Bibliothekarinnen Boliviens vereinigt euch!

Bibliotecarias de Bolivia ¡Uníos!

Berichte aus dem Fortbildungssemester 2001/02

Teil 2: Chronik Boliviens

18. Von 1937 bis 1943


von Margarete Payer und Alois Payer

mailto: payer@hdm-stuttgart.de


Zitierweise / cite as:

Payer, Margarete <1942 - > ; Payer, Alois <1944 - >: Bibliothekarinnen Boliviens vereinigt euch! = Bibliotecarias de Bolivia ¡Uníos! : Berichte aus dem Fortbildungssemester 2001/02. -- Teil 2: Chronik Boliviens. -- 18. Von 1937 bis 1943. -- Fassung vom 2002-10-09. -- URL: http://www.payer.de/bolivien2/bolivien0218.htm. -- [Stichwort].

Erstmals publiziert: Anlässlich des Bibliotheksseminars in La Paz vorläufig freigegeben am 2002-09-19

Überarbeitungen:

Anlass: Fortbildungssemester 2001/02

Unterrichtsmaterialien (gemäß § 46 (1) UrhG)

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Payer, Margarete <1942 - > ; Payer, Alois <1944 - >: Bibliothekarinnen Boliviens vereinigt euch! = Bibliotecarias de Bolivia ¡Uníos! : Berichte aus dem Fortbildungssemester 2001/02. -- Teil 2: Chronik Boliviens. . -- URL: http://www.payer.de/bolivien2/bolivien02.htm

Dieser Text ist Teil der Abteilung Länder und Kulturen von Tüpfli's Global Village Library


1937-06

In Buenos Aires (Argentinien) gründen deutsche Emigranten das Komitee Das Andere Deutschland (DAD)

"Im Juni 1937 gründeten in Buenos Aires Emigrantinnen aus den verschiedenen Spektren der politischen Emigration das Komitee „Das Andere Deutschland" (DAD), das in den folgenden Jahren zu einer der wichtigsten Organisationen des antifaschistischen Exils in Lateinamerika werden sollte. Das „Andere Deutschland" arbeitete in den ersten Jahren vor allem als Hilfskomitee für eintreffende Emigrantinnen aus Deutschland und Spanien. Als nach dem Ausbruch des Zweiten Weltkrieges im September 1939 und der Niederlage Frankreichs der Flüchtlingsstrom nach Lateinamerika anschwoll, wurde DAD zu dem Sammelbecken der politischen Emigration in Argentinien. DAD war auf einer nicht genauer definierten sozialistischen Grundlage für unterschiedliche Positionen offen und artikulierte einen sozialistischen Humanismus, der vielen der Barbarei Europas entflohenen Emigrantinnen positive Bezugspunkte bieten konnte.

Ab Mai 1938 gab das Komitee das Informationsblatt „Das Andere Deutschland" heraus, das August Siemsen redigierte und in den folgenden Jahren zu einer profilierten politischen Halbmonats-Zeitschrift ausbaute. Die ersten Nummern des DAD erschienen in einfachster Aufmachung als hektographierte Blätter, die locker zusammengeheftet waren. Erst nach einem knappen Jahr (März 1939) gab es genügend Interessenten, um das Blatt drucken zu lassen. Durch die wachsende Zahl von Emigrantinnen konnte DAD seine Verbreitung in Argentinien, aber auch im übrigen Süd- und sogar Nordamerika steigern und erreichte in den vierziger Jahren eine Auflage von 4000-5000 Exemplaren. Schwerpunkte der Berichterstattung waren die Nazi-Aktivitäten in Südamerika, Nachrichten aus Deutschland, Berichte und Kommentare zum Krieg in Europa, Berichte über Erklärungen, Positionen und Publikationen aus anderen Zentren des antifaschistischen Exils (Großbritannien, USA, Mexiko) und Rezensionen antifaschistischer Literatur. Daneben enthielt es regelmäßig von österreichischen Emigrantinnen gestaltete Seiten und zeitweilig die von Pieter Siemsen redigierte Jugendbeilage „Heute und Morgen".

Im Verlauf der Jahre 1941/42 fanden sich die Leserinnen und Interessentinnen des DAD in verschiedenen lateinamerikanischen Ländern zu lokalen DAD-Gruppen und -Freundeskreisen zusammen. Die Ausgabe des DAD vom 1. 12. 1942 enthielt auf der Rückseite DAD-Kontaktadressen in Bolivien, Brasilien, Chile, Kolumbien, Kuba, Paraguay, Uruguay und Venezuela."

"Politische Konflikte im lateinamerikanischen Exil

Seine Offenheit für verschiedene linke Positionen und sein großer Einfluss unter den Emigrantinnen in ganz Lateinamerika musste „Das Andere Deutschland" über kurz oder lang in Konflikt mit der Politik und den Bündnisanstrengungen der KPD bringen, die ab 1940 die ideologische Führerschaft im lateinamerikanischen Exil anstrebte.

Die KPD hatte ihr Exilzentrum in Mexiko, wo sich ca. 100 deutschsprachige Kommunisten aufhielten, darunter bekannte Schriftstellerinnen wie Anna Seghers, Egon Erwin Kisch, Ludwig Renn und Bodo Uhse sowie hohe Funktionäre der KPD bzw. der Kommunistischen Internationalen (Komintern). Sie bauten ab 1940 verschiedene Einrichtungen auf, durch die sie ihre politische Basis, hauptsächlich mit Blick auf die bürgerliche und jüdische Emigration und nichtfaschistische Auslandsdeutsche, zu verbreitern suchten, so die politisch-kulturelle Monatszeitschrift „Freies Deutschland" (FD), das Kulturzentrum „Heinrich Heine-Club", die „Bewegung Freies Deutschland in Mexiko" (BFD), den Verlag „El Libro Libre" (Das Freie Buch) und die 14tägig erscheinende Zeitung „Demokratische Post". Weit über Mexiko hinaus wirkte dabei vor allem die anspruchsvolle Zeitschrift „Freies Deutschland", die seit November 1941 erschien und zu deren Mitarbeiterinnenkreis bald emigrierte Schriftstellerinnen und Publizistinnen in der ganzen Welt gehörten.

In ganz Lateinamerika bildeten sich zu Beginn der 40er Jahre Clubs bzw. Freundeskreise antifaschistischer Deutscher und ca. 40 deutschsprachige Exilzeitschriften, von denen aber neben DAD und FD nur noch die in Santiago de Chile erschienenen „Deutschen Blätter" über den Erscheinungsort hinausgehende Bedeutung erlangen konnten. Die politischen Zentren des lateinamerikanischen Exils bildeten dagegen eindeutig „Das Andere Deutschland", als Sammelbecken der unabhängigen Linken, und der von der KPD dominierte „Bund Freies Deutschland". Zwischen beiden Gruppen bestanden tiefgreifende Unterschiede im Politikverständnis und in der Konzeption von Bündnispolitik, so dass eine Formierung der deutschen Lateinamerika-Emigration in einer einheitlichen Organisation nicht zustande kam. Nach dem Überfall Nazideutschlands auf die Sowjetunion am 22. Juni 1941 hatten sich die bündnispolitischen Bedingungen für die KPD grundsätzlich verändert. Hatten sie bis dahin mit ihrer Verteidigung des deutsch-sowjetischen Nicht-Angriffs-Pakts und ihren Angriffen auf die Alliierten weder bürgerliche noch linke Bündnispartner mobilisieren können, traten sie nun, da die Sowjetunion der Anti-Hitler-Koalition beigetreten war, als Propagandisten der Einheit aller Hitlergegner auf, „zu jener Einheit, die ihren geschichtlichen Ausdruck gefunden hat in dem russisch-britischen Bündnis und in der demokratischen Weltkoalition gegen Hitler, an der die USA im wachsenden Maße teilnehmen". An einer von der KPD kontrollierten Einheitsfront hatte DAD aber kein Interesse. Zum einen wollte DAD weiterhin eine linke Sammlungsbewegung sein und nicht mit Rücksicht auf bürgerliche Bündnispartner auf die Artikulation sozialistischer Forderungen verzichten, zum anderen war man nicht bereit, sich dem Führungsanspruch der KPD zu unterwerfen. DAD sah in den Einheitsfrontparolen der Kommunisten denn auch ein „taktisches Manöver", schließlich hätten sie ja 1939 durch ihr opportunistisches Umschwenken nach dem Hitler-Stalin-Pakt die im DAD zusammengeschlossene Einheitsfront der Antifaschisten in Südamerika zerrissen. August Siemsen schrieb dazu im DAD: „Voraussetzung für die Einheitsfront der deutschen Linken ist Ehrlichkeit. Und, soweit man Meinungsverschiedenheiten auszutragen hat, Anständigkeit der Methoden. Nur in einer Atmosphäre des Vertrauens und der gegenseitigen Achtung kann eine Einheitsfront entstehen und gedeihen, die nicht nur taktisches Manöver und Schlagwort, die vielmehr sinnvolle und aktionsfähige Realität ist."

In der Folgezeit versuchten beide Strömungen, sich als die wahren Repräsentanten der deutschen Antifaschisten in Südamerika zu profilieren und ergriffen entsprechende Initiativen. Der Höhepunkt der Anstrengungen des DAD in diese Richtung war sicherlich der Kongress der deutschen Antifaschisten in Südamerika, der zum 10. Jahrestag der Errichtung der Nazi-Diktatur vom 29. bis 31.1.1943 in Montevideo stattfand. An dem Kongress nahmen 40 Delegierte teil, die vor allem die deutschen antifaschistischen Organisationen (beider Spektren) in Argentinien, Uruguay, Brasilien und Bolivien vertraten. Die Delegierten verabschiedeten gegen die Stimmen der Kommunisten ein „Politisches Manifest der Deutschen Antifaschisten Südamerikas", das sich für den Aufbau eines sozialistischen Deutschlands nach der Zerschlagung des Hitler-Faschismus ausspricht. Der Kongress beschloss die Bildung eines Zentralkomitees der deutschen Opposition in Südamerika, das aber nicht zustande kam, weil sich die Kommunisten der Bildung lokaler Koordinationsausschüsse der deutschen Antifaschisten widersetzten und so die Bildung des kontinentalen Zentralkomitees blockierten. Statt dessen propagierten sie (und mit ihnen die DDR-Geschichtsschreibung) das lateinamerikanische Komitee des „Bund Freies Deutschland" als den repräsentativen Zusammenschluss aller Hitlergegner im lateinamerikanischen Exil. Die Arbeit des „Anderen Deutschland", des Zusammenschlusses der unabhängigen linken Antifaschisten im lateinamerikanischen Exil, wurde in der DDR als angeblich sektiererisch diffamiert und in der BRD - mit wenigen Ausnahmen - einfach ignoriert, ebenso wie die theoretische und publizistische Arbeit August Siemsens. Hier ist ein spannendes Stück linker Geschichte neu zu entdecken.

Gert Eisenbürger"

[Quelle: Lebenswege : 15 Biographien zwischen Europa und Lateinamerika / Gert Eisenbürger (Hg.). -- Hamburg : Libertäre Assoziation, ©1995. -- ISBN 3-922611-48-6. -- S. 22 - 26]


1937-07-17 bis 1939-08-23

Teniente Coronel Germán Busch Becerra (1904, San Javier - 1939, La Paz, Freitod?) ist nach einem Staatsstreich de facto Präsident


Abb.: Germán Busch Becerra

Vizepräsident ist 1938 bis 1939 Enrique Baldivieso Aparicio (1902, Tupiza - )


Abb.: Enrique Baldivieso Aparicio


Abb.: Präsident Germán Busch im Kreise seiner engsten Mitarbeiter, u.a. dem späteren MNR-Präsidenten Víctor Paz Estenssoro (1907 - 2001) und dem Mitbegründer des MNR Wálter Guevara

[Bildquelle: Conversaciones con Vìctor Paz Estenssoro / Eduardo Trigo O'Connor d'Arlach. -- [La Paz] : El País, 1999. -- S. 50]

"[Präsident] Toro wurde von seinem eigenen Generalstabschef, Germán Busch, wegen 'revolutionärer Abweichung' am 13. Juli 1937 abgesetzt.

Bei seinem Amtsantritt als provisorischer Staatschef erklärte Busch, dass er eine Friedenspolitik betreiben und die öffentliche Ordnung aufrechterhalten werde, ohne jedoch zuzulassen, dass die Interessen der Öffentlichkeit noch länger den Privatinteressen einzelner geopfert würden; ferner, dass er weder eine politische Partei unterstützen noch deren Unterstützung suchen werde. Er appellierte schließlich an alle Menschen guten Willens, die über Erfahrungen im Verwaltungswesen verfügten, an die ehemaligen Chaco-Kämpfer sowie an die „denkende Jugend".

Auf diese Erklärung reagierten die politischen Parteien — vor allem die liberale und die beiden republikanischen (Genuino und Socialista) — wohlüberlegt. Sie boten ihm eine politische Waffenruhe an und ersuchten die Regierungsjunta dringend, Wahlen auszuschreiben, um das interne Leben des Landes zu normalisieren.
Daraufhin erließ Busch am 31. Juli 1937 eine Verordnung, welche die Verfassung von 1880 mit den durch den Konvent des Jahres 1920 und das Referendum von 1931 eingeführten Veränderungen in Kraft setzte. Das hinderte ihn aber nicht, einen Rückhalt bei der Legion der ehemaligen Chaco-Kämpfer zu suchen, deren Vorsitzender er bis zum 13. Juli 1937 war. Konventswahlen wurden für den 13. März 1938 vorgesehen. Während dieser ersten sechs Monate der Busch-Regierung schien es, als ob der 13. Juli nur eine einfache Wachablösung gewesen wäre.

Eine Wende trat jedoch ein, als am 20. Januar 1938 die Regierungsjunta mit einhelliger Zustimmung ihrer Mitglieder ihr unerschütterliches Festhalten an den Prinzipien des bolivianischen Sozialismus, dessen ... Postulate der Präsident... Oberstleutnant Germán Busch verkörpere und in der Regierung... verwirkliche, bekanntgab. Einige Tage später verkündeten die liberale und die republikanische Partei (Genuino), dass sie den kommenden Wahlen fernbleiben würden.

Aus den Wahlen vom 13. März ging die sozialistische Einheitsfront als Siegerin hervor, und Busch wurde vom Konvent am 27. Mai zum verfassungsmäßigen Präsidenten gewählt.

Ein weiterer Faktor gewann immer mehr Bedeutung: die Auseinandersetzungen zwischen der Regierung und der mächtigen Bergbauindustrie, die traditionell das Wirtschafts- und politische Leben Boliviens beherrschte. Eine bedeutsame Maßnahme der Regierung Buschs war in diesem Zusammenhang die Schaffung eines Erdöl- und Bergbauministeriums. Busch förderte auch die Gewerkschaftsbewegung unter den Bergbauarbeitern, so dass z.B. Ende 1939 ein Bergbauarbeiterbund Zustandekommen konnte. Ein neuer Arbeitskodex, der eine verbesserte Sozialgesetzgebung enthielt, wurde mit seiner Hilfe verkündet.

Am 22. März sah sich Busch einer unter dem Namen „Concordancia" zusammengeschlossenen Oppositionsfront gegenüber, die aus Republikanern und Liberalen bestand. Busch reagierte mit dem „Manifest vom 24. April 1939", durch das er sich zum „Diktator" machte, indem er alle Staatsgewalt übernahm. Zu diesem Schritt sollen ihn verschiedene Umstände bewogen haben, so u. a. die Spaltung des Militärs in sogenannte „Buschistas" und „Toristas", das Fehlen eines starken Rückhalts bei den Sozialisten, die Auseinandersetzungen mit der Industrie usw.

Von nun an radikalisierte sich die Politik der Busch-Regierung. Die jetzt ergriffenen Maßnahmen ließen keinen Zweifel mehr an dem eingeschlagenen Weg: Verstaatlichung der Zentralbank, Nationalisierung von Industrien, Devisenkontrolle usw. Sie gipfelten in der am 7. Juni 1939 erlassenen Verordnung, welche die Bergbauindustrie unter strenge Staatskontrolle bringen sollte. Was Busch damit bezweckte, erläuterte er in einer Botschaft vom 10. Juni, in der er u. a. sagte, dass es darum gehe, „die totale Unabhängigkeit Boliviens durch die wirtschaftliche Unabhängigkeit zu erreichen"

Das Busch-Regime fand jedoch mit dem ungeklärten Tod des Präsidenten am 23. August 1939 — wahrscheinlich durch Mord — ein plötzliches Ende. Das Experiment, das er, anfangs zögernd, eingeleitet hatte, wurde abgebrochen.

Die letzten Monate der Busch-Regierung lassen eine eindeutige Schwenkung zum Wirtschaftsnationalismus und zum Staatssozialismus erkennen. Aus diesem Grunde beriefen sich die Führer des Staatsstreiches vom 20. Dezember 1943 und vor allem der Revolution vom 9. April 1952 auf ihn. Die Busch-Regierung war, so lautete z.B. ein Urteil, „der erste, romantische vielleicht... aber aufschlussreiche Versuch, mit dem Volke zu regieren". Andererseits wird aber eingeräumt: „In Busch existierte — und bis zum Ende — ein unerschütterliches nationalistisches Temperament. Aber ihm fehlte eine Doktrin; er sah nicht den Kern der Sache, er war intuitiv... Die wahrhafte Weltweite seines Werkes bestand nicht in seinen Regierungsverfügungen. Was der Oberst Busch Bolivien gab, war viel bedeutsamer: er gab ihm das Vertrauen zu sich selbst zurück."

Wie man die historische Bedeutung Buschs auch immer einschätzen mag, es bleibt die Tatsache, dass er einen Weg einschlug, dessen Spuren sich in den nächsten zwei Jahrzehnten verfolgen lassen. Die provisorische Nachfolge Buschs trat General Quintanilla an. Am 15. April 1940 wurde General Peñaranda zum Präsidenten gewählt."

[Hector, Cary: Der Staatsstreich als Mittel der politischen Entwicklung in Südamerika : daargestellt am Beispiel Argentiniens u. Boliviens von 1930 bis 1955. -- Berlin : Colloquium, ©1964. -- (Bibliotheca ibero-americana ; Bd. 6). -- Zugleich: Dissertation, FU Berlin. -- S. 137 - 139]

1937-08-15

Gründung der Partei Falange Socialista Boliviana (FSB)


Abb.: Logo® der FSB

Wichtige Gründungsmitglieder:

"DECÁLOGO DEL FALANGISTA

  1. Ama a tu patria sobre todo egoísmo.
  2. Conságrate absoluta y eternamente a nuestra Gran Causa que es la Causa de Bolivia.
  3. Respeta las convicciones religiosas.
  4. Has conciencia de la disciplina, que es la subordinación de la persona al servicio de la colectividad.
  5. Cumple el deber por amor al deber y no ala recompensa.
  6. Supérate cada día, porque los obreros de las grandes Causas son primeros constructores de sí mismos.
  7. Desdeña la vida si la sacrificas por tu Ideal.
  8. No retrocedas ni seas cobarde.
  9. Sé digno, leal y ten voluntad de sacrificio.
  10. Desprecia la vida cómoda. Un falangista es ante todo un luchador. Lucha y venceréis."

[Quelle: Rolón Anaya, Mario: Política y partidos en Bolivia. -- 3. ed. -- La Paz : Juventud, 1999. -- Depósito legal 4-1-835/99. -- S. 321]

1937/38

Mariano Peró (1891 - 1964) errichtet in Oruro eine Zinnschmelze.


Abb.: Mariano Peró, ein Pionier der bolivianischen Metallurgie

[Bildquelle: Oruro inmortal. -- Oruro : Ferrari, Ghezzi. -- Tomo 1. -- 1998. -- Depósito legal 4-1-428-98. -- S. 223]

1938

Die Estancias Elsner besitzen in Beni:

1938


Abb.: Vier Generationen Frauen in Beni, 1938

[Bildquelle: Rosells, Beatriz: Lola Sierra del Beni. -- La Paz : Ministerio de desarollo humano, 1997. -- Depósito legal 4-10-133-97. -- S. 33]

1938

Botelho Gosalvez, Raúl <1917, La Paz - >: Borrachera verde : motivos benianos. -- [Santiago de Chile] Zig-Zag [1937/38]. -- 66 S.

Botelho Gosálvez, Raúl
* 11.4.1917 in La Paz. Politiker, Diplomat und Journalist. Den Nationalpreis erzielte sein mit 19 Jahren geschriebener Roman Borrachera verde (1938). Stil und Komposition des Werkes lassen eine erstaunliche schriftstellerische Sicherheit erkennen, auch wenn das Modell, J.E. T. Riveras La vorágine, sichtbar bleibt. Schauplatz sind die Urwälder am Beni, von denen ein farbiges und dramatisches Bild entworfen wird. Wie auch in einem weiteren frühen Roman, Coca (1941), sind Erotik, Leidenschaft und (selbst-)mörderische Eifersucht wesentliche Motive. Altiplano (1945) ist ein Roman über die Aymara-Indianer, deren Lebenssituation in eher nüchterner Form dargestellt wird. In Tierra chúcara (1957) greift Botelho Gosálvez noch einmal das Thema des tropischen Urwalds auf.

Weitere Werke: Romane: Vale un Potosí (1949): Tata Limachi (1967); Erzählungen: Los toros salvajes (1965), Con la muerte a cuestas (1975); Essay: Proceso del subimperialismo brasileño (1974).

[Autorenlexikon Lateinamerika / hrsgg. von Dieter Reichardt. -- Frankfurt

: Suhrkamp, ©1992. -- ISBN 3518404857. -- S. 136f. -- {Wenn Sie HIER klicken, können Sie dieses Buch  bei amazon.de bestellen}]

1938

In Mexiko gründen die Anhänger von Leo Trotzki (1879, Ukraine - 1940, Mexiko), die Trotzkisten, die IV. Internationale [Webpräsenz: http://www.wsws.org/de/. -- Zugriff am 2002-03-22]

1938 - 1998

Bau des Wasserkraftwerksystems Sistema Hidroelectrico Valle de Zongo


Abb.: Überblickstafel am Talende (Bild: Payer, 2001-11)

1938 - 1946

Rundschau vom Illimani : Wochenzeitung in deutscher Sprache. -- La Paz : Schumacher [u.a.]. -- Nachgewiesen: 1.1939 - 7.1946 = Nr. 1-350. -- Periodizität: wöchentlich

1938-02

Paul Baender (1906 - 1985) kommt als jüdischer Emigrant nach Bolivien. Baender kehrte 1947 in die spätere DDR, war 1950 - 1952 Staatssekretär und fiel 1952 einer stalinistischen Säuberungswelle zum Opfer. Er selbst erzählt 1966 über sein bolivianisches Exil:

"Ich hatte einer Prager Zeitung entnommen, dass sich in der Stadt ein Textilfabrikant aus Bolivien aufhalte, Inhaber eines aufstrebenden Unternehmens. Es war, wie ich herausfand, ein Franzose arabischer Herkunft, der, als ich ihn ansprach, von einer Weberei in La Paz erzählte, die erst entstehen sollte. Das hinderte mich keineswegs, ihm zu offerieren, dass ich sowohl gelernter Weber als auch Geschäftsmann sei und gerne bei ihm arbeiten würde. Er zögerte, war aber dann zu jedem Versprechen bereit, als ich von ihm nichts anderes verlangte als seine Fürsprache beim bolivianischen Konsulat, mir und meiner Familie die Einreisevisa zu erteilen. Er hielt Wort, und nach wenigen Tagen besaß ich die begehrten Papiere, die ich wahrscheinlich auch ohne ihn erhalten hätte; denn Bolivien war ein bevölkerungshungriges Land. Die bolivianischen Konsulate waren später, in den Anfangsjahren des Krieges dafür bekannt, dass ihre Beamten, besonders in Marseille, mit der Vergabe von Einreisevisa ein gutes Geschäft machten. Ich selbst nutzte dies weidlich aus, als ich schon in Bolivien Fuß gefasst hatte und es mir gelang, dorthin etwa vierzig Verwandte zu holen, deren letzte Station ansonsten Auschwitz oder ein anderer Ort der Vernichtung gewesen wäre.

Im November 1937 hatte ich in Prag die bolivianischen Einreisevisa, die Transitvisa für Österreich, Italien und Chile, die Fahrkarten von Prag nach Genua und die von Hotelgästen bezahlten Schiffspassagen von Genua nach Arica, dem nördlichsten Hafen Chiles, nahe der Grenze zu Peru. Um von Arica in den südamerikanischen Binnenstaat Bolivien zu gelangen, mussten wir die Eisenbahn nehmen. Wie ich aus dem Atlas ersehen konnte, betrug die Entfernung von Arica bis zu Boliviens Hauptstadt La Paz mindestens vierhundert Kilometer. Im Jahre 1934 war mein ältester Bruder, der Arzt Dr. Erich Baender, aus Deutschland in die USA emigriert und hatte sich in Freeport niedergelassen. Wo sich mein Bruder Max aufhielt, wusste ich nicht. Später erfuhr ich, dass er nach Palästina emigriert war und in Tel Aviv als Buchhändler und Bibliothekar lebte. Von Prag telegrafierte ich Erich in Nordamerika und bat ihn, mir leihweise eine bestimmte Dollarsumme nach Arica anzuweisen, damit ich von dort die Weiterreise und den Start in Lateinamerika finanzieren könne. Als letzte Anschaffung in Prag kaufte ich mir das Buch »1000 Worte Spanisch«, um während der Überfahrt die mir noch fremde Sprache zu lernen.

Am 30.November 1937, an meinem 31.Geburtstag, verließen wir die Stadt an der Moldau und waren im Februar des folgenden Jahres
in Arica, einer kleinen Hafenstadt mit etwa 13 000 Einwohnern. Doch weder auf der Bank noch bei der Post lagerte auf meinen Namen angewiesenes Geld. Wovon sollte ich die Hotelrechnung und vor allem die Weiterreise bezahlen? Verzweifelt irrte ich durch die Straßen. Ich sah ein Geschäft, dessen Inhaber einen deutsch-jüdischen Namen trug. Ich ging hinein und schilderte meine Situation, erzählte von einer sicheren Anstellung in Bolivien und bat darum, mir Geld zu leihen. Der Ladenbesitzer erwies sich als eine gute Seele, nachdem wir beide festgestellt hatten, dass unsere Vorfahren irgendwie aus derselben Gegend Polens stammten. Er hätte schon anderen geholfen - aus Nächstenliebe mit einem geringen Zinssatz. Bekäme er das Geld nicht zurück, sei es das allerletzte Mal gewesen.

Wir setzten die Reise fort. An der bolivianischen Grenzstation gingen zwei Männer den Zug entlang und fragten zu meiner Überraschung in deutsch: »Wer ist aus Prag?« Als ich antwortete, war das Erstaunen beiderseits. Erich Genth und Eduard Rauch, zwei bereits im bolivianischen Exil lebende Sozialdemokraten, erwarteten - vergeblich, wie sich herausstellte - einen ihnen angekündigten Parteifreund. Die Sozialdemokratische Flüchtlingshilfe in Prag und Brunn beabsichtigte, geschlossene Gruppen ihrer Parteimitglieder aus der Tschechoslowakei nach Bolivien zu vermitteln. Bis Ende 1939 kamen dann auch mindestens 200 deutsche Sozialdemokraten in das zu den ärmsten Ländern Lateinamerikas zählende Bolivien. Die meisten der rund 7 000 Flüchtlinge aus Hitlerdeutschland, die hier ihre letztmögliche Zuflucht fanden, gehörten zum jüdischen Mittelstand. Die stärkste politische Gruppierung stellten die Sozialdemokraten, unter ihnen viele ehemalige Orts-, Kreis- und Landesfunktionäre. Ich als KPD-Mitglied war wie der Hecht im Karpfenteich.

Die gemeinsame Fahrt mit Genth und Rauch von der Grenzstation in das 3.600 Meter über dem Meeresspiegel gelegene La Paz brachte mich in Kontakt zur politischen Emigration, noch ehe ich eigentlich in meinem neuen Asylland angelangt war. Die ersten vier Wochen nach der Ankunft in dem kaum mehr als 200000 Einwohner zählenden La Paz arbeitete ich als Kalkulator in der Weberei Said, dem Unternehmen des französischen Fabrikanten, dem ich in Prag begegnet war. Ab März fand ich für fast zwei Jahre eine wesentlich besser bezahlte Stellung bei der Firma Hermanowicz & Weil und verkaufte Ondulada, das besonders von den Zinngruben begehrte und auch für Menschenunterkünfte genutzte Wellblech.

Mit sozialdemokratischen Emigranten kam ich bald überein, eine deutsche antinazistische Einheitsorganisation zu bilden, deren Aufgabe es sein sollte, den Ankommenden aus Europa, die nicht vom jüdischen Hilfsverein betreut wurden, Starthilfen zu geben und sie bei der Suche nach Wohnung und Arbeit zu unterstützen. So entstand im Frühjahr 1938 in La Paz der Club Freundschaft, anfangs geleitet von Erich Genth und Karl Schwaneberg, der bis 1933 in Käthen Kreisleiter des Reichsbanners und Stadt- und Kreistagsabgeordneter der SPD gewesen war. Mit ihm - er war Mechaniker von Beruf - verband mich auch persönliche Freundschaft. Wie ich flüchtete er im Mai 1933 in die Tschechoslowakei, doch er war schon ein Jahr früher als ich nach Bolivien gekommen. Carlos, wie er in La Paz genannt wurde, war nur einer der Sozialdemokraten, mit denen ich problemlos zusammenarbeitete. Mit anderen gab es sachliche Kooperation und politische Konfrontation, so mit Arthur Groß, dem früheren Vorsitzenden der Sozialistischen Arbeiterjugend von Chemnitz, der nach seiner Flucht in die CSR zur Exilbezirksleitung der SPD für Chemnitz, Zwickau und Flauen in Karlsbad gehörte. Groß übernahm Ende 1938 die Leitung des Clubs Freundschaft. Es gab auch Sozialdemokraten, die aus antikommunistischem Prinzip jede Zusammenarbeit mit mir ablehnten. Vor allem muss ich Ernst Schumacher aus Burg bei Magdeburg nennen. Zuletzt war er Sekretär des SPD-Bezirkes Niederrhein in Düsseldorf gewesen und im Sommer 1939 über die Niederlande nach Bolivien gekommen. Hier hat er sich auch mit vielen seiner Parteifreunde überwarfen. Ich suchte mir eine Aufgabe, durch die ich am besten beweisen konnte, dass antifaschistischer Solidarität absoluter Vorrang zukam. Im Club Freundschaft übernahm ich die Einrichtung einer Ankunftsstelle für Emigranten, mietete einen großen Raum, legte Matratzen aus und sorgte für die Verpflegung.

Von Anfang an suchte ich in La Paz Bindungen zum Leben des Gastlandes. Dabei half mir meine berufliche Tätigkeit, vor allem aber das Schachspiel. Bereits Ende 1938 avancierte ich mit entsprechender Publizität zum bolivianischen Landesmeister. Ich blieb es sechs Jahre, bis ich nach Cochabamba übersiedelte und von wichtigen Turnieren fernbleiben musste. 1939 fand die Mannschaftsweltmeisterschaft in Buenos Aires statt. Meine bolivianischen Schachfreunde und deren Verband wünschten, dass ich zur nationalen Equipe gehöre. Sie wollten mir helfen, die dazu notwendige Staatsbürgerschaft Boliviens zu erwerben. Ich war staatenlos. Die deutsche Staatsbürgerschaft hatte mir das Hitlerregime laut »Deutschem Reichsanzeiger und Preußischem Staatsanzeiger« vom 23. Februar 1938 mit Wirkung vom 19. dieses Monats aberkannt. Das erleichterte die Einbürgerung. Ich nahm das Angebot des Schachbundes an und erhielt einen bolivianischen Pass, um den mich viele deutsche Landsleute beneideten; denn damit besaß ich ein Dokument, das mir jederzeit gestattete, in ein anderes Land zu reisen, und das sehr begehrt war, weil man nicht wissen konnte, was einem die weitere Entwicklung bescherte.

Die Frage meiner Zukunft stand in gewissem Sinne schon jetzt. Die Firma Hermanowicz & Weil drohte mir, sie werde mich entlassen, wenn ich wegen der Reise nach Buenos Aires mehrere Wochen von der Arbeit fernbleiben müsste. Ich fuhr trotzdem. Die über 3000 Kilometer lange Eisenbahnfahrt führte mich und meine bolivianischen Kameraden durch unendliche Wälder, durch Gebirge, Täler und Weidegebiete. Die Schacholympiade hatte in Argentiniens Hauptstadt Mannschaften aus aller Welt zusammengeführt. Mein erster Gegner war der Deutsche Paul Michel. Neben unseren Brettern standen die nationalen Symbole. Ich blickte auf das Fähnchen mit dem Hakenkreuz. Mein Gegner wusste nichts von meiner tatsächlichen Herkunft. Wir sprachen während der Partie kein Wort miteinander. Nach vier Stunden gab es ein Remis.

In La Paz hatte mein Arbeitgeber seine Drohung wahrgemacht. Ich musste mich nach einem neuen Erwerb umsehen. Mit einem anderen Emigranten gründete ich das Handelsunternehmen Baender & Rektor. Wir übernahmen ausländische Vertretungen, vor allem für englische Stoffe, belgisches Porzellan und Flaschenglas, ein Geschäft, das sich sehr gut anließ.

Mein Zusammenleben mit Elisabeth verlief unglücklich. Bereits in Prag spürten wir, dass wir auf Dauer nicht zusammenpassten. Wäre nicht das gemeinsame Kind gewesen, hätten wir uns wahrscheinlich schon damals getrennt. In Bolivien wurde alles noch komplizierter. Das Ende kam nach dem Tod des Kindes. Wir hatten uns kaum noch etwas zu sagen. Elisabeth litt unter Depressionen, von denen ich sie nicht befreien konnte. Waren Geschäftsfreunde bei mir, saß sie da und rührte sich nicht. Als ich ihr die Trennung vorschlug, brach es aus ihr heraus. Sie beschuldigte mich, ich hätte sie in Deutschland zur Verfolgten gemacht. Nur mir zuliebe habe sie ihre Heimat verlassen und sei mit mir nach Übersee gegangen. Nach alledem wäre ich nicht einmal auf den Gedanken gekommen, sie zu heiraten. Ich war betroffen und fühlte mich schuldig. Was konnte ich tun? Ich schlug ihr Eheschließung und Scheidung vor. Sie akzeptierte das Angebot, weil ich auf diese Weise verpflichtet wurde, auch nach der Trennung für sie zu sorgen. Später hat sie in La Paz wieder geheiratet. Die Wolken der europäischen Entwicklung überschatteten meine persönlichen Probleme. Nach dem Judenpogrom vom November 1938 und dann nach der Okkupation der Resttschechoslowakei verstärkten wir von Bolivien aus unser Bemühen, bedrohten Menschen zu helfen, hierher zu kommen. Es war ein glücklicher Augenblick, als ich in La Paz auch meine Eltern in die Arme schließen konnte. Niemand von uns ahnte, dass sie für immer in Bolivien bleiben würden. Sie starben beide in La Paz, die Mutter 1949, der Vater zwei Jahre später.

Im Frühjahr 1940 begegnete ich Halox, Hannelore Goldschmidt, die meine große Liebe und meine Frau werden sollte. Wie ich sie kennenlernte? Ich stand an der Garderobe eines Restaurants und sprach mit einem Emigrantenehepaar, das wenige Tage zuvor aus Finnland gekommen und dort in den Strudel des sowjetisch-finnischen Krieges geraten war. Die beiden berichteten von ihren Erlebnissen, als Pedro, Peter Goldschmidt, der dem KZ Buchenwald hatte entkommen können und mit dem ich befreundet war, in Begleitung einer mir bis dahin unbekannten jungen Frau auf uns zutrat und sagte, dies sei seine Schwester. Ich nahm gern sein Angebot an, mich im Restaurant zu ihnen zu setzen ...«"

"Die nach Tausenden zählenden Emigranten aus Deutschland, Österreich und anderen europäischen Ländern entfalteten in Bolivien ein vielfältiges gesellschaftliches und kulturelles Leben. Die Juden, die etwa 95 Prozent der Flüchtlinge ausmachten, vereinten sich in mehreren Organisationen. Eine in sich nicht einheitliche Gruppierung bildeten die Sozialdemokraten. Linkssozialisten schlössen sich zu Freundeskreisen »Das Andere Deutschland« zusammen und vertraten die Meinung der Zeitschrift gleichen Namens, die der frühere Reichstagsabgeordnete und Mitbegründer der Sozialistischen Arbeiterpartei, Dr. August Siemsen, in Buenos Aires herausgab. Andere Sozialdemokraten neigten mehr zu Ernst Schumacher, der in La Paz die Zeitung »Rundschau von Illimani« gründete und leitete. Unser Club Freundschaft war antifaschistisch, aber nicht parteipolitisch festgelegt. Die vom Club gewährte Hilfe für Neuankommende erschöpfte sich, als mit der Ausdehnung des Kriegsschauplatzes auf die Weltmeere der Emigrantenstrom aus Europa Anfang 1942 versiegte.

Im Frühjahr dieses Jahres erreichten uns die ersten Exemplare einer deutschen Zeitschrift aus Mexiko. Die politisch-kulturelle Monatsschrift »Freies Deutschland« wurde für mich und viele andere zum einigenden Band der deutschen Emigration in Lateinamerika. Sie gab uns Richtung und Ziel in der antifaschistischen Arbeit. Viele der in Mexiko lebenden Autoren hatten schon im Deutschland vor Hitler einen Namen: Anna Seghers, Ludwig Renn, Egon Erwin Kisch; andere wie Alexander Abusch, Bodo Uhse und vor allem Paul Merker wurden uns jetzt vertraut. Die Zeitschrift aus Mexiko war auch die Stimme der dort entstandenen Bewegung Freies Deutschland und regte mich an, etwas gleichartiges in Bolivien zu versuchen. Über die von Abusch geleitete Redaktion kam ich in Briefkontakt zu Paul Merker, von dem ich seit meinem Eintritt in die KPD wusste, dass er dem Zentralkomitee angehörte.

Aus dem leider nicht erhalten gebliebenen Briefwechsel mit Merker erwuchs zwischen ihm und mir eine Freundschaft von Gleichgesinnten, die mir im Exil Kraft und Zuversicht gab und die mich nach Kriegsende veranlasste, so schnell wie möglich nach Deutschland zurückkehren zu wollen, um an seiner Seite am Aufbau eines demokratischen Staates mitzuwirken. Dass mir diese Freundschaft und Übereinstimmung mit Paul Merker später als eine gemeinsame Verschwörung im Dienste imperialistischer Mächte angelastet werden könnte und beinahe dazu führte, mich und meine Familie zu vernichten, hätte ich mir in Bolivien nicht in den schlechtesten Träumen vorstellen können. In Prag war ich nach meiner Flucht aus Deutschland auf Parteimitglieder gestoßen, die von mir als erstes den Nachweis eines möglichst schriftlichen Beschlusses verlangten, dass ich überhaupt berechtigt war, mich an sie zu wenden. Als ich sie um Rat und Hilfe ersuchte, behandelten sie mich wie einen Bittsteller auf einer Behörde. Jetzt korrespondierte ich mit einem Genossen, der mir durch seine Aufsätze im »Freien Deutschland« und durch das, was er mir in seinen Briefen schrieb, mein ursprüngliches Vertrauen in die Partei wiedergab, mit dem ich ihr fünfzehn Jahre zuvor beigetreten war. Merker machte mir bewusst, dass es angesichts der weltweiten Auseinandersetzung mit dem deutschen Faschismus für jeden von uns darauf ankam, mehr als bisher zum Zusammenschluss aller deutschen Hitlergegner zu tun, auch in dem von den Kriegsfronten weit entfernten Bolivien. Stolz berichtete ich im Juni 1942 nach Mexiko, dass wir am 7. dieses Monats unter großer Beteiligung von Emigrantenkreisen im Café Comercio in La Paz die Vereinigung Freier Deutscher in Bolivien gründeten und ich dem siebenköpfigen Vorstand angehörte. Fast alle aus dem Club Freundschaft schlössen sich uns an. Andere kamen hinzu. Wir hatten bald knapp 500 Mitglieder. Ortsgruppen entstanden in Sucre, Cochabamba, Oruro und Potosí. Ich blieb in La Paz das einzige KPD-Mitglied. Einige wenige lebten In anderen Städten oder arbeiteten wie Siegfried Adler oder der Schauspieler Heinz Kahnemann in abgelegenen Agrargebieten des weiten Landes, das so groß wie Spanien und Frankreich zusammen nur drei Millionen Einwohner zählte. In La Paz fand ich Anschluss an deutschsprachige Kommunisten mehrerer europäischer Länder. Wir bildeten eine gemeinsame Parteigruppe, unterstützten uns gegenseitig und besprachen die Arbeit in unseren nationalen antifaschistischen Vereinigungen. Zu unserer Gruppe von etwa zehn bis zwölf Genossen gehörte der Österreicher Julius Deutsch, nicht identisch mit dem gleichnamigen General und Sozialisten. Unser Julius Deutsch kam aus der alten Garde der Wiener Kommunisten und hatte in La Paz eine Buchhandlung, die Librería América. Nach dem Krieg leitete er viele Jahre den Wiener Globus-Verlag. Älter als ich war auch Dr. Enzo Arian, der als junger Deutscher nach Italien gegangen und dort Arzt geworden war und mit seiner Frau, einer Parlamentsabgeordneten, vor dem Faschismus Mussolinis hatte flüchten müssen. Anfangs lebten die Arians in La Paz, übersiedelten jedoch dann nach Oruro. Hugo Lange kam aus Polen. Er hatte zeitweise vor 1933 in Berlin an der KPD-Zeitung »Die Rote Fahne« gearbeitet. In Bolivien war er Pächter staatlicher Hotels. Eines davon, das am Titicacasee lag, leitete sein Schwager Roman Nowak, der in den fünfziger und sechziger Jahren als Mitglied des ZK der Polnischen Vereinigten Arbeiterpartei und des polnischen Staatsrates bekannt wurde. Aus Ungarn kamen die Genossen Neuländer, Erdös, Barios und Adam. Der intelligente Georg (György) Adam schlug sich mit dem Verkauf nordamerikanischer Bücher durch. In Ungarn wurde er 1949 als angeblicher USA-Spion ein Opfer politischer Willkür. Weil ich ihn gut kannte, verdächtigte man auch mich. Zu unserer Gruppe in La Paz gehörte auch der Katalane Lluck, der Direktor der Schule für Kinder aus dem republikanischen Spanien.

Wir überlegten, wie wir in Bolivien den weltweiten antifaschistischen Kampf wirkungsvoll unterstützen könnten. Schließlich reifte die Idee, ein deutschsprachiges Radioprogramm zu gestalten und es durch Werbung für Geschäftsleute und Handwerker zu finanzieren. Ich trat Anfang 1943 aus dem Handelsunternehmen Baender & Rektor aus und überließ es ganz meinem Partner. Mit dem privaten Rundfunksender Radio Liberté schloss ich einen Vertrag für zwei Sendestunden täglich, eine mittags für Nachrichten und Kommentare und eine abends für Nachrichten und Kulturbeiträge. Wir bildeten unter meiner Leitung eine kleine Redaktion. Erich Berliner, ein Cousin von mir, besorgte die Werbeannoncen und kassierte. Georg Adam schrieb Kommentare. Halox, meine Frau, widmete sich Kulturprogrammen und redigierte die Werbetexte. Ich selbst stellte die Meldungen für die Nachrichten zusammen und fungierte als Sprecher. Wir abonnierten das Bulletin der Agentur Reuter, das Halox ins Deutsche übersetzte. Nachts hörte ich über Kurzwelle den Moskauer Rundfunk in deutscher Sprache, ein sehr mühseliges Unterfangen. Unsere Programme fanden bei den Emigranten großen Anklang. Auch Erich Berliner spürte es beim Verkauf der Werbeminuten. Das Experiment war gelungen. Wir konnten uns ohne andere Hilfe, die uns sowieso niemand gegeben hätte, finanziell tragen. Damals dachte ich nicht daran, dass ich eines fernen Tages immer wieder danach gefragt werden würde, ob uns nicht doch irgendwelche dunklen Finanzquellen zur Verfügung gestanden hätten und wir damit politisch gekauft worden wären. Nein, es war allein unsere Initiative und unser antifaschistisches Engagement. Der Erfolg ergab sich aus der Art und Weise, wie wir es machten. Die von Halox wirksam umgesetzten Annoncen hörten wir selbst auf der Straße, aus dem Mund von Emigrantenkindern. Manchen Reim kann ich nicht vergessen, weil ich ihn unzählige Male ins Mikrofon sprach, zum Beispiel die Werbung für die Werkstatt eines Herrn Adler:

»Kommt ein Brief von deinen Lieben,
sauber, rein ist er geschrieben.
Wie sieht deine Antwort aus?
Ganz verschmiert, es ist ein Graus.
Bring die Schreibmaschine schnell zu mir.
Adler repariert sie dir
in der Büro eins vier vier (144).«

Im Herbst 1943 verloren wir Georg Adam als Mitarbeiter unserer Radioredaktion. In Bolivien existierte damals keine kommunistische Partei. Die Linken im Lande hatten sich 1940 in der sozialistischen PIR (Partido Izquierdista Revolucionario) zusammengeschlossen, die jedoch von der Regierung für illegal erklärt und damit unter Polizeikontrolle gestellt wurde. Eines Tages - ich wusste davon nichts -trafen sich drei Mitglieder unserer internationalen kommunistischen Gruppe mit Vertretern der von José Antonio Arce geleiteten PIR. Die Polizei kam dazwischen. Neuländer und Lluck wurden auf die Mondinsel im Titicacasee verbannt, Geord Adam des Landes verwiesen und nach Uruguay ausgeflogen. Von dort ist er Anfang 1946, ehe er nach Ungarn zurückkehrte, nach Mexiko weitergereist und sprach wiederholt Im Haus der Freien Deutschen über Probleme Ost- und Südosteuropas. Paul Merker lernte Georg Adam nicht kennen, denn er war bereits "wieder in Berlin. Aber Ludwig Renn erzählte mir nach Jahren, Adam hätte die deutschen Zuhörer sehr beeindruckt.

Meine Radioarbeit ging konform mit meiner Tätigkeit für die Vereinigung Freier Deutscher in Bolivien. Im Januar 1943 fuhr ich als Delegierter fünf Tage und Nächte mit der Eisenbahn nach Montevideo. Ich nahm an einem von August Siemsen einberufenen Kongress deutscher Hitlergegner teil. Wir haben uns dort heftig gestritten. Siemsen wollte zugunsten des von ihm auf die linkssozialistische Antihitleropposition begrenzten Anderen Deutschland die Zusammenarbeit mit der Bewegung Freies Deutschland in Mexiko ablehnen. Diese war ihm zu bürgerlich und zu kommunistisch, ein Widerspruch, den er nicht zu erklären vermochte. Wir in Bolivien ließen uns nicht einengen. Ich stimmte lebhaft zu, als in Mexiko das Lateinamerikanische Komitee der Freien Deutschen entstand und dieses Komitee alle deutschen Anti-nazis in Mittel- und Südamerika zum Zusammenschluss aufforderte. Drei Namen des Komitees standen für seine gute Absicht: Heinrich Mann als Ehrenpräsident, Ludwig Renn als Präsident und Paul Merker als Sekretär. Am 5. und 6. August 1943 trafen sich Abgesandte aller Richtungen der deutschen Antifaschisten Boliviens zu einer Landeskonferenz m in Cochabamba. ich hielt das erste von drei Referaten und sprach über Sinn und Zweck der Freien Deutschen Bewegung. Wir beschlossen einen Kompromiss. Wir erklärten unsere Zusammenarbeit mit dem Lateinamerikanischen Komitee und mit dem Anderen Deutschland. Dabei blieben wir jedoch nicht stehen. Am 17. November 1943 beschloss eine Mitgliederversammlung der Vereinigung Freier Deutscher in La Paz gegen eine Stimme bei zwei Enthaltungen den Anschluss an das Lateinamerikanische Komitee.

Im Dezember 1943 mussten wir plötzlich unsere Rundfunksendungen über Radio Liberté einstellen. Dies verfügte die neue Regierung unter Präsident Gualberto Villaroel, die durch einen Militärputsch an die Macht gelangt war. Als Villaroel zweieinhalb Jahre später selbst gestürzt und gehenkt wurde, war ich mit meiner Familie schon ganz im Gedanken mit unserer Rückkehr nach Deutschland beschäftigt."

[Quelle: Kießling, Wolfgang: Der Fall Baender : ein Politkrimi aus den 50er Jahren der DDR. -- Berlin : Dietz, ©1991. -- ISBN 3-320-01705-5. -- S. 17 - 22, 30 - 35]

In der DDR wurde Baender sein Aufenthalt im bolivianische Exil in einem Prozess (1954) vor dem Obersten Gericht vorgehalten:

"Tagelang ging es um das Problem meiner Emigration in die CSR. Es wurde fallengelassen, als ich zugestand, es sei falsch gewesen, ohne einen Beschluss der für mich zuständigen Parteistelle außer Landes zu gehen. Dies konnten nur Ignoranten von mir verlangen, die keine Ahnung von den tatsächlichen Bedingungen der Illegalität in Deutschland hatten, oder Böswillige, die von mir falsche Einsichten wollten. Hunderte deutsche Kommunisten emigrierten ohne einen formalen Beschluss, wenn ihre Verbindungen abgerissen waren. Was hätten sie denn tun sollen? Sich den Nazis stellen? Oder andere Illegale durch ihr Verbleiben im Lande gefährden? Als ich auf die Frage, warum ich in Prag der Aufforderung nicht gefolgt bin, wieder nach Breslau zurückzukehren, um meine Papiere zu holen oder nachträglich meine Emigration beschließen zu lassen, antwortete, ich hätte Angst gehabt, wurde dies mit höhnischem Lächeln akzeptiert und abgehakt. Ich war in ihren Augen ein Feigling. Anstatt nach Spanien zu gehen und mit der Waffe zu kämpfen, sei ich, der typische Spießer, mit Frau und Kind, selbstverständlich wieder ohne jeden Parteibeschluss, nach Südamerika in ein Land ausgewandert, wo ich ohne jede Parteikontrolle ganz meinen privaten Geschäften nachgehen konnte. Es könne doch kein Zufall gewesen sein, ausgerechnet nach Bolivien zu gehen, wo es keine KP gab. Anstatt nun dort wenigstens als Kommunist zu handeln und unter bolivianischen Arbeitern tätig zu sein und sie für den revolutionären Kampf zu organisieren und eine KP gründen zu helfen, hätte ich mich auf eine ominöse, letztlich nutzlose antifaschistische Arbeit unter den zu 95 Prozent aus jüdischen Kleinbürgern bestehenden Emigranten aus Deutschland und Österreich orientiert. Selbst die lächerliche, von jüdischen Wirtschaftsemigranten mit Werbeannoncen finanzierte Radioarbeit hätte ich aufgegeben, um mich ins Landesinnere in ein Hotel für amerikanische Touristen zurückzuziehen."

[Quelle: Kießling, Wolfgang: Der Fall Baender : ein Politkrimi aus den 50er Jahren der DDR. -- Berlin : Dietz, ©1991. -- ISBN 3-320-01705-5. -- S. 175f.]

1938-05-10

Per Decreto Supremo wird die geistliche Administration der Mission von Guarayos aufgelöst und eine staatliche Verwaltung eingeführt. Diese Maßnahme ist einer Kampagne der Zeitung El Frente gegen die Franziskaner, besonders der Beschuldigung des Mordes gegen P. Anselm Schermair Elsner OFM (1902, Bruckmühl, Österreich - 1973, Salzburg). P. Schermair wurde 1941 in einem Strafprozess freigesprochen.

Die Folgen der plötzlichen Säkularisation zeigt ein Inspektionsbericht von 1943::

"Con la secularización cambió Guarayos, su fisonomía agroindustrial productiva. El Inspector General de Colonización del Ministerio de Agricultura, Ganadería y Colonización, señor Viador Moreno Peña, elevó su informe sobre la visita que realizó a los pueblos guarayos, ex - Misiones Franciscanas, en el que refiere sus impresiones como un balance trágico, después de ser sustituido el anterior régimen político administrativo de las misiones "por disposiciones elásticas e inconsistentes que han producido desorden económico y hasta anarquía en los pueblos Guarayos, responsabilizando de esta situación a los administradores que han desempeñado el papel de personeros del Gobierno. Se concretaron de usufructuar inescrupulosamente de los esfuerzos logrados en muchos años de sacrificios y de labor constante. Dice: "La población total de los cinco pueblos que antes alcanzó la apreciable cifra de siete mil habitantes, así como el acervo industrial y económico, obtenido en abundante producción agrícola ganadera, manufacturera y artística, han venido disminuyendo considerablemente hasta el extremo que establecido el balance de los cuatro años de administración fiscal, el cuadro es desastroso y los saldos que recoge la Dirección General de Colonización son desoladores. Estos pueblos que anteriormente prestaban valiosa ayuda con sus variados productos a los industriales del Beni y Santa Cruz, ahora atraviesan días de tribulación y miseria, careciendo hasta de lo más indispensable para su subsistencia"

[Zitiert in: Hollweg, Mario Gabriel <1939 - >: Alemanes en el oriente boliviano : su aporte al desarrolla de Bolivia. -- Santa Cruz de la Sierra. -- Tomo 2: 1918 - 1945. -- [1995]. -- Depósito legal 8-1-1011-95. -- S. 668. -- Dort Quellenangabe]

1938-05-24

Die Lufthansafiliale Deutsche Lufthansa AG, Sucursal Peru, Lima nimmt den Liniendienst auf der 1220 km langen Strecke Lima -- Arequipa -- La Paz auf. Damit erhält Bolivien einen Anschluss an die Transatlantik-Flüge der Lufthansa. Die Strecke Lima -- La Paz ist die einzige Auslandsstrecke der Lufthansa, die auch nach 1941-03-31 im Krieg verkehren darf.


Abb.: Eine Ju 52 der Lufthansa beim Start in Arequipa

[Bildquelle: Die Geschichte der Deutschen Lufthansa 1926 - 1984. -- Köln : Lufthansa, 1985. -- S. 50]

1938-07

Max Fuss Haas (1885, Schramberg - 1964, San Ignacio de Velasco) kommt zusammen mit Bruno Schmid als  Delegationsleiter der Misión Checoslovaca de Colonización nach Bolivien, um Land für die Kolonisierung für 200 Sudetendeutsche Familien zu finden. Der Plan zerschlug sich. Nach der Abtretung des Sudetenlands an Deutschland bleibt Fuss in Bolivien und widmete sich u.a. den Sprachen von Chiquitos.

1938-08-17

Gründung des Automóvil Club Boliviano

1938-08-27

Das Elektroschiff Patria der Hamburg-Amerika Linie (Hapag) geht auf Jungfernreise Hamburg -- Antwerpen -- Southampton -- Cherbourg -- Kingston über neun Westküstenhäfen nach Valparaiso und Calcahuano.


Abb.: ES Patria vor dem Auslaufen aus dem Hamburger Hafen


Abb.: Kabine 1. Klasse

[Bildquelle: Seiler, Otto J.: Südamerikafahrt : deutsche Linienschiffe nach den Ländern Lateinamerikas, der Karibik und der Westküste Nordamerikas im Wandel der Zeiten. -- 2. Aufl. -- Herford : Mittler, ©1993. -- ISBN 3-8132-0415-4. -- S. 167, 170] 

1938-11-05

Gründung der Reichsdeutschen-Gemeinschaft -- Centro Cultural Alemán  in La Paz. Jeder Reichsdeutsche in Bolivien gehört zu dieser Organisation. In §2 der Satzung wird festgelegt, dass die Gemeinschaft eine nichtpolitische Vereinigung ist. Der Gemeinschaft gehören die deutsche Schule in La Paz, das Hospital Alemán, die Beneficencia Alemana (ein Unterstützungsverein für  notleidende Mitbürger, der auch für den deutscehn Friedhof in La Paz zuständig ist).

Um 1939

Gründung des Deutsch-Republikanischen Vereins als einem Forum der Nazi-Gegner (besteht bis 1970).

1939


Abb.: Straße Cochabamba - Villa Tunari (©MS Encarta)

Eröffnung der Straße Cochabamba - Villa Tunari. Damit wird die Chapareregion erschlossen.

1939

Mendoza González, Jaime <1874, Sucre - 1939, Sucre>: Notas sobre la educación del indio. -- In: Universida / Universidad de San Francisco Xavier. -- Sucre. -- Tomo VI (1939). -- Abgedruckt in: Antologia pedagogica de Bolivia  Mariano Baptista Gumucio. -- La Paz [u.a.] : Los Amigos del Libro, 1979. -- (Enciclopedia Boliviana). -- Depósito legal la Paz 4/79. -- S. 95 - 111

"Empecemos por una grave interrogación: 

¿Es el indio educable? O sea: ¿es la psiquis de indio susceptible de adaptarse a los procedimientos pedagógicos que hoy se aplican en las colectividades de blancos y blancoides y han alcanzado un éxito variable entre nosotros? ¿O será, más bien, que la estructura mental del indio, donde se hallan sedimentados —como las capas geológicas de los tiempos arcaicos— estratos característicos de razas milenarias, requiere nuevos métodos específicos y a las veces distintos en un todo de los que en nuestras escuelas se inclinan a los educandos?

He aquí un primer jalón que se debe tener muy presente en tratándose de la educación indigenal.

Por desgracia, en Bolivia, así como en Ecuador y Perú y aun en algunas fracciones de Chile y la Argentina que todavía albergan saldos más o menos gruesos de las razas autóctonas, el psiquismo del indio es un problema aún no dilucidado. Hay anarquía en las conclusiones obtenidas, que con frecuencia llegan a ser diametralmeiite contradictorias. Quien considera al indio como absolutamente refractario a la civilización actual, como una remora para el progreso, como un peso muerto en el organismo social; y quien hace de c! un maravilloso filón de energía, un ejemplar cargado de un fuerte dinamismo vital.

Si oteamos en los tiempos del Descubrimiento, nos encontramos con aquellos sabios varones eclesiásticos que negaban al indio el alma; y, frente a ellos, nos encontraremos con un Bartolomé de las Casas, que pintaba del indio una figura casi angelical.

Y así andan también en nuestros días los pareceres.

Gabriel René-Moreno calificaba el cerebro del indio como celularmenle incapaz de asimilarse a las exigencias de la cultura occidental. "El indio incásico —son sus palabras— no sirve para nada. Pero, eso sí, y aquí la funesta deformidad, representa en Bolivia una fuerza viviente, una masa de resistencia pasiva, una induración concreta en las visceras del organismo social". [Gabriel Rene-Moreno, "Bolivia y Argentina. Notas biográficas y bibliográficas". Santiago de Chile, 1901, página 143.]

Y si del insigne escritor cruceño, que en su obra se revela poseído de cierta inquina contra aymarás y quechuas, de quienes no conocía ni el idioma, pasamos a los investigadores andinos, hallaremos un Belisario Díaz Romero o un Rigoberto Paredes que tampoco son más piadosos con el indio de sus propios lares, a quien, sin embargo, pudieron estudiar con el conocimiento de su lengua, que es una de las maneras más eficaces de penetrar en la psiquis de una raza.

Y contra esta apreciación pesimista del valor del indio se yergue la otra, la optimista. Bástenos citar a su más autorizado representante: Franz Tamayo. ¿No dijo Franz Tamayo, en 1910, que "en las actuales condiciones de la nación, el indio es el verdadero depositario de la energía nacional"? [Franz Tamayo, "Creación de la pedagogía nacional". La Paz, 1910, página 58.]. Y, refiriéndose a la escala de los valores morales. ¿no afirmó también que "lo que hav más moral, es decir más fuerte, en Bolivia, es el indio, después el mestizo, por su sangre india, y en el último término el blanco, que en el instante histórico que vivimos es diputado, ministro, juez, poeta, profesor, cura, intelectual, y, para decirlo todo de una vez, parásito"'. Ibídem. página 128.]. Palabras que no son, ciertamente, una simple salida teatral, debiéndoselas, por tanto, pesar gravemente, como la expresión de un profundo pensador cual es el autor de "Creación de la pedagogía nacional".

¿Cuál de estas opuestas tesis se inspira en la verdad?

Creemos que una y otra son exageradas."

 [a.a.O., S. 95 - 97]

1939

Snethlage, E. Heinrich: Musikinstrumente der Indianer des Guaporégebietes.  -- Berlin : Reimer, 1939. 37 S. : Ill. -- (Baessler-Archiv ; Beiheft X)

1939

Gründung der (von der KPD  bestimmten) Bewegung Freies Deutschland in Bolivien. Vizepräsident ist das KPD-Mitglied (seit 1927) Paul Baender (1906 - 1985, seit 1939 bolivianischer Staatsbürger), Baender kehrte 1947 in die spätere DDR, war 1950 - 1952 Staatssekretär und fiel 1952 einer stalinistischen Säuberungswelle zum Opfer. Bis Dezember 1943 spricht Paul Baender täglich zweimal je eine Stunde über Radio Libertad für die in Bolivien lebenden Deutschen. Grundlage sind deutschsprachige Sendungen aus Moskau. 1943 wurden diese Radiosendungen verboten.

1939

Die jüdische Deutsche Hannelore Goldschmidt (1919 - 1990) kommt als Emigrantin nach Bolivien. Sie wird später die zweite Frau von Paul Baender (1906 - 1985).Sie erzählt 1990:

"Während der Überfahrt nach Amerika [USA] erfuhr ich vom Novemberpogrom, der sogenannten Reichskristallnacht. Ich machte mir große Sorgen um meine Angehörigen. In New York erwartete mich mein Freund. Inzwischen waren in den USA erschwerende Einreisebestimmungen erlassen worden. Um überhaupt an Land zu gelangen, musste jemand für mich eine Kaution von 500 Dollar hinterlegen. Ich hatte diesen Betrag, meine gesamte Habe, dem Freund zustecken können. Er löste mich damit nach einigen Tagen auf Ellis Island, der berüchtigten Einwanderungsinsel, aus. Nun war ich zwar in New York, aber nach dem Gesetz durfte ich keine Arbeit annehmen. Im Hotel lagen für mich Telegramme aus Leipzig. Die Mutter teilte mit, mein Bruder Peter sei verreist, und der Vater wäre auch nicht zu Hause. Das hieß, Peter war verhaftet und, wie ich später erfuhr, ins Konzentrationslager Buchenwald gebracht worden. Den Vater hatten die Nazis einige Tage im Gefängnis festgehalten. In New York unterstützte mich einige Zeit der Joint, die jüdische Hilfsorganisation. Dann schlug ich mich mit verschiedenen Arbeiten durch, immer befürchtend, von der Polizei gefasst zu werden. Die elf Monate New York-Aufenthalt waren schwer für mich. Aber ich war jung, neunzehn Jahre. 1939 kam mein Bruder aus dem KZ frei. Ein Freund in Bolivien hatte ihm das Einreisevisum besorgt. Peter unterschrieb in Buchenwald, wie von ihm verlangt wurde, dass ihm nichts passiert sei und dass er sich verpflichte, Deutschland umgehend zu verlassen. In La Paz nahm er sofort die Verbindung zu mir auf. Ich sollte zu ihm kommen, damit wir gemeinsam alles unternehmen konnten, auch die Eltern nach Bolivien zu retten.

Das bolivianische Konsultat in New York erteilte mir das Einreisevisum. Die von mir in den USA hinterlegte Kautionssumme erhielt ich zurück. 400 Dollar ließ ich als mitgeführtes Kapital auf das bolivianische Visum eintragen. Als Grund der Reise gab ich an, ich werde am Amerikanischen Institut in La Paz als Sportlehrerin arbeiten. Diese Anstellung an einer Einrichtung der nordamerikanischen Methodistenkirche hatte mir Peter besorgt. Doch plötzlich war das Visum ungültig. Am 23. August hatte der bolivianische Staatspräsident Germán Busch unter ungeklärten Umständen den Tod gefunden. Die innenpolitische Situation des Landes war gespannt. Ich musste warten. Aus Europa kamen die Nachrichten vom Beginn des Krieges, der Niederschlagung Polens und von versenkten Schiffen auf dem Atlantik. Am 4. Oktober bekam ich endlich ein neues Visum. Umgehend reiste ich ab. In La Paz wartete ich mit Peter auf die Ankunft der Eltern. Faktisch in letzter Minute war ihr Schiff in Hamburg ausgelaufen. Wir waren glücklich, als unsere Familie, wenn auch weit entfernt der Heimat, wieder vereint war. Besonders schwer gewöhnte sich mein Vater, nunmehr sechsundfünfzigjährig, an die neue Umwelt. Er lebte noch immer in dem Glauben, ein reicher Mann zu sein. Alles hatte er zurücklassen müssen, seine Bücher und alles, womit er sich hätte beschäftigen wollen. Die wertvolle Briefmarkensammlung hatte er noch nach England bringen lassen können. Doch ihm blieb sie verloren.

Im Januar 1940 trat ich meine Stelle als Sportlehrerin an. Meine Schüler waren zumeist Kinder von USA-Bürgern, die in Bolivien arbeiteten. Ich musste mich an die Sitten und Moralvorstellungen in dem streng katholischen Land gewöhnen, wo man schon dadurch öffentliches Ärgernis erregte, wenn man im Sportanzug auf die Straße ging. Eines Abends begleitete ich Peter in ein Restaurant, wo Bekannte, auch deutsche Emigranten, verkehrten. Hier stellte er mir Paul Baender vor, der sich zu uns setzte und mit dem ich einige Male tanzte. Ich fand ihn sehr angenehm. Liebe auf den ersten Blick? Ich glaube nicht. Er war verheiratet, lebte jedoch allein und stand, wie er sagte, vor der Scheidung. Etwa zwei Wochen später traf ich ihn wieder. Die Schule blieb wegen einer Epidemie einige Tage geschlossen. Paul fragte mich, was ich mit der freien Zeit anfange. »Ich will zum Titicacasee fahren und schwimmen.« Darauf er: »Ich auch. Ein Platz im Auto ist noch frei.« Das war unser Anfang.


Abb.: Familie Baender-Goldschmidt in Bolivien

Und am 21. November 1941 wurde unser Sohn Stephan geboren. Ich brachte ihn zu Hause zur Welt. Geburtshelfer war Hans Schein, ein Cousin von Paul, der mit seiner Frau, auch einer Ärztin, wegen der gesetzlichen Bestimmungen des Gastlandes keine Zulassung in Bolivien besaß und illegal praktizierte. Während ich mit den einsetzenden Wehen auf und ab ging, spielten Hans und Paul Schach. Stephan war von Geburt an Bolivianer. Denn nach dem Gesetz sind alle hier geborenen Kinder Bürger des Landes. Für den Jungen nahmen wir uns später ein bolivianisches Kindermädchen. Er sprach bald besser spanisch als seine Eltern. Außerdem lernte er beim Spiel mit anderen Kindern Quechua und Aymará, die Umgangssprachen der Hochlandindianer.

Während Paul als Schachspieler populär war, wurde ich besonders als Leichtathletin bekannt. Ich erreichte einige nationale Rekorde und wurde auch eine der bolivianischen Schwimmmeisterinnen. Als erste Frau der Welt durchschwamm ich den Titicacasee. Doch mehr und mehr bestimmte die Politik unser Leben. Wir wollten teilnehmen am Kampf gegen den deutschen Faschismus. Inzwischen, Ende 1941, war aus dem europäischen Krieg der zweite Weltkrieg geworden. Im Januar 1942 brach Bolivien die diplomatischen Beziehungen zu Deutschland ab. Im April 1943 erklärte unser Gastland den Achsenmächten den Krieg."

"Das Ende der Radioarbeit warf auch die Frage auf, wovon wir leben sollten. Die Freude über die Resonanz unserer Sendungen hatte uns kaum spüren lassen, dass wir gerade das Existenzminimum verdienten. Jetzt war auch das nicht mehr gesichert. Paul gab wieder, wie damals In Prag, Unterricht in Schach und Bridge. Die Rückkehr in das Handelsunternehmen stand nicht zur Debatte; denn die Überseeverbindungen waren unterbrochen und im Binnenhandel Boliviens gab es absolut keine Chance. Wir eröffneten auf dem Prado im Zentrum von La Paz einen Mittagstisch für Emigranten. Ein Österreicher kochte. Ich besorgte das Kuchenbuffet und schenkte die Getränke aus. Aber das Geschäft funktionierte nicht. Der Koch wirtschaftete in die eigene Tasche. Vor allem kamen zu wenig Gäste. Der Verlust war größer als der Gewinn. Nach einigen Monaten standen wir wieder ohne jedes Einkommen da. Paul verdingte sich stundenweise im Spielkasino eines Hotels und verkaufte für das Roulette die Chips. Im Oktober 1944 erreichte uns aus dem rund 300 Kilometer südöstlich von La Paz nur 2 500 Meter über dem Meeresspiegel gelegenen
und damit im Vergleich zur Hauptstadt klimatisch angenehmeren Cochabamba das Angebot eines Herrn Aranco Prado, in seinem dortigen Granhotel »Cochabamba« als Verwalterehepaar zu arbeiten. Wir nahmen sofort an, zumal in dieser Stadt auch meine Eltern lebten, die wir sonst kaum zu sehen bekamen. Vom November 1944 bis zum Februar 1947 wurden Cochabamba und sein gleichnamiges Hotel unsere nächste Exilstation. Señor Prado, ein reicher Mann, hatte sich vom Geschäft zurückgezogen und bewohnte auf dem Hotelgelände ein eigenes Haus. Wir hatten die Stelle bekommen, weil wir Gringos waren und, vom Deutschen abgesehen, das zu dieser Zeit nicht gefragt war, auch englisch und französisch sprachen. Paul war der Hoteldirektor und ich die Schlüsselverantwortliche. Mir unterstand alles, was mit den Zimmern zu tun hatte, vom Inventar bis zu den Mädchen, die für Sauberkeit sorgten. Kulka, ein Österreicher, kaufte für das Hotel ein. Täglich holte er von den Indios auf dem Markt Hühner, Gemüse und alles, was gebraucht wurde. Der Oberkellner war ein Schweizer.

Das Hotel lebte vor allem von den Passagieren der Flugzeuge, die aus den USA kommend, auf dem Weg nach Brasilien und anderen Ländern in Cochabamba zwischenlanden mussten. Wenn bis fünf Uhr nachmittags eine Maschine nicht gestartet war, dann musste das Flugzeug wegen der sofort einbrechenden Dunkelheit bis zum nächsten Tag warten. Da es noch kein Radar gab, war ein Nachtflug über das Gebirge nicht möglich. Zu denen, die längere Zeit im Hotel wohnten, gehörten englische und nordamerikanische Ingenieure. Sie arbeiteten für USA-Firmen und bauten zum Beispiel Straßen, die zu den Zinngruben führten. Auch als Urlauberdomizil fungierte das Hotel. Es verfügte über Schwimmbad, Tennisplatz und Spielkasino und bot damit manchen Luxus. Es hatte Terrassen und einen Park, und wer mit dem Auto kam, erhielt eine Garage. Für bolivianische Verhältnisse war es ein nobles, ein Granhotel. Wir wohnten auch im Haus. Um Stephan kümmerte sich eine India. Ich verdiente 1200 Bolivianos. Das war viel. Außerdem bekam ich viel Trinkgeld. Auch dann, als der Besitzer mein Gehalt heruntersetzte, weil er meinte, ich könne doch vom Trinkgeld leben, machte mir das wenig aus. Paul genoss das volle Vertrauen des Señor Prado, der ihm auch alle Kassengeschäfte überließ. An der Kasse bezahlten die Gäste nicht nur ihre Rechnungen, sondern hier wechselten sie auch Geld. Paul tauschte ihnen Dollars in Bolivianos, diese wiederum in argentinische Pesos usw. Das war für ihn ein gutes Geschäft. Wir begannen für die Rückreise nach Deutschland zu sparen.

Als der Krieg in Europa zu Ende war, lud Paul die antifaschistischen Deutschen in Cochabamba zu einem Meeting ein. Etwa hundert von ihnen unterschrieben namentlich eine Erklärung an das Lateinamerikanische Komitee der Freien Deutschen in Mexiko zu Händen von Ludwig Renn und Paul Merker. Der Text blieb erhalten, weil ihn die Zeitschrift Freies Deutschland im September 1945 veröffentlichte. Darin hieß es: >Wir sind wie Ihr, Gesinnungsfreunde, überzeugt, dass nur die Einheit der drei Großen den militärischen Sieg über den Nazismus erringen konnte und dass nur die weitere Einheit aller demokratischen Kräfte der Welt imstande sein kann, die nach dem Waffensiege weiterbestehende Weltgefahr der faschistischen und nazistischen Ideenverseuchung zu bekämpfen und zu beseitigen ... jetzt muss unsere Arbeit beginnen, für ein freies deutsches Volk und für die Demokratie der Welt! Wir haben daher beschlossen, innerhalb unserer hiesigen Organisation eine Gruppe Sympathisierender der Freien Deutschen Bewegung in Mexiko zu bilden, der sich vorerst alle Unterzeichneten angeschlossen haben. Wir begrüßen Sie und bringen Ihnen unsere volle Verbundenheit mit Ihnen und Ihren Anschauungen zum Ausdruck. Wir danken dem Komitee für seine auch für uns geleistete Arbeit, wir danken insbesondere dem »Freien Deutschland« und seinen Mitarbeitern, das uns ein Freund und Hoffnungsspender gewesen und geworden ist, das dem Ausdruck gegeben hat, was wir nur fühlen konnten.<«"

[Quelle: Kießling, Wolfgang: Der Fall Baender : ein Politkrimi aus den 50er Jahren der DDR. -- Berlin : Dietz, ©1991. -- ISBN 3-320-01705-5. -- S. 26 - 29; 35 - 37]

1939


Abb.: Logo der FAL

Gründung der Federación de Austriacos Libres en Bolivia (FAL)

Der Exilösterreicher Fritz Kalmar berichtet in einem Interview 1999-12 u.a. über die FAL:

"Wie kamen Sie nach Südamerika?

Nach Südamerika kam ich als Auswanderer. Ich war von der Ausbildung her Jurist und habe bei einem Rechtsanwalt in Wien gearbeitet, der im Jahr '38 zusperren musste aus rassischen Gründen. Aus den gleichen Gründen konnte auch ich meine Karriere nicht weiter verfolgen. Ich half dann bei einem Onkel, der in Wien eine große Häuserverwaltung hatte, in der Buchhaltung aus. Aber auch er musste liquidieren und hatte schon einen kommissarischen Verwalter dort sitzen, einen SS-Mann. Unter den Häusern, die mein Onkel verwaltete, war eines, das einem reichen Norweger gehörte. Dieser Mann kam nach Wien, um zu sehen, wer jetzt sein Haus verwalten würde. Das war ganz kurz nach der Reichskristallnacht. Er war entsetzt über das, was er sah, und sagte zu meinem Onkel, er würde gerne den jungen Leuten in der Familie helfen, als Seemann aus dem Land zu kommen. Mein Onkel fragte mich, ob ich das wollte. Da ich nicht die leiseste Möglichkeit hatte wegzukommen - ich hatte weder Beziehungen im Ausland und schon gar kein Geld - sagte ich sofort ja. Er stellte mich dem Mann vor und der versprach mir einen Heuervertrag auf einem seiner Schiffe. Er müsse noch nach Paris und London, aber zu Weihnachten sei er wieder in Oslo. Dann schicke er mir den Vertrag.

Ich dachte „aus den Augen, aus dem Sinn", aber nach Weihnachten kam tatsächlich der Vertrag. Ich wurde Smörer, Schmierer auf dem Motortanker „Pan Norway". Man informierte mich, dass das Schiff entweder in Constanza in Rumänien oder etwas später in Purfleet bei London zu erreichen sei. Letzteres war mir lieber, erstens weil mich London mehr interessierte als Constanza und zweitens weil ich so etwas mehr Zeit hatte. Ich glaubte mir Sachen kaufen zu müssen für das Schiff, so einen Ölmantel und einen Seemannshut.

Später stellte sich heraus, dass ich das alles gar nicht brauchte, weil ich im Maschinensaal zu arbeiten hatte. So wurde ich Seemann und war ein knappes halbes Jahr auf diesem norwegischen Schiff. Wir fuhren immer wieder nach Westen, zweimal war ich in Aruba auf den niederländischen Antillen, wo die Standard Oil Company ein Riesendepot hatte. Dort tankten wir Öl und brachten es nach Holland.

Einmal holten wir auch Öl aus den Vereinigten Staaten, aus Baytown, Texas. Dort wäre ich gerne geblieben. Ich fragte den Wachhabenden am Eingangstor zum Hafen, ob das ginge. Er meinte ja, aber dann sei ich illegal im Land und würde nie meine Papers in Ordnung bringen können. Das wollte ich nicht, und so kehrte ich aufs Schiff zurück.

Inzwischen waren ein Schulfreund von mir und ein Mädel aus unserer Wandergruppe in Bolivien. Sie besorgten dort ein Einreisevisum für mich und schickten es mir nach Holland. Ich besorgte mir Durchreisevisa durch Peru und Chile, weil ich nicht wusste, auf welchem Weg ich nach Bolivien reisen würde. Der Zufall ergab, dass die nächste Reise meines Schiffes nach Talara ging, das ist ein großer Ölhafen im Norden Perus. Dort heuerte ich ab, mit schmerzendem Herzen, denn das Schiff war mir Heimat geworden. Anfangs hatte ich fast kein Wort verstanden, aber mit der Zeit lernte ich ganz gut Norwegisch. Ich hatte ein halbes Jahr unter dem Schutz der norwegischen Flagge gelebt und mir tat das Herz weh, wie das Schiff aus Talara rausfuhr. Meine Kameraden waren alle an Deck und winkten mir. Ich schaute ihnen nach, bis das Schiff nur noch ein Punkt war.

Dann fuhr ich mit einem kleinen peruanischen Schiff zu einem Ort namens Huarmey. Von dort gab es einen Autobus nach Lima. Dieser Bus war ein Bild für sich. Auf beiden Seiten offen, dazwischen gab es Bänke, die Koffer waren auf dem Dach. So fuhr ich durch die peruanische Wüste. Ich konnte es kaum glauben, dass der kleine Kalmar aus Wien durch die peruanische Wüste fährt. Die sieht wirklich so aus, wie man aus Filmen die Sahara kennt. Wir sollten um acht Uhr abends in Lima sein. Dem Bus ging aber ständig das Licht aus. So mussten wir alle zwanzig Minuten stehenbleiben und das Licht reparieren. Deshalb waren wir erst um zwei Uhr morgens in Lima. Ich blieb zehn Tage in Lima, wo ich beim jüdischen Hilfsverein einquartiert war. Dann fuhr ich weiter: zunächst mit dem Bus nach Arequipa, von dort mit dem Zug hinauf zum Titicaca-See, mit dem Schiff über den See nach Cuaqui in Bolivien und von dort wieder mit dem Zug hinunter nach La Paz. Dort blieb ich dann fast 14 Jahre lang. Übrigens nicht nur ich, sondern auch meine Brüder und unsere Mutter. Ein Bruder war schon da, als ich dort ankam - unvorhergesehenerweise! Er hätte vor mir nach Peru fahren sollen. Aber ihn und etwa 200 andere Emigranten ließ man in Peru nicht an Land gehen. Sie hatten Visa vom peruanischen Generalkonsul in Paris bekommen, der kein Recht hatte, sie auszustellen. Da sie in Peru nicht bleiben durften, wurde wild herumtelegrafiert, um ein Aufnahmeland für sie zu finden. Hätte sich keine Alternative geboten, wären die Leute nach Deutschland zurückgeschickt worden. Dazu kam es zum Glück nicht, denn der bolivianische Präsident Oberst Busch -Abkömmling eines Deutschen - gewährte ihnen die Aufnahme in Bolivien. Er unterschrieb ein Dekret und so war mein Bruder schon vor mir da. Dann haben wir noch meine Mutter kommen lassen können und meinen jüngsten Bruder, der auch auf einem Schiff des erwähnten norwegischen Reeders zur See fuhr. So war dann die Familie in Bolivien.

Wie konnten Sie in Bolivien beruflich Fuß fassen - das war für einen Wiener Juristen doch sicherlich nicht einfach?

Ich hatte auf dem Schiff so gut wie gar nichts ausgegeben und alles gespart, was ich verdiente. So besaß ich ein paar Dollars, als ich in Bolivien ankam. Mein Bruder hatte zur Vorbereitung der Ausreise in Wien gelernt, wie man Lampenschirme aus Pergamentpapier macht. Damit hat er in La Paz begonnen. Als ich ankam, fehlte Material und das Geld, es zu kaufen. Mit meinem ersparten Lohn war das möglich. Ich begann, bei der Herstellung der Lampenschirme mitzuarbeiten. Doch als unsere Mutter kam, reichte der Verdienst daraus für unseren Unterhalt nicht mehr aus.

Da kam mir zugute, dass auch ich vor der Abreise in Wien noch einen „richtigen" Beruf erlernt hatten. Der jüdische Zimmermaler Forschner hatte erkannt, dass die ganzen Intellektuellen nichts Vernünftiges konnten, mit dem sie in einem Einwanderungsland etwas anfangen könnten. Er bot allen Willigen an, bei ihm Anstreicher zu lernen. Und das tat ich. Als meine Mutter nach Bolivien kam, wandte ich diese Kenntnisse an und arbeitete als Zimmermaler - bis ich krank wurde. Ich hatte eine Rippenfellentzündung mit Lungenspitzenkatarrh, und der Arzt verbot mir, weiter als Anstreicher zu arbeiten. Damals hat man ganz anders gemalt als heute. Heute kauft man die fertige Farbe, eine Rolle und kann anfangen. Damals musste man die Farben mit Pulver, Wasser und Leim zurechtmachen. Und vorher musste man die alte Farbe abspachteln. Das einzuatmen hat mir der Arzt streng verboten. Ich habe dann alles Mögliche gemacht, u.a. auch Englisch-Unterricht gegeben. Dann wurde ich Mitarbeiter der deutschsprachigen Radio-Stunde, die Dr. Terramare eingerichtet hatte.

Bolivien ist eines der südamerikanischen Länder, die für jemanden, der aus Europa kommt, sehr fremd sind, sehr viel fremder etwa als Länder wie Argentinien oder Uruguay, die stark durch europäische Einwanderung geprägt sind. Wie konnten Sie sich da einleben, wie konnten Sie sich integrieren?

Es war nicht so ganz leicht. Ich hatte zwar auf dem Schiff schon ein spanisches Lehrbuch und habe ein bisschen gelernt. Wenn ich die Wörter für mich aussprach, freute ich mich darüber, wie schön das klang. Diese Kenntnisse haben aber nicht sehr weit gereicht. Mein Bruder hatte großes Sprachentalent, der sprach schnell sehr gut Spanisch. Mit der Zeit lernte ich es auch. Im Gegensatz zu vielen anderen Emigranten hatte ich nie die Höhenkrankheit - La Paz liegt 3700 Meter hoch. Die Höhenkrankheit bekommen vor allem Leute mit normalem und hohem Blutdruck, ich hatte niedrigen Blutdruck. Allerdings kamen auch bei mir nach zwei, drei Monaten Erscheinungen wie Magenverstimmungen, schmerzhafte Krämpfe. Aber das ging vorüber. So hat man sich eingelebt. Aber Bolivien war eine wirkliche Fremde. Uruguay nicht, Uruguay hat einen europäischen Anstrich, so wie Buenos Aires, aber Bolivien, das war fremd.

Als klar war, dass ich in Bolivien landen würde, nahm ich mir vor, den Kontakt mit den Eingeborenen, mit den Indios zu suchen und indianische Freunde zu finden. Ich malte mir aus, mit ihnen beisammenzusitzen und zu hören, was sie an Sagen und Märchen kennen. Eine träumerische Vorstellung. Nichts davon wurde Wirklichkeit. Zwischen einem Indio und seiner Umwelt steht eine Mauer, da kommt man nicht durch. Er schaut einen unbewegten Gesichtes an, sagt nichts.

Natürlich hat man mit der Zeit auch Bolivianer kennengelernt. Aber als ich wegfuhr, dachte ich mir, den Freund, den du in Bolivien gesucht hast, hast du in fast 14 Jahren nicht finden können. Ich hatte keinen einzigen bolivianischen Freund. Bekannte ja, aber einen Freund, mit dem man sich aussprechen hätte können, nicht einen.

Trotzdem fiel es mir sehr schwer, als ich aus Bolivien wegging.

Sie haben zusammen mit dem österreichischen Regisseur Georg Terramare und der Schauspielerin Erna Terrel in La Paz eine deutschsprachige österreichische Theatergruppe aufgebaut. Können Sie darüber etwas erzählen?

Terramare hat nach seiner Ankunft in La Paz zunächst versucht, mit Erna Terrel - die beiden waren auch privat ein Paar - eine Art Kabarett zu machen, auf deutsch mit zwei oder drei spanischen Nummern, vor allem Liedern. Das Ganze fand im Saal des Hotel Sucre statt und hieß „Kleine
Casino Bühne", KCB. Der Eintritt für KuK -Kunst und Konsumation - war zehn Pesos. Das war wirklich nicht viel. Und doch haben viele Emigranten es sich nicht leisten können, weil sie wirtschaftlich noch nicht Fuß gefasst hatten. Nach drei Vorstellungen war Schluss. Terramare war sehr verzagt. Er war Theatermann, was sollte er tun? Ich riet ihm, aus deutschsprachigen Emigranten ein kleines Ensemble zu bilden und Theater zu machen. Das hat ihn sehr belebt. Er klemmte sich dahinter und brachte wirklich ein Ensemble zusammen. Einige der Beteiligten hatten schon in Europa mit dem Theater zu tun gehabt: Da waren Bruno von Stroheim, der Bruder des Filmschauspielers Erich von Stroheim, dann Joachim Laatz und ein gewisser Dr. Brecher, ebenfalls professioneller Schauspieler, und natürlich Erna Terrel. Dazu kamen einige theaterbegeisterte Laien, zu denen auch ich gehörte. Wir begannen mit einem Stück von Terramare, einem Mysterienspiel, „Ein Spiel vom Tode". Damals war drüben schon Krieg und Terramare meinte, wir könnten kein Lustspiel bringen, während drüben Menschen starben. Deshalb begannen wir mit einem ganz ernsten Stück, das er viele Jahre zuvor verfasst hatte. Später machten wir dann doch auch heitere Stücke.

Kurz nachdem sich die Truppe zusammengefunden hatte, wurde die „Federación de Austríacos Libres", die Vereinigung der Freien Österreicher, in Bolivien gegründet, und wir wurden ihre Theatergruppe. Der Präsident des Kulturausschusses der Vereinigung kam immer wieder zu Terramare und sagte: „Doktor, wir brauch'n a Geld." Das bedeutete, wir sollten neue Stücke auf die Bühne bringen. Das war natürlich nicht ganz einfach: Wo sollte man in Bolivien ständig deutsche Theaterstücke hernehmen? Aber Terramare hat es immer wieder geschafft: Entweder fand er geeignete Stücke - oder er schrieb selber welche. Eine besondere Spezialität waren unsere „Bunten Abende", mit kurzen Szenen und Musik. Sie hatten großen Erfolg beim Publikum - die Leute waren begeistert. Mit jeder Vorstellung kam Geld herein, das wohltätigen Zwecken zugeführt wurde. Es ging an das britische Rote Kreuz, das russische Rote Kreuz, jüdische Organisationen und nach dem Krieg ausschließlich an unsere Österreich-Hilfe.

Wer waren die Empfänger ihrer Hilfssendungen in Österreich?

Wir hatten Verbindung mit dem Kulturstadtrat der Gemeinde Wien, Victor Matejka war sein Name. Er war Mitglied der Kommunistischen Partei, ein sehr feiner, mitfühlender Mann. Ihm haben wir die Spenden geschickt und er hat sie an besonders bedürftige Familien weitergeleitet.

Daneben haben wir auch den Versand von Care-Paketen an private Haushalte organisiert. Wir haben immer gesagt, wenn jemand ein Care-Paket nach Österreich schickt, übernehmen wir ein zweites an jemand anderen, den er auch nennen kann. Ich weiß heute noch nicht, wie wir zu manchen Namen gekommen sind.

Dann war es im Prinzip möglich, dass die Flüchtlinge in Bolivien Pakete schickten, die bei Nazis landeten?

Nein. Das war nicht möglich. Oft waren es Verwandte der Emigranten, die die Nazizeit überlebt hatten, und bei den Leuten, die wir nicht kannten, haben wir uns schon vergewissert, wer das ist.

Könnten Sie noch ein bisschen mehr über die „Federación de Austríacos Libres" erzählen? Wenn wir richtig informiert sind, waren Sie sogar lange Zeit deren Präsident?

Die Vereinigung war ein Zusammenschluss antifaschistisch gesinnter Österreicher in Bolivien. Unsere Schwerpunkte waren auf der einen Seite Hilfstätigkeit in der gerade geschilderten Weise und auf der anderen Seite eine gewisse politische Tätigkeit. Zum Beispiel gab es in Bolivien während des Krieges eine Fremdenzählung. Wir erreichten bei den Behörden, dass Personen, die die Mitgliedskarte unserer Vereinigung vorwiesen, als Österreicher registriert wurden und nicht als Deutsche, obwohl ein österreichischer Staat zu diesem Zeitpunkt nicht existierte. Das war eine wichtige Sache. Nach dem Krieg war die Konferenz von San Francisco, zu der auch Bolivien eine Delegation entsandte. Da anzunehmen war, dass der Fall Österreich zur Sprache kommen würde, gaben wir ihr eine Art Sprachregelung. Ich bin da lange gesessen - bei Tag und bei Nacht - und habe den Fall Österreich möglichst übersichtlich geschildert. Dann wurde das Ganze ins Spanische übersetzt und der bolivianischen Delegation übergeben, damit sie vorbereitet war, falls diese Sache zur Sprache komme. Wir waren auch immer wieder bei Veranstaltungen, z.B. in alliierten Botschaften, mit Ständen vertreten.

Für Feierlichkeiten zum ehemaligen österreichischen Staatsfeiertag oder anderen Gedenktagen wollten wir gerne eine Hymne haben. Nun konnten wir aber die letzte österreichische Hymne nicht verwenden, weil sie als Deutschlandlied bekannt war. Da hat sich Terramare mit unserem Freund Arthur Hirsch, einem großen Musiker, in Verbindung gesetzt und ihn um einen Vorschlag gebeten. Hirsch schlug uns vor, das Thema aus dem letzten Satz der Eroica von Beethoven zu nehmen. Dazu schrieb Terramare einen Text - so entstand die „Hymne der freien Österreicher".

Was für ein politisches Spektrum war in der Vereinigung vertreten?

Wir hatten ein Prinzip, das sehr streng eingehalten werden musste, und zwar strenge Überparteilichkeit bei voller Meinungsfreiheit des Einzelnen. Es war bei uns jede politische Richtung vertreten von ganz links bis zu Monarchisten. Ausgenommen waren natürlich Nazis, die fanden keine Aufnahme.

Wir hatten ein Programm für das, was wir für Österreich erreichen wollten: Freiheit der Meinung, des Glaubens, der Wissenschaft. Freude der Kunst, des Kindes, des Sports. Frieden der Arbeit, des Heims, des Landes. Wer diese Ziel unterstützte, war bei uns willkommen.

Hatte die Vereinigung der Freien Österreicher auch Kontakt zu deutschen Exilorganisationen?

Keinen offiziellen, aber einen praktischen Kontakt. Es gab in La Paz eine deutschsprachige Zeitung, die „Rundschau vom Illimani". Der Herausgeber war ein deutscher Sozialdemokrat, Ernst Schumacher, der die Zeitung zusammen mit seinem Sohn redigierte. Die Rundschau vom Illimani unterstützte uns gelegentlich, etwa bei der Herausgabe unserer eigenen Schriften wie der Festschrift zum dreijährigen Bestehen unserer Organisation. Wir hatten auch Kontakte zu Exilgruppen aus anderen Ländern, etwa den freien Spaniern.

Nachdem die Nazis in Europa besiegt waren, vor allem nach 1950, gingen viele Emigranten aus Bolivien weg, manche nach Europa, andere in die USA, wieder andere nach Argentinien oder nach Israel. Sie sind schließlich auch weggegangen, aber nicht in die genannten Länder, sondern nach Uruguay. Warum sind Sie aus Bolivien weggegangen und warum nach Uruguay?

Aus Bolivien gingen wir weg, weil es meiner Frau, Erna Terrel, gesundheitlich schlecht ging. Nach dem Tod von Terramare - er war 1948 gestorben - waren wir uns näher gekommen und nach einigen Jahren wussten wir, dass wir uns nicht mehr trennen wollten. Sie litt zunehmend unter der extremen Höhenlage von La Paz. Sie hatte hohen Blutdruck und hatte schon blaue Wangen und rote Hände. Die Ärzte sagten ihr, sie müsse so bald wir möglich weg von der Höhe. 1953 heirateten wir und eine Woche später verließen wir zusammen La Paz. ...

Der Anfang in Uruguay war sehr, sehr schwer. Wir kamen aus Bolivien mit relativ wenig Geld an. Wir hatten in La Paz ein kleines, sehr hübsches Geschäft, Schmuck und Antiquitäten. Jeder normale Mensch, der ein Geschäft verkauft, verkauft es schlüsselfertig und bekommt eine Ablöse. Bei uns ging das nicht, weil die Vermieterin sagte, das Lokal brauchte sie nach unserem Wegzug für sich selbst. Das hieß, wir mussten die Ware verkaufen, größtenteils verschleudern. Als wir endlich das Geld hatten, um Dollars zu kaufen, da stand der Dollar, der jahrelang auf 200 Pesos gestanden hatte, auf 615 Pesos."

[Quelle: ila : Zeitschrift der Informationsstelle Lateinamerika. -- Bonn. -- ISSN 0946-5057. -- Nr. 240 (2000-11). -- S. 44-47]

1939


Abb.: Moritz Hochschild, um 1962

[Bildquelle: Waszkis, Helmut: Dr. Moritz (Don Mauricio) Hochschild 1881 - 1965 : the man and his companies. A german Jewish mining enterpreneur in South America. -- Frankfurt a. M. : Vervuert [u.a.], ©2001. -- (Berliner Lateinamerika-Forschungen ; Bd. 14). -- Zugl.: Berlin, Freie Univ., Diss. 2000. -- ISB 3-89354-164-0. -- S. VII. -- Dort Quellenangabe]

Da Bolivien für Landkolonisatoren (Bauern) eher Visa erteilt als für andere Berufe, gründet der "Zinnbaron" Moritz Hochschild (1881, Biblis - 1965, Chile), um Juden aus Europa zu retten, die Sociedad Colonizadora de Bolivia (SOCOBO) in Charubamba bei Coroibo. Schon aus dem Grund, dass die geflüchteten Juden Städter waren und von Landwirtschaft keine Ahnung hatten, musste das Projekt scheitern.


Abb.: Karikatur aus: Sanden, Walter: Tante Berta wandert aus. -- [La Paz, 1940er Jahre]. -- Mimeographie.

"Tante Berta, recht rüstig und gesund
denn sie lebte drüben ganz untergrund,
bekam von ihrem Neffen aus Südamerika
ein Visum als Agriculturia.
Doch ging ihr
das garnicht in den Kopf,
denn sie pflanzte nur Schnittlauch im Blumentopf
oder mal ein Radieschen in schwerer Zeit
oder auch einen Kaktus -- doch das geht zu weit!
so packte sie Zahnbürste, Wäscheklammer,
Schlupfhose, Kamm und einen Püjammer
in ihren -- was man so Koffer nannte --
und nun gute Reise, o teure Tante."

[Quelle der Abb.: Spitzer, Leo <1939 - >: Hotel Bolivia : the culture of memory in a refuge from nazism. --New York : Hill and Wang, ©1998. -- ISBN 0374526125. -- {Wenn Sie HIER klicken, können Sie dieses Buch  bei amazon.de bestellen}]

Einer der ehemaligen Verwalter Hochschilds -- George Littmann -- schreibt 1994:

"»...about March 1941 I was offered the job as Business Administrator (and later General Administrator) of the settlement then existing in North Yungas (Dept. of La Paz)... While not involved in the financial aspects, I learned that the undertaking was supported by The American Jewish Joint Distribution Committee in New York, and, to a much smaller extent, by Dr. M.H. [Moritz Hochschild] and/or his firm in Bolivia. Rumors had it that the underlying reason was the fact that quite a number of immigrants had come to Bolivia on so-called agricultural visas (sold by the Bolivian consuls abroad) and that the government in La Paz was unhappy about so many immigrants gathering and staying in La Paz. I do not know who took the initiative but to relieve the pressure the idea was bom to settle about 40-50 families in an agricultural area selected by an agronomist from Argentina (Bonoli) who for about one year acted as General Administrator of the settlement until it became clear that he had made a rather unfortunate selection of territory. It was a mountainous region where neither animals nor mechanical tools could be applied, and, therefore, quite inappropriate for displaced, middle-aged, former urban dwellers from Central Europe.«

Littmann remembers that »Jewish philanthropists in New York approached... Hochschild« and that Don Mauricio... »put [up] more than a million dollars of his money to realize the project. More than 1000 [hectares] of land were bought...about 100 km from La Paz. The climate was suitable for bananas, mangos, pineapples, coffee, cocoa, etc. Comfortable houses were built for 30-40 families, a building for the administration and the roads for access.«

About the failure, Littmann adds: »Also marketing conditions for the fruit were not favorable, La Paz being at a distance of 100 km over a mountain road. ... As the labor market grew better during the World War, settlers found better jobs and started leaving....«"

[Zitiert in: Waszkis, Helmut: Dr. Moritz (Don Mauricio) Hochschild 1881 - 1965 : the man and his companies. A german Jewish mining enterpreneur in South America. -- Frankfurt a. M. : Vervuert [u.a.], ©2001. -- (Berliner Lateinamerika-Forschungen ; Bd. 14). -- Zugl.: Berlin, Freie Univ., Diss. 2000. -- ISB 3-89354-164-0. -- S. 36. -- Dort Quellenangabe]

Hochschild rettet ca. 2000 Juden das Leben, indem er ihnen zu Visas für Bolivien verhilft.

Hochschild gründet -- wohl aus rein kommerziellen Gründen -- auch zusammen mit dem "Zinnbaron" Carlos Victor Aramayo (1889 - 1982) in der Nähe von Santa Cruz de la Sierra eine Rinderfarm, ein Unternehmen, das ebenfalls scheiterte. In den 1980er-Jahren schreibt ein ehemaliger Mitarbeiter dies dem Wunsch Hochschilds zu, Bolivien zu entwickeln:

"Hochschild argued that»... a country like Bolivia would have to produce enough food to become self-sustaining, ...that most of Bolivia's foodstuffs were imported, [and]...that cattle was clandestinely driven to Argentina from where it was re-imported. ...[T]o prove his point [Hochschild] decided to organize a modem agricultural company.... He joined forces with Carlos Victor Aramayo... and created the Cia. del Oriente S.A. with large land and cattle holdings in the Santa Cruz and Beni districts.... Prominent agronomists were hired and large amounts of money were disbursed. Cattle were imported to improve the local breed. A lot of technical and administrative attention was given to the development of the company. Despite all these efforts it failed. The failure was mostly due to the lack of support by the Government authorities and the lack of understanding of the local people who antagonized these efforts."

[Zitiert in: Waszkis, a.a.O. S. 37f.]

Vielleicht wollten die Einheimischen auch nur nicht, dass die Zinnbarone ihr Unwesen auch in der Landwirtschaft treiben.

1939

"Mehr als doppelt so groß wie das Großdeutsche Reich bei nur 3 Millionen Einwohnern, leidet Bolivien trotz seines Erzreichtums an Kapitalarmut, das weite Gebiet aufzuschließen und vor allem auch die tropischen Landesteile genügend zu fördern, die dem Welthandel nicht nur Gummi liefern könnten, nach den Erzen das zweite Ausfuhrgut Boliviens. Der bolivianische Handel klagt auch über die hohen Frachten, die er zu tragen hat. Herr Franz Diehl, der vom argentinischen La Quiaca aus Ein- und Ausfuhrgeschäfte mit Bolivien unterhält, hat 1753 Kilometer Bahnstrecke von Buenos Aires bis La Quiaca zu überwinden und hatte dann noch einmal, vor Vollendung der Anschlussstrecke, einen kostspieligen Landtransport nach der nächsten bolivianischen Bahnstation Atecha. Von Tacna und Arica, den peruanisch-chilenischen Salpeterhäfen, sind es 430 Kilometer, von Antofagasta in Chile, über das auch ein großer Teil des Handels geht, sind es 1162 Kilometer bis zur bolivianischen Hauptstadt La Paz. Die Bahnen haben dabei gewaltige Höhen zu überwinden. ... Dabei hat Bolivien auf seinem das Doppelte der Fläche Großdeutschlands umfassenden Gebiet rund 2500 Kilometer Bahnstrecken, Deutschland über 66000. Noch immer spielen Reit- und Tragtiere im Lande eine besondere Rolle.

Von unserer gesamten deutsche Ein- wie Ausfuhr hatte das Boliviengeschäft noch keine zwei Tausendstel. Anders ist das Bild, von Bolivien gesehen. Der Großhandel war bis zum Kriege wesentlich in deutschen Händen. Bei unserer heutigen Kapitalarmut haben jetzt die Vereinigten Staaten von Nordamerika den ersten Platz in der bolivianischen Wirtschaft. Wir kommen aber hinter England an dritter Stelle und haben auch in schlechten Jahren ein Zehntel, meist mehr, seiner Einfuhr ihm geliefert, von seiner Ausfuhr ihm allerdings meist nur ein Hundertstel abnehmen können. Drei deutsche Schulen bestehen im Lande: in der Hauptstadt La Paz, in Oruro und in Cochabamba; das Heer ist von deutschen Offizieren geschult worden (General Braun, Mariscal de Montenegro, Sieger über argentinische Truppen, in der alten, General Kundt in der neueren Zeit):"

[Bohner, Theodor: Der deutsche Kaufmann über See : hundert Jahre deutscher Handel in der Welt. -- Berlin : Deutscher Verlag, ©1939. -- S. 312 - 314]

1939-01

In La Paz erscheint die erste Nummer der Kulturzeitschrift Kollasuyo. Es erscheinen insgesamt 88 Nummern von 1939 bis 1953 und 1970 bis 1975..


Abb.: Titelblatt

1939-02-02

Gründung von Radio Fides, einem Radiosender Sender der Jesuiten, der aber ganz professionell betrieben wird. Radio Fides besitzt im Jahr 2001 zwanzig Sender, die via Satellit verbunden sind und fast ganz Bolivien abdecken. -- Webpräsenz: http://www.radiofides.com/. -- Zugriff am 2001-10-12 .

1939-03-26


Abb.: ™Logo

Gründung des Club Andino Boliviano (CAB) [Webpräsenz: http://www.geocities.com/Yosemite/Trails/7553/cab.html. -- Zugriff am 2002-20-09].. Im folgenden Jahr baut der Club die Straße nach Chacaltaya in 5260 m ü. M., wo er die höchste bewirtete Skihütte der Welt errichtet.


Abb.: Straße nach Chacaltaya (Foto: Payer 2001-11)

1939-04-24

Präsident Germán Busch Becerra (1904, San Javier - 1939, La Paz, Freitod?) erklärt sich zum Diktator:

MANIFIESTO A LA NACIÓN AL ASUMIR LA DICTADURA

"En esta hora que marca el punto más agudo de la crisis política, económica, moral y social de la República, me dirijo a todos mis conciudadanos poniendo en mis palabras la austeridad que cuadra a un soldado de la patria y la vehemencia cívica de quien todo lo dio por ella en trances de tribulación y sacrificio.

Un hondo fervor patriótico me llevó a consagrar mi juventud y mi destino al servicio de las armas de la República. Apenas iniciados los primeros pasos en las filas del Ejército, quiso la suerte que acudiera allí donde se disputaba la integridad territorial.

...

Conciudadanos:

He medido la magnitud de la obra que realizo y asumo decididamente la responsibilidad de mis actos, con la profunda convicción de que sirvo honradamente, lealmente a Bolivia.

Al ceñir la espada del soldado, juré defender la patria y la defendí; al recibir la insignia presidencial prometí consagrarme a su bienestar y es mi voluntad firme, inquebrantable, no defraudar la fe que han puesto en mí la ciudadanía y el ejército.

En esta hora solemne para mí y llena de expectativas para la República, llamo a todos los hombres patriotas de Bolivia para que me colaboren en la inmensa labor que me he impuesto. Mi gobierno no es sectario ni es personalista y es por ello que con vehemencia, con vivo fervor cívico, lo abro plenamente, ampliamente, para todos aquellos que como yo piensan que ha llegado el instante de la enérgica movilización moral del país par impulsar su desarrollo y para plasmar de una vez por todas su destino.

Vuelvo a decir que asumo la totalidad del poder y si lo repito es porque jamás rehuí responsabilidad alguna. Recogí las que me tocaron en el pasado y desde hoy, recojo yo las del futuro.

Germán Busch 

La Paz, 24 de abril de 1939"

[Der volle Text ist abgedruckt in: Durán S.: Juan Carlos: Germán Busch y los orígenes de la Revolución Nacional : fragmentos para una biografía. -- La Paz, 1997. -- S. 58 - 62]

1939-05

Es wird bekannt, dass der bolovianische Generalkonsul in Paris sich ein enormes Vermögen angehäuft hat, dass er in großem Maße Visas vor allem an Juden zum Preis von 10000 bis 20000 Francs verkaufte. Diese Enthüllung verändert die bisher sehr großzügige Visavergabe Boliviens an schutzsuchende Juden zu deren Nachteil. 

Im Mai 1939 reisten 3000 jüdische Flüchtlinge mit solchen Visa ein, für die sie je US$ 1500 hatten zahlen müssen. Daraufhin wurden alle noch ausstehenden Visa für ungültig erklärt. Transitflüchtlinge saßen nun mit wertlosen Visa fest. Nach einer Intervention der jüdischen Einwandererhilfsorganisation HICEM wurde ein Abkommen getroffen, nach dem die HICEM eine Unterhaltsgarantie gab und dafür die Visa wieder für gültig erklärt wurden. Die Zahl solcher Visa wurde auf 400 pro Monat begrenzt.


 1939-08-24 bis 1940-04-15

General Carlos Quintanilla Quiroga (1888, Cochabamba - 1964, Cochabamba) ist vom Militär ernannt de facto Präsident


Abb.: Carlos Quintanilla Quiroga


1939-09

Nachdem im November 1936 gegen den Franziskanerpater und Guarayosmissionar P. Anselm Schermair Elsner OFM (1902, Bruckmühl, Österreich - 1973, Salzburg) ein Prozess wegen eines (angeblichen) zweifachen Mordes begonnen wurde, wurden 1937 alle franziskanischen Guarayosmissionare nach Santa Cruz deportiert und im Mai 1937 die Militärverwaltung über Guarayos eingerichtet. Als Folge dieser Vorkommnisse und entsprechender antimissionarischer Kampagnen wird nun im September 1939 die gesamte Guarayosmission säkularisiert. Während die Missionare bisher noch Rechte hatten ähnlich wie in den alten Reduktionen, sind die Missionare jetzt nur noch Pfarrer, während die Verwaltung von weltlichen Behörden durchgeführt wird.

1939-12-10

Eröffnung des deutschen Friedhofs in Santa Cruz de la Sierra

um  1940

In Beni werden aus Brasilien Brahman-Stiere zur Kreuzung mit Criollo-Kühen eingeführt. Brahman sind eine Einkreuzung von indischen Zeburindern (Buckelrindern) (Bos indicus), die sehr tropentauglich sind.


Abb.: Moderne Brahman-Yacumeño


Abb.: Moderner Brahman-Yacumeño


Abb.: Moderner Criollo-Yacumeño


Abb.: Moderner Criollo-Yacumeño

Alle Abb.: Estancias Espiritu, Beni. --  Webpräsenz: http://www.estancias-espiritu.com. -- Zugriff am 2001-11-30 

um 1940

Aberglauben und Intoleranz in Beni.

"Eins der vertrauten Geräusche in den Ortschaften von El Beni ist das Läuten der Kirchenglocke. Gewöhnlich klettert ein Junge mit einem Hammer in den Glockenturm hinauf und hämmert einfach drauflos. In jedem Ort wird die Glocke nach einem bestimmten Plan geläutet, an den die Menschen sich gewöhnen. Viele sind sich der Regelmäßigkeit gar nicht bewusst, aber wenn es zu einer ungewohnten Zeit läutet, horchen alle auf und wissen, dass etwas Besonderes geschehen ist.

Während Wally [Wally Herrón (1910 - 1964), australischer evangelikaler Missionar] noch in Cochabamba war, begannen eines Tages die Glocken in San Ramón aus irgendeinem unbekannten Anlass zu läuten — zu schnell für einen Todesfall und zu langsam für eine Hochzeit. Sie läuteten den ganzen Nachmittag. Offenbar handelte es sich um einen Alarm, und die Menschen sammelten sich an der Kirche, um zu erfahren, was los sei. Als Wally nach San Ramón zurückkam, merkte er, dass die Leute ihn mieden und ihm ängstliche Blicke nachsandten. Bald kam die Geschichte zutage. Offenbar war während Wallys Abwesenheit eine Indianerin, die ganz in der Nähe des Ortes wohnte, zum Bürgermeister hereingestürzt, hatte ihm einen silbernen Faden hingehalten und ihn aufgefordert, diesen auf den Altar zu legen. Ehrliche Angst stand in ihrem Gesicht, als sie sagte: „Die Leute sollen beten, Señor. Nächste Woche wird das Dorf von einem schrecklichen Sturm zerstört werden. Alle müssen Buße tun. Die Händler sollen ihre Preise herabsetzen. Wenn wir gerettet werden wollen, müssen wir uns Mittwochabend alle an der Südseite des Dorfes versammeln." „Woher hast du das?" fragte der Bürgermeister skeptisch. „Ungefähr vor einer Stunde wollte ich Wasser aus meinem Brunnen schöpfen. Bevor ich den Eimer herunterlassen konnte, tauchte ein Mann direkt aus dem Brunnen auf. Er hatte blondes Haar und einen langen Bart. Es war Christus! Er hat es mir gesagt, und er gab mir auch den Faden."

Als der Bürgermeister das hörte, regte sich sein eigener Aberglaube. Er ging zur Kirche hinüber, legte den Faden auf den Altar und schickte einen Jungen auf den Turm, die Glocken zu läuten. Die Nachricht versetzte das ganze Dorf in Aufruhr, und über Nacht wurde der Brunnen zum Schrein. Die Kirche war voller betender Frauen, und die Leute drängten sich um den Brunnen, um sich mit seinem Wasser zu benetzen, damit sie von ihren Krankheiten geheilt würden. Manche nahmen sogar Wasser zum Trinken mit nach Hause, weil sie glaubten, dadurch von dem kommenden Unheil verschont zu werden. Wer nur konnte, floh aus dem Ort. Dann wurde erzählt, dass Wally Herrón in Cochabamba an den Pocken gestorben sei, und irgend jemand setzte das Gerücht in Umlauf, man habe ihn beobachtet, wie er sich nachts aus dem Hause schlich und die Kirche abmaß. Sicher war er es gewesen, der das Dorf verflucht hatte, und jetzt kam sein Geist aus dem Brunnen, um sie heimzusuchen.

Am festgesetzten Tag blieb der große Sturm aus. Aber zwei Tage später brach ein furchtbares Tropengewitter mit voller Gewalt über den Ort herein. Am Brunnen drängten sich die Menschen im strömenden Regen und bekannten weinend ihre Sünden. Aber als die Sonne eine Stunde darauf durchkam, war San Ramón völlig unversehrt.

Und dann kam Wally, den man für tot gehalten hatte, gesund und munter zurück. Der Schwindel wurde aufgedeckt und die Frau der Lüge überführt. Ein alter Mann habe sie angestiftet, bekannte sie. Man peitschte sie öffentlich aus und steckte den Alten ins Gefängnis. Der ganze Vorfall wirkte sich zum Besten des Evangeliums aus, denn viele merkten jetzt, wie unhaltbar ihre abergläubischen Vorstellungen waren."

[Wagner, C. Peter ; McCullough, Joseph S.: Missionspilot im Urwald der Anden. -- Wuppertal : Aussaat, ©1967. -- Originaltitel: The condor of the jungle (1966). -- S. 43 - 45]

Zwischen 1940 und 1960

"Ein etwa vierzehnjähriger Junge drückte sich an dem Haus vorbei, in dem Wally [Wally Herrón (1910 - 1964), australischer evangelikaler Missionar] und Emily ihre Gottesdienste hielten. In den Händen trug er die Eingeweide einer Kuh, die am Morgen geschlachtet worden war. Vor der offenen Tür des Versammlungsraumes hielt er inne und spritzte den frischen Kuhdung in den sauberen Raum, so dass Wände und Bänke über und über beschmutzt waren. Als Wally erschein, war der Junge verschwunden, aber ein Nachbar berichtete, wer der Übeltäter gewesen war. Wally stürmte in die Wohnung des Burschen und verlangte von seiner Mutter, dass sie ihn sofort zurückschickte, um den Schaden gutzumachen. Den Rest des Tages verbrachte der Junge damit, die Schmutzerei, die er angerichtet hatte, zu beseitigen. Seine Demütigung hatte er weg!

Diese Art von Verfolgung war am Anfang nicht ungewöhnlich. Aber als das Evangelium auf guten Boden fiel und Menschen verwandelte, wurde sie seltener. Blutdürstige Verfolgungen, wie andere Länder, zum Beispiel Kolumbien, sie so häufig erlebten, gab es in Bolivien selten. Das Klima war relativ liberal, und die Verfolgung (mit notorischen Ausnahmen) meist mehr lästig als gefährlich. Die bolivianische Verfassung hatte seit Jahrzehnten Religionsfreiheit garantiert, die freilich in bestimmten örtlichen Situationen missachtet wurde. Häufig rotteten sich während der protestantischen Gottesdienste Gruppen von Menschen auf der Straße zusammen und schlugen Lärm, um den Gottesdienst zu stören. Von Zeit zu Zeit schleuderte jemand Schmutz oder Wasser durch ein offenes Fenster. Die Kinder von Gläubigen wurden in den öffentlichen Schulen benachteiligt und Versammlungen unter freiem Himmel oft durch Steinwürfe gestört. Wally und Emily beschlossen, für die wachsende Gemeinde eine eigene Schule zu gründen, um den evangelischen Schulkindern zu helfen. Der ständige Zank und Streit und die anhaltende religiöse Diskriminierung in der öffentlichen Schule waren nicht gut für sie. 1948 konnte die kleine Schule in einem gemieteten Raum eröffnet werden. Später bauten sie aus getrockneten Lehmziegeln ein eigenes Gebäude."

[Wagner, C. Peter ; McCullough, Joseph S.: Missionspilot im Urwald der Anden. -- Wuppertal : Aussaat, ©1967. -- Originaltitel: The condor of the jungle (1966). -- S. 83f.]

1940

Obwohl in Bolivien 2,5 Millionen Indios leben, gibt es für sie nur 118 Schulen mit insgesamt 8328 Schülern

1940


Abb.: Straße in La Paz. -- Um 1940

[Bildquelle: Enciclopedia de Bolivia / Carlos Gispert ... -- Barcelona : Oceano, ©2000. -- ISBN 84-494-1428-8. -- S. 486]

1940


Abb.: Schmuck einer Chola, 1940

[Bildquelle: Paredes Candia, Antonio: La chola boliviana. -- La Paz : ISLA, 1992. -- Depósito legal 4-1-59-90. -- S. 218]

1940

Costa du Rels, Adolfo <1891, Sucre- 1980, La Paz>: Tierras hechizadas : novela. -- [Buenos Aires] : Club del libro A.L.A., [1940]. -- 221 S. -- [Roman]

"Costa du Rels, Adolfo
* 19.6.1891 in Sucre als Sohn eines frz. Ingenieurs, †1980 (oder 1979?). Zur Schule ging er auf Korsika, begann danach in Paris ein Jurastudium, kehrte mit 18 Jahren -- er hatte seine Eltern verloren -- nach Bolivien zurück, wo er sich u. a. als Bergarbeiter, Chinchillajäger und Bankangestellter durchschlug, bis er 1919 in den diplomatischen Dienst Boliviens aufgenommen wurde. 1928 Finanz-, 1948 Außenminister, 1936 - 46 Präsident des Völkerbundes. Er wurde mit verschiedenen Preisen, 1976 mit dem bolivianisch Premio Nacional de Literatura ausgezeichnet. Costa. du Rels ist Autor von Romanen, Erzählungen, Essays und Theacerstücken, die er zum kleineren Teil in spanisch, zum größeren in französich und manchmal in beiden Sprachen abgefasst hat. In Paris erzielte er Erfolge mit seinen Theaterstücken, in denen er aktuelle, umstrittene Themen gestaltete. Zu Serien bekanntesten Werken gehört die Erzählung La Miscki-Simi aus den Band El embrujo del oro (1943, zuerst frz. u.d.T. La hantise de l'or, 1930), deren Stoff, das menschliche und soziale Drama einer jungen Mestizin und ihres großbürgerlichen Geliebten, von C. Medinaceli zu dem Roman La Chaskañawi (1947) verarbeitet wurde. Die farbige, spannende Darstellungsweise der Erzählungen findet sich auch in dem Roman Tierras hechizadas (1940, zuerst frz. u.d.T. Terres embraseés, 1931). Im Mittelpunkt des tropischen Melodramas um einen Vater-Sohn-Konflikt steht als Prototyp der ländlichen Oligarchie die Gestalt des Pedro Vidal, der grausam und tückisch seine Herrschaft ausübt. Ihn tötet der Schrecken, als sein Sohn, den er in einen Abgrund geschleudert und für tot gehalten hatte, plötzlich wieder auftaucht. Der Chaco-Krieg ist Hintergrund des Romans La laguna H 3 (1967, frz. u.d.T. Lagune H.3., 1938). Geschildert wird die leidvolle Erfahrung einer Gruppe bolivianisch Soldaten, die auf der Suche nach einem nicht-existenten Teich fast verdursten.

Weitere Werke: Romane: Coronel (1932), Los Andes no creen en Dios (1973); Theater: Les forces du silence (1944), Les étendards du Roi (1957); Essay: La mission spirituelle de la France (1941); Memoiren: Les croisés de la haute mer (1953); (span.): Erzählungen: El traje de Arlequín (1921, zus. mit A. Ostria Gutierrez); Theater: Hacia el atardecer (1919); Essays: El drama del escritor bilingüe (1942), Felix Avelino Aramayo y su época, 1846-1929 (1942). Ausgabe: Poemas. Hg. E. Mitre. La Paz 1988."

[Autorenlexikon Lateinamerika / hrsgg. von Dieter Reichardt. -- Frankfurt

: Suhrkamp, ©1992. -- ISBN 3518404857. -- S. 139f.. -- {Wenn Sie HIER klicken, können Sie dieses Buch  bei amazon.de bestellen}]

1940

Die 1912 gegründete Alkohol- und Mineralwasserfabrik Industrias Venado S.A. beginnt unter dem Namen Kris Nahrungsmittel (Fertigsuppen, Senf usw.) der Marken Fleischmann, Knorr und Royal zu produzieren.

1940

Das jüdische American Joint Distribution Committee richtet in La Paz einen Darlehensfond für jüdische Flüchtlinge ein:

"Sehr viel weitreichender war der Darlehensfonds, der zugunsten der Flüchtlinge durch die Vermittlung des American Joint Distribution Committee in La Paz eingerichtet wurde. Als der Beauftragte des Komitees, Leon Aronovici, 1940 in La Paz eintraf, fand er einen bereits funktionierenden »Hilfsverein« vor, ein Hilfswerk für jüdische Flüchtlinge aus Deutschland, das von Amtsträgern der Hochschild-Zinnbergbaugesellschaft in Zusammenarbeit mit anderen wohlhabenden deutschen Juden der Stadt gegründet, finanziert und personell ausgestattet worden war. Der Hilfsverein war den osteuropäischen Juden gegenüber zurückhaltend, da er diese als sozial tieferstehend betrachtete, obwohl sie zu den Hilfsbemühungen hätten beitragen können. Die Osteuropäer ihrerseits hatten es nicht eilig, den neuen, aus Deutschland kommenden Immigranten zu Hilfe zu eilen, und konnten sich auch nicht vorstellen, mit der Hochschild-Gruppe zusammenzuarbeiten, die sie für Emporkömmlinge hielten. Sollte ein Darlehensverein gegründet und den Einwanderern geholfen werden, auf eigenen Beinen zu stehen, so mussten, wie Aronovici erkannte, zunächst einmal die beiden Gegner zusammenkommen. Daß ihm dies gelang, hielt er für das wichtigste Ergebnis seiner Mission. Der Darlehensfonds wurde gegründet, im Vorstand waren sowohl Deutsche als auch »Ostler« vertreten. Der Fonds gewährte Kredite zum Jahreszins von 12 Prozent. Dieser Zinssatz mochte hoch erscheinen, wie Aronovici einräumte, doch der übliche Satz in Bolivien für Kleinkredite betrug 4 Prozent im Monat, d. h. etwa 50 Prozent im Jahr.
Nach der Gründung des Fonds richtete Aronovici den Blick in die Zukunft, um die Möglichkeiten einer dauerhaften Ansiedlung von Juden in Bolivien einzuschätzen; diese sah er in der Herstellung von Bedarfsgütern aus heimischen Rohstoffen.

»Bolivien lebt von den Bergwerken, d.h. vom Zinnexport. Die Säcke dafür werden eingeführt. [...] Es gibt keinen guten Essig, keine ordentliche Tinte, keine Fischbeinknöpfe, keine Pappe, kein Papier usw. Die Herstellung dieser Produkte, die relativ wenig Kapitaleinsatz erfordert, dafür aber Fachkenntnisse, könnte vielen Menschen den Lebensunterhalt sichern. Bolivien importiert aus den Vereinigten Staaten alle Arten von Obst und Gemüse in Dosen, während in bestimmten Distrikten, die industriell nicht genutzt werden, das herrlichste Obst gedeiht.«

Diese Bemerkung ist typisch für diejenigen, die an der Gründung von Darlehensvereinen beteiligt waren. Ihr Ziel ging ausnahmslos über wohltätige Zwecke, ja sogar über vorübergehende Hilfe hinaus. Vielmehr wollten sie Einzelpersonen in die Lage versetzen, sich selbst zu versorgen und in ihrer neuen Heimat eine wirtschaftliche Existenz zu gründen."

Elkin, Judith Laikin <1928 - >: 150 Jahre Einsamkeit : die Geschichte der Juden in Lateinamerika. -- Hamburg : EVA, 1996. -- ISBN 34345009336. -- Originaltitel: The jewish presence in Latin America (©1980). -- S. 187. -- {Wenn Sie HIER klicken, können Sie dieses Buch  bei amazon.de bestellen}]

1940

Leutenegger, Ernst: Menschen im Urwald : ein Schweizer erlebt Bolivien. -- Zürich : Metz, ©1940. -- 314 S. : Ill.

"CACHUELA ESPERANZA

Hier war der Flussschifffahrt eine natürliche Grenze gesetzt durch die oberste Reihe der Wasserfälle, die flussabwärts in unregelmäßigen Abständen bis San Antonio vorkommen, dem Fieberloch am Rio Madeira, das wir auf großem Umwege hatten umgehen müssen, um nicht schon auf der Reise der Krankheit zu erliegen.

In weitem Bogen wurde der Hafen angefahren, ein Hafen ohne Landungssteg und ohne die geringste bauliche Anlage, bloß eine Schlammbank, die mit Schilf gras bedeckt ist. Wer hier wohnen wollte, musste ein Stück des Urwaldes werden, sich an ihn gewöhnen und mitmachen oder abklappen.
Auch Zeugen verfeinerter Kultur waren bis hier herauf vorgedrungen, nämlich ein behauener Grabstein. Eine abgebrochene Säule stand unten auf einsamem Hügel am Flussufer. Das Grabdenkmal gehörte der Doña Constanza Roca, die unserm Prinzipal einen Sohn und Erben geschenkt hatte. Diese Säule war seinerzeit in drei Teilen von Europa nach San Antonio gebracht, da in Ruderboote gehoben und in etlichen Wochen flussaufwärts geschafft worden. Auf Wildnispfaden hatten die Stromschnellen und Wasserfälle umgangen werden müssen. Ein Aufseher war für den ganzen Transport verantwortlich.

«So! Nun will ich wissen, wer eines dieser drei Stücke zerschlagen hat», redete der Aufseher seine Indianer an. «Das ganze Denkmal ist kaputt und ich bin für den Schaden verantwortlich. Wenn sich bis morgen früh der Schuldige nicht meldet, bekommt jeder von euch fünfzig Streiche aufgezählt; dann wird der Sünder sicher getroffen.»

Als der Aufseher dem Chef den Schaden meldete und um die Erlaubnis einer umfassenden Bestrafung bat, hielt dieser dem aufgeregten Mann die Zeichnung des Grabmals vor die Nase, das eine abgebrochene Säule darstellte. Dieser begriff allerdings den Sinn der abgebrochenen Säule nicht, und die am Ufer wartenden Ruderer begriffen nicht, warum sie die versprochene Prügelstrafe nicht bekamen.

Die langen Palmenhütten in Cachuela Esperanza waren durch die Zwischenräume in kleine quadratische Räume abgeteilt, die den schönen Namen Zimmer führten. Jedes dieser sogenannten Zimmer hatte zwei Türen, eine nach vorne und eine nach hinten, so dass sich das Zimmer in einen Durchgang verwandelte, wenn die beiden Türen offenstanden, was meistens der Fall war. Fenster gab es keine. Die Hütten waren aus Holzstäben hergestellt. Diese ließen soviel Raum offen, dass durch diese Lücken nicht nur das Tageslicht, sondern auch Eidechsen, Kröten und Schlangen ungehindert eintreten konnten. Niemand verschloss die Ture. Es gab keine Schlösser und zweitens keine Diebe, und drittens war bei uns nichts zu holen. Geheimnisse waren sowieso Gemeingut. Eine Bretterbaracke, wie man sie in Europa auf Bauplätzen sieht, galt in Cachuela Esperanza als Luxusbau. Nur das Haus unseres Chefs hatte Fensterlöcher, aber ohne Glasscheiben, blaubemalte Türen mit Klinken und Schlüsseln, was ein unverantwortlicher Luxus war. Das Haus des Chefs hatte auch einen Bretterboden, während in den Hütten der Angestellten der Fußboden aus festgestampfter Erde bestand. Zwischen den Behausungen der Angestellten und denen der eingeborenen Indianer gab es keinen Unterschied, jene lebten und wohnten genau gleich wie diese, nur aßen die Angestellten nicht so gut wie die Indianer, denn sie hatten weder Platz, um Hühner zu halten, noch Zeit zum Jagen.

Der festgestampfte Erdboden in den Räumen der Angestellten hatte den Vorteil, dass man auf den Boden spucken durfte, also keinen Spucknapf brauchte wie in einem vornehmen Hotel von Para. Auch erlaubte diese Art Zimmerboden, dass sich Kröten bequem in Ecken und Nischen heimisch machen konnten.

Kröten in den Zimmerecken war ein unbedingter Vorzug, der auch jenen zusagte. Denn sie mussten nicht in der heißen Tropensonne auf ihre Nahrung lauern und dabei riskieren, von einer Schlange weggeschnappt zu werden. In den Zimmern gab es genügend Käfer, Spinnen, Würmer und anderes Ungeziefer, an denen sich die Kröten satt fressen konnten. So stand ich mit meiner Zimmerkröte auf sehr freundschaftlichem Fuß. Sie war eine Riesenkröte, quakte selten und war so zahm, dass sie sich wägen ließ. Sie wog 480 Gramm.

Zum Empfang des Magaziners, eines Deutschen namens Hans Hauschild, der schon den zweiten Vertrag auf dem Buckel hatte, gab es einen prächtig dekorierten Tisch mit Konservenspeisen und Flaschenwein auf einem richtigen weißen Tischtuch. Doch konnte ich diese Genüsse nicht mitmachen. Denn man musste mich aufs Feldbett legen: Alles schien sich um mich zu drehen und mir wurde grau vor den Augen. — Malaria.

Nach einiger Zeit erschien in der Türöffnung ein langer, hagerer Mensch mit buschigem grauem Schnurrbart und mächtigen Augenbrauen. In gebrochenem Französisch stellte er sich vor als Señor Don Gregorio del Castillo, Apotheker und Arzt-Stellvertreter von Cachuela Esperanza. Er könne auch photographieren, habe aber Schwierigkeiten, Entwickler zu bekommen. Vor sechs Monaten habe er solchen von der Gerencia (Direktion) verlangt und gebeten, man möchte sie ihm doch aus Europa kommen lassen, aber alles sei verlorene Liebesmüh.

Don Gregorio war ein stolzer Portugiese, der seinem hochtönenden Namen Ehre zu machen suchte. Er ging immer aufrecht und majestätisch einher, nie rasch, sondern immer gemessen, sprach sehr langsam und deutlich, aber beharrlich durch die Nase, wie ein weltverachtender Aristokrat, dem das Leben nichts mehr vormachen kann. Seine Gesichtsfarbe war gelbgrün, die nicht unedlen Züge hoheitsvoll und wie aus Wachs gegossen. Er war immer todernst und eiskalt. Wenn man ihn zu einem Lächeln verleiten konnte, so verzog er das Gesicht, wie wenn er rheumatische Schmerzen oder Ischias auszustehen hätte.

Während seiner Einführungsrede über die Schwierigkeiten, Entwickler aus Europa zu bekommen, hielt er nachlässig meinen Puls und blickte auf die Taschenuhr.

«Sie ... si... si..., vous avez de la fiévre, un peu, tres fort, tres fort, un peu seulement, tres fort, il faut prendre de la Quinine, beaucoup de Quinine, je veux vous donner de la Quinine.»


Ich bekam Chinin, viel Chinin, zuerst, bis mir die Ohren sausten und dann — bis ich überhaupt nichts mehr sah und hörte.

In Schweiß gebadet und immer noch angekleidet lag ich erschöpft auf meinein Feldbett, als zwei Mozos (Diener) meine Koffern brachten und an die Wand stellten. Der eine der beiden Indianer schob Holzpflöcke unter die Koffern, um sie vor den Ameisen zu schützen.

Irgendwo lachte man aus vollen Hälsen, und es ertönten deutsche und schweizerische Vaterlandslieder. «Die Wacht am Rhein» erscholl im Urwald. Hie und da erschien jemand in der hell erleuchteten Türöffnung, zwar schwankend, aber doch immerhin teilnahmsvoll sich nach meinem Zustand erkundigend. Irgend jemand stellte einen kleinen Tisch neben mein Feldbett und legte ein Paket Kerzen darauf. Nach einer Stunde tauchte wieder die lange, steife Silhouette des Don Gregorio del Castillo auf und legte seine kühlen Knochenfinger auf meinen Puls.

Ich fragte, ob er keinen Fiebermesser habe.

«O non, il est cassé, finis, on va demander un autre en Europe, mais .... vous savez.... Ich habe ja auch schon vor sechs Monaten Entwickler verlangt, aber...», und er näselte die ganze Entwicklergeschichte wieder von Anfang bis zum Ende und versuchte umsonst beim Mondschein, der durch die offene Türe leuchtete, meinen Puls mit der Uhr zu vergleichen. Endlich fand er ein Streichholz in seiner Westentasche; denn nach Sonnenuntergang trug Don Gregorio immer eine Weste und zündete eine Kerze an; aber der Versuch, die Kerze in den auf den Tisch getropften weichen Unschlitt zu stellen, misslang: die Kerze fiel immer wieder um. «Demain vous pouvez acheter un chandelier...», waren seine tröstenden Worte; er blies die Kerze aus und legte sie in die Kerzentropfenlache auf den Tisch. Majestätisch war er wieder hinausgewandelt, ohne mich wissen zu lassen, wieviel «un peu tres fort seulement» bedeutete.

Es musste lange nach Mitternacht sein, als Regger kam, um mir zu erzählen, was für eine fröhliche Bande da drüben in der anderen Hütte sei. «Reiß dich doch zusammen», meinte er gutmütig, «und komm nach drüben, der Hochbetrieb dort treibt dir das Fieber sicher aus den Knochen!»
Ich hatte beim besten Willen keine Lust, aber einen furchtbaren Durst. Regger kam zurück mit einer Flasche Flusswasser und einem Emailbecher. Die Flasche war in einem Zuge geleert.

Bei Tagesanbruch fühlte ich mich bedeutend besser, die Hitzewellen, die durchs Blut drängten, hatten etwas nachgelassen, und eine wohltuende Müdigkeit hatte alle Glieder eingeschläfert. Noch grölten einige Stimmen in die aufgehende Sonne hinein, ein langer Zug Weiber mit Wasserkesseln auf den Köpfen defilierte vor meiner Türe vorbei, dann schlief ich ein.

Gegen Mittag drängten sich meine Reisekameraden in meine Bude, um mir von ihren ersten Eindrücken in Cachuela Esperanza zu erzählen.
Der stellvertretende Chef, Don Gustavo, sei ein netter Kerl, hieß es. Ulmer, mit dem wir die Verträge in Europa abgeschlossen, werde in wenigen Monaten ankommen.

Don Gregorio gab mir weiter Chinin, und dann machte ich einen Gehversuch mit unsichern Knien, um von einem gewissen Bedürfnis getrieben, ein gewisses Häuschen aufzusuchen. Das war aber nicht zu finden. Es gab eben kein solches. Man müsse dort hinauf über jene langen Felsplatten, dann gelange man auf schmalem Pfade in die Büsche des Waldrandes.

Mit Aufbietung aller Kräfte unternahm ich die kleine Reise bei Tag oder Nacht nach dem Waldrand, auf diesen für einen Malariakranken sehr anstrengenden, aber sehr notwendigen Gängen, oft durch kniehohes, nasses Gras. Da nahm ich mir vor, meine erste Arbeit nach meiner Genesung müsse ein solches Privathäuschen in Cachuela Esperanza sein, hatte aber keine Ahnung, was für ein wahnwitziges Unternehmen der Bau einer solchen Hütte hier bedeutete.

«Was fällt Ihnen denn ein», meinte Don Gustavo, «man kann doch nicht im Weichbilde der Ansiedlung solche Löcher graben. Es gibt sonst schon genügend Moskitoherde. Überhaupt haben wir gar keine Bretter und die Leute braucht man für notwendigere Arbeit. So etwas gibt es hier einfach nicht. Man gewöhnt sich an alles, auch an die kleinen Spaziergänge in den Wald hinauf.

Es regnete jeden Tag ununterbrochen und meine Spaziergänge durch das nasse Gras trugen jedenfalls nicht dazu bei, mein Fieber loszukriegen. Ich bekam wohl täglich zwei Anfälle mit Schüttelfrost und Schweißausbrüchen und lernte dabei, dass sich der Mensch sogar ans Fieber gewöhnen kann, solange Herz, Leber und Milz die Sache ertragen. Doch kam auch für mich der Tag der Besserung, wo ich an die Arbeit gehen konnte.
Das Escritorio (Büro) war, wie die ändern Gebäude, mit Palmenblättern bedeckt; auf der gestampften Erde im weiten Räume standen ein Doppelsitzpult und etwa ein Dutzend Stehpulte. Um die Bücher und anderen Papiere einigermaßen rein halten zu können, hatte man unter dem fledermausbesetzten Giebel eine Art Stoffhimmel angebracht, der unter den beständig herunterfallenden Fledermausexkrementen immer tiefer sank.
Am Doppelsitzpult saß Don Gustavo und ihm gegenüber die hagere, schlanke, aristokratische Gestalt des Don Oscar. Dieser war unzugänglich, zurückhaltend, steif, schweigsam und ernst. Er sprach selten ein paar Worte mit seinem Gegenüber; uns Neulinge, die wir die Reise von Europa mit ihm gemacht hatten, schien er überhaupt nicht mehr zu kennen. Er hatte sich seines Auftrages, ein halbes Dutzend europäischer Angestellter nach dem Rio Beni zu bringen, entledigt; alle waren lebendig angekommen, und er hatte nun mit den Leuten weiter nichts mehr zu tun.

Die meisten Stehpulte waren unbesetzt, Elend, Koller und Regger waren ganz hinten gegen die Wand verstaut worden.

Sehr beruhigend auf mich wirkte der Umstand, dass ich Zigaretten zwischen den Lippen meiner Kollegen sah; Man durfte also wenigstens während der Arbeitszeit rauchen, das nahm dem Gefühl des Gefangenseins etwas von der Bitterkeit, die sich meinem Gemüt seit meiner Ankunft immer mehr aufgedrängt hatte. Und nicht nur rauchen durfte man; dort hinten hingen an einem Pulte zwei Trauben zuckersüßer kleiner Bananen, von denen man sich scheinbar bedienen durfte.

Das Tropenleben hatte also neben den Kröten in den Zimmern noch andere Vorzüge, auf die man in Europa verzichten musste!

«Aha, da sind Sie ja», begrüßte mich der Chef. «Sehr nett von Ihnen, dass Sie sich entschließen konnten; unsere Bücher sind nämlich schrecklich im Rückstande, die Buchungen ein ganzes Jahr zurück, und dabei haben wir in der letzten Bilanz eine Differenz von vierzig Bolivianos zu suchen — (ein vielsagender Blick flog hinüber zu meinem Kollegen) — Differenz, die wir nun schon seit Tagen umsonst suchen und nicht finden.»

Während dieser liebenswürdigen Begrüßungsrede schob mich Don Gustavo, mit seiner Hand auf meiner Schulter, sanft an ein Pult und legte mir ein dickwanstiges Kontokorrentbuch unter die Nase ... «Vielleicht haben Sie mehr Glück, die Differenz zu finden.»

«Geschieht dir ganz recht, du Esel», murmelte Regger, «warum musstest du deine Nase in diese Fledermausbude stecken!»

Ein paar Wochen später wurde Blend im Ruderboot flussabwärts, nach Villa Bella, gefahren, da ihm in der Zollagentur der Firma an der bolivianisch-brasilianischen Grenze ein Platz zugedacht war. Man hatte auch dort unten die Ankunft der neuen Angestellten mit Schmerzen erwartet, auch dort hatte das Fieber freie Plätze gemacht.

Freund Regger wurde bald nachher nach dem Rio Orthon, nach Puerto Rico, versetzt, wo wir auf der Herreise einige Tage auf den Dampfer «Esperanza» gewartet hatten. Seine Aufgabe war, dort die Buchhaltung in Ordnung zu bringen und nachher zu führen. Ich sah Freund Regger nie mehr, obschon wir viele Jahre bei derselben Firma tätig waren.

Ich hatte das zweifelhafte Glück, schon am zweiten Tage meiner Beschäftigung im Escritorio auf die Differenz von vierzig Bolivianos zu fallen, was ausschlaggebend zu sein schien, dass ich wie für die Kontokorrent-Bücher geschaffen sei, während Kollege Koller als Gehilfe zu Hauschild ins Warenlager kam.

Dadurch war ich endgültig im Haupthause festgenagelt, was ich um so mehr bedauerte, als mir Cachuela Esperanza vom ersten Augenblick an wie eine Gefangenenkolonie vorgekommen war.

Ein eigentliches Privatleben gab es tatsächlich nicht, man war lebendes Inventar der Firma und hätte ebensogut eine Nummer an Stelle des Namens haben können.

Jeden Morgen vor Sonnenaufgang bewegte sich eine lange Reihe von Indianerweibern in Hemdkleidern vom Flusse herauf. Auf den Köpfen, von denen zwei Zöpfe herunterhingen, schaukelten Tonkrüge, die mit Flusswasser gefüllt waren. Mit dem Rufe «Agua» füllten die Indianerinnen die vor den Türen der Angestellten stehenden Zinkkessel mit Wasser. Dieser Vorrat musste einen ganzen Tag ausreichen zum Trinken, Hände- und Gesichtwaschen. Zum Baden reichte es leider nicht. Dazu stand der nahe Fluss zur Verfügung mit seinen Krokodilen und ändern Wasserbewohnern.
Ich beneidete Don Gregorio, weil er als Arzt nicht nur einen, sondern drei Wasserkrüge täglich bekam.

Das tägliche Leben eines Gummibaracken-Angestellten verlief auch sonst in ziemlich einfachen Formen: Um sieben Uhr früh saß man am Pult im Escritorio, bis um neun Uhr die Glocke zum Frühstück rief. Dieses bestand aus einer Tasse trüben Tees und einem steinharten Maisbiskuit, das man im Tee tunken musste, bis es endlich weich und schlüpfrig wurde wie ein Stück Seife. Wollte man sich zum Entnüchtern des Magens etwas Besseres leisten, so stand einem das große Warenlager der Firma zur Verfügung. Dort konnte man gegen Geld alles haben, was man sich nur wünschte. Beispielsweise bekam man ein halbes Pfund holländische Butter für acht Schweizerfranken. Das schrieb man einem auf die Rechnung. Nach einer halbstündigen Frühstückszeit mit oder ohne Butter ging es wieder ins Escritorio, bis um zwei Uhr nachmittags die Glocke zu Charque und Reis rief.
Charque ist an der Sonne getrocknetes Salzfleisch, das in Gesellschaft von Würmern und Käfern in großen Haufen monatelang im Lager aufgestapelt wurde und stank. Oft warf man es in den Fluss. Oder man vermischte es mit Reis und setzte es den Angestellten auf den Mittagstisch. Es gab ungefähr jeden Tag Charque mit Reis.

Von zwei bis sechs Uhr war Zeit zum Verdauen des Mittagessens. Bei Büroschluss sah man die goldene Abendsonne in Wunderfarben hinter dem Urwaldsaume des Beniflusses versinken. Dann ging es wieder zum gleichen, von Moskitos umsummten Charque mit Reis.

Das schöne weiße Tischtuch, das ich bei meiner Ankunft in Cachuela Esperanza bewundert hatte, war dunkelbraun geworden und starrte vor Schmutz, bis es eines Vormittags von einem Maschinisten heruntergerissen wurde. Dann gab es wieder ein frisches.

Rasch sank die Nacht und trieb die Menschen unter die von der Feuchtigkeit klatschnassen Moskitonetze, neben denen die flackernde Kerze das Lesen zur Qual machte.

Die Firma lieferte in Erfüllung der Kontraktklausel freies Licht, nämlich ein Dutzend Kerzen im Monat. Wer mehr Licht haben wollte, konnte Kerzen kaufen soviel er wollte, für fünfzig Rappen das Stück. Ein Dutzend Kerzen monatlich war ungenügend, denn während des ganzen Jahres bricht in jenen Gegenden die Nacht schon um sieben Uhr abends ein. Das Kerzenbrennen auf eigene Rechnung kam also zu hoch, und so entschloss man sich, eine Petroleumlampe anzuschaffen. Zerbrach ein Lampenglas, so konnte man als Ersatz ein anderes aus dem Lagerräume holen, aber es passte meistens nicht. Man drückte am Dochtenhalter herum, bis er zerbrach, und nachdem man für ein gewöhnliches, nicht passendes Lampenglas einige Franken bezahlt hatte, entdeckte man mit Schrecken, wenn die monatliche Abrechnung kam, dass man Petroleum zu Champagncrpreisen verbrannt hatte! Deshalb entschloss man sich lieber wieder für die teuren flackernden Kerzen und lernte, den hell leuchtenden Tropenmond nach Möglichkeit auszunützen. Und wenn der Ruf «Agua» ertönte, brachte die Sonne wieder billiges Licht für einen ganzen Tag.

Alle vierzehn Tage gab es frisches Fleisch in Form von hartgesottenen, klotzigen Fleischstücken in einer unbeschreiblichen schwarzen Brühe; aber man freute sich doch auf diesen Tag, es war eine Art Festtag, an dem man sich tatsächlich vollfressen konnte. Zunge, Hirn, Leber, Nieren und alle die Leckerbissen, die in einem alten Ochsen versteckt sind, kamen allerdings nie auf den Angestelltentisch. Diese schönen Dinge verschwanden in der Küche des Chefs, im Magen von dunkelhäutigen Köchinnen, schmunzelnden Schlächtern und ändern bevorzugten Sterblichen, die mittelbar oder unmittelbar mit dem frisch geschlachteten Stück Vieh in Berührung kamen.

Die Aasgeier und Matatudosschweine waren eigentlich besser dran als wir Menschen, da jene alles verschlingen konnten, ohne Magenschmerzen befürchten zu müssen.

Die Aas- und Unratsvertilgungstätigkeit wurde hauptsächlich von den nimmersatten Rüsseln und Schnauzen der Matatudosschweine geleistet. Sie vermehrten sich zur Landplage und wurden, weil ihr Fleisch ungenießbar war, nicht geschlachtet. Als Aasvertilger standen sie in hohem Ansehen und waren unersättlich; deshalb ließ man sie am Leben. Wehe dem kleinen verirrten Küchlein, das in die Schnüffelbahn eines Matatudos gelangte; ein Quietschen, ein paar rote Blutstropfen, und das Küchlein hatte ausgelitten; es war unter dem Rüssel verschwunden. Wo Matatudosschweine geschnüffelt hatten, wuchs kein Gras mehr. Mäuse, Kröten, Schlangen, Eidechsen, verfaulter Charque, Exkremente, Lumpen, alles wurde verschlungen. Die Frechheit der Schweine kannte keine Grenzen, schattensuchend erzwangen sie sich Eingang sogar in unsere Zimmer. Als ich einst von einer Flussreise zurückkam, war mein Zimmer von einem eine Schar Ferkel säugenden Matatudosschwein besetzt. Ich hatte die liebe Not, diese Schweinerei aus meiner Bude zu vertreiben; der üble Geruch blieb aber wochenlang trotz reichlicher Desinfektion mit Lysol, so dass ich mich gezwungen sah, den Erdboden und die Stabwände zu erneuern. Eine Brut von Sandflöhen verblieb dennoch in meinem Zimmer und machte mir das Leben zur Hölle.

An Festtagen gelang es hie und da, etwas Konserven aus dem Lager auf den Tisch zu zaubern. Lagermeister Hauschild drückte gelegentlich ein Auge zu, wenn man beim Wegwerfen von schlechtgewordenen Konserven einige gute Büchsen mitlaufen ließ. Wer aber etwas davon abhaben wollte, der musste fix an der Löffelschlacht am Tische teilnehmen!

Kaufen konnte man alles, so viel man wollte; auch durch Schulden wurde der Kredit nicht beschnitten. Oft trafen wir uns vor einer Indianerhütte, jeder ein Goldpfund in der Faust, um ein paar noch nicht gelegte Hühnereier für die nächste Woche zu sichern. Sonntags wurde im Büro bis mittags zwölf Uhr gearbeitet, dann war man frei und konnte an den Fluss hinuntersitzen, am Waldrand stehen oder in der Hängematte schaukeln. Zu Sport und Spiel war man zu müde, zu krank und zu missmutig oder es war zu heiß. Jedenfalls hatte man es probiert, stieß aber auf zu große Schwierigkeiten. Jeder machte den Versuch, ein Tagebuch zu führen, riss es aber nach wenigen Wochen wieder in Fetzen, da man ja doch nur von Charque und Reis und vom Sonnenauf- und -Untergang zu berichten hatte. Man legte Schmetterlings-, Käfer- und andere Sammlungen an, bis ein hartnäckiges Fieber kam oder Ameisen und das feuchtwarme Klima dareinfuhr und Verheerungen anrichteten. Dann gab man alles den Matatudosschweinen, ohne sich die Mühe zu nehmen, die Stecknadeln zu entfernen. Die Schweine fraßen die Sachen auch so und trugen keinen sichtlichen Schaden davon.

Das Fieber ließ jede Lebensfreude erschlaffen und drückte aller Tätigkeit zum voraus den Stempel der Nutzlosigkeit auf. Warum dies anfangen und jenes, fragte man sich, da man doch eines schönen Tages abklappen wird. Nach und nach unterblieben sogar die Briefe nach Hause. Neuigkeiten gab es keine, und mit unangenehmen Sachen wollte man die lieben Angehörigen nicht beunruhigen. Die Post kam alle paar Wochen einmal an und ging alle paar Wochen wieder einmal weg. Man las die Zeitungen vorwärts und rückwärts und kannte fast jedes Inserat auswendig.

Wenn nach wochenlanger Abwesenheit wieder ein Dampfer nach Cachuela hinaufkam, so gab es gewöhnlich ein großes Trinkgelage. Die englischen und deutschen Maschinisten brachten die Taschen voll Goldpfunde mit und dazu einen lästerlichen Durst. Bier, Wein, Whisky und Cognac flössen kistenweise; man wollte sich für das monatelange Einsamsein im Flussgebiet entschädigen. Mit einem englischen Pfund kaufte man zwei, manchmal auch nur eine Flasche Bier. Goldpfunde rollten in jeder Gummihütte, auch in der elendesten. Der Gummipreis stieg ja, und wer Gummi vorweisen konnte, hatte Kredit und Gold. Aber die Goldpfunde rollten mit derselben Leichtigkeit, mit der sie gekommen, auch wieder davon.

Anders stand die Sache für uns arme Teufel von Büroangestellten. Ohne irgendwelche Möglichkeit eines kleinen Nebenverdienstes waren wir an den in unseren Verträgen festgelegten Gehalt gebunden.

Fanden sich an einem regnerischen Sonntagnachmittag fünf Europäer zusammen, so wurde Poker gespielt. Man spielte höher und höher, es kam nicht mehr darauf an, an einem einzigen Nachmittage ein Monatsgehalt zu verlieren ... Man hatte unumschränkten Kredit! Der Gewinn wurde in vollen Bier- und Schnapsflaschen angelegt und in großzügiger Weise auf den Tisch gestellt.

Wir Büroangestellten waren von der blödsinnigen Idee besessen, wir dürften uns von den goldpfundschweren Maschinisten nicht lumpen lassen, auch wollten wir nicht weniger hoch geeicht sein. Das Ergebnis war, dass wir beinahe ausnahmslos in moralischer, physischer und ökonomischer Beziehung die Grenzen überschritten.

Wir waren zum Schlüsse gekommen, dass das Sparen gar keinen Sinn hatte, denn auch wenn man sparte, kam man in die Schulden, oder man musste sich zu einem Einsiedlerleben mit furchtbaren Entbehrungen entschließen, die eines Europäers unwürdig waren. Nicht weniger unwürdig zwar als die Saufereien und Spielereien!

Diese widersinnigen Verhältnisse sagten der Firma bis zu einem gewissen Grade zu. Selten kam dadurch ein Angestellter in die Lage, nach dem ersten dreijährigen Kontrakt sein Bündel zu schnüren und von der freien Rückreise nach Europa Gebrauch zu machen. Niemand wollte mit leeren Händen und oft gebrochener Gesundheit in die Heimat zurückkehren. Dadurch stand der Firma ein akklimatisierter, geschäftstüchtiger, sprachkundiger Angestellter zur Verfügung, und die auf Waren und Getränken verdienten hundert bis zweihundert Prozent erlaubten es, für einen zweiten Kontrakt den Gehalt zu erhöhen, zu verdoppeln und zu verdreifachen. Die Firma konnte es sich bei den hohen Gummipreisen leisten, auch verschuldeten Angestellten den Laufpass zu geben.

So kam es, dass die meisten Europäer es vorzogen, einen Schuldschein zu unterschreiben und, obschon sie sich übervorteilt fühlten, einen neuen Vertrag für weitere drei Jahre einzugehen.

Ein Spieler verliert die Hoffnung nie, dass einmal doch das Glück einschlagen werde. Wir waren alle Spieler und spielten hoch, denn wir spielten um unser Leben."

[a.a.O., S. 83 - 101]

"WIE IM URWALD KINDER ZUR WELT KOMMEN UND GETAUFT WERDEN

Sixto Cartagena bat mich um ein Geburtshilfemittel, da seine Rosario nicht gebären könne.

Mama Bale, die seit vielen Jahren geholfen hatte, die Kinder ohne Schwierigkeiten ans Tageslicht zu bringen, wusste sich nicht mehr zu helfen. Alles sei verdreht und verwickelt, und Rosario müsse sicher sterben. Weder Getränke, noch Sprüche der alten Hebamme halfen.

Auf einen solchen Fall war ich dreiundzwanzigjähriger Junggeselle nicht vorbereitet. Derlei Dinge lernt man nicht in der Sekundärschule, aber ich wusste, dass man nach mir nur noch an den lieben Gott appellieren konnte und dass er nur half, wenn man auch selbst Hand anlegte. So saß ich denn eine gute halbe Stunde lang über meinem Doktorbuch, las alle Kapitel über Geburtsschwierigkeiten und begab mich schließlich schweren Herzens zu der schweißgebadeten, erschöpften Rosario. Sie lag da wie ein hilfloses Kind, Angstperlen auf der bleichen schmalen Stirne, Verzweiflung in den großen, umschatteten Augen.

Als ich an ihr Leidenslager trat, huschte ein leises Schamgefühl über ihr wächsernes Gesicht.

«Die Sache geht nicht so recht, Rosario! — Wollen aber sehen. Wird nicht so schlimm sein. Nur den Mut nicht verlieren!» stammelte ich, um Rosario und noch mehr mich selbst zu beruhigen. Ihre beinahe unmerklich zitternden Lippen versuchten umsonst, ein Lächeln her-
vorzubringen; zwei schwere Tränen lagen auf den dunklen Augen.

Mama Bale wischte ihre runzeligen alten Hände am schmutzigen Handtuch ab und heulte vor sich hin. Sie sah mich noch verzweifelter an als Rosario und murmelte: «Alles ist verwickelt, Herr, und kein Köpfchen, kein Köpfchen!»
Meine Gegenwart schien Rosario nun doch etwas zu beruhigen. Resigniert sah sie zu, wie ich die alte, verzweifelte Hebamme sanft beiseite schob, um ihren Platz einzunehmen.

War es Vorsehung, Glück oder Zufall? Ich vermochte trotz herzzerbrechendem Gestöhn der Mutter das kleine Lebewesen ans Tageslicht zu bringen. — Ein Schrei! — Rosario hatte die Besinnung verloren, und ich musste alle Kraft anwenden, ihren sie krampfhaft umklammernden Mann wegzuschieben. — Waren es Sekunden oder Stunden?

Mutter und Kind lebten, und zu ihren Füßen kauerte Mama Bale über einer Wasserschüssel, schluchzend und fortwährend murmelnd: «Milagro! Milagro!» (Ein Wunder!).

Vierzehn Tage später taufte ich den neuen Erdenbürger in Gegenwart der glücklichen Eltern mit Salz, Öl und Wasser. Der Knabe bekam den schönen Namen Eleuterio-Niceforo! Und dieser Taufschein ist gültig, bis sich Gelegenheit bietet, denselben von einer kirchlichen Behörde beglaubigen zu lassen.

Außer der komplizierten Geburt von Eleuterio-Niceforo war das Geborenwerden in Geneshuaya ein wahres Kinderspiel.

Candelaria kam eines Vormittags um sieben Uhr in meinen Laden.

«Na, Candelaria, nun wird es ¿nicht mehr lange dauern; wann erwartest du deinen kleinen Bengel?»

«Oh, er kann jeden Augenblick kommen!»

«So, so, — in diesem Falle ist es besser, wenn du in deiner Hütte bleibst, sonst gibt es plötzlich mitten auf dem Platz eine Überraschung. Wenn du etwas brauchst, kannst du jemand anders hieher schicken; ich will keine Schwierigkeiten mehr, wie bei Rosario.»

«Si, Señor!» —

Es gab zwar keine Komplikationen, aber eine um so größere Überraschung für mich. Als ich am Abend des selben Tages im Flusse badete, sah ich Candelaria am Ufer hocken und einen Knäuel Wäsche mit ihren braunen Händen bearbeiten.

«Carrrramba ...! Habe ich dir nicht gesagt heute Vormittag, du sollest in deiner Hütte bleiben?» schrie ich ihr zu.

«Schon alles in Ordnung, Taita, ich habe meinen Jungen und will nur meine Sachen waschen!»

Nach ein paar Tagen taufte ich Candelarias Sohn Dario-Segundo, dann las ich lange in meinem Doktorbuch und konnte einfach nicht verstehen, dass eine Frau, die wenige Stunden vorher von einem Kinde entbunden wurde, fähig sein könne, am Flusse zu sitzen und die Kindbettwäsche selbst zu waschen. — Milagro, ein Wunder!

Heremegilda, das Weib von Deudato Duri, war eine starke, feste Indianerin und half ihrem Manne tüchtig beim Gummipicken. Vor Tagesanbruch zog sie los, eine Vorderladerflinte über der Schulter und die dünne, lange Gummipickeraxt in der Hand. In ihrem Gürtel stak ein kleines, kurzes Buschmesser, so wanderte sie den schmalen, halb verwachsenen Urwaldpfad von Baum zu Baum und brachte ihrem Manne am frühen Nachmittag zwei Eimer voll Gummimilch, die sie aus ihren dreihundert-zwanzig Bäumen gezapft hatte, zum Räuchern ins Gummicentro.

Der letzte Monat ihrer Schwangerschaft war für sie kein Grund, die Gummimilch hinter der Baumrinde zu belassen; sie wollte mit ihrer täglichen Ernte nicht hinter derjenigen ihres Mannes zurückbleiben.

«Du bist heute früher als üblich zurückgekommen», bemerkte Deudato, als er bei seiner Ankunft im Centro sein Weib schon vorfand. «Ja, leider konnte ich nicht die ganze Gummimilch mitbringen», war die entschuldigende Antwort, «aber dafür habe ich dir einen Sohn mitgebracht», auf ein am Boden liegendes Bündel zeigend, «er kam plötzlich unter einem Gummibaum!»

Das Weib hatte mutterseelenallein nicht nur ein Kind zur Welt gebracht, sondern noch Kraft genug gehabt, die zum Teil schon gesammelte Gummimilch heimzubringen.

Als mir Deudato bei meinem Besuche in seinem Centro die beinahe unglaubliche Geschichte erzählte, fragte ich Heremegilda:

« Ja, aber wie hast du denn... ? Sie ließ mich nicht ausreden, sondern zeigte lachend auf ihr angerostetes Buschmesser! «Mit dem da habe ich alle meine Kinder allein zur Welt gebracht. Den Deudato schicke ich immer weg, wenn ich merke, dass die Zeit kommt; man braucht doch keinen Mann zu solchen Sachen, mehr braucht es doch gar nicht!» Heremegilda dachte gar nicht daran, zur Erholung nach der Baracke zu kommen; sie ging zu ihren Bäumen, den Säugling in einer Art kleinen Hängematte an der Brust mitschleppend, und brachte die Gummimilch von ihrer täglichen Reise durch die schlechten Urwaldpfade, acht bis zehn Kilometer täglich!"

[a.a.O., S. 203 - 206]

1940

Der österreichische Franziskanermissionar Franz Schumacher OFM dichtet und komponiert eine Guarayos-Nationalhymne. Sie lautet in deutscher Übersetzung::

  1. Kennst du das Land, wo die Guarayos "wohnen? 
    Tief drin im Herzen von Bolivien liegts!<
    Dort, wo der Amazonas nach dem Süden greift 
    Und das Gebiet des Silberstromes streift;
    Dort, wo an Festestagen froh die Flöte klingt 
    Bei Violin', Gitarr' und Trommelklang: 
    Dort ist Guarayos, jenes schöne Land, 
    Das ich mit Stolz die Heimat mir genannt.
  2. Kennst du das Land, wo die Guarayos wohnen? 
    Von Santa Cruz her gegen Trinidad
    Fünf Dörfer stehn so friedlich eingebettet 
    Im Wald, am Fluß, an der Lagune Saum, 
    Umgeben rings von sanften Hügelketten, 
    Von Cusiwald und reicher Pampatrift, 
    Das ist Guarayos, jenes schöne Land, 
    Das ich mit Stolz die Heimat mir genannt.
  3. Kennst du das Land, wo die Guarayos wohnen? 
    Einstmals Mission von Patres dirigiert.
    Sein Volk soll nun des Bürgers freie Rechte teilen,
    Der menschlichen Gesellschaft eingefügt, 
    Mit Fleiß bebauend seinen reichen Boden. 
    Gott und dem Staate dienend so zugleich. 
    Das ist Guarayos, jenes schöne Land, 
    Das ich mit Stolz die Heimat mir genannt.

[Nothegger, Florentin: Notizen zur Geschichte und Entwicklung der Franziskanermission in Bolivien. -- Als Manuskript gedruckt. -- [o.O., o.J.]. -- (Quellenschriften für franziskanische Missionsarbeit). -- S. 15f.]

1940/41


Abb.: Sirionó-Frau mit Kind, 1940/41


Abb.: Häuptling der Sirionó mit seinen fünf Frauen, 1940/41

 

[Bildquelle: Holmberg, Allan R.:  Nomads of the long bow; the Siriono of eastern Bolivia / prepared in cooperation with the U.S. Dept. of State as a project of the Interdepartmental Committee on Scientific and Cultural Cooperation. -- Washington : U.S. Govt. Print. Off., 1950. -- (Smithsonian Institution. Institute of Social Anthropology ; Publication no.10). -- Zugl.: Yale, Univ., Diss.1947]

1940-03-08

Der marxistische Soziologe José Antonio Arze (1904, Cochabamba - 1955, Cochabamba) gründet in Sucre den Instituto de Sociología Boliviana (I.S.B.O.)

1940

Ergebnis der Präsidentschaftswahlen:

Enrique Peñaranda Castillo (1892, Chuchulaya - 1969, Spanien) 58.060
José Antonio Arze (1904, Cochabamba - 1955, Cochabamba)

7.645


1940-04-15 bis 1943-12-20

General Enrique Peñaranda Castillo (1892, Chuchulaya - 1969, Spanien) ist durch Direktwahl verfassungsgemäß Präsident


Abb.: Enrique Peñaranda Castillo

Vizepräsident ist Waldo Belmonte Pool (1897, Apolo - )


Abb.: Waldo Belmonte Pool

"Am 15. April 1940 wurde General Peñaranda zum Präsidenten gewählt. Unter ihm kehrte man zur 'Verfassungsmäßigkeit' zurück. Viele der entscheidenden Maßnahmen der Busch-Regierung wurden rückgängig gemacht, oder es wurde ihnen bewusst entgegengearbeitet, so z. B. der gewerkschaftsfreundlichen Politik des Regimes. Die Regierung griff mehr und mehr zu repressiven Maßnahmen. In einem Bericht der Zeitschrift „Interamerican Affairs" von 1943 wurde sie als „eine Karikatur der Demokratie" bezeichnet, die im Begriff sei, „die letzten Spuren der individuellen Freiheit und des demokratischen Prozesses zu beseitigen und ein durch und durch autoritäres Regime zu errichten". Eine Folge der blutigen Unterdrückung eines Arbeiteraufstandes des Jahres 1942 war das Zusammenrücken der gerade im Organisationsstadium befindlichen Linksparteien. Die Peñaranda-Regierung wurde dadurch mehr und mehr in die Defensive gedrängt, bis sie am 20. Dezember [1943] dem gemeinsamen Vorgehen der erwähnten Parteigruppierungen und eines Teils der Armee unterlag."

[Hector, Cary: Der Staatsstreich als Mittel der politischen Entwicklung in Südamerika : daargestellt am Beispiel Argentiniens u. Boliviens von 1930 bis 1955. -- Berlin : Colloquium, ©1964. -- (Bibliotheca ibero-americana ; Bd. 6). -- Zugleich: Dissertation, FU Berlin. -- S. 139f.]


1940-07-26

Gründung des Partido de Izquierda Revolucionaria (PIR). Wichtigste Gründungsmitglieder

1967 spottet der Humorist Alfonso Prudencio Claure, alias "Paulovich" (geb. 1927) über den Familienbetrieb der Salonkommunisten Arze:

"Le rodea el calor de todos los Arze, un clan de intelectuales que inventó el marxismo en Cochabamba, lo mezcló con chicha y lo bebía y lo hacía beber como si fuera limonada. Los Arze, sus parientes y sus amigos, se embriagaron de marxismo. Más marxistas que Lenín y casi tanto como Stalin. José Antonio Arze, primo hermano de Guevara; Ricardo Anaya Arze, primo segundo y Eduardo Arze Loureiro, también primo, predican el evangelio socialista, los dogmas de la nueva religión y profetizan que pronto las aguas del río Rocha tendrán el mismo olor y color que las aguas del Moscova. La familia Arze patenta el marxismo en Bolivia y son nombrados representantes de la firma".

[Zitiert in: Abecia López, Valentín: José Antonio Arze y Arze : inventario. -- La Paz : Juventud, 1992. -- Depósito legal 4-1-559/92. -- S. 40f. -- Dort ungefähre Quellenangabe]

1940-08-04

Ein Regierungsdekret erklärt Koka zum Grundbedürfnis-Artikel (artículo de primera necesidad)

1940-08-20

Leo Trotzki (1878, Ukraine - 1940, Mexiko) wird im mexikanischen Exil -- wohl im Auftrag Stalins -- ermordet. Der Trotzkismus hat in Bolivien in der Folgezeit einflussreiche Anhänger.


Abb.: Leo Trotzki

"Die Ursprünge der später als Trotzkismus bekannten Tendenz lassen sich zurück zum Ereignis verfolgen, das Trotzkis Position in der ersten Reihe der russischen Sozialisten festigte – der 1905er Revolution. Bis zu dieser Erhebung, die bei ihrem Höhepunkt im Winter 1905-06 ihn im alter von 26 in die Führung des St. Petersburger Sowjets der Arbeiterdelegierten katapultierte, hatte Trotzki den Konsens unter russischen Marxisten über die unmittelbare Zukunft geteilt. Der Marxismus ist in Russland Anfang der 1880er Jahre entstanden als Reaktion auf die vorherrschende revolutionäre Tradition unter der Intelligenz, den Populismus. Für die vom westlichen Sozialismus beeinflussten Populisten wäre die Umwandlung von der feudalen hauptsächlich ländlichen von der absolutistischen Monarchie der Zaren geleiteten russischen Gesellschaft in Wein industrialisiertes Land wie Großbritannien eine Katastrophe, die man um jeden Preis vermeiden sollte. Die gemeindlichen Formen der gesellschaftlichen Organisation, die noch unter den Bauern überlebten, würden es Russland ermöglichen, die Belastungen des Kapitalismus umzugehen und sich direkt zum Sozialismus zu bewegen. Immer mehr betrachteten die Populisten ihre Rolle darin, dass sie der Geschichte einen Anstoß geben sollten, wie Scheljabow, der Führer der terroristischen Narodnaja Wolja, es ausdrückte, indem sie physisch die Autokratie zerstörten, die im Wege der sozialistischen Zukunft stünde. Plechanow, der Gründer des russischen Marxismus, stemmte sich gegen solchen Voluntarismus. Der Sozialismus, argumentierte er, setze eine Entwicklung der Produktivkräfte vor, die nur der Kapitalismus erreichen könne. Die Ausdehnung des Markts und der daraus folgende Zerfall der Bauerngemeinden – Prozesse, die Lenin insbesondere zur Jahrhundertwende analysiert und dokumentiert hat – seien historisch notwendige Voraussetzungen der sozialistischen Revolution.

Russische Marxisten am Vorabend des 1905 waren einmütig der Anerkennung davon, was als die politische Folge dieses Arguments schien, nämlich dass die kommende Revolution „bürgerlich-demokratisch“ wäre. Wie die Englische und die Französische Revolutionen vor ihr würde sie, indem sie mit dem Absolutismus aufräumte, den politischen Rahmen schaffen, worin der Kapitalismus sich ungefesselt entwickeln könnte. Es gab aber wichtige Differenzen über die Rolle, die die wichtigsten gesellschaftlichen Klassen spielen würden. Eigentlich wurde die historische Spaltung beim 1903er Kongress der Russischen Sozialdemokratischen Arbeiterpartei (RSDAP) zwischen den Bolschewiki und den Menschewiki, obwohl durch Fragen der Parteiorganisation aufgelöst, durch Meinungsverschiedenheiten über diese Frage gefestigt. Plechanow und die Menschewiki erwarteten von der liberalen Bourgeoisie, dass sie eine ähnliche führende Rolle spielen würde wie die, die sie ihreserachtens ihr englisches und französisches Gegenüber in deren Revolutionen gespielt hatte; von dieser Prognose folgte, die Aufgabe der in den Anfängen steckenden russischen Arbeiterbewegung sei es, die Liberalen gegen den Zaren zu unterstützen – die eigene Zeit würde erst ankommen, nachdem die Autokratie gestürzt worden sei und der Kapitalismus sich beträchtlich ausgedehnt habe. Im Gegensatz dazu behaupteten Lenin und die Bolschewiki, die verspätete Entwicklung des russischen Kapitalismus habe dazu geführt, dass die Bourgeoisie vom Staat und vom ausländischen Kapital abhängig und ihnen unterworfen sei: Weit davon entfernt, Massenaktion gegen den absolutistischen Staat zu führen, würden die Liberalen sich auf ihn verlassen, um sie gegen ein Proletariat zu verteidigen, das schon Zeichen gezeigt hätte, dass es außer Kontrolle geraten würde. Die Arbeiterbewegung solle unter diesen Umständen die von der trägen Bourgeoisie verlassene Rolle übernehmen und die Bauernmassen gegen den Zaren führen. Wenn die RSDAP die Initiative zur einer Zeit des populären Aufruhrs ergreife, könne sie erfolgreich die Autokratie durch eine „revolutionär-demokratische Diktatur des Proletariats und des Bauerntums ersetzten, die versuchen würde, im Rahmen des Kapitalismus Bedingungen zu fördern, die so günstig wie möglich für eine sozialistische Umwandlung wären.

Lenins Analyse bewies sich 1905 sowie 1917 als genauer als die von Plechanow: In den beiden Fällen waren die liberalen Kapitalisten viel mehr von den aufständischen Arbeitern und Bauern erschrocken als vom ancien regime [alten Regime]. während er mit Lenin übereinstimmte, ging Trotzki viel weiter. Erstens setzte er die Entwicklung des Kapitalismus in Russland im Zusammenhang der Weltwirtschaft. Die schnelle von der Monarchie in Zusammenarbeit mit dem ausländischen Kapital geförderte Industrialisierung am Ende des 19. Jahrhunderts sei eine Reaktion auf den durch das europäische Staatensystem verursachten Konkurrenzdrücke gewesen: Die militärische Macht brauche jetzt eine fortgeschrittene industrielle Basis. Das Ergebnis sei eine Illustration davon, was Trotzki (1967: I, 23) später „das Gesetz der kombinierten Entwicklung“ nennen wurde, den „Zusammenschluss der verschiedenen Etappen der Reise, eine Kombination getrennter Schritte, eine Mischung der veralteten und der modernen Formen“. Aufgrund „des Privilegs der historischen Rückständigkeit“, könnte Russland, bevor er durch all die getrennten Etappen durchmache, die solche Länder wie Großbritannien und Frankreich auf ihrem Weg zum Kapitalismus durchgemacht hatten, die fortgeschrittensten Formen der im Westen erhältlichen Technik und Organisation ausnutzen, indem es die neuesten industriellen Produktionsanlagen importiere. Bis zur Jahrhundertwende gab es in Russland einige der größten und modernsten Fabriken der Welt inmitten riesiger Tiefen der ländlichen Armut. Das neue in wenigen größeren städtischen Zentren konzentrierten Proletariat konnte einen Einfluss ausüben, der ihrer Größe völlig unangemessen war. Indem es an all den von der schnellen Industrialisierung typischen gesellschaftlichen Qualen litt und ihm die elementarsten politischen Rechte vorenthalten wurde, würde die Arbeiterklasse, glaubte Trotzki (wie auch Lenin), die zentrale Rolle im Kampf gegen den Zarismus spielen.

Danach trennten sich die beiden voneinander [waren die beiden nicht gleicher Meinung]. Die Bolschewiki, argumentierte Trotzki, überschätzten die Fähigkeit des Bauerntums, als eine unabhängige gesellschaftliche und politische Kraft zu handeln:

Wegen seiner Zerstreuung, seiner politischen Rückständigkeit und besonders seiner tiefen inneren Widersprüche, die sich nicht im Rahmen des kapitalistischen Systems lösen lassen, kann das Bauerntum nur der alten Ordnung einige mächtige Schläge von hinten versetzen, durch spontane Aufstände einerseits und andererseits, indem es Unzufriedenheit in der Armee schafft. (Trotzki 1973a: 237)

Es könne nur unter der Führung einer städtischen Klasse als nationale Klasse handeln. Die Bauernparteien wie die Sozialrevolutionäre, die sich Lenin als Teilnehmer an „revolutionär-demokratischen Diktatur“ vorstellte, verkörperten die Hegemonie der städtischen Bourgeoisie und des Kleinbürgertums über die ländlichen Massen. Eine Koalition zwischen solchen Parteien und der russischen Sozialdemokratie erliege unvermeidlich den in ihr innewohnenden Widersprüchen. Das Proletariat würde entweder eine „sich selbst einschränkende Anordnung“ annehmen und es ablehnen, seine politische Macht zu benutzen, um seine wirtschaftlichen Interessen zu fördern, in welchem Falle seine Position allmählich von der Bourgeoisie untergraben würde, oder es würde in die wirtschaftliche Macht des Kapitals eingreifen, indem es z.B. Firmen übernähme, die den Arbeitern Feierschichten machen ließen, in welchem Falle es die Grenzen der bürgerlich-demokratischen Revolution überschritten und die Diktatur des Proletariats gegründet hätte. Trotzki argumentierte, russische Sozialisten sollten den zweiten Kurs wählen. Nur so, durch eine „permanente Revolution“, in der sich bürgerliche und proletarische Elemente verschmölze, könne man den Zarismus zerstören.

Diese Position ließ Trotzki bis zum Ausbruch der Russischen Revolution von Februar 1917 isoliert. Dann wurde das von ihm vor mehr als zehn Jahren skizzierte Dilemma lebendig. Die liberale Provisorische Regierung konnte nur mit der Unterstützung der Sowjets überleben, die sie nicht bloß von den Menschewiki und den Sozialrevolutionären bekam, sondern auch von vielen Bolschewistischen Führern, einschließlich Stalin und Kamenjew. Als er April 1917 nach Russland zurückkehrte, gewann Lenin die Partei für eine ganz andere Strategie „ das Ergreifen der Macht durch die Sowjets aufgrund eines Programms, das die Übernahmen der Landgüter des Adels durch die Bauern sanktionierte sowie andere Forderungen, z.B. die Arbeiterkontrolle über die Betriebe, die ein Engagement für den Aufbau des Sozialismus andeutete. Wie viele „Altbolschewiki“ beschwerten, kamen Lenins Aprilthesen praktisch dem „Trotzkismus“ gleich. Die effektive Annahme der Theorie hilft dabei, Trotzkis Entscheidung zu erklären, im Sommer 1917 die Partei beizutreten. Eine andere Faktor arbeitete auch daran. Er hatte sich seit dem 1903er Kongress heftig den Anstrengungen Lenins entgegengesetzt, eine zentralisierte revolutionäre Partei aufzubauen. Wie Rosa Luxemburg hatte Trotzki geglaubt, die Entwicklung von Massenarbeiterkämpfen würde die Umwandlungen des Bewusstseins erzeugen, die dafür notwendig seien, so dass das Proletariat die unabhängige politische Rolle spielen könnte, worauf die Theorie der permanenten Revolution andeutete. Die revolutionäre Partei wäre hauptsächlich eine Widerspiegelung der Evolution des proletarischen Klassenbewusstseins. Die Februarrevolution und ihre Auswirkungen haben anscheinend Trotzki überzeugt, dass Lenin recht hatte: Nur eine politisch homogene Avantgardeorganisation wie die Bolschewiki könnte den spontanen Bewegungen des Klassenkampfs den notwendigen Fokus auf der Eroberung der Staatsmacht geben. „Ohne eine leitende Organisation würde die Energie der Massen sich wie Dampf in einem Kolbenkasten [?] verschwenden. Aber trotzdem kommt die Triebkraft nicht vom Kolben oder vom Kasten, sondern vom Dampf.“ (Trotzki 1967: I, 17) Aus dieser Perspektive wäre ohne die Bolschewiki die Theorie der permanenten Revolution trotz aller Gaben Trotzkis als Führer der Massen eine rein intellektuelle Konstruktion geblieben, der es den Mechanismus fehlte, sie in die Praxis umzusetzen.

Indem sie Trotzkis Prognose bestätigte, platzte die Revolution von Oktober 1917 die traditionellen Kategorien des „orthodoxen“ Marxismus auseinander. Sie war, wie Gramsci (1977: 34-7) sagte, eine wahre „Revolution gegen Das Kapital „ – mit anderen Worten, sie forderte das von Kautsky, Plechanow und anderen Theoretikern der Zweiten Internationale entworfene Schema heraus, das die Geschichte als eine Reihe von Produktionsweisen vorstellte, die durch eiserne Notwendigkeit einander folgten und im unvermeidlichen Triumph des Sozialismus gipfelte. Es dauerte aber noch zehn Jahre, bevor Trotzki eine Analyse, die sich auf den spezifischen Besonderheiten der historischen Entwicklung Russlands bezog, in eine universale Theorie der Revolution in den rückständigen Ländern verallgemeinerte. der Anlas dafür war die Chinesische Revolution von 1925-27. Stalin und Bucharin, die damaligen Führer der herrschenden Fraktion unter den Bolschewiki und deshalb auch unter der Dritten (oder Kommunistischen) Internationale (Komintern), bestanden darauf, dass die Kommunistische Partei Chinas (KPCh) eine Variante der alten menschewistischen Strategie annehmen sollte – sprich die Teilnahme an einem „Vier-Klassen-Block“ mit dem durch die Guomindang [Kuomintang] vertretenen nationalistischen Flügel der Bourgeoisie, um die „national-demokratische“ Revolution zu erringen, die notwendig sei, um China von ausländischen Ausbeutern zu befreien. Trotzki unterstützte eine vernichtende Kritik der damit verbundenen taktischen Fehler – nachdem die Kuomintang die Kommunisten benutzt hatte, um die Kriegsherren zu besiegen, griff sie dann die Revolutionären an und massakrierte sie – mit der allgemeinen These, dass die Bourgeoisie in den rückständigen Ländern nicht mehr fähig sei, eine revolutionäre rolle zu spielen. Aber die gleichen Prozessen der kapitalistischen Entwicklung – das Verflechten des Fortgeschrittenen und des Rückständigen, das Trotzki die ungleichmäßige und kombinierte Entwicklung nannte –, die diese Kapitalisten mit dem Imperialismus verbänden, schüfen auch in Ländern wie China und Indien Arbeiterklassen, die wie ihr russisches Gegenüber fähig seien, einen Einfluss auszuüben, der ihrem Minderheitenstatus unangemessen sei. Der Griff des Imperialismus auf der übrigen Welt könnte nur gebrochen werden, wenn das Proletariat der rückständigen Länder die Masse der Bauern in Revolutionen führen könnte, die die vorkapitalistische sowie die koloniale Ausbeutung eliminierte und den Übergang zum Sozialismus initiierte.

In ihrer allgemeinen Form deutete die Theorie der permanenten Revolution eine direkte Herausforderung dazu an, was nach 1945 die Orthodoxie in den vom Marxismus-Leninismus in seinen russischen, chinesischen oder kubanischen Varianten beeinflussten Nationalbefreiungsbewegungen in der Dritten Welt wurde. Während diese versuchten, Koalitionen (nach dem chinesischen Formel) von Arbeitern, Bauern, Intellektuellen mit der „Nationalbourgeoisie“ aufzubauen (d.h. mit denjenigen Kapitalisten, die eine Interesses daran haben sollten, mit dem Imperialismus zu brechen), die angeblich durch das Ziel der nationalen Unabhängigkeit vereinigt wurden, betonte Trotzki die Klassenantagonismen in solchen Bündnissen und den kennzeichnenden Charakter des Proletariats als die einzige Kraft mit sowohl einem Interesse an der Nationalbefreiung als auch der Fähigkeit, sie zu erringen. Ein ähnliches Leitmotiv informiert seine Schriften über Europa während der 1930er Jahre. Trotzki kritisierte scharf die Kominternpolitik der „Dritten Periode“ Ende der 1920er Jahre und Anfang der 1930er Jahre, die zur Folge hatte, dass die mächtige Kommunistische Partei Deutschlands (KPD) gemeinsame Aktion mit den Sozialdemokraten gegen die Nazis ablehnte, weil die einen ebenso schlecht wie die anderen seien. Er lehnte trotzdem gleichermaßen die 1935 von Stalin angenommene Politik der antifaschistischen „Volksfronten“ zwischen der Arbeiterbewegung und dem „demokratischen“ Flügel der Bourgeoisie ab. Bevor sie die Arbeiterklasse gegen den Faschismus vereinigten, argumentierte Trotzki, stellten die Volksfronten in Frankreich und Spanien die Unterwerfung der Interessen der Proletariats denjenigen des Kapitals dar und führten zu Ergebnissen, die nur Hitler, Mussolini und Franco verstärken könnten. Wie in der eigentlichen Theorie der permanenten Revolution, gewährte Trotzki hier den Vorrang der unabhängigen Aktion der Arbeiter."

[Callinicos, Alex: Trotzkismus. -- 1990. -- Originaltitel: Trotzkysm (1990). -- URL: http://www.marxists.de/trotism/callde/. -- Zugriff am 2002-03-31]

1940-08-20

Noel Aronovici, Vertreter des jüdischen Joint Distribution Committe in Bolivien macht folgenden Aktenvermerk:

»In Bolivien findet man die Ostjuden, die keine Kurse besuchen, um Spanisch zu lernen, sondern die die Sprache der Indios beherrschen. Sie tauchen in den abgelegensten Dörfern auf, die wohl noch kein Europäer erblickt hat, und es gelingt ihnen, sich durchzuschlagen: Sie schlafen in ihren Wagen unter freiem Himmel. Kaum ein deutscher Einwanderer hat dies gewagt oder würde so etwas [...] wagen. Ohne kritisieren zu wollen, sondern um das Bild abzurunden, muss ich sagen, dass die erste und größte Sorge jedes Deutschen darin besteht, eine Wohnung zu bekommen. Was den Deutschen betrifft, so muss eine Wohnung ein Bad haben.«

[Zitiert in: Elkin, Judith Laikin <1928 - >: 150 jahre Einsamkeit : die Geschichte der Juden in Lateinamerika. -- Hamburg : EVA, 1996. -- ISBN 34345009336. -- Originaltitel: The jewish presnce in Latin America (©1980). -- S. 187. -- {Wenn Sie HIER klicken, können Sie dieses Buch  bei amazon.de bestellen}]

1940-08-31


Abb.. Titelblatt der Zeitung El Frente, 1940-08-31

El Frente (Untertitel: "El Frente interpreta las inquietudes de la juventud de la postguerra") erscheint in Santa Cruz von 1936 bis 1945?. El Frente ist sozialistisch und antiklerikal

[Bildquelle: Hollweg, Mario Gabriel <1939 - >: Alemanes en el oriente boliviano : su aporte al desarrolla de Bolivia. -- Santa Cruz de la Sierra. -- Tomo 2: 1918 - 1945. -- [1995]. -- Depósito legal 8-1-1011-95. -- S. 690]

1941-01-25 (offiziell: 1942-06-02)

Gründung des Movimento Nacionalista Revolucionario (MNR). Wichtige Gründungsmitglieder:

1941

Carlos Montenegro  Quiroga (1903, Cochabamba - 1953, USA) gibt die Wochenzeitung Busch als Sprachrohr des Movimento Nacionalista Revolucionario (MNR) heraus


Abb.: eine Ausgabe von "Busch"

[Quelle der Abb.: Durán S.: Juan Carlos: Germán Busch y los orígenes de la Revolución Nacional : fragmentos para una biografía. -- La Paz, 1997. -- Nach S. 183]

1941

Schimmelbusch, Heinz: Das Erz von Hualpani. -- Wien : Frick, ©1941. -- 247 S. : Ill.

"Auf fast allen bolivianischen Minen, vielfach auch auf den in Händen großer Gesellschaften befindlichen, wird mit ganz wenigen Ausnahmen Raubbau getrieben. Es geht nicht anders.

Holz zum Zimmern fehlt vollständig und würde, wollte man es herbeischaffen, den Betrieb in fast allen Fällen völlig unrentabel machen. Dies um so mehr, als die Hölzer des Urwaldes zu solchem Zweck vollkommen ungeeignet sind und man auf Nadelholz aus Nordamerika oder Südchile zurückgreifen müsste. Solcherart geht jeder Stollen früher oder später, meist aber früher, zu Verbruch und die Kunst der bolivianischen Mineros besteht in der Hauptsache darin, ihn vorher so gut wie möglich auszurauben. Das Resultat sind enge, oft kaum schliefbare Stollen, in ihrer Gestaltung den Erzgängen angepasst, an reicheren Orten domartig erweitert, jäh ansteigend, steil fallend, immer einfach dem Erz nach. Das Fördergut wird in Botas gefüllt und ans Tageslicht gezerrt. Botas sind tornisterartige Gefäße, hergestellt aus ungegerbten Kuhhäuten, an den Schmalseiten mit rohen Riemen zusammengenäht, so dass sie das Aussehen kurzer, breiter Säcke haben. Diese werden  in nassem Zustand mit Sand gefüllt, um die ihnen zukommende bauchige Form zu erhalten und sind getrocknet bocksteif. Ein richtiger bolivianischer Minero könnte sich eine Förderung ohne Botas überhaupt nicht vorstellen. Vorerst wird fleißig gebohrt und geschossen, das Dynamit ist begreiflicherweise bei den in dieser Höhe herrschenden temperaturen meist gefroren und in diesem Zustand in den Händen der Indios mehr als bedenklich. Der Rauch kann bei der Anlage der Stollen kaum je vollständig abziehen, aber das stört die Söhne der berge nicht besonders. Von Vermessungsarbeiten und Markscheiderei ist selbstverständlich überhaupt keine Rede und kein bolivianischer Minenbesitzer zeigt das geringste Interesse dafür, wie die ganze Sache auf dem Papier aussieht. Die Hauptsache ist ein Loch im Berg, aus dem möglichst viel Erz gefördert wird, dann sind alle Beteiligten restlos zufrieden.

Der Europäer, der in einen solchen Minenbetrieb kommt, staunt zuerst und kraft seiner überlegenen Bildung und Erfahrung lacht er über die  Zustände. Solange er nichts anderes tut, ist der Schaden ja nicht groß. Das Malheur beginnt erst, wenn er beschließt die Verhältnisse zu ändern. Tatkraft, Jugend und Optimismus verschlimmern das dann in ungeahnter Weise. Je nach Veranlagung schwankt die Zeit, innerhalb welcher er einsieht, dass sich auf den kleinen Minen, besonders denen, die weitab von Bahnen und Straßen liegen, nichts Wesentliches ändern läßt. Aber die Tatsache bleibt bestehen: ohne gelernte Arbeiter, ohne Holz, ohne Brennstoff, Kraft, Maschinen, Zufahrtswege, angewiesen auf Maultiere als einziges Transportmittel und Cholos als Adnministradores, lässt sich die Art des Betriebes nicht ändern. Dazu kommt der unglaubliche Reichtum des Landes an Erz, der bis jetzt nirgends zur Sparsamkeit zwingt, und die Abneigung der Bevölkerung, mehr zu arbeiten, als zur Erhaltung des nackten Lebens, unterbrochen von entsprechenden Festen, nötig ist. Solange nicht das Straßen- und Bahnenproblem in Bolivien gelöst wird, solange wird auch der Raubbau in allen abgelegenen Gegenden des Landes blühen und die Minen für künftige Zeiten stark entwerten."

[a.a.O., S. S. 74 - 76]


Abb.: Dorfstraße in Bolivien (Foto: Scherl) [a.a.O., Abb. 11]

1941-03-14

Der bisher in deutschem Besitz befindliche Lloyd Aereo Boliviano wird verstaatlicht.

1941-05-06


Abb.: Simón I. Patiño und Gattin in Panama, 1941

Zinnkönig Simón I. Patiño (1860, Santiváñez - 1947, Argentinien) und seine Gattin Albina Rodríguez de Patiño unterzeichnen in Panama ihr Testament:

"Simón Iturri Patino y Albina Rodríguez de Patino suscribieron un documento público dividiendo la mayoría de su fortuna en partes iguales entre sus cinco hijos. Específicamente excluyeron de ésta participación ínter vivos la casa marcada con el número 32 de la Avenue Foch, en París y Villa Elena en Biarritz, Francia, las mismas que, con todo su contenido, Patino declaró pertenecer exclusivamente a su esposa Albina, mediante arreglos hechos entre ambos; una casa en la calle Bolívar de la ciudad de Oruro, propiedad de doña Albina; igualmente una casa en la Plaza Castro de Padilla, también en Oruro, que había pertenecido a los padres de doña Albina, y cuya reconstrucción fue hecha exclusivamente con fondos de la señora; asimismo las 30.106 acciones de la Empresa de Luz y Fuerza Eléctrica de Cochabamba quedaron excluidas de la distribución porque fueron donadas directa e inmediatamente a la Fundación Universitaria Patino. Los únicos otros fondos no incluidos en la repartición fueron "los saldos en las cuentas bancarias personales que retenemos para nuestras necesidades personales".


Abb.: Die fünf Patiño-Kinder in der Hazienda Pairumani (Cochabamba), ohne Jahresangabe

[Bildquelle: Un siglo en Cochabamba : mirando una ciudad desde La Taquiña. -- Cochabamba : Taquiña. -- Tomo I. -- 1995. -- Depósito legal 2-1-210-95. -- S. 195] 

En el documento suscrito Patino y su esposa continuaron:

'Declaramos, en primer lugar, que el objeto y motivo de esta participación responden a la necesidad de que nuestros herederos... entren al manejo y administración de los bienes y negocios que les corresponderán a nuestra muerte... y, al mismo tiempo, que no les falte nuestro consejo inmediato y que las legítimas aspiraciones que nos alentaron en nuestras tareas, para preservar y engrandecer nuestras empresas en perfecta armonía, sean cumplidas. En segundo lugar, creemos haber cumplido nuestros deberes como padres haciendo todo esfuerzo para crear, desarrollar y conservar una fortuna trabajando honestamente y con irreprochable rectitud, y que tenemos el derecho de pasar el resto de nuestras vidas con mayor tranquilidad y menos esfuerzo. También nos interesa que esa fortuna no se vea afectada por falta de consejo prudente y por eso deseamos ver a nuestros hijos cumplir sus deberes de manera que podamos guiarlos cuando sea necesario. Además de estos cinco hijos nacidos en matrimonio, no tenemos otros... Todos estos bienes fueron adquiridos después de nuestro matrimonio y su propiedad nos corresponde en partes iguales.'

Luego seguía una lista de las propiedades y bienes muebles que se distribuían por igual entre sus cinco hijos. 

En Bolivia: 

  • una casa en la calle Soria Galvarro de la ciudad de Oruro, con su contenido; 
  • un edificio en la ciudad de La Paz en la esquina de las calles Illimani y Colón; 
  • un edificio en Cochabamba en la esquina de las calles Comercio y Calama, con sus tres secciones de residencia, oficinas administrativas y oficinas del Banco Mercantil; 
  • la hacienda Pairumani que comprende Villa Albina, las fincas Cotapachi, la Chimba, Ancoraire, Caramarca y otras; 
  • la propiedad Changolla bajo la administración de la Hacienda Pairumani; 
  • la casa y jardines de Portales, con su contenido, en Queru-Queru; 
  • una casa en Challapata; 
  • la concesión de tierras de La Iniciadora a ambos lados del río Isiboro, en la provincia del Chapare. 

En Francia: 

  • tierras y establos en la Avenue Víctor Hugo de Neully-sur-Seine; 
  • la propiedad de Niza llamada Cháteau Val-rose, con su contenido. 

En Bolivia: 

  • 339.500 acciones de la Bolivian Tin and Tungsten Mines Corporation, "una compañía que hemos formado para centralizar nuestros intereses mineros personales en Bolivia, habiendo sido vendidas las 25.000 acciones restantes a la Patino Mines and Enterprises Consolidated, Incorporated (P.M.E.C.I.)"; 
  • 56.940 acciones de la Sociedad Agrícola Ganadera e Industrial de Cinti (la Compañía Agrícola, Ganadera e Industrial de Cinti); 
  • 240.276 acciones del Banco Mercantil "que yo, Simón I. Patino, fundé para cooperar en el desarrollo económico de Bolivia"; 
  • 874 acciones del Crédito Hipotecario de Bolivia; 
  • 664 acciones de la Empresa El Diario, editora del periódico de ese nombre en La Paz; 
  • Bs 904.000 de bonos (saldo de Bs. 1.000.000) del empréstito patriótico boliviano de 1930, "y dejamos constancia de que para poder otorgar este préstamo que fue requerido cuando el país estaba en dificultades, el ex Anglo - South American Bank Ltd., me prestó a mí, Simón I. Patino US$326,000 suma equivalente a Bs 1.000.000 al tipo de cambio entonces vigente, y que no es posible amortizar porque el Gobierno paga los bonos en moneda nacional devaluada y no convertible a libras esterlinas o dólares de acuerdo con las regulaciones monetarias actualmente vigentes, con una evidente pérdida para nosotros; actualmente no poseemos acciones de bancos fuera de nuestro país".

El documento decía, a continuación:

'P.M.E.C.I. fue organizada de acuerdo con las leyes del Estado de Delaware, Estados Unidos, mediante la fusión de la empresa chilena Compañía Minera de Llallagua y nuestras propiedades de Uncía. Se hizo esto teniendo en mente varios objetivos que efectivamente se lograron en la práctica, que fueron los siguientes: primero, el propósito patriótico de unificar dichas dos empresas, las más grandes productoras de estaño del mundo, y para lograrlo estuvimos comprando acciones de Llallagua desde mucho tiempo antes hasta que tuvimos un número suficiente para ejercer influencia en la compañía. Segundo, con objeto de conseguir grandes mercados para las empresas mineras de Bolivia, haciendo conocer de este modo a nuestro país en los mercados mundiales, destacando el papel internacional que le correspondía y disminuyendo la influencia de países vecinos que pudiera resultar inconveniente para Bolivia. Tercero, y entre las ventajas internas, ratar de conseguir un trabajo mas eficiente y por consiguiente una producción mayor y más económica y mayores ingresos para el Tesoro Boliviano, dentro de una sola administración de propiedades que en realidad formaban una unidad. Para lograr dichos objetivos tuvimos que disponer de un considerable número de acciones de P.M.E.C.I. puesto que no hay acciones que no estén ampliamente distribuidas en el mercado cuya cotización se permita en la Bolsa de Valores de Nueva York. Hemos conservado el control de esta compañía, a través de la Societé Anonyme pour Valeurs Mobilieres et Industriéls (Savamo), organizada en Coire, Suiza, por nosotros y nuestros hijos. Los bienes de Savamo, mediante ventas que le hicimos en Suiza, son 

  • 600.000 acciones de P.M.E.C.I., 
  • 343.385 acciones preferentes de Consolidated Tin Smelters y 
  • 561,972 acciones ordinarias de la misma Consolidated Tin Smelters. 

El capital de Savamo está dividió en cinco mil acciones de la clase A y veinte mil de la clase B, de las cuales nuestros hijos ya poseen 600 acciones A, cada uno o sea tres mil acciones en total; el saldo de las acciones de Savamo, 2,000 A y 20,000, B, un total de 22.000 acciones, nos pertenecen a nosotros."

[Geddes, Charles F.: Patiño : rey del estaño. -- 2. ed. -- s.l., 1984. -- ISBN 84-499-6850-X. -- S. 294 - 296]

1941-07-18

Der amerikanische Staatsekretär Douglas Jenkins übergibt dem bolivianischen Botschafter in den USA die Fotokopie eines angeblichen Schreibens von Elías Belmonte Pabón (1905, Irupana - 2001, La Paz) (Militärattaché bolivianische Botschaft Berlin) an den  deutschen Botschafters in La Paz, Ernst Wendler, in dem dieser zu einem Naziputsch (mit Hilfe des MNR!) in Bolivien aufruft und eine deutsche Invasion Südamerikas ankündigt. Das Schreiben ist eine Fälschung des britischen Geheimdienstes, um Bolivien zum Eintritt in den Krieg zu bewegen! Aufgrund dieser Intrige wurden die nationalistischen Zeitungen La Calle, Busch und Inti verboten.

1941-07-19

Bolivien erklärt den deutschen Botschafter Ernst Wendler zur persona non grata. Er muss das Land verlassen.

1941-08-10

Schwarze Liste verbotener deutscher Firmen (Beilage zur Zeitung La Razón, La Paz):

Armando Arce ("La Calle") La Paz.
Ballivian B. Torrez La Paz
Daniel Bedregal La Paz
Casa Bernardo (Bernardo Elsner y Cía)
Ruth Borgelte La Paz.
José Capdevila Santa Cruz
Caltorretti & Cía La Paz
Cervecería Boliviana Nacional La Paz
Juan Elsner y Cía. La Paz.
Bernardo Elsner y Cía. La Paz.
Femando Encinas. La Paz.
Emest Rotmann y Cía. La Paz.
Ferrostal AG (Essen) Sucursal La Paz.
Cornelius Gundlach (Casa Gundlach). La Paz.
Günther Succ. Inc. (Ernesto) Sorata
Hardt y Cía (Hardt, E & Cía.) La Paz.
HardtE.,W. &Cía. La Paz.
Harjes, La Paz.
Imprenta "Urania" Messr, Sanjinez y Villegas. La Paz.
INTI La Paz
Julius Kohlberg. Tarija.
Kunstmann & Cía. La Paz.
Kyllmann Bauer & Cía. La Paz. Y todas las ramas en Bolivia
Hans Mansmann. Oruro.
Gehrard Methfessel. Tarija.
Nielsen Reyes y Cía. La Paz.
Otero v. de Velez. La Paz.
Plattner & M. (Suc. de C. Albrecht). La Paz.
George Quidde. La Paz.
Francisco Samsó. Forns. La Paz.
Ernest Schilling. La Paz.
Schweitzer y Cía. La Paz. y todas las ramas en Bolivia.
Joaquín Tapia. La Paz.
Terrazas y Cía. La Paz.
Vivienda Propia S.A. La Paz.
Vogel & Cía. Potosí y todas las ramas en Bolivia.
Von Bergen & Cía. La Paz.
Zeller Mozer & Cía. La Paz. y todas las ramas en Bolivia.
Zieriaks, Becker y Cía. La Paz.
Ziesenitz . La Paz y todas las ramas en Bolivia.
Paul Zugel. Tarija."

[Zitiert in: Hollweg, Mario Gabriel <1939 - >: Alemanes en el oriente boliviano : su aporte al desarrolla de Bolivia. -- Santa Cruz de la Sierra. -- Tomo 2: 1918 - 1945. -- [1995]. -- Depósito legal 8-1-1011-95. -- S. 697f.]

1942

Der Censo (Volkszählung) von La Paz hat unter anderem folgende Ergebnisse:


Abb.: Rassische Zusammensetzung der Bevölkerung von La Paz 1902 und 1942

[Quelle der Abb.: La Paz en su IV centenario, 1548-1948 /  Comité pro IV Centenario de la Fundación de La Paz. -- [La Paz, 1948]. -- Bd. I, S. 61]


Abb.: Berufliche Zusammensetzung der bevölkerung von  La Paz, 1942

[Quelle der Abb.: La Paz en su IV centenario, 1548-1948 /  Comité pro IV Centenario de la Fundación de La Paz. -- [La Paz, 1948]. -- Bd. I, S. 64]

Ausländeranteil an Bevölkerung der Stadt La Paz
  Censo 1902 Censo 1942
Gesamtbevölkerung 60.000 287.000
davon Ausländer 1.100 12.500
Von den Ausländern sind:    
Peruaner 570 4350
Deutsche 66 1885
Chilenen 50 1408
Argentinier 98 629
Polen 0 621
Österreicher 2 575
Spanier 70 472
Araber, Libanesen usw. 6 273
Italiener 57 232
Japaner 1 229
Tschechen 0 221
USA 21 194
Franzosen 61 138
Engländer 61 138
Jugoslawen 0 75
Schweizer 0 72
Brasilianer 3 57
Ekuadorianer 14 56
Kolumbianer 0 54
Russen 0 54
andere Ausländer 65 731

1942

Es erscheint die erste Nummer der Zeitung La Prensa, Sprachrohr der Falange Socialista Boliviana (FSB). Gründer und Redakteur: Oscar Unzaga de la Vega (1916 - 1959)

1942

Erste Entwicklungshilfe der USA, zunächst im Gesundheitswesen. Es folgen

1942

Aus den USA kommen die ersten 20 Missionare der Maryknoll Society : Catholic Foreign Mission Society of America [Webpräsenz: http://www.maryknoll.org/. -- Zugriff am 2002-10-09]. In den besten Zeiten (um 1970) wirken ca. 70 Maryknoll-Priester und -Brüder in Bolivien. Im Jahre 2000 sind es wegen mangelndem Nachwuchs in den USA nur noch 15.
 

1942

Der australische evangelikale Prediger Wally Herron (1910 - 1964) beginnt in Beni mit der Flugzeug-Evangelisation.

"Die Flugzeug-Evangelisation kam nur langsam zum Zuge. Sie waren Pioniere und stießen in Neuland vor. Es gab keine Tradition und keine Beeispiele, an die sie sich halten konnten oder die sie festlegten. Während er ersten drei Einsatzmonate flogen die Missionare nach San Joaquin, Puerto Siles und Santa Ana, um Versammlungen zu halten und Bibeln zu verkaufen. Lincoln spielte gewöhnlich an einer Ecke der plaza auf der Ziehharmonika, um die Leute anzulocken, und dann predigte Wally."

[Wagner, C. Peter ; McCullough, Joseph S.: Missionspilot im Urwald der Anden. -- Wuppertal : Aussaat, ©1967. -- Originaltitel: The condor of the jungle (1966). -- S. 63f.]

1942-02-03

Bolivien, Brasilien, Uruguay, Paraguay,  Ecuador und Peru brechen in der Folge der Konferenz von Rio die diplomatischen Beziehungen zu Deutschland, Italien und Japan ab.

1942-03-19

Fest des Hl. Josef (San José): Gründung des Fußballklubs San José Oruro.


Abb.: San José es Oruro = San José ist Oruro

[Bildquelle: Oruro inmortal. -- Oruro : Ferrari, Ghezzi. -- Tomo 2. -- 1998. -- Depósito legal 4-1-428-98. -- S. 273]

1942-06

Bases y principios del MNR (Movimento Nacionalista Revolucionario) (zugeschrieben José Cuadros Quiroga <1908, Cochabamba - 1975, Cochabamba>)

Beginn dieses Dokuments:

"1.- CONTRA LA FALSA DEMOCRACIA ENTREGUISTA

Proclamamos el Derecho del Boliviano, hombre o mujer, como principio inspirador y fundamento de la organización del Estado, el funcionamiento de las instituciones y la aplicación o la reforma de las leyes. Y exigimos la cancelación de los privilegios que permiten a los no bolivianos o alas empresas extranjeras, ejercitar derechos sin estar sujetos a las mismas obligaciones que los bolivianos.

2.- CONTRA EL JUDAISMO Y EL PSEUDO-SOCIALISMO, INSTRUMENTO DE UNA NUEVA EXPLOTACIÓN

Denunciamos como antisocial toda posible relación entre los partidos políticos internacionales y alas maniobras del judaismo, entre el sistema democrático liberal y las organizaciones secretas y la invocación del "socialismo" como argumento tendiente a facilitar la intromisión de extranjeros en nuestra política interna o internacional, o en cualquier actividad que perjudiquen a los bolivianos. Exigimos la prohibición absoluta de la intervención de accionistas o capital extranjeros en los periódicos, revistas y demás publicaciones. Exigimos una ley que obligue a las empresas periodísticas o de cualquier género de publicidad a declarar ante las autoridades civiles o militares cuando contraten servicios de redactores o colaboradores extranjeros especificando los salarios que les paguen y los servicios que aquellos presten. Exigimos la prohibición absoluta del ingreso de extranjeros al Ejército para el Comando de tropas, salvo como profesores de la oficialidad, previa aprobación mediante ley. Exigimos la formación de un registro de todos los empleados dependientes de las empresas extranjeras con especificación prolija de antecedentes, sueldos o salarios, bajo la vigüancia del Estado Mayor del Ejército. Exigimos la prohibición absoluta de la inmigración judía y de cualquier otra que no tenga eficacia productora."

1942-09

Ismael Escobar Vallejo gründet ein Netz meteorologischer Beobachtungsstationen.

1942-12-14

Beginn des Generalstreiks der Minenarbeiter.

1942-12-21

Das Militär schlägt den Generalstreik in Catavi brutal nieder: mehr als 20 Toto, darunter Frauen und Kinder (Masacre de Catavi)


Abb.: Ermordete von Catavi mit Angehörigen, 1942

1943

Der ungarische Ingenieur Jorge Bartos gründet die Baufirma Bartos y Cia. Diese Firma wird zur größten bolivianischen Hoch- und Tiefbaufirma. Einige der von ihr errichteten Bauwerke:

Dass eine Firma mit so vielen öffentlichen Aufträgen in Bolivien nicht ohne Bestechung und Korruption auskommt, ist selbstverständlich.

1943

Diaz Villamil, Antonio <1896/1899, La Paz - 1948, La Paz>: Plebe : novela del arrabal paceno. -- La Paz : Editorial La Paz, 1943. -- 249 S.


Abb.: Umschlagtitel

"Díaz Villamil, Antonio
* 13.7.1896 in La Paz, 21.5.1948 ebd. Lehrer. Díaz Villamil gilt als Mitbegründer des bolivianisch Nationaltheaters. Die meisten seiner Stücke spielen zur Zeit der Inkaherrschaft, zur Kolonialzeit und im 19. Jahrhundert. Gleichzeitig verfasste er psychologisch treffsicher ausgearbeitete Volkskomödien aus dem Leben der kleinen Leute. Sein größter Erfolg war der Roman La nina de sus ojos (1948), der die Schwierigkeiten einer gebildeten Mestizin, Tochter einfacher Leute, beim Versuch schildert, die soziale Stufenleiter zu erklimmen. Die .Schranke der Vorurteile erweist sich als unüberwindlich. Von der weißen Gesellschaft abgelehnt, findet die Protagonistin jedoch einen Platz, wo sie ihr Wissen und ihre Energien sinnvoll einsetzen kann: Sie arbeitet als Lehrerin in einer indianischen Dorfgemeinschaft.

Weitere Werke: La voz de la quena (1921), Leyendas de mi tierra (1929), Tesoro de los chullpas (1930), Cuando vuelva mi hijo."

[Wolfgang Schupp. -- In: Autorenlexikon Lateinamerika / hrsgg. von Dieter Reichardt. -- Frankfurt

: Suhrkamp, ©1992. -- ISBN 3518404857. -- S. 140. -- {Wenn Sie HIER klicken, können Sie dieses Buch  bei amazon.de bestellen}]
 

1943-03-24

Uraufführung von Hochwälder, Fritz <1911, Wien - 1986, Zürich>: Das heilige Experiment : Schauspiel in fünf Auzügen

Dieses Theaterstück machte weite Kreise mit den Jesuitenreduktionen in Paraguay (zu denen auch die Missionen in Chiquitos gehörten) bekannt.

Hochwälder, Fritz: DAS HEILIGE EXPERIMENT

Schauspiel in fünf Akten von Fritz Hochwälder; Uraufführung: Biel/Solothurn, 24. 3. 1943, Städtebundtheater.

1938 emigrierte der Autor aus Österreich in die Schweiz, wo er »seither als österreichischer Staatsangehöriger ansässig« war und wo seine frühen, meist historisch situierten Stücke entstanden, zu denen neben Esther (1940), Der Flüchtling (1945), Donadieu (1953) sowie Der öffentliche Ankläger (1954) – einem während der Französischen Revolution spielenden Schauspiel, Hochwälders größter Bühnenerfolg – auch Das Heilige Experiment gehört. Wie alle Stücke Hochwälders ist auch dieses Schauspiel einer traditionellen Bühnendramaturgie verpflichtet, der Stoff dient nicht als Grundlage einer politischen Parabel oder eines Lehrstücks, sondern, wie der Autor selbst festhält, zur Gestaltung »ewiger Probleme der Menschheit, der Fragen nach sozialer Gerechtigkeit und nach dem Reich Gottes auf Erden«; Leitmotiv dieses wie fast aller Stücke Hochwälders ist der Gewissenskonflikt des einzelnen zwischen individueller Moral und kollektiven Zwängen.

An einem einzigen Tag, dem 16. Juli 1767, und an einem Ort, dem Jesuitenkolleg in Buenos Aires, wird das Schicksal jenes »heiligen Experiments« – die Gründung eines »Gottesstaates« im Urwald von Paraguay – besiegelt, mit dem die Jesuiten die eingeborenen Indios gegen die Versklavung durch spanische und portugiesische Eroberer zu schützen versucht haben. Diese Enklave sozialer Gerechtigkeit ist den weißen Herren des Landes ein Dorn im Auge und Anlas zu Klagen und Intrigen am spanischen Hof. In Frankreich und Portugal hat man bereits die Auflösung des Ordens erwirkt. Mit Verleumdungen – die Patres besäßen ein eigenes Heer, hielten ihre in Gütergemeinschaft lebenden Indios als Sklaven, predigten den Aufstand gegen die spanische Krone und bereicherten sich an den Silberbergwerken – versuchen die Hafenstädte, nun auch in Spanien und damit in den überseeischen Besitzungen das Jesuitenverbot durchzusetzen, um die gefährliche Teekonkurrenz ausschalten und selbst die Schützlinge der Patres als Sklaven übernehmen zu können. Don Pedro de Miura, ein spanischer Grande, der vom König mit der Klärung des Falles beauftragt worden ist, teilt dem Ordensprovinzial Alfonso Fernandez mit, dass während der Untersuchung das gesamte Collegium unter Arrest zu halten sei. Bei der Verhandlung erweist sich die Haltlosigkeit der vorgebrachten Beschuldigungen, aber lediglich ein holländischer Teekaufmann, der Protestant Andre Cornelis, tritt für die Jesuiten ein. Miura erklärt dem Provinzial, dass der Orden in jedem Fall verboten werde, da er das Gleichgewicht der europäischen politischen und wirtschaftlichen Interessen störe: »Weil ihr recht habt, müsst ihr vernichtet werden!« Auf Drängen der Patres lässt der Provinzial Miura gefangennehmen, aber ein Legat des Ordensgenerals befiehlt Fernandez, sich zu unterwerfen. Es gehe nicht um einige hunderttausend Menschenleben, es gehe um ewige Prinzipien. Pater Oros ruft dennoch die Kaziken zum Aufstand auf, ein Wort des Provinzials bringt sie zur Ruhe. Die Anführer der Revolte werden erschossen, die Patres deportiert. Miura bleibt in tiefen Zweifeln zurück.

Über der Tragödie vom Untergang des Jesuitenstaates in Paraguay könnte als Motto der bittere Ausspruch des Jesuiten-Gesandten Querini stehen: »Diese Welt aber ist ungeeignet zur Verwirklichung von Gottes Reich.« Der dramatischen Verdichtung des Vorgangs auf einen Tag und einen Ort entsprechend verzichtete Hochwälder auf jegliche episodische Ausschmückung und exotisches Kolorit. Die Fabel ist genau auf den dramatischen Ablauf des Stücks berechnet, und die Dialoge treiben, trotz ihres häufig weltanschaulichen Gehaltes, die Ereignisse voran. Die Schweizer Uraufführung blieb zunächst fast ohne Echo; doch eine französische Übersetzung von Hochwälders Freund R. Thieberger gelangte in die Hände J. Mercures, der das Stück am 12. 3. 1952 im Théâtre de l’Athénée-Louis-Jouvet herausbrachte. Ein Leitartikel F. Mauriacs im ›Figaro‹ sowie der Beifall der übrigen Pariser Kritik setzten es nun endgültig auf der Bühne durch und begründeten seinen weltweiten Erfolg.

AUSGABEN: Zürich 1947. – Stg. 1958 (Nachw. O. Rommel; RUB). – Mchn. 1959 (in Dramen, 2 Bde., 1959–1964, 1; Einl. H. Weigel). – Graz/Wien 1975 (in Dramen, 3 Bde., 1975–1979, 1)."

[Kindlers Neues Literaturlexikon. -- München : Kindler, ©1996. -- s.v.]

1943-04

Erstes Skirennen (Campeonato) in Chacaltaya (5300 m ü. M.). Teilnehmer kommen aus verschiedenen südamerikanischen Ländern.


Abb.: Skihang in Chacaltaya mit Skilift (Foto: Payer 2002-11)

1943/44

Es erscheint

Montenegro Quiroga, Carlos <1903, Cochabamba - 1953, USA>: Nacionalismo y coloniaje : su expresión histórica en la prensa de Bolivia. -- [La Paz] : Ediciones Autonomía, 1943 [i.e. 1944]. -- 250 p.


Abb.: Nacionalismo y coloniaje

Montenegro ist einer der Gründer des MNR (Movimiento Nacionalista Revolucionario) und einer der Hauptideologen des bolivianischen Nationalismus. Dieses Buch ist prägend für den bolivianischen Nationalismus und die Ideologie der Revolución von 1952

Die Hauptthese des Buches ist, dass Bolivien in zwei Gruppen gespalten ist:

Zum "Klassenkampf":

Bolivia "muestra más bien rasgos inconfundibles del estado colonial, motivo por lo que no hay feudalismo ni capitalismo propios, sino dominio delegado del imperio metropolitano, que se ejerce mediante la clase entregadora, dependiente por entero del poder colonial. Ese poder (el imperialismo) es ahora mismo el que sale en defensa de los intereses de la rosca, ya que ésta, que no constituye una clase capitalista, ni económicamente definida en nuestra sociología, es insuficiente e impotente para defenderse. Ella es un instrumento simple de la colonia".

"La explicación verdadera de la revolución boliviana sostenida por las masas populares reunidas con el proletariado urbano de empleados y obreros, reside en su condición anticolonial, que promueve la actividad política de todas las personas afectadas por el dominio del coloniaje y las reúne sin cuidarse mucho de la clase a que pertenezcan para hacer frente a la gavilla entre-guista. Si hay que exponerlo como marxista, se dice que, siendo Bolivia en conjunto un pueblo explotado constituye clase explotada como nación, porque su condición de colonia ha impuesto una explotación que alcanza a todos sus habitantes, menos a los agentes del dominio extranjero.

En la lucha de clases se levanta Bolivia contra la clase explotadora mundial y realiza su revolución. Si en vez de tener grupos de trabajadores mineros tuviese grupos de trabajadores agrícolas, la solidaridad del resto de la población sería idéntica, porque se está actuando en defensa del interés discernible y objetivo que es la autonomía y la independencia del país, con la anulación del explotador extranjero. El hecho de que el proletariado de las minas tome el primer papel en las luchas contra la explotación no responde a que el planteamiento marxista sea exacto sino a que en este sector en el que la unidad beligerante está creada y el número de conjunto de los explotados puede facilitar la lucha. Este hecho se realiza, no en torno a la destrucción del capitalista sino en torno a la nacionalización de las minas, es decir en torno a la autonomización boliviana de la riqueza."

1943-04-08

Bolivien erklärt Deutschland, Italien und Japan den Krieg.


Zu Teil 19: Von 1943 bis 1951