Bibliothekarinnen Boliviens vereinigt euch!

Bibliotecarias de Bolivia ¡Uníos!

Berichte aus dem Fortbildungssemester 2001/02

Teil 2: Chronik Boliviens

8. Von der Französischen Revolution (1789) bis zur Unabhängigkeit (1825)


von Margarete Payer und Alois Payer

mailto: payer@hdm-stuttgart.de


Zitierweise / cite as:

Payer, Margarete <1942 - > ; Payer, Alois <1944 - >: Bibliothekarinnen Boliviens vereinigt euch! = Bibliotecarias de Bolivia ¡Uníos! : Berichte aus dem Fortbildungssemester 2001/02. -- Teil 2: Chronik Boliviens. -- 8. Von der Französischen Revolution (1789) bis zur Unabhängigkeit (1825). -- Fassung vom 2002-10-01. -- URL: http://www.payer.de/bolivien2/bolivien0208.htm. -- [Stichwort].

Erstmals publiziert: Anlässlich des Bibliotheksseminars in La Paz vorläufig freigegeben am 2002-09-19

Überarbeitungen:

Anlass: Fortbildungssemester 2001/02

Unterrichtsmaterialien (gemäß § 46 (1) UrhG)

©opyright: Dieser Text steht der Allgemeinheit zur Verfügung. Eine Verwertung in Publikationen, die über übliche Zitate hinausgeht, bedarf der ausdrücklichen Genehmigung der Herausgeberin.

Dieser Teil ist ein Kapitel von: 

Payer, Margarete <1942 - > ; Payer, Alois <1944 - >: Bibliothekarinnen Boliviens vereinigt euch! = Bibliotecarias de Bolivia ¡Uníos! : Berichte aus dem Fortbildungssemester 2001/02. -- Teil 2: Chronik Boliviens. . -- URL: http://www.payer.de/bolivien2/bolivien02.htm

Dieser Text ist Teil der Abteilung Länder und Kulturen von Tüpfli's Global Village Library


1788 - 1808

Carlos IV (1748 - 1819) ist spanischer König. Wird 1808 von Napoleon I zur Abdankung zugunsten seines Sohnes Fernando VII gezwungen.


1789 - 1799


Abb.: "Unité, Indivisibilité de la République, Liberté, Egalité, Fraternité ou la mort " = "Einheit, Unteilbarkeit der Republik, Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit". -- Paris, 1796
 

Französische Revolution


1789 - 1795

Nicolás de Arredondo (1726, Bárcena de Cicero - 1802, Madrid) ist Vizekönig von Río de la Plata

1790

Der  Consejo de Indias (Indienrat) wird aufgelöst. Seine Aufgaben werden vom Sekretariat für Marine und Indien wahrgenommen.

1790


Abb.: Flötenspieler, Jesuitenreduktionen, Mojos [Archivo de Indias, Sevilla]

[Bildquelle: Discovering the Americas : the Archive of the Indies / by Pedro González García ... -- New York [u.a.] : Vendome, ©1997. -- ISBN 0-86565-991-5. -- S. 83]

1790


Abb.: Theoretischer Plan einer Mine, 1790

1791

*
Abb.: Schriftsatz von Judas Tadeo Andrade gegen die Folter. -- 1791

[Bildquelle: Revista de la Fundación cultural del Banco Central de Bolivia. -- Nr. 12, año IV. -- Julio-Septiembre 2000. -- S. 49]

1791

León de Santiago, Pedro <OFM> <1746/47 - 1800>: Diccionario breve chiriguane. -- Manuskript. -- Tarija, 1791

Edition:

León de Santiago, Pedro <OFM> <1746/47 - 1800>: Diccionario Guaraní-Castellano y Castellano-Guaraní / ed. Iván Nasini ... -- Tarija [u.a.] : Centro Eclesial de Documentación [u.a.], 1998. -- 171 S. -- Depósito legal 2-1-14-69-98


Abb.: Seiten des Manuskripts, Archivio Franciscano, Tarija


Abb.: Ausschnitt

1791

Eder, Franz Xaver <SJ>  <1727, Schemnitz - 1772, Neusohl>: Descriptio provinciae Moxitarum in regno Peruano. -- Buda : Typis Universitatis, 1791. -- 386 S. : Ill. -- [P. Eder war von 1753 bis 1767 Missionar in Mojos. Das Werk gibt systematische Infomationen über Landschaft, Klima, Flora, Fauna, Kultur sowie die Jesuitenreduktionen in Mojos]


Abb. aus diesem Werk: Mojos-Indio mit Alltagskleidung und Festschmuck auf dem Kopf

1793

Peramás, José Manuel: De vita et moribus tredecim virorum paraguaycorum. -- Faventiae [= Faenza] : Archius, 1793. -- 462 S.

Aus dem Kapitel über P. Martin Schmid (1694 - 1772):

"Was M. Schmid für das zeitliche Wohl der Schickiter getan hat.

§ 35. Um zu erkennen, wie sehr M. Schmid den Nutzen der Schickiter befördert hat, muss man sich zuerst erinnern, wie der Zustand der Schickiter damals, als er dahin gekommen, beschaffen war. Das schickitische Volk wurde gegen das Ende des siebzehnten Jahrhunderts von P. Joseph Augustin Arx zuerst zur Annahme des Glaubens berufen. Diese Nation war sehr kriegerisch und deswegen destomehr zu furchten, weil sie ein ihr allein bekanntes Gift hatte, womit sie ihre Pfeile vergifteten. Dieses Gift wirkte so schnell, dass, wenn ein solcher Pfeil auch nur einen einzigen Tropfen Blut hervorbrachte, der Tod allsogleich erfolgte, ohne dass ein Mittel dagegen bekannt war. Indessen hatten die kriegerischen Schickiter eine Gemütsart, welche der Vernunft Gehör gab und der Bildung fähig war. Als die Jesuiten ihnen das Gute vorstellten, welches aus dem gesellschaftlichen Leben und von den Lehren des Christentums sich auf das ganze Volk ausbreiten würde, ergaben sie sich ihrer Leitung und ihrem Schütze, dem sie sich auch späterhin freudig unterstellten.

§ 36. Man war also gleich anfangs beschäftigt, Städte zu bauen (oder besser, Ortschaften aufzurichten). Dieses ging so glücklich vonstatten, dass innert kurzem einige standen. Diese waren zu Beginn ohne Gestalt und ohne Ansehen, ja kaum etwas anderes als ein sicherer Zufluchtsort, in welchem diejenigen, welche sich schon versammelt hatten, von einem Priester unterrichtet wurden, währenddem der andere die größten Beschwernisse auf sich nahm und weite Reisen machte, um immer mehrere aufzusuchen und herbeizuführen. Denn es war bei den Schickitern Brauch, dass ein jedes Familienoberhaupt mit den Seinigen an einem abgesonderten Ort wohnte. Die Entfernung von einem Ort zum ändern war so groß, dass sie oft viele Meilen betrug. Der Raum, der zwischen zwei Wohnorten lag, wurde von beiden angrenzenden Familien gemeinschaftlich benutzt, um Gemüse zu säen, Honig zu sammeln, zu jagen und Vögel zu fangen. Da die Jesuiten jede Familie einzeln aufsuchen mussten, nahm diese Arbeit viele Jahre in Anspruch.

§ 37. Da sich die Sache nun also verhielt, dass einer der Geistlichen sich auf diese gottselige Reise wagte, während der andere im Städtchen zurückblieb, um den schon Anwesenden die Lehren des Glaubens beizubringen, so waren beide Tag und Nacht mit dringender Arbeit überhäuft. Keiner konnte sich darauf verlegen, die Gebäude oder die zeitlichen Angelegenheiten in bessere Ordnung zu bringen. Alle nützlichen Künste waren also bei den Indianern entweder ganz unbekannt oder höchst unvollkommen. Dazu kam noch, dass die Geistlichen nicht einmal im Stande waren, die zum Arbeiten nötigen Instrumente sich von anderswoher anzuschaffen, weil ihnen zuerst jene Besoldung noch nicht ausbezahlt wurde, welche später der König von Spanien den indianischen Missionären zu bezahlen befohlen hatte.

§ 38. Auf diese Weise war der Zustand der Schickiter beschaffen, als M. Schmid, durch dessen Bemühung die Gestalt der Städte gänzlich verändert worden ist, dorthin kam. Da er ein Mann von scharfem Verstande und einer ganz besondern Betriebsamkeit war, nahm er sich allsogleich vor, alles mögliche anzuwenden, um den Wohlstand aller zu vermehren. So oft er also von den geistlichen Unterweisungen und den Verrichtungen in der Kirche einige Zeit übrig hatte, bemühte er sich ganz dahin, die Schickiter beinahe alle Künste zu lehren. Er bildete sie zu Zeichnern, Malern, Gipsarbeitern, zu Kupfer- und Eisenschmieden, zu Schreinern, Zimmerleuten und ändern Erz- und Holzarbeitern, indem er das, was jedes Handwerk für sich eigenes hatte, seinen Lehrlingen mündlich und vermittelst eigener Arbeit beibrachte.

§ 39. Er war bei den Zimmerleuten gegenwärtig und zeigte ihnen den rechten Gebrauch der Säge, der Zimmeraxt, des Beils, des Hobels, Zugmessers und der übrigen Werkzeuge, indem er sie alle selbst in die Hand nahm und gebrauchte, damit die Indianer wegen ihrer Unwissenheit das Material, welches dort zum Bauen vortrefflich ist, nicht verdarben. Er war bei den Drechslern zugegen, wenn sie drechselten und Holz polierten und lehrte sie, wie sie das Eisen gleich fuhren, das Holz eben schneiden und ihm die gehörige Gestalt geben sollten. Er war bei den Schmieden zugegen, und, indem er selbst das Eisen erweichte und schlug und feilte, zeigte er ihnen, wie die Feuerzange, der Hammer und die Feile auf die richtige Weise gebraucht werden. Er beaufsichtigte die Weber und erklärte ihnen, auf welche Art sie beim Gewebe schöne und zierliche Veränderungen anbringen könnten. Er war bei den Malern und gab sich alle Mühe, sie zu unterweisen, wie sie die Farben richtig zubereiten, wie sie bei der Verfertigung eines geistlichen Bildes einen verhältnismäßigen Maßstab beobachten und auf die Lage und den Nachdruck der Schattierungen aufmerksam sein sollten. Er war bei den Bildhauern, war bei denen, welche die gewobenen Tücher färbten, war bei denen, welche zur Zierde der Kirche die Gipswerke vergoldeten und unterrichtete einen jeden in dem, was seine Arbeit mit sich brachte.

§ 40. Er führte dort auch das Töpfer- und Hafner-Handwerk ein und lehrte die Indianer, wie sie vermittelst dazu aufgerichteter Räder, Häfen, Eimer, Krüge und verschiedene Geschirre dieser Gattung drehen könnten. Ebenso war er der erste, welcher die Schickiter unterrichtete, wie sie das Zinn, welches von ändern Orten hergeholt werden musste, schmelzen, in dazu eingerichtete Formen gießen, auf diese Weise Leuchter, Schüsseln und Geschirre jeder Art verfertigen und diese alsdann glätten und polieren sollten. Er hat diese Kunst wahrscheinlich zu Corduba in der Provinz Tucumanien gelernt, als er dort vorbei reiste. Dort war ein Laienbruder der Gesellschaft Jesu, welcher Joseph Clausner hieß. Dieser hat dort zum großen Nutzen der Provinz den Gebrauch des Zinns eingeführt. Da dort weder Glas noch Kristall zu finden war, so verfertigte Clausner zinnene Salzgefäße, kleine Schüsselchen, Becher und Schalen. Dieser Geschirre bediente sich jedermann anstatt des Glases, wenn er sie nicht von Silber hatte. Wer dieser Clausner gewesen war, von woher er dorthin gekommen und was er dort getan hat, ist aus einem Brief zu sehen, welchen er als einen Beweis eines dankbaren Herzens unterm 19. März 1719 von Corduba nach München an seinen ehemaligen Lehrer geschrieben hat. Dieser Brief ist mit solcher Aufrichtigkeit, Zierlichkeit und kindlicher Liebe geschrieben, dass er allen Laien zur Zierde und zur Ehre gereichen kann. Der berühmte Lud. Anton Muratori hat ihn drucken lassen, (Im 2. ten Teil seines Buches, welches den Titel hat: Glückliches Christentum, anno 1752).

§ 41 Sehr wahrscheinlich lernte M. Schmid von eben diesem Clausner zum Gebrauche der Kirchen Glocken zu gießen und er unterrichtete die Schickiter auch in dieser Kunst. Gewiss ist, dass Clausner zu Corduba sich damit beschäftigte, für die Kirchentürme Glocken zu verfertigen und dass er der einzige war, der dies tat. Das Erz, welches zum Giessen gebraucht wurde, wurde von der Stadt Potosi hergeholt, denn im ganzen Lande der Schickiter war kein Metall zu finden. Da die Indianer einen guten und alles leicht zu fassenden Verstand hatten, haben sie die Handwerke und Künste, von welchen bisher geredet worden, von M. Schmid so gut gelernt, dass sie dieselben nachher selbständig ausüben konnten. ...

Seine geistlichen Verrichtungen.

§ 61. Es würde nicht viel genützt haben, dass M. Schmid sich für den Bau glänzender Kirchen bemühte, wenn nicht auch die Ausbildung des Gemütes und die Frömmigkeit seiner Untergebenen mit diesen übereingestimmt hätte. Es ist hier noch zu erwähnen, was M. Schmid auch in dieser Hinsicht getan hat. Ihm gebührt auch als geistlichen Seelsorger ein überaus hohes Lob. Er hat diese Ehre zwar mit ändern Priestern seines Ordens gemein. Aber dies ist keine Ursache, sie stillschweigend zu übergehen.

§ 62. Die täglichen geistlichen Übungen der Schickiter bestunden darin: Bei Sonnenaufgang, wenn der Pfarrer und sein Amtsgehilfe nach ihrer Gewohnheit schon der geistlichen Betrachtung oblagen, wurde vom Turm der Kirche das Zeichen zur hl. Messe gegeben. Die Indianer kamen auch an Werktagen alle zusammen, ausgenommen, wer wegen wichtiger Ursache verhindert war. Viele kamen schon lange vor Beginn der hl. Messe. Alsdann beteten die Männer außerhalb, die Weiber innerhalb der Vorhalle des Tempels. Unter diesen verdient besonders eine alte, beinahe neunzigjährige Frau aus der Stadt St. Jakob erwähnt zu werden (sie lebte noch, als die Jesuiten von dort vertrieben wurden). Diese hatte die Gewohnheit, täglich zwei Stunden vor Sonnenaufgang zur Kirche zu kommen und dort mit gebogenen Knien zu beten. Nachher reinigte sie den Platz, und endlich, nachdem die Kirche eröffnet worden, wohnte sie dem hl. Messopfer bei. Auf diese Weise brachte sie täglich vier und auch fünf Stunden ununterbrochen mit geistlichen Übungen zu.

§ 63. In der Kirche hatten die Männer, die Weiber, die Knaben und die Mädchen, jede ihren eigenen, bestimmten Platz. Auch gingen die Männer und Knaben zur einen, die Mütter und Töchter zur ändern Türe in dieselbe hinein, wie es auch bei den Guaraniern üblich ist. Täglich lasen beide Priester die hl. Messe, während welcher die Musikanten mit der Orgel, den Singstimmen und übrigen Instrumenten die Musik aufführten, welche M. Schmid zu diesem Zweck komponiert oder verfertigt hatte. Am Samstag wurde von einem der Priester zur höhern Verehrung der seligsten Jungfrau Maria ein feierliches Amt gehalten. Ebenso hielten sie jeden Monat einmal mit größerer Feierlichkeit ein Amt für die Verstorbenen. Am Altar dienten jeweils zwei Knaben, welche, dem Fest des Tages entsprechend, mit roten, blauen oder schwarzen Röcken und leinernen Überröcken bekleidet waren.

§ 64. Nach vollendetem Gottesdienst wurde in Begleitung der Indianer den gefahrlich Kranken, wenn dergleichen waren, die hl. Wegzehrung erteilt. Hierauf wurden, wenn jemand zu begraben war, die Leichenbegängnisse gehalten. Hernach kehrten die Männer und Weiber aus der Kirche in ihre Häuser zurück. Vier Christenlehrer aber blieben dort, von welchen zwei beauftragt waren, von den Knaben und zwei an einem ändern Ort von den Mädchen sich die christliche Lehre hersagen zu lassen. Wenn dies alles geschehen war, gingen alle nach Hause, um ein Frühstück zu nehmen. Der Montag aber war besonders dazu bestimmt, öffentliche Arbeiten zu verrichten und die gemeinschaftlichen Felder zu bauen (Die Verwaltungsart der zeitlichen Güter war bei den Schickitern nicht so beschaffen wie bei den Guaraniern. Diese hatten alles ohne Ausnahme miteinander gemein. Bei den Schickitern hatte jeder eine eigene Besitzung. Dieser Unterschied kam von der unterschiedlichen Neigung und Betriebsamkeit der Völker her.)

§ 65. In der zweiten Stunde nach der Mittagszeit wurde das Zeichen zur Vesper gegeben. Alsdann kamen die Knaben und Mädchen wieder zur Kirche. Der Pfarrer oder sein Amtsgehilfe unterrichteten sie wechselweise, rief bald diesen, bald jenen auf und fragte ihn öffentlich, um sich zu überzeugen, ob er in den verschiedenen Teilen der christlichen Lehre gründlich unterrichtet sei. Eine Stunde vor Sonnenuntergang wurde wieder das ganze Volk durch ein Glockenzeichen zur Kirche berufen, welches dann im Beisein sowohl des Pfarrers als seines Gehilfen den Rosenkranz betete. Wenn diese Andacht zur seligsten Jungfrau verrichtet war, wurde noch zur Lobpreisung des allerheiligsten Altarsgeheimnisses ein spanisches Lied gesungen. (Bendito, yalabado, sea el Santissimo Sacramento del Altar etc. ). Nachher wurde wieder, wenn jemand gefährlich krank war — wie am Morgen — die hl. Wegzehrung oder letzte Ölung erteilt, oder wenn jemand gestorben war, dieser beerdigt. M. Schmid oder sein Amtsgehilfe mochten aber, wann immer, bei Tag oder Nacht, wegen einer drohenden Gefahr zu den Kranken berufen werden. Sie gingen ohne Verzug mit zwei oder drei Kirchendienern hin, denn ganz allein gingen sie nie in die Häuser der Indianer.

§ 66. Noch etwas von den Knaben und Mädchen. Nach dem Rosenkranz wurden alle aus der Kirche entlassen, und alle begaben sich mit ihrem Lehrer und Aufseher zu einem großen Kreuze, welches auf dem offenen Platze aufgerichtet war. Dort ließ man sie die vornehmsten Hauptstücke der christlichen Lehre wiederholen, damit sie dem Gedächtnis desto fester eingeprägt würden. Man ließ diese Übung bei dem Kreuze verrichten, weil die Neubekehrten eine außerordentliche Liebe und Ehrerbietung gegen dasselbe hatten. Sie machten vor demselben oft ihre Anbetung, küssten und zierten es mit in Kränze geflochtenen Blumen.

§ 67. Der Pfarrer und sein Amtsgefährte besuchten täglich am Abend ihre Kranken. Zugleich nahmen sie jemanden mit sich, welcher einem jeden aus dem Pfarrhause Brot und ein Gemüs, welches von indianischem Korn und Fleisch gekocht war, überbringen musste. Die Seelsorger hätten kein Mittel anwenden können, die Herzen der Neubekehrten an sich zu ziehen, welches so sehr wie dieses gewirkt hätte. Mit der körperlichen Nahrung wurde auch eine geistliche verbunden, indem der Priester die Kranken zur Ausübung christlicher Tugenden ermunterte, ihnen Muster von Übungen des Glaubens, der Hoffnung, der Liebe vorsagte und sie ermahnte, die Beschwerden ihrer Krankheit geduldig zu ertragen und dabei auf die ewigen Belohnungen, die ihnen bevorstanden, hinzusehen. M. Schmid hielt diese täglichen Krankenbesuche so hoch, dass er, als er einst wegen geschwollenen Füssen nicht gehen konnte, sich einerseits auf einen Stock lehnte, anderseits sich an der Schulter eines Begleiters festhielt und sich auf diese Weise ganz vergnügt in die Häuser der Kranken schleppte.

Was er an den Festtagen tat.

§ 68. So viel von den Werktagen. An den Festtagen kamen noch andere Verrichtungen dazu. Früh am Morgen kamen Männer und Frauen, Knaben und Mädchen in die Kirche, und alle gingen an ihren bestimmten Ort. Darauf sagten sie, indem zwei sie darin leiteten, mit lauter Stimme den ganzen Inbegriff der christlichen Lehre her. Nachdem dies geschehen war, bestiegen entweder Schmid oder sein Gehilfe die Kanzel und hielten eine Anrede von den christlichen Tugenden oder von den Geheimnissen des Glaubens. Nachdem er von der Kanzel heruntergestiegen, besprengte er das Volk mit Weihwasser nach der Vorschrift der Kirche und fing darauf das feierliche Hochamt an, welches von einer belebenden Musik begleitet wurde. Nach vollendetem Amte folgte noch eine Messe, welcher diejenigen beiwohnten, welche wegen der Krankenpflege beim ersten nicht gegenwärtig sein konnten. Auch während dieser Messe ertönte eine festliche Instrumentalmusik.

§ 69. Sonntag nachmittags wurden alle jene feierlich getauft, die in der vorhergehenden Woche geboren waren und deren Taufe ohne Gefahr auf diesen Tag verschoben werden konnte. Jene, deren Leben in Gefahr war, wurden sofort getauft. Die Ursache, weshalb bei diesem Anlass eine öffentliche Feier abgehalten wurde, war, dass die Indianer mit einer desto größeren Hochachtung für dieses erste Sakrament erfüllt würden. Es war aber in allen Städten der Brauch eingeführt, dass ein einziger, schon alter Mann alle Knaben, und ebenso eine einzige alte Frau alle Mädchen, die zu taufen waren, aus der Taufe hob, oder bei ihnen, wie man zu sagen pflegt, Gevatterstelle versah. Dies wurde deswegen angeordnet, damit die geistlichen Verwandtschaften nicht vermehrt und den Ehen destoweniger Hindernisse in den Weg gelegt würden. Diese Ehen wurden erst eingesegnet, nachdem der Seelsorger sowohl den Bräutigam als die Braut sorgfältig geprüft hatte, ob sie sich mit vollkommen freiem Willen dazu entschlossen hätten. Somit folgten dann keine unangenehmen Auftritte, welche anderswo bisweilen entstanden, da man sich dazu nicht gehörig vorbereitet hatte.

§ 70. Wenn irgend ein größerer Festtag herannahte, ermahnte der Pfarrer oder sein Gehilfe das Volk, sich auf denselben würdig vorzubereiten. Er sagte, dass, wenn sich einige durch die Beicht mit Gott aussöhnen wollten, sollen die Männer und Frauen aus einer gewissen Abteilung (welche er nannte) am Donnerstag, die aus einer ändern Abteilung am Freitag und endlich wieder die aus einer ändern Abteilung am Samstage vor dem geheiligten Richterstuhl erscheinen. Dadurch geschah es, dass alle, welche ihre Seele von jedem Flecken reinigen wollten, es bequem ohne Geräusch und Gedränge tun konnten. Am Festtage selber gingen Schmid und sein Gehilfe sehr früh in die Kirche, damit, wenn jemand von denen, die das Sakrament der Busse empfangen hatten, zu wiederholen wünschte, sie ihm allsogleich Gehör geben konnten. Die gleiche Ordnung beobachteten sie in der hl. Fastenzeit bei der Verrichtung der österlichen Beicht. Es wurde nämlich eine jede Abteilung des Volkes an gewissen Tagen berufen.

§ 71. Die Indianer wohnten diesen geistlichen Übungen mit einer unbeschreiblichen Andacht bei. Man kann es aus dem entnehmen, dass, da doch die Kirche während der hl. Messe und der Predigt mit drei bis vier Tausend Menschen angefüllt war, nicht das geringste Geräusch oder Unruhe gehört wurde, und dass niemand sich von der Stelle bewegte oder niedersaß, ausgenommen wenn der Priester predigte. Um aber in der Kirche sowohl als öffentlich eine rechte Ordnung beizubehalten, war das Volk in einige Klassen eingeteilt, welchen einige Indianer vorgesetzt waren, die sich durch Tugend und Bescheidenheit vor ändern auszeichneten. Diese gingen gleichsam als Lehrer und Sittenrichter in allen Handlungen den übrigen voran, beobachteten die Lebensart anderer und meldeten es dem Pfarrer, wenn etwas eine Verbesserung nötig hatte.

§ 72. Überdies war in allen Städten eine gewisse Bruderschaft eingeführt, welche eine vorzügliche Verehrung der seligsten Jungfrau und Muttergottes Maria zum Gegenstand hatte. Die Mitglieder, welche sich ihr hiemit verlobt hatten, empfingen öfters als andere die hl. Sakramente und besuchten, nebst ändern Übungen der Gottseligkeit, öfters die Kranken und trösteten sie. In diese Bruderschaft wurde niemand aufgenommen ohne vorherige lange Prüfung. Jene, welche die Aufnahme wünschten, warteten zwei bis drei Jahre lang, bis sie die Unbescholtenheit ihrer Sitten und das gute Beispiel ihres Lebens vollkommen bewiesen und bestätigt hatten. Wenn irgend einer von denen, welcher darin aufgenommen worden war, darauf wieder ausartete oder in merkliche Laster verfiel, wurde die Schrift oder das Abzeichen, das man ihm gegeben hatte, öffentlich vernichtet und als ungültig angesehen. Denjenigen aber, welche bis ans Ende getreu verblieben, wurde ein besonderer Ort zum Begräbnis angewiesen.

Der Nutzen der geistlichen Tätigkeit des M. Schmid bei den Neubekehrten.

§ 73. Es ist nicht nötig, hier mehr als einige rühmliche Handlungen der Schickiter anzuführen, um von diesen auf andere schließen zu können. Im Jahre 1766 war eine gewisse Anzahl aus der Stadt St. Johann Baptist ausgegangen, in der gottseligen Absicht einige sehr weit entfernte Heiden freundschaftlich zum gesellschaftlichen Leben und zum Glauben einzuladen. Jene sahen die Schickiter auf sich zukommen, und (obwohl diese sie freundschaftlich anredeten und gar nicht im Sinne hatten, ihre Waffen zu gebrauchen) hielten sie dieselben für Feinde und töteten ganz unerwartet mehrere von ihnen. Die übrigen ergriffen die Flucht. Unter diesen war auch ein alter Mann, welcher einen Sohn bei sich hatte. Als diesen seine Kräfte verließen und es schon an dem war, dass er von den Barbaren, welche ihnen nachsetzten, erreicht und getötet würde, gab er seine Lanze dem Sohn und sagte zu ihm: «Ich kann dem Tode nicht entfliehen. Du kannst es. Eile also geschwind davon und kehre in die Stadt zurück. Sorge für die Mutter und ernähre die Familie. »

§ 74. Ein anderer, welcher eben dieser unglücklichen Unternehmung beiwohnte, hat einen von den seinigen angetroffen, welcher umherirrte und kaum gehen konnte. Dieser nahm ihn aus freiem Antrieb auf die Schultern und brachte mit dieser gottgefälligen Bürde beladen viele Tage zu, um den kranken Mitbruder in die Stadt zurückzubringen. Als dieser aber fühlte, dass die empfangene Wunde ihm den Tod verursachte und dieser nahe war, bat er seinen Träger, er möchte stille halten und ihn auf den Boden legen, denn er spüre, dass er von ihren Brüdern, welche erst von den Ungläubigen getötet wurden, bald abgerufen werde. Kurz daraufgab er seinen Geist auf und wurde dort, wie er es begehrt hatte, samt seinen Kleidern begraben. Wessen Frömmigkeit, Gemütsruhe und Liebe ist hier mehr zu bewundern, die des Verstorbenen oder seines opferbereiten Begleiters? Das ist gewiss, dass solche Wunder der Tugenden mitten in den Wohnsitzen der Barbaren, welche vor kurzem noch vielmehr Höhlen der Tiger als Wohnungen der Menschen waren, von nirgends her erwartet werden können, als von der Hilfe und Gnade Jesu Christi, welcher die Kraft seiner Lehre und seines Gesetzes immerdar durch die heldenmütigen Beispiele solcher Menschen beweist, die ihr Leben für das ewige Heil ihrer Feinde dahingehen (größere Liebe gibt es keine). Übrigens wurde die Stadt wegen dem Verluste so vieler unschuldiger Männer in die größte Trübsal versetzt. Nur das eine tröstete sie, dass sie, bevor sie auf diese gottselige Unternehmung ausgegangen waren, sich durch das Sakrament der Busse vorbereitet und durch das himmlische Brot gestärkt hatten.

§ 75. Kaspar Troncos näherte sich einst einigen Barbaren, um sie durch gütige Vorstellungen und kleine Geschenke an sich zu ziehen und mit sich in die Stadt des hl. Ignatius heimzuführen. Kaum hatten die Wilden die Schickiter gesehen, die bei ihnen waren, so verwundeten sie einige aus ihnen mit ihren vergifteten Pfeilen. Unter diesen Verwundeten nun befand sich einer, den Troncos, da er schon dem Tode sehr nahe war, fragte, ob er gegen den Barbar, welcher ihn verwundet hatte, Abneigung in seinem Herzen empfinde. Ganz und gar nicht, antwortete jener. Er ist ein Heide und weiß nicht, was er tut. Hierauf beichtete er und starb mit der größten Gemütsruhe. Er wurde auf dem nämlichen Platz begraben.

§ 76. In dem nächstfolgenden Jahr kehrte Troncos dorthin zurück, um die gleichen Indianer, falls sie vielleicht sanftere Gesinnung angenommen hätten, zum Glauben zu berufen. Zugleich wollte er die Gebeine des Gefährten, den er am letzten mal verloren, ausgraben und in den Tempel der Stadt übertragen. Aber (siehe ein wunderbares Ereignis) der Ort war offen, den Einflüssen der Luft und den Platzregen ausgesetzt. Auch die Erde selbst pflog sonst alles zu verzehren. Und dennoch wurde der Körper frisch und unverwesen gefunden. Gott schien diesem vortrefflich guten Neubekehrten, der mit den unschuldigsten Sitten begabt war, eine besondere Gnade erwiesen zu haben. Troncos wurde durch das Ungewöhnliche dieser Sache bewogen, den Körper nicht von der Stelle hinweg zu nehmen, damit eine noch längere Zeit es deutlicher zeigen möchte, ob diese Sache wirklich die Kräfte der Natur überstieg. Er hatte im Sinn, in Zukunft nochmal dorthin zurückzukehren und war entschlossen (wenn er den Körper wieder unverwesen anträfe), dieses heilige Unterpfand in die Stadt zu übertragen. Allein, unterdessen kam das Gesetz der Verbannung. Er musste von den Schickitern fort und was sich nachher zugetragen hat, ist nicht bekannt.

§ 77. Die Gottesfurcht der Schickiter leuchtete zwar in verschiedenen Begebenheiten hervor, äußerte sich aber besonders gegen das allerheiligste Sakrament des Altares. Wie sehr sie dieses verehrten, war bei der öffentlichen Prozession am hl. Fronleichnamsfeste zu sehen. Diese wurde zwar in den Städten Europas mit Pracht und Herrlichkeit, wie es billig ist, angeordnet, indem überall die prächtigsten Teppiche glänzten, Gold und Silber öffentlich ausgesetzt und der Boden mit kostbaren Decken und Tüchern belegt wurde. Diese Pracht war indessen nicht besser und heiliger als jene einfache Zurüstung der Indianer, welche gewiss mit dem bescheidenen Aufzuge mehr übereinstimmte, in welchem Christus der Herr, ehe er das göttliche Abendmahl einsetzte, in Jerusalem seinen Einzug hielt. Er ritt nicht auf einem prächtigen Wagen oder auf einem mit Edelsteinen gezierten Pferde daher, sondern auf einem unbedeutenden Tier, währenddem die Scharen des Volkes ihm glückwünschend und frohlockend zuriefen, vom göttlichen Geiste entflammt Palmzweige in die Hand nahmen, ihm entgegen gingen und mit ihren Kleidern die Wege bestreuten.

§ 78. Den Platz, welcher groß und viereckig war, zierten die Indianer mit Schwibbogen, die aus Baumzweigen hergestellt wurden. An diesen hingen hin und wieder von den nämlichen Bäumen herkommende Früchte, Zwischen den grünen Blättern aber flogen verschiedene Vögel von ungleicher Gestalt und Farbe, welche an dünnen Stricken festgemacht waren. Desgleichen waren Enten, Gänse, Papageien, deren es dort viel und sehr schöne gibt. Dazu kamen noch Tünche [Tukane], deren Schnabel beinahe so lang als ihr ganzer Körper ist und Maximos (ein schickitisches Wort), welche den Pfauen nicht unähnlich sind, wie auch Strauße, welche eine bedeutende Grosse haben, wenn sie mit ausgestrecktem Halse auf ihren hohen Füssen stehen (Das von den Vögeln und Tieren wird hier nur beispielsweise angeführt, denn diese waren nicht in allen Städten bei den Schwibbogen zu finden, sondern nur so weit sie - mehr oder weniger - einige Tage zuvor von den Indianern gefangen werden konnten.).

§ 79. An den untersten Teilen der Schwibbogen wurden wilde Tiere aus den Wäldern festgebunden: [Ameisen-]Bären, wilde Schweine, Hirsche, Damhirsche, Füchse, Schildkröten, Hasen und andere dergleichen. Und wirklich, diese Tiere erhöhten durch eine gewisse Art von Dienstbezeugung und ihre stillschweigende Nachgiebigkeit (nach den Begriffen der dortigen Völker) die Macht und Majestät des bei ihnen vorbeigehenden Herrn, welcher die Menschen oft an die Pflicht der Dankbarkeit erinnert durch den Ausspruch: alle Tiere der Wälder, das Vieh auf den Bergen und die Ochsen gehören mir zu. Ich kenne alle Vögel des Himmels, und die Zierde des Feldes ist in meiner Gewalt (Psalm 49). — Ebenso durch den Mund des Propheten: Ich werde von den wilden Tieren und Drachen und Straussen gepriesen (Jsa. 43, 20)

§ 80. Der Boden wurde in der Mitte unter den Schwibbogen, wo die Prozession vorbeiging, mit Blumen oder Samen von Früchten oder Tüchern bestreut, welche jene zu diesem Gebrauch gewoben hatten. Diese Dinge wurden auf die Erde gelegt, damit der darübergehende Gott dieselben heiligen und destomehr ihre Häuser und Felder segnen möge. Darin bestand also die wohlgemeinte Aufmachung der Schickiter, die ohne Zweifel vom hl. Hieronymus gelobt worden wäre, wenn er sie gesehen hätte. Denn dieser lobte in einer Grabschrift seinen Negotianus, dass er die Kirchen mit verschiedenen Blumen, mit Zweigen von Bäumen und Weinrebenblättern umhängt habe.

§ 81. Unterdessen aber war doch jene Verehrung noch weit mehr zu schätzen, welche sie durch ihre Eingezogenheit und durch alle Gebärden ihres Leibes bezeugten, indem sie den Priester, der die Prozession hielt, begleiteten. Auf der einen Seite waren die Männer, auf der ändern die Frauen. Alle waren ganz in die Anbetung der Gottheit vertieft, so dass es schien, als ob auch sie jenes feierliche Lied wiederholten, welches einst dem triumphierenden Herrn von den Hebräern gesungen wurde: Hosanna dem Sohne Davids. Gebenedeit sei, der da kommt im Namen des Herrn. Ehre sei ihm in der Höhe. Dieses ist's, was der gekrönte Psalmist von den Amerikanern und ändern Völkern der Erde vor so vielen Jahrhunderten vorausgesagt hatte. Alle Geschlechter der Erde - so sind seine Worte - werden ihn anbeten, und alle werden vor seinem Angesichte niederfallen, welche unter die Erde steigen (Psalm 21, 28. 30). Anton Vinyta legt dieses von den Gegenfüßlern oder Amerikanern aus.

§ 82. Dazwischen ertönte der festliche Klang der Glocken und die fröhliche, belebende Musik zur Lobpreisung des Allerheiligsten. Einige mit langen Röcken und leinenen Überröcken bekleidete Knaben hielten einen ausgespannten Sonnenschirm in die Höhe, einige waren mit Gelassen versehen, welche für die Räucherung mit geriebenem Gewürzpulver gefüllt waren. Andere endlich breiteten mit silbernen Rauchgefäßen ohne Unterlass einen angenehmen Geruch in die Luft aus. Soviel von diesem fröhlichen Tage.

§ 83. Die Fasten nannten sie, wie es in der Tat ist, die hl. Zeit. Es wurde während derselben in allen Städten ein mehr als gewöhnliches Stillschweigen beobachtet. Man enthielt sich von allen öffentlichen Spielen. Hingegen wohnte das ganze Volk den Predigten bei, welche alsdann wöchentlich dreimal am Abend gehalten wurden. Am Donnerstag und Freitag in der Karwoche, wenn Jesus Christus unter der Gestalt des Brotes im hl. Grabe ausgesetzt wurde, waren beständig einige zugegen um ihn anzubeten, denn hiezu wurde immer eine Abteilung des Volkes von der ändern abgelöst. Am Donnerstag in der Karwoche wurde spät auf den Abend eine Predigt von dem Leiden unseres Erlösers und darauf eine Prozession gehalten. Während dieser glaubten die frommen Indianer in etwas unsern für uns leidenden Erlöser nachzuahmen, wenn sie sich selbst freiwillige Leiden auferlegten. Es gab sogar einige, welche so heftig auf ihre entblößten Rücken schlugen, dass die Wände des Tempels, der Weg und der öffentliche Platz von dem hervorbrechenden Blute besprengt wurden.

§ 84. Hier ist noch etwas zu erwähnen, an dem man nicht stillschweigend vorübergehen darf. Wenn die Knaben und Mädchen ein Alter erreicht hatten, in welchem sie gewöhnlich zum erstenmal zum Tische des Herrn hinzugelassen wurden, stellte der Pfarrer mit ihnen ein vollständiges Examen an, um sie genau zu prüfen, ob sie fähig seien, die hl. Kommunion zu empfangen. Wenn nun alle, welche dazu würdig befunden worden, Gott im heiligsten Altarsgeheimnisse empfangen hatten, so brachten sie eine beträchtliche Zeit damit zu, nach der Messe dem göttlichen Gaste zu danken. Sie bedienten sich dazu eines geschriebenen Büchleins, welches einer von den Kirchendienern mit solchen Empfindungen und Ausdrücken vorlas, welche mit dieser hl. Handlung übereinstimmten.

§ 85. Die Zucht und Ordnung war in diesen Städten vortrefflich eingerichtet und wurde genau beobachtet. Dessen ungeachtet konnten hin und wieder Fehler entstehen, denn die Schickiter waren wie die übrigen Menschen den Trieben der verderbten Natur unterworfen. Doch gebührt ihnen darin ein vorzügliches Lob, dass sie besonders einige Gebote niemals übertraten. Es war bei ihnen z. B. gar keine Gewohnheit, leichtsinnig oder falsch zu schwören, oder jemanden übel nachzureden. Ebenso wenig wusste man von Gotteslästerungen oder veralteten, fortdauernden Ärgernissen. Denn wenn jemand gefehlt hatte, konnte er der Aufmerksamkeit der Aufseher und Sittenrichter nicht lange entgehen. Diese forschten den Umständen nach und berichteten es allsogleich dem Pfarrer. Wenn nun die Fehlenden vom Pfarrer gerufen und überwiesen waren, so wurden sie mit einer Strafe belegt. Dieser unterzogen sie sich alsdann willig und verbesserten reumütig den begangenen Fehler.

§ 86. Dieses ist das wesentliche, das die geistliche Leitung der Schickiter betraf. Es ist der Ordnung, welche bei den Indianern in der Provinz Guaranien beobachtet wurde, vollkommen ähnlich. Denn die nämlichen Jesuiten aus der Provinz Paraquarien hatten zuerst diese unterrichtet und sich durch eine vieljährige Erfahrung überzeugt, dass diese Ordnung geeignet sei, die Gemüter der Neubekehrten zu leiten und sie zu unterrichten. Sie haben diese daher absichtlich auch in der Landschaft der Schickiter angewandt.

§ 87. Übrigens muss alles das, was über diesen Gegenstand gesagt worden ist, ganz besonders von M. Schmid gesagt werden. Dieser brannte vorzüglich vor Begierde, diese Ordnung nach allen Kräften aufrecht zu erhalten. Nur um das Heil der Indianer zu fördern und die Ehre des Hauses Gottes zu vermehren, fügte er sich in alle möglichen Verhältnisse und Umstände, verlegte sich auf alle Künste und brachte es in all denselben so weit, dass ich, wenn ich die Sache nicht allzusehr zu übertreiben schiene, dasjenige auf ihn anwenden möchte, das einst von dem vortrefflichsten, von Gottes Geiste erfüllten

Künstler, welcher die Stiftshütte und den Tabernakel zu bauen ernannt wurde, gesagt worden ist: «Siehe (sprach Moses zu Israel), der Herr hat den Beseleel, den Sohn Uris berufen, - und ihn mit Gaben des göttlichen Geistes, mit Weisheit, mit Verstand, mit Wissenschaft und aller Kenntnis erfüllt, um alles zu erdenken und zu machen, was immer sich verarbeiten lässt. Alles, was man Künstliches erfinden kann, das hat er ihm in sein Herz gegeben. » (Exodus 35, 30 - 40)"

[Übersetzung und lateinischer Originaltext in: P Martin Schmid 1694 - 1772 : seine Briefe und sein Wirken / bearb. von Rainald Fischer. -- Zug : Kalt-Zehnder, 1988. -- (beiträge zur Zuger Geschichte ; 8). -- ISBN 3-85761-242-8. -- S. 193 - 201, 223 -243]

1793-03-09

Villava y Aybar, Victorián de <1747, Zaragoza - 1802, La Plata>: Discurso sobre la mita de Potosí

"DISCURSO SOBRE LA MITA DE POTOSÍ

Más debe mirarse por la vida de los mortales que por el aumento de los metales. San Ambrocio 2, oof: Cap.No.28.

Si de cuanto se ha dicho desde el año de 1545, en que se descubrió el cerro de Potosí en pro, y en contra, de la mita, o esclavitud temporal de los indios destinados a trabajar en las minas, se quisieran formar volúmenes, fuera fácil acopiar inmensos materiales, para llenar una librería, pues diversos entre si los dictámenes de los virreyes, los ministros, y los escritores de la América, no solamente han dado lugar a continuas dudas, y debates en este particular, sino que han ocasionado una alternativa opuesta en la legislación de este ramo, pero como al fin han prevalecido casi siempre las voces del interés, sofocando las voces de la humanidad, y como los unos, y los otros, han dado por supuesto ciertos principios, en mi concepto muy problemáticos, no deberá extrañarse, que yo no me atreva a manifestar mis reflexiones, después de haberse ventilado esta cuestión, siglos enteros por los mejores políticos que han pisado este continente. Cuando mis pensamientos nada añadieran a lo ya escrito, la sanidad de mi intención, podrá salvar mi impertinencia, pero si logro hacer dudosas las proposiciones, que se tenían por verdaderas, y esclarecer otras que se tienen por dudosas, habré logrado el premio de mi trabajo.

Se ha supuesto que siendo el trabajo de las minas de utilidad pública, y siendo la indolencia de los indios incontestable; podía forzarles, a este ejercicio sin injusticia: procuraremos para rechazar estos principios sin injusticia: procuraremos para rechazar estos principios hacer ver que ni el trabajo de las minas de Potosí, puede considerarse tal sino bajo de las mismas utilidades, meditas e indirectas, que cualquiera otro privado, y particular trabajo deja al público, ni el indio es tan desinteresado que deje de trabajar siempre que este seguro de su ganancia.Y a mas de esto manifestaremos que aun cuando ambos supuestos fueran irrefragables no podía autorizar al gobierno, a arrancar de sus hogares a los vasallos, y transplantar a otro clima y a otros trabajos, sin haber cometido delito alguno; así que para la mayor claridad, y mejor orden de este discurso lo dividiremos en estos cuatro puntos.

  1. Que el trabajo de las minas de Potosí no es público.
  2. Que aun siendo público no da derecho a forzar a los indios.
  3. Que el indio no es tan indolente como se piensa.
  4. Que aun siendo el indio indolente en sumo grado no debe obligarle a este trabajo con coacción."

[Der ganze Discurso ist herausgegeben in: La polémica en Bolivia : un panorama de la cultura de una nación a través de las grandes polémicas. -- La Paz : Temis. -- Tomo I. -- 1997. -- Depósito legal 4-1-1065-97. -- S. 47 - 57]

An anderer [leider nicht nachgewiesenen] Stelle greift Vitian de Villava die scholastische Universitätsausbildung an:

"¿Puede aspirar a culta una nación que apenas tiene enseñanza de las verdaderas ciencias y tiene infinitas cátedras de escolástica? ¿Puede ser culta sin geografía, sin aritmética, sin matemáticas, sin química, sin física, sin lenguas ma-. dres, sin historia, sin política en las Universidades; y si sólo con filosofía aristotélica y con leyes romanas, cánones, teología escolástica y medicina peripatética?"

[Zitat in: Francovich, Guillermo <1901, Sucre - 1990, Rio de Janeiro>: La filosofia en Bolivia. -- 3. ed. -- La Paz : Juventud, 1987. -- Depósito legal 4-1-261/87. -- S. 25]

1794 - 1817


Abb.: Thaddhäus Haenke in seinen letzten Lebensjahren (Cochabamba)

Der sudetendeutsche Gelehrte Thaddäus Xaverius Peregrinus Haenke (1761, Kreibitz - 1816, Cochabamba) lebt und forscht in Bolivien.

"Der bedeutende sudetendeutsche Gelehrte Thaddäus Haenke, der auf Empfehlung des Wiener Botanikers von Jacquin an der spanischen Malaspina-Expedition 1789-1794 nach dem pazifischen Süd- und Nordamerika, Alaska und den Philippinen teilnahm, verblieb nach der Rückkehr von den Philippinen in Südamerika und widmete sich ab 1794 im Auftrag des Vizekönigs von Peru intensiv der Erforschung Oberperus (des heutigen Boliviens). Er starb 1817 auf seinem Landgut bei Cochabamba auf den östlichen Hängen der bolivianischen Anden. Wie mancher der später einreisenden deutschen Forscher verfiel er dem Zauber dieses Landes, schlug hier Wurzeln und wurde zu einem »echten« Deutschbolivianer. Zu Anfang des Jahres 1800 schrieb er nach Wien:

 »Wenn die Völker Europas wüssten, wie schön es hier ist, wie glücklich und zufrieden man hier im Überfluss leben kann - sie würden die Alte Welt verlassen und hierherkommen.«

Haenke nahm auf seinen ausgedehnten Reisen zwischen 1794 und 1817 überall geographische Messungen vor, sammelte Pflanzen und notierte Beobachtungen über die Tierwelt. Völkerkundliche Forschungen betrieb er unter den Indianerstämmen der Cabinas, Pacaguares, Tottmanas und Chiriguanás, unter denen er längere Zeit lebte. Hier machte er sich auch als Pädagoge verdient, wie er seiner Mutter im Februar 1800 berichtete:

»Ich konnte den Eingeborenen hier schon viele Grundkenntnisse der Physik, Chemie und Mathematik vermitteln. Niemand scheint sich vor mir ihrer angenommen zu haben.«

Haenke entdeckte als erster die vielseitige chemische Verwendbarkeit des Chilesalpeters, seine Nutzbarkeit für die Herstellung von Explosivstoffen und zur Gewinnung von Goldscheidewasser; bei ihm finden sich auch erste Hinweise auf die Verwendung von Salpeter zur Herstellung von Kunstdünger. Aufgrund der Revolutionswirren wurden seine wichtigen Forschungen erst sehr spät der Weltöffentlichkeit bekannt, und erst in jüngster Zeit wurde sein wissenschaftliches Werk gebührend gewürdigt."

[Wolff, Reinhard <1911 - >; Fröschle, Hartmut <1937 - >. -- In: Die Deutschen in Lateinamerika : Schicksal und Leistung / hrsgg. von Hartmut Fröschle. -- Tübingen [u.a.] : Erdmann, ©1979. -- ISBN 3-7711-0293-6. -- S. 152]

1795 - 1797

Pedro Melo de Portugal y Villena (1733, Badajoz - 1797, Uruguay) ist Vizekönig von Río de la Plata

1795 - 1799

Auf der dänischen Westindien-Fregatte Freya werden regelmäßig Schiffarztjournale geführt. Sie zeigen deutlich, wie sehr die Schiffsmannschaften von Krankheiten heimgesucht werden. Die häufigsten Krankheiten an Bord sind:

1796


Abb.: Oquendo, Manuel de (gest. nach 1838) : India beim Spinnen, 1796


Abb.: Oquendo, Manuel de (gest. nach 1838): India beim Weben

[Bildquelle: Las mujeres en la historia de Bolivia : imágenes y realidades de la colonia (Antología) / Eugenia Bridikhina. -- La Paz : Anthropos, 2000. -- Depósito legal 4-1-1402-00. -- Lamina 12, 13]

1797 - 1799

Antoni Oleguer i Feliú (1742, Villafranca do Bierzo - ca. 1810, Madrid) ist Vizekönig von Río de la Plata

1797

"Sieh rings umher!
Wer sind die Fleißigen, die Künstler in
Britannien und Russland, Dänemark
Und Siebenbürgen, Pennsylvanien
Und Peru und Granada? - Deutsche sind's,
Nur nicht in Deutschland. Vor dem Hunger flohn
Sie nach Saratow, in die Tatarei."

Herder, Johann Gottfried <1744 - 1803>: Der deutsche Nationalruhm. -- In: Briefe zur Beförderung der Humanität. -- Neunte Sammlung. -- 1797

1798

Helms, Anton Zacharias <1750, Hamburg - 1801, Wien>: Tagebuch einer Reise durch Peru, von Buenos-Ayres an dem großen Plataflusse, über Potosi nach Lima, der Hauptstadt des Königreichs Peru. -- Dresden : Waltherische Hofbuchhandlung, 1798. -- 300 S. -- [Bericht über eine Studienreise 1788 - 1792. Besonders wertvoll wegen der vielen Zahlenangaben. -- 1806 erschien in London eine gekürzte englische Übersetzung, 1812 in Paris eine französische]


Abb.: Titelblatt

[Quelle der Abb.: Quintana Campana, Ernesto: Un investigador minero de la colonia. -- In: Casa de Moneda. -- Año 2, N° 2 (2000-01). -- S. 43]

Nach Helms gab es im Vizekönigtum Buenos Aires in den 21 Provinzen folgende Anzahl von Bergwerken:

1798-04-04

Carlos IV verleiht der Universidad Mayor San Francisco Xavier de Chuquisaca die gleichen Privilegien wie sie die spanische Eliteuniversität Salamanca besitzt.

1799 - 1801

Gabriel de Avilés y del Fierro (1735, Vic - 1810, Valparaiso) ist Vizekönig von Río de la Plata

1799-02-23

Große Überschwemmung in Moxos. Besonders betroffen sind Loreto, Trinidad, Santa Ana, Exaltación. Die Verluste, besonders an Rindern, sind immens.

Um 1800


Abb.: Herstellung von Chicha, um 1800

[Bildquelle: Merkl, Franz Josef: Ein Jesuit aus Bayerisch-Schwaben bei den Chiquitos in Bolivien : die Aufzeichnungen des Julian Knogler SJ (1717 - 1772) aus Gansheim, Donau-Ries. -- Augsburg : Wißner, ©1999. -- ISBN 3896391690. -- S. 88. -- {Wenn Sie HIER klicken, können Sie dieses Buch  bei amazon.de bestellen}]

Um 1800

Gobernador-Intendente Francisco de Viedma y Narváez (1737, Jaén - 1809, Cochabamba) schreibt über die Zustände in den Klöstern in Cochabamba:

"En los conventos de religiosos que tiene esta ciudad, a excepción del de mi padre San Francisco, no se guarda clausura ni vida común. Las mujeres entran a las horas que les parece en los claustros y celdas; cada religioso come en la suya o fuera del convento lo que puede según su manejo y medios; por lo regular algunos viven fuera de ellos y otros casi apóstatas. Desde el prelado abajo se recogen a la hora que les parece".

[Zitiert in: René-Moreno, Gabriel <1836, Santa Cruz - 1908, Chile>: Últimos días coloniales en el Alto-Perú. -- La Paz : Juventud, 1997. -- S. 172. -- Dort Quellenangabe]

Mariano Moreno Valle (1778, Buenos Aires - 1811, Atlantischer Ozean) beschreibt die Zustände im Klerus der Erzdiözese Chuquisaca:

"No hay ninguno entre ellos" — los indios — "por infeliz que  sea, que no dedique una parte del producto de su trabajo a este piadoso empleo, y estos ingresos aumentan el lujo de los ministros del culto. Hay sufragios desde las sumas más considerables, hasta las más pequeñas y esta política hace que la contribución sea general. Señaladamente hay un día en el año dedicado a rogar por las almas de los muertos, y en los distritos más inferiores se vende por el Cura propietario, a Sacerdotes que no tienen destino fijo, el privilegio de servir al público con sus pequeñas oraciones (responsos), por cuya concesión contribuyen éstos al propietario con la suma de 25 y 50 pesos de los productos de este solo día, que no deben ser cortos atendido que esos especuladores deben ganar algo para si, y costear además los gastos de su viaje, que muchas veces es de catorce o veinte leguas desde su propio domicilio.

"Ya sea debido a la santidad de los primeros Prelados que presidieron aquella iglesia, o ya a una costumbre que la pobreza del pueblo ha introducido, haciendo verificar a aquéllos lo mismo que ellos profesan, las rentas del Arzobispo de Charcas son distribuidas en las personas indigentes y en varias pensiones que se contribuyen a familias decentes que han caído en miseria, sin más deducción que de lo más necesario para el decoro del Prelado: particularmente el actual (187) fue tan exacto en este punto, que aun no se halló a su muerte la cantidad necesaria para pagar la asistencia de los médicos, dejando de este modo un ejemplo digno de imitarse por sus sucesores y compañeros, así como un motivo más a su pueblo de alabar sus virtudes y beneficiencia.

"El resto del clero se distingue por sus riquezas y poder, aunque es sensible añadir, que no por su conducta. Aun,su traje exterior lleva el aire de la ostentación y la opulencia, y son en todas partes el alma de la sociedad y los placeres. Los que se hallan situados en la Ciudad misma son más bien hombres del mundo que ministros de la iglesia, y aquellos que se hallan colocados en los partidos del campo, abandonan el desagradable clima de las punas y desiertos que habitan, para venir á ella a gastar en las diversiones y el juego los ahorros de dos años de los productos de su doctrina.

"Muchas personas virtuosas de su corporación han tratado de reformar estos abusos, que tanto desdoran la profesión sacerdotal; pero, aunque revestidas de autoridad, sus esfuerzos han sido vanos hasta el presente, y es de temer que continúen en serlo, mientras el pueblo no se ilustre bastante para corregirlos por sí mismo"

[Zitiert in: René-Moreno, Gabriel <1836, Santa Cruz - 1908, Chile>: Últimos días coloniales en el Alto-Perú. -- La Paz : Juventud, 1997. -- S. 179f. -- Dort Quellenangabe]

1800-03-07

In der Academia Carolina, Chuquisaca, kommen Überlegungen zur Unabhängigkeit Chuquisacas auf. Sie werden vom Establishment verspottet: "Son solo un grupo de doctorcillos revoltosos."

1800-10-17

Alexander Freiherr von Humboldt (1769, Berlin - 1859, Berlin) in einem Brief an seinen Bruder Wilhelm (1767, Potsdam - 1835, Tegel):

"Es gibt vielleicht kein Land in der ganzen Welt, wo man angenehmer und ruhiger leben könnte als in den spanischen Kolonien, die ich seit fünfzehn Monaten durchreise."

"In Europa ist man etwas erstaunt, dass die Spanier aus dem Mutterland, deren geringe Zahl wir hervorgehoben haben, so viele Jahrhunderte hindurch sich so andauernd und nachhaltig widersetzt haben. Was die Menschen vergessen, ist der Umstand, dass in allen Kolonien die europäische Partei dadurch wachsen muss, dass sie eine große Menge Kreolen in sich aufnimmt.

Familiäre Interessen und der Wunsch, in Ruhe zu leben, ohne fürchten zu müssen, dass sie in ein Unternehmen verwickelt werden können, das vielleicht scheitert, hindern diese Leute daran, sich der Unabhängigkeit zu verschreiben.

Manche sind allen gewaltsamen Mitteln abgeneigt und hoffen, dass langsame Reformen die Kolonialherrschaft weniger drückend erscheinen lassen werden; sie erwarten sich von einer Revolution nur den Verlust ihrer Sklaven, die Entmachtung der Geistlichkeit und eine religiöse Toleranz, die ihnen mit der Reinheit ihrer jetzigen Religion unvereinbar erscheint.

Andere wieder gehören den wenigen Familien an, die in jeder Gemeinde entweder durch ererbten Reichtum oder dank ihres langen Aufenthalts in den Kolonien eine wirkliche Aristokratie am Orte bilden. Sie würden lieber manche Rechte verlieren, als sie mit jedermann teilen . . . Sie hassen jede Verfassung, die auf Gleichberechtigung beruht, und fürchten besonders ihre Titel und Auszeichnungen zu verlieren, die sie mit soviel Mühe erworben haben und die für ihr Glück so wesentlich sind.

Wieder andere, und ihrer sind sehr viele, leben im Lande vom Ertrag ihrer Güter und genießen die Freiheit, die überall dort herrscht, wo das Land dünn bevölkert ist."

[Zitat in: Madariaga, Salvador de <1886 - >: Bolivar. -- Stuttgart : Deutsche Verlags-Anstalt, 1961. -- S. 62. -- Originaltitel: Bolivar (1952)

1801 - 1804

Joaquín del Pino y Rosas (1729, Baena - 1804, Buenos Aires)ist Vizekönig von Río de la Plata


1804 - 1807

Rafael de Sobremonte (1745, Sevilla  - 1827, Cádiz) ist Vizekönig von Río de la Plata


1806 - 1816

José Fernándo de Abascal y Sousa (1743, Oviedo - 1821, Madrid)  ist Vizekönig von Perú

1806-02-06

Carlos de Alvear gründet in London die Freimaurerloge Lautaro mit dem Ziel einer Revolution in Spanischamerika. Bald gibt es Logen in Buenos Aires (1812) und anderen südamerikanischen Städten.

1806-05-25

Revolución in Chuquisaca. Als erste in Hispanoamerika erklären die Rebellen von Chuquisaca diue Unabhängigkeit von Spanien. Die Revolution wird niedergeschlagen.

Proclama chuquisaqueña:

"Hasta aquí hemos tolerado una especie de destierro en el seno mismo de nuestra Patria: hemos visto con indiferencia por más de tres siglos sometida nuestra primitiva libertad al despotismo y tiranía de un usurpador injusto, que degradándonos de la especie humana, nos ha reputado por salvajes y mirado como esclavos: hemos guardado un silencio bastante parecido a la estupidez que se nos atribuye por el inculto español, sufriendo con tranquilidad que el mérito de los americanos haya sido un presagio cierto de humillación y ruina.

Ya es tiempo pues, de sacudir yugo tan funesto a nuestra felicidad como favorable al orgullo nacional del español. Ya es tiempo de organizar un
sistema nuevo de gobierno, fundado en los intereses de nuestra patria, altamente deprimida por la bastarda política de Madrid. Ya es tiempo, en fin de levantar el estandarte de la libertad en estas desgraciadas colonias, adquiridas sin el menor título y conservadas con la mayor injusticia y tiranía.

¡Valerosos habitantes de La Paz y de todo el imperio del Perú! Revelad vuestros proyectos para la ejecución; aprovechaos de las circunstancias en que estamos; no miréis con desdén la felicidad de nuestro suelo, ni perdáis jamás de vista la unión que debe reinar entre todos, para ser adelante tan felices como desgraciados hasta el presente en la suposición de no estar triunfantes las armas españolas.

PROMOTORES DE LA REVOLUCIÓN DEL 25 DE MAYO DE 1809 
Iniciadora de la Guerra por la Independencia

  • Dr. Manuel de Zudáñez, Regidor Anual, 
  • Capitán Dr. Jayme de Zudáñez, Abogado de pobres, comandante de Artillería.
  • Dr. José Joaquín de Lemoine, Capitán que custodió a Pizarra. 
  • Dr. José Bernardo de Monteagudo, Artillería 
  • D. Juan Antonio Fernández, Alcalde Provincial de primer voto 
  • Dr. José Mariano Serrano 
  • D. Juan Antonio Alvarez de Arenales, Comandante 
  • Dr. Mariano Michel, Emisario enviado a La Paz. 
  • Dr. Juan Antonio Paredes, Alcalde Provincial 
  • Dr. José Vásquez Ballesteros, Oidor y vocero del pueblo. Recogió 5 cañones de Pizarra. 
  • Dn. José Sivilat (francés), Tocó a rebato en la Catedral,
  • Dr. Pedro Ignacio del Rivero, Síndico y procurador general del ayuntamiento. 
  • Dr. Juan Bautista Villegas 
  • Pb. Juan Manuel Mercado, Emisario a La Paz 
  • Fray Mariano Polanco, Sacerdote Franciscano 
  • Dr. José Benito Alzérreca, Delegado a Cochabamba y La Paz
  • D. Pedro Antonio Cabezas Vargas, Capitán de la Sala de Armas 
  • D. José Patricio Malavia, Notario. Mandó fabricar municiones. 
  • D. Manuel Ensebio Ruiz, Ayudante de Arenales 
  • D. Fortunato Lemoine 
  • D. Juan Manuel Lemoine, Capitán de Plateros, repicó las campanas de San Francisco. 
  • Dr. Miguel López Andreau, Fiscal de la Audiencia 
  • Dr. Agustín de Uzzoz y Mozzi, Oidor 
  • Dr. José de la Iglesia, Oidor Decano 
  • Dr. Vicente Rodríguez, Teniente Asesor del Gobierno e Intendencia de la Plata
  • Dr. Ángel Mariano Toro, Secretario de Cámara 
  • D. Ángel de Alonzo y Gutiérrez, Regidor Alférez Real de la ciudad. 
  • D. Luis Manuel de Terrazas 
  • D. Antonio Amaya y Zarate 
  • D. Juan Lorenzo Mirabal, Platero
  • D. Manuel de Entrambasaguas, Habilitador de gastos de guerra. 
  • Dr. Tomás de Alzérreca, Secretario de la Universidad 
  • D. Domingo de Anívarro, Regidor Anual del Colegio de San Juan Bautista 
  • Dr. Mariano Fariñas 
  • Dr. Gabriel Arguelles, Alcalde Provincial 
  • Dr. Marcos Miranda 
  • Dr. Manuel Corcuera, Médico, Capitán 
  • D. Toribio Salinas, Capitán de sastres 
  • Dr. Pedro Carvajal, Capitán de tejedores 
  • D. Diego Ruiz, Capitán de pintores. 
  • D. Miguel Monteagudo 
  • Dr. José Mariano Serrano, Capitán de zapateros. 
  • D. Francisco Cecilio, Capitán de negros, pardos y mulatos 
  • D.Fermín Cueto, Dio el primer cañonazo
  • D. Lorenzo Saavedra, Comandante de Caballería 
  • D. Pedro Dorado, Comandante de Caballería 
  • D. Francisco de Entrambasguas, Comandante de Caballería 
  • D. José Sotomayor 
  • D. Mariano Guzmán 
  • D. Nicolás Larrazábal"

[Quelle: Primera gesta libertaria 25 de Mayo 1809 : exposición historica itinerante / Casa de la Libertad. -- Sucre, 2000. -- Depósito legal 3-1-438-00. -- S. 12 - 17]

 

1807 - 1809

Jacques de Liniers y Brémond (1753, Frankreich - 1810, Argentinien)  ist Vizekönig von Río de la Plata


1808-03 bis 1808-05


Abb.: Fernando VII als Telefonkarte

Fernando VII (1784 - 1833) ist nach der von Napoleon erzwungenen Abdankung seines Vaters spanischer König. Auch er wird von Napoleon zur Abdanlung gezwungen.

1808 - 1813

Joseph Bonaparte (1768 - 1844), König von Neapel, der älteste Bruder Napoleons I., ist spanischer König von Napoleons Gnaden


Abb.: Joseph Bonaparte


1808-05-02

Volksaufstand in Madrid gegen die französischen Besatzer, weitet sich zum Guerillakrieg aus.

Während die Aufgeklärten in Südamerika in Fernando VII den Inbegriff des Übels sahen, mobilisierte man in Spanien das Volk gegen die "ruchlosen" Franzosen. So erschien 1808 ein Katechismus mit folgenden Fragen:

"Sage mir, Sohn: was bist du?
Ich bin Spanier durch Gottes Gnade.

Was bedeutet »Spanier«?
Ehrenmann.

Wieviel Pflichten hat ein Spanier?
Drei: Christ zu sein, das Vaterland zu verteidigen und den König.

Wer ist unser König?
Ferdinand VII.

Mit welchem Eifer muss er geliebt werden?
Mit dem heftigsten, wie es seine Tugenden und Mißgeschicke verdienen.

Wer ist der Feind unsres Glückes?
Der Kaiser der Franzosen.

Wer ist dieser Mensch?
Ein ruchloser, machtgieriger, das Prinzip aller Übel, das Ende aller Güter, Mischung und Bodensatz aller Laster.

Was sind die Franzosen?
Ehemalige Christen und moderne Ketzer.

Ist es Sünde, einen Franzosen zu töten?
Nein, Vater. Man tut ein verdienstliches Werk, wenn man das Vaterland befreit von diesen widerrechtlichen Unterdrückern.

Wer darf die Waffe ergreifen?
Jeder, der kann.

Welches muss die Politik der Spanier sein?
Die Grundsätze Jesu Christi.

Welches sind die Grundsätze unsrer Feinde?
Die von Macchiavell.

Worin bestehen diese?
Im Egoismus.

Welche Glücksgüter sollen wir erwarten?
Die, welche die Tyrannen uns nicht geben können.

Welche sind es?
Die Sicherheit in unsern Rechten, die freie Ausübung unsres heiligen Kultus, die Wiederherstellung der Monarchie in Übereineinstimmung mit den spanischen Konstitutionen und die Verbindung mit Europa.

Wer ermächtigt uns zu diesem großen Unternehmen?
Ferdinand VII. Wir wünschen, ihn aus ganzem Herzen unter uns zu sehen von Ewigkeit zu Ewigkeit. Amen."

[Zitiert in: Krinke, Johannes: Das christliche Spanien : ein Querschnitt durch die spanische Kirchengeschichte. -- Hamburg : Wittig, ©1967. -- S. 206f.]

1809 - 1810

Baltasar Hidalgo de Cisneros (1755, Cartagena - 1829, Cartagena) ist der letzte Vizekönig von Río de la Plata

1809

Monteagudo Cáceres, Bernardo <ca. 1785 - 1825, Lima>: Diálogo entre Atawallpa y Fernando VII en los Campos Elíseos : circuló en copias manuscritas en Chuquisaca, hoy Sucre, Bolivia, a comienzos de 1809 / Bernardo Monteagudo ; versión actualizada de Carlos Castañón Barrientos, editor responsable.. -- La Paz : [s.n.], 1973. --  15 S. -- ["Tomado del manuscrito que se conserva en el Archivo Nacional de Bolivia (Sucre)."]

In diesem Diálogo erscheint der Geist von Atahuallpa (1500 - 1533) dem spanischen König Fernando VII (1784-1833, König von Spanien 1808 und 1814-1833), der gerade unglücklich ist wegen der napoleonischen Invasion. Er bezeichnet Napoleon als:

"El más infame, el más vil de los hombres vivientes, el ambicioso Napoleón, el usurpador Bonaparte"

Atahuallpa beschuldigt die Spanier, zum Beispiel so:

"Las inagotables riquezas de que han despojado a los soberanos y sus vasallos aun no bastaban para aplacar su insaciable sed. Van, pues, a buscar más tesoros en lo interior de los riscos y peñascos; arrastran tribus enteras de indios y los obligan y mandan que minen los cerros y entren hasta sus más remotos y escondidos senos. Obediente, el mísero indiano empieza su trabajo, pero al cabo de algunas horas no alcanza ya el languideciente vigor de su débil y cansado brazo a quebrantar y romper la dureza de la piedra. Como desmayado se sienta para rehacer sus fuerzas. Lo advierte el español y al momento envaina su acero filo en el pecho del inocente indiano, que envuelto en su propia sangre y en sus continuas lágrimas exhala el alma de su cuerpo".

Atahuallpa vertritt die Freiheit:

"El espíritu de la libertad ha nacido con el hombre. Este, libre, por naturaleza, ha sido señor de sí mismo desde que vio la luz del mundo. Sus fuerzas y derechos en cuanto a ella han sido siempre imprescriptibles, nunca terminables o perecederos. Si obligado a vivir en sociedad ha hecho el terrible sacrificio de renunciar al derecho de disponer de sus acciones y sujetarse a los preceptos y estatutos de un monarca, no ha perdido el de reclamar su primitivo estado o de mirar en su dependencia el móvil de su desgracia".

"Si el hombre le dio a un señor jurisdicción sobre sí y se avino a cumplir sus leyes y a obedecer sus preceptos ha sido precisamente bajo la tácita y justa condición de que aquel mirara por su felicdad"

Atahuallpa ruft die Peruaner auf:

"Habitantes del Perú: Si desnaturalizados e insensibles habéis mirado hasta el día con semblante tranquilo y sereno la desolación e infortunios de vuestra desgraciada patria, recordad ya del penoso letargo en que habéis estado sumergidos; desaparezca la penosa y funesta noche de la usurpación y amanezca el luminoso y claro día de la libertad. Quebrantad las terribles cadenas de la esclavitud y empezad a disfrutar de los deliciosos encantos de la independencia; vuestra causa es justa, equitativos vuestros designios. Reunios, pues, corred a dar principio a la grande obra de vivir independientes. No os detenga Fernando porque no tiene o no tendrá en breve más vida que su nombre ni más existencia que la que publican el fraude y la mentira. Revestios de entusiasmo y publicando vuestra libertad seréis todos dichosos y el espectáculo de vuestra felicidad será envidiable en el universo entero".

Atahuallpa schließt den Dialog:

"Idos pues Fernando, adiós, que yo también a Moctezuma y otros reyes de América darles quiero feliz nueva de que mis vasallos ya están a punto de decir ¿que viva la libertad!"

[Zitate in: Francovich Salazar, Guillermo <1901, Sucre - 1990, Rio de Janeiro>: La filosofia en Bolivia. -- 3. ed. -- La Paz : Juventud, 1987. -- Depósito legal 4-1-261/87. -- S. 77f., 81]

1810-01-29

Hinrichtung von Vorkämpfern für die Unabhängigkeit. In Bolivien verehrt man sie als Erzmartyrer (protomártires):

1810 - 1815

Alto Perú ist wechselnd von königstreuen (royalistischen) und argentinischen Truppen besetzt

1811


Abb.: Titelblatt

López Cancelada, Juan <1765 - >: Ruina de la Nueva España si se declara el comercio libre con los extrangeros : exprésanse los motivos : cuaderno segundo, y primero en la materia / por D. Juan López Cancelada. -- Cádiz : Impr. de M. Santiago de Quintana, 1811. -- 84 S.

Darin versucht der Autor zu beweisen, dass der Freihandel mit Ausländern das Ende von Überseespanien bedeutet.

1812-03-11

In Cádiz verabschiedet die spanische Cortes eine liberale Verfassung im Rahmen einer konstitutionellen Monarchie. Fernando VII setzt sie aber nach seiner Rückkehr 1823 wieder außer Kraft.

1813-06-15

Aufruf Simón Bolivars (1783, Caracas, Venzuela - 1830, Kolumbien) an die Venezolaner:

"Venezolaner!

Ein Heer von Brüdern kam, von dem souveränen Kongress von Neugranada entsandt, um euch zu befreien, und ist jetzt mitten unter euch, nachdem es die Unterdrücker aus den Provinzen Mérida und Trujillo vertrieben hat. Wir wurden entsandt, die Spanier zu vernichten, die Südamerikaner zu schützen und die Regierungen, die das Bündnis von Venezuela bildeten, wiederherzustellen. Die von uns besetzten Staaten werden von den ehemaligen Regierungsbeamten nach der alten Verfassung regiert und genießen wieder ihre Freiheit und Unabhängigkeit. Denn unsere Mission beschränkt sich nur darauf, die Ketten der Knechtschaft, die noch einige unserer Völker niederhalten, zu zerreißen, nicht aber, neue Gesetze zu geben und Gewaltherrschaft auszuüben, wozu uns der gewonnene Krieg das Recht geben könnte. Von eurem Unglück berührt, konnten wir dem euch von den barbarischen Spaniern zugefügten Leid nicht gleichgültig gegenüberstehen: Sie haben euch durch ihre gierige Ausbeutung vernichtet; sie haben Zerstörung und Tod unter euch gebracht; sie haben die heiligsten Menschenrechte verletzt; sie verstießen gegen die feierlichsten Abmachungen und Verträge; und schließlich begingen sie eine Unsumme von Verbrechen und verwandelten dadurch die Republik von Venezuela in ein Land der schrecklichsten Verheerungen.

Und so verlangt denn die Gerechtigkeit Rache und zwingt uns, sie zu nehmen, auf dass die Ungeheuer für immer von der südamerikanischen Erde verschwinden mögen, die sie verpesten und mit Blut bedecken. Das abschreckende Beispiel möge dem Ausmaß ihrer Niedertracht gleichkommen, um auf diese Weise unsere Schmach abzuwaschen und den Nationen der Welt zu zeigen, dass man die Söhne Südamerikas nicht ungestraft beleidigt. Trotz unseres gerechten Grolls gegen die ungerechten Spanier ist unser großmütiges Herz trotzdem noch gewillt, ihnen zum letzten Mal einen Weg zur Verständigung und Freundschaft anzubieten. Noch werden sie aufgefordert, frei unter uns zu leben, sofern sie ihre Verbrechen verabscheuen und ehrlich an der Zerstörung der von Spanien eingesetzten Regierung und an der Wiederherstellung der Republik von Venezuela mitwirken. Jeder Spanier, der nicht zugunsten der gerechten Sache auf die tatkräftigste und wirksamste Weise gegen die Tyrannei angeht, wird für einen Feind gehalten und als Verräter am Vaterland bestraft werden, und infolgedessen wird er ohne Pardon erschossen. Demgegenüber wird denen eine Generalamnestie gewährt, die mit oder ohne Waffen zu unserer Armee überwechseln: denen, die ihre Hilfe den guten Bürgern anbieten, welche alles nur Mögliche tun, um das Joch der Tyrannei abzuschütteln. Die Offiziere des Heeres werden ihre alten Ränge behalten, ebenso die Zivilverwaltungsbeamten, die die Regierung Venezuelas proklamieren und sich mit uns vereinigen. Mit einem Wort: Die Spanier, die dem Staat die besagten Dienste erweisen, werden wie Südamerikaner behandelt werden.

Und ihr, Südamerikaner, die Irrtum oder Verführung vom Pfad der Gerechtigkeit haben abirren lassen, wisset, dass eure Brüder euch aufrichtig verzeihen und eure Verirrung bedauern, in der vollkommenen Überzeugung, dass ihr nicht schuld sein könnt an diesen Verbrechen und dass nur die Blindheit und Unwissenheit, in der euch die Urheber eurer Vergehen bis auf den heutigen Tag belassen haben, euch dazu führten. Fürchtet nicht das Schwert, das da kommt, um euch zu rächen und die schmachvollen Fesseln zu zerschneiden, mit denen euch eure Henker an ihr Schicksal fesseln. Ihr werdet über absolute Freiheit in allem verfügen, was eure Ehre, euer Leben, euer Besitztum betrifft. Der alleinige Titel Südamerikaner wird eure Garantie und Euer Schutz sein. Unsere Waffen sind da, um euch zu beschützen, und niemals werden sie sich auch nur gegen einen einzigen unserer Brüder erheben.

Diese Amnestie erstreckt sich auch auf die Verräter, die erst vor kurzem Akte der Treulosigkeit begangen haben. Und sie wird so feierlich garantiert, dass uns kein Grund, keine Ursache und kein Vorwand dazu bringen werden, unser Angebot zurückzuziehen, so stichhaltig und außergewöhnlich die Gründe auch sein mögen, die ihr uns gebt, um unseren Groll zu reizen. Spanier und Kanarier, rechnet mit dem Tod, sofern ihr euch noch unparteiisch verhaltet und euch nicht aktiv für die Freiheit Venezuelas einsetzt. Südamerikaner, rechnet mit dem Leben, auch wenn ihr schuldig seid! Hauptquartier von Trujillo, 15. Juni 1813. Drittes Jahr der Unabhängigkeit.

Simón Bolívar"

[Übersetzung: Pausewang, Gudrun: Südamerika aus erster Hand : Geschichte und Gegenwart Lateinamerikas berichtet von Augenzeugen und Zeitgenosse. -- Würzburg : Arena, ©1970. -- S. 166 - 168]

1813-11-08

Instrucciones a que deben arreglarse los ciudadanos Diputados de esta Provincia [= Alto Perú] en el desempeño de sus funciones propias de su representación en la Soberana Asamblea General Constituyente de la Nación. -- Plata [=heute: Sucre]

"La primera ley fundamental ha de ser sostener, defender y proteger exclusivamente la religión cristiana, católica, apostólica, romana, sin la cual es imposible conciliar la unión de nuestros pueblos en el orden social. En fuerza de esta protección se establecerán leyes civiles que prohiban todo otro culto y la predicación de otra doctrina de la de Jesucristo Señor Nuestro; que contengan a los herejes en la sumisión a la Iglesia Santa; que hagan obedecer a las autoridades eclesiásticas; que prescriban el modo de proceder en los juicios contra los eclesiásticos, guardando el respeto debido a sus personas, y la exención de cargos consejiles y empleos civiles, exceptuando aquellos que directa y más inmediatamente influyen en la salud pública, como el de un Diputado de Provincia.

La forma de gobierno que se adopte será la del republicano, atendiendo a la voluntad general de los pueblos que aborrecen por experiencia a los reyes y por admitir menos dificultades en las actuales circunstancias; dejando a la discusión prolija y meditado examen de la Asamblea el modo y los medios de establecerla, • más análogos a nuestra situación política y geográfica."

[Text der Instrucciones in: Francovich, Guillermo <1901, Sucre - 1990, Rio de Janeiro>: La filosofia en Bolivia. -- 3. ed. -- La Paz : Juventud, 1987. -- Depósito legal 4-1-261/87. -- S. 104ff.]

1813


Abb.: 4 Reales, Provincias Unidas del Río de la Plata (heute. Argentinien), geprägt in Potosí als das Herr General Manuel Belgrano's (1770, Buenods Aires - 1820, Buenos Aires) kam, 1813


1814 - 1833

Fernando VII (1784 - 1833) ist wieder (wie schon von März bis Mai 1808) spanischer König.


1814

Erstmals wird der bolivianisch-nordargentinische Volkstanz Bailecito erwähnt

1814-05-04

Fernando VII hebt alle napoleonischen Reformen auf. Hispano-Amerika gilt weiterhin als spanisches Kronland.

1814-08-07

Papst Pius VII. (1740 - 1823, Papst 1800 - 1823) stellt mit der Bulle Sollicitudo omnium den Jesuitenorden wieder her.

1815

Schlacht bei Sipe-Sipe. Argentinische Truppen überlassen Alto Perú den Royalisten.

1816 - 1821

Joaquín de la Pezuela y Sánchez Muñoz de Velasco (1761, Naval - 1830, Madrid) ist Vizekönig von Perú

1816

Einfall der Portugiesen aus Brasilien bis San Pedro viejo (Beni), wo sie zurückgeschlagen werden.


Abb.: Portugiesische Einfälle in Mojos

[Quelle der Abb.: Pinto Parada, Rodolfo <1940 - >: Narasaquije : 20 lecciones de historia del Beni. -- Trinidad, 2000. -- Depósito legal 8-1-314-00. -- S. 24]

1816 - 1825

Befreiungskriege (Unabhängigkeitskriege)


Abb.: Zeitpunkt der Unabhängigkeit der Staaten Südamerikas

1815

Bolívar, Simón <1783, Caracas, Venzuela - 1830, Kolumbien>: Carta de Jamaica. -- 1815

Bolívar, Simón: CARTA DE JAMAICA

(span.; Brief aus Jamaika) von Simón Bolívar, (Venezuela), verfasst 1815. – Bolívar schrieb diesen »prophetischen Brief« – nach Caudillo Bobes' Sieg in Venezuela zum mittellosen Privatmann geworden – in Jamaika. Wie in keiner anderen seiner Schriften offenbart sich hier die Größe des Mannes, der zu den hervorragendsten Geistern seiner Epoche gehört. Sein Wissen als Staatstheoretiker und seine Erfahrung als Politiker befähigen ihn zu einem umfassenden kritischen Urteil über Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft des Kontinents, als dessen großer Befreier er in die Geschichte eingehen sollte. Sein unerschütterlicher Glaube an den Sieg – »die Provinzen Amerikas, die um ihre Selbständigkeit kämpfen, werden eines Tages Erfolg haben« – ist freilich getrübt von der Sorge um die Zukunft, die er mit prophetischem Blick kühl analysiert. Er schwankt zwischen Begeisterung und Zweifel, Hoffnung und Unsicherheit: spät genug und doch zu früh habe die Schicksalsstunde der Freiheit für Südamerika geschlagen; noch sei keine Führungsschicht herangewachsen, noch seien die verschiedenen Volksgruppen – Kreolen, Mestizen, Indianer, Neger – nicht zu einem Volk, zu der »kosmischen Rasse« (Vasconcelos), verschmolzen. (Die »Paniberische Bewegung«, die ihren sichtbaren Ausdruck in der Einsetzung des »Día de la raza« – Tag der Rasse – fand, entstand erst Anfang des 20. Jh.s.) – Andererseits zweifelt Bolívar nicht an dem Recht und der Notwendigkeit der Revolution, die er nach den Postulaten der Epoche – Freiheit, Gerechtigkeit, Gleichheit, Volksherrschaft und Selbstbestimmungsrecht der Völker – durchzuführen gedenkt; diese Ideale bilden die Grundlage des »vollkommenen Staatswesens« und haben ihren Ursprung »in dem Streben des Menschen nach höchstmöglichem Glück«. Als Regierungsform schwebt ihm eine Demokratie nach dem Muster Nordamerikas vor; er glaubt jedoch, dass zunächst als Übergang eine autoritäre, »die Freiheit verwaltende« Regierungsform nötig sei; denn die vom spanischen Mutterland in geistiger, politischer und wirtschaftlicher Unmündigkeit gehaltenen Völker Südamerikas – »Kleinkinder«, wie er sie nennt – seien »von den Lastern beherrscht, die unter der Leitung Spaniens, das nur Gewalttätigkeit, Ehrgeiz, Rachsucht und Habgier gekannt hat, entstehen«. Der rasche Übergang aus dem Zustand der Unterdrückung zur Freiheit in einer Demokratie könne das Chaos bedeuten. Die Entwicklung des Subkontinents bis in unsere Gegenwart hinein hat die Befürchtungen Bolívars bestätigt: »Werden wir fähig sein, die schwere Last einer wohlgeordneten Republik zu tragen? Kann man erwarten, dass ein kürzlich befreites Volk in das Reich der Freiheit fliegt, ohne wie ein zweiter Ikarus mit zerschmolzenen Flügeln in den Abgrund zu fallen?«

Die »grandiose Idee« der politischen Einheit aller spanischsprechenden Länder, für deren Verwirklichung die Gemeinsamkeit des Ursprungs, der Sprache, der Sitten und der Religion spricht, der jedoch die Großräumigkeit, die Verschiedenheit der Völkergruppen und die Gegensätzlichkeit der Interessen entgegenwirkten, betrachtet er mit gewisser Skepsis: »Eine Vereinigung mag in irgendeiner glücklichen Epoche unserer Wiedergeburt Wirklichkeit werden; irgendeine andere Hoffnung ist vorerst unbegründet.« So musste auch der erste »Panamerikanische Kongress«, den Bolívar 1826 in Panama einberief, scheitern. (Die »Organisation der Amerikanischen Staaten« konnte erst 1948 in Bogotá ins Leben gerufen werden.)

AUSGABEN: Caracas 1929 (in Cartas, Bd. 1, Hg. J. V. Gómez). – Havanna 1950 (in Obras completas, Hg. V. Lecuna). – Paris 1961 (Cuatro cartas y una memoria de S. B., Hg. Ch.-V. Aubrun; Einl. J. Sarrailh). – Caracas 1976 (in S. B.: siete documentos esenciales, Hg. J. C. Salcedo-Bastardo). – Mexiko 1978.

LITERATUR: E. Flores Cano, El ideal bolivariano en la »Carta de Jamaica« (in CA, 22, 1963, Nr. 130, S. 209–233). – F. M. Cuevas Cancino, La carta de Jamaica redescubierta, Mexiko 1975.

[Fuentes Rojo, Aurelio. -- In: Kindlers Neues Literaturlexikon. -- München : Kindler, ©1996. -- s.v.]


Überblicksartikel zu den Unabhängigkeitskriegen
"Die große Welle revolutionärer Erhebungen im spanischen Amerika begann in den Jahren 1814/15 zu verebben. Morillo, einst tapfer gegen Napoleon kämpfend, jetzt gnadenloser Unterdrücker der Freiheit Südamerikas, hatte ganze Arbeit geleistet. Nur vereinzelte Restpositionen, so im Orinoco-Gebiet Venezuelas (fernab von den strategisch entscheidenden Küstenstädten), dazu lokale Partisanenaktionen in verschiedenen Regionen ließen erkennen, dass der Geist der Unabhängigkeit weiterlebte. Auch in Chile war 1814 das »Patria vieja« (alte Vaterland) unter dem militärischen Druck der von Peru aus operierenden royalistischen Gegenkräfte sowie am inneren Zwist der Patrioten zugrunde gegangen. Im südlichen Dreieck Buenos Aires — Asunción — Montevideo hielt sich noch die Revolution. Doch schien es sich hier nur um einen Sieg auf Zeit zu handeln: Die Junta von Buenos Aires zerfleischte sich in inneren Fraktionskämpfen. Wie lange konnte Asunción in der Isolierung überleben? Und an Montevideo brandete bald die portugiesische Invasion. Die Ursachen dieses historischen Rückschlages erkannte wohl am deutlichsten Simón Bolívar, der in dem berühmten »Carta de Jamaica« (Brief aus Jamaica, 6. September 1815) das historische Recht Amerikas auf Unabhängigkeit begründete, in aller Offenheit die Schwächen der Revolution bloßlegte und eine weit ausgreifende Vision der künftigen Entwicklung des südlichen Halbkontinents entwarf. Der Kernsatz lautete: »Ein Volk, das seine Freiheit liebt, erringt sie am Ende.«

Worin lagen die kardinalen Schwächen der Revolution, die es zu überwinden galt?

  • Die Revolution stützte sich vornehmlich auf die elitäre Minderheit der Kreolen. Dort, wo es zu einer massiven Volksbewegung kam, zog es die herrschende Klasse in spe vor, mit den Spaniern gemeinsame Sache zu machen. Selbst Bolívar lehnte anfangs »die Revolution der Neger, Freien und Sklaven« ab; er wurde sein Leben lang die Furcht vor einer »Pardocracia« (Herrschaft der Farbigen) nicht los.
  • Die regional-lokalen Interessen überwogen das übergeordnete kontinentale Gesamtinteresse. Um Amerika zu befreien, musste das gesamte Kolonialsystem beseitigt werden, das aber hieß, dessen Hauptbollwerk Peru zu brechen. Diese historische Notwendigkeit begriffen Bolívar und San Martin, der »Befreier des Südens«.
  • Um die für das Schicksal der Revolution tödlichen Fraktionskämpfe innerhalb der Patrioten zu beenden oder wenigstens einzudämmen, bedurfte es der energischen Machtausübung, letztlich also einer Diktatur, deren Instrument nur die Armee sein konnte. Bolívar war bereit, diesen Weg — wenn auch nur unter dem Zwang der Umstände — zu gehen: »Die Geschichte wird sagen: Bolívar übernahm die Führung, um seine Mitbürger zu befreien, und als sie frei waren, verließ er sie, damit sie sich durch die Gesetze und nicht durch seinen Willen regierten.« Oder: »Niemals hat ein Kongress [eine parlamentarische Regierung] eine Republik gerettet.« Nicht im sozial-revolutionären, wohl aber im politisch-militärischen Sinne zeigte Bolívar durchaus jakobinische Entschlossenheit.
  • Die Wiederherstellung der alten Ordnung in Spanien erlaubte es Madrid, beträchtliche militärische Kontingente unter Monteverde und Morillo nach den aufständischen Kolonien zu werfen und den wenig erfahrenen und unterlegenen Einheiten der Patrioten die Initiative zu entreißen.

Unabhängig von der noch längere Zeit anhaltenden prekären Situation zeichnete sich ab 1816 eine Wende ab. Die Revolution trat in ihre zweite Phase, die mit dem völligen Zusammenbruch der spanischen Herrschaft auf dem amerikanischen Festland endete. Für diese Wende spielten innere wie äußere Faktoren eine Rolle. Die Spanier vergaben total die Chance, ihren militärischen Sieg durch eine flexible Kompromisspolitik zu stabilisieren, stattdessen ging im Zuge der Reconquista ein barbarisches Strafregiment über die »befriedeten« Gebiete nieder: Erschießungen, von denen auch patriotische Frauen nicht verschont blieben (z.B. Policarpa Salvarrieta, genannt »Pola« in Kolumbien), Massenverhaftungen, Vertreibung ins Exil, Beschlagnahme des Eigentums von Patrioten, Ausschluss aus öffentlichen Ämtern, geistige und politische Inquisition knebelten die Intelligenz. Unter diesen Bedingungen begriff sogar der abwartende Teil der kreolischen Aristokratie die Notwendigkeit einer Beseitigung des Kolonialregimes. Der konterrevolutionäre Terror trieb den Patrioten neue Anhänger zu. Auch die Hoffnungen der Indianer, Mulatten und Sklaven, die auf royalistischer Seite gekämpft hatten, blieben unerfüllt.

Weiterhin vollzog sich ein wesentlicher Wechsel in der internationalen Szene. England und die USA traten entsprechend ihren kommerziellen und machtpolitischen Sonderinteressen zunächst indirekt, schließlich offen auf die Seite der Aufständischen. Selbst die Allianzmächte lehnten die von Spanien wiederholt geforderte gemeinsame militärische Intervention ab und rieten statt dessen zu einer Politik des Ausgleichs mit den Kreolen und zur Respektierung von deren Forderungen. Der Interventionsplan der Heiligen Allianz, der zur Rechtfertigung der Monroe-Doktrin von 1823 diente, gehört eindeutig in das Reich der Legende. Überdies strömten nach dem Ende der napoleonischen Kriege zahlreiche demobilisierte Soldaten und Offiziere nach Südamerika, von denen viele, mehr aus Abenteuerlust und großzügigen Versprechungen folgend, denn aus patriotischer Überzeugung, an der Seite der Revolutionäre kämpften. Allein die »Britische Legion«, die für Bolívar stritt, brachte es auf 6000 Mann; hinzu kamen Deutsche, Franzosen, Spanier und Vertreter anderer Nationen, darunter auch nordamerikanische Freibeuter. Nicht selten wurde, z.B. in den Hansestädten, das Geschäft der Werbung mit skrupellosen Mitteln (dienstbare Frauen, Alkohol, Bestechung, Erpressung) betrieben. Das »Anwerbungspatent« eines in Norddeutschland tätigen Agenten hatte den folgenden Wortlaut:

»Ich unterschriebener bin befollmächtigt, für die Süd-Americanischen Frey-Stat, Leute anzunehmen. Der General en Cheff Bollivar verspricht im Namen des Süd-Americanischen Guvernements jeden Soldaten, nach 5 Jahren 500 Span. Thaler und 50 Acker Land nebst Haus und Hof, oder freien Transport in sein Vaterland zurück . . .«

Wahrlich. ein beängstigendes Konglomerat von Individuen, Nationalitäten, Rassen, Ambitionen und Interessen, mit denen Bolívar es zu tun hatte.
Als die zweite Phase der Revolution ihrem Höhepunkt entgegenging, wurde die militärische Widerstandskraft der Spanier zusätzlich durch die liberale Revolution von 1820 bis 1823 paralysiert. Der zeitweilige Waffenstillstand, der den desillusionierten Morillo zur Aufgabe veranlasste (»Bolívar, das ist die Revolution«), brachte den Patrioten entscheidende Vorteile für die Reorganisation ihres Potentials, während die Kräfte in der Metropole durch die französische Invasion gebunden blieben.


Abb.: Die großen Feldzüge der Befreiungskriege

[Quelle der Abb.: Die Andenrepubliken : Bolivien, Chile, Ecuador, Peru / von William Weber Johnson und der Redaktion der TIME-LIFE-BÜCHER. -- Amsterdam : TIME-LIFE, ©1969. -- (Life Länder und Völker). -- S. 59]

Mit dem Vorsatz, die Revolution neu zu beleben und über den ganzen Kontinent zu tragen, landete Bolívar, nach einem gescheiterten Versuch im Frühjahr, im Dezember 1816 mit einem Expeditionskorps, dessen Aufstellung er dem Präsidenten von Haiti, Pétion, verdankte, an der Küste Venezuelas. Unter Umgehung der in den Städten konzentrierten spanischen Kontingente stieß er zu den am Unterlauf des Orinoco agierenden Partisaneneinheiten vor, deren bedeutendster Führer Marino aber jede Anerkennung des »Jefe supremo« (Obersten Befehlshabers) verweigerte. Innerer und äußerer Widerstand begegneten sich mit größtem Argwohn.
Im Orinoco-Gebiet schuf sich Bolívar die Aktionsbasis (Zentrum Angostura) für eine neue Offensive durch Gewinnung der Lianeros und deren unbestrittenem Haupt José Antonio Páez, ein analphabetischer Mestize und Viehhirte, der es dank der Revolution zum General, Großgrundbesitzer und ersten Präsidenten von Venezuela bringen sollte. Der Preis für das Bündnis mit den Lianeros bestand in der Landverteilung, gleichzeitig erklärte Bolívar neben der Aufhebung des Indianertributs die Freiheit der Sklaven, wenn diese der Patriotenarmee beiträten. Die Independencia sprengte die Enge einer »Stadt«revolution. Der »Befreier« hatte begriffen, dass die Revolution nur mit dem Volke und nicht ohne das Volk siegen konnte.

Ein »Kongress«, bestehend aus einer Handvoll abenteuerlich aussehender Mitstreiter, bewilligte die von Bolívar geforderten diktatorischen Vollmachten, die er auch gegen die Opposition im eigenen Lager anwandte. Der renitente Marino entzog sich dem Zugriff durch Flucht, während General Piar am 16. Oktober 1817 erschossen wurde. Für Piar hatte der Sinn der Independencia vor allem in der Emanzipation der Indianer, Neger und Mulatten bestanden, während Bolívar, der in Piar die »Pardocracia« witterte, die antispanische Einheit aller Patrioten um jeden Preis wahren wollte. Das Urteil löste Entsetzen aus, bändigte aber die schwelende Unruhe. Der zweite Kongress von Angostura wählte am 19.Februar 1819 Bolívar zum Präsidenten der sich zum dritten Mal unabhängig erklärenden Republik Venezuela.

Während Páez zunächst die in Venezuela stationierten Spanier band und in die Defensive drängte, stieß Bolívar, vorwiegend auf englische Freiwillige gestützt, in Richtung des benachbarten Neu-Granada vor, wo sich die kolumbianischen Patrioten unter Francisco de Paula Santander, einem hoffnungsvollen Studenten der Rechte, erhoben hatten. Mit eiserner Energie trieb Bolívar eine Streitmacht von 1300 Mann und 800 Reitern in 4000 Meter Höhe bei Schnee und Eis über die Cordilleren in Richtung Bogotá; in den Abgrund Gestürzte, Erfrorene und Kranke blieben zurück. In der Schlacht an der Brücke von Boyacá (7. August 1819) wurden die völlig überraschten Spanier geschlagen — der erste strategische Sieg für die Patrioten. In 75 Tagen hatte Bolivars Armee »1600 Kilometer zurückgelegt und eine Nation befreit«. Nach Angostura zurückgekehrt, proklamierte Bolívar am 19.Dezember 1819 die »Republik Groß-Kolumbien«, bestehend aus Venezuela und Kolumbien — der erste große Schritt auf dem Weg zum Sieg der kontinentalen Revolution war getan.

Trotz des ausgehandelten Waffenstillstandes (26. November 1819) nahmen beide Seiten den Kampf bald wieder auf, zumal die mit dem Riego-Aufstand an die Macht gelangte liberale Regierung zwar die »Gleichberechtigung«, aber nicht die Unabhängigkeit der Kolonien anerkennen wollte. In der Schlacht von Carabobo am 24. Juni 1821 befreite Bolívar endgültig Venezuela. Bejubelt zog er in Caracas ein, seine Forderung auf Verwirklichung der von ihm erlassenen Gesetze über Landverteilung und Freilassung der Sklaven trafen jedoch sofort auf die Ablehnung der lokalen Mantuanos; für sie hatte der »Befreier« mit der Verjagung der Spanier seinen Zweck erfüllt. Aber Bolívar war nicht der Mann, der sich jetzt schon nach getaner Schuldigkeit als Mohr abschieben ließ. Jedoch begleiteten ihn von nun an — neben Verehrung und Vergötterung — Intrigen, Verleumdung, Verdächtigungen, Anschuldigungen, bis hin zu Mordversuchen, die seine verzweifelten Worte kurz vor seinem Tode erklären: »Ich bin das Opfer meiner Verfolger gewesen, die mich an die Türen des Grabes gebracht haben.« Aber noch bewegte sich sein Stern in aufsteigender Linie, politisch-militärisch und im persönlichen Leben.

Gemeinsam mit General Andrés Santa Cruz, der von den Royalisten zu den Patrioten übergewechselt war (später Bolivien diktatorisch regierte und sich sogar zeitweilig Peru einverleibte), schlug Antonio José de Sucre, ohne Zweifel Bolivars genialster und loyalster Mitstreiter, die Spanier in der Audiencia Quito am Fuße des Vulkans Pichincha (24. Mai 1822). Sucre hatte an der Seite Marinos in der ostvenezolanischen Guerilla gekämpft, seine Familie war den Massakern der Boves-Banden zum Opfer gefallen. Das befreite Ekuador wurde Teil der Republik Groß-Kolumbien. Als Bolívar am 16.Juni unter dem obligatorischen Jubel, mit Triumphbogen und von Ehrenjungfrauen begrüßt, in Quito einzog, begegnete er Manuela Sáenz, der Gattin eines dort ansässigen englischen Arztes; sie wurde noch in derselben Nacht die Gefährtin seines Lebens. Unter den nicht wenigen Frauen, die Bolivars Weg kreuzten — bis heute Lieblingsthema psychologisierender Biographen —und um deretwillen er auch schon einmal den Generalstab in den Alkoven verlegte und den Beginn einer militärischen Offensive hinausschob, nahm »Manuelita« den herausragenden Platz ein. Bedingungslose, an die Grenze der erotischen Besessenheit rührende Hingabe verband sich mit wachem politischen Instinkt, außergewöhnlichem persönlichen Mut — auch im Umgang mit dem Degen — und dem Genuss, im Mittelpunkt der Macht zu stehen. Als »Libertadora« hat Manuela ihren großen Geliebten lange überlebt und gegen alle Drangsale der Verfolgung und Demütigung sein Andenken hochgehalten. Leider erfüllte sie den Wunsch Bolivars und vernichtete vor ihrem Ableben seine an sie gerichteten Briefe.

Ganz im Sinne der kontinentalen Vision richteten sich nun Bolivars Blicke auf Peru, mit dessen Befreiung sich das Schicksal des südlichen Amerika endgültig entscheiden musste. »Sterben oder triumphieren in Peru«, hieß die Überzeugung Bolivars. Perus mächtige Verteidigungskraft basierte auf eigenen Grundlagen und hing nicht vom Nachschub spanischer Expeditionstruppen ab. Die einheimische Aristokratie fürchtete einen neuen Tupac Amaru oder Pumacahua mehr denn die spanische Herrschaft. Die Mehrheit der Streitkräfte des Vizekönigs La Serna bestand nicht aus Spaniern, sondern aus Kreolen und dem König verschworenen Indianern. Bereits im »Brief aus Jamaica« hatte Bolívar geschrieben: ». . . das reiche Peru wird nicht die Demokratie tolerieren, noch werden die freien Sklaven und die Menschen gemischten Blutes die Aristokratie tolerieren, weshalb es für Peru schwer sein wird, seine Freiheit wiederzugewinnen.« Nach Peru musste die Revolution hineingetragen werden, ein für die Zukunft der Region folgenreiches Moment.

Neben Bolívar war es José de San Martin, der »Befreier des Südens«, der von denselben Überlegungen ausging. San Martin, Sohn einer wohlhabenden kreolischen Familie, kehrte 1812 aus Spanien, wo er gegen Napoleon gekämpft hatte, nach Buenos Aires zurück. Als Mitglied der Lautaro-Loge gewann er mit seinem militärischen zugleich politischen Einfluss, ohne sich jedoch in die zermürbenden Fraktionskämpfe der Junta einzulassen. In Gestalt der »Granaderos« (Grenadiere) schuf sich San Martin eine kleine, aber disziplinierte und gutausgerüstete Armee; ein großer Teil der Soldaten waren für den Kriegsdienst freigelassene Sklaven. Nach sorgfältiger Vorbereitung und faktisch gegen den Willen der hauptstädtischen Junta setzte San Martin seine Andenarmee von Mendoza aus in Marsch, um zunächst Chile und danach Peru zu befreien. Am 18. Januar 1817 erfolgte die heroische Andenüberquerung durch die Pässe von Uspallata und Los Patos. Obwohl dezimiert und entkräftet, schlugen die von San Martin, gemeinsam mit den chilenischen Patrioten Bernardo O'Higgins und Soler geführten Truppen am
12. Februar 1817 die Spanier bei Chacabuco. San Martin lehnte die ihm angetragene Macht ab und ließ statt seiner O'Higgins 7A\m »Director Supremo« Chiles wählen.  Am 12. Februar 1818erklärte Chile seine Unabhängigkeit, die endgültig mit dem Sieg in der Schlacht von Maipo, am 5. April 1818, gesichert war. (Nur im Süden hielten sich noch die Spanier, gegen die ein langandauernder und gnadenloser Vernichtungskrieg — »Guerra a muerte« — geführt werden mußte.)

Der nach dem Erfolg in Chile geplante Angriff auf Peru sollte von der Küstenseite erfolgen, eingedenk des kläglichen Scheiterns aller Versuche, zu Land über Oberperu (Bolivien) vorzudringen. Dazu bedurfte es einer Flotte. O'Higgins übertrug den Oberbefehl »Lord« Cochrane. Dieser englische Kapitän hatte eine abenteuerlich-dubiose Karriere hinter sich. Unter Anklage des Betrugs aus der englischen Marine verstoßen, was aber seinem Ehrgeiz wenig Abbruch tat, begab er sich nach Südamerika (die weiteren Stationen seiner Odyssee führten ihn über Brasilien am Ende auf die Seite der Griechen). Da Chile nur über sieben Schiffe verfügte, strich Cochrane die Küste Perus entlang und raubte sich ein Geschwader zusammen; sein Angriff auf den peruanischen Hafen Callao, wo er den Spaniern das gutbestückte Kriegsschiff »Esmeralda« entführte, machte ihn zur Legende. Im August 1820 stachen San Martin und Cochrane mit über 4000 Mann auf 23 Schiffen in Richtung Peru in See. Am stark befestigten Callao vorbei, stieß San Martin nach Lima vor (9. Juli 1821), dessen Stadtverordnete ihn als »Retter« begrüßten, am 28. Juli die Unabhängigkeit erklärten und ihn zum »Protektor« proklamierten. Jedoch geriet San Martins Herrschaft bald in eine dreifache Krise: Der ehrgeizige und sich geprellt fühlende Cochrane segelte mit der Flotte nach Chile zurück; durch den geordneten Rückzug des Vizekönigs blieben die royalistische Armee intakt und der Großteil des Landes unter spanischer Kontrolle; zugleich traf die konservative Diktatur San Martins, bald als argentinisch-chilenische »Fremdherrschaft« empfunden, auf den Widerstand republikanisch gesinnter Offiziere. Seine Position wurde militärisch und politisch wackelig.

Am 25. Juli 1822 kam es in Guayaquil zum historischen Treffen zwischen Simón Bolívar und José de San Martin: Es begegneten sich zwei entgegengesetzte Charaktere, die mit unterschiedlichen Mitteln dasselbe Ziel verfolgten. Was beide unter vier Augen verhandelten, ist bis heute unbekannt. Ohne Zweifel besaß Bolívar die besseren Karten: den stärkeren militärischen Rückhalt, das eigentlich zu Peru gehörende Faustpfand Quito, das Wissen um San Martins prekäre Lage; Bolívar setzte auf die republikanische, San Martin auf eine monarchisch-autoritäre Lösung. Bolívar hatte keinen Grund, sich San Martin zu beugen, wie dieser nicht gewillt war, sich seinerseits unterzuordnen. War der Kontinent »für die zwei größten Männer Südamerikas, den General San Martin und mich« — so der bescheidene Trinkspruch von Bolívar — zu klein .geworden? Trotz einer bis an die Grenzen eines Glaubensstreites verhärteten Historikerdebatte um Guayaquil bleibt nur eines gewiss, das Ergebnis: San Martin kehrte nach Lima zurück und legte vor dem Ersten Verfassungsgebenden Kongress Perus sein Amt mit der prophetischen Mahnung nieder: »Peruaner: Die Anwesenheit eines siegreichen Militärs ... ist gefährlich für Staaten, die sich neu konstituieren.« Hatte nicht schon Jacques Roux in der Revolution der Franzosen vor Generalen gewarnt, die sich mit dem Schwert umgürten? Auch in Südamerika Bonaparte ante portas? San Martín nahm nicht nur von Lima, sondern auch von Buenos Aires Abschied, was man ihm als Fahnenflucht auslegte, und ging in das Exil nach Frankreich, wo er in Boulogne-sur-Mer am 17. August 1850 arm und erblindet starb — vergessen von seinem Heimatkontinent, der ihm einen Teil der Freiheit verdankte.

Bolívar beauftragte mit der Kampagne gegen Peru seinen begabtesten General, Antonio José de Sucre. Den vordringenden Patrioten kam zugute, dass sich im Lager der Royalisten die gegen La Serna aufbegehrenden absolutistischen Ultras unter Olañeta losgesagt und die vizeköniglichen Truppen einen Kampf nach zwei Seiten zu führen hatten. Am 6. August 1822 erlitten die Spanier ihre erste große Niederlage bei Junin, wobei die Kavallerie der Patrioten die entscheidende Rolle spielte. In dieser »lautlosen Schlacht« fiel kein Schuss, nur die Lanzen und Degen der Reiter verrichteten ihr tödliches Werk. Im Bewusstsein der historischen Entscheidung trafen vier Monate später auf der Hochebene von Ayacucho 9000 Royalisten und 5000 venezolanische, kolumbianische, argentinische und chilenische Patrioten aufeinander; auf beiden Seiten standen Verwandte, ehemalige Kampfgefährten und Freunde, die vor der Schlacht voneinander Abschied nahmen: die Revolution als Bruderkrieg. In sicherem Abstand lauerten Indianer, um das Hab und Gut der jeweils Unterlegenen zu ergattern. Sucre feuerte seine Truppen an: »Soldaten, von den heutigen Anstrengungen hängt das Schicksal Südamerikas ab ... Soldaten, vorwärts, die Waffen zum Angriff, Marschtritt der Sieger!« Das »Schicksal« entschied sich in drei Stunden. Mit Spaniens militärischer Glorie erlosch seine Macht auf dem amerikanischen Festland. Auf die Schlacht folgte einen Tag später die bedingungslose Kapitulation durch Vizekönig La Serna. Der in Oberperu verschanzte Olañeta wurde von Sucre im April 1824 geschlagen. Noch bis zum 23. Januar 1826 behaupteten sich die Spanier in der Festung Callao, die Bolívar systematisch aushungern ließ. Auf ein Kapitulationsangebot antwortete der Festungskommandant José Ramón Rodil: »Sollen diejenigen kapitulieren, die sich schlagen lassen! Ich nicht!« Am Ende überlebten noch 400 Royalistcn, »die wie Gespenster aussahen«.

Im Vizekönigreich Neu-Spanien löste die liberale Revolution eine besondere Art von Verlegenheit aus. Dieselben Prinzipien, für die Hidalgo und Morelos gekämpft hatten, sollten jetzt der Kolonialbürokratie und den kreolischen Grundbesitzern, wenn auch abgemildert, in der neu proklamierten Verfassung von 1812 oktroyiert werden? Gegen diese liberale Gefahr aus der Metropole reagierte die lokale Reaktion mit dem »Plan de Profesa«, der die Errichtung einer absoluten Monarchie unter Vizekönig Apodaca vorsah. Für den Fall, dass Ferdinand VII. die Flucht aus Spanien gelang oder er gestürzt würde, sollte ihm der Thron von Neu-Spanien freistehen. Agustín de Iturbide, kreolischer Offizier der Kolonialarmee, der sich im Kampf gegen Hidalgo hervorgetan hatte, wusste die Ungewisse Lage für die konservative kreolische Aristokratie zu nutzen. Er verständigte sich mit dem Partisanengeneral Vicente Guerrero auf der Grundlage der »drei Garantien«: Anerkennung der katholischen Religion, Union der Spanier und Mexikaner, Unabhängigkeit von Spanien; eine rot-weiß-grüne Nationalflagge symbolisierte diesen »Pacto trigarante«. Mit dem »Grito de Iguala« (Ruf aus Iguala) begann am 24. Februar 1821 die Erhebung. Der neue Vizekönig Júan O'Donoju akzeptierte die Forderungen, Iturbide übernahm die Regierung, und am 4. Februar 1822 trat ein Nationalkongress zusammen.

Aber die Pläne Iturbides reichten ungleich weiter. Auf Teile der Armee und käufliche Abgeordnete gestützt, ließ sich Iturbide bereits am 25. Juli 1822 zum Kaiser ausrufen. Das waghalsige Experiment ging schief. Am Beispiel Iturbides bestätigte sich die Erkenntnis Humboldts: »Die wahren Grundlagen der Monarchie sind im Schöße der heutigen Kolonien nirgends zu finden.« Vicente Guerrero betrachtete die Kaiserkrönung als Verrat an der Revolution, und die Nationalversammlung, erst dafür, nun dagegen, beschloss die Absetzung und Verbannung Iturbides (11. Mai 1823). Zum ersten Präsidenten der Republik wurde Miguel Fernández Felix gewählt, wie Guerrero ein ehemaliger Partisanengeneral. Im Glauben, das Schicksal zwingen zu können, kehrte Iturbide nach Mexiko zurück. Gleich nach der Landung wurde er ergriffen und ohne weitere Formalitäten erschossen (19. Juni 1824), ehe noch seine Frau und die beiden Söhne das Schiff verlassen hatten.
Auf Zentralamerika griff die Unabhängigkeitsrevolution von Großkolumbien und Mexiko gleichzeitig über. Während sich Panamá mit Kolumbien verband, schloss sich das restliche Zentralamerika dem »Kaiserreich« Mexiko an und konstituierte sich nach Iturbides Absetzung in einer eigenen Republik (»Vereinigte Provinzen von Zentralamerika«) unter Präsident Manuel José Arce.

Neben Mexiko stellte Brasilien das zweite Beispiel einer konservativen Revolution dar. Mit der Übersiedlung der Bragangas avancierte Rio de Janeiro zur Hauptstadt eines Weltreiches. Obwohl Napoleon schon auf St. Helena saß, ließ Joao VI.. der seine geistesgestörte Regentin-Mutter in ein Kloster verbracht hatte, sich am 16. März 1816 in Bio und nicht in Lissabon zum »portugiesischen« König krönen. Aber die Brasilianer spürten bald auch die Kehrseite der Medaille: Der Hof verschlang viel Geld, und die Steuern stiegen, die besten Posten blieben den arroganten portugiesischen Höflingen vorbehalten; Carlota Jaoquina galt ob ihres wenig reizvollen Aussehens, ihrer Intrigen und Machtgier allgemein als »Hexe«. Während die brasilianischen Plantagenbesitzer murrten, sich jedoch duckten, versuchten radikalere, auf Intelligenz, Bürgertum und unzufriedene Offiziere gestützte Kräfte zu handeln: Im Jahre 1817 kam es zu einem republikanischen Aufstand in Pernambuco, der jedoch isoliert blieb und mit militärischer Gewalt niedergeschlagen wurde. Immerhin, der König, sein Sohn Pedro und die einheimische Aristokratie waren gewarnt und vergaßen diese Lehre nicht.

Angesichts der voranschreitenden Revolution im spanischen Amerika hing der Gedanke einer Unabhängigkeit in der Luft. Im Moment seiner Rückkehr nach Portugal, begleitet von 3000 Höflingen und unter Mitnahme aller erdenklichen Werte, mahnte Joäo seinen Sohn Pedro: ». . . wenn Brasilien sich lossagen muss, ... so wäre es mir lieber, Du . . . würdest es nehmen, als irgendein unbekannter Abenteurer.« Angst vor einem brasilianischen Iturbide? Die Forderung der Cortes in Lissabon, dass sich Pedro nach Portugal zu begeben habe, um für seine künftigen Herrscherpflichten »erzogen« zu werden, zwang die Entscheidung früher als gedacht herbei. Zum eigentlichen Architekten der Unabhängigkeit Brasiliens wurde José Bonifacio de Andrada e Silva, ein konservativer und hervorragender Jurist, Politiker und Diplomat. Unter seinem Einfluss sprach Pedro am 9. Januar 1822 das erlösende Wort: »Fico« (Ich bleibe). Vergeblich versuchte die in Bio stationierte portugiesische Garnison seiner habhaft zu werden, um ihn mit Gewalt nach Lissabon zu verbringen, statt dessen mussten die Portugiesen das Schiff bestei-
gen. Von Lissabon wurde gegen ihn und die gesamte Regierung Strafverfolgung wegen Insubordination verfügt. Pedro erhielt die Nachricht durch Kurier am 7. September 1822, als er sich mit seinem Gefolge am Ypirangafluss in der Nähe Rios befand. Seine Gattin Leopoldine hatte dazu den Kommentar geschrieben: »Der Apfel ist reif, pflücke ihn, oder er fault.« Pedro antwortete mit dem »Grito de Ypiranga«: »Unabhängigkeit oder Tod! Wir sind von Portugal getrennt!« Am 1. Dezember 1822 setzte sich Pedro I. die Krone eines »konstitutionellen Kaisers von Brasilien« auf das Haupt. England, das im Handel mit Brasilien die erste Geige spielte, sprach die sofortige Anerkennung aus, und selbst die Allianzmächte mussten angesichts der komplizierten dynastischen Bande und getrieben von der Hoffnung, einen monarchischen »Cordón sanitaire« gegen das republikanische Restamerika zu errichten, den »Rebellenkaiser« tolerieren. Brasilien gewann seine Unabhängigkeit nicht im fünfzehnjährigen Krieg, sondern in wenig mehr als fünfzehn Monaten, ohne Schlacht, aber auch ohne Volk.

Mit Ayacucho und der Befreiung Oberperus hatte Bolívar den Zenit seiner Macht erreicht, die kontinentale Aufgabe der Revolution erfüllt. Nun traten wieder die regionalen Interessen hervor, an der Basis etablierte sich die konservative kreolische Grundaristokratie als herrschende Klasse, Bolívar und seine Anhänger (»Bolivarianos«) gerieten zunehmend in die politische Isolierung, die Befreiungsarmee verlor ihre historische Berechtigung. Bolívar begriff die Aufgliederung des Kolonialimperiums in selbständige Nationalstaaten als historische Notwendigkeit und objektiv begründeten Prozess: »Es ist eine grandiose Idee, dass die ganze Neue Welt eine einzige Nation bildet, . . . aber es ist nicht möglich, denn unterschiedliche Klimata, verschiedene Situationen, entgegengesetzte Interessen, widersprechende Charaktere teilen America«, so schrieb er bereits im »Brief aus Jamaica«. Es ist deshalb historisch ungerechtfertigt, in Bolívar die Galionsfigur für den späteren offiziösen Panamerikanismus zu sehen. Bolivars Streben galt nun folgerichtig einem föderativen Bündnis der befreiten Staaten. Diese Aufgabe sollte der Völkerkongress von Panama 1826 verwirklichen. Gestützt auf das befreite Spanisch-Amerika, unter Ausschluss der USA (»von der Vorsehung bestimmt . . ., Amerika im Namen der Freiheit mit Elend zu plagen«) und des feindlichen, weil monarchischen Brasilien, glaubte Bolívar, ein »neues Gleichgewicht des Universums« gegen den Machtanspruch Europas und der USA schaffen zu können. Selbst die Möglichkeit eines »universalen Krieges« erwog Bolívar, um die Befreiung aller kolonialunterdrückten Länder zu erreichen. Der Kongress scheiterte an Querelen zwischen den neuen Staaten: »Der Kongress von Panama . . . wird ein Schatten sein . . .«, meinte der von den letzten Hoffnungen verlassene Bolívar.

Obwohl nominell noch immer Präsident Groß-Kolumbiens, ja seit September 1826 sogar Präsident auf Lebenszeit für Peru, schwand seine reale Macht rasch dahin. Von Peru entfernte ihn die Rückkehr nach Bogotá, in Bolivien hatte Sucre alle Mühe, sich gegen eine Welle von Verschwörungen zu behaupten, in Venezuela lag die faktische Gewalt bei Páez, in Quito regierte Flores nach Gutdünken, und in Kolumbien stand Santander, einst in Vertretung Bolivars zum Vizepräsidenten ernannt, jetzt in erbitterter Feindschaft zu seinem ehemaligen Kampfgefährten. In der Individualgeschichte der Independencia gehört der Konflikt Bolivar-Santander, der zugleich die Unvereinbarkeit von kontinentaler Vision und nationalem Pragmatismus zum Ausdruck brachte, zu den großen tragischen Momenten. Zwar riefen Bolivars Anhänger, um ein Zerbrechen der Drei Staatenrepublik zu verhindern, ihn am 13. Juni 1828 zum Diktator aus, aber der »Befreier«, physisch erschöpft, von einer fortschreitenden Tuberkulose gezeichnet und bar einstiger heroischer Illusionen, vermochte die Zügel nicht mehr in der Hand zu halten, der Kreis der »Bolivarianos« verengte sich zunehmend, Überläufer und Opportunisten gewannen die Oberhand.

Sein Wunsch, an seiner Stelle den fünfunddreißigjährigen Sucre zum Präsidenten Groß-Kolumbiens zu wählen, erfüllte sich nicht. Sucre starb von Mörderhand. Auch Bolívar hatte man ein weiteres Mal zu meucheln versucht; er verdankte sein Leben Manuela, die ihm den Weg zur Flucht mit der blanken Waffe deckte.


Abb.: Simon Bolivar, Zeichnung von Roulin, 1828

Die faktische Auflösung seiner Staatsschöpfung und die allgemeine Anarchie vor Augen, begab sich Simón Bolívar, nicht ohne von Manuela Abschied genommen zu haben, in Richtung Küste, um — den Spuren San Martins folgend? — in Europa Exil und Ruhe zu finden. Er, der vom Gedanken an seine historische Berufung fast besessen schien, zog in den letzten Wochen seines Lebens eine niederschmetternde Bilanz: (Von den zwanzig Jahren meiner Führung) »kann ich nicht mehr als wenige gewisse Ergebnisse ableiten: Amerika ist für uns unregierbar; wer einer Revolution dient, pflügt im Meer; das einzige, was man in Amerika tun kann, ist auszuwandern; dieses Land wird unweigerlich in die Hände der entfesselten Masse fallen, um dann an kleine Tyrannen aus allen Hautfarben und Rassen zu geraten; [sind wir] verschlungen durch alle Verbrechen und vernichtet durch die Grausamkeit, werden die Europäer nicht [einmal] die Güte haben, uns zu erobern; wenn es möglich ist, dass ein Teil der Welt in das Chaos des Ursprungs zurückfällt, dann wird dies die letzte Periode Amerikas sein . . . die ganze Welt wird sich dem Strom der Demagogie hingeben und wehe den Völkern und wehe den Regierungen!«

Simón Bolívar starb am 17. Dezember 1830, früh ein Uhr, auf der Quinta de San Pedro de Alejandrino, dem Besitz eines . . . Spaniers. Ironie oder ausgleichende Gerechtigkeit der Geschichte? Sein Werk und die von ihm geborene Idee der kontinentalen Solidarität aller lateinamerikanischen Völker überlebten ihn, nicht dank, sondern trotz der kalten Pracht der zahllosen Denkmäler aus Stein und Erz, mit denen jene Herrschenden, die längst sein Vermächtnis preisgegeben oder es nie verstanden hatten, ihr Gewissen beruhigten.

Aus der Unabhängigkeitsrevolution des spanischen und portugiesischen Amerika erwuchs, ungeachtet ihrer politischen und sozialen Nichtvollendung, eine neue Staatenwelt. Spanien schied damit aus dem Kreis der großen Kolonialmächte, neben der griechischen offenbarte auch die lateinamerikanische Revolution die Krise und den Niedergang der Heiligen Allianz. Der von den Ideen von 1789 geprägte bürgerliche Kosmos erreichte eine neue Dimension. Lateinamerika wurde Teil des bürgerlichen Welt- und Staatensystems, wenn auch um den Preis einer schleichenden indirekten Rekolonisierung im System der internationalen Arbeitsteilung unter der Hegemonie Englands und im Schatten erster Vormachtansprüche der USA. Das Erbe von 1810 blieb unvollendet. José Martí, der große kubanische Revolutionär, nahm es auf mit den Worten: »Was Bolívar nicht vermochte, bleibt in Amerika noch zu tun!«"

[Kossok, Manfred: In Tyrannos : Revolutionen der Weltgeschichte. Von den Hussiten bis zur Commune. -- Leipzig : Edition Leipzig, ©1989. -- (Reihe Weltgeschichte). -- ISBN 3-361-00206-0. -- S. 268 -275]


1816-01-30


Abb.: Pius VII.

Papst Pius VII. (1740 - 1823, Papst seit 1800) befiehlt in der Enzyklika Etsi longissimo den Bischöfen Lateinaaamerikas, ihre Gläubigen anzuleiten, den Unabhängigkeitsbewegungen zu widerstehen und Seiner Katholischen Majestät, dem König von Spanien, die Treue zu halten.

Übersichtsartikel zur Stellung der  Päpste zur Unabhängigkeit Lateinamerikas
"In Partibus Infidelibus

Während die neuen Republiken ihre Pläne weltlicher Reorganisation fortführen mussten, zeigte sich die Kirche unschlüssig, wenn nicht offen feindlich. Rom wich dem drohenden Druck der spanischen Botschafter, die ihrerseits eine protestantische Rolle spielten: Sollte der Papst den von Bolívar geschickten Gesandten von Kolumbien empfangen, würde Spanien mit dem Heiligen Stuhl brechen. In Amerika stand kein einziges spanisches Bataillon mehr, längst hatten die großen Mächte die hispano-amerikanischen Republiken anerkannt, aber der Gesandte Spaniens in Rom bestand immerfort auf seinem Anspruch, die spanische Krone habe die Bischöfe für Amerika zu wählen, wobei er auf die Patronatsrechte pochte. Man würde also spanisch-monarchistische Bischöfe in den freien demokratischen Republiken haben. Das war die Erneuerung des Krieges an der geistigen Front. Der Spanier erreichte, dass der Papst den Ignacio Sánchez de Tejada, den Beauftragten des Bolívar zur Einleitung von Beziehungen mit dem Heiligen Stuhl, aus dem Kirchenstaat wies und dass keine Bischöfe ernannt würden, wo eine Vakanz einträte. Mehr noch: dass der Papst eine Politik der Anhänglichkeit an den spanischen Monarchen empfahl.

Die erste Bekundung des Papstes Pius VII. für Ferdinand VII. erfolgte 1816. Für das republikanische Amerika war 1816 das schlimme Jahr. Damals machte Spanien seine größte und brutalste Anstrengung bei der sogenannten >reconquista< oder Befriedung. Der General Pablo Morillo erschoss methodisch auf dem Hauptplatz in Bogotá die großen Persönlichkeiten des Denkens und der Wissenschaft, die sich zur republikanischen Sache bekannt hatten. Zugleich wurde die Enzyklika verbreitet, die besagte: »Da Wir in dieser Welt die Stelle dessen vertreten, der der Gott des Friedens ist und der diesen bei seiner Geburt durch die Engel hat verkünden wollen, um das menschliche Geschlecht von der Tyrannei des Teufels zu erlösen, haben Wir es als den apostolischen Funktionen, die Uns, wenn auch ohne Unser Verdienst, zustehen, gemäß angesehen, Euch mit diesem Brief noch mehr zu ermahnen, keine Anstrengung zu unterlassen, die schlimme Saat des Aufruhrs und der Empörungen, die der feindliche Mensch in jenen Ländern säte, mit Stumpf und Stiel auszurotten und zu vernichten... Leicht werdet Ihr ein so heiliges Ziel erreichen, wenn jeder einzelne von Euch seinen Schafen mit allem ihm möglichen Eifer die schrecklichen und äußerst schweren Schäden der Rebellion darstellt, wenn er auf die leuchtenden und einzigartigen Tugenden Unseres teuren Sohnes in Jesus Christus, Ferdinand, Eures katholischen Königs, hinweist, für den es nichts Kostbareres gibt als die Religion und das Glück seiner Untertanen, und wenn er ihnen schließlich vor Augen hält die erhabenen und unsterblichen Beispiele, die die Spanier Europa gegeben haben, die Leben und Habe nicht achteten, um ihre unüberwindliche Anhänglichkeit an den Glauben und ihre Treue zum Allerhöchsten zu bekunden.«

P. Pedro de Leturia SJ zählt die Reihe von päpstlichen Verfügungen auf, die dieser Enzyklika folgten: Bestätigung des neuen Ordens lsabel La Católica für die Getreuen von Amerika; Gewährung des dritten Teiles der bischöflichen Haushalte und gewisser Einkünfte aus den Verkäufen der Domkapitel und der Klöster an den König von Spanien, um zur Rüstung der Flotte beizutragen, die in Cádiz gegen Buenos Aires aufgestellt wurde; Dank an das Metropolitankapitel von Mexiko für einen goldenen Kelch und einige Münzen von Ferdinand VII., mit dem Versprechen, »die hl. Pontifikal-Messe nicht einmal, sondern viele Male zu lesen, um die Beharrlichkeit in der katholischen Einheit, den Gehorsam gegen den erlauchten Fürsten Ferdinand VII., die gegenseitige Eintracht und dauerhaften Frieden zu erreichen«. Zudem besetzte er zwischen 1815 und 1818 mehrere Vakanzen in den Vize-Reichen mit dem König ergebenen, vor allem aus Amerika gebürtigen Personen."

[Arciniegas, Germán <1900 - >: Geschichte und Kultur Lateinamerikas : Entdeckung, Eroberung, Unabhängigkeit. -- München : Heyne, 1978. -- (Heyne Geschichte ; 9). -- S. 409f. -- Originaltitel: El continente del siete colores (1965)]

1816

Acta de independencia / declarada por el congreso de las provincias-unidas en Sud-America


Abb.: Acta de independencia. -- Tucumán, 1816. -- Text in Spanisch und Aymara

1816


Abb.: Teniente Coronela Juana Azurduy de Padilla, die bolivianische Jeanne d'Arc

Juana Azurduy de Padilla (1780, La Plata - 1862, Sucre) aus Chuquisaca wird zur Teniente Coronela der Befreiungsarmee ernannt.

Cueca "Juana Azurduy"

Text: Félix Luna
Musik: Ariel Ramírez Servetti (geb. 1921, Argentinier, Komponist der Misa Criolla)

Juana Azurduy
flor del Alto Perú:
no hay otro capitán
más valiente que tú.

Oigo tu voz
más allá de Jujuy
y tu galope audaz,
Doña Juana Azurduy.

Me enamora la patria en agraz,
desvelada recorro su faz;
el español no pasará
con mujeres tendrá que pelear

Juana Azurduy
flor del Alto Perú
 no hay otro capitán
más valiente que tú.

Estribillo

Truena el cañón
préstame tu fusil
que la revolución
viene oliendo a jazmín.

Tierra del sol
en el Alto Perú,
el eco nombra aún
a Tupac Amaru.

Tierra en armas que se hace mujer,
amazona de la libertad.
Quiero formar
en tu escuadrón
y al clarín de tu voz
atacar.

1819

Putsche, Carl Wilhelm Ernst <1765-1834>: Versuch einer Monographie der Kartoffeln; oder ausführliche Beschreibung der Kartoffeln nach ihrer Geschichte, Charakteristik, Kultur und Anwendung in Teutschland / bearbeiter von Carl Wilhelm Ernst Putsche und hrsg. von Friedrich Justin Bertuch.  -- Weimar, Landes-Industrie-Comptoire, 1819. -- 158 S. : Ill.

Abbildungen aus diesem Werk


Abb.: Kartoffelblüten


Abb.: Kartoffelblüten


Abb.: Frühkartoffel-Sorten


Abb.: Frühkartoffel-Sorten


Abb.: Spätkartoffel-Sorten


Abb.: Spätkartoffel-Sorten


Abb.: Spätkartoffel-Sorten


Abb.: Spätkartoffel-Sorten


Abb.: Spätkartoffel-Sorten

Bildquelle: Die Kartoffel : Geschichte und Zukunft einer Kulturpflanze / hrsg. von Helmut Ottenjahn ... -- Cloppenburg : Niedersächsisches Freilichtmuseum, ©1992. -- (Arbeit und Leben auf dem Lande ; 1). -- ISBN 3-923675-30-5. -- S. 49 - 52]

1820

In Cádiz werden 20.000 Mann als Truppe gegen die südamerikanischen Aufständischen gesammelt. Die Stimmung bei diesen Truppen ist miserabel. Die Mehrzahl der Offiziere ist liberal und sträubt sich dagegen, jeden Tag als Dienstpflicht geminsam den Rosenkranz beten zu müssen. Außerdem tritt Gelbfieber auf. Die Abfahrt muss verschoben werden und findet nie statt. In Spanien bricht derweil ein Bürgerkrieg zwischen Ultrakatholischen und Gemäßigten aus.

1820

Den französischen Apothekern Pierre-Joseph Peleltier (1788 - 1842) und Joseph Bienaimé Caventou (1795 - 1877) gelingt es, aus der Chinarinde (Chinchona spp.) den Wirkstoff Chinin zu extrahieren. Damit wird eine genormte medikamentöse Verwendung ermöglicht und der große Chinarindenboom eingeleitet. 1826 erzeugte Pelletier aus 1500 kg Chinarinde 40 bis 50 kg Chinin. 1939 war der Weltverbrauch an Chinin 600.000 kg.

 
Abb.: Denkmal für Pelletier und Caventou, Paris, 1900

1821 - 1824

José de la Serna y Martínez de Hinojosa (1770, Jerez de la Frontera - 1832, Cádiz) ist der letzte Vizekönig von Perú

1822-06-08

Die Unabhängigkeitsbewegung Lateinamerikas aus Hamburger Sicht:

Martin Joseph Haller, Präses der Commerzdeputation Hamburgs, zur Lage in Südamerika:

"Es sind unter unsern Augen Umwälzungen vorgegangen, die zu den wichtigsten seit der Entdeckung von America gehören. Das ganze System der Colonisation hat einen solchen Riß, ja einen solchen Sturz erhalten, dass man fast sagen sollte, jedes Land hat ohne Schwertstreich die größten Handelsbesitzungen sich erworben. Man darf annehmen, dass sehr bald gar kein sogenanntes Mutterland in Europa zu finden seyn, dass einer jeder dieselben Rechte in Peru und Mexico, in Brasilien und Bengalen wie die Spanier, Portugiesen und Engländer genießen wird ... Alle die seit Jahrhunderten uns verschlossen, fast verborgen gewersenen Länder und Weltteile sind uns offen geworden, und wir können auch sagen: Hamburg hat Colonien erhalten. Es wird nunmehr vieles davon abhängen, ob wir früh das öffentliche und das Privat-Vertrauen jener Länder zu gewinnen wißen."

[Zitat in: Die Chronik Hamburgs / Ernst Christian Schütt ... -- Dortmund : Chronik, ©1991. -- ISBN 3-611-00194-5. -- S. 198]

"Da trat im Jahre 1822 jenes Ereignis ein, das in den hamburgischen Überseebeziehungen Epoche machte, die Anerkennung der aufständischen spanischen Provinzen in Süd- und Mittelamerika durch die Vereinigten Staaten. Damit war die Loslösung der Kolonien vom Mutterlande, nachdem das portugiesische Brasilien bereits während der Franzosenzeit mit seiner Verselbständigung vorangegangen, auch für Spanisch-Amerika zur unumstößlichen Tatsache geworden. Die wirtschaftliche Bedeutung dieser Ereignisse lag darin, dass mit der Herrschaft auch das Handelsmonopol der Mutterländer fortfiel; selbst England, durch das Beispiel gewarnt, mußte sich entschließen, den unmittelbaren Handel seiner Kolonien freizugeben. Der größte Teil der Neuen Welt wurde für die Hanseaten damals zum zweitenmal entdeckt. Die gesamte Kaufmannschaft war aufs äußerste erregt: »Der Welthandel nimmt einen anderen Schwung; die alte Handelspolitik stürzt; es sind neue Ansichten, die sich Bahn brechen durch den Gang der veränderten Zeiten.« Fast jubelnd rief der Präses Haller im Namen der Kommerzdeputation in die Versammlung des Ehrbaren Kaufmanns hinein: »Hamburg hat Kolonien erhalten!« Wie ein gestauter Strom, dem die Schleusen geöffnet werden, ergoß sich die ganze Energie der hamburgischen Handelshäuser in dieses Neuland. Unter den ersten Bahnbrechern befinden sich manche Firmen, deren Name noch heute bekannt ist: Berenberg, Goßler & Co., Sillem Benecke & Co., M. J. Haller, G. M. Schröder & Co., Lutteroth & Co., Stre-sow & Gries, Blohm & Co., Ferd. Laeisz u. a.; es handelt sich um eine wirkliche Massenbewegung. In schneller Folge entstanden hamburgische und hansische Konsulate an den wichtigsten Plätzen: 1817 in Rio de Janeiro, 1820 in Bahia, 1825 in Mexiko-Stadt und in Port au Prince, 1827 in La Guayra und Montevideo, 1828 in Buenos Aires und Lima, 1832 in Tampico und Vera Cruz, 1834 in Valparaiso, 1837 in Havana, 1841 in Guatemala, 1842 in Guayaquil. Mit einigen der neu entstandenen Staaten gelang es zu Handelsverträgen zu kommen. Mit Recht berühmt ist noch heute der von Syndikus Sieveking und dem Bremer Senator Gildemeister 1827 abgeschlossene Vertrag mit Brasilien, aus dem nicht nur die Hansestädte, sondern ebenso die binnendeutschen Industrien großen Nutzen gezogen haben. Überhaupt stand Brasilien mit seinen reichen Schätzen an Kolonialwaren, vor allem an Zucker und Kaffee, im Vordergrunde des Interesses; bis zur Gegenwart blieb Hamburg der wichtigste europäische Stapelplatz für dieses Land.

[Heinrich Reincke, 1926. -- Zitiert in: Hamburg / hrsgg. von Helmuth Thomsen. -- 3. Aufl. -- München : Prestel, 1968. -- S. 117f.]

1822-07-24

Historisch bedeutsames Treffen zwischen Simón Bolivars (1783, Caracas - 1830, Kolumbien) mit José de San Martín y Matorras (1778, Yapeyú - 1850, Frankreich).

Bericht von Tomás Cipriano de Mosquera (1798 - 1830)

"Am 24. Juli 1822 wurde der Geburtstag General Bolivars gefeiert, und in der Nacht fuhr der Schoner »Macedonia« in den Rio Guayaquil ein. Auf dem Schiff befand sich der Protektor Perus, General San Martin.


Abb.: José de San Martin (argentinische 100-Pesos Münze, 1981)

Er sandte seine Adjutanten an Land, Oberst Don Rufino Guido und Oberstleutnant Soyer, mit dem Auftrag, den Libertador Bolívar zu beglückwünschen und ihm zu sagen, dass er sich mit ihm an Bord des Schiffes treffen könne, falls seine — San Martins — Anwesenheit Unruhe im Land hervorrufen sollte. Der Libertador antwortete, wie es sich gebührte, und schickte sofort vier seiner Adjutanten aus, die den Protektor begrüßen und ihm Quartier anbieten sollten. Am folgenden Tag wurde er mit allen Ehren, die ihm zustanden, und mit großer Herzlichkeit von seilen des Libertadors und der Bevölkerung von Guayaquil empfangen. Nach dem Abendessen zogen sich Bolívar und San Martin in einen Saal des Hauses zurück, das für eine Unterredung vorbereitet worden war. Nachdem sie begonnen hatten, über die Situation zu sprechen, in der sich Kolumbien zur Zeit befand, rief mich der Libertador. Ich sollte aus seinem Haus einige Briefe des Generals Santander holen, die er San Martin zeigen wollte. Sogleich sprach General San Martin von seinem Vorhaben, Peru zu einer konstitutionellen Monarchie zu machen, um auf diese Weise die Unabhängigkeit des Landes zu erreichen und Hispano-Amerika Regierungen zu geben, die dessen Bedürfnissen entsprachen. Er legte Bolívar eine Protokollkopie des Staatsrates vor, die wir wegen ihrer großen Bedeutung sofort abschrieben. Hier folgt der Wortlaut des Dokuments:

  1. Um die innere Ordnung des Landes Peru aufrechtzuerhalten und dem neuen Staatsgebilde den nötigen Respekt zu verschaffen, ist es unumgänglich, eine starke und fähige Regierung einzusetzen, die Anerkennung der Unabhängigkeit durch eine europäische Großmacht zu erreichen und ein Bündnis mit dieser Macht abzuschließen oder die Garantie ihres Schutzes zu erhalten. In Frage kommen Großbritannien wegen seiner Seemacht, seinem Ansehen, seinem Wohlstand und der Güte seiner Grundgesetze und Russland wegen seiner Macht und seiner politischen Bedeutung. Folglich sind die Gesandten beauftragt worden, die Lage dementsprechend auszukundschaften. Sollte der Prinz von Sachsen-Coburg oder, falls nicht er, ein Prinz der regierenden Dynastie Großbritanniens einverstanden sein, sich zum Kaiser von Peru krönen zu lassen, so soll dieser Entschluss von den Gesandten angenommen werden. Im letzteren Fall (der Absage des Prinzen von Sachsen-Coburg) soll dem Herzog von Sachsen der Vorrang gegeben werden — unter der Bedingung, dass das neue Oberhaupt dieser Monarchie den katholischen Glauben annimmt und gleichzeitig beschwört, dass er die Staatsverfassung akzeptiert, wie sie ihm von den Vertretern der Nation präsentiert wird. Es wird ihm erlaubt, mit einer Leibwache von höchstens dreihundert Mann einzureisen. Käme eine solche Übereinkunft nicht zustande, dann könnte auch ein Prinz aus einer deutschen Nebenlinie akzeptiert werden, sofern er der Unterstützung der britischen Regierung sicher wäre, oder einer der Prinzen aus dem Hause Österreich, unter den gleichen Bedingungen und Formalitäten.
  2. Falls die Gesandten auf überwindliche Schwierigkeiten bei der britischen Regierung stoßen sollten, sind sie angewiesen, sich an den Zaren von Russland zu wenden, der die einzige Macht repräsentiert, die sich mit England messen kann. In diesem Fall sind die Gesandten autorisiert, einen Prinzen jener Dynastie zu akzeptieren — oder irgendeinen anderen, dem der Zar seinen Schutz zusichert.
  3. Findet sich kein Prinz der Häuser Braunschweig, Österreich oder Russland, werden sich die Gesandten an einen Prinzen Frankreichs oder Portugals wenden, und als letzten Ausweg können sie den Herzog von Luca aus dem spanischen Herrscherhaus zulassen. Auch er wäre an alle genannten Bedingungen gebunden und dürfte in keinem Fall in bewaffneter Begleitung kommen.
  4. Die Gesandten sind ermächtigt, der Regierung, die uns den größten Schutz zusichert, bestimmte Vorteile zuzugestehen. Sie können mit großer Vollmacht vorgehen, um Peru eine starke Protektion zu sichern und damit das Wohlergehen des Landes zu fördern.

Unterzeichnet im Sitzungssaal des Kongresses, am 24. Dezember 1821, in Lima, der heroischen und tapferen Stadt der Könige.

  • José de San Martin; Graf del Valle de Oscile; Graf de La Vega del Ren;
  • Francisco Javier Moreno;
  • Francisco Javier Echague; Marquis de Torre Tagle;
  • Hipólito Unanue; Graf de La Torre Velarde; Innenminister der Regierung Bernardo de Monteagudo.

Nachdem ihm dieses Kommunique vorgelesen worden war, machte der Libertador den General San Martin darauf aufmerksam, dass einige Mitglieder des Rates Titelträger Spaniens waren und dass ein Geistlicher als Mitglied des Rates fungiere. Das heiße, die kolonialen Institutionen erhalten und die Realisierung des Plans von Floridabianca anstreben, wo man dem König von Spanien vorschlug, Monarchien in Amerika zu errichten: Der König von Spanien sollte zum Kaiser aller amerikanischen Monarchien erklärt werden, um alle Nationen spanischer Rasse in einer einzigen Föderation zusammenzufassen. Nun aber müssten die amerikanischen Länder unabhängig werden, nachdem sie den Vereinigten Staaten beigestanden hatten, als diese sich von Großbritannien trennten.

»Wie können Sie annehmen«, sagte Bolívar, »dass Sie mit den angelsächsischen Familien über einen Herrscher für Peru verhandeln können und dass ein Prinz wie der Herzog von Luca seine Religion wechselt, um König zu werden? Hat er doch auf seine Rechte auf die Krone von England verzichtet, um sich mit einer Bürgerlichen verheiraten zu können!

Peru hat vor zwanzig Tagen durch den Minister Monteagudo mit Ihrem Einverständnis einen Freundschaftspakt mit der kolumbianischen Förderation abgeschlossen. Es besteht keine gedankliche Einheit zwischen dem, was Sie mir jetzt vorschlagen, und der Verwirklichung eines Bundes der verschiedenen lateinamerikanischen Republiken, die in einem Kongress durch ihre Bevollmächtigten vertreten werden.

Ich kann nur meine Richtlinie einhalten, der ich zwölf Jahre folgte: der meines absoluten Einsatzes für die Sache der Freiheit. Niemals werde ich mich in Anwesenheit eines Prinzen demütigen, den ich verachtet habe. Ich habe gelehrt, dass die jungfräuliche Erde Amerikas keine andere Regierungsreform als die republikanische erlaubt. Mein Name und mein Ruf sind verbunden mit den Bemühungen, die ich angestrengt habe, um Spanien die Macht zu entreißen. Niemals würde ich einen solchen Schritt tun. Sie, Herr General, haben sich mit dieser Reise ins Verderben gestürzt. Der Anschluss einiger Provinzen Argentiniens an Peru, den Sie proklamiert haben, hat Sie den besten Generälen entfremdet. Nach den Nachrichten, die ich soeben von meinem Vertrauensmann in Kolumbien, Oberstleutnant Gómez, erhielt, hat sich General Las Heras vom Heer getrennt, um es nicht zu verraten. Und die Generäle Alvarado und Arenales unterstützen Ihre Pläne nicht. Ich glaube, dass Sie, sobald Sie in Peru ankommen, eine Revolution werden niederschlagen müssen, da sich Ihre vorläufige Regierung nicht um die Meinung des Volkes kümmert, sondern ein System errichten will, das weder der Epoche noch der Lage entspricht. Die Kolumbianer haben gelernt, die Könige zu verachten, und ich werde nie aufhören, der erste Bürger meines Vaterlandes zu sein!« Der Libertador hatte sich während dieser Worte so sehr in Feuer geredet, dass er seine Ausführungen mit ungefähr diesen Worten abschloss: »Niemals können wir — Sie und ich — etwas anderes sein als Republikaner, und an dem Tag, an dem wir aufhören würden, es zu sein, fänden wir uns allein und verlassen. Wir würden den Ruhm von hundert Schlachten beflecken, und unser Name würde ohne Glanz in die Nachwelt eingehen.« General San Martin antwortete ihm: »Ihr entschiedener Ton und Ihre Willenskraft erlauben mir keine Erwiderung. Aber der Tag wird kommen, an dem Sie erkennen werden, dass der Weg, den Krieg zu beenden, jener ist, den ich für den günstigsten gehalten habe. Die Geschichte wird Ihnen oder mir Recht geben. Sprechen wir also von anderen Dingen: Die Truppen, die sich in Peru aufhalten — ohne diejenigen, die Sie befehligen —, reichen nicht aus, um das spanische Heer zu zerschlagen. Werden Sie mir größere Unterstützung geben können? Werden Sie kommen können, um das militärische Oberkommando in Peru zu übernehmen?«

Der Libertador antwortete ihm: »Ich bin vollkommen überzeugt von der Notwendigkeit, Ihnen mit allen Möglichkeiten, die Kolumbien zur Verfügung stehen, zu helfen, aber im Augenblick muss ich meine Kräfte auf die Bildung einer Division konzentrieren, die ich dem General Juan Paz de Castillo zu unterstellen vorhabe, einem Heerführer, der Ihnen bekannt ist, da er Ihnen auf Ihren Feldzügen von Buenos Aires bis Chile gedient hat. Er wird mit dem ganzen Heer im Süden der Republik verweilen, um Operationen zu unternehmen, falls das königlich-spanische Heer von neuem angreifen sollte. Aber dies alles müsste durch ein Abkommen zwischen den beiden Republiken geregelt werden.«

Und über den letzten Punkt, der die Übernahme des militärischen Oberbefehls in Peru betraf, sagte er: »Ich würde es gern tun, wenn die kolumbianische Republik es mir erlaubte und ich mich entfernen könnte, ohne dass dadurch die innere Ordnung des Landes leiden würde.« Er fügte hinzu: »Nach dem, was ich erfahren habe, kann Sie Ihre zeitweilige Abwesenheit von Peru teuer zu stehen kommen, und bedenken Sie, da Ihnen nun dies geschieht, wie vorsichtig ich bei Revolutionen großen Ausmaßes sein muss!« General San Martin ergriff darauf das Wort und äußerte folgende oder ähnliche Worte: »Ich verstehe wohl, General, dass ich mich — da ich mit Ihnen nicht gleicher Meinung bin — von der Führung Perus trennen muss. Ich werde den Kongress einberufen und mich zurückziehen: nicht nur von Peru, sondern auch von der Republik Chile und den Vereinigten Provinzen des Rio de la Plata, deren Unabhängigkeit ich mit meinen letzten Feldzügen gesichert habe. Ich werde mich nach Europa begeben, um von dort aus die Ereignisse zu beobachten, die die Unabhängigkeit der Neuen Welt sichern.« Die Unterhaltung ging sogleich auf andere, politisch unwichtige Themen über, und General San Martin war bestrebt, sofort nach Lima zurückzukehren, um eine Verwirrung innerhalb seiner Unternehmungen zu verhindern."

[Übersetzung: Pausewang, Gudrun: Südamerika aus erster Hand : Geschichte und Gegenwart Lateinamerikas berichtet von Augenzeugen und Zeitgenosse. -- Würzburg : Arena, ©1970. -- S. 191 - 195]

1823


Abb.: 8 Reales "Ferdinandus VII Dei Gratia", Münzprägung Potosí, 1823

1823-12-02

US-Präsident James Monroe (1758 - 1831; Präsident 1817 - 1825) verkündet in einer Erklärung vor dem US-Kongress die sogenannte Monroe-Doktrin. Anlass zur (später so genannten) Monroedoktrin bot die Ausdehnung der russischen Ansprüche auf Alaska bis zum 51. Breitengrad nach Süden, also bis in die Nähe des heutigen Vancouver. Hinzu kam die Drohung europäischer Mächte, in die Unabhängigkeitsbestrebungen der spanischen Kolonien in Südamerika zugunsten Spaniens einzugreifen. Die Erklärung hatte vollen Erfolg: Der Zar ließ sich 1824 zu einem Abkommen mit den USA herbei, das die Südgrenze Alaskas auf den Breitengrad von 54° 40' begrenzte. Eine Intervention der Heiligen Allianz in den südamerikanischen Freiheitskämpfen unterblieb.


Abb.: Clyde O. de Land: Präsident Monroe erläutert seinen Beratern die Monroe-Doktrin, 1912

Text der Erklärung vor dem Kongress
". . . At the proposal of the Russian Imperial Government, made through the minister of the Emperor residing here, a full power and instructions have been transmitted to the minister of the United States at St. Petersburg to arrange by amicable negotiation the respective rights and interests of the two nations on the northwest coast of this continent. A similar proposal has been made by His Imperial Majesty to the Government of Great Britain, which has likewise been acceded to. The Government of the United States has been desirous by this friendly proceeding of manifesting the great value which they have invariably attached to the friendship of the Emperor and their solicitude to cultivate the best understanding with his Government. In the discussions to which this interest has given rise and in the arrangements by which they may terminate the occasion has been judged proper for asserting, as a principle in which the rights and interests of the United States are involved, that the American continents, by the free and independent condition which they have assumed and maintain, are henceforth not to be considered as subjects for future colonization by any European powers. . .

It was stated at the commencement of the last session that a great effort was then making in Spain and Portugal to improve the condition of the people of those countries, and that it appeared to be conducted with extraordinary moderation. It need scarcely be remarked that the results have been so far very different from what was then anticipated. Of events in that quarter of the globe, with which we have so much intercourse and from which we derive our origin, we have always been anxious and interested spectators. The citizens of the United States cherish sentiments the most friendly in favor of the liberty and happiness of their fellow-men on that side of the Atlantic. In the wars of the European powers in matters relating to themselves we have never taken any part, nor does it comport with our policy to do so. It is only when our rights are invaded or seriously menaced that we resent injuries or make preparation for our defense. With the movements in this hemisphere we are of necessity more immediately connected, and by causes which must be obvious to all enlightened and impartial observers. The political system of the allied powers is essentially different in this respect from that of America. This difference proceeds from that which exists in their respective Governments; and to the defense of our own, which has been achieved by the loss of so much blood and treasure, and matured by the wisdom of their most enlightened citizens, and under which we have enjoyed unexampled felicity, this whole nation is devoted. We owe it, therefore, to candor and to the amicable relations existing between the United States and those powers to declare that we should consider any attempt on their part to extend their system to any portion of this hemisphere as dangerous to our peace and safety.

With the existing colonies or dependencies of any European power we have not interfered and shall not interfere. But with the Governments who have declared their independence and maintain it, and whose independence we have, on great consideration and on just principles, acknowledged, we could not view any interposition for the purpose of oppressing them, or controlling in any other manner their destiny, by any European power in any other light than as the manifestation of an unfriendly disposition toward the United States. In the war between those new Governments and Spain we declared our neutrality at the time of their recognition, and to this we have adhered, and shall continue to adhere, provided no change shall occur which, in the judgement of the competent authorities of this Government, shall make a corresponding change on the part of the United States indispensable to their security.

The late events in Spain and Portugal shew that Europe is still unsettled. Of this important fact no stronger proof can be adduced than that the allied powers should have thought it proper, on any principle satisfactory to themselves, to have interposed by force in the internal concerns of Spain. To what extent such interposition may be carried, on the same principle, is a question in which all independent powers whose governments differ from theirs are interested, even those most remote, and surely none of them more so than the United States. Our policy in regard to Europe, which was adopted at an early stage of the wars which have so long agitated that quarter of the globe, nevertheless remains the same, which is, not to interfere in the internal concerns of any of its powers; to consider the government de facto as the legitimate government for us; to cultivate friendly relations with it, and to preserve those relations by a frank, firm, and manly policy, meeting in all instances the just claims of every power, submitting to injuries from none. But in regard to those continents circumstances are eminently and conspicuously different. It is impossible that the allied powers should extend their political system to any portion of either continent without endangering our peace and happiness; nor can anyone believe that our southern brethren, if left to themselves, would adopt it of their own accord. It is equally impossible, therefore, that we should behold such interposition in any form with indifference. If we look to the comparative strength and resources of Spain and those new Governments, and their distance from each other, it must be obvious that she can never subdue them. It is still the true policy of the United States to leave the parties to themselves, in hope that other powers will pursue the same course. . . . "

". . . Wir haben niemals an den Kriegen der europäischen Mächte teilgenommen oder uns in die Angelegenheiten gemischt, die damit in Zusammenhang standen, denn das ließe sich nicht mit unserer Politik vereinbaren. Nur wenn unsere Rechte angegriffen oder ernstlich bedroht werden, weisen wir Beleidigungen zurück oder treffen wir Abwehrmaßnahmen. Mit den Bewegungen auf dieser Hemisphäre sind wir notwendigerweise unmittelbar verknüpft, und zwar aus Gründen, die allen einsichtigen und unparteiischen Beobachtern offenkundig sein müssen. Das politische System der verbündeten Mächte ist in dieser Beziehung von dem Amerikas wesentlich verschieden. Dieser Unterschied ergibt sich aus dem, der in ihren entsprechenden Regierungen vorhanden ist. Der Verteidigung aber unserer eigenen Regierungsform, die unter Verlust von so viel Blut und Vermögen durchgesetzt, durch die Weisheit der einsichtigsten Bürger fortgebildet worden ist und unter der wir beispielloses Glück genossen haben, hat sich diese ganze Nation geweiht. Wir sind es deshalb der Aufrichtigkeit und den freundschaftlichen Beziehungen schuldig, die zwischen den Vereinigten Staaten und jenen Mächten bestehen, zu erklären, dass wir jeden Versuch von ihrer Seite, ihr System auf irgendeinen Teil dieser Hemisphäre auszudehnen, als Gefährdung unseres Friedens und unserer Sicherheit betrachten würden. Mit den bestehenden Kolonien oder den von irgendeiner europäischen Macht abhängigen Ländern haben wir uns nicht befasst und werden wir uns nicht befassen. Aber was die Regierungen anbelangt, die ihre Unabhängigkeit erklärt und behauptet haben, und deren Unabhängigkeit wir nach gründlicher Überlegung und nach gerechten Prinzipien anerkannt haben, so könnten wir irgendeine Stellungnahme zu dem Zwecke, sie zu unterdrücken oder in irgendeiner Weise ihr Geschick zu bestimmen, seitens irgendeiner europäischen Macht, in keinem anderen Lichte sehen als dem der Bekundung einer unfreundlichen Gesinnung gegen die Vereinigten Staaten. In dem Krieg zwischen diesen neuen Regierungen und Spanien erklärten wir unsere Neutralität zur Zeit ihrer Anerkennung, und hieran haben wir festgehalten und werden wir festhalten, solange keine Änderung eintritt, die nach dem Urteil der maßgebenden Stellen unserer Regierung eine entsprechende für ihre Sicherheit unerlässliche Änderung seitens der Vereinigten Staaten nötig macht.
Die jüngsten Ereignisse in Spanien und Portugal zeigen, dass die Verhältnisse in Europa sich noch nicht gefestigt haben. Kein stärkerer Beweis kann dafür angeführt werden, als die hervorstechende Tatsache, dass die verbündeten Mächte es für angebracht erachtet haben, sich nach einem sie selbst befriedigenden Prinzip mit Gewalt in die inneren Angelegenheiten Spaniens einzumischen. Bis zu welchem Ausmaß eine solche Einmischung nach diesem Prinzip durchgeführt werden mag, das ist eine Frage, an der alle unabhängigen Mächte Interesse haben, deren Regierungen von den ihrigen verschieden sind, selbst die abgelegensten, und sicherlich keine mehr als die Vereinigten Staaten. Unsere Europa-Politik, die zu einem früheren Zeitpunkt der Kriege eingeschlagen wurde, die jene Gegend des Erdballs so lange aufgewühlt haben, bleibt nichtsdestoweniger dieselbe. Sie besteht darin, uns nicht in die inneren Verhältnisse einer ihrer Mächte einzumischen, die tatsächlich bestehende Regierung als die für uns gesetzmäßige zu betrachten, freundliche Beziehungen mit ihr zu pflegen und diese Beziehungen durch eine offene, feste und männliche Politik zu erhalten, in allen Fällen den gerechten Ansprüchen jeder Macht entgegenzukommen und uns Beleidigungen von keiner Seite zu unterwerfen. Aber bezüglich dieser (amerikanischen) Kontinente sind die Umstände hervorragend und sichtlich verschieden. Es ist unmöglich, dass die verbündeten Mächte ihr politisches System auf irgendeinen Teil eines der beiden Kontinente ausdehnen könnten, ohne unsern Frieden und unser Glück zu gefährden; auch kann niemand glauben, dass wir eine solche Einmischung, gleich welcher Art, mit Gleichgültigkeit ansehen könnten . . ."

[Übersetzung: Das bürgerliche Zeitalter 1815 - 1914 / bearbeitet von Günter Schönbrunn. -- München : bayerischer Schulbuch-Verlag, ©1980. -- (Geschichte in Quellen). -- ISBN 3762760705. -- S. 54f. -- {Wenn Sie HIER klicken, können Sie dieses Buch  bei amazon.de bestellen}]

1824-02

Friedrich von Gentz (1764 -1832):  Memorandum über die Rede des Präsidenten der Vereinigten Staaten von Amerika (d.h. die Monroe-Doktrin) [Friedrich von Gentz ist ein Hauptexponent der Reaktion um Metternich]

"Die Rede des Präsidenten der Vereinigten Staaten ist ein Aktenstück, welches in der Geschichte unserer Zeit Epoche machen wird. Jede Zeile desselben verdient mit der ernstlichsten Aufmerksamkeit erwogen zu werden. Nicht bloß die heutige Stellung jener so mächtig und furchtbar gewordenen Föderation gegen Europa, auch das Verhältnis des gesamten amerikanischen Kontinents zur alten Welt ist hier mit einer Deutlichkeit und Präzision ausgesprochen, die allen Zweifeln und Zweideutigkeiten ein Ziel setzt. Die politische Trennung zwischen Amerika und Europa ist vollendet, und unwiderruflich vollendet. Wenn die Wiedereroberung der Kolonien auf dem Kontinent oder ihre freiwillige Rückkehr zur alten Herrschaft nicht bereits unmöglich geworden wäre, so würde diese, längst im stillen vorbereitet, jetzt offen erklärte Opposition der nordamerikanischen Masse allein hinreichend sein, jeden Gedanken daran zu entfernen. Von den Inseln ist vor der Hand nicht die Rede; die Vereinigten Staaten fühlen selbst, dass sie ihre Anmaßungen so weit noch nicht treiben dürfen; und wahrscheinlich sehen sie voraus, dass es mit der Herrschaft der Europäer über Cuba, Jamaica, Martinique p. p. auch ohne ihr Zutun nicht lange mehr dauern wird.

Möge die uns jetzt aufgeschlossene Ansicht der Dinge große Staatsmänner beizeiten veranlassen, in gründliche und tiefe Erwägung zu ziehen, was jenem neuen, aus feindseligen und gefahrvollen Elementen gebildeten transatlantischen Koloss gegenüber — nicht sowohl für die materielle Sicherheit Europas (denn diese kann in den nächsten fünfzig oder hundert Jahren von dorther noch nicht wirksam bedroht werden), aber für die moralische und politische Erhaltung der alten Welt auf ihrer jetzigen Basis geschehen muss? Eine Frage von so ungeheurem Umfange wird sich freilich durch jahrelange Erörterungen kaum erschöpfen lassen; wichtig aber ist es, sie nicht mehr aus den Augen zu verlieren, um falsche Schritte, zu welcher Gelegenheit und Reiz sich häufig genug darbieten werden, und welche künftigen reiferen Entschlüssen zum voraus den Weg versperren würden, zu vermeiden.

Für den Gang der Kabinette in den unmittelbar vorliegenden Fragen scheint es mir ein wahrer Gewinn zu sein, dass durch die nordamerikanischen Protestationen die Überzeugung von der Unmöglichkeit auf dem amerikanischen Kontinent im Sinn der Wiederherstellung des Alten zu wirken, so nachdrücklich bestätigt worden ist. Allerdings bleibt es, nach wie vor, notwendig, dass die Höfe mit dem spanischen Kabinett — insofern dieses um irgendeine vernünftige Bereitwilligkeit dazu neigt — über die Verhältnisse Spaniens zu seinen bisherigen Kolonien in regelmäßige Beratungen treten; diese Beratungen werden aber nur dann einen festen Charakter gewinnen, wenn sie von der Tatsache ausgehen, dass auf dem amerikanischen Kontinent nichts Positives von Seiten der europäischen Mächte mehr versucht werden kann — dass Spanien selbst gänzlich außerstande ist, sich irgendeine der Kontinentalkolonien von neuem zu unterwerfen —, dass in der gegenwärtigen Lage der Dinge und bei reifer Prüfung der unausbleiblichen Folgen des Unternehmens keine andere Macht sich bewogen fühlen wird, dabei mitzuwirken — dass für Spanien selbst der Titularbesitz der Souveränität über diese Kolonien mit keinem wesentlichen Vorteil, weder jetzt noch in Zukunft mehr verknüpft sein kann —, dass ohne das Handelsmonopol dieser Besitz eine reine Last für das Mutterland, die Wiederherstellung des Handelsmonopols aber in irgendeiner Gestalt gerade das punctum saliens der Unmöglichkeit ihrer Unterwerfung sein würde — dass diese Schwierigkeiten durch keine Unterhandlungen, so wenig durch britische (wenn es auch denkbar wäre, dass England sich bona fide dazu verstände) als durch andere überwunden werden können. In einer so wichtigen, so komplizierten und für Europa so unvorteilhaft gestellten Angelegenheit wie diese, ist nichts Geringes zu wissen und zu erkennen, wo die Grenze des Erreichbaren liegt, und, anstatt Zeit und Kräfte mit unausführbaren Projekten zu verschwenden, alle Anstrengungen des Geistes und der Kunst auf dasjenige zu konzentrieren, was diesseitig jener Linie noch Wert hat . . .

Spanien und Portugal — und Europa überhaupt —dürfen ihre alten wohlgegründeten Rechte und Ansprüche auf die Kolonien nicht leichtsinnig, nicht stillschweigend dahingehen. Wenn die Gewalt der Umstände ihnen die Verzichtleistung zur Pflicht macht, so muss diese Verzichtleistung erstlich in jedem Falle mit Anstand und Würde, in freier und großmütiger Form — dann, insofern es sich erreichen lässt, unter möglichst vorteilhaften Modalitäten und Bedingungen erfolgen . . . . . . Wahre Entschädigung für diese Staaten könnte nur auf zwei Wegen verlangt werden. Beide sind schwierig, abschreckend; doch nicht als ganz hoffnungslos zu betrachten. Der erste wäre der, dass wenigstens ein Teil der vom Mutterlande losgerissenen Kolonien von Prinzen aus den Häusern, die bisher dort Gesetze gegeben haben, in voller Unabhängigkeit regiert würde. Dieser höchst wünschenswürdige Übergang, welcher die Rettung des monarchischen Prinzips (wenngleich in noch so beschränkter Form) auf dem amerikanischen Kontinent mit einer gerechten Befriedigung der depossedierten Dynastie verbinden würde, ist durch eine überschwänglich günstige Fügung der Umstände in Brasilien gleichsam von selbst herbeigeführt worden. Daher ist die brasilianische Frage in meinen Augen längst nicht mehr problematisch . . .

In den spanischen Besitzungen ist die Schwierigkeit einer Auflösung dieser Art allerdings unendlich größer und wahrscheinlich unbesiegbar. Dort hat sich der republikanische Geist der neuen Regierungen schon zu sehr bemächtigt und die Völker schon zu sehr durchdrungen, als dass die monarchische Form, wenn auch einzelne Parteien ihr geneigt sein sollten, die Oberhand gewinnen könnte ... So bleibt Spanien nur übrig, eine weniger ehrenvolle, doch immer noch sehr reelle Entschädigung auf dem zweiten Wege, nämlich in irgendeinem finanziellen Äquivalent für den Verlust seiner Souveränitätsrechte zu suchen.

Spanien hat die Kolonien geschaffen; es hat sie durch seine Seefahrer ins Dasein gerufen, durch das Blut seiner Krieger und durch Aufopferung einer großen Summe seiner einheimischen Kräfte gegründet, durch seine Gesetze, seine Institutionen, durch seine Beamten, durch seine Missionarien erzogen. Es hat sie durch drei Jahrhunderte in einem, wenngleich von vielen Seiten fehlerhaften, doch in seinen Grundzügen mit Kraft und Größe gedachten, mit Standhaftigkeit und Klugheit befestigten System zu einem hohen Grade von Wohlstand emporgebracht. Alle Mittel und Werkzeuge, deren sie sich bedienen, um ihre selbständige Herrschaft zu behaupten, hat Spanien ihnen verliehen.

Wenn Kinder mit voller Einstimmung der Eltern die Verwaltung des Familienvermögens übernehmen, so ist eine anständige Abfindung der Eltern ein gerechter und natürlicher Vorbehalt. Wenn dieser Akt der Emanzipation durch Gewalt und Aufstand bewirkt wird, so kann er wenigstens nie rechtliche, nie moralische Gültigkeit erhalten, ohne dass ein ähnlicher Vorbehalt eintrete. Nach allen göttlichen und menschlichen Rechten kann Spanien fordern, dass die Kolonien im Verhältnis ihrer Kräfte, ihm einen Teil der unermesslichen Opfer vergüten, durch die sie das, was sie jetzt sind, geworden sind, dass sie im Augenblick der Trennung nicht die ganze Reihe früherer Verpflichtungen vergessen und auslöschen, dass sie die Mutter, deren Arm sie gepflegt, nicht, weil sie selbst sich stark genug fühlen, in hilflose Ohnmacht verstoßen.

Ob die Kolonien großmütig genug sein werden oder nicht, diesen ewigen, tief in die menschliche Brust gepflanzten Grundsätzen zu huldigen, das mag immerhin zweifelhaft bleiben. Es fragt sich nur, ob ihr einleuchtendes Interesse sie nicht geneigt machen sollte, das Nämliche zu tun, was Dankbarkeit und Großmut ihnen vorschreibt. . ."

[Quelle: Das bürgerliche Zeitalter 1815 - 1914 / bearbeitet von Günter Schönbrunn. -- München : bayerischer Schulbuch-Verlag, ©1980. -- (Geschichte in Quellen). -- ISBN 3762760705. -- S. 55 - 57. -- {Wenn Sie HIER klicken, können Sie dieses Buch  bei amazon.de bestellen}]

1824-09-28


Abb.: Leo XII.

Papst Leo XII. (1760 - 1828, Papst seit 1823), verurteilt in der Enzyklika Etsi iam diu die Unabhängigkeit Amerikas.

"Die Enzyklika Leos XII. besagte: »Wir haben den Frieden erwartet, und keine Ruhe ist eingetreten; Wir haben das Wirken der Arznei abgewartet, doch das Entsetzen brach aus; auf die Zeit der Gesundung haben Wir gewartet, doch die Verwirrung ist eingetreten. Jedoch schmeicheln Wir uns gewiss, dass eine Sache von solcher Tragweite durch Euren Einfluss, mit Gottes Hilfe, das glückliche und baldige Ergebnis habe, das Wir uns erhoffen, und wenn Ihr Euch angelegen sein lasset, vor Eurer Herde die erhabenen und ausgezeichneten Eigenschaften darzustellen, die Unseren sehr geliebten Sohn Fernando, katholischen König von Spanien, auszeichnen, dessen hohe und feste Tugend ihn das Licht der Religion und das Glück seiner Untertanen dem Glanz seiner Größe voranstellen lässt; und wenn Ihr mit jenem Eifer, der geboten ist, der Beobachtung Aller die leuchtenden und unerreichbaren Verdienste jener in Europa wohnenden Spanier darstellt, die ihre stets standhafte Treue ausgewiesen haben mit dem Opfer ihrer Interessen und ihres Lebens als Hingabe und in Verteidigung der Religion und der legitimen Macht. . .«"

[Übersetzung: Arciniegas, Germán <1900 - >: Geschichte und Kultur Lateinamerikas : Entdeckung, Eroberung, Unabhängigkeit. -- München : Heyne, 1978. -- (Heyne Geschichte ; 9). -- S. 413. -- Originaltitel: El continente del siete colores (1965)]



 Abb.: Das Wappen Boliviens von 1825 (Beachte die Jakobinermütze als Zeichen der Verbindung mit der Französischen Revolution)


1824--12-09


Abb.: Lage von Ayacucho (©MS Encarta)

Kapitulation von Ayacucho: die königlichen Truppen kapitulieren vor dem Heer von Antonio José de Sucre y Alcalá (1795, Venzuela - 1830, Kolumbien)

Antonio José  Sucres Siegesbericht an Bolivar nach der Schlacht von Ayacucho

"Der Krieg ist beendet und die Freiheit Perus errungen. Ich bin überaus glücklich, Ihren Auftrag erfüllt zu haben. Der Befehl zur Eröffnung einer Schlacht, den mir Medina überbrachte, hat mich von großen Schwierigkeiten befreit, denn auf dem Rückzug aus der Umgebung von Cuzco bis Huamanga, immer in Tuchfühlung mit dem Feind und gezwungen, jeden Tag einen Kampf zu liefern, habe ich sehr gelitten. Ich musste viel überlegen, scharf denken und kalkulieren, und dies alles hat mich sehr mitgenommen.

Morgen wird sich das Heer nach Huamanga begeben, um sich ein paar Tage auszuruhen, um sodann in einzelnen Abteilungen nach Cuzco weiterzuziehen und mit Olañeta reinen Tisch zu machen, den bisher niemand zur Kapitulation bewegen konnte. Um mit ihm fertigzuwerden, glaube ich, dass ein Armeekorps von 6000 Mann gegen 3000 (wie mir Canterac versicherte, ist dies die ganze Heeresstärke Olañetas) durchaus reicht. .Das kann irgend jemand übernehmen, und darum ersuche ich Sie, mich ablösen zu lassen und mir zu erlauben zurückzukehren. Denn dieses Unternehmen hier ist beendet. Ich muss Ihnen gestehen, dass ich in diesen anstrengenden Tagen unendlich gelitten habe.

Ich hielt es für eine gerechte Sache, den General Córdova gleich auf dem Schlachtfeld in Ihrem Namen sowie im Namen Kolumbiens zum Divisionsgeneral zu ernennen, ebenso Lara für seine Dienste im Feldzug. Córdova hat sich hervorragend verhalten: Er führte die Schlacht zur Entscheidung. Ich glaube, dass ich auch richtig gehandelt habe, als ich Carvajal, Silva und Sandes zu Brigadegenerälen ernannte. Ich erteilte noch mehrere Beförderungen, die dem Heer, wie ich annehme, neuen Ansporn gaben. Ich werde Ihnen über alles das genauen Bericht erstatten. Sollte ich falsch gehandelt haben, bitte ich um Entschuldigung. Ich glaubte mich durch Ihre Freundschaft bevollmächtigt, durch die Gerechtigkeit und durch den Sieg. Wenn man dies in Kolumbien nicht anerkennt, sollen sie dort machen, was sie wollen. Aber als ich sah, dass Sie dem Heer fernbleiben wollten, konnte ich denen die wohlverdienten Belohnungen nicht vorenthalten, die in der Schlacht Peru die Freiheit und Amerika den Frieden gaben.
Luque, Silva und León sind verwundet. León schwebt in Lebensgefahr. Ich glaube, mein General, dass Sie dem Heer für diese Schlacht eine Medaille oder einen Preis geben werden. Ich würde es begrüßen, wenn das kolumbianische Heer eine besondere Auszeichnung bekäme, denn es hat sie verdient. Wenn Sie weiterhin darauf bestehen, sich vom Heer fernzuhalten, so teilen Sie mir mit, ob ich die Auszeichnung im Namen der Regierung verleihen darf, indem ich mich auf den Artikel 3 des Gesetzes berufe, das der Kongress am 28. Juli erlassen hat. Ich bin immer mehr davon überzeugt, dass wir das Heer in Begeisterung und steter Bereitschaft halten müssen, um notfalls die Ordnung in Kolumbien, falls sie durch die Parteigruppen gestört werden sollte, mit seiner Hilfe wahren zu können.

Da wir die einhunderttausend Pesos, die für den November bestimmt waren, gespart haben, versprach ich sie dem Heer als Geschenk im Falle des Sieges. Dieses Versprechen muss ich unbedingt halten. Bitte übersenden Sie mir die Summe. Sie haben mir mitgeteilt, dass die einhundertachtzigtausend Pesos, die ankommen sollten, für November und Dezember bestimmt seien. Mit den achtzigtausend Pesos können die Ausgaben für den November beglichen werden, und die noch verbleibenden einhunderttausend Pesos decken mein Versprechen.
Leben Sie wohl, mein General. Dieser Brief ist sehr schlecht geschrieben, und alle Gedanken wirbeln durcheinander. Aber er hat doch einige Bedeutung, denn er enthält die Nachricht über einen großen Sieg und über die Freiheit Perus. Als Preis für mich erbitte ich, dass Sie mir Ihre Freundschaft erhalten."

[Übersetzung: Pausewang, Gudrun: Südamerika aus erster Hand : Geschichte und Gegenwart Lateinamerikas berichtet von Augenzeugen und Zeitgenosse. -- Würzburg : Arena, ©1970. -- S. 196f.]


Abb.: Capitulación de Ayacucho

ACTA DE LA CAPITULACION DE AYACUCHO

Don Jose Canterac, Teniente General de los Reales Ejercitos de Su Majestad Catolica encargado del mando Superior del Peru, por ha-ber sido herido y prisionero en la batalla de este dia el Excelentisimo Señor Virrey Don Jose de la Serna, oido a los señores Generales y Je-fes que se reunieron, despues que el Ejercito Español, llenando en to-dos sentidos cuanto ie han exigido la reputacion de sus armas en la sangrienta jornada de Ayacucho y en toda la guerra del Perü, ha te-nido que ceder el campo a las tropas Independientes, y debiendo con-ciliar a un tiempo el honor de los restos de esta fuerza con la disminu-ci6n de los males del Pais, ha creido conveniente proponer y ajustor con el Señor General de Division de la Repüblica de Colombia Antonio Jos6 de Sucre, Comcmdante en Jefe del Ejercito Unido Libertador del Perü, las consideraciones que contienen los articulos siguientes:

1° El territorio que guarnecen las tropas Españolas en el Perú, será entregado a las armas del Ejército Unido Libertador hasta el Desaguadero, con los parques, maestranzas y todos los almacenes militares existentes. 1° Concedido y también serán entregados los restos del Ejército Español, los bagajes y caballos de tropa, las guarniciones que se hallen en todo el territorio y demás fuerzas y objetos pertenecientes al Gobierno Español. ...

José Canterac

Antonio José de Sucre

[La fundación de Bolivia : documentos para su historia / Augusto Villaroel Triveño. -- 2. ed. -- Cochabamba [u.a.9 : Los Amigos del Libro, 1981. -- S. 37ff.]

1825

Abb.: Letzte spanische Münzprägungen der Casa de Moneda, Potosí

1825

Reliquiae Haenkeanae, seu Descriptiones et icones plantarum, quas in America meridionali et boreali, in insulis Philippinis et Marianis collegit Thaddaeus Haenke / Redegit et in ordinem digessit Carolus Bor. Presl.  -- Prag : Calve, 1825ff. -- 2 Bde. in 3


Abb.: Haenke, Thaddaeus <1761, Kreibitz - 1816, Cochabamba>: Reliquiae Hankaeanae, 1825ff.

1825

Santos Vargas, José <1796-1853>: Diario de un comandante de la independencia americana, 1814-1825 / por José Santos Vargas ; transcripción, introducción e índices de Gunnar Mendoza L. -- México, D.F. : Siglo Veintiuno, 1982. -- 513 S.

Aus dem Tagebuch eines Aufständischen

"Aus dem Vorwort an den aufmerksamen Leser

Da ich dazumal eine ebenmäßige Handschrift hatte, beschäftigten mich der Kommandant Don Eusebio Lira, der zweite Führer Don Pascual García und alle ändern Führer und Offiziere jener Täler als Schreiber; und ich, der ich die unbeugsame Absicht hatte, alles aufzuschreiben, das irgendwie geschah, verschaffte mir Zugang, nur um für die Niederschrift besser auf dem laufenden zu sein. Deswegen wollte ich weder Karriere machen noch als Obertrommler aufhören; das geschah jedoch, um an der Seite der Führer zu bleiben und alles zu vernehmen, was geschah. [...] Deshalb entging mir nicht die geringste Neuigkeit: sie ließen mich gewähren und vertrauten mir, und ich behielt noch das Unbedeutendste für mich. [...]

Von da an [1839] beabsichtigte ich, [das Tagebuch] drucken zu lassen, damit man vernehme, was die Freiheit das Vaterland gekostet hat; von dem vergossenen Blut innerhalb einer Handvoll Männer; dass ich Partei ergriffen hatte, ohne die Vorteile zu kennen, die daraus hervorgehen könnten, als ich meine Jugend und das beste Mannesalter aufs Spiel setzte; dass es nichts anderes war, als hinter dem Tod herlaufen, ohne irgendwelche Belohnung von woher und von wem auch; wir erhielten bloß sonntags einen kleinen Zustupf von zwei oder vier Reales und ausnahmsweise zwei Pesos ohne Unterschied des Ranges zwischen dem höchsten Führer und dem letzten Soldaten."

Das Jahr 1809

"Als Amerika von den spanischen Königen mit der gewohnten Härte regiert wurde, schien es mir tiefen Frieden, Ruhe und Ordnung zu genießen.
Im Jahre 1809 hörte ich die Großen davon reden - da ich ein Junge war, meine ich mit den »Großen« die Leute mittleren Alters -, dass es endlich Zeit sei, das spanische Joch abzuschütteln. Mir, der ich unter diesen Ausdrücken nichts Arges verstand, schien es, sie unterhielten sich über irgendein bedeutendes Geschäft zum Wohle seiner Abwicklung. Ich ging weiter zur Schule. Auch dort hörte ich, mit größerem Nachdruck, davon reden. Aber nie war ich neugierig darauf, zu erfahren, was dergleichen Gespräche bedeuteten, die irgendwie gegen den König gerichtet waren, der uns und ganz Amerika regierte.

In diesem gleichen Jahr 1809, am 25. Mai, hatten sie in der Stadt La Plata (nachmals Chuquisaca und heute Sucre) revolutioniert, man sagte, der Mestizenpöbel (sicherlich bedienten sie sich dazu dieser Art Leute). Kurz darauf vernahm man von einem weiteren Aufstand in der Stadt La Paz am 16. Juli des gleichen Jahres 1809. Aus diesem Grund gelangten Emigranten von Chuquisaca nach Oruro. Man schickte aus der Stadt La Paz auch einige Gefangene her und dann weiter nach Buenos Aires über La Villa Imperial de Potosíe (heute Stadt). Damit verging dieses Jahr.

Aus dem Jahr 1817

"In einem Haus hatten die Soldaten zwei Bewohner des Dorfes Cavari gefunden, Manuel Gutiérrez mit Namen (alias Chui Manuno) und einen gewissen Vicente Cossío. Diese beiden waren aus La Paz zurückgekehrt, nachdem sie ein paar Lasten des feindlichen Kommandanten Navajas geführt hatten, was all das sein mußte, was er den Einwohnern der Dörfer Inqui-sivi und Capiñata gestohlen hatte.

Am Tage darauf, am 29. April, besuchte Lira die Gefangenen. [...] Manuel Gutiérrez sagt zum Kommandanten Don Euse-bio Lira:

»Don Eusebio, warum behandelst du mich so, auf diese Weise, wie einen erklärten Feind? Worin habe ich mich so schwer vergangen? Mit Gewalt haben sie uns, mich und diesen Cossío, gezwungen, die Lasten des Kommandanten Don Casto Navajas zu führen. Wegen meiner vielköpfigen, kinderreichen Familie, die sich nicht weit vom Aufenthaltsort des Feindes absetzen konnte, habe ich mich eingefunden, so wie alle es getan haben. Erinnern Sie sich an die ganze Zeit, während der ich Ihnen in den Bergen diente, als Sie sich versteckt hielten: niemand wußte es außer mir, niemand diente Ihnen außer mir, niemand gab Ihnen weder einen Teller mit Essen noch ein Schlücklein Wasser außer mir. Sie boten mir an, mich in egal welchen Umständen und wo und wie weit weg auch immer zu beschützen und mich als Ihren Vater zu betrachten. Als Belohnung für jene Dienste, die ich Ihnen in den kritischsten und heikelsten Zeiten erwies; jetzt ist es Zeit, dass du mich mit deinen eigenen Händen beschützest und begünstigst und mir und diesem meinem Gefährten Cossio, mit dem ich unter Drohungen marschiert bin, die Freiheit schenkst.«

Darauf antwortete der Kommandant Lira und sagte:

»Alles, womit Ihr mir gedient habt, ist vorbei. Ich danke dir für jene Zuwendungen, aber mit deinem Vorgehen hast du mißachtet, was ich dir zu tun befahl. [...] Hast du denen nicht nahegelegt, dass du es satt hattest, in den Bergen herumzuflie-hen; dass du weder ein aufrührerischer Anführer seiest noch ein Missetäter einer beleidigten Majestät, um in den Bergen alles Mögliche und Unmögliche durchzumachen und jede Unbill des Wetters und seine Härten zu erleiden. Nun also wirst du, wenn du nach Hause kommst, in deiner Erde ruhen, im Schöße deiner Familie. Ich habe in deinem Dorf geschworen, weder dir noch diesem deinem Gefährten Cossío zu verzeihen. Fortan seid ihr für mich Unbekannte, und ich behandle euch als Feinde des Vaterlandes.«

Cossío schwieg und sagte kein Wort.

Am Tage darauf, am 30. April, zogen wir ins Dorf Inquisivi ein und führten sie gefangen mit. Am 1. Mai schickte Lira die beiden Gefangenen nach Cavari, am 2. wurden sie an den Rand des besagten Dorfes Cavari geschafft und unter den Augen ihrer Familien elendiglich umgebracht. Ihre Frauen und Kinder, zumindest die von Don Manuel Gutiérrez, die zahlreich waren, kamen heraus, um bei ihnen zu sein, als sie hörten, dass die Indios sie brachten, dass der Hauptmann von Machaca, Felipe Vázquez, mit seiner Kompagnie von achtzig Mann sie brachte. Das waren die, welche an den beiden das Urteil vollstreckten, denn diesen Befehl trug der Hauptmann Vázquez auf sich."

Aus dem Jahre 1821

"Während des Aufstiegs zum Engpaß von Aquilatara, der nicht ungefährlich war, sammelten sich, wie sie gerade konnten, über zwanzig Indios mit einem Don Agustín Cano; da es für uns eine günstige Stelle war, begannen die Indios sie anzugreifen; mit Steinschleudern und mit Steinblöcken, die sie hinunterrollten, verursachten sie beim Feind sechs Tote und fünf Verwundete. Die Feinde zogen sich zurück, wie es gerade ging, sie gaben Fersengeld und ließen drei Gewehre zurück, und der Kommandant Andrade y Moya kehrt in gestrecktem Lauf zurück. Nun fordert er Fabre auch heraus, er solle, als guter Diener des Königs, stillstehen, denn die Untertanen des spanischen Königs rennten nicht davon:

»Ihr seid kein Soldat des Königs, Feigling, Stutzer, der nie ein Fäserchen von einem Ei besaß, prüf vielmehr mit der Hand nach, vielleicht haben sich dir die Eier in den Schmerbauch verkrochen.«

Und Fabre tauchte nicht mehr auf. Was war geschehen? Sie hatten ihm mit der Steinschleuder voll die Schulter getroffen, und er zog sich zurück. Die Feinde widerstanden noch eine Weile, und ein Soldat aus der Begleitmannschaft Andrades, Melchor Giménez, wurde getötet. Um 11 Uhr zogen sich alle Gegner nach Copachullpa zurück, vereinigten sich mit dem Bataillon und zogen wieder in Cavari ein. Wir verloren neun weitere Pferde, achtzehn Tote und etwa zwanzig Verwundete (von denen vier noch am gleichen Tag starben), zweiund-zwanzig Tote insgesamt; der Feind beklagte drei Tote und elf Verwundete, darunter den Hauptmann Don Hipólito Fabre mit dem Volltreffer eines Steins an der Schulter. [...] Am 5. bricht er [der Vizekönig Aguilera] auf und übernachtet in Chinchiri. Ein Kommandant der Dorfgemeinschaft Moro-chata, Don Blas Garnes, findet sich mit dreihundert Indios und fünfzehn Bewaffneten zuoberst über seinem Lager ein. In dieser Nacht lassen sie sie nicht schlafen. Fünfzehn Indios dringen mit Sandalen aus Lammfell - wobei sie, um nicht gehört zu werden, mit der Wollseite nach unten auftreten -ins feindliche Lager ein und stehlen ihnen neun Pferde. Man sagt, Aguilera habe die Ohren gespitzt und auf sie geschossen."

Aus dem Jahre 1822

"Der Herr Oberst Lanza wendet sich in einem feierlichen Aufruf an seine Leute und sagt:

»Jungs: So oder so ist dies für uns ein glücklicher Tag: Wenn Gott uns die Kraft gibt, den Sieg zu erringen, sind wir glücklich; wenn hingegen der Feind triumphiert, weil Gott uns straft, sind wir ebenfalls glücklich, weil wir die Aufgabe erfüllen, zu der wir uns verpflichtet haben mit dem heiligen Schwur, unser Blut für das Vaterland und die Freiheit zu vergießen. Erringen wir den Sieg mit unserem Blut, mit unseren eigenen Leben, so drücken wir diesem heiligen Namen von Patrioten, von Verteidigern der Freiheit Amerikas, von Helden auf unserem Kontinent unser Siegel auf. Wir verfügen über keine Mittel, keine Reserven, keine Unterstützung und keinen Zufluchtsort außer der Gunst des barmherzigen Himmels: Zu sterben oder zu siegen, zwei Schicksale, die uns das Los am heutigen Tag bereit hält. Ich wiederhole: Siegreich sind wir, wenn wir gewinnen; siegreich, wenn wir für eine so heilige Sache sterben. Meine Söhne, Mitpatrioten und Kameraden, fürchtet also den Feind nicht, denn er ist uns an Kräften nicht überlegen, vielmehr wir jetzt ihm. Verliert das Vertrauen in eure Waffen nicht, auch wenn sie wegen des feuchten Pulvers jetzt nicht recht taugen; das ist wurst: Macht es wett mit euren Bajonetten! [...] Und so, meine Söhne, schöpft jetzt erst recht den Mut, der in euch steckt und den ihr in solchen Fällen stets hervorkehrt, unterstellt euch unseren Nächsten gegenüber als wahre Patrioten vor allem der gewohnten Menschlichkeit, denn einen Ergebenen umbringen, einen Besiegten, einen der um Gnade fleht, ist eine ruchlose Tat, eine schändliche Tat, eine Tat von Feiglingen. Vor allem unterstelle ich euch dem unbedingten Gehorsam, der Zucht, der Einigkeit unter allen Umständen und in allen Extremen: Einigkeit, meine Söhne, um den Feind zu überwinden und um glücklich zu sein. Seid mäßig beim Vergießen amerikanischen Bluts; verwerft die Plünderung, denn bis jetzt haben wir uns mit diesem scheußlichen und niederträchtigen Namen nie besudelt. Wenn wir von unseren Mitpatrioten nicht verflucht sein werden, so werden wir unserer Feinde Kritik sein, die jeden unserer Parteigänger ärgert, und es wird sie schmerzen, zu hören, wie man den so heiligen Namen der Patrioten schmäht. Achtet den Zivilisten, umwerbt ihn mit gutem Gebaren, legt ihm nahe, Partei zu ergreifen und sich unserer Sache anzuschließen, sucht Freunde mit eurem geschickten Verhalten, tut alles, um dem Volk den geringsten Verdruß zu ersparen: Ihr werdet sehen, wie sie unsere Freunde, unsere Brüder und unsere Kameraden werden. Vergegenwärtigt euch nochmals alles, was ich euch gesagt habe. Und so legen wir uns zuallererst dem Schöpfer des Weltalls in die Hände, und in der äußersten Gefahr rechnen wir damit, dass wir trotz allem heil und siegreich sind. Erhöre uns Gott und stehe uns bei mit seinem Segen für unser Vorhaben. Und zuallerletzt: Mut und Ausdauer, Einigkeit und Begeisterung!«"

[Übersetzung: Rudolf Peyer. -- In: Inkaländer erzählen : Peru, Bolivien, Ecuador / Rudolf Peyer. -- München : Diederichs, ©1993. -- ISBN 3-424-01193-2. -- S. 206 - 211]]

1825-02-09


Abb.: Convocatoria del Alto-Perú

1825-05-25


Abb.: Feierliches Te Deum zur Danksagung für die Unabhängigkeit, Chuquisaca (Sucre), 1825-05-25

[Bildquelle. Landivar Garrón, Juan: Calendario historico de Bolivia de la colonia hasta 1899. -- Sucre, 1996. -- 291 S. : Ill. -- Depósito Legal Ch[uquisaca] 46/96. -- S. 114]

1825-07-01


Abb.: Libro mayor de sesiones de la asemblea ...


Abb.: Libro menor de sesiones secretas ...

1825-07-10


Abb.: Dr. José Mariano Serrano


Abb.: Dr. José María Mendizábal

In Chuquisaca beginnt die verfassungsgebende Asamblea Deliberante. Es nehmen 48 Delegierte teil, sie wählen als Vorsitzenden José Mariano Serrano (1768/1788, La Plata - 1851, Sucre)  Vize wird der Geistliche José María Mendizábal.(1778, Jujuy - 1846, Sucre)

1825-08-06


Abb.: Unterschriften unter der Unabhängigkeitserklärung

Unabhängigkeitserklärung von Alto Perú

"ACTA DE INDEPENDENCIA DE LAS PROVINCIAS DEL ALTO PERÚ. 

El mundo sabe también, que colocados en el corazón del Continente, destituidos de armas, y de toda clase de elementos de guerra, sin las proporciones que los otros Estados para obtenerlos de las naciones de ultramar, los Alto Peruanos han abatido el estandarte de los déspotas, en Aroma y Florida, en Chiquitos, Tarabuco, Cinti, en los Valles de Sicasica y Ayopaya, Tumusla y en otros puntos diferentes; que el incendio bárbaro de más de cien pueblos, el saqueo de las ciudades, cadalzos por cientos levantados contra los libres; la sangre de miles de mártires de la patria ultimados con suplicios atroces que estremecieron a los Caribes; contribuciones, pechos, y exacciones arbitrarias, e inhumanas, la inseguridad absoluta del honor, de la vida, de las personas, y propiedades; y un sistema en fin inquisitorial atroz, y salvaje, no han podido apagar en el Alto Perú el fuego sagrado de la Libertad, el odio santo al poder de Iberia.

Cuando pues nos llega la vez de declarar nuestra Independencia de la España, y decretar nuestro futuro destino de un modo decoroso, legal y solemne, creemos llenar nuestro deber del respeto a las naciones extranjeras, y de información consiguiente de las razones poderosas y justos fundamentos impulsores de nuestra conducta, reproduciendo cuanto han publicado los manifiestos de los otros Estados da América, con respecto a la crueldad, injusticia, opresión, y ninguna protección con que han sido tratados por el gobierno español; pero si esto, y la seguridad con que protestamos a presencia del Gran Padre del Universo que ninguna región del Continente de Colón ha sido tan tiranizada, como el Alto Perú, no bastase a persuadir nuestra justicia, apelaremos a la publicidad con que las legiones españolas, y sus jefes más principales han profanado los altares, atacado el dogma, e insultado el culto, al tiempo mismo que el Gabinete de Madrid, ha fomentado desde la conquista la más horrible y destructora superstición-les mostraremos un territorio con más de trescientas leguas de extensión de Norte a Sud, y casi otras tantas de Este a Oeste con ríos navegables, con terrenos feraces, con todos los tesoros del Reino vegetal en las inmensas montañas de Yungas, Apolobamba, Yuracaré, Mojos y Chiquitos; poblado de animales los más preciosos y útiles para el sustento, recreo e industria del hombre, situado donde existe el gran manantial de los metales que hacen la dicha del orbe, y le llenan de opulencia, con una población en fin, superior a la que tienen las Repúblicas Argentina, y la de Chile; todo esto les mostraríamos y diríamos: 

ved que donde ha podido existir un floreciente Imperio, sólo aparece bajo la torpe y desecante mano de Iberia, el símbolo de la ignorancia del fanatismo, de la esclavitud e ignominia; venid y vedlo en una educación bárbara calculada para romper todos los resortes del alma en una agricultura agonizante guiada por sola rutina; en el monopolio, escandaloso del comercio, en el desplome e inutilización de nuestras más poderosas minas por la barbarie del poder español, en el cuidado con que el siglo 19 se ha tratado de perturbar entre nosotros, sólo los conocimientos, artes y ciencias del siglo octavo; venid en fin, y si cuando contempléis a nuestros hermanos los indígenas, hijos del Grande Mancocapac, no se cubren vuestros ojos de torrentes de lágrimas, viendo en ellos hombres los más desgraciados, esclavos tan humillados, seres sacrificados a tantas clases de tormentos, ultrajes y penurias diréis que respecto de ellos parecerían los Ilotas ciudadanos de Esparta, y hombres muy dichosos los Níjeros Ojamdalams del Indostán, concluyendo con nosotros que nada es tan justo como romper los inicuos vínculos con que fuimos uncidos a la cruel España.

Nosotros habíamos también presentado al mundo una nerviosa y grande manifestación de los sólidos fundamentos con que después de las más graves, prolijas y detenidas meditaciones, hemos creído interesar a nuestra dicha, no asociarnos, ni a la República del Bajo Perú, ni a la del Río de La Plata, si los respetables Congresos de una y otra presididos de la sabiduría, desinterés, y prudencia, no nos hubiesen dejado en plena libertad para disponer de nuestra suerte; pero cuando la ley de 9 de Mayo del uno y el decreto de 23 de Febrero del otro muestran notoriamente un generoso y laudable desprendimiento, relativamente a nuestro futuro destino, y colocan en nuestras propias manos la libre y expontánea decisión de lo que mejor conduzca a nuestra felicidad y gobierno; protestando a uno y otro Estado, eterno reconocimiento junto con nuestra justa consideración y ardientes votos de amistad, paz y buena correspondencia, hemos venido por unanimidad de sufragios la siguiente,

DECLARACIÓN

La Representación soberana de las provincias del Alto Perú, profundamente penetrada del grandor e inmenso peso de su responsabilidad para con el cielo, y con la tierra, en el acto de pronunciar la suerte futura de sus comitentes, despojándose en las aras de la justicia, de todo espíritu de parcialidad, interés, y miras privadas; habiendo implorado llena de sumisión y respetuoso ardor, la paternal asistencia del Hacedor Santo del Orbe, y tranquila en lo íntimo de su conciencia por la buena fe, detención, justicia, moderación, y profundas meditaciones que presiden a la presente resolución; declara solemnemente a nombre y de absoluto poder de sus dignos Representados: Que ha llegado el venturoso día en que las inalterables, y ardientes votos del Alto Perú, por emanciparse del poder injusto, opresor y miserable del rey Fernando Séptimo, mil veces corroborados por la sangre de sus hijos consten con la solemnidad, y autenticidad que al presente; y que cese para con esta privilegiada región, la condición degradante de Colonia de la España, junto con toda dependencia, tanto de ella como de su actual y posteriores Monarcas; que en consecuencia, y siendo al mismo tiempo interesante a su dicha, no asociarse a ninguna de las Repúblicas vecinas, se erige en un Estado Soberano e Independiente de todas las naciones, tanto del viejo como del nuevo mundo, y los Departamentos del Alto Perú firmes y unánimes en esta tan justa y magnánima resolución, protestan a la faz de la tierra entera, que su voluntad irrevocable es gobernarse por sí mismos, y ser regidos por la Constitución, leyes y autoridades que ellos propios se diesen, y creyesen más conducentes a su futura felicidad en clase de nación, y el sostén inalterable de su santa religión católica y de los sacrosantos derechos de honor, vida, libertad, igualdad, propiedad y seguridad. Y para la invariabilidad y firmeza de esta resolución, se ligan, vinculan y comprometen por medio de esta Representación Soberana, a sostenerla tan firme, constante y heroicamente, que en caso necesario sean consagrados con placer a su cumplimiento, defensa e inalterabilidad, la vida misma con los haberes, y cuanto hay caro para los hombres.

Imprímase y comuniqúese a quien corresponde para su publicación y circulación.

Dada en la Sala de Sesiones en seis de Agosto de mil ochocientos veinticinco, firmada de nuestra mano, y refrendada por nuestros Diputados Secretarios.

Concluida la lectura firmaron el Acta de la Independencia todos los señores Diputados, y se suspendió la sesión, quedando señalada para la siguiente, el día del que rige, y la firmaron todos los señores concurrentes.".

[La fundación de Bolivia : documentos para su historia / Augusto Villaroel Triveño. -- 2. ed. -- Cochabamba [u.a.: Los Amigos del Libro, 1981. -- S. 136 - 138]


Zu Teil 9: Von der Unabhängigkeit (1825) bis 1848