Bibliothekarinnen Boliviens vereinigt euch!

Bibliotecarias de Bolivia ¡Uníos!

Berichte aus dem Fortbildungssemester 2001/02

Teil 2: Chronik Boliviens

4. Von der Ermordung Atahuallpas (1533) bis 1555


von Margarete Payer und Alois Payer

mailto: payer@hdm-stuttgart.de


Zitierweise / cite as:

Payer, Margarete <1942 - > ; Payer, Alois <1944 - >: Bibliothekarinnen Boliviens vereinigt euch! = Bibliotecarias de Bolivia ¡Uníos! : Berichte aus dem Fortbildungssemester 2001/02. -- Teil 2: Chronik Boliviens. -- 4. Von der Ermordung Atahuallpas (1533) bis 1555. -- Fassung vom 2002-09-30. -- URL: http://www.payer.de/bolivien2/bolivien0204.htm. -- [Stichwort].

Erstmals publiziert: Anlässlich des Bibliotheksseminars in La Paz vorläufig freigegeben am 2002-09-19

Überarbeitungen:

Anlass: Fortbildungssemester 2001/02

Unterrichtsmaterialien (gemäß § 46 (1) UrhG)

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Dieser Teil ist ein Kapitel von: 

Payer, Margarete <1942 - > ; Payer, Alois <1944 - >: Bibliothekarinnen Boliviens vereinigt euch! = Bibliotecarias de Bolivia ¡Uníos! : Berichte aus dem Fortbildungssemester 2001/02. -- Teil 2: Chronik Boliviens. . -- URL: http://www.payer.de/bolivien2/bolivien02.htm

Dieser Text ist Teil der Abteilung Länder und Kulturen von Tüpfli's Global Village Library


1533 - 1544

Manco Capac II (Manqu Qhapaq) ist der 14. Inka


Abb.: Manco Capac II

"Von den Spaniern eingesetzter 'Scheinherrscher', ein Sohn von Huayna Capac. Der Inka sollte helfen, die im Inkareich (Tahuantinsuyu) zusammengefassten Völkerschaften in die Herrschaftsordnung der Spanier einzufügen. Doch die starken Pressionen und die Grausamkeit der neuen Herren bewirkten, dass Manco Capac II entfloh und 1535 einen gewaltigen Indio-Aufstand entfachte, der seinen Höhepunkt in der Belagerung von Cuzco und Lima erreichte. Die spanische Herrschaft über das Inka-Reich wurde stark bedroht. Obgleich Zehntausende von Indios sich unter den Befehl des Inka stellten, brach die Rebellion — dank der disziplinierten Haltung der spanischen Soldaten und ihren überlegenen Waffen — schließlich zusammen. Manco Capac II setzte sich in die schwer zugänglichen Andengebiete ab und gründete in Vilcabamba die neue Hauptstadt eines kleinen Reiches."

[Bollinger, Armin: Indios, Indios, Indios ... : gesammelte Schriften zum Wirken der Indios, zur Verfolgung der Indianer, zum Problem der indianischen Identität. -- Chur [u.a.] : Rüegger, 1992. -- (Schriftenreihe des Instituts für Lateinamerikaforschung und Entwicklungszusammenarbeit an der Hochschule St. Gallen ; Bd. 4). -- ISBN 3-7253-0422-X. -- S. 146]


1534-1541

Francisco Pizarro (1475, Trujillo - 1541, Lima) ist Gobernador del Perú


Abb.: Ein menschenfreundlicher Pizarro: Käse aus Trujillo (Spanien)
[Bildquelle: http://www.berrocales.com/queso/tienda/pizarro/producto.htm. -- Zugriff am 2002-04-02]

1534-05-21

Mit den sog. Capitulaciones de 1534 wird Diego de Almagro  (1475/1479, Almagro - 1538, Cuzco) geadelt und erhält das Recht der Eroberung und Erschließung ("licencia para conquistar, pacificar y poblar") im neugeschaffenen Gebiet Nueva Toledo, Pedro de Mendoza erhält die Rechte auf Nueva Andalucia (Nueva Extremadura), Simón Alcazaba die Rechte auf Nueva León.


Abb.: Die Aufteilung Südamerikas in 4 Gubernaciones durch Karl V.

1534-08-15


Abb.: Logo™ der Jesuiten

Der Baske Ignatius von Loyola  (Íñigo López Oñaz y Loyola) (1491 - 1556) gründet den Jesuitenorden (Societas Jesu = Gesellschaft Jesu). Dieser Orden wird neben den Franziskanern zum wichtigsten Missionsorden. Papst Paul III. bewilligt den Orden am 1540-09-27.


Abb.: José de Ribera <1591 - 1652>: Porträt eines Jesuitenmissionars, 1638

1535

Indio-Aufstand, angeführt vom Inka Manco Capac II (Manqu Qhapaq). Die Indios belagern Cuzco und Lima. Schließlich wird die Rebellion von den Spaniern niedergeschlagen.  

1537

Erstmals lässt Spanien die Schatzflotte von der Karibik bis Spanien von Kriegsschiffen eskortieren, um sie gegen staatliche (besonders französische) und private Räuber zu schützen.

1537-05-29


Abb.: Tizian <1488/90 - 1546>: Papst Paul III.

Papst Paul III. (1468 - 1549, Papst 1534 - 1549) verurteilt in der Bulle Pastorale officium die Versklavung der Indios.

Paul III. Bulle ,,PastoraIe officium" v. 29. Mai 1537 an Kardinal Iuan de Tavera, Erzbisachof  v. Toledo: Verurteilung der Versklavung der Indianer.

Ad nostrum siquidem pervenit auditum, quod Carissimus in Christo filius Noster Carolus Komanorum Imperator semper Augustus, qui etiam Castellae, et Legionis Kex existit, ad reprimendos eos, qui cupiditate acstuantes contra bumanum genus inhumanum gerunt animum, publico edicto omnibus sibi subiectis prohibuit ut quisquam Occidentales aut Meridionales Indos in servitutem redigere, aut eos bonis suis privare praesumat. Hos igitur attendentes Indos ipsos, licet extra gremium Ecclesiae existant, non tamen sua libertate, aut rerum suarum dominio privatos, vel privandos esse, cum homincs, idcoque fidei, et salutis capaces sint, non servitute delendos, sed praedicationibus, et exeniplis ad vitam invitandos fore, ac praeterea Nos talium impiorum tam nefarios ausus reprimere, et ne iniuriis, et damnis exasperati ad Christi fidem amplectendam duriores efficiantur, providere cupientes, Circumspectioni tuae de cuius rectitudine, providentia, pictate, et experientia in iis, et aliis specialem in Domino fiduciam obtinemus, per praesentes com-mittimus, et mandamus quatenus per Te vel alium seu alios praefatis Indis omnibus in praemissis efficacis defensionis praesidio assistens universis et singulis uniuscuiusque dignitatis, status, conditionis, gradus, et excellentiae existentibus, sub excommunicationis latae sententiae poena, si secus fecerint, eo ipso incurrenda, a qua nonnisi a Nobis, vel Romano Pontifice pro tempore existente, praeterquam in mortis articulo constituti, et satisfactione praevia absolvi nequeant, districtius inhibeas, ne praefatos Indos quomodolibet in servitutem redigere, aut eos bonis suis spoliare quoquomodo praesumant.

[Lateinischer Text abgedruckt in: Quellen zur Geschichte des Papsttums und des römischen Katholizismus / von Carl Mirbt. -- 4. verbesserte und wesentlich vermehrte Aufl. -- Tübingen : Mohr, 1924. -- S. 270]

1537-06-09

Papst Paul III. (1468 - 1549, Papst 1534 - 1549)  erlässt die Bulle Sublimis Deus über die Menschenwürde der Indios

1. Der erhabene Gott neigte sich unserem Geschlecht mit solcher Liebe zu und schuf den Menschen dergestalt, dass dieser nicht bloß wie die anderen Geschöpfe am Guten teilnehmen, sondern das unzugängliche und unsichtbare höchste Gut selbst verkosten und von Angesicht zu Angesicht schauen darf. Da nun, nach dem Zeugnis der Hl. Schrift, der Mensch für das ewige Leben und die Glückseligkeit bestimmt ist, dieses ewige Leben und die Seligkeit aber nur durch den Glauben an unsern Herrn Jesus Christus erlangt werden können, muss man dem Menschen eine derartige Beschaffenheit und Natur zuerkennen, dass er diesen Glauben an Christus zu empfangen imstande sei und dass, wer immer die menschliche Natur sich zu eigen nennt, auch die Fähigkeit zu glauben besitze. Denn es wird wohl niemand so beschränkt sein, annehmen zu wollen, ein Ziel lasse sich ohne den Einsatz der dazu notwendigen Mittel verwirklichen. Wie Wir wissen, sprach deshalb die Wahrheit selbst - und sie kann ja weder irren noch jemanden in Irrtum führen -, als sie die Prediger des Glaubens zum Amte der Verkündigung auserkor, die Worte: Euntes docete omnes gentes. Alle, sagte sie, ohne Ausnahme, sind doch alle fähig, im Glauben unterwiesen zu werden.

2. Scheelen Blickes sah dies der Rivale des Menschengeschlechtes, der stets allem Guten entgegenwirkt und es zu vernichten trachtet. Daraufhin ersann er eine bislang nie gehörte List, um die Verkündigung des Wortes Gottes an die Völker und damit deren Heil zu hintertreiben: Er veranlasste nämlich einige seiner Helfershelfer, die nichts anderes begehrten, als ihre Habsucht zu befriedigen, dass sie unablässig darauf hinarbeiteten, die Bewohner West- und Südindiens und andere Nationen, von denen Wir Kunde erhalten haben, wie Tiere zum Sklavendienst einzuspannen. Sie schützten dabei vor, diese Leute könnten des katholischen Glaubens nicht teilhaftig werden. Als Stellvertreter Christi, unseres Herrn, wiewohl dessen unwürdig, suchen Wir mit all Unseren Kräften, die Schafe seiner Herde, die Uns anvertraut sind und sich außerhalb seiner Herde befinden, in seinen Schafstall hineinzuführen. Wir wissen wohl, dass die Indios als wirkliche Menschen nicht allein die Fähigkeit zum christlichen Glauben besitzen, sondern zu ihm in allergrößter Bereitschaft herbeieilen, wie man es Uns wissen ließ.

3. Aus dem Verlangen, in diese Angelegenheit Ordnung zu bringen, bestimmen und erklären Wir mit diesem Schreiben und kraft Unserer apostolischen Autorität, ungeachtet all dessen, was früher in Geltung stand und etwa noch entgegensteht, dass die Indios und alle ändern Völker, die künftig mit den Christen bekannt werden, auch wenn sie den Glauben noch nicht angenommen haben, ihrer Freiheit und ihres Besitzes nicht beraubt werden dürfen; vielmehr sollen sie ungehindert und erlaubterweise das Recht auf Besitz und Freiheit ausüben und sich dessen erfreuen können. Auch ist es nicht erlaubt, sie in den Sklavenstand zu versetzen. Alles was diesen Bestimmungen zuwiderläuft, sei null und nichtig. Die Indios aber und die ändern Nationen mögen durch die Verkündigung des Wortes Gottes und das Beispiel eines guten Lebens zum Glauben an Christus eingeladen werden."

[Quelle der Übersetzung: Gott in Lateinamerika : Texte aus fünf Jahrhunderte. Ein Lesebuch zur Geschichte / ausgewählt und eingeleitet von Mariano Delgado ... -- Düsseldorf : Patmos, ©1991. -- ISBN 3-491-77041-6. -- S. 68 - 71]

Über die Hintergründe der Entstehung dieser Bulle schreibt Mariano Delgado (geb. 1955):

"Neben den Anklageschriften trafen beim Indienrat auch laufend Berichte ein, die das Indiobild vor ungerechtfertigter Kritik schützen wollten. Ein Brief von acht in Mexiko tätigen Franziskanern warnt am 6. Mai 1533 davor, Leuten Glauben zu schenken, »die nicht die Mühe des Erlernens der Sprache auf sich nehmen wollten und nicht den Eifer aufbrachten, diese Mauer abzutragen, um in ihre [der Indios] Herzen einzudringen
und selber die wunderbaren Gaben, die Gott in ihrem Inneren bewirkt, zu sehen und abzuleuchten« [Baumgartner, Mission I, 119]. Der Streit um die Menschenwürde und Glaubensfähigkeit der Indios, der quer durch die verschiedenen Ordensgemeinschaften und Laiengruppen verlief, scheint Mitte der dreißiger Jahre den Höhepunkt erreicht zu haben, als einige Dominikaner angesichts der schlimmen Lage der Indios darüber nachdenken, sich - unter Umgehung des Patronatsrechts der Krone - direkt an den Papst zu wenden. Für Baumgartner [a. a. 0. 120] und die meisten Forscher [so auch Neumann, Las Casas 167] soll ein Brief (ca. 1534/35) des Dominikaners Julián Garcés, des ersten Bischofs von Tlaxcala (Mexiko), an Paul III. den entscheidenden Anstoß zur Entstehung der Bulle gegeben haben. Gutiérrez [Gott 60f. ] ist aufgrund neuerer historischer Forschungen eher der Meinung, Las Casas' Schrift Von der alleinigen Art der Berufung aller Völker zur wahren Religion, von der der Dominikanerprovinzial Neu-Spaniens, Bernardo de Minaya, eine Kopie dem Papst überbrachte, habe die herausragende Rolle gespielt. Anklänge der Völkerrechtstheorien von Vitoria, die unter den in der Neuen Welt tätigen Dominikanern weit verbreitet waren, sind darüber hinaus unschwer erkennbar. Wie dem auch sei, Tatsache ist, dass erst die Bulle Sublimis Deus - man hat sie eine »Magna Charta der Indianer« [Baumgartner] genannt - eine entscheidende Wende in der Indiofrage herbeiführte, indem sie mit päpstlicher Autorität folgendes festhielt: »Alle Menschen, die Indianer miteinbegriffen, besitzen die Glaubensfähigkeit; die Eingeborenen Westindiens haben ein Recht auf Besitz und Freiheit und dürfen nicht versklavt werden; man soll sie durch Predigt und gutes Beispiel für das Christentum gewinnen« [Baumgartner, a. a. O. 122]." [a.a.O., S. 152]

1537/38

Kämpfe zwischen Pizarro und Almagro


Abb.: Schlacht zwischen den Heeren Pizarros und Almagros (Stich von Johannes Stradanus, 1594-1619)

1538

Pedro de Candia (1484, Kreta - 1542, Chupas) stößt auf dem Rio Opotari bis Mojos vor.


Abb.: Zugangswege nach Mojos in der frühen Kolonialzeit

[Quelle der Abb.: Pinto Parada, Rodolfo <1940 - >: Narasaquije : 20 lecciones de historia del Beni. -- Trinidad, 2000. -- Depósito legal 8-1-314-00. -- S. 14]

1538-07-08


Abb.: Die Hinrichtung Almagros

Diego de Almagro (1475/1479, Almagro - 1538, Cuzco) wird hingerichtet. Die Hauptanklagepunkte waren:

  • "DIEGO DE ALMAGRO HAT EINEN KRIEG GEGEN DIE KRONE
    GEFÜHRT;
  • ER HAT DADURCH DEN TOD VIELER UNTERTANEN VERSCHULDET;
  • ER HAT SICH WIDERRECHTLICH IN DEN BESITZ DER STADT CUZCO GESETZT.

Almagro wurde in diesen drei Punkten und einigen anderen für schuldig befunden. Da das Urteil auf Hochverrat lautete, wurde über ihn die Todesstrafe verhängt. ER IST AUF DEM HAUPTPLATZ ÖFFENTLICH zu ENTHAUPTEN, hieß es in dem Urteil, das überall bekanntgemacht wurde."

[Gargia, Celso: [Tagebuch]. -- Zitiert in: "Mit Pizarro in Peru : Pizarro und andere Conquistadoren 1526 - 1712. -- Tübingen [u.a.] : Erdmann, ©1973. -- S. 11f.]
 

1538-11-30

Pedro Anzúrez de Camporedondo (?, Sahagún - ?1543, Perú) gründet La Plata (heute: Sucre, einheimischer Name: Choquechaca; andere Namen im Lauf der Geschichte: Charcas, Ciudad Blanca)


Abb.: Chuquisaca (Sucre) [Guaman Poma de Ayala, 1615, Abb. 1069]

1539

Der spanische Dominikaner Francisco de Vitoria (1483 - 1546) hält an der Universität Salamanca die Vorlesungen über den völkerrechtlichen Status der neuerroberten spanischen Gebiete (De indis recenter inventis et de jure belli hispanorum in barbaros relectiones) [erstmals veröffentlicht 1557 in den Relectiones theologicae].

"Rechtfertigung und Kritik der spanischen Conquista erfolgen — wie schon bemerkt — vorwiegend mit den Mitteln der scholastischen Dialektik. Die Diskussion der zusätzlichen Rechtstitel in der Frage des gerechten Krieges und der gewaltsamen Bekehrung geht, je nach dem Standpunkt des Autors, vom theologischen und metaphysischen Aspekt der Dinge aus oder dann von juristisch-politischen Kategorien. Es ist das Verdienst des Theologen Francisco de Vitoria, diese verschiedenartigen Konzeptionen in einem großartigen System des Völkerrechts vereinigt zu haben.

Die Frage der kolonialen Rechtstitel behandelt Vitoria in seiner Relektion «De Indis». Er stellt dabei eine Reihe ungültiger Rechtstitel den gültigen gegenüber, ohne konkrete Rückschlüsse auf die Rechtmäßigkeit der spanischen Kolonialunternehmung zu ziehen. Vitoria lässt sich bei aller akademischen Sachlichkeit von der Überlegung leiten, dass die Begründung für alle politischen und militärischen Aktionen letzten Endes eine metaphysische sein muss. Dennoch sind seine Thesen nicht das Produkt einer rein spekulativen Theologie; sie zeugen vielmehr vom klaren Sinn für das Zweckmäßige. Anstoß zur Diskussion der Rechtstitel geben die Bedenken, die bei dem Theologen von Salamanca angesichts der spanischen Conquista wach werden:

«Nam primum cum videamus totum illud negotium administrari per viros doctos et bonos, credibile est recte et iuste omnia tractari. Deinde cum audiamus tot hominum caedes, tot spolia hominum alioque innoxiorum, deturbatos tot dominos possessionibus et dicionibus suis privatos, dubitari merito potest iure an iniuria haec facta sint. Et sie haec disputatio non videtur omnino supervacanea...» (De Indis, Sect. I, S. 221). ["Wenn wir zunächst sehen, dass diese Aufgabe von gelehrten und guten Männern erfüllt wird, dann ist es glaubwürdig, dass alles recht und gerecht zugeht. Wenn wir aber von so vielen Gefallenen, so vielen Verlusten unschuldiger Menschen, so viel Raub von Privateigentum hören, dann kann man zu recht bezweifeln, ob dies zu Recht oder zu Unrecht geschehen ist.]

Zu Beginn seiner Dissertation über die Rechtstitel stellt Francisco de Vitoria fest, dass sich die Indier — der traditionellen Rechtsauffassung gemäß — im Besitz der privaten und öffentlichen Rechte befinden und dass somit ihre Obrigkeit durchaus zu Recht besteht. Daran ändert auch die Tatsache nichts, dass sie sich zum Teil in einem Zustand befinden, der gegen die Normen des Naturrechts verstößt. Die christlichen Fürsten können aus diesem Umstand keinen Kriegsgrund ableiten, da ja kein Angriff von Seiten der Eingeborenen vorliegt. Es wäre ein schwerer Irrtum, diesen Leuten jene Rechte streitig zu machen, die man selbst den Feinden der Christenheit, den Sarazenen und Juden, zubilligt.

Es kann ferner keine Rede davon sein, dass die heidnischen Eingeborenen Amerikas der geistlichen Gewalt des Papstes unterstehen, da sie vom christlichen Glauben ja noch gar nichts vernommen haben. Da der Papst weder weltliche noch geistliche Macht über diese Völker besitzt, solange sie nicht der rechtmäßigen Souveränität eines christlichen Fürsten unterstehen, so können weder er noch irgendeine christliche Obrigkeit sie zur Annahme des Glaubens zwingen. Es tut nichts zur Sache, ob den Indianern einmal oder mehrmals die christliche Lehre verkündet wird. Durch ihre Weigerung, sich zu bekehren, versetzen sich die Eingeborenen allenfalls in den Zustand der Todsünde, da sie gegen das Naturrecht verstoßen; sie gehen aber keineswegs ihrer zivilen Rechte verlustig.

Vitoria setzt als Grundbedingung für die Gültigkeit einer Bekehrung den freien Willen. Aus dieser Einstellung heraus verwirft er alle Rechtstitel, welche die koloniale Herrschaft auf der gewaltsamen Verbreitung des Glaubens begründen. Jede Anwendung von Gewalt in Fragen des Glaubens steht im Widerspruch zum kanonischen und zivilen Recht. Weder Papst noch weltliche Obrigkeit können die Eingeborenen daran hindern, sich gegen das Naturrecht zu vergehen.

Wenn Francisco de Vitoria die Anwendung von Gewalt als Mittel der Bekehrung ablehnt, so führt er dennoch in der Reihe der legitimen Rechtstitel jene Fälle an, in denen ein Krieg gegen die Eingeborenen gerechtfertigt ist. Er geht dabei von der These aus, dass es den Spaniern auf Grund des «ius gentium » freistehe, sich dorthin zu begeben, wo sie wollen. Ebenso steht es ihnen frei, an jedem beliebigen Ort Handel zu treiben. Diese Freiheit wird jedem Menschen durch Natur- und Völkerrecht zugesichert, denn «contra ius naturale est, ut homo hominem sine aliqua causa adversetur. ,Non enim homini homo lupus est', ut ait Ovidius,
,sed homo'.»

Die Indianer haben folglich kein Recht, die Spanier beim Reisen oder beim Handel zu stören. Ebenso haben die Missionare das Recht, frei den christlichen Glauben zu verkünden, wie ihnen vom Papste aufgetragen wurde. Wenn sie von den Eingeborenen daran gehindert werden, so ist dies für die Spanier ein legitimer Grund zum Krieg, bis die Verkündung der christlichen Lehre wieder sichergestellt ist. Sie sind auch berechtigt, die neu bekehrten Eingeborenen mit Waffengewalt gegen Bedrohung und Verfolgung zu beschützen und überhaupt, falls sich dies im Interesse der Religion als notwendig erweisen sollte, die betreffenden Länder zu besetzen und die Hoheitsverhältnisse nach ihrem Willen zu ordnen. Dabei sollen sie nicht weiter gehen, als unbedingt nötig, und sich auf alle Fälle mehr vom Wohle der Eingeborenen als vom eigenen Vorteil leiten lassen.

Dass auch der gerechte Krieg «modo et ratione» zu führen sei, ist ein Gedanke, den Vitoria immer wieder zum Ausdruck bringt. Dieses Maßhalten hat besonders gegenüber dem unterworfenen Gegner zu erfolgen, indem man darauf verzichtet, in jedem Falle von der vollen Möglichkeit des Kriegsrechts Gebrauch zu machen

Vitoria fällt gegenüber der spanischen Tätigkeit in der Neuen Welt kein abschließendes Urteil. Bei der Diskussion der legitimen und illegitimen Rechtstitel nimmt er nur selten auf die Vorgänge in den Kolonien Bezug. Wenn Sepulveda zu einer eindeutigen Rechtfertigung der spanischen Unternehmung gelangt, so kann bei Vitoria keineswegs von einer entschiedenen Ablehnung die Rede sein, wie dies oft behauptet wird. Vitoria schreibt und denkt als Theologe. Die Anliegen der Religion bilden für ihn den einzigen Maßstab der Dinge; die Forderungen der Politik werden nur soweit berücksichtigt, als sie den Normen des Naturrechts entsprechen."

[Mittler, Max: Mission und Politik : Untersuchungen über das koloniale Imperium Karls V.. -- Zürich : Europa, ©1951. -- (Wirtschaft, Gesellschaft, Staat ; Bd. 4). -- S. 26 - 28]

Textproben aus Vitorias Vorlesungen:

"l. Lehret alle Völker und tauft sie im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes (Matth. 28, 19).

Zu dieser Stelle erhebt sich die Frage, ob man die Kinder der Ungläubigen gegen den Willen der Eltern taufen dürfe . . . Die Erörterung darüber und diese Vorlesung unternehmen wir im Hinblick auf die Eingeborenen (barbaros) der Neuen Welt, die man Indianer nennt und die, bis dahin unserer Welt unbekannt, vor vierzig Jahren unter spanische Herrschaft gekommen sind. Die vorliegende Erörterung über diese Eingeborenen wird drei Teile umfassen: Im ersten Teil wird die Frage behandelt, mit welchem Recht die Eingeborenen der spanischen Herrschaft unterworfen worden sind, im  zweiten, welche zeitlichen und bürgerlichen Rechte die spanischen Könige über die Eingeborenen beanspruchen können, im dritten, welche geistlich-religiösen Rechte sie oder die Kirche über die Eingeborenen besitzen . . .

Die erste Frage ist, ob diese Naturvölker vor der Ankunft der Spanier überhaupt eine echte Herrschaft im privaten und im öffentlichen Sinne gehabt haben, d. h. ob sie wirkliche Eigentümer ihrer beweglichen und unbeweglichen Habe waren und ob es unter ihnen Herrscher mit Hoheitsrechten über andere gegeben hat. Es könnte scheinen, die Frage sei 2u verneinen, weil Sklaven überhaupt keine Herrschaft über Sachen ausüben können (Inst. 2, 9, 3) ... und daher das, was einer erwirbt, dem Herrn zufällt (Inst, l, 8,1), diese Naturvölker aber seien Sklaven.

... Wenn die Eingeborenen also Sklaven waren, durften die Spanier auch die Herrschaft über sie beanspruchen. — Dagegen wird nun aber geltend gemacht, dass sie doch im ungestörten Besitz ihrer Güter waren, sowohl im öffentlichen wie im privaten Bereich (et publice et privatim). Also muss man sie auch bis zum Beweis des Gegenteils als Eigentümer betrachten und darf sie nicht aus ihrem Besitz vertreiben.

Zur Lösung des Problems ... ist zu bemerken:

Die Behauptung, dass den Eingeborenen keine Herrschaft zukomme, lässt sich überhaupt nur damit begründen, dass man sagt, sie seien im Stand der Sünde oder sie seien Ungläubige oder keine vernunftbegabten Wesen. Man hat die Meinung verfochten, Herrschaft beruhe auf Gnade, infolgedessen könnten Sünder, mindestens aber Todsünder keine Herrschaft welcher Art auch immer ausüben...

Aber gegen diese Ansicht stelle ich die Behauptung: Todsünde hebt Ausübung der Staatsgewalt und legitime Herrschaft nicht auf, denn wenn der Sünder keine politische Herrschaft mehr ausüben könnte, dann auch keine natürliche . .., denn auch diese beruht wie die politische auf göttlicher Verleihung, ja sogar mehr als jene, weil die politische Gewalt ja doch menschlichen Rechtes ist2). Wenn also der Mensch wegen Beleidigung Gottes die politische Herrschaft verlöre, müsste er aus dem gleichen Grunde auch die natürliche Herrschaft verlieren. Dass dies zweite nicht der Fall ist, liegt aber auf der Hand, denn er verliert weder die Herrschaft über seine eigenen Handlungen noch die über seine Glieder. Auch der Sünder hat ja [noch] das Recht, sein eigenes Leben zu verteidigen ... Gewiss beruht Herrschaft darauf, dass der Mensch Ebenbild Gottes ist, aber das ist er auf Grund seiner Natur und seiner Vernunftanlagen, also geht sie ihm nicht durch Todsünde verloren . . .

Alles in allem, diese Ansicht ist offenbar Häresie. Wie Gott seine Sonne aufgehen lässt über Gute und Böse und es regnen lässt über Gerechte und Ungerechte, so hat er auch die zeitlichen Güter Bösen und Guten gegeben ...

Kann aber nicht wenigstens wegen Unglaubens das Recht auf Herrschaft verloren gehen? Dafür scheint zu sprechen, dass Häretiker [vom Glauben Abgewichene] kein Recht auf Herrschaft mehr haben, also doch wohl auch andere Ungläubige nicht; sie können doch nicht besser gestellt sein als jene? ...

Ich antworte darauf mit der Behauptung: Unglauben ist kein Hindernis, dass jemand ein rechtmäßiger Herr sei ... Aus alledem ergibt sich die Schlussfolgerung, dass die Eingeborenen ungeachtet ihres Unglaubens oder anderer Todsünden rechtmäßige Herren im öffentlich-rechtlichen wie auch im privatrechtlichen Sinne sind und dass die Christen nicht berechtigt sind, aus diesem Grunde ihre Habe und ihre Länder in Besitz zu nehmen ...

Nun aber zu der Frage, ob sie wegen mangelnder geistiger Fähigkeiten zur Herrschaft unfähig seien? ...

Ich behaupte, dass auch von daher nichts die Eingeborenen hindert, rechtmäßige Herren zu sein. Es steht nämlich fest, dass sie tatsächlich nicht der geistigen Fähigkeiten ermangeln, sondern in ihrer Weise vernünftig handeln. Das ergibt sich daraus, dass sie in ihren Angelegenheiten durchaus einer gewissen Regel folgen, denn sie haben Stämme, die ihre feste Ordnung haben, kennen Ehe, Ämter, Herren, Gesetze, Handwerkskunst, Verkehr, was alles Vernunftgebrauch voraussetzt, auch eine Art Religion. In Dingen, die anderen Menschen ohne weiteres einleuchten, sehen auch sie das Rechte, was für richtigen Vernunftgebrauch spricht. Die Erkenntnis Gottes und der Natur in dem erforderlichen Umfang geht ihnen allem Anschein nach nicht ab ... Aus dem Gesagten ergibt sich also, dass die Eingeborenen ohne Zweifel rechtmäßige Herren im öffentlich-rechtlichen und privatrechtlichen Sinne waren, genau wie die Christen, und dass sie und ihre Fürsten nicht ihres Eigentums beraubt werden durften mit der Begründung, sie seien es nicht ...

2. Unbegründete Titel für die Unterwerfung der Eingeborenen der Neuen Welt durch Spanien:

... Es gibt sieben unbegründete und sieben oder acht begründete und rechtmäßige Titel, die man vorbringen könnte.

  • Der erste könnte lauten: Der Kaiser ist Herr der Welt. Der Kaiser ist aber nicht Herr der Welt. Beweis: Herrschaft kann nur auf natürlichem oder göttlichem oder menschlichem Recht beruhen, aber nach keinem dieser drei hat er Anspruch auf die Weltherrschaft. Selbst wenn er aber Herr der Welt wäre, könnte er deshalb doch nicht die Länder der Eingeborenen in Besitz nehmen, neue Herren einsetzen, alte absetzen oder Einkünfte beschlagnahmen. Beweis: Auch die dem Kaiser die Weltherrschaft zusprechen, behaupten nicht, dass er Herr über alles Eigentum sei, sondern nur, dass ihm die höchstrichterliche Gewalt (jurisdictio) zukomme. Die gibt ihm aber nicht das Recht, Länder zum eigenen Gebrauch einzuziehen, Städte nach Willkür zu verschenken oder gar Grundeigentum. Aus alledem ergibt sich, dass die Spanier unter diesem Rechtstitel jene Länder nicht beanspruchen können.
  • Der zweite Rechtstitel, auf den man sich beruft und den man mit besonderem Nachdruck verficht, um den rechtmäßigen Besitz jener Länder nachzuweisen, wird auf den Papst zurückgeführt. Man sagt nämlich, der Papst sei Herr der ganzen Welt auch in zeitlichen Dingen, infolgedessen habe er auch die spanischen Könige zu Fürsten der Eingeborenen einsetzen können, und so sei es dann geschehen ...
  • Ich antworte hierauf ganz kurz mit folgenden Thesen:

    1. Erstens ist der Papst nicht weltlicher und zeitlicher Herr des Erdkreises, wenn man von Herrschaft und staatlicher Gewalt an und für sich spricht ...
    2. Zweitens: Gesetzt, der Papst hätte eine solche irdische Macht über den ganzen Erdkreis, so könnte er sie doch nicht an weltliche Fürsten weitergeben. Das ergibt sich daraus, dass sie ja mit dem päpstlichen Amt verknüpft wäre. Der Papst könnte sie gar nicht von dem Amt des Oberhirten abtrennen und seinen Nachfolger dieser Gewalt berauben, weil der Nachfolger am Papsttum nicht schlechter gestellt sein darf als sein Vorgänger ...
    3. Drittens hat der Papst zeitliche Gewalt nur zugunsten der geistlichen Dinge, d. h. soweit es zur Verwaltung der geistlichen Angelegenheiten erforderlich ist ...
    4. Viertens hat der Papst keine zeitliche Gewalt über diese Eingeborenen, so wenig wie über andere Ungläubige. Das ergibt sich aus der dritten Behauptung. Denn er hat weltliche Gewalt nur zugunsten der geistlichen Dinge. Über die Ungläubigen aber hat er keine geistliche Gewalt, demnach auch keine weltliche. Selbst wenn die Eingeborenen keine Herrschaft des Papstes irgendwelcher Art anerkennen wollten, dürfte er deshalb doch nicht gegen sie Krieg führen oder ihre Habe in Besitz nehmen...

    Aus dem Gesagten wird klar, dass die Spanier bei ihrer ersten Fahrt in die Länder der Eingeborenen keinerlei Rechte besaßen, deren Gebiete in Besitz zu nehmen.

      Man könnte sich noch auf einen anderen Titel stützen, auf das Recht der Entdeckung,  und dies war ursprünglich auch der einzige, auf den man sich berief. Unter ihm hat Kolumbus aus Genua seine erste Reise angetreten. Das scheint nun in der Tat ein brauchbarer Titel zu sein, denn was verlassen ist, wird nach Natur- und Völkerrecht Eigentum dessen, der es sich aneignet (Inst. 2, l, 12). Da die Spanier die ersten waren, die jene Länder entdeckten und in Besitz nahmen, ergibt sich daraus doch wohl, dass sie sie von Rechts wegen besitzen, genau so, als wenn sie eine bisher unbewohnte Einöde aufgefunden hätten?
  • Man könnte sich noch auf einen anderen Titel stützen, auf das Recht der Entdeckung,und dies war ursprünglich auch der einzige, auf den man sich berief. Unter ihm hat Kolumbus aus Genua seine erste Reise angetreten. Das scheint nun in der Tat ein brauchbarer Titel zu sein, denn was verlassen ist, wird nach Natur- und Völkerrecht Eigentum dessen, der es sich aneignet (Inst. 2, l, 12). Da die Spanier die ersten waren, die jene Länder entdeckten und in Besitz nahmen, ergibt sich daraus doch wohl, dass sie sie von Rechts wegen besitzen, genau so, als wenn sie eine bisher unbewohnte Einöde aufgefunden hätten?

    Aber über diesen dritten Titel brauchen wir nicht viele Worte zu verlieren, da, wie oben bewiesen, die Eingeborenen die rechtmäßigen Herren waren, nach öffentlichem wie nach privatem Recht ... Da diese Güter ihren Herrn hatten, fallen sie nicht unter den Titel, der für herrenlose Güter zutrifft ...

  • Als vierter Rechtstitel wird der Fall vorausgesetzt, dass die Eingeborenen den christlichen Glauben nicht annehmen wollen, selbst wenn er ihnen dargeboten wird und sie inständig ermahnt werden, ihn zu ergreifen ...

    Antwort:

    1.  Ehe die Eingeborenen etwas über den christlichen Glauben gehört hatten, waren sie auch nicht wegen ihres Nichtglaubens an Christus der Sünde des Unglaubens verfallen ... Ich sage zu der Behauptung, Unkenntnis des Glaubens werde [dem Menschen] zur Last gelegt und sei keine unüberwindliche Sünde: Man muss hier sorgfältig unterscheiden. Wollte der Mensch nicht hören oder das Gehörte nicht glauben, wohl. Andererseits kann aber seine Unkenntnis als unüberwindlich anerkannt werden, wenn er, obwohl im übrigen in Todsünde, doch die einem Menschen im allgemeinen mögliche Mühe aufgewendet hat, um zum Wissen zu gelangen . .
    2. Die Eingeborenen sind nicht verpflichtet, sich schon auf die erste Kunde vom christlichen Glauben hin zu bekehren, so dass sie allein schon aus dem Grunde in die Todsünde des Unglaubens verfielen, weil sie nicht glaubten, als man ihnen mit dürren Worten ohne Wunder oder irgendeine andere Beglaubigung verkündete und sagte, die christliche Religion sei die einzig wahre und Christus sei der Erlöser und Erretter der Welt ... Wenn der Glaube den Eingeborenen nur auf diese Art und Weise vorgetragen wird und sie ihn dann nicht annahmen, können die Spanier aus diesem Anlas auch keinen Krieg mit ihnen anfangen und nicht nach Kriegsrecht mit ihnen verfahren. Denn sie sind ja offenbar insoweit unschuldig und haben auch den Spaniern keinerlei Unrecht zugefügt ...
    3. Wenn die Eingeborenen gebeten und ermahnt worden sind, dem, was ihnen über die Religion gesagt wird, friedlich zuzuhören, und sie wollen nicht, dann sind sie allerdings der Todsünde schuldig ...
    4. Wenn der christliche Glaube den Eingeborenen einleuchtend, d. h. mit überzeugenden und vernünftigen Gründen und in Verbindung mit einem sittenreinen und dem Naturgesetz entsprechenden Lebenswandel (der ein wichtiges Mittel zur Bekräftigung der Wahrheit darstellt) gepredigt wird, und das nicht nur einmal und geschäftsmäßig, sondern mit Sorgfalt und Hingabe, dann sind die Eingeborenen verpflichtet, den Glauben an Christus anzunehmen, oder sie verfallen der Strafe für Todsünden [d. h. der Verdammnis].
    5. Ich bin nicht hinreichend sicher, ob der christliche Glaube seither den Eingeborenen so vorgetragen und verkündet worden ist, dass sie bei Sündenstrafe zum Glauben verpflichtet wären ... Ich habe jedenfalls nichts von Zeichen und Wundern oder von Beispielen so frommen Lebenswandels gehört, dagegen viel von Ärgernis, wüsten Taten und vielfacher Ruchlosigkeit. Es scheint mir danach nicht, als sei die christliche Religion den Eingeborenen angemessen und fromm genug gepredigt worden, dass sie sich ihr beugen müssten .. .
    6. Selbst wenn der Glaube den Eingeborenen noch so oft mit einleuchtenden Gründen gepredigt wäre, und sie wollten ihn nicht annehmen, dürfte man sie doch nicht mit Krieg überziehen oder ihrer Güter berauben . . . Das ist die allgemeine Ansicht der Lehrer des geistlichen und weltlichen Rechtes, und leuchtet auch ein, denn der Glaube ist freiwillig (credere est voluntatis). Furcht aber mindert das freie Wollen, und wer sich nur aus sklavischer Angst dem Kultus und den Sakramenten Christi zuwendet, begeht Gotteslästerung ....

    So ist also auch dieser Rechtstitel nicht geeignet, ein Recht auf Besetzung der Länder der Eingeborenen zu begründen ...

  • Der sechste Titel, den man geltend macht, beruht auf angeblich freiwilliger Annahme [der spanischen Herrschaft durch die Eingeborenen] . . . Ich behaupte aber, dass auch dieser Titel nicht geeignet ist, oder es müssten dabei Furcht und Unkenntnis [der Eingeborenen] keine Rolle gespielt haben, die natürlich eine freiwillige Annahme ausschließen. In Wirklichkeit ist es aber bei jenen Akten der Annahme und Unterwerfung so gewesen, dass die Eingeborenen überhaupt nicht wussten, was sie taten, ja gar nicht einmal verstanden, was die Spanier von ihnen wollten. Dazu kommt, dass diese [die Spanier] meist in der Art vorgehen, dass sie, selbst bewaffnet, einen Haufen friedlicher und verschüchterter Menschen umzingeln und so ihre Forderung stellen. Da ferner, wie oben erwiesen, die Eingeborenen schon ihre rechtmäßigen Fürsten und Herren haben, kann das Volk ja gar nicht ohne zwingenden Grund neue Herren zum Nachteil der alten herbeirufen ... Da also diesen Akten der Annahme und Unterwerfung die meisten Erfordernisse einer rechtmäßigen Wahl fehlen, ist dieser Titel weder zureichend noch rechtlich begründet, um mit seiner Hilfe jene Länder zu besetzen und zu behalten.

3. Begründete Titel für die Unterwerfung der Eingeborenen durch Spanien:

  • Als erster Rechtstitel könnte genannt werden die natürliche Gemeinschaft und der Verkehr unter den Menschen.

    Dazu lässt sich folgendes sagen:

    1. Die Spanier haben das Recht, in die überseeischen Länder zu ziehen und sich dort aufzuhalten, allerdings ohne den Eingeborenen Schaden zuzufügen, und diese dürfen ihnen dabei nichts in den Weg legen. Das lässt sich aus dem Völkerrecht beweisen, weil es ein natürliches Recht ist oder aus natürlichem Recht hergeleitet wird: „Das, was die natürliche Einsicht unter allen Völkern festsetzt, wird Recht der Völker genannt" [Inst. 1,2, 1]. So gilt es bei allen Völkern als inhuman, Gäste und Fremde ohne besonderen Grund schlecht aufzunehmen . . .
    2. war es im Anfang der Welt, als alles allen gehörte, jedermann erlaubt, nach seinem Belieben überall hinzugehen. Dieses Recht ist aber durch Einführung des Privateigentums keineswegs beseitigt, denn es war niemals die Absicht der Völker, durch die Teilung der Güter auch den freien Verkehr der Menschen miteinander aufzuheben ...
    3. ist alles erlaubt, was nicht verboten ist oder ändern Unrecht und Schaden tut. Da aber (wie wir unterstellen) die spanische Überseefahrt ohne Rechtskränkung und Nachteil für die Eingeborenen vor sich geht, ist sie erlaubt .. .

    Wenn die Eingeborenen den Spaniern verwehren wollten, was ihnen nach Völkerrecht zusteht, z. B. den Handel, dann müssen die Spanier zunächst mit Vernunftgründen und gutem Zureden den Anstoß zu beseitigen suchen und ihnen klar machen, dass sie nicht gekommen sind, um ihnen zu schaden, sondern um friedlichen Verkehr und Umgang mit ihnen zu pflegen, ohne Nachteil für die Eingeborenen. Dies müssen sie ihnen nicht allein mit Worten, sondern auch durch ihr Verhalten dartun . . . Wollen die Eingeborenen trotzdem nicht nachgeben, sondern Gewalt anwenden, dann können sich die Spanier dagegen verteidigen und alles zu ihrer Sicherheit Erforderliche tun, denn Gewalt darf man mit Gewalt abwehren (vim vi repeliere licet). Ja sie dürfen auch, wenn sie anders keine Sicherheit gewinnen können, Forts und Befestigungen anlegen, erlittenes Unrecht kraft Vollmacht ihres Souveräns mit Krieg beantworten und auch sonst nach Kriegsrecht vorgehen, denn Unrecht abwehren und rächen ist unstreitig ein gerechter Grund zum Kriege.

    . .. Doch ist dabei zu bedenken, dass diese Eingeborenen von Natur furchtsam und außerdem töricht und einfältig sind, und dass sie trotz aller Bemühungen der Spanier, ihnen die Furcht zu nehmen und sie zu überzeugen, dass es um friedliche Bekehrung geht, bisher mit Grund verängstigt waren gegenüber diesen fremdartigen Menschen, die ihnen bewaffnet und an Macht weit überlegen entgegentraten . . .

    Wenn nun gar die Spanier mit Wort und Tat gewissenhaft dargetan hätten, dass sie die Eingeborenen friedlich und ohne Schaden leben lassen wollen, und diese trotzdem in ihrer Bosheit verharren und die Vernichtung der Spanier anstreben sollten, dann könnten sie sie nicht mehr als schuldlose, sondern als arglistige Feinde behandeln, alle Kriegsrechte gegen sie gebrauchen, sie ausplündern, in die Gefangenschaft abführen, ihre früheren Herren absetzen und neue einsetzen, doch immer mit Maß und im rechten Verhältnis zu dem begangenen Unrecht . . . Denn ein Fürst, der einen gerechten Krieg führt, wird damit auch zum Richter über die Feinde, kann sie von Rechts wegen bestrafen und ihren Vergehen entsprechend verurteilen. Das alles wird noch dadurch bekräftigt, dass Gesandte nach Völkerrecht unverletzlich sind, die Spanier aber sind die Gesandten der Christen. Also müssen die Eingeborenen sie wenigstens gutwillig anhören und dürfen sie nicht abweisen.

    Dies ist der erste gültige Titel, auf Grund dessen die Spanier die Länder der Eingeborenen und die Herrschaft über sie in Besitz nehmen dürfen, wenn es dabei ohne Hintergedanken zugeht und nicht nur Vorwände zum Krieg dabei gesucht werden.

  • Ein zweiter Titel wäre Ausbreitung des christlichen Glaubens.

    Dafür ließe sich anführen:

    1.  Die Christen haben das Recht, in den Ländern der Eingeborenen das Evangelium zu predigen und zu verkünden ...
    2. Das Recht ist zwar allgemein und kommt allen [Christen] zu, doch darf der Papst gleichwohl dieses Unternehmen den Spaniern übertragen und allen anderen untersagen.
    3. Wenn die Eingeborenen die Spanier das Evangelium frei und ungehindert predigen lassen, ganz gleich, ob sie nun den Glauben annehmen oder nicht, so entfällt jeder Grund zum Kriege gegen sie ...
    4. Wenn die Eingeborenen . . . die freie Predigt des Evangeliums hindern, können die Spanier nach vorheriger Mahnung, das Ärgernis zu beseitigen, auch gegen deren Willen predigen, sich um die Bekehrung des Volkes bemühen und notfalls deshalb auch Krieg führen, bis man ihnen die Möglichkeit und Sicherheit gewährt, das Evangelium zu predigen . . . Bei alledem aber ist zu bedenken, was Paulus (1. Kor. 6, 12) sagt: „Mir ist alles erlaubt, aber nicht alles frommt."

    Alles bisher Gesagte ist an und für sich zu verstehen. Es könnte ja aber sein, dass durch solche Kriege, Gemetzel und Plünderungen die Bekehrung der Eingeborenen mehr gehindert als gefördert würde. In erster Linie aber hat man sich zu hüten, dem Evangelium ein Hindernis zu bereiten; geschähe das, so müsste man von dieser Art der Missionierung ablassen und eine andere suchen . ..

  • Ein weiterer Titel folgt aus dem eben genannten: Wenn einige von den Eingeborenen sich zu Christus bekehrt haben und ihre Fürsten sie durch Gewalt oder Furcht zum Heidentum zurückbringen wollen, können die Spanier auch aus diesem Grunde, wenn es kein anderes Mittel gibt, zum Kriege greifen und die Eingeborenen zwingen, von diesem Vorhaben abzulassen . . .
  • Ein anderer Rechtstitel wäre: Wenn ein erheblicher Teil der Eingeborenen zu Christus bekehrt wäre, könnte der Papst ihnen, wenn ein einleuchtender Grund dafür vorliegt, auf ihre Bitten oder auch ohne das einen christlichen Fürsten geben und die ungläubigen Herrscher absetzen . . .
  • Weitere Rechtstitel könnten sein: Einschreiten gegen tyrannische eingeborene Herrscher,
  • Verhinderung von Verbrechen, wie z. B. Menschenopfer,
  • wirklich freiwillige Annahme der spanischen Herrschaft durch die Eingeborenen oder
  • Krieg in Erfüllung einer Bündnispflicht gegenüber befreundeten Stämmen . . . " [F. Dickmann]

[Übersetzung: Renaissance, Glaubenskämpfe, Absolutismus / bearbeitet von Fritz Dickmann -- 3. Auflage. -- München : Bayerischer Schulbuch-Verlag, ©1982. -- (Geschichte in Quellen). -- ISBN 3762760845. -- S. 80 - 85. -- {Wenn Sie HIER klicken, können Sie dieses Buch  bei amazon.de bestellen}]

1541


Abb.: Karte mit den Schiffsrouten von und nach Spanischamerika, 1541

[Bildquelle: Ships and shipwrecks of the Americas : a history based on underwater archaeology / edited by George F. Bass.  -- 1. paperback ed. --New York, N.Y. : Thames and Hudson, 1996.  -- 272 S. : Ill. -- ISBN: 050027892X. -- S.  87. -- {Wenn Sie HIER klicken, können Sie dieses Buch  bei amazon.de bestellen}]

1541-07-26

Francisco Pizarro (1475, Trujillo - 1541, Lima) wird auf Anstiftung von Diego de Almagro <"el Mozo"> (1518, Panamá - 1542, Cuzco) ermordet.


Abb.: Der Tod Pizarros 

1541 - 1544

Cristóbal Vaca de Castro (?1492, León - 1566, Valladolid) ist Gobernador del Perú


Abb.: Cristóbal Vaca de Castro
[Bildquelle: http://www.ecuatravel.8m.com/rh2.htm. -- Zugriff am 2002-04-01]

1542-11-22

Las leyes nuevas


Abb.: Letzte Seite der Leyes nuevas

[Bildquelle: http://www.puc.cl/sw_educ/historia/america/html/link7.html. -- Zugriff am 2002-03-04]

  • "7. Weil Unsere vornehmste Absicht und Unser Wille immer auf die Erhaltung und Förderung der Indianer und auch darauf gerichtet war und ist, dass sie in den Dingen unseres heiligen katholischen Glaubens unterwiesen und gelehrt und als freie Menschen und Untertanen, die sie sind, gut behandelt werden, gebieten und befehlen Wir den Mitgliedern Unseres Rates, ihre ständige Aufmerksamkeit und ihr besonderes Augenmerk vor allen Dingen dem Schutz, der guten Regierung und Behandlung der Eingeborenen zuzuwenden und sich zu überzeugen, wie Unsere Vorschriften über die Regierung Indiens und die dortige Rechtspflege ausgeführt werden ...
  • 20. Da eine der Hauptaufgaben, die die Gerichte in Unserem Dienst zu leisten haben, darin besteht, ganz besonders über die gute Behandlung und die Erhaltung der Indianer zu wachen, befehlen Wir ihnen, sich ständig über Ausschreitungen und Fälle schlechter Behandlung zu unterrichten, deren sich Beamte oder Privatpersonen jetzt oder künftig schuldig machen sollten, desgleichen darüber, wie sie die Gesetze und Verordnungen befolgen, die ihnen hinsichtlich der guten Behandlung der Indianer gegeben worden sind, und dass sie gegen begangene oder künftig vorkommende Zuwiderhandlungen einschreiten, indem sie die Schuldigen mit aller rechtlich gebotenen Strenge bestrafen ...
  • 21. Wir ordnen an und befehlen, dass künftig aus keinem Grunde, sei es Krieg oder welcher sonst, weder zur Strafe für Aufruhr noch im Wege des Loskaufens noch auf andere Weise irgendein Indianer zum Sklaven gemacht werde. Wir wollen, dass sie als Unsere, der Krone von Kastilien, Untertanen behandelt werden, denn das sind sie ...
  • 23. Da Wir befohlen haben, dafür zu sorgen, dass künftig die Indianer auf keine Weise mehr zu Sklaven gemacht werden, ordnen Wir an und verfügen Wir ferner hinsichtlich derer, die bisher gegen Vernunft und Recht und gegen die erlassenen Verordnungen und Befehle als solche gehalten worden sind, dass die Gerichtshöfe die Parteien vorladen, ohne langwieriges Verfahren summarisch und in aller Kürze den Tatbestand ermitteln und sie in Freiheit setzen, wenn die Personen, die sie als Sklaven gehalten haben, keinen Rechtstitel dafür vorweisen können, dass sie sie nach dem Gesetz als Sklaven halten und besitzen dürfen. Und damit die Indianer nicht mangels Leuten, die ihre Sache wahrnehmen, unrechtmäßigerweise für Sklaven angesehen werden, befehlen Wir, dass die Gerichte Personen einsetzen, die diese Angelegenheit für die Indianer betreiben und aus den gerichtlichen Strafgeldern bezahlt werden, und zwar Leute, die vertrauenswürdig und gewissenhaft sind ...
  • 25. Da Uns berichtet worden ist, dass die Perlenfischerei ohne die gebührende Ordnung betrieben worden ist, was den Tod vieler Indianer und Neger zur Folge gehabt hat2), befehlen Wir, dass bei Todesstrafe kein freier Indianer gegen seinen Willen zu solcher Fischerei gezwungen werden darf ...
  • 26. Da die Übergabe von Indianern an die Vizekönige, Statthalter und deren Stellvertreter, an Unsere Beamten, an die Prälaten, Klöster, Hospitäler, Ordenshäuser, auch an Münzstätten und Schatzhäuser, an die Domänenverwalter und andere Personen, die wegen ihrer Dienste auf diese Weise begünstigt wurden, zu Ordnungswidrigkeiten in der Behandlung der Indianer geführt hat, ist es Unser Wille und Befehl, dass alle Indianer, die unter irgendeinem Rechtstitel oder aus irgendeinem Grunde im Dienst und Besitz der Vizekönige und Statthalter, ihrer Stellvertreter oder sonstigen Beamten, der Richter, Domänenverwalter, Hospitäler, Orden usw. sind, unverzüglich Unserer Königlichen Krone unterstellt werden, auch wenn ihnen die Indianer nicht als Entgelt für ihre Dienste überantwortet worden sind. Und wenn etwa die betreffenden Beamten und Statthalter den Wunsch aussprechen sollten, ihre Ämter aufzugeben und die Indianer zu behalten, soll ihnen das doch nichts helfen und die Ausführung Unserer Anordnung deshalb nicht etwa unterbleiben ...
  • 28. Da Uns berichtet wurde, dass andere Personen zwar zuteilungsberechtigt sind, aber die ihnen überwiesenen Repartimientos (Zuteilungen von Indianern) enorm groß sind, befehlen Wir, dass die Gerichtshöfe, jeder in seinem Zuständigkeitsbereich, sich sehr genau und schnellstens darüber informieren, die genannten Zuteilungen auf eine gerechte und angemessene Zahl beschränken und die übrigen Indianer unverzüglich Unserer Königlichen Krone unterstellen . ..
  • 29. Desgleichen sollen die Gerichtshöfe sich informieren, wie die Indianer von den Personen, die sie zugeteilt erhalten haben, behandelt worden sind. Sollte sich dabei herausstellen, dass sie ihnen wegen Ausschreitungen oder nachweislich schlechter Behandlung von Rechts wegen weggenommen werden müssen, so sollen die betreffenden Indianer, wie Wir hiermit anordnen, ihnen unverzüglich genommen und Unserer Königlichen Krone unterstellt werden . . .
  • 30. Ferner verordnen und befehlen Wir, dass kein Vizekönig, Statthalter, Richter, Entdecker noch irgendeine andere Person künftig Indianer zuteilen darf, weder im Wege der Neuzuteilung, noch durch Abtretung, Schenkung, Verkauf, noch in irgendeiner anderen Form oder auf irgendeine andere Art und Weise, auch nicht durch Testament oder Vererbung; vielmehr sollen die Indianer beim Tode ihres Dienstherrn Unserer Königlichen Krone unterstellt werden ..." [F. Dickmann]

[Übersetzung: Renaissance, Glaubenskämpfe, Absolutismus / bearbeitet von Fritz Dickmann -- 3. Auflage. -- München : Bayerischer Schulbuch-Verlag, ©1982. -- (Geschichte in Quellen). -- ISBN 3762760845. -- S. 90 - 92. -- {Wenn Sie HIER klicken, können Sie dieses Buch  bei amazon.de bestellen}]

1542 - 1546

Die Leyes Nuevas sind Auslöser eines Aufstandes in Perú:

Überblicksartikel 1542 bis 1546
"Berauscht vom ungewohnten Besitz der Macht und ohne das mindeste Verantwortungsgefühl für das unterworfene Land, hatten sich die Eroberer und Ansiedler der Befriedigung jeder Laune überlassen, die ihnen Grausamkeit oder Eigensinn eingab. Gräuel waren an der Tagesordnung. Aus purer Jagdlust wurden Eingeborene mit Bluthunden gehetzt; die Ritter füllten ihren Harem mit indianischen Mädchen, die sie erbarmungslos aus den Armen ihrer Familien oder aus den heiligen Häusern der Sonnenjungfrauen rissen; die Arbeitsleistung, die von den indianischen Sklaven erpresst wurde, kannte keine Grenzen; die Kornspeicher waren geleert und die Lamaherden vernichtet; denn in den vier Jahren seit der Eroberung waren mehr Tiere geschlachtet worden als in den vierhundert der Inkaherrschaft.

Als Kaiser Karl V. im Jahre 1541 aus Deutschland in seine Stammlande zurückgekehrt war, nahm der Zustand der überseeischen Pflanzstaaten seine Aufmerksamkeit gebieterisch in Anspruch. Unter den ihm damals überreichten Denkschriften über die Verhältnisse in den indianischen Ländern ist der Bericht des Geistlichen Las Casas, des späteren Bischofs von Chiapa in Mexiko, »über die Ausplünderung und Verwüstung der indischen Länder« (1542) die bedeutendste und eindringlichste, ein erschreckendes schriftliches Zeugnis menschlicher Verderbtheit. Unter dem Eindruck dieser Schilderungen traten Rechtsgelehrte und Geistliche in Valladolid zu einem Rat zusammen, um, auf Las Casas' Bericht fußend, Gesetze zur Regelung der Verhältnisse in den amerikanischen Pflanzstaaten zu entwerfen. Daraus entstand eine Sammlung von Verordnungen, die sich auf Eingeborene wie Europäer bezogen. Unter anderem wurden die übermäßig großen Repartimientos verkleinert und die Sklaverei gemildert; Eigentümer, die mit ihren Sklaven offenkundigen Missbrauch trieben, sollten ihre Ländereien verlieren; ferner wurde befohlen, die Indianer nur mäßig zu besteuern, sie nicht gegen ihren Willen zur Arbeit zu zwingen und ihnen, wenn möglich, eine geringe Entschädigung dafür zu zahlen; auch sollten alle, die an den Streitigkeiten zwischen Almagro und Pizarro strafbaren Anteil genommen hatten, den Anspruch auf Grundbesitz und Sklavenhaltung verlieren. Und da Peru stets einen Geist der Widersetzlichkeit gezeigt hatte, der ein entschiedeneres Auftreten der Macht erforderte als in den anderen Pflanzstaaten, wurde beschlossen, einen Vizekönig mit großen Vollmachten und außerdem eine aus vier Richtern bestehende königliche Audiencia mit ausgedehnter Rechtsbefugnis nach Peru zu entsenden. Der Vizekönig wie der neue Gerichtshof sollten in Los Reyes oder Lima, wie man es nun zu nennen begann, ihren Sitz haben, der künftigen Hauptstadt des spanischen Reiches am Stillen Ozean.

Die Kunde hiervon drang bald nach Peru herüber, verbreitete sich mit Windeseile unter den an unbegrenzte Zügellosigkeit gewöhnten Ansiedlern, die um ihren Besitz zitterten, und versetzte das ganze Land in Aufruhr. Unter den Kolonisten war kaum einer, der hoffen durfte, nicht von den neuen Gesetzen betroffen zu werden. Auch gab es nur wenige, die nicht zu irgendeiner Zeit an den Streitigkeiten zwischen Almagro und Pizarro teilgenommen hatten. Empört über den vermeintlichen Undank von Seiten der Krone, waren die meisten entschlossen, ihre Eroberungen notfalls mit Gewalt zu verteidigen. Auf der Suche nach einem Mächtigen, der ihre Interessen und Gefühle teilte, fiel ihr Blick auf Gonzalo Pizarro, den Letzten von der Familie, die die Eroberungsheere angeführt hatte. Sie bestürmten ihn mit Bitten, sich bei der Regierung für sie zu verwenden und sie vor den drückenden Verordnungen zu schützen. Gonzalo war damals in Charcas eifrig mit der Ausbeutung der Silberminen und den soeben entdeckten Erzadern von Potosí beschäftigt, die bald ungeahnte Ströme von Reichtum über Europa ergießen sollten. Zu klug, um sich jetzt schon durch ein aufrührerisches Unternehmen bloßzustellen, ermutigte er zwar die Unzufriedenen, fügte sich jedoch den Anweisungen Vaca de Castros und verhielt sich vorerst ruhig. Alle blickten der Ankunft des Vizekönigs gespannt entgegen.

Für dieses Amt hatte Karl V. den Ritter Blasco Núñez Vela [?, Ávila - 1546, Ecuador] ausersehen, eine Wahl, die der Einsicht des Monarchen keine Ehre machte. Der bereits in Peru tätige Vaca de Castro wäre auf Grund seiner Erfahrung und gerechten Verwaltung der geeignetere Mann gewesen. Gerade ihn jedoch beorderte der Kaiser bald darauf nach Kastilien zurück.

Im Januar 1544 landete der Vizekönig in Nombre de Dios. Er führte sich damit ein, dass er ein zur Abfahrt nach Spanien bereitliegendes, mit Silber aus den Bergwerken beladenes Schiff für die Krone beschlagnahmte, eine Anzahl indianischer Sklaven in Freiheit setzte und seine Entschlossenheit kundtat, den Verordnungen unnachgiebig Geltung zu verschaffen. Sein strenges Vorgehen versetzte das ganze Land in Bestürzung. Volksversammlungen wurden abgehalten, in denen man forderte, dem Vizekönig Widerstand zu leisten und ihm die Tore von Lima zu verschließen. Nur mit Mühe konnte der Gouverneur die Einwohner bewegen, nicht von ihrer Untertanentreue abzulassen, sondern den neuen Machthaber mit der gebührenden Ehrerbietung zu empfangen und sich darauf zu verlassen, dass er bei ruhiger Überlegung die Durchführung der Gesetze so lange verschieben werde, bis man der Krone den Fall unterbreitet hätte. Doch hegte der größte Teil der Spanier nur wenig Hoffnung auf Hilfe von dieser Seite, und um so dringlicher wandten sie sich abermals an Gonzalo Pizarro. Aus allen Teilen Perus strömten ihm Briefe und Bittschriften zu, er möge als Beschützer für die Ansiedler eintreten, und diesmal fanden die Bitten ein geneigteres Ohr. Gonzalo war tief gekränkt, dass die Krone mit der Ernennung eines Vizekönigs den festen Entschluss kundtat, die Familie Pizarro von jeder Führung der Staatsgeschäfte auszuschließen. Von der Regierung im Stich gelassen, erkannte er, dass es nun an der Zeit war, für sich selbst zu sorgen.

Zunächst begab er sich mit zwanzig Rittern und einem großen Silberschatz aus den Bergwerken nach Cuzco, wo er von der Bevölkerung mit lautem Jubel empfangen und mit dem Titel eines Generalverwesers von Peru begrüßt wurde. Die städtische Obrigkeit forderte ihn auf, an der Spitze einer Gesandtschaft nach Lima aufzubrechen, dem Vizekönig die Beschwerden der Ansiedler vorzutragen und die vorläufige Aufhebung der Verordnungen zu erbitten.

Aber der Funke des Ehrgeizes war in seiner Brust entfacht. Er erbat sich von den Stadthäuptern Cuzcos die Erlaubnis, unter dem Titel eines Oberbefehlshabers eine Streitmacht auszuheben. Seine Absichten seien durchaus friedlicher Natur, aber ihr alter Feind, der Inka Manco, lauere mit einem Kriegerhaufen drohend in den benachbarten Bergen. Unter dem Druck des Volkes übertrug ihm die Obrigkeit das Kommando, das er erstrebte.

Unterdessen wurde der Vizekönig auf seinem Weg nach Lima überall recht kühl aufgenommen, und nur spärlich war für seine und seines Gefolges Bequemlichkeit vorgesorgt. In einer Stadt fand er über dem Eingang zu seinem Quartier die bedeutsame Inschrift: »Wer mein Eigentum antastet, muss darauf gefasst sein, dafür mit dem Leben zu bezahlen.« Doch setzte er unerschrocken seinen Weg nach der Hauptstadt fort und zog, von Vaca de Castro und den städtischen Würdenträgern bewillkommnet, mit großem Prunk in Lima ein. Sogleich verkündete er seinen festen Entschluss, die Verordnungen durchzusetzen. Er sei nicht befugt, die Ausführung zu verschieben, sondern werde seine Pflicht erfüllen; doch erbiete er sich, in einer Eingabe an den Kaiser den Ansiedlern beizupflichten und um Aufhebung eines Gesetzes zu bitten, das, wie er jetzt selbst glaube, weder dem Lande noch der Krone dienlich sein könne. Die Verantwortung für eine eigenmächtige zeitweilige Aussetzung der Verordnungen scheute er offenbar. Durch sein halbes Entgegenkommen war die allgemeine Besorgnis jedoch keineswegs beschwichtigt. In Lima bildeten sich geheime Cliquen, die mit anderen Städten in Verbindung traten. Trotzdem regte sich beim Vizekönig kein Argwohn, und als er von Gonzalos kriegerischen Vorbereitungen hörte, tat er nichts weiter, als dass er eine Botschaft in dessen Lager sandte, ihn von seiner weitreichenden Vollmacht unterrichtete und aufforderte, die Truppen zu entlassen. Er schien zu glauben, ein einziges Wort von ihm genüge, den Aufstand zu unterdrücken und die eisernen Kriegerscharen Perus auseinanderzutreiben.


Abb.: Briefmarke Gonzalo Pizarro, 1942

Inzwischen widmete Gonzalo Pizarro sich eifrig der Ausrüstung seiner Streitmacht. Zunächst ließ er sechzehn Geschütze, die Vaca de Castro nach Huamanga geschickt hatte, von den Eingeborenen übers Gebirge schaffen. Seine Truppen bestanden anfangs nur aus vierhundert Mann, doch glaubte er, sie würden auf dem Weg zur Küste durch den Zustrom aus den Städten und Dörfern erheblich anwachsen. All seine eigenen Geldmittel verwendete er zur Ausstattung und Versorgung seiner Leute, und die fehlenden Mittel ergänzte er, indem er sich bedenkenlos die Gelder der Krone aneignete. Nachdem er noch einen bedeutenden Zuwachs an Stärke in der Person Francisco de Carbajals erhalten hatte, des alten Kriegers, der in der Schlacht von Chupas eine so wichtige Rolle gespielt hatte, brach er mit seiner gutberittenen und wohlausgerüsteten Schar auf.

Bald nachdem Gonzalo Pizarro Cuzco verlassen hatte, erfuhr er vom Tod des Inka Manco. Er wurde von einer Gruppe Spanier ermordet, Parteigängern Almagros, die nach der Niederlage ihres jungen Anführers im indianischen Lager Zuflucht gesucht hatten. Die Mörder wiederum wurden alle von den Peruanern erschlagen. Der Tod des Inka Manco ist ein Ereignis, das in der peruanischen Geschichte nicht mit Stillschweigen übergangen werden kann; war er doch der Letzte seines Stammes, von dem man mit Fug und Recht sagen konnte, er sei vom heldenmütigen Geist der alten Inka beseelt gewesen. Obgleich von Pizarro auf den Thron gesetzt, war Manco weit davon entfernt, ein bloßes Werkzeug in den Händen der Spanier zu bleiben, und zeigte bald, dass er sein Los nicht an das der Sieger zu knüpfen gedachte. Wohl waren die alten Ordnungen seines Landes zerborsten, doch setzte er wie Quauhtemoc, der Letzte der Azteken, alles daran, das wankende Gebäude zu stützen oder aber die Unterdrücker unter den Trümmern zu begraben. Durch den Sturm auf seine eigene Hauptstadt Cuzco, wobei diese zum großen Teil zerstört wurde, tat er den Waffen Pizarros Einhalt, und eine Zeitlang hing das Schicksal der Eroberer an einem Faden. Musste er auch der überlegenen Kriegskunst des Gegners schließlich weichen, so zeigte der junge Inka doch noch immer denselben unbeugsamen Mut wie früher. Er zog sich in die Bastionen seiner heimischen Berge zurück, aus denen er, sooft sich Gelegenheit bot, hervorbrach, um hier die Karawane des Reisenden, dort einen versprengten Soldatenhaufen zu überfallen, und wenn ein Bürgerkrieg tobte, warf er stets sein eigenes Gewicht in die leichtere Waagschale, um so den Streit der Feinde zu verlängern und seine Rachgier am Anblick ihres Elends zu weiden. Behände seinen Standort wechselnd, entging er in der Wildnis der Kordilleren der Verfolgung, lauerte in der Nähe der Städte, lag im Hinterhalt an den großen Straßen des Landes, kurz, er machte seinen Namen zum Schrecken der Spanier. Oft genug suchten sie einzulenken, und jeder der einander folgenden Machthaber bis hin zu Blasco Núñez war von der Krone angewiesen, alle Künste aufzubieten, um den furchtbaren Krieger zu versöhnen. Aber Manco traute den Versprechungen des weißen Mannes nicht und zog es vor, mit wenigen tapferen Getreuen seine wilde Unabhängigkeit in den Bergen zu behaupten, anstatt als Sklave in dem Lande zu leben, das einst vom Zepter seiner Vorfahren beherrscht wurde.

Der Tod des Inka beseitigte zwar einen der Hauptvorwände für Gonzalo Pizarros Kriegsvorbereitungen, doch konnte er ihn in der Verfolgung seiner Pläne nicht beirren. Weit mehr beschäftigte ihn der Abfall mehrerer seiner Anhänger gleich zu Beginn des Marsches. Einige Ritter aus Cuzco missbilligten, dass er sich so bedenkenlos öffentliche Gelder aneignete, und bei dem kriegerischen Anstrich der ganzen Unternehmung schien ihnen zum erstenmal aufzugehen, dass sie den Weg der Rebellion beschatten hatten. Etliche von ihnen, darunter die Vornehmsten der Stadt, zogen sich heimlich vom Heer zurück, eilten nach Lima und boten dem Vizekönig ihre Dienste an. Statt ihrer stießen Überläufer der Gegenpartei zu Gonzalo; unter ändern schloss sich ihm ein Offizier namens Fuelles, Kommandant von Huanuco, mit einem ihm vom Vizekönig anvertrauten Reiterhaufen an. Überhaupt wechselten in den Bürgerkriegen dieses unglücklichen Landes die Parteien so leicht die Fahne, dass Verrat gegen einen Befehlshaber kaum noch als Fleck auf der Ritterehre galt; denn welcher Seite sie sich auch zuwandten, stets betonten sie ihre Treue zur Krone. Als Gonzalo die Hänge des Tafellandes hinabstieg, war die Zahl seiner Leute doppelt so groß geworden wie beim Verlassen der indianischen Hauptstadt. Auch in Huamanga, wo ihn die Einwohner mit offenen Armen empfingen, traten viele unter sein Banner; hörten sie doch von allen Seiten von der unbeugsamen Strenge des Vizekönigs und zitterten um ihr Eigentum.

Dieser begriff allmählich, wie bedenklich seine Lage war. Von seinen eigenen Leuten verraten, schöpfte er Argwohn gegen alle, die ihn umgaben, unglücklicherweise auch gegen solche, die sein Vertrauen am meisten verdienten. So verdächtigte er seinen Vorgänger, den einsichtigen und ehrenhaften Vaca de Castro, der geheimen Verbindung mit seinen Feinden in Cuzco. Kurzerhand ließ er ihn festnehmen und an Bord eines im Hafen liegenden Schiffes gefangensetzen. Dieser gewaltsamen Maßnahme folgte die Verhaftung mehrerer anderer Personen aus ebensowenig stichhaltigen Gründen. Einen Ritter in Lima namens Suárez de Carbajal, der lange ein öffentliches Amt bekleidet hatte und in der Stadt großen Einfluss besaß, verdächtigte er, den Abfall einiger Verwandter, die sich den Unzufriedenen angeschlossen hatten, begünstigt zu haben. Er ließ ihn spät in der Nacht in seinen Palast kommen, nach einem heftigen Wortwechsel ermorden und die in den blutigen Mantel gehüllte Leiche insgeheim in der Stiftskirche beisetzen. Umlaufende Gerüchte erklärten bald das geheimnisvolle Verschwinden des Ritters, das Grab wurde geöffnet, und die verstümmelten Überreste des Ermordeten machten die Schuld des Vizekönigs offenbar. Von dieser Stunde an wurde Blasco Núñez allgemein verabscheut, da niemand wusste, wer als nächster den unbezähmbaren Leidenschaften des Machthabers zum Opfer fallen würde. Immer mehr Spanier setzten nun ihre Hoffnung auf Gonzalo Pizarro.

Während dieser Vorgänge trafen die neuen Richter der Audiencia in Lima ein. Schon unterwegs hatten sie keine große Achtung vor den Verordnungen und Willenskundgebungen des Vizekönigs gezeigt; denn sie hatten die unseligen Eingeborenen ebenso schwer und gewissenlos belastet wie irgendeiner der Eroberer. Das Fehlen jeglicher Übereinstimmung zwischen ihnen und Blasco Núñez wurde nach ihrer Landung in Lima noch augenscheinlicher: sie missbilligten sein Verfahren in allen Stücken und erklärten seine Handlungsweise für willkürlich, da sie die Grenzen seiner Macht weit überschreite. Sie begaben sich sogar persönlich ins Gefängnis und setzten die Gefangenen in Freiheit. Dieses dreiste Eingreifen gewann ihnen zwar die Gunst des Volkes, zerstörte aber vollends ihr Verhältnis zum Vizekönig.

Inzwischen war Gonzalo Pizarro bis auf wenige Tagemärsche gegen Lima vorgerückt. Blasco Núñez fühlte seine Verlassenheit; den eigenen Anhängern entfremdet, mit der Audiencia verfeindet, von seinen Truppen verraten, wurde er in seinen Entschlüssen unsicher und schwankend. Erst ließ er die Stadt in Vereidigungszustand versetzen, dann plante er, seine Truppen nach dem etwa zweihundertvierzig Meilen entfernten Trujillo zu führen und auf dem Marsch das gesamte Land zu verwüsten, um Pizarros Heer, wenn es nach Lima käme, dem Hunger preiszugeben und es davon abzubringen, ihn auf einem langen Zug durch verödete Gegenden zu verfolgen. Die Richter erklärten, er sei zu solchem Verfahren nicht befugt, und die Audiencia könne ihre Sitzungen nicht außerhalb der Hauptstadt abhalten. Doch bestand Blasco Núñez auf seinem Entschluss und drohte, die Körperschaft mit Gewalt dazu zu zwingen. Da hoben die Richter eine Streitmacht zu ihrem eigenen Schutz aus und ließen den Vizekönig in der nächsten Morgendämmerung verhaften. Von fast all seinen Leuten verlassen, ergab sich dieser ohne Widerstand. Nie hatte eine so unblutige Staatsumwälzung stattgefunden. Die Richter der Audiencia erklärten den Vizekönig für abgesetzt und ernannten eine aus ihrer eigenen Körperschaft bestehende vorläufige Regierung, deren erste Amtshandlung in der Aufhebung der verhassten Verordnungen bestand, bis man vom Hof neue Befehle erhalten habe. Blasco Núñez sollte nach Spanien zurückgeschickt werden, und zwar in Begleitung eines Richters, der dem Kaiser die letzten Unruhen erklären und die Maßregeln der Audiencia rechtfertigen sollte. Nach wenigen Tagen wurde der Gefangene nach Panamá gebracht.

Gonzalo Pizarro stand jetzt in Jauja, dicht vor Lima. Auch hier traten eine Menge Bürger unter sein Banner, da sie lieber in seinem Heer dienen als länger unter der selbstherrlichen Gewalt der Audiencia leben wollten. Diese sandte jetzt eine Botschaft an Gonzalo und kündete ihm die soeben vollzogene Umwälzung sowie die vorläufige Aufhebung der Verordnungen an; damit sei der Hauptzweck seiner Sendung erreicht, und da nun eine neue Regierung gebildet worden sei, solle er ihr gehorchen, seine Truppen entlassen und sich selbst auf seine Besitzungen begeben. Der Bote wurde mit der Antwort zurückgeschickt, das Volk habe Gonzalo Pizarro zur Statthalterschaft berufen, und wenn die Audiencia ihm die Macht nicht sofort übertrage, werde er Lima der Plünderung preisgeben.

Unterdessen hatte Gonzalo seinen Unterbefehlshaber Carbajal in die Stadt geschickt. Mit Hilfe eines betont kleinen Trupps Soldaten - Ausdruck seiner Verachtung der richterlichen Gewalt - bemächtigte sich Carbajal einiger Ritter, die seinerzeit von Gonzalo abgefallen waren, und ließ sie aufknüpfen. Voller Bestürzung sahen die Richter der Audiencia, dass bei so rücksichtslosem Vorgehen ihr eigenes Leben an einem Faden hing, und beeilten sich, Gonzalo Pizarro in die Stadt einzuladen mit der Erklärung, die Sicherheit und das allgemeine Wohl erforderten es, die Statthalterschaft in seine Hände zu legen. Mit großem Gepränge, unter Kanonendonner, Glockengeläut und dem Jubelgeschrei der Bewohner zog der neue Machthaber am 28. Oktober 1544 mit seiner Streitmacht in Lima ein und schlug sein Quartier im Palast seines Bruders auf, wo die Flecken von dessen Blut noch nicht verblasst waren. Die Richter der Audiencia leisteten pflichtgemäß den Amtseid, und Gonzalo Pizarro wurde zum Gouverneur und Oberbefehlshaber von Peru ausgerufen, bis der Wille Seiner Majestät bekannt sei. Feste, Stierkämpfe und Turniere währten tagelang, und die wankelmütige Volksmenge der Hauptstadt jubelte, als habe für Peru eine neue und bessere Ordnung begonnen.

Die erste Amtshandlung Gonzalo Pizarros war die Verhaftung derer, die bei den letzten Unruhen am entschiedensten gegen ihn aufgetreten waren. Einige verurteilte er zum Tode, begnügte sich aber dann damit, sie zu verbannen und ihre Güter einzuziehen. Vor allem war er darauf bedacht, seine Autorität zu festigen. Die obersten Verwaltungsposten in Lima besetzte er mit seinen Anhängern und vertraute die wichtigsten Städte des Landes seinen Stellvertretern an. Er ließ Galeeren bauen, um sich die Herrschaft zur See zu sichern, und setzte seine Truppen in den bestmöglichen Stand.

Die königliche Audiencia bestand nur noch dem Namen nach. Um der Statthalterschaft dieselbe Machtfülle wie unter seinem Bruder, dem Marqués, zu verleihen, entzog Gonzalo der richterlichen Körperschaft alle Befugnisse.

Inzwischen war aus dem Hafen das Schiff verschwunden, auf dem Vaca de Castro gefangensaß. Dieser mochte nicht länger in einem Lande bleiben, in dem er keine gesetzliche Macht mehr besaß und nichts nützen konnte, und bewog seinen Kapitän, mit ihm nach Panamá zu segeln. Dort überquerte er die Landenge und schiffte sich nach Spanien ein. Gerüchte von seiner bevorstehenden Ankunft waren ihm schon vorausgeeilt, und seine Neider beeilten sich, ihn eigenmächtiger Maßnahmen sowie der Verschwendung öffentlicher Gelder zu bezichtigen. Kaum hatte er den Fuß auf den Boden seines Vaterlandes gesetzt, als er gefangengenommen und auf eine Festung gebracht wurde. Dort blieb er zwölf Jahre lang Staatsgefangener, bis die säumigen Gerichtshöfe Kastiliens seine Unschuld feststellten und ihn freisprachen. Nun wurde er in seine Ehren und Würden wiedereingesetzt und nahm aufs neue seinen Sitz im königlichen Rat ein. Das beredteste Zeugnis für seine kluge Verwaltung waren die Unruhen, in die sein Nachfolger die peruanischen Niederlassungen stürzte.

Größeren Verdruss sollte Gonzalo die Rückkehr des Vizekönigs Blasco Núñez bereiten. Kaum hatte das Schiff, auf dem er sich befand, die Küste verlassen, als ihn der Richter der Audiencia, unter dessen Aufsicht er nach Spanien reisen sollte, für frei erklärte, ihm das Schiff zur Verfügung stellte und ihm anheimgab, zu landen, wo immer es ihm beliebe. Der Vizekönig nahm das Anerbieten begierig an; denn sein stolzer Sinn sträubte sich gegen den Gedanken, nach dem Misslingen seiner Mission mit Schande beladen nach Kastilien zurückzukehren. Er beschloss, sein Glück noch einmal in Peru zu versuchen, landete in Túmbez und erließ eine Bekanntmachung, worin er das gewaltsame Vorgehen Gonzalo Pizarros und seiner Anhänger für Verrat an ihrem Herrscher erklärte und alle treuen Untertanen aufforderte, ihn bei der Erhaltung der königlichen Macht zu unterstützen. Der Aufruf blieb nicht unbeachtet, und zögernd stellten sich Freiwillige aus den Küstenstädten unter seinen Befehl. In der Stadt San Miguel, wo Benalcázar, der treue Befehlshaber der im Norden des Landes gelegenen Provinz Popayan, ihm seine Hilfe im bevorstehenden Kampf versprach, pflanzte er seine Fahne auf und sah sich nach wenigen Wochen an der Spitze einer etwa fünfhundert Mann zählenden Streitmacht. Und da er sich nun für stark genug hielt, griff er einige von Pizarros Hauptleuten mit entschiedenem Erfolg an.

Während dieser Zeit war Gonzalo Pizarro nicht müßig gewesen. Er ließ eine starke Besatzung in Lima zurück und machte sich unverzüglich mit etwa sechshundert Mann nach San Miguel auf. Als er die Stadt erreichte, fand er sie vom Gegner verlassen, denn des Vizekönigs Soldaten, zumeist junge, eilig zusammengebrachte Mannschaften, waren durch den Namen Pizarro eingeschüchtert und wollten sich nicht ohne die Hilfe Benalcázars auf eine Schlacht einlassen. Gonzalo sandte ihnen seinen General Carbajal mit einer Abteilung leichter Voraustruppen nach und jagte sie, ohne ihnen Ruhe zu gönnen, durch die wüsten Sumpfebenen von Paltos, bis beide Parteien, Verfolgte und Verfolger, nach kaum noch erträglichen Leiden und Entbehrungen gleichermaßen erschöpft waren. Nördlich von Quito in der Nähe von Los Pastos langte der Vizekönig endlich in Benalcázars Gebiet an. Hier machte auch Pizarros Heer halt, und durch einen kleinen Fluss voneinander getrennt, schlugen die feindlichen Truppen ihr Nachtlager auf. Am 18. Januar 1546 traten beide Heere in der Ebene von Añaquito zum Kampf an. Die Truppen des Vizekönigs beliefen sich jetzt auf etwa vierhundert Mann, Pizarros Streitmacht, in beherrschender Stellung auf einem Hügelkamm, zählte ungefähr siebenhundert. Blasco Núñez eröffnete die Schlacht mit dem Geschosshagel seiner Hakenbüchsenschützen, und bald nahm der übers Feld hinziehende Pulverdampf den Kämpfenden jede Sicht. Es war schon spät, als die Schlacht begann, und das Tageslicht schwand schnell. Unter der Deckung des Rauches rückten auf beiden Seiten die Pikeniere vor und waren bald in hitzigem Handgemenge. Dann prallten die Berittenen aufeinander. Pizarros Reiterei ergoss sich wie eine übermächtige Welle auf den Feind und trieb ihn am Abhang vor sich her. Es war ein verzweifelter Kampf. Als die Lanzen zersplittert waren, fochten die Reiter Mann gegen Mann in wildem Knäuel mit Schwertern und Streitäxten. Der Boden war mit Leichen bedeckt, Rosse und Reiter, Tote und Lebende lagen in Haufen übereinander. Der Kampf dauerte nicht lange; denn obwohl die Zahl der Berittenen auf beiden Seiten ziemlich gleich war, konnte sich die Reiterei des Vizekönigs, ermüdet von den anstrengenden Märschen der letzten Tage, nicht mehr mit dem Feinde messen. Benalcázar geriet, von Wunden bedeckt, unter die Hufe seines Pferdes und blieb für tot auf dem Schlachtfeld liegen. Blasco Núñez zersplitterte als erster im Reiterkampf seine Lanze und kämpfte als tapferer Ritter; aber da seine Gefährten einer nach dem anderen fielen, war er schließlich fast ohne Beistand und musste der zahlenmäßigen Übermacht des Gegners unterliegen. Schon war er verwundet, als ihn ein Soldat mit einem Hieb seiner Streitaxt vom Pferde warf und betäubt zu Boden streckte. Einer von Pizarros Leuten erkannte ihn und zeigte ihn sogleich dem Bruder jenes Ritters, den Blasco Núñez in seinem Palast so unbedacht hatte ermorden lassen. Um sein Gelübde einzulösen, am Vizekönig blutige Rache zu nehmen, wollte er ihn mit eigener Hand töten. Aber der Unterführer Fuelles verwehrte es ihm als entehrende Handlung und befahl einem schwarzen Sklaven, dem Sterbenden den Kopf abzuschlagen. Das Haupt wurde auf einer Pike emporgehalten, und einige Soldaten waren roh genug, die grauen Haare aus dem Bart des Toten zu reißen und sich als grässliche Siegeszeichen ans Barett zu stecken. Auf so traurige Weise endete Blasco Núñez, der erste Vizekönig von Peru.

Damit war das Schicksal des Tages entschieden. Die Pikeniere vermochten Pizarros Reiter nicht mehr aufzuhalten; ihre Reihen wurden durchbrochen und alle in wilde Flucht geschlagen. Die Verfolgung währte nicht lange; denn die Dunkelheit brach herein, und Gonzalo ließ die Trompeten blasen, um seine Leute unter ihre Banner zu rufen.

Fast ein Drittel der Soldaten des Vizekönigs hatte den Tod gefunden. Die Verluste der anderen Seite waren unbeträchtlich. Einige der besiegten Ritter, wahrscheinlich solche, die früher Pizarro angehangen hatten, wurden hingerichtet, andere nach Chile in die Verbannung geschickt; der größte Teil wurde vom Sieger begnadigt. Dem von seinen Wunden genesenen Benalcázar wurde erlaubt, in seine Provinz zurückzukehren, unter der Bedingung, nie wieder die Waffen gegen Pizarro zu erheben. Dieser war sehr aufgebracht über die dem Vizekönig angetane Schmach und ließ dessen verstümmelte Überreste mit allen seinem Range gebührenden Ehren in der Stiftskirche zu Quito begraben. Gonzalo Pizarro ließ es sich nicht nehmen, schwarz gekleidet als Hauptleidtragender im Trauerzuge einherzugehen; offensichtlich war es bei den Pizarros üblich, ihren Opfern diese letzte Ehre zu erweisen.

Der Sieg von Añaquito wurde im nahen Quito mit Freude begrüßt, alle Städte Perus sahen darin das Ende der verhassten Verordnungen, und durchs ganze Land erscholl der Name Gonzalo Pizarros als der des Befreiers. Im Juli 1546 verließ er Quito; sein Marsch nach dem Süden war ein einziger Triumphzug, und unter Freudengeschrei und Glockengeläut zog er in Lima ein. Noch einmal war Peru unter die Herrschaft eines Pizarro gestellt. Nun war er unbestrittener Gebieter; von Quito bis zur Nordgrenze Chiles erkannte das ganze Land seine Macht an, sein Heer war besser gerüstet und ausgebildet als alle, die man bisher auf amerikanischem Boden gesehen hatte, und die neu geöffneten Erzadern von Potosí, ergiebiger als irgendeins der bisher entdeckten Vorkommen in Mexiko oder Peru, lieferten ihm die Hilfsquellen eines europäischen Monarchen."

[Prescott, William Hickling <1796 - 1859>: Die Eroberung Perus. -- Leipzig : Diederich, ©1975. -- S. 325 -338. -- Originaltitel: History of the conquest of Peru (1847)]

1542

Errichtung des Vizekönigtums (Virreinato) Perú mit der Hauptstadt Lima

Die Verwaltung des Vizekönigtums
Der Vizekönig (virrey)

"Das Vizekönigtum Peru war sogar noch größer [als das von Mexiko], es umfasste um 1600 alle von Spanien besiedelten Gebiete Südamerikas. Der Vizekönig selbst genoss in Lima höheres Ansehen als sein Kollege in Mexiko-City und erhielt ein höheres königliches Gehalt. Ihm unterstanden die andient von Lima, 1544, von Panama, nach 1567 an Lima angeschlossen, von Charcas, 1559, von Bogota, 1561 gegründet, von Quito, 1563, von Chile, 1565, von Buenos Aires, zumindest vorübergehend im Jahr 1661, und verschiedet andere im 18. Jahrhundert. Viele dieser Hauptstädte lagen so weit von Lima entfernt, dass eine nach der andern in eine kleinere Generalkapitanie oder eine presidencia ungebildet wurde mit nur geringer Abhängigkeit von Lima. Bogota, Sitz des Gouvernements für Neugranada, erhielt schon 1563 einen Generalgouverneur. Das bolivianische Chuquisaca, das heutige Sucre, erhielt im 17. Jahrhundert einen eigenen Gouverneur, ebenso Santiago in Chile. Buenos Aires und Asunci6n an der La-Plata-Grenze galten 200 Jahre lang als so unwichtig und abgelegen, dass sie bis 1660 von dem hoch in den bolivianischen Anden gelegenen Charcas aus mitregiert wurden.

Wie die Vizekönige hatten auch jene anderen alter ego des Königs große Machtbefugnisse und trugen eine hohe Verantwortung Der König brauchte einen Repräsentanten mit uneingeschränkter Autorität, der nicht aus eigenem Recht sein Gebiet für unabhängig erklären würde. Das verlangte eine sorgfältige Wahl. Die königlichen Beamten, die sowohl zeitlich als auch räumlich so weit entfernt von jeder heimatlichen Überwachung lebten, mussten als absolut zuverlässige Untergebene bekannt sein. Es war nicht leicht, Männer mit diesen Qualifikationen zu finden. In vielen Fällen stießen die vom König für dieses Amt ausersehenen Angehörigen des höchsten spanischen Adels bei allem, was sie taten, auf den Stolz und die Arroganz des höheren Klerus, auf die Eifersucht der königlichen Richter und auf das Misstrauen der einflussreichen Räte in Spanien. Antonio de Mendoza, der 15 Jahre lang in Mexiko und danach noch eine ganze Zeit lang in Lima regierte, machte sich beim König durch den Mangel an unabhängiger Eigeninitiative beliebt. »Das Geheimnis des guten Regierens«, erklärte er seinem Nachfolger, »besteht darin, wenig zu tun und das wenige langsam«, da sich die meisten Angelegenheiten dieser Behandlung beugen. Nach den ersten Vizekönigen wurde die normale Dauer dieses Amts auf drei Jahre begrenzt, später auf fünf erhöht. Das vizekönigliche Gehalt, das schwer in unsere heutige Währung umzurechnen ist, erlaubte einen üppigen Lebensstil auf Kosten des königlicher Schatzhauses, abgesehen von dem eigenen Vermögen, das die Vizekönige normalerweise besaßen.

Im Laufe der drei Jahrhunderte wurden viele Dekrete zur Regelung der Befugnisse und Tätigkeiten des Vizekönigs erlassen.

  • Im politischen und administrativen Bereich sprach er Ernennungen aus, vergab Land und Titel, erließ Instruktionen für Untergebene, trieb die Kolonisierung voran, gründete Städte, hielt die regelmäßigen Volkszählungen ab, führte die Oberaufsicht über öffentliche Arbeiten, wachte über öffentliche Gesundheitsanordnungen, schützte die Indianer und setzte alle königlichen Gesetze durch.
  • Im wirtschaftlichen Bereich sammelte er Steuern ein, führte Handelsrestriktionen durch und kurbelte die Industrie an, wo sie nicht in Konkurrenz zu der des Mutterlands stand.
  • Im kirchlichen Bereich war der Vizekönig der Vertreter des Königs in Amerika; er gründete Kirchen, setzte die Grenzen der Bistümer fest, überwachte die religiöse Unterweisung der Eingeborenen, vertrat den König als Schirmherr über alle religiösen Unternehmungen und erhob den Zehnten zur Unterstützung der Kirche. Damit war er das oberste ausführende Organ für die Verbreitung des Glaubens in der Neuen Welt.
  • Als ex-officio-Mitglied der Gerichtsbarkeit saß der Vizekönig auch an der Seite der Richter in den audiencias, hatte aber selbst keine Stimme. Diese Körperschaften amtierten als oberste Appellationsgerichte in den spanischen Kolonien und entschieden über die Zuständigkeit in Fragen der Rechtsprechung zwischen Staat- und Kirchenbeamten.
  • Selbstverständlich war der Vizekönig auch Oberbefehlshaber aller Truppen innerhalb seines Regierungsbereichs und für die »Aufrechterhaltung des Friedens« verantwortlich.

Das heißt, er besaß praktisch die Vollmachten eines Königs in der Neuen Welt. Diese Machtposition der frühen Vizekönige wurde allerdings später durch königliche Gesetze beschnitten, als die Herrscher in Spanien in zunehmendem Maße fürchten mussten, ihre Kolonien könnten sich zu einem autonomen Staat auswachsen. Wie gut ein Vizekönig alle diese Aufgaben bewältigte, hing von seinem Charakter ab. Im 16. Jahrhundert waren die Vizekönige vornehmlich gewissenhafte, von Karl V. und Philipp II. sorgfältig ausgewählte Administratoren. Im 17. Jahrhundert rückten militärische Fähigkeiten in den Vordergrund; nach 1650 erhielten nicht selten Schwächlinge diese Position, denen die Krone irgendeinen Gunstbeweis schuldig war.

Es gab Vizekönige, die nur im eigenen oder im Interesse ihrer Familie, andere, die nur für den König und für Spanien wirkten, und einige wenige, die das Wohl der Neuen Welt selbst im Auge hatten.

Von den 103 Männern, die in den drei Jahrhunderten spanischer Herrschaft in Mexiko und Peru dieses oberste Amt bekleideten, waren nur vier in Amerika selbst geboren, so entschieden verfolgte die Krone den Grundsatz, nur Angehörige der spanischen Aristokratie auszuwählen, deren Loyalität außer Frage stand. 41 Vizekönige dienten in Peru, 62 in Mexiko ...

In den Akten über ihre Amtszeiten finden sich Berichte von den prunkvollen Festlichkeiten, die bei der Ankunft und Abreise der Vizekönige abgehalten wurden. Zwei Jahrhunderte nach Mendozas Herrschaft in Peru hatten es die Spanier dort zu einer stehenden Einrichtung gemacht, Willkommensprozessionen über Entfernungen von Hunderten von Kilometern und Zeiträumen von mehreren Wochen stattfinden zu lassen. Der ankommende Vizekönig hat, so ein zeitgenössischer Bericht, in einem kleinen Hafen 200 Meilen nördlich von Lima an Land zu gehen, so dass er in jeder am Wege liegenden Stadt gastlich aufgenommen werden kann. Jeder Statthalter entlang der Küste »stellt Sänften, Maultiere und alles für den Vizekönig und sein Gefolge Notwendige bis zur Grenze der nächsten Gerichtsbarkeit bereit«, außerdem sorgt er auf eigene Kosten »dafür, dass Buden zur Unterhaltung des Vizekönigs an den Haltestationen in der Wüste aufgestellt werden«. In Lima ist der Neuankömmling Gast des lokalen Stadtrats; ein Aufmarsch »aller Beamten und aller religiösen Orden«, der sich über den ganzen Tag seiner Ankunft hinzieht, heißt ihn als zivilen Gast willkommen. Am ersten Abend muss er der Aufführung eines »Stückes beiwohnen, zu dem auch die Damen geladen sind«. Am nächsten Tag fährt er an der Spitze eines langen Zuges offener Kutschen zu dem scheidenden Vizekönig, der im Hafen von Callao aufgehalten wird, während die übrigen königlichen Beamten seinen Amtsbericht »inspizieren«. Miliz, Studenten, Richter und alle niederen Beamten des Hofes marschieren zu Ehren des neuen Vizekönigs auf. Drei volle Tage dauern diese Aufmärsche, und jeder Tag schließt mit einem abendlichen Festessen im Haus eines Edlen. Darauf folgen fünf Tage mit »Stierkämpfen« für das Volk. Während der nächsten zwei Wochen verbringt der Vizekönig mehrere Tage bei Zeremonien in der Universität und je einen Tag im Haus der verschiedenen religiösen Orden. Bei einer abschließenden Festlichkeit »gerät ganz Lima außer Rand und Band«, weil alle Formalitäten vorüber sind. ...

Während der ganzen Ära war das erste vizekönigliche Jahr vorwiegend gesellschaftlichen Funktionen gewidmet.

Immerhin gibt es einige Vizekönige, die nicht nur durch ihr Ankommen und Sterben berühmt geworden sind. Der Graf von Chinchon, ein religiöser Fanatiker, der nicht zulassen wollte, dass die Schiffe in Lima Passagiere an Bord nahmen, die in der Nacht zuvor nicht gebeichtet hatten, oder dass die Damen verführerische Schleier trugen, die ein Auge frei ließen, ist in Erinnerung geblieben durch die schwere Malariaerkrankung seiner Gemahlin, die mit dem heute noch in Peru unter dem Namen cinchona bekannten Inkaheilmittel der Chinarinde geheilt werden konnte. Er machte das Malariaheilmittel in Europa bekannt, während die trotzigen Damen von Lima seine Anti-Schleier-Verordnung zu Papierlockenwicklern verarbeiteten.

Ein anderer peruanischer Vizekönig ist durch seine Mätresse berühmt geworden, La Pericholi, deren Laufbahn als Schauspielerin und Schiedsrichterin über gesellige Bräuche heute noch in der Erinnerung der Bewohner von Lima lebendig ist.

Wenige Vizekönige waren wirklich korrupt, auch eine offene Herausforderung der königlichen Autorität wäre undenkbar gewesen, wohl aber wurde versteckter Ungehorsam, verbunden mit öffentlich zur Schau getragenem Respekt vor den Wünschen des Königs zu einer verbreiteten Übung. Doch die Macht des Vizekönigs unterlag sowohl auf dem Papier als auch in Wirklichkeit vielerlei Kontrollen. Bei seiner Ernennung erhielt er detaillierte Instruktionen, um deren Verwirklichung er in jeder Hinsicht bemüht sein musste, und auch später erreichten ihn königliche Erlasse, die, zumindest dem Gesetz nach, zu respektieren waren.

Die Könige und der Indische Rat hatten eine sichere Kontrolle jedes Vizekönigs am Ende seiner Amtszeit eingebaut. Er wurde aufgefordert, auch nach der Ernennung seines Nachfolgers im Amt zu bleiben und sich einer Inspektion und Prüfung seiner Rechenschaftsberichte zu unterziehen, der sogenannten audiencia, oder noch eine gewisse Zeit ohne Machtbefugnisse zu residieren. Während dieser residencia wurde die vizekönigliche Administration gerichtlich überprüft. Diese Überprüfung wurde im voraus bekannt gemacht, so dass jeder seiner Untertanen jede Art von Klage gegen ihn vor eigens dafür von der Krone benannten Beamten vorbringen konnte. Dieses gefürchtete königliche Kontrollorgan arbeitete wahrscheinlich mit größerem Erfolg bei den kleineren Beamten in der Provinz als bei den Vizekönigen von Lima und Mexiko. War irgendein Beamter mitten in seiner Amtszeit in einen ungewöhnlich großen Skandal verwickelt, so wurde er von einer speziellen, vom Indischen Rat ausgesandten visita überprüft; oder ein visitator general konnte in dem betreffenden Vizekönigtum allgemeine Ermittlungen einleiten und Empfehlungen nach Spanien weiterleiten, die dem Indischen Rat zur Prüfung vorgelegt wurden. Bei solchen Ermittlungen waren die Befugnisse des visitator general größer als die des Vizekönigs, und er konnte eine sofortige Ausführung seiner Vorschläge verlangen. Auf seine Besuche folgte gewöhnlich eine Periode auffälliger Ehrlichkeit und Tüchtigkeit.

Solche Zwischenfälle ereigneten sich weniger deshalb, weil es der Krone an der notwendigen Maschinerie zur Aufrechterhaltung loyaler, ehrlicher und leistungsfähiger Regierungen gefehlt hätte, sondern wegen der ungeheuren Entfernung vom Mutterland, der verzögerten Kommunikation, der menschlichen Schwäche der Gouverneure und in der späteren Zeit wegen der laxen Hofhaltung in Spanien selbst, die eine loyale Einstellung der Regierungsgremien zu einer Seltenheit werden ließ, wenn auch offenkundige Illoyalität noch immer eher eine Ausnahme als die Regel war. Man hat vom spanischen Imperium gesagt, seine »Regierung sei weder ausgesprochen gut noch unerträglich schlecht gewesen«.

In den weit entfernten Hauptstädten mit einem Generalkapitän als geschäftsführendem Repräsentanten des Königs lebte dieser wie ein kleiner Vizekönig, hielt so prächtig Hof, wie es ihm in einer Grenzgemeinde möglich war, sammelte Steuern ein, überwachte die Kirche, handelte mit den Indianern, unterhielt Forts und Garnisonen, er war »ein dicker Frosch in einer kleinen Pfütze«. Auch er wurde einer kurzen Inspektion durch eine residencia unterzogen. Generalkapitäne gaben ihre Berichte direkt an den Indischen Rat und konnten durch den Königlichen Rat abgelöst werden, genau wie der Vizekönig.


Abb.: Audiencia real, Lima [Guaman Poma de Ayala, 1615, Abb. 488]

In allen Regierungen ist die richterliche Gewalt so wichtig wie die Exekutive. Obwohl eine begrenzte richterliche Funktion auch bei den Vizekönigen und Generalgouverneuren lag, waren die Hauptzentren dafür die audiencias, die Appellationsgerichte, die höchsten Stellen für die Auslegung der Gesetze. Der ersten nach Mexiko entsandten audiencia gehörten nur vier Richter an, die sogenannten oidores oder »Hörer«. Um das 17. Jahrhundert hatten die beiden großen, den vizeköniglichen Höfen von Mexiko-City und Lima angeschlossenen audiencias zwölf Richter, die teils für strafrechtliche, teils für zivilrechtliche Fälle zuständig waren. Sie entschieden über Revisionsverfahren, die gegen Entscheidungen der verschiedensten Lokalregierungen und niederen Instanzen eingelegt worden waren. Audiencias waren auch »zum Schutz der Indianer« erforderlich, und zwei Tage in der Woche saßen die Richter nur über Fälle zu Gericht, in die Eingeborene verwickelt waren. In den beiden vizeköniglichen Regierungsstädten häuften sich Berufungsverfahren, bei denen Indianer betroffen waren, in solchem Maße, dass schon vor 1600 eine spezielle Abteilung bei den audiencias, das sogenannte juzgado general de Indios, gegründet werden musste, um Verfehlungen gegen die Eingeborenen unter Kontrolle zu halten.

Die Richter der audiencias stellten ihre Berichte dem König direkt zu und traten dem Vizekönig gegenüber als Berater des Königs von Spanien auf. Sie sorgten für die Ausführung königlicher Bestimmungen, verwalteten königliches Eigentum und überprüften oder stellten für den Vizekönig Beglaubigungsschreiben aus. In Quito, Charcas und anderen Hauptstädten, in denen die audiencias die höchste Kronbehörde darstellten, fungierte ihr Präsident zugleich als Provinzgouverneur, so dass sein Amtsbereich oft auch Präsidentschaft genannt wurde. In den vizeköniglichen Hauptstädten war es der Präsident der audiencia, der in den zahlreichen Fällen, in denen der frühere Vizekönig verstorben oder seine Amtszeit abgelaufen war und die Ankunft des neuen sich verzögerte, die vizeköniglichen Geschäfte weiterführte. Da die Richter unbefristet amtierten, waren die audiencias im Vergleich zu dem Vizekönig die dauerhafteren Behörden und damit das eigentliche Zentrum und der Kern der Verwaltung Hispano-Amerikas, durchaus geeignet, der vizeköniglichen Macht die Zügel anzulegen. Die Richter wurden »spanisch« gehalten und durften, wie der Vizekönig, nicht in den Kolonien heiraten, kein Grundeigentum besitzen, keine Geschäfte nebenher betreiben oder auch nur an Hochzeiten und Begräbnissen von in Amerika geborenen Familien teilnehmen. Die Bezeichnung audiencia galt oft auch für das Territorium, das ihrer Gerichtsbarkeit unterstand, und aus manchen dieser Territorien sind die modernen Republiken unserer Zeit hervorgegangen.

Unter den audiencias gab es zahlreiche niedere Instanzen. Manche davon waren Verwaltungsgerichte, die als Exekutivbehörden fungierten. Zivil- und strafrechtliche Routinefälle kamen vor die alcaldes oder Friedensrichter. Daneben gab es spezielle Zivilgerichte, Gerichte der consulados oder Kaufmannsgilden, Gerichte der an den Silberminen Beteiligten, Gerichte der mesta oder Viehrancher-Gilde, einen Rechnungshof, der an das Schatzamt angeschlossen, und ein protomedicato, der für die ärztlichen Berufe zuständig war. Kirche und Armee unterhielten eigene Gerichte für ihre Mitglieder, denen nach spanischem Brauch fueros, Privilegien, zukamen, die sie außerhalb der Zivilgerichtsbarkeit stellten.

Provinz- und Lokalregierung

Die Generalkapitanien waren gebietsmäßig so groß wie heutigen Republiken Lateinamerikas; um die Verwaltung zu erleichtern, mussten sie in kleinere Einheiten unterteilt werden, die nach Größe und Bedeutung sehr stark differierten. Sie wurden, soweit es sich um große, dünn besiedelte Grenzgebiete handelte, von einem sogenannten gobernador, in Gebieten mit europäisierten Niederlassungen von einem alcalde mayor verwaltet. Diese drei Arten von Verwaltungsbeam ten hatten etwa gleich hohe Einkommen und gleich große Machtbefugnisse und fungierten zugleich als politische, juristische und militärische Autorität.

Jeder Gouverneur amtierte gewöhnlich nur drei Jahre lang in seinem Distrikt und musste häufig vor Verlassen sei Amtssitzes eine Aufstellung seines persönlichen Vermögens vorlegen. Er durfte keine Privatgeschäfte betreiben und nicht innerhalb seines Amtsbereichs heiraten. Gelegentlich wurden auch Landeigentümer oder Kaufleute für diese Position ernannt, die schon in der Neuen Welt ansässig waren; sie mussten gewöhnlich in weit von ihren Wohnorten entfernten Gebieten Dienst tun. Wie den Vizekönigen machte es die Vielzahl der Dekrete und Verordnungen auch den Gouverneuren schwer, ihr Amt ehrlich und integer zu führen, und manche entwickelten sich zu kleinlichen Tyrannen. Ihre Gehälter waren, verglichen mit denen der Generalgouverneure so niedrig, dass sie sich ständig durch die vielen Gelegenheiten zu Bestechung und Korruption versucht sahen. Im allgemeinen arbeiteten sie in enger Verbindung mit dem Stadtrat und konnten, sei es im öffentlichen oder im Interesse der Krone, in allen Angelegenheiten intervenieren, die von Versammlungen der lokalen Räte bearbeitet wurden.

Die corregidores waren besonders für das Wohlergehen Indianer verantwortlich und in diesem Zusammenhang oft in kleinere Bestechungsaffären verwickelt. Ein corregidor konnte unter dem Hinweis, ihr oberster Schutzherr zu sein, die Indianer zu persönlichen Dienstleistungen für ihn oder seine Freunde zwingen, zum Verkauf von Produkten unter dem Marktpreis, die er gewinnbringend weiterverkaufen konnte, oder zur Bezahlung überhöhter Abgaben jeglicher Art. Diese Missbräuche waren so verbreitet, dass die schlechten Beziehungen zwischen dem corregidor und den Indianern zum notorischen schwachen Punkt der spanischen Kolonialverwaltung wurden.

Vizekönige, audiencias und corregidores hatten mit den Stadt- und Dorfverwaltungen nichts zu tun; .... In jedem Staat muss es neben der Zentralgewalt auch lokale Gremien geben. Im spanischen Mutterland hießen die Lokalverwaltungen ayuntamiento oder cabildo, und diese Körperschaften wurden mit nur wenigen Veränderungen auf die Neue Welt übertragen. Die städtische Tradition spielte dabei in Hispano-Amerika die gleiche führende Rolle wie in Spanien selbst: Der cabildo wurde als erste Institution überall dort gegründet, wo Spanier sich niederließen. ...

Im allgemeinen gilt der cabildo als demokratische Institution, da er als einziger Verwaltungssektor auch den Kreolen, den in Amerika geborenen Söhnen und Enkeln spanischer Einwanderer, offen stand. In den ersten cabildos wurden die Ratsmänner, die regidores, gewöhnlich fünf bis zwölf
an der Zahl, von den Siedlern selbst gewählt. Sobald die Stadt ihren »Frontstadt«-Charakter verlor, hielt königliche Zentralgewalt Einzug, und die regidores waren in den meisten Fällen nicht länger wählbar. Um 1660 bestimmten die Provinzgouverneure, wer regidor wurde, und zwar oft nach Listen, die von scheidenden regidores aufgestellt worden waren. Einige Sitze wurden sogar erblich oder an den Meistbietenden vergeben, womit die Demokratie der cabildos praktisch schon beseitigt war. Städtische Behörden gingen zum Teil sogar in Privatbesitz über. Mit Beginn des 17. Jahrhunderts waren die meisten Lokalbehörden sowohl Privateigentum als auch erblich und damit die städtische Verwaltung unter der Kontrolle eines kleinen Kreise wohlhabender und einflussreicher Familien.

 Die cabildos erfüllten die normalen Routinefunktionen der heutigen Stadträte: Sie verteilten Land, zogen lokale Steuern ein, überwachten die lokalen Miliz- und Polizeikräfte, vergaben Baugenehmigungen, verkündeten öffentliche Feiertage, stellten Paraden zusammen, überwachten öffentliche Märkte, bauten Brücken, kontrollierten Überschwemmungen und verteilten Getreide in Hungersnöten. Infolge des begrenzten Einkommens war das Budget und damit die öffentlicher Arbeiten und Dienstleistungen nicht groß. Es gab nichts, was einen Sinn für Gemeinschaft hätte wecken können; nur in ganz dringenden Fällen -- bei Verteidigungsproblemen, Überschwemmungen, Indianerüberfällen, speziellen Sammlungen für den König, um neue europäische Kriege zu unterstützen oder die Geburt eines Thronfolgers zu feiern -- wurde der  wichtigste Teil der Bürgerschaft zu Beratungen zusammengerufen. Eine solche Versammlung hieß cabildo abierto oder offener Rat, auch wenn ihr nur die vornehmsten Bürger angehörten: Landeigentümer, Bischof und Klerus und die führenden Kaufleute. So selten offene Ratsversammlungen während der Kolonialzeit zusammentraten, so groß wurde ihr Einfluss während der Unabhängigkeitskriege.

Die cabildo-Mitglieder wählten eine ganze Reihe niederer städtischer Beamter. Oberster Beamter, eine Art Verbindung aus Bürgermeister, Stadtkommissar und Friedensrichter, war der von den regidores gewählte alcalde. Er war zugleich Präsident des örtlichen Gerichtshofs. Die kleineren Beamten, wie der Polizist, der öffentliche Treuhandverwalter, der Inspektor der Maße und Gewichte, der Kassierer gerichtlich festgesetzter Bußgelder, der städtische Rechtsbeirat, der Verwalter öffentlichen Eigentums, hatten etwa den Aufgabenkreis, der diesen Beamten auch in einer modernen Stadtverwaltung obliegt. Daneben gab es Polizeipräsidenten für lokale Bezirke, Steuereinnehmer und Finanzbeamte.

So etwa sahen die Stadtverwaltungen in den hispanisierten Gebieten aus, in denen sich Städte vom europäischen Typ entwickelt hatten.

Anders lagen die Dinge an den Grenzen. Hier gab es als wichtigste Institutionen die Missionsstationen, in denen Kirchenmänner die Regierung bildeten, und die presidios oder Garnisonen, in denen Militärbeamte die Soldaten befehligten. Solche Garnisonen waren an der Peripherie des Imperiums nötig zum Schutz von Handelsstraßen, von Handelsverbindungen zwischen den Städten und den reichen Minen des nördlichen Mexiko oder Boliviens oder auch, um Überfälle feindlicher Indianerstämme abzuwehren. Ein presidio bestand zumeist aus einem Fort und einer Anzahl von Soldaten mit ihren Familien, die Farmen rund um den Militärposten aufbauten und bewirtschafteten. Häufig wuchsen um eine solche Garnison wichtige Städte empor, wie etwa San Francisco.

Die Mehrheit der reinblütigen Indianer lebte nach wie vor in den pueblos. Der spanischen Regierung war daran gelegen, die über das ganze Land verstreuten Indianer zur Aufgabe ihres Nomadenlebens zu bewegen und in eigenen Dörfern anzusiedeln. Jedes dieser Indianerdörfer musste eine eigene Kirche samt Priester erhalten -- die Ausgaben dafür hatten die Indianer selbst aufzubringen --, um sie schnell und sicher der spanischen Vormundschaft zu unterstellen. Außerdem waren ein bis vier indianische Ratsherren oder regidores und ein alcalde oder Magistrat vorgesehen, die mit dem Einverständnis des corregidor gewählt wurden. Diese alcaldes teilten sich in die Rechtsprechung mit den caciques oder erblichen Stammeshäuptlingen, wenn auch die spanische Politik das Ziel verfolgte, die spanische Form der Lokalverwaltung und ihre Amtsbezeichnungen einzuführen, wo immer die Idee der alten Häuptlingswürde in den neuen pueblos verdrängt werden konnte.

Sogar die Lage der indianischen pueblos musste sorgfältig gewählt und diese mussten wiederum mit genügend allgemein zugänglichem Weideland versehen werden.

Caciques und alcaldes konnten ihre Stammesbrüder für Trunkenheit, für das Versäumnis, die Messe zu hören, und für kleinere Verletzungen der Stammesgesetze bestrafen, während alle größeren Übertretungen vor den corregidor kamen, der immer spanischer Herkunft und selten am sozialen Wohlergehen der Indianer interessiert war. Abgesehen von ihren Zahlungen in die königliche Kasse und in die Privatschatulle des corregidor, mussten die indianischen Dorfbewohner ihre Gemeindekasse für lokale Verbesserungen und Festlichkeiten füllen, wie es jede Indianerstadt Lateinamerikas noch heute tut.

Abschließend wollen wir jedoch einräumen, dass trotz der Missbräuche durch das corregidor-System, trotz der hohen Abgaben, die die Indianer zu leisten hatten, trotz der Skandale, in die Vizekönige gelegentlich verwickelt waren, und trotz der Missachtung spanischer Gesetze in den Kolonien und des kolonialen Wohlergehens in Spanien das spanische Kolonialreich nicht schlechter verwaltet wurde als irgendein Imperium in der Geschichte bis zu diesem Zeitpunkt. Tatsächlich funktionierte das paternalistische Verwaltungssystem sogar bemerkenswert gut, und das während dreier Jahrhunderte und auf einem größeren Territorium, als es die Reiche der Antike je zu kontrollieren hatten. Mit der Zeit führten Bürokratismus und Restriktionen die Beamten dazu, neue Wege zu ersinnen, um diese Unbequemlichkeiten zu umgehen, der Gehorsam gegenüber königlichen und vizeköniglichen Befehlen ließ nach und die Korruption nahm zu. Die komplizierten Verwaltungsfunktionen und die Vielzahl der Instruktionen aus Spanien musste die Kraft des Kolonialregimes langsam, aber unausweichlich unterminieren.

Da Regierungsämter mit soviel Ehre und Prestigegewinn verbunden und so vielen in der Neuen Welt entstandenen Gesellschaftsklassen verschlossen waren, nahmen die Sucht nach Ämtern und der Nepotismus langsam überhand. Ein Posten bei der Regierung bedeutete freie Bahn für raschen Wohlstand und soziales Ansehen. Schließlich gab es eine fast unübersehbare Menge von Beamten in Hispano-Amerika, und immer neue Posten wurden für Verwandte oder neue Verwandte für die bereits Inthronisierten geschaffen. »Bring mir einen Verwandten, ich habe einen Sonderposten bei der Regierung« soll ein geflügeltes Wort aus jener Zeit sein. Spanien seinerseits drückte bei kleineren Bestechungen ein Auge zu, um das Imperium vor größeren zu schützen, und nahm kleinere Verstöße gegen das Gesetz und Ungehorsam hin, um offene Rebellion zu vermeiden und sein System funktionsfähig zu erhalten. Als im 18. Jahrhundert das ganze Imperium zu zerfallen drohte und sowohl das Mutterland wie die Kolonien nach Reformen schrieen, führten die Bourbonenkönige jene Veränderungen durch, die noch zu beschreiben sind."

[Miller Bailey, Helen ; Nasatir, Abraham P.: Lateinamerika : von den iberischen Kolonialreichen zu autonomen Republiken. -- Essen : Magnus, ©1975. -- (Magnus Kulturgeschichte). -- Originaltitel: Latin America : the development of its civilization. -- S. 152 - 166]


Abb.: Soziale Schichtung in den spanischen Kolonien

[Bildquelle: http://www.puc.cl/sw_educ/historia/america/html/2_2_1.html. -- Zugriff am 2002-03-04]

Für die gesellschaftliche Struktur Boliviens bis heute wichtig ist die Entstehung einer (oder mehrerer) Schichten von Mischlingen (Mestizen, Cholos). Gustavo Adolfo Otero schildert den Urssprung der Mestizen sehr anschaulich:

Entstehung einer Schicht von Mestizen (Cholos)
"La ley sociológica del mestizaje, fue el imperativo categórico racial de la Colonia en el Alto Perú. El mito de la pureza de sangre no se cumplió en las zonas geográficas ocupadas por los grupos humanos vernáculos, ya que los keschuas y los aymarás sufrieron varias misionizaciones, dando resultados biológicos siempre renovados y que han sufrido diversos cambios evolutivos hasta el presente.


Abb.: Doppelhochzeit zwischen Inkamädchen und Spaniern, 18. Jhdt.
[Bildquelle: Die neue Welt : Azteken, Maya, Inka, Indianer. -- Gütersloh : Prisma, 1977. -- S. 157]

La existencia del tipo mestizo es un hecho social vivo. Lo que interesa es aplicar el sentido del análisis, para tener una visión de la génesis de esta forma biológico - social. No basta conocer el hecho, es necesario trazar la parábola de su ontogenia desde los primeros días de la Conquista hasta los últimos días coloniales, a principios del siglo XIX.

La presencia del hombre blanco de origen hispano, planteó escuetamente, después de las fatigas de la guerra y de la lucha contra el medio geográfico, el problema sexual, agravado por el hecho de que la corona española, prohibió el traslado de mujeres a las nuevas tierras, fomentando en esta forma indirecta el mestizaje. Eran los propios indios en su categoría de caciques o los jerarcas que ofrecían sus hijas nobles y bellas a la codicia sexual de los conquistadores; o era también la propia iniciativa masculina que buscaba el regazo de las indígenas trémulas y curiosas, que se sacrificaban alegremente ante los semidioses barbudos, fuertes y victoriosos. El éxito guerrero que fue siempre objeto de la atracción femenina de todas las razas, se unía en las indígenas a la aterida admiración ante esos nuevos hombres de ojos azules y manos viriles. La mujer india estaba marcada aquellos días por el signo primitivo de ser nada más que el solaz del guerrero. Esta siembra humana sin otra finalidad que el placer, ajena a la estructura de la familia, era la realización de la poligamia unida a la naturaleza del hombre. En aquellos primeros días de la Conquista, tuvo ejecutoria esa fórmula paradisiaca de que cada hombre puede engendrar diariamente un hijo, mientras la mujer puede ser madre una vez al año, y que tampoco fue extraña a través de la Colonia, ya que en 1666 un bigardo fue sentenciado por la Santa Inquisición de Chuquisaca por haber poseído 360 mujeres indígenas. No hubo, pues, en aquella aurora de la Conquista sino el predomimio de las leyes brutales de la naturaleza. Fue el transcurso civilizador de los días y la fundación de los grupos urbanos o pueblos, que introdujo procedimientos humanizados, a base de la intervención religiosa y de la asistencia de las leyes hispanas, reguladas por el Código de Indias. Aquellos frutos primigenios de la ley de la jungla, que fue el mestizaje, hicieron su aparición en medio del abandono, mientras las madres quedaban arrojadas en la soledad del campo, y el Conquistador seguía camino adelante en busca de sus sueños, desafiando el hambre, a las incomodidades y a la muerte. Quedaban como huella de su paso, en los altiplanos, en los valles o en las montañas, niños de piel aceitunada, dotados de un nuevo hálito psicológico.

Hacia la segunda etapa de la Conquista, corridos los primeros años de la vida colonial, el sacerdote se preocupa de los casamientos entre los indígenas y se prohiben las relaciones entre españoles y las mujeres vernáculas, no obstante de que en 1514 sé prevén disposiciones autorizando la mezcla de las razas. El con tenido de las pragmáticas reales se basaba, para las relaciones entre los indígenas, en una resolución del Concilio de Trento, por la que se consideraba matrimonio entre plebeyos la simple vinculación secreta entre dos seres humanos de sexo contrario. El concubinato fue, pues, legítimo sin más que la simple unión hasta que el Tercer Concilio reunido en México en 1585, resolvió autorizar los matrimonios entre blancos e indios, prohibiendo que ningún español por su conveniencia pudiera impedir el matrimonio de los indios con quienes ellos quisieran.

Como hecho social se puede destacar que considerados los indios como seres humanos ni esclavos, ni enferiores, ni tampoco judíos como se empeñaban en demostrar muchos teólogos, la co roña de España, bajo los estímulos de la prédica humanitaria de los antiesclavistas, consistió en la mezcla de los blancos e indios, consagrando el mestizaje.

Aunque aparezca el mestizaje como amparado legalmente, la unión de blancos e indios durante el coloniaje no fue un hecho reconocido socialmente, sino que fue una expresión de la vida, en una época vitanda y clandestina, ajena a las leyes del honor, a Jas normas de la familia y al margen de la aprobación ética y divina. Este aspecto se pone de relieve en lo que llamamos la tercera etapa de la morfología del mestizaje. Establecidas las ciudades y constituidos los núcleos campesinos en torno de las capillas o de las casas de hacienda, se produce una nueva corriente de mestización. En las ciudades que no son más que aldeas y en el agro, el mestizaje se produce, siguiendo las costumbres de España, que los señores tomaban sus concubinas entre la gente de la plebe y que en el Alto Perú no era otra que las masas formadas por los indígenas y por los nuevos mestizos. Aquí se produce un doble fenómeno. Los hijos de los españoles toman por concubinas permanentes o accidentales a las indígenas sirvientes , lanzando, por decirlo así, una nueva emisión de mestizos siempre clandestinos, y ocultos en la ciudad, formando parte de la clientela de la casa grande o integrando la misma servidumbre. Así prolifera el cholo en las ciudades del Alto Perú y precisamente se le llama "cholo", como hace notar Garcilaso de la Vega, en forma de un despectivo proveniente del término "cholo" con que en Guatemala en los primeros días de la conquista se designaba a los perros lanudos, feos y sucios. Luego se usó en la misma forma infamante que el chulo de los bajos fondos madrileños. Finalmente se produce otro remestizaje también clandestino entre los cholos y los criollos o españoles, dando lugar al nacimiento de un nuevo tipo racial que tiene terciadas las sangres indígenas e hispanas. Este blanqueo es una nueva línea de los criollos.

Al lado de estas remestizaciones con tendencia al blanqueo se produce la mezcla dirigida hacia el moreno indio, a través de las nuevas aleaciones del mestizo al 50% con el indio, hasta producir por eliminación del blanco la reversión hacia el aborigen, como saldo de diversas generaciones combinadas entre mestizos e indios.

En las aldeas y en el campo el cura y el misionero, y también los curas sin parroquia, trashumantes, igualmente que en las mismas ciudades, han sido uno de los grandes agentes de la mestización. Si el siglo XVI el mestizaje lo produjo el soldado, en los siglos XVII y XVIII lo produce el cura en todos sus grados teologales, desde el eminente canónigo hasta el más humilde tonsurado. Los " candeleras " y las "palmatorias" — los hijos y las hijas de los curas —, eran corrientes en las ciudades del Alto Perú, muchos, y la mayor parte como expresión de la meseta entre los sacerdotes españoles y las indias.

Hasta ahora sólo nos hemos ocupado de la unión entre blancos e indias, porque puede afirmarse que el caso inverso fue exótico. No fueron extraños los casos de unión clandestina entre blancas que por su extremada pobreza buscaron la protección de algún indígena acaudalado. Tal vez ésta sería la explicación social de los títulos nobiliarios otorgados por la Corona de España en favor de los indígenas de ancestralía, blasonada por su descendencia de caciques y aún de los propios incas. Estos títulos, de los que nos ocuparemos en el capítulo relativo a las clases sociales, eran pues, una importante patente matrimonial que reguló durante el siglo XVIII las relaciones intersexuales."

[Otero Vértiz, Gustavo Adolfo <1896, La Paz - 1958, Ecuador>: La vida social en el coloniaje. -- 4. ed., augmendada y corregida. -- La Paz : Juventud, 1996. -- Depósito legal  4-1-321/79. -- S. 15 - 18]

Die verschiedenen Mischlinge und Rassen bildeten eine Art Kastensystem, für das verschiedene Nomenklaturen in Gebrauch waren. Eine der in Alto Perú üblichen war:

Vater Mutter Kind
Weißer (blanco) India Mestize (mestizo)
Mestizin Kreole (criollo)
Schwarze (negra) Mulatte (mulato)
Mulattin cuarterón
cuarterón Weiße (blanca) quinterón
quinterón Weißer (blanca)
Schwarzer (negro) India chino
Mulattin zambo
china zambo
zambo Schwarze (negra) zambo prieto
Schwarzer (negro) zamba prieta Schwarzer (negro)

1543

Zum Schutz der Silberflotte vor Seeräubern und Kriegsschiffen wird das Konvoi-System eingeführt.

1543

Gründung des Consulado de Cargadores a Indias [Kammer der Frächter nach Amerika], einer Vereinigung (Zunft) königlich privilegierter Überseehändler, die ein Monopol für den eigentlichen Amerikahandel innehaben.

"Der 'Consulado o Universidad de los Cargadores de las Indias' war die dritte Institution von Bedeutung für den Amerikahandel. Sie wurde im Jahre 1543 in Sevilla nach dem Vorbild der 'Consulados' von Burgos (errichtet 1494) und Bilbao (errichtet 1511) gegründet. An der Spitze jeder 'Universidad' oder jedes 'Consulado', wie man sie allgemein nannte, standen ein Prior und mehrere Konsuln, die durch die Kaufleute der betreffenden Stadt gewählt wurden, Die Zuständigkeit des Consulado von Sevilla erstreckte sich auf alle Handelsangelegenheiten, ebenso auf die damit zusammenhängenden Fragen des Wechselverkehrs und des Versicherungswesens. Er war deshalb von besonderer Bedeutung, da praktisch alle Kaufleute, die am Amerikahandel teilnehmen wollten, Mitglieder sein mussten. Obwohl der Consulado eigentlich eine Kaufmannsgilde war, konnten der Prior und die Konsuln wie ein Gericht Bußgelder und andere Zivilstrafen verhängen. Die Vollstreckung der Urteile lag allerdings in den Händen des 'Alguacil' der 'Casa de la Contratación', in deren Haus auch die Sitzungen stattfanden. Die Kriminalsachen hatte der Consulado der Casa zu übergeben. Die 'Ordenanzas' des Consulado vom Jahre 1556 wurden in die 'Recopilación de Leyes de las Indias' von 1680 aufgenommen. Gegen die Urteilssprüche war Revision beim Kastilienrat oder Indienrat, je nach der Art der Angelegenheit, zulässig.

Auch nach Verlegung der 'Casa de la Contratación' von Sevilla nach Cádiz blieb der Consulado in Sevilla und war auch weiterhin für die Kaufleute von Cádiz zuständig. Diese fühlten sich jedoch benachteiligt, da sie im Verhältnis zu ihrer Anzahl und Bedeutung nicht genügend beteiligt waren. Im Jahre 1784 kam es dann schließlich zu einer Trennung in die Consulados von Sevilla und Cádiz. Gemäß Cédula vom 24. November 1784 sollte der Consulado von Sevilla auch für die Kaufleute von Sanlúcar de Barrameda zuständig sein, wogegen Cádiz die Kaufleute von Jerez de la Frontera und Puerto de Santa Maria übernahm. Nach diesem Zeitpunkt beklagten sich die Kaufleute von Cádiz über den großen. Einfluss der Kaufleute von Jerez, der in keinem Verhältnis zu deren Zahl und Bedeutung stand. Gegen Ende des 18. Jahrhunderts gab es Consulados in Alicante, Barcelona. Bilbao, Burgos, Cádiz, Cartagena, La Coruña, La Laguna de Tenerifa, Malaga, Madrid, Palma, San Sebastian, Santander und Sevilla.

Auf der anderen Seite des Ozeans hatten Neu-Spanien und Peru eine ähnliche Monopolstellung wie Sevilla, bzw. Cádiz. Mexiko und Lima waren die Städte, wo die Waren des Mutterlandes verkauft werden mussten. In den Jahren 1593 und 1594 wurden auch hier Consulados gegründet. In den Jahren 1793 bis 1796 kamen die Consulados von Buenos Aires, Carácas, Cartagena de Indias, Guadalajara, Guatemala, Habana, Santiago de Chile und Veracruz hinzu, die alle nach dem Vorbild von Burgos organisiert wurden."

[Driesch, Wilhelm von den: Die ausländischen Kaufleute während des 18. [achtzehnten] Jahrhunderts in Spanien und ihre Beteiligung am Kolonialhandel. -- Köln [u.a.] : Böhlau, 1972. -- (Forschungen zur internationalen Sozial- und Wirtschaftsgeschichte ; 3). -- Zugleich: Köln, Univ., Wirtschafts- u. Sozialwiss. Fak., Diss. 1968. -- ISBN 3-412-92572-1. -- S. 65f.]

"Die üblichste Form der Finanzierung von Fernhandelsgeschäften waren in Spanien die Handelsgesellschaften (compañías), wie sie kürzlich Otte für den spanischen Amerikahandel charakterisiert hat. Im allgemeinen waren es Gelegenheitsgesellschaften für den Fernhandel, deren alte und universelle Grundform in der Kapitaleinlage eines Geldgebers bei einem reisenden Kaufmann für die konkrete Reise mit Gewinn- und Verlustteilung vorliegt. In den meisten Fällen war die Dauer der compañía auf ein bis vier Jahre beschränkt. Auch einfache Leute, Handwerker und Frauen zahlten Geldbeträge für die Organisation einer Handelsfahrt ein, aus der man reichen Gewinn erhoffte. Man gewinnt den Eindruck, dass dabei eine ähnliche Spielleidenschaft beteiligt war, wie wenn Spanier sich heute ein Lotterielos kaufen. Was dagegen in Spanien sich wenig herausbildete, waren gesellschaftliche Handelsunternehmungen, die nicht von Fall zu Fall vereinbart wurden, sondern dauernde Vereinigungen bildeten, die in der Hausgemeinschaft der Familienmitglieder wurzelten und die Form von Familiengesellschaften annahmen. Wenn man die von Otte in seiner Studie „Träger und Formen der wirtschaftlichen Erschließung Lateinamerikas im 16. Jh." genannten Compañías durchsieht, findet man, soweit ersichtlich, unter ihnen kein spanisches Handelshaus, das Jahrzehnte hindurch oder gar durch Generationen Bestand gehabt und im Transatlantikhandel sich betätigt hätte. Die temporären und fluktuierenden Handelsgesellschaften bedeuteten eine Schwäche Spaniens gegenüber der Konkurrenz ausländischer Handels- und Bankhäuser, die, wie z. B. die genuesischen Centurioni, die Geschäfte durch ein Netz von Faktoreien abwickeln und sich auf Traditionen und Erfahrungen der kaufmännischen Betätigung stützen konnten und die so die Firma zu einem kontinuierlichen kapitalistischen Erwerb machten. Lapeyre schreibt von dem so bedeutenden Geschäftsmann und Bankier Simón Ruiz: "On ne saurait le comparer aux chefs des grandes maisons allemandes et génoises. Nouveau venu dans le monde de finance, il n'avait pas derriére luí une enorme fortune accumulée par les générations precedentes et l'attrait d'un nom prestigieux." "

[Konetzke, Richard: Die spanischen Verhaltensweisen zum Handel als Voraussetzungen für das Vordringen der ausländischen Kaufleute in Spanien. -- In: Fremde Kaufleute auf der Iberischen Halbinsel / Hrsg. von Hermann Kellenbenz -- Köln [u.a.] : Böhlau, 1970. -- (Kölner Kolloquien zur Internationalen Sozial- und Wirtschaftsgeschichte ; Bd. 1). -- ISBN 3-412-40170-6. -- S. 9f.]

1543-07-18

Mit königlichem Edikt (real cédula) wird der Vizekönig zum Großinquisitor ernannt. Damit soll seine Autorität verstärkt werden. (Seit 1538-04-02 war der Erzbischof von Cuzco Inquisitor ´gewesen).

1543-11-11

Carda de Imperador (königliches Edikt) zu Gunsten der Indios:

"Als seine nächste Aufgabe sah es der Statthalter an, die Lage der Indianer zu verbessern. Er ließ für sie Schulen erbauen, in welchen sie im Christentum unterrichtet wurden, er munterte sie auf, ihre Wohnsitze in die Gemeinwesen der weißen Männer zu verlegen, er schützte sie durch mehrere Gesetze vor den Räubereien und Erpressungen der Spanier. Dadurch zog er sich den Hass der Ansiedler zu. Man begann ihn den »Freund der Indianer und Feind seiner eigenen Landsleute« zu nennen, und der Funke der Empörung glimmte von neuem in Neu-Kastilien.

Am Ende des Jahres 1541 sandte der Bakkalaureus Luis de Morales, der seit langem in Cuzco lebte, eine umfangreiche Denkschrift an den kaiserlichen Hof. Darin prangerte er die Missstände an, die in Neu-Kastilien herrschten. Diese Schrift wurde kaum beachtet, da der Kaiser noch immer mit seinen Unternehmungen in Europa beschäftigt war. Am Ende des Jahres 1542 wurde dem Kaiser eine zweite Denkschrift über Peru übergeben. Ihr Verfasser war der Dominikanermönch Bartolome "de Las Casas. Der Inhalt dieser Schrift war:
Im Lande Neu-Kastilien werden täglich Gräuel verübt, beideren Anblick die christliche Menschheit mit Schauder erfüllt wird. Die Strafe des Himmels wird auf jene herabfallen, welche die Schuld daran tragen. Unser Herr Jesus Christus wird in Neu-Kastilien Stunde für Stunde gekreuzigt.
Berauscht von ihrer Macht und ohne jedwedes Verantwortungsgefühl, frönen die neuen Herren des Pflanzstaates nur der Befriedigung ihrer Launen. Es ist mir zu Ohren gekommen, dass Spanier Bluthunde auf die Indianer hetzen, teils weil ihnen diese Jagd Vergnügen bereitet, teils weil sie die Hunde so an diese Art Jagd gewöhnen wollen.

Junge Indianerinnen werden aus den Armen ihrer Familien gerissen und gezwungen, den Lüsten Jer Spanier zu dienen. Manche spanischen Offiziere halten einen Harem, und ich spreche aus, dass dies besser zum Halbmond als zum unbefleckten Kreuz passen würde.

Die Indianer wurden von den Spaniern zu Sklaven erniedrigt. In den Metallgruben sterben Tausende. Man verscharrt ihre Leichen, und niemand kümmert sich um ihre Familien. Längst kümmert sich auch niemand mehr darum, den Indianern das Heil des Christentums zu bringen.

Die Kornspeicher sind geleert, die Herden des indianischen Kamels wurden vernichtet. Tausende dieser Kamele wurden geschlachtet, um die üppigen Gelüste von Feinschmeckern zu befriedigen. Manche Spanier essen nur das Gehirn dieses Tieres, das sie als köstlichen Leckerbissen bezeichnen. Aber sie denken nicht daran, das Fleisch den Indianern zu überlassen, sie werfen es vielmehr den Hunden \or. In den letzten vier Jahren wurden mehr indianische Kamele geschlachtet als in den 400 vorher. Da die Kamele erkannt haben, dass die Spanier ihre Feinde sind, haben sich die meisten in den Schutz der Gebirge zurückgezogen. Nun ziehen die Indianer ohne Nahrung, ohne das warme Vlies, das ihnen Schutz gegen die Kälte gewährte, über die Hochebenen, und es gibt da keinen Unterschied. Auch jene, die für Kastilien gekämpft haben, erleiden dieses Los. So mancher Inkaedelmann schleppt sich nun als Bettler durch das Land, in dem er einst geherrscht hat, und wenn ihn der Hunger dazu zwingt, etwas von dem Überfluss der Eroberer zu stehlen, muss er dies, wird er ertappt, damit bezahlen, dass man ihn zu Tode prügelt.

Manche Männer, so die Heidenbekehrer, tun Gutes für die Indianer. Viele würden sich sogar als Beschützer des versklavten Volkes aufopfern, doch fehlt ihnen die Macht hiezu. Die Macht liegt in den Händen jener, die nur auf ihren Vorteil bedacht sind.

Der Heilige Vater hat den spanischen Herrschern das Eroberungsrecht unter der ausdrücklichen Bedingung zugestanden, die Heiden zu bekehren. Diese Bedingung wird nicht erfüllt. So wird der Allmächtige jene zur Rechenschaft ziehen, welche die Schuld daran tragen, dass dieser heilige Auftrag mit Füßen getreten wird.

Anno domini 1542
Bartolome de Las Casas

Diese Denkschrift las der Kaiser. Sofort wurde in Valladolid ein aus Gottes- und Rechtsgelehrten bestehender Rat einberufen, um Gesetze zu schaffen, durch welche den Missständen in Neu-Kastilien gesteuert werden sollte. Bartolome de Las Casas erschien vor der Versammlung und hielt folgende kurze, eindringliche Rede:

»Die Indianer sind von Rechts wegen frei wie alle Menschen auf Gottes Erde. Als Vasallen der Krone steht ihnen auch das Recht auf Schutz durch die Krone zu. Außerdem wäre es nicht zweckmäßig, ihnen diesen Schutz zu verwehren, da sie durch die spanischen Eroberer sonst ausgerottet werden würden. Man gibt vor, dass die Indianer nicht arbeiten wollen, wenn sie hierzu nicht gezwungen werden. Dann sollen die Spanier den Boden bebauen. Können sie das nicht, haben sie noch lange kein Recht über die Indianer. Gott will nicht, dass Böses geschehe, damit Gutes daraus erwachse.«

Diese Ausführungen stießen auf Widerspruch. Nicht nur ein Angehöriger des Rates war der Meinung, dass an die Stelle des kleineren Übels ein größeres treten würde, wenn man den Indianern die Freiheit schenkte. Wochenlange Beratschlagungen folgten. Ihr Ergebnis war die »Carta del Emperador«. Sie hatte folgenden Wortlaut:

  1. DIE INDIANER WERDEN ZU WAHREN UND TREUEN VASALLEN ERKLÄRT. IHRE FREIHEIT WIRD VOLLSTÄNDIG ANERKANNT.
  2. DAMIT DIE DEN EROBERERN VON DER REGIERUNG ZUGESICHERTE BÜRGSCHAFT AUFRECHTERHALTEN WERDE, WIRD BESTIMMT, DASS ALLE JENE, DIE SICH IM RECHTMÄSSIGEN BESITZ VON SKLAVEN BEFINDEN, DIESE BEHALTEN DÜRFEN.
  3. STERBEN DIE EIGENTÜMER DER SKLAVEN, WERDEN DIESE ElGENTUM DER KRONE.
  4. WER SICH DES BESITZES VON SKLAVEN DURCH DEREN VERNACHLÄSSIGUNG ODER DURCH DEREN SCHLECHTE BEHANDLUNG UNWÜRDIG GEZEIGT HAT, GEHT DES RECHTES, SKLAVEN ZU HALTEN, FÜR IMMER VERLUSTIG.
  5. DIESES RECHTES GEHEN AUCH ALLE JENE VERLUSTIG, DIE AN DEN STREITIGKEITEN ZWISCHEN DIEGO DE ALMAGRO UND FRANCISCO PIZARRO STRAFBAREN ANTEIL GENOMMEN HABEN.
  6. DIE INDIANER DÜRFEN NUR MÄSSIG BESTEUERT WERDEN.
  7. DIE INDIANER DÜRFEN GEGEN IHREN WILLEN NICHT ZUR ARBEIT GEZWUNGEN WERDEN. WENN DIES UNUMGÄNGLICH NOTWENDIG IST, IST IHNEN EINE ANGEMESSENE ENTSCHÄDIGUNG ZU GEWÄHREN.
  8. ALLEN JENEN, DIE SICH EINES OFFENKUNDLICHEN MISSBRAUCHS IHRER SKLAVEN SCHULDIG GEMACHT HABEN, WERDEN IHRE LÄNDEREIEN ENTZOGEN.
  9. UNSERER HEILIGEN AUFGABE, DIE INDIANER ZUM CHRISTENTUM ZU BEKEHREN, IST IN ZUKUNFT WEIT MEHR AUFMERKSAMKEIT ALS BISHER ZUZUWENDEN. DIES EMPFEHLEN WIR VOR ALLEM DEN GEISTLICHEN KÖRPERSCHAFTEN.
  10. WIR HABEN BESCHLOSSEN, EINEN VIZEKÖNIG NACH NEU-KASTILIEN zu ENTSENDEN, DER EINEN ÄUSSEREN PRUNK ENTFALTEN, MIT VOLLMACHTEN AUSGERÜSTET UND DORT UNSER WÜRDIGER VERTRETER SEIN SOLL.
  11. DIESEM VIZEKÖNIG WIRD EIN GERICHTSHOF BEIGEGEBEN, DER AUS VIER RICHTERN MIT AUSGEDEHNTER RECHTSBEFUGNIS BESTEHT. DIESER GERICHTSHOF DARF SOWOHL PEINLICHE ALS AUCH BÜRGERLICHE RECHTSFÄLLE ENTSCHEIDEN, OHNE DASS IRGENDWEM DAS RECHT ZUSTEHT, GEGEN SEINE ENTSCHEIDUNGEN WIDERSPRUCH zu ERHEBEN. AUSSERDEM SOLL DER VON UNS ERNANNTE GERICHTSHOF DEM VIZEKÖNIG MIT RATSCHLÄGEN ZUR SEITE STEHEN. 12. DER GERICHTSHOF VON PANAMA WIRD AUFGELÖST. AN SEINE STELLE TRITT DER VON UNS ERNANNTE. DIESER WIRD SAMT DEM HOFE DES VIZEKÖNIGS SEINEN SITZ IN LOS REYES
    HABEN.

Madrid, 11. November 1543

Für den Kaiser:
Antonio Condamine, Antonio Condamin, Helenio Sarmiento, Diego de Orellana, Caspar de Fernandez, Cieza de Acosta.

Der Inhalt der Carta verbreitete sich nach ihrer Bekanntmachung wie ein Flugfeuer in ganz Peru, und alle waren über den Inhalt entsetzt. Es gab kaum einen, der an den Streitigkeiten zwischen Pizarro und Almagro nicht teilgenommen hatte, und viele andere sahen sich in einem der übrigen Punkte wie in einem Netz gefangen.

Das ganze Land geriet in Aufruhr. Die Menschen versammelten sich in den Straßen und auf den öffentlichen Plätzen und stießen Schmährufe gegen jene aus, welche die Carta abgefasst hatten. Ein alter Soldat, der nahezu an allen Feldzügen teilgenommen hatte, hielt in Lima folgende Rede:

»Ist das die Frucht aller unserer Mühen? Haben wir dafür unser Blut wie Wasser vergossen? Sollen wir jetzt arm werden wie am Beginn dieses Feldzugs? Ist dies die Art, wie uns die Regierung dafür belohnt, dass wir für sie ein mächtiges Reich erobert haben? Die Regierung hat uns bei der Eroberung wenig Hilfe geleistet, und alles, was wir besitzen, verdanken wir unseren guten Schwertern. Mit denselben Schwertern werden wir unseren Besitz zu verteidigen wissen. Lasst nicht zu, dass das Land durch diese Carta an den Bettelstab gebracht wird! Wir brauchen die Indianer, und wir werden sie uns nicht nehmen lassen.«

Ähnliche Reden wurden anderswo gehalten. Vaca de Castro sah dem sich von allen Seiten zusammenziehenden Ungewitter mit tiefer Besorgnis entgegen. Er befand sich zu dieser Zeit in Cuzco, wo die Empörung am größten war. Das Volk verlangte von ihm, dass er es vor der Tyrannei des Hofes schütze, er jedoch versuchte die aufgebrachte Menge dadurch zu beschwichtigen, dass er den Leuten vorhielt, durch Empörung würden sie nichts erreichen. Er riet ihnen, eine Gesandtschaft nach Spanien zu entsenden, die dort ihre Beschwerden vorbringen sollte. Der Kaiser, meinte er, würde die Carta sicherlich verbessern, ja vielleicht sogar widerrufen lassen.

Doch das Feuer der Empörung war nicht mehr zu löschen. Das Volk sah sich nun nach einem Mann um, der imstande war, es vor den Auswirkungen der Carta zu beschützen. Der Mann, dem allein man dies zutraute, war Gonzalo Pizarro. Man bestürmte ihn, sich an die Spitze des Reiches zu stellen und die Carta für null und nichtig zu erklären.

Gonzalo Pizarro befand sich damals in Charcas, wo er mit der Ausbeutung der Silbergruben beschäftigt war, was ihm reichen Ertrag brachte. Er fühlte sich durch die Aufforderung, das Steuer des Schiffes in die Hand zu nehmen, wohl sehr geschmeichelt, war aber doch zu vorsichtig, sich in ein Abenteuer zu stürzen, dessen Ausgang ihm ungewiss zu sein schien. Doch er tat im stillen das Seine, das Feuer noch zu schüren, indem er den Unzufriedenen riet, sich dem Vizekönig zu widersetzen und die Bestimmungen der Carta zu missachten."

[Gargia, Celso: [Tagebuch]. -- Zitiert in: "Mit Pizarro in Peru : Pizarro und andere Conquistadoren 1526 - 1712. -- Tübingen [u.a.] : Erdmann, ©1973. -- S. 166 - 171]


1544 - 1560

Sayri Topac ist der 15. Inka


Abb.: Sayri Topac (dem Vizekönig Don Andrés Hurtado de Mendoza Marqués de Cañete)

"Nach dem Tod seines Vaters Manco Capac II das Oberhaupt der Inka-Dynastie, stellte sich Sayri Topac ganz in den Dienst der Spanier. Er verzichtete — nach Erhalt einer Gutsherrschaft auf Titel und Erbansprüche. Vorher hatte er sich zum Christentum bekehrt."

[Bollinger, Armin: Indios, Indios, Indios ... : gesammelte Schriften zum Wirken der Indios, zur Verfolgung der Indianer, zum Problem der indianischen Identität. -- Chur [u.a.] : Rüegger, 1992. -- (Schriftenreihe des Instituts für Lateinamerikaforschung und Entwicklungszusammenarbeit an der Hochschule St. Gallen ; Bd. 4). -- ISBN 3-7253-0422-X. -- S. 146]


1544 - 1546

Blasco Nuñez de Vela (?, Ávila - 1546, Ecuador) ist (erster) Vizekönig von Perú


Abb.: Blasco Nuñez de Vela

1544/1555

Atau wallpaj p'uchukakuyninpa wankan

Ausgabe: Tragedia del fin de Atawallpa = Atau wallpaj p'uchukakuyninpa wankan / versión en Español y estudio preliminar: Jesús Lara. -- Cochabamba : Los Amigos del Libro [u.a.], 1989. -- 147 S. : Ill. -- (Biblioteca de cultura popular ; 11). -- ISBN 950-9413-18-6. -- [Text in Quechua mit spanischer Übersetzung]

Deutsche Übersetzung: Die Tragödie vom Ende des Atahualpa : ein Inkatheater aus dem 16. Jahrhundert / in Anlehnung an die von Jesús Lara herausgegebene Ausgabe, Cochbamba 1989, ins Deutsche übersetzt und neu bearbeitet von Britta Hemshorn de Sanchez. -- Berlin : Zerling, ©1992. -- 180 S. : Ill. -- ISBN 3-88468-052-8

Padre Walbirde (Siminta kuyuchin)

Fillipillu

Sapan apu Atau Wallpa Inka, kay yachaj umu nisunki: Llapa llapa runakunaj Inkan, musuj k'anchay suyasqasunki, wasanchay wak'aykikunata', iñiy ñuqaykuj Yayaykupi llapa atipaj Diusta miich'ay, mana rikusqa qhespichi'kuj hautismu unuwan jich'achikuy. nina rauraj ukhu pachapi mana muchumunaykfpaj wiñaypaj wiñayninpaj. Llapa runakunaj Inkan, willakuytaj ari kunanqa tiikuy juchaykikunata. manamin allinchu kanman jucha patapi wañunayki, ñuqaj simiywan Apu Yaya khuyakuj Jisucrustiinchij juchaykikunata phaskanqa, chaymantari pay kikinmi wiñay samita jaywasunqa. Llapa runakiinaj Inkan, manataj qanqa watunkichu kay ñiiqaypaj simiytaqa. Chaypachaqa yachayta jap'iy kay Ohfspiy Simita uyarispa, pay ñuqamanta aswan allinta rimaykusunqa.

Atau Wallpa

Manan imatapas niwanchu.

Padre Walbirde (Siminta kuyuchin)

Fillipillu

Kay yachaj umuqa nin: Llapa atipajpa churinkuna, sispamuychij, yanapawaychij, kay uparuna map'anchanña, muchuchfychij, manan juchanqa qhipanmanchu jinallaqa.

Pisarru (Simillanta kuyuchin)

Fillipillu

Kay sinchij apuqa nin: Taytallay, taytallay, p'uchiikay panpachayllatapas patanman sullaykapuy ari.

Padre Walbirde (Simillanta kuyuchin)

Fillipillu

Kay yachaj umuqa nin: chaypachaqa panpachakuchun chay Hapa juchankuna butfsmuj chayasqanrayku.

Pisarru  (Simillanta kuyuchin)

FillipUlu

Kay sinchij apuka nin: lyau, qullana Maria, Quyallay, llunp'aj Mamay, kallpajsaykita qiiway kay runaj umanta qhurunaypaj. Purunauqa, kulliruna,. kay q'illay t'urpunaywan kunan pacha t'urpusqayki. [a.a.O., S. 132 - 134]

"PATER VALVERDE (bewegt nur die Lippen)

FELIPILLO

Alleiniger Herr, Inka Atahualpa, dieser kluge Priester sagt: „Inka aller Sterblichen, dich erwartet ein neues Licht. Schwöre deinen Göttern ab und glaube an unseren Vater, bete den allmächtigen Gott an; bitte darum, dass man dich mit dem gesegneten und erlösenden Wasser tauft, damit du nicht ewig leiden wirst im brennenden Höllenfeuer. Inka aller Sterblichen, bekenne jetzt auch alle deine Sünden. Es ist nicht gut zu sterben ohne deine Schuld abgewaschen zu haben.  Durch meine Vermittlung wird dir der Herr Jesus Christus, unser gnädiger Vater, deine Sünden vergeben, und später wird er dich persönlich  zur ewigen Herrlichkeit führen. Inka aller Sterblichen,
es scheint, dass du die Worte, die ich dir sage, nicht verstehst. Dann nimm das Wissen, : indem du der Bibel zuhörst. Sie kann es dir besser und klarer sagen als ich."

ATAHUALPA 

Sie sagt mir absolut nichts.

PATER VALVERDE (bewegt die Lippen)

FELIPILLO

Dieser kluge Priester sagt: „Söhne des Allmächtigen, kommt herbei und helft mir! Dieser Schwachkopf hat gelästert! Bestraft ihn! Seine Sünde darf nicht ungestraft bleiben!"

PIZARRO  (bewegt die Lippen)

FELIPILLO

Dieser mächtige Herr sagt: „Mein Vater, mein Vater, sprenge doch über seinen Körper wenigstens die letzte Ölung."

PATER VALVERDE (bewegt die Lippen)

FELIPILLO

Dieser kluge Priester sagt: „So, hiermit werden alle deine Sünden durch die Vermittlung der Taufe vergeben."

PIZARRO (bewegt die Lippen)

FELIPILLO

Dieser mächtige Herr sagt: „Ach, erhabene Maria, meine Mutter ohne Makel, meine Königin, gib mir Mut, damit ich es fertigbringe,
diesem Menschen den Kopf abzuschneiden. Schwarzer Wilder, in diesem selben Augenblick werde ich dich mit diesem eisernen Schwerte töten." [a.a.O., S. 117 - 119]


Abb.: Inka Huaylla Huisa aus einer modernen Aufführung (vor 1955) [Bildquelle: a.a.O., S. 20]

1544-09-18

Frieden von Crépy zwischen Kaiser Karl V. (Carlos I) und Franz I. von Frankreich:

"Weil einige Untertanen des Allerchristlichsten Königs [von Frankreich] Schiffe und Fahrzeuge ausgerüstet haben, unter dem Vorwand, in den überseeischen Gebieten Entdeckungen zu machen, diese aber tatsächlich wiederholt Seeraub und Plünderungen ausgeführt haben, und dies, obwohl Seine Kaiserliche Majestät daran festhält, dass ihm und seinem Schwager, dem König von Portugal, nach gutem Recht laut dem zwischen ihnen abgeschlossenen Teilungsvertrag alle indischen Länder gehören, sowohl die Inseln wie die Kontinente, die von ihnen und ihren Vorfahren entdeckten und die noch nicht entdeckten, so dass kein anderer dorthin Unternehmungen ausführen dürfe, so ist es von dem Allerchristlichsten König zugestanden worden, dass von nun an er und seine Nachfolger an der französischen Krone und seine Untertanen den Kaiser und den König von Portugal in allem, was das überseeische Gebiet betrifft, das entdeckte oder das noch zu entdeckende, in Ruhe lassen, und dass sie weder unmittelbar noch mittelbar irgendeine Unternehmung dorthin richten werden, nach welcher Gegend es auch immer sein möge, mit der einen Ausnahme, dass die französischen Untertanen Handelsreisen nach den indischen Ländern unternehmen dürfen, den entdeckten und denen, die der Kaiser und der König von Portugal noch entdecken werden. In dem Falle jedoch, dass unter dem Vorwand einer solchen friedlichen Handelsreise Gewalttätigkeiten ausgeführt würden, sei es auf der Hin- oder auf der Rückreise, so sollen die Täter dafür an Ort und Stelle gebührend bestraft werden." [A. Rein]

[Übersetzung: Renaissance, Glaubenskämpfe, Absolutismus / bearbeitet von Fritz Dickmann -- 3. Auflage. -- München : Bayerischer Schulbuch-Verlag, ©1982. -- (Geschichte in Quellen). -- ISBN 3762760845. -- S. 383. -- {Wenn Sie HIER klicken, können Sie dieses Buch  bei amazon.de bestellen}]

1545-01-16

Der Legende nach entdeckt der Indio Huallka aus Chumbivillcas den Cerro Rico im heutigen Potosí. Er berichtet dies Juan de Villaroel. Dieser gründet daraufhin offiziell Villa Imperiál de Potosí (heute: Potosí). In Wirklichkeit war die Stadt spontan entstanden wegen des Silberreichtums der Cerro Rico. Die Ausbeutung dieser Silbervorkommen führt dazu, dass die Silberminen in Deutschland, Ungarn und Mexiko unrentabel wurden und aufgegeben werden. Der Silberreichtum führt zu einem Verfall des Silberpreises und zu einer Aufwertung von Gold. Vermutlich waren wie in Mexiko auch in Potosí einige (lutherische!) Bergbau-Fachleute aus Sachsen am Aufbau der Silbergewinnung beteiligt (wenn sie sich lutherisch betätigten, kamen sie vor die Inquisition nach Lima, wo einige Verurteilungen wegen Lutheranisierung bekannt sind).


Abb.: Potosí [Guaman Poma de Ayala, 1615, Abb. 1065]


Ab

b.: Das Wappen von Potosí [Guaman Poma de Ayala, 1615, Abb. 1066]


Abb.: Potosí (Stich von Pedro de Cieza de León), 1553


Abb.: Ein Bergbaucapitano heuert einen neuen Einheimischen an als Ersatz für einen Bergarbeiter, der an Quecksilbervergiftung gestorben ist [Guaman Poma de Ayala, 1615, Abb. 535]


Abb.: Geologische Karte des Cerro Rico

[Quelle der Abb.: Bolivia mágica / ed. Hugo Boero Rojo. -- La Paz : Vertiente. -- Tomo III. -- 1993.  -- Depósito legal  4-1-590-92. -- S. 47]


Abb.: So stellte man sich 1673 in Amsterdam Potosí vor, Kupferstich

[Bildquelle:  Amerika 1492 - 1992. Neue Welten - neue Wirklichkeiten : eine Dokkumentation. -- Braunschweig : Westermann, ©1992. -- ISBN 3-07-509508-7. -- S. 248]

Guaman Poma de Ayala über das Los der Mineros


Abb.: Corregidor de minas / como lo castiga cruelmente a los caciques principales, corregidores y jueces con poco temor de la justicia, con diferentes castigos, sin tener misericordia por Dios a los pobres / en las [Guaman Poma de Ayala, 1615, Abb. 525]

"Los mineros

En las dichas minas de Guancabilca de azogue es adonde tienen tanto castigo los indios pobres y reciben tormentos y mucha muerte de indios, adonde [también] se acaban y pasan tormentos los caciques principales de este reino. Asimismo en todas las demás minas de Potosí de plata, y de Chocllococha de plata, y de Carabaya de oro, y minas de otras partes de estos reinos. Los dichos mineros y mayordomos españoles, mestizos o indios, son tan señores absolutos que no temen a Dios ni a la justicia porque no tienen residencia ni visita general de cada tercio y año. Y ansí no hay remedio.

Cuelga de los pies al cacique principal, y a los demás les azotan sobre encima de un carnero, y a los demás les atan desnudos en cueros en el rollo, y los castigan y trasquilan. Y a los demás les tienen en la cárcel pública, presos en el cepo con grillos, sin darles de comer ni agua y sin darles licencia para proveerse. Toda la dicha molestia y afrenta lo hace, con color de que faltan algunos indios de la mita. Se hacen estos castigos a los señores de este reino de la tierra que tienen título por Su Majestad. Castigan muy cruelmente como si fuera ladrón o traidor. Con estos trabajos se han muerto afrentados y no hay remedio. Y no les pagan su trabajo de la ida y vuelta de los caminos, y de acudir en las minas de los tiempos que está, y a los indios (de) sus jornales. Con color de las minas y tareas, les ocupa en guardar ganados y trajinar y los mete a los Llanos y se mueren los indios. Y hacen cunbes y a otros les manda tejer ropa y a otros les pone por rescatadores. A éstos no les  paga su tarea y (lo) [le] esconde su trabajo.

Y tienen en los asientos indias cocineras; con color de la cocina están amancebadas. Y con algunas hijas de los indios sirven [de] fuerza y la quitan y la desvirgan ellos y sus mayordomos; y les fuerzan a sus mujeres enviando a sus maridos a las minas de noche o le envían a otra parte muy lejos. Y les hace tomar maíz y carne, o chicha, o queso, o pan por fuerza, a su cuenta de ellos, y les descuentan de su trabajo y tarea. Y con esto al cabo salen muy pobres y con mucha deuda, y no tienen [con] qué pagar(a) su tributo. Y no hay remedio de todo esto porque el corregidor y gobernador o juez que entra, o teniente, o alcalde mayor se hacen con ellos y se aunan en dándole cohechos. Como vea la plata con los ojos antes dirán que le mate a los pobres de los indios. El dicho protector está en balde; antes es contra los indios. No defiende estos tormentos del infierno ni le avisa de todo ello acerca de los daños de los pobres indios a su Majestad, ni a su Real Audiencia. Ha de saber  Vuestra Majestad de adonde se pueden vestir todo de seda los dichos mineros, y de oro y plata, sino del trabajo de los pobres indios y lo que hurtan de Vuestra Majestad. Y ansí es bueno que cada seis meses les visiten y les tomen residencia a los dichos mineros; y les tomen cuenta. Y sean visitadas las dichas minas porque a las indias, en ausencia de los dichos maridos, les azotan a sus mujeres, y a los dichos sus maridos le azotan arregazado [arremangado], y la vergüenza fuera. Le castigan como a niño en las nalgas y otros les apalean como animal, caballo, como a su negro esclavo. Y les hacen otros muy muchos agravios que por prolijidad no se escribe, que se remite a Dios y a sus jueces y justicias. (De) [Por] todos estos dichos agravios se ausentan de sus pueblos por no ir a las dichas minas a padecer tormento y martirio y por no padecer en aquel infierno aquellas penas y tormento de los demonios. Y otros se huyen de las dichas minas, otros de los caminos por no llegar a las dichas minas, y por no morir muerte supitania [súbita], antes quieren ir a morir que a vivir, y dicen que le acaben [de] una vez porque en cogiendo el mal de azogado se seca como palo y tiene asma, y no puede de día ni de noche vivir, y dura un año o dos de esta manera, y se muere. Y ansí de mi parte le encargo a Su Majestad y a su gobernador, y Audiencia, que le aviste y le escriba e informe, que algún cristiano vuelva por los pobres de Jesucristo para que sea remediado y que no recresca tanto mal y daño en las dichas minas de este reino."

[Zitat in: Guaman Poma de Ayala / Francisco Carrillo. -- Lima : Horizonte, ©1990. -- (Enciclopedia historica de la literatura peruana ; 7)]


Abb.: Zur Entsendung von Zwangsarbeitern nach Potosí (mita) verpflichtete Provinzen

[Bildquelle: Arzans de Orsúa ya Vela <1676 - 1736>: El mundo desde Potosí : selección. -- [La Paz] : Banco Santa Cruz, [2001]. -- S. 38]

1545-05-09


Abb.: Wappen, das Karl V. den Inkas Gonzalo Uchu Hualpa und Felipe Tupa Inga Yupanqui als rechtmäßigen Adeligen verliehen hat [Archivo de Indias, Sevilla]

[Bildquelle: Discovering the Americas : the Archive of the Indies / by Pedro González García ... -- New York [u.a.] : Vendome, ©1997. -- ISBN 0-86565-991-5. -- S. 68]

1545-12-13 bis 1563-12-04

Konzil von Trient, leitet katholische Reform und Gegenreformation ein.

1546 - 1549

Pedro de la Gasca (1493, Navarregadilla - 1567, Sigüenza) ist Presidente de la Real Audiencia und erfüllt die Aufgaben eines Vizekönigs


Abb.: Pedro de la Gasca
[Bildquelle: http://icarito.tercera.cl/biografias/1520-1599/bios/gasca.htm. -- Zugriff am 2002-04-02]

"Die Nachricht von den Vorgängen in Perú riefen in Spanien naturgemäß stärkste Aufregung hervor; musste man doch mit dem Abfall der ganzen peruanischen Kolonie rechnen. Da es angesichts der weiten Entfernung ausgeschlossen war, ein hinreichend großes Heer mit allem Zubehör zur Niederwerfung des Aufstandes nach Perú zu schicken, beschloss man die Aussendung eines Mannes, der weniger mit Gewalt, als »mit viel Klugheit und Schlauheit« die Ordnung in Perú wiederherstellen sollte. Und die Wahl für diese Person fiel auf den Lizentiaten Pedro de la Gasca. Als Geistlicher und Verwaltungsbeamter bewährt, erhielt Gasca seine Ernennung zum Präsidenten der Audiencia von Lima. Um aber in Perú wirklich durchgreifen zu können, wurde ihm durch Dekret vom 16. Februar 1546 unumschränkte Vollmacht gegeben. Die »Neuen Gesetze« von 1542 sollte er rückgängig machen, allen, die gegen diese Gesetze protestiert hatten, Begnadigung gewähren, dagegen mit bewaffneter Hand gegen alle Aufrührer vorgehen. Dazu sollte ihm auch der Vizekönig von Neu-Spanien [Mexiko], Antonio de Mendoza, auf Verlangen Truppen zur Verfügung stellen.

Am 26. Mai 1546 verließ Gasca Spanien. Mit nur wenigen Schiffen und kleinem Gefolge erschien er Ende Juli an der Nordküste von Panamá und begab sich nach der Stadt Panamá, wo er eingehende Nachrichten über die Lage in Perú einzog und sich von Antonio de Mendoza aus Neu-Spanien eine Hilfstruppe von 600 Mann erbat, die unter Führung des Sohnes des Vizekönigs, Francisco de Mendoza stand. Im April 1547 brach er nach Perú auf. Gonzalo Pizarro und sein Feldhauptmann wichen nach Süden aus, in der Hoffnung, sich vielleicht in Chile halten zu können. Auf dem Wege dorthin trat ihnen im Gebiet des Titicacasees Diego Centeno mit königstreuen Truppen entgegen. Aber in der Schlacht bei Huarina vom 26. Oktober 1547 am Südufer des Sees wurde Centeno völlig geschlagen. Noch einmal schien es, als ob das Geschick zugunsten Pizarros sich entscheiden sollte. Doch es war zu spät. Gasca hatte inzwischen durch Vermittlung reicher Kaufleute in Lima die Mittel aufgebracht, um ein Heer von 2000 Mann aufzustellen, dessen Führung Alonso de Alvarado übernahm. Dann rückte er über die Anden gegen Cuzco vor. Im Tale von Albancay kam es zum Kampf. Von ihren Truppen verlassen, wurden Pizarro und Carvajal gefangen und am 10. April 1548 hingerichtet.

Noch zwei Jahre verweilte Gasca in Perú; die Wiederherstellung geordneter Zustände und vor allem der Neuaufbau des Finanzwesens nahmen seine ganze Kraft in Anspruch. Im Januar 1550 verließ er Perú. Als er im Juli 1550 vor Karl V. erschien, konnte er ihm nicht allein einen großen Goldschatz überbringen, sondern auch die Nachricht, dass Perú der kastilischen Krone gerettet war. Die Ernennung zum Bischof von Palencia und später von Sigüenza war die Belohnung, die der ausgezeichnete Staatsmann erhielt."

[Quelle, Otto: Geschichte von Iberoamerika. -- In: Geschichte Amerikas außer Kanada. -- Leipzig : Bibliographisches Institut, ©1942. -- (Die große Weltgeschichte ; Bd. 15). -- S. 92f.

1546

Königliche Gesetze für Reduktionen und Indiodörfer

Von den Reduktionen und Indiodörfern

Mit großer Sorgfalt und besonderer Aufmerksamkeit wurde immer versucht, die geeignetsten Maßnahmen zu ergreifen, auf dass die Indios im heiligen katholischen Glauben und Evangelium unterwiesen würden und, die Irrtümer ihrer alten Riten und Zeremonien vergessend, in Harmonie und Eintracht zusammenlebten. Damit dies gelänge, traten die Mitglieder Unseres Indienrates und andere fromme Männer verschiedene Male zusammen, und die Prälaten Neu-Spaniens versammelten sich im Jahre fünfzehnhundertsechsundvierzig auf Geheiß des Kaisers Karl V., ruhmreichen Gedenkens, und beschlossen in dem Wunsch, Gott und Uns zu dienen, dass die Indios in Dörfern zusammenzuziehen seien und nicht mehr vereinzelt, durch Gebirge und Berge voneinander getrennt, sich aller geistlichen und weltlichen Wohltaten begebend, ohne den Beistand Unserer Geistlichen und die Hilfe, welche die Menschen in ihren Nöten einander gewähren müssen, leben sollten. Und weil die Zweckmäßigkeit dieses Beschlusses anerkannt war, ist durch verschiedene Befehle der Herren Könige, Unserer Vorgänger, den Vizekönigen, Präsidenten und Gouverneuren geboten worden, die Reduktion, Siedlung und Unterweisung der Indios mit großer Behutsamkeit und Mäßigung durchzuführen, mit soviel Milde und Sanftmut, und ohne in unangemessener Weise vorzugehen, dass diejenigen, die man nicht sofort ansiedeln konnte, die gute Behandlung und Behütung der bereits Zusammengezogenen sehen und sich freiwillig melden, und es wurde befohlen, dass sie nicht mehr Abgaben als angeordnet zu zahlen hätten. Da Obiges im größten Teil Unserer Indias [bereits] durchgeführt wurde, verordnen und befehlen Wir, dass es in allen übrigen Teilen ebenfalls beachtet und erfüllt werde, und dass die Encomenderos es so und gemäß den Gesetzen dieses Titels fordern. [... ]

Gesetz IV. In jeder Reduktion gebe es eine Kirche mit Tür und Schlüssel.

In sämtlichen Reduktionen, seien die Indios auch nur gering an Zahl, ist eine Kirche zu errichten, in der mit Würde die Messe gelesen werden kann. Sie soll eine Tür mit Schlüssel haben, auch wenn sie einer Pfarrei untersteht, und von dieser entfernt liegt. [... ]

Gesetz VIII. Die Reduktionen müssen gemäß diesem Gesetz [folgende] Eigenschaften aufweisen:

Die Plätze, an denen Dörfer und Reduktionen gebildet werden sollen, müssen über Wasser, Land und Wald verfügen, über Eingänge und Ausgänge und Äcker und Ejido von einer Meile Länge, wo die Indios ihr Vieh halten können, ohne dass dieses sich mit dem der Spanier vermischen kann.

Gesetz IX. Den zusammengezogenen Indios darf Land, das sie zuvor besessen haben, nicht abgenommen werden.

Die Indios werden sich bereitwilliger und eher in Siedlungen zusammenfinden, wenn ihnen die Ländereien und Landwirtschaften, die sie an den Orten haben, welche sie verlassen sollen, nicht fortgenommen werden. Wir befehlen, dass hieran nichts geändert werde und dass sie das Land so behalten dürfen, wie sie es früher hatten, damit sie es bebauen und zu ihrem Nutzen beackern. [... ]

Gesetz XV. In den Reduktionen gebe es indianische Stadtrichter und Räte.

Wir ordnen an, dass es in jedem Dorf und jeder Reduktion einen indianischen Stadtrichter aus ebendieser Reduktion gebe. Wird die Anzahl von achtzig Häusern überschritten, gebe es zwei Stadtrichter und zwei Räte, gleichfalls Indios, und auch wenn das Dorf sehr groß ist, gebe es nicht mehr als zwei Stadtrichter und vier Räte. Sind es weniger als achtzig Indios, aber mindestens vierzig, gebe es nur einen Stadtrichter und einen Rat. Diese haben in Anwesenheit der Priester zu Neujahr andere zu wählen, wie es in Dörfern von Spaniern und Indios praktiziert wird. [...]

Gesetz XXL In Indiodörfern dürfen keine Spanier, Schwarzen, Mestizen und Mulatten wohnen.

Wir verbieten und untersagen, dass in den Reduktionen und Indiodörfern Spanier, Schwarze, Mulatten oder Mestizen leben dürfen oder leben, denn die Erfahrung lehn, dass einige Spanier, die unter Indios Handel treiben, Geschäfte machen, wohnen und leben, Unruhegeister sind, mit schlechtem Lebenswandel, Diebe, Spieler, lasterhafte und verirrte Männer; die Indios fliehen, um kein Unrecht zu erfahren, und verlassen ihre Dörfer und Provinzen. Neger, Mestizen und Mulatten - abgesehen davon, dass sie sie schlecht behandeln -nutzen sie aus, bringen ihnen ihre schlechten Sitten und Müßiggang bei und auch manche Fehler und Laster, die das von Uns gewünschte Ergebnis, nämlich ihre Errettung, Erhöhung und Ruhe, zunichtemachen und ins Gegenteil verkehren können. Und Wir befehlen, dass sie hart bestraft und in den Dörfern nicht geduldet werden, und die Vizekönige, Präsidenten, Gouverneure und Rechtspfleger sollen dies mit Sorgfalt, wo sie können, höchstpersönlich oder mit Hilfe integrer Beamter durchführen. Was die Mestizen und Zambotigos betrifft, die Söhne von Indiofrauen sind und unter Indios geboren wurden und deren Häuser und Höfe erben sollen, so kann bei ihnen eine Ausnahme gemacht werden, denn es wäre hart, sie von ihren Eltern zu trennen."

[Übersetzung: Der Aufbau der Kolonialreiche / hrgg. von Matthias Meyn ... -- München : Beck, ©1987. -- (Dokumente zur Geschichet der europäischen Expansion ; Bd. 3). -- ISBN 3406303730. -- S. 311 - 313. -- {Wenn Sie HIER klicken, können Sie dieses Buch  bei amazon.de bestellen}]

1546

Eine Epidemie (Typhus ?) sucht in Hispanoamerika Spanier und Indios heim.

1547

Xerez, Francisco de: Conquista del Peru : verdadera relacion dela conquista del Peru y provincia del Cuzco llamada la nueva Castilla. Conquistada por Francisco pizarro ... -- Salamanca, 1547. -- [Offizielle Chronik Pizarros]


Abb.: Titelblatt

[Vorlage der Abb.: Cartas y cronistas del descubrimiento y la conquista / Francisco Carrillo. -- Lima : Horizonte, ©1987. -- (Enciclopedia historica de la literatura peruana ; 2). -- S. 31]

1548-10-20

Capitán Alonso de Mendoza (?, Zamora - 1551, Larikaja) legt den Grundstein  zur Ciudad de Nuestra Señora de la Paz [Stadt unserer Friedenskönigin] im heutigen Laja. Kurz darauf wird diese Stadt an die Stelle des heutigen La Paz verlegt.


Abb.: Lage von Laja und La Paz (©Corbis)


Abb.: Gedenktafel in Laja (Bild: Payer, 2001-10)


Abb.: Denkmal für Alonso de Mendoza in Laja (Bild: Payer, 2001-10)

 


Abb.: Kirche von Laja (umgebaut im 17. Jhdt.), 2001 (Bild: Payer, 2001-10)


Abb.: Monument für Alonso de Mendoza, La Paz


Abb.: Plan der Ciudad de Nuestra Señora de la Paz, 16. Jhdt.

[ Bildvorlage: La Paz nuestra de cada dia  Huascar J. Cajías ... (ed.). -- La Paz : PUD, ©1999. -- Depósito legal 4-1-1510-99. -- S. 54]

1550 - 1552

Antonio de Mendoza (1490 - 1552, Lima) ist Vizekönig von Perú


Abb: Guaman Poma de Ayala: Antonio de Mendoza, 1615

ab 1550 bis 18. Jhdt.

Im Amerikaverkehr Spaniens kommt als bewaffneter Schiffstyp die Galeone zum Einsatz.


Abb.: Spanische Galeonen, 1583

[Bildquelle: Die Armada / von Bryce Walker und der Redaktion der Time-Life Bücher. -- Amsterdam : Time-Life, ©1982. -- (Die Seefahrer). -- ISBN 906-182-418-4. -- S. 25]

1550


Abb.: Karte von Südamerika. -- 1550

1550

Disputation zwischen dem Juristen Juan Ginés de Sepúlveda (1490 - 1573) und dem Dominikanerpater und Bischof von Chiapa Bartolomé de las Casas (1474 - 1566) über den gerechten Krieg und die gewaltsame Bekehrung:

"Juan Ginés de Sepúlveda geht von der Feststellung des Aristoteles aus, dass es eine Menschenklasse niederen Ranges gebe, die zum Dienen bestimmt sei. Dass die Eingeborenen von Spanisch-Amerika dieser Schicht angehörten, sei angesichts ihrer «condición bárbara» offensichtlich. Die menschliche Inferiorität äußere sich in ihrem unsozialen Verhalten, in Menschenfresserei und Polygamie, also in Vergehen, die alle gegen das Naturrecht verstoßen. Gegen die gleichen Normen verstößt die Verehrung von Götzen. Ein Vergehen gegen das Naturrecht stellt allerdings nach scholastischer Rechtstradition keinen genügenden Kriegsgrund dar. Sepúlveda rechtfertigt den Krieg gegen die Indianer vielmehr damit, dass die barbarischen Verbrechen dieser Leute zugleich die Normen des Völkerrechts verletzen. Der Tatbestand eines Vergehens gegen das «ins gentium» wird z. B. durch den Kannibalismus erfüllt, der die ungeschriebenen Regeln für den Verkehr mit ändern Völkern oder Stämmen missachtet. Durch den Verstoß gegen das Völkerrecht wird das kriegerische Eingreifen der christlichen Fürsten gerechtfertigt. Der gleiche Tatbestand erfährt somit inbezug auf das Völkerrecht eine andere Beurteilung als inbezug auf das Naturrecht.

Ein weiterer Grund, der nach Sepúlveda den Krieg gegen die Eingeborenen rechtfertigt, liegt darin, dass ihre Bekehrung zum christlichen Glauben praktisch nur unter Anwendung von Gewalt erfolgen kann. Diese Feststellung darf keineswegs dahin ausgelegt werden, dass gegenüber den Eingeborenen Willkür und Gewalt erlaubt sind. Die Konquistadoren und der christliche Fürst, in dessen Namen die Eroberung ausgeführt wird, sind für ihre Handlungen vor Gott verantwortlich.

Las Casas verteidigt gegenüber Sepúlveda in seinen Schriften und in der erwähnten Disputation die guten Eigenschaften der Indianer und ihre Tüchtigkeit im «buen gobierno», das sie vor der Ankunft der Spanier geführt haben. Seine Theorie gründet in der christlichen Auffassung, dass alle Menschen von Gott gleich geschaffen seien und dass folglich eine «servitud por natura» nicht bestehe. Die kriegerischen Unternehmungen der Conquista bezeichnet er als illegal, weil der gerechte Grund gefehlt habe. Auch sei von einer legitimen fürstlichen Autorität keine Rede gewesen, da die verschiedenen Erlasse über Kriegführung und über den Schutz der Eingeborenen von den Konquistadoren nie beachtet wurden. Was den gerechten Kriegsgrund betrifft, so ist diese Voraussetzung im Falle der spanischen Kolonien nicht erfüllt; einen legitimen Grund stellt höchstens die Verteidigung gegen einen Angriff oder die Vergeltung für verübtes Unrecht dar. Gegenüber den Eingeborenen von Spanisch-Amerika kann aber dieses Argument nicht im Ernste angeführt werden.

Um die rechtliche Fundierung der spanischen Unternehmung in der Neuen Welt ist es also — nach Las Casas — schlecht bestellt, wenn der Dominikaner auch den Titel des päpstlichen Missionsauftrages grundsätzlich gelten lässt. Dieser Titel — schon an sich ungenügend zur Rechtfertigung einer politischen Aktion — verliert völlig seinen Wert, da die Conquista in Tat und Wahrheit einen Verlauf genommen hat, welcher dem Sinn der kolonialen Konzession widerspricht. Alles, was in Amerika geschehen ist, trägt den Charakter einer ungerechten und unerlaubten Aktion: in politischer Hinsicht, weil die Unternehmung in unrechtmäßiger Form durchgeführt wurde, in religiöser, weil unter Zwang keine Bekehrung stattfinden kann und ein derartiges Vorgehen mit dem Gebote Christi, den Glauben zu verbreiten, nicht vereinbar ist.

Bleibt noch festzustellen, wie sich las Casas die ideale Form der Christianisierung vorstellt. In seiner Disputation mit Sepúlveda vertritt er die Ansicht, dass die Glaubensarbeit unter der ausschließlichen Leitung der Missionare zu stehen habe. Von einer spanischen Durchdringung der amerikanischen Territorien darf deshalb keine Rede sein. Es kommt lediglich die Anlegung einiger fester Stützpunkte im Missionsgebiet in Frage, um allfälligen Gefahren zu begegnen.

Die Theorie der reinen Missionierung findet besonders unter den Dominikanern Anhänger. Sie gründet auf der festen Überzeugung, dass sich die Bekehrung der Eingeborenen auch ohne Mitwirkung der weltlichen Gewalt verwirklichen lasse. Die Mittel einer derartigen Politik sind «paz, amor y buen ejemplo»."

[Mittler, Max: Mission und Politik : Untersuchungen über das koloniale Imperium Karls V.. -- Zürich : Europa, ©1951. -- (Wirtschaft, Gesellschaft, Staat ; Bd. 4). -- S. 24f.]

1552

Charcas (Sucre) wird Diözese. Sie ist dem Erzbistum Lima als Suffraganat unterstellt.

1552


Abb.: Titelblatt


Abb.: Titelblatt der deutschen Ausgabe von 1615

Casas, Bartolomé de las <OP> <Bischof von Chiapa> <1474-1566>: Brevissima relación de la destruyción de las Indias:  -- 1552. -- [99] S.

"Las Casas, Bartolomé de: BREVISSIMA RELACION DE LA DESTRUYCION DE LAS INDIAS

(span.; Kurzer Bericht über die Zerstörung Indiens). Polemische Schrift von Bartolomé de Las Casas, 1542 verfasst und erst 1552 gedruckt. 1578 erschien die erste holländische Ausgabe, 1579 die erste französische und 1583 die erste englische, denen andere in kurzer Zeit folgten. Im 18. Jh. gelangte die Schrift von Las Casas zu neuer Berühmtheit durch den Enzyklopädisten Raynal (1713 bis 1796), der sie in seinen Schriften verwandte, um die Eroberungs- und Kolonialpolitik Spaniens zu bekämpfen. Von den zahlreichen publizistischen Unternehmungen, die der Autor in den Dienst seines Plädoyers für die indianische Bevölkerung Amerikas stellt (Treinta proposiciones muy jurídicas; Tratado de los esclavos; Tratado comprobatorio; 1552 gedruckt), ist die vorliegende Schrift die folgenreichste.

Las Casas soll seinen Bericht an einem Tag niedergeschrieben haben, in der Absicht, den neuen, vor Karl V. am 20. November 1542 unterzeichneten Indien-Gesetzen höchstmöglichen Nachdruck zu verleihen. Diese Gesetze, die größtenteils das Ergebnis der propagandistischen Tätigkeit von Las Casas zugunsten der Indios darstellten, sollten die Gleichberechtigung zwischen diesen und den Spaniern begründen. Sie untersagten die Versklavung der Indios und darüber hinaus die Bildung von neuen »Kommenden« (encomiendas), während die noch bestehenden nicht weitervererbt werden durften und nach dem Tode des Inhabers an den König zurückfallen mussten. Das Kommendensystem entsprach dem damals in Europa herrschenden feudalistischen Grundherrschaftssystem und schuf ein persönliches Abhängigkeitsverhältnis, ähnlich der Hörigkeit und Leibeigenschaft. Las Casas, der mit Recht darin eine versteckte Form der Sklaverei sah, wandte sich leidenschaftlich gegen eine derartige Einrichtung, die allerdings für das damalige europäische Rechtsempfinden eine Selbstverständlichkeit war. Mit großer Eindringlichkeit, zahlreichen Bibelzitaten und einer an der Predigt geschulten Rhetorik trägt Las Casas seine gelegentlich übertriebenen Thesen vor. Mit phantastischen Zahlenangaben versucht Las Casas zu beweisen, dass die Spanier die »Neuen Indien« zerstört hätten und im Begriff seien, die Indianer auszurotten. Er verdammt die Eroberungs- und Missionarstätigkeit der Spanier in der Neuen Welt als eine ununterbrochene Kette »von Überfällen, Plünderungen, Morden und Schändungen«, die unter dem Vorwand, das Licht des Evangeliums zu bringen, begangen würden, in Wirklichkeit aber »nur der vielgeliebten und angebeteten Göttin Habgier« dienten. Von den Kommenden behauptet er, dass sie eine »pestartige Sitte« seien, eine »Erfindung des Satans«, die freie Menschen gegen göttliches und natürliches Gesetz in ein untragbares Joch spanne.

Las Casas, der selbst mehrmals in die »Neuen Indien« fuhr, unterstreicht zwar die Wahrhaftigkeit seines Berichts durch das oft wiederholte »Ich sah«, doch sind seine Behauptungen übertrieben, einseitig, und daher historisch nicht zuverlässig. Diese Übertreibungen entspringen seinem fanatischen Eifer, das apathische Gewissen seiner Zeitgenossen durch polemisch-propagandistische Agitation wachzurütteln. Das Werk ist ein Dokument der Menschlichkeit und eines radikalen Christentums, das nicht bereit ist, mit den weltlichen Interessen der christlichen Nationen zu paktieren. Die ganze Tragweite der Brevissima relacion wird erst sichtbar, wenn man berücksichtigt, dass dieses Pamphlet nur ein Teilstück einer viele Titel umfassenden Schrift ist, in der Las Casas die Eroberung und Kolonisation als ungerechten Eingriff in die gottgewollten und naturgültigen Besitz- und Lebensverhältnisse fremder Völker grundsätzlich in Frage stellt. Für ihn sind die Indianer die natürlichen Herren ihres Landes, denen man höchstens eine »freiwillige Anerkennung« der spanischen Oberherrschaft, ähnlich der der mittelalterlichen Kaiser in Europa, und eine »freiwillige Annahme des Evangeliums«, beides unter Wahrung der angestammten Organisations- und Zivilisationsformen, zumuten darf. Nicht nur in Spanien trug Las Casas' Bericht erheblich zur Desillusionierung über die »Neue Welt« bei. Besondere Wirkung entfaltete die Brevissima relación im Freiheitskrieg der spanischen Niederlande: Las Casas' Beschreibung wurde wörtlich in pseudohistoriographische Werke über Gräueltaten der Spanier gegen Holländer eingebaut. J. Evertson Cloppenburgs Miroir de la tyrannie espagnole (Spiegel der spanischen Tyrannei) benutzt noch 1620 dieses Material für antispanische Polemiken. Daneben erlangte die Schrift im lateinamerikanischen Unabhängigkeitskampf im frühen 19. Jh. zentrale Bedeutung.

AUSGABEN: Sevilla 1552. – Madrid 1958 (in Obras escogidas, Hg. J. Perez de Tudela Buesco, Bd. 5; BAE). – Madrid 1977, Hg. u. Einl. M. Ballestreros Gaibrois. – Madrid 1987, Hg. u. Einl. A. Saint-Lu (Cátedra).

ÜBERSETZUNGEN: Newe Welt. Warhafftige Anzeigung der Hispanier grewlichen abschewlichen und unmenschlichen Tyranney von ihnen inn den Indianischen Ländern, so gegen Nidergang der Sonnen gelegen, und die Newe Welt genennet wird, begangen, anon., o. O. 1597. – Kürzester Bericht über die Verwüstung und Entvölkerung der indischen Länder, F. Gel u. G. F. Thomas, Lpzg. 1958 [m. Anm.]. – Kurzgefaßter Bericht von der Verwüstung der Westindischen Länder, D. W. Andreä, Ffm. 1966; 21981 (Insel Tb)."

[Fuentes Rojo, Aurelio. -- In: Kindlers Neues Literaturlexikon. -- München : Kindler, ©1996. -- s.v.]

"Peru

Im Jahre eintausend fünfhundert ein und dreißig zog ein anderer großer Tyrann mit einigem Volke in die Königreiche Perus". Er kam unter gleichem Titel und mit den nämlichen Absichten und Grundsätzen, wie alle ändern, dahin; denn er war einer von denen, die ihr Handwerk verstanden, und hatte alle Grausamkeiten und Schurkenstreiche mitgemacht, die seit dem Jahre eintausend fünfhundert und zehn auf dem festen Lande begangen wurden.

Er mordete, raubte, plünderte ohne Maß und Ziel, und hielt weder Treue noch Glauben. Ganze Örter wurden von ihm verheert, und ihre Einwohner erschlagen und vertilgt. Er allein brachte so viel Unheil über dies Land, dass wir fest überzeugt sind, es sei niemand im Stande, dasselbe zu schildern und zu beschreiben. Aber der Tag des Gerichts wird es klar machen; alsdann erst werden wir seine Werke kennen lernen. Wenn ich auch einige derselben in ihrer ganzen Abscheulichkeit darstellen, und die nähern Umstände angeben wollte, wodurch sie zu noch schwerern Verbrechen wurden, so würde ich doch in Wahrheit nicht Böses genug davon sagen können.

Bei seinem verderblichen Einzüge zerstörte er einige Ortschaften, tötete ihre Einwohner und raubte eine Menge Goldes zusammen. Nicht weit davon lag eine Insel, die Pugna genannt wurde; sie war stark bevölkert und ungemein reizend. Hier wurden sie von dem Herrn derselben und seinen Untertanen wie Engel des Himmels empfangen. Sechs ganzer Monate blieben sie daselbst liegen, und fraßen den guten Leuten ihren ganzen Vorrat auf. Endlich zeigten ihnen dieselben die Speicher, worin das Getreide aufbewahrt wurde, von welchem sie sich zur Zeit der Dürre und Unfruchtbarkeit, nebst ihren Weibern und Kindern, ernährten. Unter häufigen Tränen reichten sie es ihnen dar, damit sie nach Gutbefinden davon speisen und es aufzehren möchten. Der Dank, den sie diesen guten Leuten gaben, war der, dass sie eine große Anzahl derselben durchbohrten oder über die Klinge springen ließen; diejenigen aber, welche lebendig in ihre Hände fielen, zu Sklaven machten. Sie gingen noch außerdem so schrecklich mit ihnen um, dass sie dadurch die ganze Insel von Menschen entblößten. Von hier zogen sie nach der Provinz Tumbala, die auf dem festen Lande liegt, und verheerten und erwürgten darin alles, was sie antrafen. Da nun die Einwohner überall vor diesem furchtbaren und abscheulichen Menschen flohen, so gaben sie vor, sie empörten sich gegen den König und wären Rebellen. Dann bediente sich dieser Tyrann gewöhnlich folgender List: wenn die Einwohner, entweder weil er es befahl, oder auch wohl freiwillig, Gold, Silber, und von allem brachten, was sie im Vermögen hatten, so sagte er zu ihnen, sie sollten noch mehr bringen, bis er endlich sah, dass sie nichts mehr hatten, oder nichts mehr brachten. Dann sagte er, er nähme sie zu Untertanen des Königs von Spanien auf, umarmte sie, ließ in zwei Trompeten stoßen, die er mit sich führte, und tat ihnen kund, man werde nun von diesem Augenblick an ihnen weiter nichts abnehmen, noch ihnen sonst etwas zu leide tun. Er glaubte sich also berechtigt, sie, ehe und bevor er sie unter den Schutz und Schirm des Königs von Spanien aufnahm, des Ihrigen zu berauben, oder ihnen doch wenigstens dasjenige abzunehmen, was sie ihm aus Furcht vor den gräulichen Nachrichten brachten, die sie von ihm vernommen hatten. Nicht anders, als wenn er, nachdem sie nunmehr wirklich unter königlicher Protektion standen, gar nicht willens sei, sie unterjochen, plündern, morden und vernichten zu lassen, und als wenn er ihrer nicht bereits genug ausgerottet hätte. Wenig Tage nachher näherte sich ihnen der Kaiser und allgemeine Oberherr dieser Länder, namens Atabaliba, nebst einer großen Menge Volks, das entweder ganz wehrlos war, oder doch nur zum Spaß bewaffnet zu sein schien. Er wusste viel davon, wie scharf ihre Schwerter, wie spitzig ihre Lanzen, wie schnell ihre Pferde, oder was diese Spanier überhaupt für Leute waren, die, wenn die Teufel Gold besäßen, selbst diese angepackt und ihnen dasselbe geraubt haben würden. Als er in die Gegend kam, wo sie sich aufhielten, rief er: wo sind denn die Spanier? Lasst sie herkommen! Ich weiche nicht eher von der Stelle, bis sie mir wegen meiner Untertanen, die sie ermordeten, wegen der Örter, die sie verheerten, und wegen der Schätze, die sie mir raubten, Genugtuung geben! — Darauf machten sie sich an ihn, brachten eine große Menge seiner Leute um, und nahmen ihn, der in einer Sänfte getragen ward, in eigener Person gefangen. Als sie ihn in ihrer Gewalt hatten, trugen sie darauf an, er solle sich loskaufen. Da bot er ihnen vier Millionen Castilianer; er musste deren aber wohl fünfzehn bezahlen. Darauf versprachen sie ihm zwar, er solle freigelassen werden, hielten ihm aber nicht Wort, wie es die Spanier gewöhnlich mit den Indianern zu machen pflegten. Nun gaben sie ihm Schuld, er sei Ursach, dass sich das Volk zusammenrotte. Er antwortete ihnen aber: ohne seinen Willen bewege sich im ganzen Lande kein Blatt auf den Bäumen; wenn sich demnach das Volk zusammenrotte, so dürften sie nur keck glauben, er habe es befohlen; er sei ihr Gefangener, sie sollten ihn ermorden. — Dessen ungeachtet ward er verurteilt, lebendig verbrannt zu werden, wiewohl einige den Befehlshaber baten, er solle ihn erdrosseln und sodann erst verbrennen lassen. Als er dies wahrnahm, sagte er: warum wollet ihr mich verbrennen? Was habe ich euch denn getan? Versprächet ihr mir nicht, ihr wollet mich loslassen, wenn ich euch Gold gäbe? Gab ich euch nicht weit mehr, als ich versprochen hatte? Schickt mich doch lieber zu eurem König nach Spanien, wenn ihr wollet. — Er sagte hiernächst noch manches zur Beschämung der Spanier und zur Schande ihres ungerechten Verfahrens; dennoch verbrannten sie ihn. Man bedenke doch, mit welchem Rechte sie diesen Regenten bekriegten, gefangen nahmen, zum Tode verdammten und hinrichteten! Mit welchem Gewissen diese Barbaren ihre ungeheuren Reichtümer besitzen, da sie dieselben diesem großen Könige, wie auch unzähligen ändern großen Herren und Privatleuten, raubten.

Von unzähligen Übeltaten und Grausamkeiten, wodurch die sogenannten Christen dies Volk auszurotten suchten, will ich nur einige hier anführen, die ein Mönch vom Orden des heiligen Franziskus gleich zu Anfang mit ansah. Er bekräftigte seine Erzählung mit Unterschrift seines Namens, und schickte Abschriften davon in alle Gegenden des Königreichs Castilien. Ich selbst besitze eine dieser Abschriften, die eigenhändig von ihm unterzeichnet ist, und worin er sich folgendermaßen ausdrückt:

»Ich, Frater Maros de Niza, Franziskaner-Ordens, und Commissarius über die Geistlichen des nämlichen Ordens im Königreich Peru, war einer der ersten Ordensgeistlichen, der die Christen begleitete, welche zuerst in diese Provinzen kamen, und bezeuge hiermit, der Wahrheit vollkommen gemäß, einige Dinge, die ich in diesem Lande mit meinen eigenen Augen sah, und welche größtenteils die dortigen Eroberungen und die Behandlung der Eingebornen betreffen. Zuerst bezeuge ich, als einer der Augenzeuge war, und hiervon vollkommene Kenntnis erlangt und eingezogen hatte, dass die Indianer in Peru die gutmütigsten unter allen Indianern sind, die ich je gesehen habe, und dass sie sich sehr freundlich und liebreich gegen die Christen betrugen. Auch sah ich, dass sie den Spaniern Gold, Silber und Edelsteine die Fülle gaben, überhaupt ihnen alles gewährten, was nur in ihren Kräften stand, und sie aufs Beste bedienten. So lange den Indianern durch Grausamkeit und üble Behandlung keine Veranlassung gegeben ward, fingen sie nie Krieg an, sondern hielten sich ruhig, nahmen die Spanier in ihren Wohnörtern mit Wohlwollen und Ehrenbezeugungen auf, und gaben ihnen nicht allein Lebensmittel, sondern auch so viele Sklaven und Sklavinnen, als man von ihnen verlangte. «

»Imgleichen bezeuge und beteure ich hiermit, dass die Spanier, sobald sie in dies Land kamen, und ohne dass die Indianer die mindeste Veranlassung dazu gaben, sich vom obersten Caziquen Atabaliba mehr als zwei Millionen Goldes bezahlen ließen. Und nachdem er ihnen das Land, welches er beherrschte, ohne den mindesten Anstand unterworfen hatte, verbrannten sie besagten Atabaliba, den Herrn des ganzen Reichs, auf der Stelle. Nach ihm verbrannten sie seinen obersten Heerführer, Cochilimaca, lebendig, der doch, nebst ändern Vornehmen, zum Gouverneur in Frieden kam. Auf gleiche Art verbrannten sie einige Tage nachher einen ändern Caziquen, welcher Chamba hieß, und die Provinz Quito beherrschte. Er hatte nicht das geringste verbrochen, und sie wussten selbst nicht, warum sie ihn töteten. «

»Eben so ungerechter Weise verbrannten sie den Beherrscher der Canarier, Chapera. Einem ändern vornehmen Herrn aus Quito, namens Alvisy verbrannten sie die Füße, und taten ihm noch andere schreckliche Martern an, damit er sagen sollte, wo Atabalibas Gold verborgen sei, wiewohl sich nachher fand, dass er gar nichts von diesem Schatz wusste. So verbrannten sie auch in Quito den Statthalter über alle Provinzen Quitos, der Cozopaganga hieß. Sebastian de Benalcazar, ein Befehlshaber des Gouverneurs, ließ ihn zu sich fordern; er kam und dachte nichts Arges. Da er aber nicht so viel Gold gab, als man von ihm verlangte; so ward er, nebst mehrern ändern Caziquen und vornehmen Personen, verbrannt. So viel ich von den Spaniern vernahm, taten sie dies in der Absicht, damit im ganzen Lande kein einziger Mann von Stande übrig bleiben sollte. « »Imgleichen trieben die Spanier eine große Menge Indianer zusammen, und sperrten sie, so viel ihrer waren, in drei große Häuser ein. Dann warfen sie Feuer hinein und verbrannten sie sämtlich, ohne dass sie den Spaniern die mindeste Veranlassung dazu gegeben, oder ihnen das geringste Leid zugefügt hatten. Es begab sich, dass ein Geistlicher, namens Ocana, ein Knäbchen aus dem Feuer riss; sogleich kam aber ein anderer Spanier, riss es ihm aus den Händen, und warf es mitten in die Flammen, worin es, nebst den übrigen, zu Asche verbrannte. Der nämliche Spanier, der diesen kleinen Indianer ins Feuer warf, ging noch desselbigen Tages nach dem Lager zurück, fiel aber unterwegs plötzlich darnieder und blieb tot; und ich war der Meinung, man solle ihn nicht beerdigen. «

»Imgleichen bezeuge ich, dass ich mehrmals mit eigenen Augen sah, wie die Spanier den Indianern die Hände abhieben, und sowohl Männern als Weibern, ohne irgend eine andere Veranlassung, als weil es ihnen so beliebte, Nasen und Ohren abschnitten. Dies geschah an so vielen Orten, dass es zu weitläuftig sein würde, sie alle namhaft zu machen. Auch sah ich, dass die Spanier die Indianer mit Hunden hetzten, und sie in Stücken zerreißen ließen; wodurch ich ihrer ebenfalls sehr viele umbringen sah. Ferner sah ich sie so viele Örter und Häuser in Brand stecken, dass ich die Zahl derselben nicht angeben kann; nur so viel weiß ich, dass ihrer sehr viele waren. Auch dies ist Wahrheit, dass sie Kinder von der Brust rissen, bei den Armen anpackten und so weit fortschleuderten, als sie vermochten. Außerdem verübten sie noch so viele Unmenschlichkeiten, dass ich mich darüber entsetzte, und sie nicht einmal alle erzählen könnte. «

»Ferner sah ich, dass viele Caziquen und andere vornehme Leute, denen sie völlige Sicherheit versprochen hatten, friedlich und voll Vertrauen zu ihnen kamen, gleich nach ihrer Ankunft aber verbrannt wurden. Zwei derselben verbrannten sie sogar in meinem Beisein; den einen zu Andon und den ändern zu Tumbala; auch war nicht leicht eine Gegend zu finden, wo sie, so sehr ich auch dagegen predigte, nicht das nämliche taten. Nach der genauesten Erkundigung, die ich darüber eingezogen habe, kann ich bei Gott und meinem Gewissen beteuern, dass die Indianer in Peru, wie jedermann einsehen muss, sich aus keiner ändern Ursach empörten, als dieser Misshandlungen wegen. Man hatte ihnen in der Tat Veranlassung genug dazu gegeben; denn man belog sie unaufhörlich, hielt ihnen nicht Wort, verheerte ihr ganzes Land auf die unvernünftigste, ungerechteste und grausamste Weise, und ging so abscheulich mit ihnen um, dass sie den Entschluss fassten, viel lieber zu sterben, als dergleichen Behandlung noch länger zu dulden. « »Ferner bezeuge ich, dass ich mehr als einmal von den Indianern vernommen habe, es liege weit mehr Goldes verborgen, als je an den Tag gekommen sei; aber wegen der Grausamkeiten, welche die Spanier gegen sie verüben, wollen und werden sie es nie entdecken; denn man behandelt sie so, dass sie weit eher ihr Leben, gleich so vielen ändern, darüber aufopfern werden. Hierdurch aber wird unser Herrgott höchlich beleidigt, und Ihro Majestät ein schlechter Dienst erzeigt, ja Allerhöchstdieselben werden dadurch sogar der Gefahr ausgesetzt, ein Land zu verlieren, welches gar füglich ganz Castilien ernähren könnte, und dessen Widererlangung, meines Erachtens, mit eben so vielen Schwierigkeiten, als Kosten, verknüpft sein dürfte. « Dies alles sind die eigenen Worte des besagten Ordensgeistlichen. Der Bischof von Mexico hat sie noch überdies bekräftiget, und bezeugt ausdrücklich, dass alles dasjenige, was Pater Marco angeführt habe, Wahrheit sei. Man erwäge hiernächst, dass dieser Pater sagt, er habe hier nur dasjenige erzählt, was er selbst mit angesehen habe; man bedenke, dass er sich nur etwa neun bis zehn Jahre im Lande aufhielt, und höchstens einen Bezirk von fünfzig bis hundert Meilen in Augenschein genommen hatte; denn er befand sich nur anfangs daselbst, da der Spanier noch wenige waren. Als sie aber noch von Gold hörten, begaben sich ihrer vier- bis fünftausend dahin, breiteten sich in diesen weiten Reichen und Ländern aus, die sich über sechshundert Meilen erstreckten, richteten dieselben gänzlich zu Grunde, und begingen überall obenerwähnte und noch weit schrecklichere Taten. Seitdem und bis auf gegenwärtige Zeit brachten sie wahrlich noch tausendmal mehr Menschen ums Leben, setzten vollends alles Erbarmen, alle Furcht vor Gott und dem Könige bei Seite, und rotteten einen großen Teil des Menschengeschlechts aus. Seit den letzten zwei Jahren brachten sie in diesen Provinzen gewiss über vier Millionen Menschen um, und noch jetzt hört dort das Morden nicht auf. Es ist noch nicht gar lange, dass die Spanier eine große Königin mit Ruten peitschten und ums Leben brachten. Sie war die Frau des Elingue, der diese Länder als König regierte. Die Christen vergriffen sich an ihm, und brachten ihn durch ihre Grausamkeiten so weit, dass er sich empörte, und noch jetzt im Aufruhr begriffen ist. Nun nahmen sie die Königin, seine Gemahlin, die der Sage nach noch überdies in ändern Umständen war, wider Recht und Billigkeit weg, und töteten sie, damit ihr Gemahl sich darüber kränken und grämen sollte.

Wollte ich jede Grausamkeit und Mordtat einzeln erzählen, welche die Christen im Königreich Peru begingen und noch täglich begehen; so würde sich finden, dass alle übrige, welche sie in ändern Gegenden verübten, sowohl in Ansehung der Menge, als Abscheulichkeit, gegen diese für nichts zu achten sind."

[Übersetzung von D. W. Andreä. -- Berlin, 1790]

1552-Herbst

Auf Anweisung von Karl V. (Carlos I), der durch seine Kriege gegen Franrkeich und die Türken pleite ist, muss dessen Sohn Philipp (der spätere Felipe II) auf die Gold- und Silbervorkommen der Neuen Welt Hypotheken (Kredite) aufnehmen. Schon 1553-11 muss Philipp die Edelmetallvorkommen der Neuen Welt wieder belehnen. Die großen Silbereinfuhren aus Alto Perú führen zu einem Verfall des Silberpreises.

1553

Cieza de Leon, Pedro d' <1518, Llerena - 1554, Sevilla>: Parte primera de la chronica del Peru. -- Sevilla, 1553

Abb.: Titelblatt

[Vorlage der Abb.: Cartas y cronistas del descubrimiento y la conquista / Francisco Carrillo. -- Lima : Horizonte, ©1987. -- (Enciclopedia historica de la literatura peruana ; 2). -- S. 107]

Entdeckung und Ausbeutung der Silbervorkommen in Potosí

Die Erzadern von Porco und viele andere [Vorkommen] in diesen Reichen sind großenteils unter den Inka entdeckt worden und viele der Minen sind seit dieser Zeit in Betrieb. Doch von jenen, die im Cerro de Potosí gefunden wurden, von dem ich nun berichten will, kannte man weder die Ergiebigkeit noch förderte man das Erz, bis im Jahre 1547 ein Spanier namens Villaroel, der zusammen mit einigen Indios auf der Suche nach Erzen war, diesen Reichtum fand, der in einem hohen Berg liegt, dem schönsten und bestgelegenen der Umgebung. Und da die Indios Berge und große Dinge Potosí nennen, wurde dieser Berg so genannt. Und obwohl in jener Zeit Gonzalo Pizarro im Krieg mit dem Vizekönig lag, und das Königreich voller Unruhen auf Grund dieses Aufstandes war, bevölkerten sich die Hänge des Berges und es wurden viele und große Häuser gebaut. Die Spanier gründeten hier ihre wichtigste Siedlung, und das Gericht wurde dorthin verlegt. Die Besiedlung war so stark, dass die eigentliche Hauptstadt fast entvölkert wurde. Dann öffneten sie die Minen und stießen im höher gelegenen Teil des Berges auf fünf sehr reiche Erzadern, die sie Veta-Rica, Veta del Estano, die vierte Veta de Mendieta und die fünfte Veta de Onate nannten3. Der Reichtum der Funde sprach sich so schnell herum, dass Indios aus allen Gegenden hierher kamen, um Silber aus dem Berg zu holen, wo es sehr kalt ist, denn es befindet sich keine Ansiedlung in der Nähe. Nachdem die Spanier [von dem Berg] Besitz ergriffen hatten, begannen sie, Silber in der Art zu gewinnen, dass demjenigen, der eine Mine hatte, die in ihr arbeitenden Indios eine Mark Silber pro Woche gaben, und sogar zwei, wenn sie sehr reich war, und wenn einer keine Mine hatte, gaben die Indios diesem encomendero eine halbe Mark pro Woche. Es fingen so viele Leute an, Silber abzubauen, dass der Platz wie eine große Stadt aussah.

Und weil ein solcher Reichtum notwendigerweise anwachsen oder abnehmen muss, will ich einige Angaben machen, wie ich es im Jahre des Herrn 1549 gesehen habe, um einen Eindruck von der Größe der Minen zu geben. Als der Lizentiat Polo hier und in der Stadt La Plata corregidor war, schmolz man das Erz jeden Samstag in seinem Haus, wo sich die Truhen mit den drei Schlössern befanden, und als königlichen Fünften erhielt Seine Majestät von dem Silber 25—30000 Pesos, und manchmal sogar etwas mehr oder etwas weniger als 40000 [Pesos]. Und trotz dieses Reichtums, der den Fünften des dem König zustehenden Silbers auf 120000 castellanos im Monat brachte, hieß es, dass nur wenig Silber [aus Potosí] herauskomme und dass es nicht gut um die Minen stünde. Und das, obwohl nur das Erz der Christen zur Schmelze kam, und das nicht einmal vollständig, denn vieles holten sie als kleine Rohlinge ab, um sie frei transportieren zu können, und von den Indios glaubt man wirklich, dass sie große Reichtümer mit in ihre Heimat nahmen. Daher wird man mit Recht behaupten können, dass nirgendwo sonst auf der Welt ein so reicher Berg gefunden wurde, noch hat je ein Fürst von einem einzigen Ort, wie es diese berühmte Stadt La Plata ist, so großen Nutzen und Gewinn gehabt. Denn seit dem Jahr 1548 bis 1551 machte der königliche Fünfte mehr als drei Millionen ducados aus, mehr als die Spanier von Ataliba bekamen oder in der Stadt Cuzco bei ihrer Entdeckung fanden.

Es scheint, dass das Silbererz nicht durch Blasebälge noch durch Feuer zum Schmelzen gebracht werden kann. In Porco und anderswo im Königreich, wo Erz gewonnen wird, wird es mit Feuer von der Schlacke gereinigt, die sich mit der Erde bildet, wofür sie große Gebläse haben, und man macht dann große Silberplatten. In Potosí ist das, obwohl es viele versucht haben, niemals gelungen; die Hartnäckigkeit des Erzes oder ein anderes Geheimnis scheint das zu verursachen, denn - wie gesagt - große Meister im Schmelzen von Erz haben versucht, mit Gebläsen zum Ziel zu kommen, und all ihre Mühen haben zu nichts geführt. Schließlich, weil der Mensch für alle Dinge in diesem Leben eine Lösung zu finden in der Lage ist, misslang es auch diesmal nicht, dank einer der seltsamsten Erfindungen der Welt. Denn früher waren die Inka sehr erfindungsreich bei der Gewinnung von Silber, das manchmal wohl nicht mit Gebläsen zu gewinnen war, wie hier in Potosí. Um das Erz dennoch zu nutzen, machten sie Gefäße aus Ton, in der Form von spanischen Blumentöpfen, durchsetzt mit vielen kleinen Luftlöchern. In diese füllten sie Kohle und darüber das Erz; und daraus gewannen sie Silber, indem sie sie auf Hügeln oder Berghängen errichteten, wo der Wind am stärksten blies. Danach reinigten sie das Silber mit ihren kleinen Gebläsen. Auf diese Weise hat man die ganze Masse des Silbers gewonnen, das aus diesem Berg kam. Und die Indios gingen mit dem Erz auf die Anhöhen in der Umgebung, um Silber zu gewinnen. Sie nennen diese Tonöfen huayras, und es gibt so viele davon, dass Felder und Berge nachts wie bei Festen beleuchtet aussehen. Bei sehr windigem Wetter gewinnt man so Silber in großen Mengen; wenn der Wind fehlt, kann man dagegen auf keine Weise etwas schmelzen. So wie der Wind der Seefahrt dienlich ist, ist er es hier der Silbergewinnung. Und da die Indios keiner Kontrolle oder Überprüfung unterliegen und sie bei der Erzverarbeitung auch nicht überwacht werden können, weil sie das Erz - wie gesagt - mit auf die Berge nehmen, glaubt man allgemein, dass viele dabei große Reichtümer gesammelt und große Mengen des Silbers mit in ihre Heimat genommen haben. Das war der Grund, warum aus vielen Teilen des Königreichs Indios hierher nach Potosí kamen, um ihren Nutzen daraus zu ziehen, da es dafür so große Möglichkeiten gab."

[Übersetzung: Wirtschaft und Handel der Kolonialreiche / hrsgg. von Piet C. Emmer .... -- München : Beck, ©1988. -- (Dokumente zur Geschichte der europäischen Expansion ; Bd. 4). -- ISBN 3406306616. -- S. 4298 - 430. -- {Wenn Sie HIER klicken, können Sie dieses Buch  bei amazon.de bestellen}]


Zu Teil 5: Von 1555 bis 1665