṣābhihatapratāpe, śaṣini cāvyāhatabale, māhendresalilapraśāntasantāpe jagati, arūkṣā rasāḥ pravardhante 'mlalavaṇamadhurā yathākramaṃ tatra balam upacīyante ṇṛṇām iti |7|


Abb.: Feuchte Zeit: bei Satara, Maharashtra, 18. September 2005
[Bildquelle: chinmay22. -- http://www.flickr.com/photos/chinmay/45029768/. -- Zugriff am 2007-07-03. -- NamensnennungCreative Commons Lizenz (Namensnennung)]

bhavati cātra --

ādāv ante ca daurbalyaṃ
visargād ānayor nṛṇām |
madhye madhyabalaṃ tv ante
śreṣṭam agre ca nirddiśet |8|


Abb.: Frauen tragen die Hauptlast (Arbeit, Kinder), deshalb benötigen sie die meiste Kraft: Frauen in Rajasthan (राजस्थान)
[Bildquelle: Eileen Delhi. -- http://www.flickr.com/photos/eileendelhi/23002362/. -- Zugriff am 2007-07-03. -- NamensnennungKeine kommerzielle NutzungCreative Commons Lizenz (Namensnennung, keine kommerzielle Nutzung)]


Zu Carakasaṃhitā I,6, 9 - 21