Bibliothekarinnen Boliviens vereinigt euch!

Bibliotecarias de Bolivia ¡Uníos!

Berichte aus dem Fortbildungssemester 2001/02

Teil 2: Chronik Boliviens

23. Von 1969 bis 1971


von Margarete Payer und Alois Payer

mailto: payer@hdm-stuttgart.de


Zitierweise / cite as:

Payer, Margarete <1942 - > ; Payer, Alois <1944 - >: Bibliothekarinnen Boliviens vereinigt euch! = Bibliotecarias de Bolivia ¡Uníos! : Berichte aus dem Fortbildungssemester 2001/02. -- Teil 2: Chronik Boliviens. -- 23. Von 1969 bis 1971. -- Fassung vom 2002-11-10. -- URL: http://www.payer.de/bolivien2/bolivien0223.htm. -- [Stichwort].

Erstmals publiziert: Anlässlich des Bibliotheksseminars in La Paz vorläufig freigegeben am 2002-09-19

Überarbeitungen:

Anlass: Fortbildungssemester 2001/02

Unterrichtsmaterialien (gemäß § 46 (1) UrhG)

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Payer, Margarete <1942 - > ; Payer, Alois <1944 - >: Bibliothekarinnen Boliviens vereinigt euch! = Bibliotecarias de Bolivia ¡Uníos! : Berichte aus dem Fortbildungssemester 2001/02. -- Teil 2: Chronik Boliviens. . -- URL: http://www.payer.de/bolivien2/bolivien02.htm

Dieser Text ist Teil der Abteilung Länder und Kulturen von Tüpfli's Global Village Library


1969-04-29 bis 1969-09-26

Der bisherige Vizepräsident, Rechtsanwalt Luis Adolfo Siles Salinas (1925, La Paz - ), ist nach dem Tod von Präsident Barrientos verfassungsgemäß Präsident


Abb.: Luis Adolfo Siles Salinas


1969

Mit dem Jungfernflug des Jumbo-Jet Boeing 747 im Februar 1969 beginnt im Interkontinentalverkehr ein neues Zeitalter des Massentransports.


Abb.: Boeing 747-300 der VARIG, einem wichtigen Zubringer nach Bolivien via Brasilien

1969

Gründung des Partido Democrata Cristiano Revolucionario. (Aus ihr ging 1971 der MIR <Movimento de la Izquierda Revolucionaria> unter Jaime Paz Zamora hervor).

1969

Gründung von Mink'a, einem Zusammenschluss zahlreicher indianischer Dorfgemeinschaften und Genossenschaften des Altiplano.

1969-05-26

Pacto Andino

"Andenpakt: Mit dem Abkommen von Cartagena (Kolumbien) vom 26.Mai 1969 geschlossenes Bündnis zwischen Bolivien, Chile, Ecuador, Kolumbien und Peru. Venezuela trat dem Vertrag zum I. Januar 1974 bei. Zielsetzung des A. ist die Förderung der wirtschaftlichen Entwicklung der beteiligten Staaten durch den Abbau von Handelsschranken, gemeinsam festgelegte Zölle gegenüber anderen Staaten, gemeinsame Industrialisierungsprogramme sowie eine allgemeine Abstimmung der Wirtschafts- und Sozialpolitik. Die theoretische Grundlage bildete bei der Schaffung des A. das sog. Cepal-Konzept, demzufolge beim Handel zwischen Entwicklungs- und Industrieländern ein Ungleichgewicht zu Lasten der Entwicklungsländer besteht. Daraus ergibt sich u. a. die Notwendigkeit einer stärkeren Kooperation der Entwicklungsländer und weitreichender Strukturveränderungen innerhalb ihrer Volkswirtschaften, u. a. zur Diversifikation der Produktion (Verbreiterung der Produkt- und Ausfuhrpalette). Daneben wurden in den 70er Jahren Zusatzabkommen über die Zusammenarbeit im Kultur- und Gesundheitsbereich geschlossen.

Zu den wichtigsten Zielsetzungen und Einzelmaßnahmen des A. gehörten die Festlegung von Außenzöllen bis 1975, der Abbau der Binnenzölle bis 1980, aufeinander abgestimmte Pläne zum Ausbau bestimmter Industriezweige und die Unterscheidung zwischen nationalen, gemischten und ausländischen Unternehmen. Ausländische Firmen sollten in Kolumbien, Peru und Venezuela innerhalb von 30 Jahren bis zu 51 % ihrer Anteile an nationale Unternehmen abtreten. Von strategisch wichtigen Bereichen (Rüstungsindustrie, Energieversorgung) sollte ausländisches Kapital ferngehalten werden. Oberstes Organ des A., aus dem Chile 1976 austrat, ist die Kommission, in die jedes Mitgliedsland einen Vertreter entsendet. Für Entscheidungen ist in der ! Regel eine Zweidrittelmehrheit erforderlich, bei Industrieprogrammen muss Einstimmigkeit erzielt werden. Die sog. Junta (Dreiergremium) ist formal der Kommission gleichgestellt und arbeitet für diese Entscheidungsvorlagen aus. Zu den Entscheidungsorganen zählen des weiteren ein Parlament mit eingeschränkten Befugnissen und ein Gerichtshof. Auf einer darunter liegenden Ebene befinden sich das Wirtschafts- und Sozialkomitee, in denen Unternehmens- und Gewerkschaftsvertreter zusammenarbeiten. Sie haben beratende Funktion. Ein gemeinsamer Währungsfonds koordiniert die Geldpolitik der Mitgliedstaaten.

Die Wirkungen des A. blieben zumeist hinter den Erwartungen zurück. Positiv wird die deutliche Zunahme des Handelsvolumens zwischen den einzelnen Mitgliedstaaten gewertet. Gemeinsame Industrieprogramme u. a. in den Bereichen des Fahrzeugbaus und der Petrochemie blieben ohne durchschlagenden Erfolg. Zudem konnten die Zollfestlegungen nach innen und außen nicht im angestrebten Umfang vorgenommen werden.
Zu den schwerwiegendsten Problemen des A. zählen die geringe Finanzkraft der nationalen Unternehmen, die ihren ökonomischen Spielraum stark einengt, die wachsende Abhängigkeit vom Technologietransfer aus den Industrieländern, die Konkurrenz billiger Produzenten in Asien, Streitigkeiten unter den Mitgliedstaaten (u. a. Grenzkonflikt zwischen Ecuador und Peru 1981) und die Tendenz zu verstärktem Protektionismus in den einzelnen Mitgliedstaaten. Zudem wurden die Integrations- und Modernisierungsbemühungen der A.-Staaten durch die ökonomische Krise der 80er Jahre (drastischer Anstieg der Verschuldung) stark belastet."

[Steilberg, Hays A. ; Flemming, Thomas: Chronik Handbuch Amerika. -- Gütersloh [u.a.] : Chronik, ©1998. -- ISBN 3577145234. -- S. 426. -- {Wenn Sie HIER klicken, können Sie dieses Buch  bei amazon.de bestellen}]

1969

In La Paz Gründung der Musik- und Tanzgruppe Grupo Bolivia Andina durch Luis Calderón. Das Ensemble steht unter der Schirmherrschaft des Kulturministeriums und umfasst 60 Sänger, Musiker und Tänzer.

1969-08-02

Angles G., Macario: Universidades para los de habla Aymara y Kechua. -- La Paz, 1969. -- 15 S. --- ["En homenaje al día del indio"]

"En las supuestas universidades se debe tender a reglamentar la gramática kechua y aymara, y hacer de ella un idioma oficial para su respectiva conservación.

Las razones fundaméntales de la creación de las universidades para los estudiantes kechuas y aymarás.

  • Primero. Las Universidades bolivianas son para los estudiantes de habla española.
  • Segundo. En las universidades bolivianas los estudiantes kechuas y aymarás son criticados por los que hablan español.
  • Tercero. En cada 5.000 universitarios aparece un estudiante de apellido kechua y aymara.
  • Cuarto. Las críticas a los autóctonos de su forma de hablar el español se difunden por diferentes medios.
  • Quinto. En las universidades bolivianas los catedráticos exigen un español correcto.
  • Sexto. Los Catedráticos de las Universidades bolivianas, no tienen idea de que, el lenguaje de los estudiantes autóctonos es el kechua y aymara.Y más, aquellos estudiantes no pueden hablar un español correcto, debido al medio ambiente en que viven.
  • Séptimo. Finalmente los pocos estudiantes autóctonos al tropezar con las dificultades del lenguaje español resuelven abandonar las Universidades y a los que se quedan, los tie> nen de 15 a 20 años, es decir, hasta que aprendan a hablar el español correcto."

[a.a.O., S. 10f.]

1969-08-30

Nach einer Experimentierphase beginnt der staatlichen Fernsehsender Televisión Boliviana (Canal 7) mit seinen regulären Sendungen


1969-09-26 bis 1970-10-07

General Alfredo Ovando Candia (1918, Cobija - 1982, La Paz) ist verfassungswidrig (Staatstreich) Präsident


Abb.: Alfredo Ovando Candia


1969-10-17

Auf Betreiben des Ministers Marcelo Quiroga Santa Cruz (1931, Cochabamba - 1980, La Paz) wird Gulf verstaatlicht.

1969-12-03

Aufnahme diplomatischer Beziehungen mit der Sowjetunion

Ende der 1960er-Jahre

Beginn des Sojaanbaus in den Ebenen. Soja entwickelt sich in der Folgezeit zum wichtigsten landwirtschaftlichen Export.


Abb.: Soja

 


Abb.: Sojaverarbeitungsanlage, Santa Cruz, um 1995

[Bildquelle des rechetn Bildes: Los ciemientos de Santa Cruz. -- La Paz : Sociedad Boliviana de Cemento, 1997. -- S. 190f.]

1970er-Jahre

Eine repräsentative Auswahl bolivianischer Volksmusikproduktionen:


Abb.: Bolivianische Volksmusik auf Tonträgern

[Bildquelle: Paredes, Julio Cesar: Perfil de la música popular boliviana : la de las setenta. -- In: Encuentra. -- La Paz. -- Año V, N° 11 (1995-12). -- S. 18]

Nach 1960

Gründung des Vokal- und Instrumentaltrios Los Inca Taki durch Maurice Assouline, Jorge Castro und César Espada.

Anfang der 1970er-Jahre

Gründung der Rockgruppe Wara


Abb.: Logo® von Wara

"Grupo Boliviano que se formo a principios de los 70´s, cuando en esa época se desarrollaba el Rock Psicodelico, donde Wara empiéza a tocar ese estilo de música, en la mayoria de los temas de su primer Lp se encuentran solos de guitarra y organo, también la mayor parte de sus letras eran relacionadas en una novela "RAZA DE BRONCE" de Alcides Arguedas(1879-1946), quien escribió también Pisagua, Wata-Wara, Vida Criolla, Pueblo Enfermo.

Wara fue un grupo que ocasiono un gran cambio sociologico en nuestra sociedad boliviana al ser pioneros en explotar canciones musicales autóctonos previamente no expuestos al publico en general, en donde la juventud empieza a interesarle nuestra música, cambiando los instrumentos electricos por quenas, charangos, tarkas, zampoñas, etc. Su Primera grabación fue un simple o single donde se encontraba Kenko y Realidad(témas que se encuentran en su futuro primer álbum), tuvo una buena acogida del publico, lo cual hizo posible grabar su primer Lp llamado "El Inca"(Música Progresiva Boliviana), el primer grupo Boliviano y único en crear Rock Progresivo.

Wara estaba conformado por Carlos Daza(Guitarra Electrica), George Cronembold (Bateria), Pedro Sanjines(Teclado), Nataniel Gonzales, Dante Uzquiano (Voses), Omar Leon(Bajo).

Luego Wara empieza a estudiar su gran riqueza músical altiplánica, y decide pasar un tiempo en distintas comunidades, donde empieza a aprender mas sobre su gente, cultura, su pasado, su música andina. Wara empieza a producir un estilo musical único, mezclando dos tipos de estilos musicales muy diferentes, y lográndolo a la perfección. Donde crean un nuevo estilo de musica Boliviana De ahí en adelante empiézan a hacer esta clase de música, fueron muy originales al nombrar a todos sus Lps números en Aymara y su Hichhanigua Hikjatata(Ahora a de ser Encontrado)"

[Quelle sowie Webpräsenz: http://www.angelfire.com/wa/wara/. -- Zugriff am 2002-02-06] 

1970 - 1998

Bolivien ist (auch 2001) ein Land, in dem es täglich viele Streiks, Demonstrationen und andere öffentliche Auseinandersetzungen gibt. Folgendes "conflictograma" von CERES gibt einen Eindruck von der Anzahl der monatlichen neuen öffentlichen Konflikte (diese Statistik erfasst von 1970 bis 1998 7647 öffentliche Konflikte).


Abb.: Anzahl der monatlich neuen Konflikte 1970 - 1998

[Quelle der Abb.: Calderón G., Fernando ; Szmukler, Alicia: La política en las calles : política, urbanización y desarollo. -- La Paz : Plural, ©2000. -- ISBN 84-89891-64-8. -- S. 337]

1970

Diosan markapan q'uchunakapa / Radio San Gabriel. -- Lima : Stella, 1970. -- 233 S. -- [Gebet- und Gesangbuch in Aymara]


Abb.: Umschlagtitel der 6. Aufl., 1992

1970

Nachdem 1969 dem Norweger Thor Heyerdahl (1914, Norwegen - 2002) die Überquerung des Atlantik im Papyrusboot Ra I misslungen ist, gelingt ihm nun die Fahrt von der Nordküste Afrikas zu den KKleinen Antillen mit dem von vier Aymaras des Titicacasees gebautem Boot Ra II.


Abb.: Die von Aymaras erbaute Ra II

[Bildquelle: http://www.kon-tiki.no/Expeditions/. -- Zugriff am 2002-03-28]

1970-04-14

Programa Nacional de Alfabetización y Educación de Adultos (Decreto Supremo No. 09177).


Abb.: Plakat, 1970


Abb.: Aufruf an die Schüler der Sekundarstufe, bei der Alphabetisierung mitzuwirken, 1970

Quelle der Abb.: Baptista Gumucio, Mariano <1931, Cochabamba - >: Alfabetización : un programa para Bolivia. -- La Paz : Los Amigos del Libro, 1973. -- S. 228, nach S. 245]

Durch Articulo 67 dieses Programa wird der Banco del Libro geschaffen. 

"Artículo 67. A efecto de producir, reunir y facilitar material de alfabetización y de educación de adultos, así como de fomentar el establecimiento y conducción de bibliotecas populares, escolares y extra-escolares, de todos los niveles educativos, créase el Banco del Libro como institución cultural mixta, fiscal y privada, en escala nacional, dependiente del Ministerio de Educación, con sede central en La Paz y agencias en la República."

Als Anfangsfond hat der Banco del Libro 10.000 Exemplare Bücher und 30.000 Exemplare Zeitschriften.

"El Gráfico que aquí observas habla del "Banco del Libro" que es una INSTITUCIÓN CULTURAL en servicio de la Educación Popular.

Ha sido creado, como anexo al Programa Nacional de Alfabetización y Educación de Adultos. Su objeto, entre otros es acumular toda clase de material de alfabetización y post-al-fabetización (cuadernos, revistas, cartillas, libros pizarras, lápices, etc, etc.) en pro de los pueblos y ceptros más olvidados.

Constituye además un "Movimiento Cultural" que propicia la creación de: 

  • Bibliotecas populares
  • Bibliotecas estudiantiles
  • Bibliotecas rodantes
  • Cooperativas del libro
  • Foros del libro
  • Calles del libro
  • Canje de libros
  • Cursillos de biblioteconomía
  • Guías selectivas de lectura
  • Fichero de "recensiones" de obras importantes
  • Organización de "Lecturas Comunales"
  • Organización de festivales artísticos-recreativos
  • Buzón de preguntas. 
  • Etc., Etc.

 

Se organiza administrativamente bajo la atención del Ministerio de Educación y Cultura; mediante un DIRECTORIO MIXTO (con personal de los sectores oficial y privado) por "EQUIPOS DE TRABAJO" que se denominan por la función que voluntariamente eligen sus integrantes y así tenemos:
  • "Equipos de Promoción" que trabajan en el reclutamiento y formación de personas que desean trabajar como "Voluntarios de la Educación Popular"
  • "Equipos de Recolección" que se dedican a acumular libros revistas, cartillas, etc, tanto nuevos como usados.
  • "Equipos de Producción" que restauran y clasifican el material recogido.
  • "Equipos de Administración" que organizan los servicios auxiliares (embalaje, transporte, movilidad, etc.) de registro, de kardex, contabilidad, etc.

Tú tienes un puesto en cualquiera de esos equipos.

Tú puedes actuar en cualquiera de las secciones de tu "Movimiento Cultural".

Tú puedes aportar libros, revistas y material recolectado entre tus compañeros, amigos y familiares.

No olvides que colaborar con el Banco del Libro es trabajar por la cultura popular boliviana y asentar auténticos cimientos del Desarrollo Nacional."


Abb.: Karikatur "Banco del Libro". -- In: El Diario. -- 1970-06-25

 


Abb.: Ein Hauptproblem bei der Alphabetisierung sind die Lehrer. Karikatur: der Lehrer zwischen den Einflüsterungen des Teufels (huelga = Streik) und des Engels (clases = Unterricht). -- In: Hoy. -- 1970-08-16

Quelle der Abb.: Baptista Gumucio, Mariano <1933, Cochabamba - >: Alfabetización : un programa para Bolivia. -- La Paz : Los Amigos del Libro, 1973. -- S. 112, nach S. 245


Abb.: Banco del Libro, Filial No 112, Coroica, Nor Yungas (Dep. La Paz) (Bild: Payer, 2001-11-25)

1970-07-18 bis 1970-11-05

Die Guerilla de Teoponte (ELN)  kämpft in der Gegend um Teoponte (DEp. La Paz). Es ist eine christlich motivierte Guerilla-Bewegung, die glaubt Gegengewalt sei die notwendige christliche Antwort auf strukturelle Gewalt. Die Guerilla besteht aus ca. 70 Mitglidern. Prominente Mitglieder sind  Osvaldo Peredo und Nestor Paz Zamora (geboren 1945, verhungert 1970-10-08) (der Bruder von Jaime Paz Zamora). Die Guerrila wurde durch Napalm-Einsatz und Aushungern zur Kapitulation gezwungen.

Aus dem Tagebuch von Nestor Paz Zamora

Paz Zamora, Nestor <1945, Sucre - 1970, Teoponte>: My life for my friends : the guerrilla journal of Nestor Paz, Christian / translated and edited by Ed Garcia and John Eagleson. -- Maryknoll, N.Y. : Orbis Books, 1975. -- 103 S. : Ill. -- ["Originally published in various sources, including Los cristianos y la revolucion, Quimantu, Santiago de Chile, 1972, and Suplemento de Pastoral popular (Santiago de Chile) no. 125."]

"Eine größere Liebe hat niemand, als wer sein Leben hingibt für seine Freunde. Dies ist das Hauptgebot, das das ganze Gesetz zusammenfasst. Aus diesem Grunde haben wir die Waffen ergriffen, um die ungebildete und unterernährte Mehrheit von der Exploitierung einer Minorität zu befreien und die Würde eines entmenschlichten Volkes zurückzuerobern." [S. 22f.]
"Ich glaube, dass das Ergreifen der Waffen der einzig effektive Weg ist, den Armen gegen seine gegenwärtige Exploitierung zu schützen, der einzige effektive Weg, den freien Menschen entstehen zu lassen.
Ich glaube, dass der Befreiungskampf in der prophetischen Linie der Heilsgeschichte begründet ist." [S. 24]
[Übersetzung: Hofmann, Manfred: Bolivien und Nicaragua - Modelle einer Kirche im Aufbruch. -- Münster : edition liberación, ©1987. -- ISBN 3-923792-22-0. -- S. 39f.]

1970-10-07 bis 1971-08-21

General Juan José Torres Gonzáles (1921, Sacaba - 1976, Argentinien) ist verfassungswidrig (Staatsstreich) Präsident


Abb.: Juan José Torres


Abb.: Militär besetzt den Plaza Murillo in La Paz bei einem der vielen Staatstreichs

[Quelle der Abb.: Bolivia mágica : [enciclopedia] / Hugo Boero Rojo (ed.). -- La Paz : Vertiente.  -- Depósito legal 4-2-590-92. -- Tomo II. -- 1993. -- S. 132]


Abb.: Hauptquartier der Streitkräfte, La Paz. -- Zeitweilige Hauptbeschäftigung: Staatsstreichs

[Bildquelle: Enciclopedia de Bolivia / Carlos Gispert ... -- Barcelona : Oceano, ©2000. -- ISBN 84-494-1428-8. -- S. 514]


1970-12

Manrique Hurtado, Jorge <Erzbischof von La Paz><1911, La Pz - 1995, La Paz>: Una nueva politica para Bolivia. -- In: Búsqueda pastoral. -- 12, 1970. -- S. 36 - 39

"Das aktuell Notwendige ist die Befreiung des Menschen und des Volkes, denn der Ausgangspunkt ist nicht einfach die wirtschaftliche Unterentwicklung, sondern eine Situation der Sünde, die in der Institutionalisierung der Ungerechtigkeit besteht. Jeder neue Entwicklungsplan, der nicht die Befreiung des Menschen und des Volkes zum Ziel hat, ist zum Scheitern verurteilt.

Die Frustrierung des Volkes, die das Ergebnis so vieler »Lösungen« für die Unterentwicklung ist, drückt sich in der Straßengewalt und den Guerillas aus oder in der machtlosen Apathie und dem eingeschlossenen Individualismus.

Die neue Ethik verwirft die statische Idee der Freiheit und fordert den dynamischen Prozess der Befreiung. Die Befreiung ist mehr als Emanzipation von der Unterdrückung, sie ist die Öffnung für ganz neue Möglichkeiten im Sozialen. ...

Die aktuelle Krise im Land ruft dringend nach den Christen, ihr Leben und ihren sozio-politischen Einsatz in Christus zu re-interpretieren.

Das Evangelium ist nicht ein Handbuch mit konkreten Antworten. Auch wir wollen keine billigen Rezepte geben.

Was Christus bringt, ist noch wichtiger. Es ist eine neue Vision, die ständig weiterführt als die Ideologien und Reiche dieser Welt. Sein eschatologisches Reich gibt die Hoffnung, die den Weg zu einer immer größeren Befreiung ebnet.

Die Liebe, die Christus gibt, ist die einzige vereinende und die sozio-politischen Strukturen verändernde Kraft. Deswegen muss das Christentum präsent sein als eine permanente Revolution, die sich in den Prozess inkarniert, das Vaterland zu bolivianisieren. ... Sonst hat das Christentum keine Zukunft in Bolivien....

Wir brauchen nicht zu zerbrechen. Nicht nur durch unsere Kräfte, sondern durch die Präsenz des Herrn Jesus und die Dynamik seiner Auferstehung wird uns der Sieg gehören. ...

Der authentische Fortschritt der Geschichte ist eine neue Schöpfung, die durch neue Menschen erstehen wird." [S.37f.]

[Übersetzung: Hofmann, Manfred: Bolivien und Nicaragua - Modelle einer Kirche im Aufbruch. -- Münster : edition liberación, ©1987. -- ISBN 3-923792-22-0. -- S. 32]

1971

Jesuiten gründen in La Paz den Centro de Investigación y Promoción del Campesinado (CIPCA)

"Centro de Investigación y Promoción del Campesinado (CIPCA)

Fundado en La Paz (1971) por un grupo de jesuitas. Empezó atendiendo el sector rural aymara; en 1976 fue creada una filial en Cochabamba para el sector quechua y otra en Charagua (y, de ahí, Camiri), para el sector guaraní; en 1978 se añadió otra sección en S. Cruz, inicialmente para las áreas de colonización y, desde 1999, también para los Guarayo; y en 1997 se crearon las dos últimas oficinas: en S. Ignacio de Mojos para los diversos grupos étnicos del área, y en Riberalta, desde donde se atiende también a las provincias limítrofes de Pando.

Su misión es «contribuir a que campesinos e indígenas -hombres y mujeres- participen, de manera equitativa y coherente con su cultura, en los mecanismos de poder y de toma de decisiones y en la producción y distribución de bienes y servicios».

Su enfoque ha combinado la investigación y la acción en temas vinculados con aquellos propósitos.

Desde 1995 se convirtió en asociación civil sin fines de lucro, en la que la Compañía de Jesús mantiene un tercio de miembros en la asamblea de socios (pero no puede estar presente en el directorio).

Viene publicando la serie 'Cuadernos de investigación CIPCA', que hasta 2000 llegaba a 54 títulos; en ellos ha tocado temas económicos, políticos, culturales, históricos, lingüísticos, etc.; fuera de esta serie tiene otras muchas publicaciones o coediciones de tipo técnico, didáctico o para uso interno (p. ej., sus varios 'Diagnósticos' interdisciplinarios e interinstitucionales para diversas áreas de trabajo).

En La Paz mantiene una biblioteca especializada en el tema rural/ campesino/ indígena, con unos 30.000 documentos.

Sus señas: Casilla postal 5854, La Paz, Bolivia; Fax (591-2) 491258; correo-e: <cipca@caoba. entelnet. bo>."

[Xavier Albo SJ. -- In: Diccionario histórico de Bolivia / redactado bajo la dirección de Josep M. Barnadas con la colaboración de Guillermo Calvo y Juan Ticlla. -- Sucre : Grupo de Estudios Históricos, ©2002. -- 2 Bde : 1152, 1217 S : 23 Karten. -- ISBN 84-8370-277-0. -- Bd. 1, S. 489f.]

1971

Präsident Torres weist das US Peace Corps [Webpräsenz: http://www.peacecorps.gov. -- Zugriff am 2002-10-09]  aus Bolivien aus

1971

Lara, Jesús <1898, Muela - 1980, Cochabamba>: Diccionario qheshwa - castellano, castellano qheshwa. -- La Paz [u.a.] : Los Amigos del Libro, 1971. -- 437 S.


Abb.: Seite aus dem Diccionario. -- 5. ed. -- 2001

"Lara, Jesús
*1898 in Muela/Cochabamba, †6.9.1980. Er wuchs in ärmlichen Verhältnissen auf, wurde Lehrer, später Hochschullehrer. Er war Mitglied der Kommunistischen Partei, aus der er 1969 ausgeschlossen wurde, nachdem er in einem offenen Brief der Parteileitung den Verrat an E. Guevaras Guerilla vorgeworfen hatte.

Die Kultur der Quechua-Indianer und die sozialen Verhältnisse Boliviens bilden die Konstanten seines Oeuvres, das Lyrik, Romane, Essays und Anthologien umfasst. Laras erste Veröffentlichung ist ein Gedichtband Aráwij Arawiku (1917) -- etwa »Gesang des Dichters«. Wie auch in einem weiteren Band Pauqarwara (1947) und in seinem erzählenden Werk verwendet er eine Vielzahl von Begriffen aus dem Quechua, in dem, wie es in seinem Essay La poesía quechua (1944) heißt, »jedes Wort eine stilisierte Metapher ist, musikalische Essenz enthält und eine Farbe besitzt, wie sie in blühenden Tälern anzutreffen ist«. In diesem Essay über die gesamte Kultur der Quechua seit den Zeiten der Inka-Herrschaft wird die Revision eines Geschichtsbildes vorgenommen, das »von Spaniern geprägt und ebenso verfälscht worden« sei »wie beispielsweise die Geschichte des Römischen Reiches, wenn Hunnen sie überliefert hätten«. Laras erstes größeres Prosawerk Repete (1937) ist ein Roman in Tagebuchform über den Chaco-Krieg, den er selbst miterlebte. Die Serie seiner Romane über Leid und Unterdrückung der Indianer beginnt mit Surumi (1943). Lara setzt mit diesem und den folgenden Romanen den sozialkritischen Indigenismus fort, zu dessen wichtigsten Vertretern in Bolivien A. Arguedas mit dem Roman Raza de bronce zählt. Lara allerdings hat diesem eine weit intensivere Kenntnis und Einfühlungsgabe in die Mentalität der Quechua voraus. Insofern steht er dem Peruaner J. M. Arguedas wesentlich näher, auch wenn er sich mit dessen Sprachkunst nicht messen kann und will. So übernimmt Lara nicht die syntaktische Struktur des Quechua, aber er gibt seinem Spanisch durchgängig eine eigenartige Färbung und übernimmt Quechuanismen, um zwischenmenschliche Beziehungen des Gefühls und der Verwandtschaft nuancierter wiederzugeben. Eine in sich geschlossene Trilogie bilden die Romane Yawarnínchij (1959), Sinchikay (1961) und Llalliypacha (1965). Der letztere, der den Untertitel »Zeit zum Siegen« führt, behandelt die Jahre nach dem Chaco-Krieg bis zum Beginn der Agrarreform, 1953. Die Bauernmilizen der Zone haben zum Schluss militärisch gesiegt und es deutet sich an, dass bald das ganze Land von Unterdrückern befreit wird. Den dichten Realismus und die psychologisch überzeugende Gestaltung einer Vielzahl von Personen in der Trilogie erreichen weder Surumi noch Yanakuna (1952.; dt. Verkauft wie Schaf und Huhn (1967). Im Schicksal der Protagonistin des letztgenannten Romans wird der Leidensweg der indianischen Frau exemplifiziert. Weniger doktrinär und mit einer Tendenz zum sarkastischen Humor ist der Roman Sujnapura (1971) geschrieben, der die Geschichte Boliviens in den ersten Jahrzehnten dieses Jh.s und im Rahmen verschiedener Schauplätze -- Hauptstadt, Provinz, Chaco-Krieg  --  zu erfassen sucht. Die Guerilla Guevaras behandeln die Erzählungen des Bandes Ñancahuazú: Sueños (1969), in denen Dokumentarisches, eigenes und familiäres Erleben sowie traumhafte Visionen ineinander verwoben sind. Laras Schwiegersohn war Guido »Inti« Peredo, einer der Begleiter Guevaras, der dessen Kampagne überlebte, aber 1969 von der bolivianischen Polizei erschossen wurde. Seine Lebensgeschichte und die (partei-) politischen Hintergründe hat Lara in Guerrillero Inti Peredo (1971, ²1980) dargestellt.

Weitere Werke: Lyrik: Flor de loto. Mensaje de amor a la mujer china (1960); Prosaskizzen: Viaje a Inkallajta (1917); Memoiren: Paqarin (1974). Sasañán (1975), Wichay-Uray (1977), Winaypaj. Para siempre (1986); Essays, Sonstiges: Tragedia del fin de Atawallpa (1957), Leyendas quechuas (1963), Poesía populár quechua (1965), La cultura de los inkas (1966/67, 2 Bde.), Inkallajta, Inkaraqay (1967), El Tawantinsuyu (1974, ²1990), Chajma
(1978.).

[Autorenlexikon Lateinamerika / hrsgg. von Dieter Reichardt. -- Frankfurt

: Suhrkamp, ©1992. -- ISBN 3518404857. -- S. 141 - 143. -- {Wenn Sie HIER klicken, können Sie dieses Buch  bei amazon.de bestellen}]

1971

Poppe, René <1943, La Paz - >: Después de las calles. -- [La Paz : Camarlinghi], 1971. -- 261 S.

"Poppe, Rene

* 2.4.1943 in La Paz.

Sein erster Roman Después de las calles (1971) ist eine an der modernen europäischen und lateinamerikanischen Literatur geschulte Darstellung der Situation an der Universität von La Paz, die in einer Vielzahl von Ebenen und Episoden das Leben der revolutionären Studenten zum Thema hat. Der Titel ist suggestiv: »Nach der Straße«, was kommt dann? Poppe ging 1971 als Arbeiter in die Minen von Siglo XX. Dort erhielt er Einblick in die Welt, die seither das Thema seiner Erzählungen bildet: die Welt der Minenarbeiter. Er beschreibt ihr Leben, die Arbeit, den politischen Kampf und die Niederlagen in der ihnen eigenen einfachen und unsentimentalen Sprache. Die alltäglichen Aspekte ihres Kampfes werden jedoch nicht nur auf der offensichtlich politischen Seite beleuchtet, sondern in Poppes Universum ist auch Platz für die mythische Komponente des Lebens und Sterbens in den bolivianisch Minen.

Weitere Werke: Khoya loca (1973), El militante y la muerte (1975), El paraje del tio y otros cuentos mineros (1979)."

[Wolfgang Schupp. -- In: Autorenlexikon Lateinamerika / hrsgg. von Dieter Reichardt. -- Frankfurt

: Suhrkamp, ©1992. -- ISBN 3518404857. -- S. 146. -- {Wenn Sie HIER klicken, können Sie dieses Buch  bei amazon.de bestellen}]

1971

Der peruanische Theologe Gustavo Gutiérrez veröffentlicht das für die "Befreiungstheologie" Lateinamerikas grundlegende Buch:

Gutiérrez, Gustavo <1928 - >:. Teología de la liberación : perspectivas. -- Lima <Perú> : CEP, 1971. -- 389 S. -- (CEP ; 3)

Deutsche Übersetzung:

Gustavo Gutiérrez <1928 - >: Theologie der Befreiung. -- München : Kaiser; Mainz : Matthias-Grünewald-Verlag, 1973. -- 288 S. --- (Gesellschaft und Theologie : Abt. systemat. Beitr. ; Nr. 11). -- ISBN 3-459-00878-4 (Kaiser) : 3-7867-0416-3 (Matthias-Grünewald-Verlag). -- [1992 erschien schon die 10. deutsche Auflage!]

1971

Torrico Prado, Benjamin: Indigenas en el corazon de America; vida y costumbres de los indigenas de Bolivia. -- . La Paz : Los Amigos del Libro, 1971.  -- 291 S. Ill.

"Die Matakos von unstetem und reservierten Wesen, sind feige, gleichgültig, faul und stumpfsinnig. Als triebhafter Dieb lebt er in Armut. Jedes fremdartige Ding erregt seine Aufmerksamkeit und er möchte es besit/en. Wie ein Affe, deichselt er alles mit lachendem Gesicht ..." [a.a.O., S. 138]
  "Der Urwaldbewohner ist ein wahres menschliches Tier, wie gebildet er auch sein mag. es ist ihm niemals zu trauen, da er stets den Trieb des Bösen bewahrt." [a.a.O., S. 184]

[Zitate und Übersetzung: Riester, Jürgen: Ostboliviens versklavte Indianervölker. -- Hamburg : Gesellschaft für bedrohte Völker, 1976. -- (Pogrom ; Nr. 46, 1976-11). -- S. 40]

1971

Bildung der Federación Franciscana Boliviana aus allen Franziskanerprovinzen Boliviens, mit dem Ziel eine einzige Franziskanerprovinz zu bilden. 1993 wurde dieses Ziel verwirklicht mit der Bildung der Provincia Misionera San Antonio de Bolivia.

1971

Vega Rodriguez, Julio de la <1924 - >: Matías, el apostol suplente. -- Cochabamba [u.a.] : Los Amigos del Libro, [1971]. -- 157 S.. -- (Collección Premio novela "Erich Guttentag")

1971


Abb.: Leo Schwarz

Schwarz, Leo <1931, Braunweiler - >: Pachamama ist anders :  ... und wie es in Bolivien weiterging. -- Trier : Bolivien-Freundeskreis Prietsrseminar <Trier>, 1971. -- 132 S. -- [Der Autor, Priester des Bistums Trier, war 1962 bis 1970 zusammen mit elf anderen Priestern des Bistums Trier in der Seelsorge in Bolivien tätig.]


Abb.: Lage von Vaca Guzmán = Muyupampa (©MS Encarta)

"GEHT MAN DESHALB AUF DIE BARRIKADEN?

In den Zeitschriften, Zeitungen und Büchern wird viel über das Bruttosozialprodukt pro Kopf der Bevölkerung geschrieben. Es werden ständig Vergleiche angestellt zu den Vorjahren, und Prognosen gesucht für die Zukunft. So gelehrt wurde bei uns nie geredet. Es ging ja immer nur um die neue Hose, das neue Hemd, den neuen Umhang für die Frau, vielleicht noch ein paar billige Plastikschuhe, die jetzt in Mode gekommen sind, und wenn es dann noch reichte für das tägliche Brot, um so besser. Es war keine Zeit zum Vergleichen, die Not des Augenblickes war immer so groß, dass das Wort „Sparen" auch nach dem Triumph und dem Bankrott der Spar- und Darlehens-Kasse noch nicht in Gebrauch kam. Ein paar Schulhefte, die der Lehrer für die Kinder forderte, konnten den ganzen kleinen Familienhaushaltsplan durcheinander bringen. Ein zweitesmal noch zeigte sich eine Chance für Muyupampa, wurde wieder von Hoffnung und Erwartung gesprochen, ja sogar ein ganzes Programm für den stufenweisen Fortschritt der Provinz entwickelt. Das war damals, als die Traktoren der Erdölgesellschaft über Nacht nach Muyupampa kamen, anfingen, die Wege zu verbreitern, Felsen zu sprengen und die engsten Kurven auszubauen. Mitten durch die bebauten Felder wurden die Straßen gezogen. Und niemand sagte ein einziges Wort. Das Geheimnis hieß „regalías", Abgaben der Erdölgesellschaft an die Provinz, je nachdem, wieviel Petroleum gefördert wurde.

Es brummten die Caterpilars und die Achtzylinder-Diesel« motoren. Die Achsen wurden gezählt und die Räder, die riesigen Lasten, Maschinenlasten, bewundert, die da herangeschleppt wurden. Und alle sagten: „Jetzt wird es besser. Jetzt kommt unsere Stunde."

Wer zwei Tische zuviel hatte und vier Stühle, der hängte ein Schild vor die Tür mit der Aufschrift „Bar" oder „Hotel". Man holte sich Holz aus dem Wald und begann zu kochen. Man war nicht neidisch, wenn die „petroleros", die Arbeiter der Erdölgesellschaft, schon am Morgen ihre „Beefsteaks" bekamen, wenn sie alle ein wenig wie gut genährte Amerikaner aussahen, wenn sie zehnmal mehr verdienten als die Kleinbauern. Man gestand ihnen das elektrische Licht zu und den Tonfilmapparat. Sie brauchten nicht am Gottesdienst teilzunehmen; durften während der Predigt ihre Motoren warmlaufen lassen und ich weiß nicht, was sonst noch alles. Wenn es ihnen nur gelang, unsere Erde in Muyupampa an der richtigen Stelle anzuzapfen.

Bei den Schichtwechseln ließ sich schon einmal der eine oder andere aus Muyupampa in die Berge mitnehmen. Sie kamen zurück und wussten zu erzählen von riesigen Zementierungen und wachsendem Eisengestänge. Auf einmal schwebte Licht in den Bergen, die ganze Nacht, Da wussten wir, jetzt drangen die Bohrer in die Erde. Die Lastzüge mit Eisenrohren wurden häufiger, und es ging das Gemurmel: „Sie sind schon auf fünfhundert Meter."

Neue Versammlungen gab es im Dorf. Und in einer der letzten beschlossen die Leute, eine ganze Kuh an den Spieß zu stecken: „Damit die ,petroleros' die Lust nicht verlieren und ihre Arbeit gewissenhaft verrichten." Vielleicht dachte man auch an ein kleines Opfer für die Erdgöttin Pachamama. Die Kuh wurde gegessen; die Bohrer drangen tiefer. In den Fürbitten hieß es: „Dass du uns einen erfolgreichen Ausgang der Bohrungen schenken wollest." Und obwohl wir den Atem anhielten vor Erwartung, kam eines Tages der schreckliche Funkspruch: „Bohrung Nr. l Muyupampa ergebnislos eingestellt." Das durfte nicht sein. Irgendein Irrtum. Ein schlechter Standort für die Bohrung. Böser Wille. Nur jetzt nicht aufgeben! La Paz wurde mit Telegrammen bombardiert. Gott sei Dank, die zweite Bohrung wurde genehmigt. Wieder wurden Bohrlöcher zementiert. Aber alles verlief viel zähflüssiger. Die Traktoren kamen seltener, irgendwo stockte etwas, und wieder stockte der Atem der Leute. Die amerikanische Erdölgesellschaft „Gulf" war enteignet worden, nationalisiert. Die Sender brachten es mit Marschmusik. „Bolivien holt sein Eigentum zurück. Bolivien geht seinen eigenen Weg."

Wer hätte das nicht gewünscht. Aber niemand ahnte die Komplikationen. Niemand wusste die Macht der amerikanischen Konzerne abzuschätzen, den langsamen und sicheren Würgegriff im gesamten Aufschwung. Die Tanks in Arica waren voll öl, aber niemand kaufte, kein Tanker legte mehr an aus Angst vor den Amerikanern. In Argentinien wurden die schon auf Eisenbahnzüge verladenen Rohre zurückgehalten und beschlagnahmt. Wer verstand in Muyupampa schon die Zusammenhänge, und was lag der „Gulf Oil" an der winzigen Hoffnung der kleinen Leute von Muyupampa?

Die Staatskasse und die Kasse der nationalen Erdölgesellschaft leerten sich immer schneller. Die finanziellen Verpflichtungen wuchsen ins Unermessliche. Was sollte man da noch in Muyupampa bohren? Sie wollten nicht mehr. Sie dachten nicht mehr an die Kuh, die man ihnen gebraten hatte. Sie wollten die Maschinen zurückholen. Da gingen die kleinen Leute von Muyupampa auf die Barrikaden. „Sperrt die Wege! Blockiert die Zufahrtsstraßen! Gründet ein Notkomitee! Läutet die Glocken!" Ich habe Angst bekommen. Es war wie ein Rausch, der sie erfasste. Was hätte ich ihnen sagen sollen? „Schlagt eure Hoffnung tot, so wie ihr eure Kuh totgeschlagen habt? ..."

Da floh ich. Packte den Jeep. Und während die Glocken zur Versammlung riefen, fuhr ich ins Kolonisationsgebiet.

Erst spät in der nächsten Nacht kam ich zurück. Auf der ganzen Strecke kein einziges Fahrzeug. Die Blockade? Es war eine mondhelle und sehr kalte Nacht. Schon ging es in die letzten Kurven, allzu bekannte Kurven, und ich fuhr schnell. Plötzlich ein Baumriese mitten im Weg. Meine Passagiere wären über die Kabine hinweggeschleudert worden, wenn sie sich nicht gerade noch am Karosserieaufbau gefangen hätten. Die Bremsflüssigkeit reichte eben noch aus, um die Kiste auf den Zentimeter genau vor dem gefällten Baum zum Halten zu bringen. Also doch! Die hellen Holzspäne lagen noch überall verstreut.

Ich war lange genug in Muyupampa, um den heimlichen Weg in das Land zurückzufinden. Vorsichtshalber ließ ich den Jeep in der Genossenschaft und legte den Rest des Weges zu Fuß zurück.

Wallensteins Lager. An allen Zufahrtswegen brannten kleine Feuer und warteten schweigende Männer. Lastwagen standen quer, und Hunde waren als Wächter an die Stoßstangen gebunden. Nach den Gesichtern der Leute zu urteilen, standen die Aussichten sehr schlecht. Ich stellte mich zu ihnen ans Feuer. Sie erzählten. Zuerst war alles sehr gut verlaufen. Der Regionalingenieur der staatlichen Erdölgesellschaft hatte sofort nach Bekanntwerden der Barrikade seinen Besuch per Flugzeug zugesagt. Sogar zu einem Flugfeld hatten wir es ja in der Zwischenzeit gebracht. Aber irgendeiner hatte in der Versammlung den Vorschlag gemacht, man solle doch eben diesen Regionalingenieur gleich als Geisel festhalten, bis alle Forderungen erfüllt würden. Und das war nun wieder zurückgefunkt worden. Einer war Spitzel gewesen. Jetzt ging es um den längeren Atem. Etwa fünfzehn Privatfahrzeuge lagen im Dorf fest, Geschäftsleute, die ihre Verpflichtungen hatten und zufällig in die Barrikade geraten waren. Der Langstreckenbus von Camiri nach Sucre hatte noch frühzeitig Lunte gerochen und war mit seinen Passagieren nach Camiri zurückgekehrt. Die Wachen wurden in der Nacht verstärkt, und auch die Frauen wurden eingesetzt.

Am nächsten Morgen standen die in den Streik geratenen Chauffeure in kleinen drohenden Gruppen zusammen. Wie ein begossener Pudel schlich, ich mich in die Funkabteilung, um noch einmal den Regionalingenieur einzuladen. Um zehn Uhr landete das Flugzeug. Er hatte sich vorsichtshalber einen General und ein paar Offiziere mitgebracht. Noch einmal rissen sie an den Glockenseilen. — Wie gut, dass uns eine Trierer Gemeinde diese Glocke gestiftet hatte.

An diesem Tag sollte es lein warmes Mittagessen mehr geben. Alles, was Beine litte, lief zur Plaza. Die Kinder waren ob der vielen Füße erschrocken und klammerten sich an ihre Mütter und Großmütter, die sich vor General und Ingenieuren erwartungsvoll auf die Erde niederließen. Jene saßen auf schlecht gepolsterten Stühlen, und alle anderen hockten um sie herum und wurden nach und nach in die schattenlose Glut einer unbarmherzigen Sonne gerückt.

Eine Stunde, zwei Stunden, drei Stunden. Die Ingenieure, die ihr amerikanisches Diplom in der Tasche hatten, hielten eine monotone Vorlesung über die geologische Struktur des Iñaogebirges und dessen besondere Bedeutung für die Erdölgewinnung. Spätestens nach einer Stunde hatten sie mit allen möglichen und unmöglichen Fachausdrücken Kind und Kegel den Schädel eingeschlagen. Den Rest besorgte die unerbittliche Sonne. Viele hatten die Hände erhoben, um sich ihrer zu erwehren. Aber die Geste war bezeichnend.

Es wagte einer der Ingenieure zu sagen, die letzten Zementierungen für die zweite Bohrung hätten zwar 50 000 US-Dollar gekostet. Aber man müsse halt mit Verlusten rechnen. Das Weiterbohren käme noch teurer.

50 000 US-Dollar für die Katz. Die gesamte landwirtschaftliche Produktion unserer Provinz erreichte nicht diese Summe.. . Einer nach dem ändern schlich nach Hause. Manche vergaßen ihre Hände vom Gesicht zu nehmen, das ihnen mehr die Scham und stumme Wut als die Sonne gerötet hatten. Die aufgehaltenen Chauffeure suchten nach Äxten, um die gestürzten Bäume aus dem Weg zu räumen.

Jetzt liegen in den Bergen von Muyupampa 50 000 US-Dollar in Zement. Und niemand wird sie wegschleppen bis ans Ende der Welt. Als Trost haben sie dann einen Traktor geschickt und zwei Sportplätze für die Gemeinde ausgewalzt.

Ich hatte einen bitteren Geschmack im Mund, so wie damals in Camiri, als man mir für einen Toten keinen Sarg geben konnte, dafür aber eine Musikkapelle anbot."

[a.a.O., S. 38 - 43]

1971


Abb.: Schallplatte: Los Kjarkas desde el Japon. -- 1985. -- Mit: Gonzalo Hermosa, Ulises Hermosa, Elmer Hermosa, Gaston Guardia, Edwin Castellanos, Fernando Torrico

Bildung von Los Kjarkas, der in der Folgezeit wohl populärsten Musikgruppe Boliviens. [Webpräsenz: http://loskjarkas.net/. -- Zugriff am 2002-02-15] 

"Los K'jarkas

In Bolivia innumerable groups have followed the Los Jairas model. Among the more prominent -- through tours or recordings -- are

  • Los K'jarkas.
  • Savia Andina,
  • Khanata,
  • Los Quipus,
  • Wara,
  • Los Yuras,
  • Grupo Aymara and
  • Paja Brava.

But there are exceptional musicians and groups to be found throughout the country, and they are taking Andean music in many directions. While some continue to deliver inspired arrangements of traditional tunes, others play foreign music on traditional instruments to demonstrate the instruments' virtuosity. There are also those who use both instrument and music as the basis for new composition, sometimes involving ideas and values from contemporary classical music. As a result the same 'tune' can appear in different guises under different titles in various styles.

Los K'jarkas, from the city of Cochabamba, were (and are) the country's most influential and successful group. Like many such bands, they formed around a family - the three Hermosa brothers, each bi-lingual in quechua and Spanish, and each composers. They have am a music school in Cochabamba for many years, contributing to a generation of musicians who have formed their own groups. In common with other Bolivian bands they exhibit a strong sense of national identity by wearing Amerindian peasant ponchos and using various emblems. The name 'K'jarkas' refers to the pre-Spanish fortresses while the group's logo -- a stylised anthropomorphic condor and warriors carving from the archaeological site of Tiwanaku — appeals to a pre-Columbian past and millenary culture at the heart of the Andes.

Astute composition and arrangements, which take into account the multiple audiences within Bolivia, earned Los K'jarkas an enormous following. In 1992 when one of the brothers, Ulises, died, a procession of fifty thousand mourners paid their last respects as his remains were placed in a site reserved for the illustrious by the authorities of Cochabamba.

K'jarkas songs are largely sentimental, conjuring up a bucolic, rural vision of beautiful maidens, alongside evocations of Pachamama (Mother Earth). Where they score at home is in large part due to their incorporation of traditional urban dance forms. They use mainly the huayno dance I form  but at times include the hugely popular sayas -- a dance form that has African roots, from the slaves brought to Bolivia during the seventeenth and eighteenth centuries. Sayas are especially popular in Bolivia at carnival when they are most often performed in full regalia - the men in riding pants, boots with bells and big straw hats, the women in thigh-high boots, very short mini-skirts, lace edged petticoats, and decorated versions of the traditional Andean campesina bowler hat.

Sayas are popularly played by the brass bands beloved of Carnival as well as música folklórica groups. They are marked by a strong drum introduction and identifying musical signature. The K'jarkas song "Llorando se fué" is a classic example -- and incredibly familiar. It was this rhythm, indeed this song, that mutated into the global lambada craze of the 1980s. The Hermosas, fortunately, had registered the song and won a sizable legal settlement from the Paris-based group who took it onto the international stage."

[World music / ed. by Simon Broughtobn ... --- London : Rough Guides. -- Volume 2: Latin & North America, Caribbean, India, Asia and Pacific. -- ©2000. -- ISBN 1858286360 -- S. 27

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1971


Abb.: Caña


Abb.: Tonada für Caña [Anfang], gespielt von Vicente Mealla Hoyos, Tarija, 1971

[Quelle der Abb.: Musica y cantos tradicionales de Tarija / ed. Fernando Arduz Ruiz ... -- Sucre [u.a.] : ABNB [u.a.], 1999. -- Depósito legal 9-1-989-99. -- S. 251f.]

1971-01-09

Das staatliche Zinnwerk Empresa Metalúrgica Vinto (ENAF) nimmt seinen Betrieb auf.


Abb.: Zinnbarren der ENAF

1971-02-25


Abb.: Richard Nixon

US-Präsident Richard M. Nixon (1913 - 1994; Präsident 1969 - 1974) erläutert in einem Bericht an den US-Congress die sogenannte Nixon-Doktrin

"[...] Die Erkenntnis des zunehmenden Ungleichgewichts zwischen der Größe der Rolle Amerikas und dem Potential seiner Partner gab somit den Anstoß zur Formulierung der Nixon-Doktrin. Sie ist der Schlüssel, will man verstehen, was wir während der letzten zwei Jahre getan haben, warum wir es getan haben und wohin wir gehen.

Die Doktrin soll folgende Realitäten widerspiegeln:

  • dass eine wesentliche Rolle Amerikas unerlässlich bleibt;
  • dass andere Länder zu ihrem wie zu unserem besten größere Verantwortung übernehmen können und sollen;
  • dass die Veränderungen in den strategischen Verhältnissen neue Doktrinen erforderlich machen;
  • dass der im Entstehen begriffene Polyzentrismus der kommunistischen Welt andersgeartete Aufgaben stellt und neue Möglichkeiten eröffnet.

Die neue Partnerschaft findet ihren greifbaren Ausdruck in größeren materiellen Beiträgen der anderen Länder. Wir müssen jedoch vor allem ihren Hauptzweck im Auge behalten: mitzuhelfen, einen Frieden herbeizuführen, der allen gehört. Was dieses Unterfangen angeht, so erwarten wir von anderen Ländern, dass sie stärkeren Anteil an der Formulierung der Politik nehmen und einen größeren Anteil an den Kosten der Programme tragen. Diese psychologische Neuorientierung ist von größerer grundsätzlicher Bedeutung als die Umverteilung der materiellen Lasten. Wenn sich Länder für die Formulierung von Plänen verantwortlich fühlen, sind sie eher geneigt, die Mittel zur Verfügung zu stellen, diese Pläne in der Praxis umzusetzen. Für Amerika dürfte dies der kritischste Aspekt der Doktrin sein. Unseren dominierenden Beitrag weiter fortzusetzen, würde vielleicht noch nicht einmal unsere materiellen Hilfsquellen überfordert haben - obwohl wir ihrer an sich für unsere inneren Probleme bedürfen. Es würde aber sicherlich unsere psychologische Kraft überfordert haben, besitzt doch kein Volk soviel Weisheit, Verständnis und Energie, wie nötig wäre, um hinsichtlich aller Probleme zu allen Zeiten und in allen Teilen der Welt klug zu verfahren. Es hieße einfach zu viel von einem Volk zu verlangen, für ein umfassendes und anscheinend ständiges Auslandsengagement in lokalen Problemen Verständnis - und damit Unterstützung - zu fordern, insbesondere dann, wenn die anderen Länder in der Lage zu sein scheinen, selbst größere Anstrengungen zu unternehmen. [...]

Man sollte die Nixon-Doktrin mithin nicht in erster Linie als ein Instrument zur Verteilung der Lasten oder zur Erleichterung unserer Bürde ansehen. Sie hat für die anderen Länder wie für uns eine positivere Bedeutung. [...]

Diese neue gemeinsame Teilhabe erfordert eine neue und subtilere Form der Führung. Bisher haben wir oft so gehandelt, als bestünde unsere Rolle vor allem darin, amerikanische Pläne zu entwickeln und anderen zu verkaufen. Nunmehr müssen wir die anderen dazu bringen, eigene Ideen zu entwickeln, um uns dann gemeinsam Programme zu überlegen, die unseren gemeinsamen Erfordernissen entsprechen. Wir werden uns stärker darauf konzentrieren, andere Länder dazu zu veranlassen, sich zusammen mit uns um die Festlegung des politischen Kurses zu bemühen; sie werden dann weniger darauf aus sein, die Entscheidungen Amerikas zu beeinflussen, und statt dessen stärker darauf bedacht sein, eine eigene Stellung zu gewinnen.
Mehr als je zuvor in der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg muss die Außenpolitik eine Angelegenheit vieler statt einzelner werden. Es kann kein Gebäude des Friedens zustande kommen, solange nicht andere Nationen mithelfen, es zu gestalten, in dieser zentralen Tatsache liegt in der Tat die damit verbundene Hoffnung und Ungewissheit: Dieser Bau kann nicht errichtet werden, es sei denn mit Hilfe der willigen Hände und Hirne aller.

Aus diesem Zusammenhang heraus habe ich im Sommer 1969 auf Guam und am 3. November 1969 in meiner Ansprache an die Nation die Grundlagen der neuen Partnerschaft umrissen:

  1. »Erstens, die Vereinigten Staaten werden alle ihre vertraglichen Verpflichtungen einhalten.« Wir werden die Verpflichtungen honorieren, die wir übernahmen - einmal wegen ihres inneren Wertes und zum anderen wegen der Rückwirkungen, die ein plötzlicher Umschwung auf die Stabilität in einzelnen Regionen und in der ganzen Welt hätte. Diejenigen im Stiche zu lassen, die es gewohnt sind, sich auf uns zu verlassen, würde Spaltung hervorrufen und zur Aggression verlocken. Es liegt jedoch im Interesse aller - einschließlich jener, mit denen wir enge Bindungen eingegangen sind, - bindende Versprechen als einen dynamischen Prozess zu begreifen. Die Aufrechterhaltung der Integrität unserer Verpflichtungen macht es notwendig, ihre greifbaren Manifestationen - Truppenstationierungen oder finanzielle Beiträge - den sich wandelnden Verhältnissen anzupassen.

    Die konkreten Resultate sind unterschiedlich. In Korea werden weniger amerikanische Truppen benötigt; umgekehrt brauchen die koreanischen Streitkräfte modernere Ausrüstungen. In der NATO sind weiterhin amerikanische Truppen in gleicher Stärke und größere Beiträge seitens der Europäer am Platze. Die beste Methode, stabile Beziehungen zu unseren Verbündeten aufrechtzuerhalten, besteht darin, gemeinsam zu gemeinsamen Schlussfolgerungen zu gelangen und gemeinsam nach ihnen zu handeln.

     

  2. [...] Wir schließen neue Verpflichtungen nicht aus, werden sie aber in Beziehung zu unseren Interessen setzen. Wie ich schon in meinem Bericht vom Vorjahr ausführte:

    »Unser Ziel ist es in erster Linie, unsere Interessen auf weite Sicht mit einer gesunden Außenpolitik zu unterstützen. Je stärker diese Politik auf einer realistischen Einschätzung unserer Interessen und der anderer Nationen basiert, desto wirksamer kann unsere Rolle in der Welt sein. Wir sind nicht am Weltgeschehen beteiligt, weil wir Verpflichtungen haben; wir haben Verpflichtungen, weil wir beteiligt sind. Unsere Verpflichtungen müssen an unseren Interessen orientiert sein, nicht aber umgekehrt.« »Zweitens, wir werden einen schützenden Schild bie-
    ten, falls eine Atommacht die Freiheit einer mit uns verbündeten Nation oder einer Nation bedroht, deren Existenz wir als für unsere Sicherheit lebenswichtig erachten.« Nukleare Macht ist das Element der Sicherheit, das unsere Freunde entweder überhaupt nicht oder nur unter großen und sie selbst zerrüttenden Anstrengungen aufbieten können. Deshalb haben wir gegenüber nichtnuklearen Ländern besondere Verpflichtungen, ihre Sorgen wären erheblich größer, wollten wir sie im Falle einer nuklearen Erpressung oder einer von einer Nuklearmacht unterstützten Aggression mit konventionellen Streitkräften wehrlos sich selbst überlassen. Die Nationen, die in der Lage sind, eigene Kernwaffen zu bauen, würden dies dann wahrscheinlich tun. Eine weitere Ausbreitung nuklearer Kapazitäten wäre in sich ein destabilisierendes Element, das die Wahrscheinlichkeit vervielfachen würde, das Konflikte zum katastrophalen Schlagabtausch eskalieren könnten. [...]

     

  3. »Drittens, in Fällen, bei denen andere Arten der Aggression im Spiel sind, werden wir militärische und wirtschaftliche Hilfe gewähren, wenn wir in Einklang mit unseren vertraglichen Verpflichtungen darum ersucht werden. Aber wir werden darauf achten, dass die direkt bedrohte Nation die Hauptverantwortung für die Aufstellung der für ihre Verteidigung erforderlichen Streitkräfte trägt.« Kein Präsident kann garantieren, dass künftige Konflikte niemals amerikanische Soldaten involvieren werden -aber auf manchen Schauplätzen wird der Schwellenwert für unsere Engagement erhöht werden, und auf anderen wird ein Engagement wesentlich unwahrscheinlicher sein. Dieser Grundsatz, der zunächst auf Sicherheitsfragen Anwendung fand, gilt auch für die wirtschaftliche Entwicklung. Unsere Wirtschaftshilfe wird weiterhin beträchtlich sein. Wir werden jedoch von den Empfängerländern erwarten, dass sie ihre eigenen Kräfte und Hilfsquellen mobilisieren; und wir werden von anderen hochentwickelten Staaten erwarten, dass sie ihre Rolle bei der Gewährung von Hilfe voll und ganz übernehmen; und wir werden unsere Hilfe in zunehmendem Maße über multilaterale Kanäle leiten. Wir werden auch weiterhin Elemente der militärischen Stärke und wirtschaftliche Hilfsquellen in einem Umfang bereitstellen, der unserem Land und unseren Interessen angepasst ist. Es ist aber in unserem Zeitalter nicht mehr natürlich und nicht mehr möglich zu argumentieren, dass die Sicherheit oder die Entwicklung überall auf der Erde in erster Linie
    Sache Amerikas sei. Die Verteidigung und der Fortschritt anderer Länder müssen in erster Linie ihre eigene Sache und in zweiter Linie eine regionale Sache sein. Ohne die Grundlage der Selbsthilfe und der regionalen Hilfe wird amerikanische Hilfe nicht erfolgreich sein. Die Vereinigten Staaten können und werden mithelfen, wo unsere Interessen dies gebieten, aber nur als ein ~ und nicht das - Gewicht auf der Waage.

In manchen Gebieten führte die Nixon-Doktrin zu einer Verringerung der amerikanischen Präsenz:

  • In Vietnam gaben wir die Kampflast in einem in Gang befindlichen Krieg immer mehr ab. Die Vietnamisierung führte zu einer erheblichen Verbesserung der südvietnamischen Streitkräfte sowie zum Abzug von rund 260 000 Amerikanern bis zum 1. Mai dieses Jahres und einer Verminderung der amerikanischen Verluste im Jahre 1970 auf 70 Prozent unter den Stand von 1968.
  •  In Südkorea gingen wir dazu über, in dem anhaltenden Prozess der Abschreckung vor einem neuen Krieg eine mehr auf Unterstützung ausgerichtete Rolle zu spielen. Wir kündigten in Verbindung mit einer Modernisierung der koreanischen Streitkräfte mittels der verstärkten Militärhilfe eine Verminderung der autorisierten amerikanischen Truppenstärke um 20 000 Mann an.
  • In anderen Teilen Asiens verringerten wir im Hinblick auf unser vermindertes Engagement in Vietnam und die größere Stärke unserer Verbündeten unsere Streitkräfte. Die Truppenverminderungen und die Konsolidierung unserer Basen bis Juli dieses Jahres bringen einen Abbau der amerikanischen Präsenz um 12 000 Mann in Japan, um 5000 in Okinawa, um 16 000 in Thailand und um 9000 auf den Philippinen.
  • In der ganzen Welt reduzierten wir die offizielle amerikanische Präsenz, die zivile wie die militärische, um einen wirksamen und weniger augenfälligen Weg einzuschlagen. Ein im November 1969 eingeleitetes Programm führte zu einer Verminderung der Zahl der im Ausland im Regierungsdienst stehenden Personen um etwa 86 000.

In anderen Fällen nahm unser neuer Weg andere Richtungen:

  • In Europa mobilisierten wir größere materielle und ideelle Beiträge seitens unserer Verbündeten. Wir haben die NATO-Strategie gemeinsam überprüft und einigten uns auf eine realistische Verteidigung, bei der der europäische Anteil an den konventionellen Streitkräften relativ größer sein wird. Hinsichtlich der laufenden SALT-Gespräche blieben wir in engem Kontakt mit unseren Verbündeten - nicht nur, was ihre Interessen, sondern auch was ihre Ideen angeht.
  • In der westlichen Hemisphäre gaben wir unsere patriarchalische Haltung zugunsten einer ausgewogeneren Partnerschaft auf. Wir suchten uns die Ideen und Initiativen unserer Nachbarn zunutze zu machen und stärkten in Zusammenarbeit mit ihnen den Apparat für eine Aufteilung der Verantwortung auf die hemisphärische Entwicklung und Diplomatie.

Im Jahre 1970 gab es auch Beispiele für eine Politik, die eine allzu vereinfachende Interpretation der Nixon-Doktrin als einer Formel für einen überstürzten Rückzug Lügen strafen:

  • Die Operationen gegen kambodschanische Schlupfwinkel waren nicht unvereinbar mit dem Plan für ein amerikanisches Disengagement. Sie dienten vielmehr der Förderung der strategischen Zielsetzung, Vietnamisierungs- und Abzugsprogramme sicherzustellen.
  • Die Aufrechterhaltung der derzeitigen Truppenstärke der US-Streitkräfte in Europa widerspricht keineswegs dem Prinzip der Selbsthilfe und der Lastenverteilung in Asien. Sie ist vielmehr die beste Methode, im europäischen Bereich eine größere Partnerschaft herbeizuführen, und sie trägt gleichzeitig der Realität des Sicherheitsproblems Rechnung.
  • Die besonnene Herausstellung der amerikanischen Präsenz im Mittelmeerraum während der jordanischen Krise hat die Wahrscheinlichkeit einer Intervention von außen nicht verstärkt. Sie diente vielmehr als ein Hinweis darauf, dass eine Intervention von außen mit großen Risiken verbunden gewesen wäre.

Die Nixon-Doktrin findet ihre direkteste Anwendung auf unseren Umgang mit Verbündeten und Freunden. Sie beflügelt jedoch alle Bereiche unserer neuen Außenpolitik:

  • Unsere wirtschaftliche Position: Wir rechnen mit einer verstärkten amerikanischen Wirtschafts- und Militärhilfe in gewissen Gebieten, um unsere Freunde dabei zu unterstützen, ihre Hilfsquellen voll auszuschöpfen und auf dem Weg zu größerer Eigenständigkeit voranzukommen. Die internationale Handels- und Währungspolitik wird gegenseitige Rücksichtnahmen und Anpassungen erfordern.
  • Unsere Verteidigungsposition'. Wir werden den nuklearen Schild der Nixon-Doktrin zur Verfügung halten. Unsere allgemeinen Streitkräfte werden mehr und mehr auf das Potential unserer Partner abgestimmt, um eine wirklich abgestufte Reaktion [flexible response] zu ermöglichen, wenn immer unsere Verpflichtungen involviert sind. Und unser Sicherheitshilfsprogramm wird unseren Freunden die unerlässliche Unterstützung gewähren, insbesondere dort, wo es zu einer Verminderung der amerikanischen Mannschaftsstärke kommt.
  • Unsere Verhandlungsposition: Wenn wir mit der UdSSR bilaterale Verhandlungen wie z. B. die SALT-Gespräche führen, bedeutet Partnerschaft enge Konsultation mit unseren Verbündeten, um sowohl ihre Interessen zu schützen als auch ihre Ansichten zu erfahren. Umgekehrt verlangt die Partnerschaft von unseren Verbündeten, dass sie bei ihren Verhandlungen einen Kurs verfolgen, der innerhalb des Rahmens unserer gemeinsamen Zielsetzungen liegt. Und es gibt Bereiche multilateraler Verhandlungen, die die Partnerschaft ganz unmittelbar berühren."

[Übersetzung: Reden und Dokumente des 20. Jahrhunderts : Chronik Handbuch. -- Gütersloh [u.a.] : Chronik, ©1996. -- ISBN 3-577-14514-5. -- S.395 - 398. -- Dort Quellenangabe]

1971-03-23

Martha Azero de López gründet Academia Teniente Tecnimod

Abb.: Modelle von Tecnimod, 2002-10

1971-03-27/28

"Bundesaußenminister Walter Scheel [FDP] [1919, Solingen - ] stattete am 27. und 28. März Bolivien einen offiziellen Besuch ab, in dessen Verlauf er mit Präsident Juan Jose Torres und dem Minister für Auswärtige Angelegenheiten und Kultus Dr. Huasear Taborga Torrico Gespräche führte. In einem gemeinsamen Schlusscommuniqué heißt es u.a.: »Der Bundesminister des Auswärtigen legte die auf Entspannung gerichtete Deutschland- und Ostpolitik der Bundesrepublik dar. Er fand bei seinen Gesprächspartnern volles Verständnis und die Bereitschaft zur weiteren Unterstützung dieser Politik. Der bolivianische Außenminister erklärte seinerseits die Natur des revolutionären Prozesses in Bolivien, der insbesondere auf die Entwicklung und die integrale Befreiung des bolivianischen Volkes gerichtet ist... Der Bundesminister des Auswärtigen unterrichtete seine Gesprächspartner auch über die Bemühungen der Bundesregierung um eine Erweiterung und Stärkung der Europäischen Gemeinschaft und versicherte in diesem Zusammenhang, daß die Bundesregierung den in der Deklaration von Buenos Aires vom Juli 1970 formulierten Wünschen der lateinamerikanischen Länder nach engerer Zusammenarbeit mit Europa wohlwollend gegenübersteht. Der Außenminister der Republik Bolivien überreichte dem Außenminister der BRD Unterlagen, in denen die bolivianische Regierung der Bundesregierung ihre Ansichten über die Fortführung der Arbeiten an der Zinnschmelze mit der Bitte mitteilte, Bolivien durch den schnellen Beginn der 2. und 3. Ausbaustufe gemäß den ursprünglichen Projektplänen zu unterstützen. Ferner soll das Erweiterungsprojekt zur Verbesserung der Wasserversorgung der Stadt La Paz geprüft werden. Außerdem wurde über die Aufforstung erosionsgefährdeter Gebiete und das Regionalplanungsprojekt Caupolican- Iturralde gesprochen...

Scheel erklärte laut ADN auf einer Pressekonferenz am 28. März in La Paz, er sei gegen die völkerrechtliche Anerkennung der DDR durch Dritte Staaten. In einem solchen Falle werde sich die Bundesregierung aber von ihren eigenen Interessen leiten lassen."

[Archiv der Gegenwart : Deutschland 1949 bis 1999. -- CD-Rom-Ausgabe. -- Berlin : Direktmedia, 2002. -- (Digitale Bibliothek ; Band 78). -- ISBN 3-89853-178-3. -- Bd. 6, S. 5408)]

1971-04-01

Der bolivianische Konsul in Hamburg wird ermordet

"»Wir hatten da noch eine Rechnung zu begleichen...« : Vor 28 Jahren erschoss die bolivianische Befreiungsfront ELN in Hamburg den Mörder Che  Guevaras.

Die ältere Dame mit dem graumelierten Haar und der modischen, dunkel getönten Brille hatte es nicht eilig. Geduldig wartete sie im Vorzimmer des bolivianischen Generalkonsulats im vornehmen Hamburger Stadtteil Eppendorf, bis die deutsche Sekretärin des Konsuls sie um 9 Uhr 40 endlich nach ihren Wünschen fragte. Es war Donnerstag, der 1. April 1971. Der Sekretärin, Elke B., war die Frau bereits bekannt. Schon vor einer Woche hatte sie sich als australische Anthropologin telefonisch angemeldet und die Erteilung eines Visums für Bolivien beantragt. Sie wolle dort, direkt vor Ort, anthropologische Studien betreiben. Ob man ihr nicht auch Fotos und Spezialkarten aus Bolivien überlassen könne, damit sie sich richtig einstimmen und zurechtfinden könne. Die Sekretärin bejahte und führte die Besucherin in das Dienstzimmer des Konsuls.

Konsul Roberto Quintanilla Pereira, im vollen Wichs seiner Obristenuniform, begrüßte die Dame freundlich und bat sie zu sich an den Schreibtisch. Dann ging alles ganz schnell. Plötzlich hatte die Frau eine Pistole in der Hand. Von zwei Schüssen in der Brust getroffen, brach der Konsul sterbend zusammen. Ein dritter Schuss verfehlte ihn. Alarmiert von den Schüssen hetzte die Ehefrau des Konsuls, Ana Pereira, ins Zimmer und stürzte sich schreiend auf die Attentäterin. Es kam zu einem Handgemenge, bei dem die Frau, die immer noch die Pistole in der Hand hielt, ihre Perücke, die Handtasche und schließlich auch den Revolver verlor. Mit gezielten Karateschlägen konnte die Unbekannte die Gattin des Konsuls nach wenigen Sekunden zu Boden werfen.

Die Schüsse hatten allerdings das ganze Haus alarmiert und in Aufregung versetzt. Gellende Schreie: »Mörder, Mörder, Hilfe, Polizei, Polizei!« hallten durch das vornehme Treppenhaus. Die Bodyguards des auf der gleichen Etage gelegenen Generalkonsulats der Dominikanischen Republik hasteten mit der Waffe in der Hand auf den Flur, konnten aber nur noch den blonden Schopf der treppab fliehenden Attentäterin wahrnehmen. Mit einigen Kratzspuren im Gesicht, aber ohne jede Hast bestieg diese einen direkt vor dem Konsulat parkenden Opel Rekord. Der Mann am Steuer gab Gas, und der Wagen verschwand über die Heilwigstraße ungehindert in Richtung Innenstadt.

Triumph vor der Kamera

Neben der verlorenen Handtasche, dem Revolver und der Perücke hatte die Frau allerdings auch einen Zettel auf dem Schreibtisch des Konsuls hinterlassen. In dicken lila Lettern stand dort : »Victoria o Muerte - E. L. N.« Einen Tag später ging bei den internationalen Presseagenturen in La Paz das Kommunique der Nationalen Befreiungsfront Boliviens, ELN (Ejercito de la Liberacion Nacional) ein: »Wir haben im Auftrag unserer gefolterten und toten Kameraden, im Auftrag der abgeschlachteten Bergleute und des gedemütigten Volkes gehandelt. (...) Es war ein revolutionärer Justizakt. Der Kampf geht weiter. Sieg oder Tod.«

Der Konsul Roberto Quintanilla Pereira war einer jener Vertreter der südamerikanischen Oligarchien, an deren Händen das Blut unzähliger Ermordeter klebte. Bevor Pereira auf den Posten des Generalkonsuls nach Hamburg abgeschoben wurde, hatte er sich in seiner Heimat einen äußerst üblen Ruf erworben. Der Mann war jahrelang Oberst der bolivianischen Geheimpolizei und zeitweilig auch deren Chef. Von den Amerikanern in den 60er Jahren in der panamesischen Kanalzone zum Antiguerilla-Spezialisten ausgebildet, war er es, der die CIA im Oktober 1967 auf die Fährte Che Guevaras und seiner Guerilla-Gruppe im bolivianischen Dschungel brachte. Er war jener Militär, der auf dem Foto, das um die Welt ging, den Kopf des ermordeten Revolutionsführers Ernesto »Che« Guevara triumphierend in die Kameras hielt.

Mit eisenharter Repression ließ er seine Geheimpolizei gegen die streikenden Bergarbeiter Boliviens vorgehen und jede demokratische Opposition verfolgen. Als Geheimdienstchef in seinem Land unter dem Namen »Oberst Anaya« bekannt und gefürchtet, ließ er Hunderte von Oppositionellen verhaften und viele von ihnen ermorden. Er war ein beim Volk verhasster Schlächter.

Besonders brutal ging er gegen die bewaffnete Fundamentalopposition, die Guerilleros der von Guevara gegründeten ELN vor. Vermeintliche und tatsächliche Untergrundkämpfer verschwanden einfach, wurden gefoltert und ohne Verfahren kurzerhand erschossen. Aber trotz gnadenloser Verfolgung gelang es den Militärs über Jahre nicht, die linke Opposition und die Guerilla völlig auszuschalten.

Im September 1969 hatte Pereiras Geheimpolizei dann noch einmal einen großen Erfolg. Den Todesschwadronen gelang es, den ehemaligen Stellvertreter Guevaras und nach dessen Tod auch sein Nachfolger als Führer der ELN, Aguido Peredo, genannt »Inti«, in La Paz aufzuspüren und bei einem Feuergefecht zu töten. Inti Peredo gehörte zu jenem Trupp Guerilleros, denen zwei Jahre zuvor die spektakuläre Flucht vor der CIA-geführten Soldateska im bolivianischen Dschungel gelungen war. Während die eine Truppe mit Che Guevara in einen Hinterhalt geriet, gefangengenommen und ermordet wurde, konnte die zweite Gruppe mit Inti Peredo entkommen. Nach dem Sieg der chilenischen Unidad Popular bereiteten sich Peredo und seine Genossen vom Chile des Salvador Allende und von Kuba aus auf die Rückkehr nach Bolivien vor. Basis ihrer erneuten Aktivität sollte diesmal der Dschungel der Städte sein. Seit Jahren kämpften vor allem die ausgeplünderten Miñeros der Silberminen einen erbitterten Kampf um soziale Rechte, angemessenen Lohn und ein menschenwürdiges Leben.

Mit an der Seite Inti Peredos und seit 1967 auch Mitglied der ELN war die deutsche Guerillera Monika Ertl. Die junge Frau kam Anfang der 50er Jahre zusammen mit ihrem Vater nach Bolivien. Der aus Bayern stammende Hans Ertl hatte sich einen Namen als Kulturfilmer, Kameramann und Anthropologe gemacht. Er hatte sich in Bolivien niedergelassen und im Grenzgebiet zu Chile eine Rinderfarm aufgebaut. Seine Tochter Monika heiratete Anfang der 60er Jahren einen deutschen Ingenieur, der in Chile für den US- amerikanischen Kupfermulti Kenencott Copper tätig war. Ein paar Jahre genoss sie in der Schickeria von Santiago das privilegierte Leben einer Borgeois, dann gab es einen entscheidenden Bruch in ihrem Leben. Immer häufiger suchte sie den Kontakt zur chilenischen Linken. Sie arbeitete in den Armenvierteln von Santiago und trennte sich schließlich Mitte der 60er Jahre von ihrem Mann, um sich ganz der revolutionären Arbeit zu widmen, 1967 schloss sie sich Guevaras ELN an.

Während der legendäre Guerillaführer, von den Lateinamerikanern respektvoll »Comandante America« genannt, auf verlorenem Posten im bolivianischen Dschungel kämpfte, erledigte sie in der High Society von La Paz Spionageaufträge und Kurierdienste für die Genossen im Untergrund. Nach der Ermordung von Che ging auch sie in den Untergrund und schloss sich der neu aufgebauten Gruppe um Inti Peredo an. An jenem Septembertag 1969, als Pereiras Geheimpolizei in La Paz den konspirativen Unterschlupf von »Inti« stürmte, war sie, seine Lebensgefährtin, im fünften Monat schwanger. Während »lnti« bei dem stundenlangen Feuergefecht starb, wurde Monika Ertl schwer verletzt. In der allgemeinen Aufregung und dem Durcheinander nach dem Sturm auf das kleine Haus gelang es zwei als Sanitäter verkleideten Genossen, die schwerverletzte Monika Ertl unter den Augen der Geheimpolizei aus dem Haus und damit vor ihrem sicheren Tod zu retten.

Abenteuerliche Flucht

Über La Paz wurde der Ausnahmezustand verhängt. Und doch schafften es die beiden Genossen im weißen Kittel und mit gestohlenem Krankenwagen, die verletzte Frau bei Einbruch der Dunkelheit in die italienische Botschaft zu bringen. Der Botschafter Italiens versicherte, die Schwerverletzte nicht an die Bolivianer auszuliefern und ihr im Gegenteil die notwendige medizinische Hilfe zukommen zu lassen. Monika Ertl verlor das Kind. Ihren rechten Arm konnte sie nie wieder richtig bewegen, mehrere Geschosse hatten ihn zertrümmert. Nach sechs Monaten Pflege verließ sie konspirativ die Botschaft, um sich im sicheren Kuba vollständig regenerieren zu können.

Für die Brüder Fidel und Raul Castro war klar: Der Mörder Ernesto »Che« Guevaras und »Inti« Peredos, der verhasste CIA-Agent und Guerillajäger Oberst Roberto Quintanilla Pereira, muss sterben. Ein Leben für ein Leben, und Monika Ertl sollte den Auftrag ausführen. Im Januar 1971 kam sie unter falschem Namen in London an. Sie wartete auf die letzte Entscheidung des Exekutivkomitees der ELN. Vorsichtig nahm sie Kontakt zu einem ihr vertrauten französischen Linksintellektuellen auf. Dieser besuchte sie mehrmals in London und brachte bei einem seiner Besuche auch die von ihr verlangten Waffen mit; eine Walther-Pistole, Kaliber 7,65, und einen Revolver Cobra 38 Special. Erst Mitte März weihte sie den Franzosen dann ein, was sie in Europa vorhatte - die Erschießung Pereiras. Als zweiten Mann, welcher den Anschlag absichern und den Fluchtwagen steuern sollte, hatte sie selbst den Franzosen ausgesucht.

Obwohl der längst ein etablierter Schriftsteller war, entschied er sich ohne Zögern mitzumachen. Auch aus Kuba wurde Zustimmung signalisiert.

Während die beiden Attentäter die Erschießung im Detail planten, war Oberst Pereira in seinem Heimatland heftig unter Druck geraten. Die linksliberale Militärregierung Boliviens unter dem »Arbeiterpräsidenten« Juan Torrez warf dem Oberst vor, 1969 an einem Attentat auf den damaligen »Indianer-Präsidenten« Boliviens, Rene Barrientos, beteiligt gewesen zu sein. Der Regierungschef, wegen seiner indianischen Abstammung im Volk beliebt, sollte angeblich durch einen Hubschrauberunfall ums Leben gekommen sein.

Der Verleger der linken Tageszeitung Hoy behauptete allerdings, Barrientos Hubschrauber sei von Pereiras Leuten im Auftrag der herrschenden Oligarchie abgeschossen worden. Kaum hatte der Verleger diese Behauptung aufgestellt und mit immer neuen Fakten in seiner Zeitung untermauert, wurden er und seine Frau ermordet aufgefunden.

Auch diesen Doppelmord soll Pereira befohlen haben. Zur gleichen Zeit war er in einen undurchsichtigen Waffendeal verwickelt, um dessen Aufklärung sich die Regierung bemühte. Demnach sollten Pereira und andere Militärs zusammen mit der CIA für 50 Millionen Dollar Waffen in Europa eingekauft und an die Israelis weitergeleitet haben, obwohl ein striktes Waffenembargo galt. Pereira soll mehrere Millionen Dollar an dem verbotenen Deal verdient haben. Bereits zum 28. Februar 1971, also einen Monat vor seinem Tod, hatte die bolivianische Regierung ihn als Konsul suspendiert und ihn aufgefordert, nach Bolivien zurückzukehren. Das wollte der Herr Konsul nicht, sondern zog es in Erwägung, in der Bundesrepublik Deutschland um politisches Asyl nachzusuchen. Das hätte gewiss auch Erfolg gehabt, denn speziell die BRD war in diesen Jahren bevorzugtes Asylland für Rechtsterroristen, Antikommunisten und Regierungsbanditen aus aller Welt. Aber die »revolutionäre Justiz« kam dem zuvor.

Mit Feltrinellis Waffe

Der Franzose - einst an der Seite Che Guevaras im bolivianischen Dschungel, wenig später Berater des französischen Präsidenten Mitterrand in Lateinamerika-Fragen - steuerte den Leihwagen sicher in Richtung Hannover und entsorgte die Pistole des Typs Walther mit einem gewaltigen Wurf in die Leine, Monika Ertl hatte ihren Auftrag erfüllt. Bis Bayern blieben die beiden noch zusammen. In Mittenwald trennten sie sich. Keiner sollte den anderen je wiedersehen.

Der Franzose gab den Leihwagen in München bei der Firma Herz ab, während Monika Ertl von Wien aus zurück nach Lateinamerika flog. In der BRD lief derweil die Fahndung nach der unbekannten Attentäterin auf Hochtouren. Der verlorene Revolver Cobra Spezial ergab eine erste Spur.

Nach Ermittlungen des Bundeskriminalamtes war die Waffe im Juli 1968 von dem italienischen Linksverleger und Millionär Giangiacomo Feltrinelli völlig legal in Mailand erworben worden. Der revolutionäre Verleger mit Waffenschein konnte allerdings dazu nicht mehr befragt werden. Er starb unter bis heute ungeklärten Umständen wenige Monate nach dem Hamburger Attentat, angeblich bei dem Versuch, in Mittelitalien einen Strommast mit Sprengstoff in die Luft zu jagen. Bis heute halten sich hartnäckig Gerüchte, dass der linke Verleger einem Mordanschlag der seinerzeit äußerst virulenten italienischen Rechten zum Opfer gefallen ist. Der Mann war mehr als unbequem, hatte doch sein Verlag nicht nur Bestseller wie »Dr. Schiwago« und »Der Leopard« im Programm, sondern verlegte auch Mao, Marcuse, Bakunin, Che Guevara oder die theoretischen Abhandlungen des Franzosen Regis Debray über den Guerillakampf in Lateinamerika. Tatkräftig, vor allem mit Geld, unterstützte er die revolutionären Bewegungen in Lateinamerika, war oft Gast in Kuba und der Freund Fidel Castros und Che Guevaras.

Ins Fadenkreuz der BKA-Fahnder gerieten kurzzeitig auch die Guerilleros der »Roten Armee Fraktion«, die gerade mit einer Reihe von militanten Aktionen in der BRD auf sich aufmerksam gemacht hatten. Aber die waren von dieser Aktion genauso überrascht wie begeistert. Sie hatten keine Ahnung, wer es gewesen war, und zu jener Zeit auch keine Verbindung zur bolivianischen ELN.

Zwei Jahre nach dem Attentat, am 14. Mai 1973, ging über die Ticker der internationalen Presseagenturen eine kurze Meldung: »Bei einem Feuergefecht zwischen linken Guerilleros und Spezialeinheiten der bolivianischen Polizei ist die aus Deutschland stammende 35jährige Monika Ertl zusammen mit zwei anderen Kämpfern der ELN in einem Armenviertel der Hauptstadt La Paz aufgespürt und erschossen worden.«"

[Quelle: junge welt. -- 82 (©1999-04-09)]

1971-05-01

Gründung des Partido Socialista (Uno) (PS, PS-1).

Wichtige Gründungsmitglieder:


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