Bibliothekarinnen Boliviens vereinigt euch!

Bibliotecarias de Bolivia ¡Uníos!

Berichte aus dem Fortbildungssemester 2001/02

Teil 2: Chronik Boliviens

28. Von 1995 bis 2000


von Margarete Payer und Alois Payer

mailto: payer@hdm-stuttgart.de


Zitierweise / cite as:

Payer, Margarete <1942 - > ; Payer, Alois <1944 - >: Bibliothekarinnen Boliviens vereinigt euch! = Bibliotecarias de Bolivia ¡Uníos! : Berichte aus dem Fortbildungssemester 2001/02. -- Teil 2: Chronik Boliviens. -- 28. Von 1995 bis 2000. -- Fassung vom 2003-10-07. -- URL: http://www.payer.de/bolivien2/bolivien0228.htm. -- [Stichwort].

Erstmals publiziert: Anlässlich des Bibliotheksseminars in La Paz vorläufig freigegeben am 2002-09-19

Überarbeitungen: 2003-10-07 [Ergänzung]

Anlass: Fortbildungssemester 2001/02

Unterrichtsmaterialien (gemäß § 46 (1) UrhG)

©opyright: Dieser Text steht der Allgemeinheit zur Verfügung. Eine Verwertung in Publikationen, die über übliche Zitate hinausgeht, bedarf der ausdrücklichen Genehmigung der Herausgeberin.

Dieser Teil ist ein Kapitel von: 

Payer, Margarete <1942 - > ; Payer, Alois <1944 - >: Bibliothekarinnen Boliviens vereinigt euch! = Bibliotecarias de Bolivia ¡Uníos! : Berichte aus dem Fortbildungssemester 2001/02. -- Teil 2: Chronik Boliviens. . -- URL: http://www.payer.de/bolivien2/bolivien02.htm

Dieser Text ist Teil der Abteilung Länder und Kulturen von Tüpfli's Global Village Library


1990er-Jahre


Abb.: Im Unterschied zu früher finden schwangere Frauen in Santa Cruz nichts dagegen, in Badeanstalten im Bikini aufzutreten.

[Bildquelle: Parada Vaca, Gustavo: La gotera. --  Santa Cruz, 2001. -- Depósito legal 8-1-541-01. -- S. 86]

Um 1995

Abb.: Santa Cruz de la Sierra, um 1995
[Bildquelle: Los cimientos de Santa Cruz. -- La Paz : SOBOCE, ©1997. -- S. 108, 112]

Abb.: Tarija um 1995
[Bildquelle: Los cimientos de Tarija. -- La Paz : SOBOCE, ©2000. -- S. 48f.]


Abb.: Ayoreo-Prostituierte in Santa Cruz de la Sierra, 1990er-Jahre(?)
[Bildquelle: Riester, Jürgen ; Weber, Jutta: Nómadas de las llanuras, nómadas del asfalto : autobiografía del pueblo Ayoreo. -- Santa Cruz de la Sierra, 1998. -- S. 448


Abb.: Cochabamba, Dezember 2001 (Bild: Payer)


Abb.: Lamafoeten zum Verkauf für magische und religiöse Zwecke, La Paz

[Bildquelle: La Paz 450 años (1548 -1998). -- La Paz : Alcaldía Municipal. -- Tomo I. -- 1998. -- ISBN 99905-47-00-9. -- S. 163]


Abb.: [Gesangs-]Sterne Boliviens, u.a.: Gladys Moreno, Zulma Yugar, Enriqueta Ulloa, Jenny Cárdenas

1995

1995


Abb.: Palmesel, Kirche Santiago de Callapa, Dep. La Paz, 1995

[Bildquelle: Los cimientos de La Paz. -- La Paz : Sociedad Boliviana de Cemento, 1995. -- S. 23]

1995

Die Diözese El Alto wird durch Teilung der Erzdiözese La Paz geschaffen.

Die Gliederung der römisch-katholischen Denomination schaut jetzt  so aus (zum Vergleich: Liechtenstein ist seit Neuestem Erzdiözese!):

Abb.: Gliederung der römisch-katholischen Denomination in Bolivien, 2001

Apostolische Vikariate sind typische kirchenrechtliche Einrichtungen in Missionen, sie erlauben der Missionskongregation der italienisch-spanischen Sekte "Römischer Katholizismus" weitgehendes Hineinregieren. Die obige Karte zeigt -- entgegen aller propagandistischen Schönrednerei -- die Geringschätzung des Vatikan gegenüber den Indios der Ebenen.

Gründung der Apostolischen Vikariate:

Gründung der Praelaturae nullius

1995


 

Abb.: Kolumbus ist der Gründer der ersten Nicht-Regierungsornisation (NGO = ONG).
Warum?
Weil er nie erfuhr, wohin er fuhr,
nie erfuhr, wohin er kam,
und trotzdem die Finanzmittel für zwei weitere Reisen bekam.

[Bildquelle: Barral Zegarra, Rolando: Reforma educativa. -- La Paz : Yachaywasi, 2001. -- Depósito legal 4-1-1348-01. -- Nach S. 154]

1995

Kinderarbeit im Bergbau

"Als Bergmann stirbt man früh - Pedro, Wilson Montes Coria und Mirko Ruiz

Sie sind zwischen zwölf und fünfzehn Jahre alt, eigentlich noch Kinder, doch sie arbeiten bereits in der privaten Bergwerkskooperative »21. September« im berühmten Cerro Rico, dem »reichen Berg« von Potosí - gelegentlich zumindest, um ihrer Familie zu helfen. Wenn sie nach ihrer Arbeit gefragt werden, prahlen sie und erzählen Geschichten, von denen sie glauben, daß Touristen sie hören wollen. Doch fragt man weiter, werden sie nüchterner- so nüchtern, wie sie in der krisengeschüttelten Bergbaustadt ihre Zukunft suchen.


Abb.: Pedro, Wilson und Mirko

»Als Bergmann stirbt man früh. Mein Großvater starb mit 45. Ich habe schon Leute gesehen, die noch jünger, mit 35 oder 30, gestorben sind. Deshalb gehe ich auch zur Schule, um einmal einen Beruf zu erlernen«, sagt Wilson, der im neunten Schuljahr ist. »Ingenieur würde ich gerne werden, um den Bergarbeitern zu helfen«.

Auch Mirko möchte studieren: »Arzt«.

Pedro will Touristenführer werden. »Die verdienen gut. Wenn sie Englisch können, nehmen sie 30 Bolivianos (umgerechnet knapp zehn Mark) für einen Rundgang, sonst 20.«

Die Jugendlichen kennen die Arbeit, haben selbst schon dabei geholfen, die Besucher aus fernen Ländern durch die engen, staubigen und stickigen Schächte zu führen. Das ist noch besser, als selbst Erz abzubauen.

»Letzte Woche habe ich vier Bolivianos verdient«, sagt Pedro, ein Dollar für zwei etwa einstündige Touren.

»Doch manche Touristenführer wollen uns von ihrem Verdienst nichts abgeben«, wendet Wilson ein. »Die Touristen müssen uns dann extra zahlen. Einer gibt einen Boliviano, ein anderer zwei, deshalb machen wir lieber Bohrarbeiten im Bergwerk, oder wir bringen das Erz mit der Schubkarre nach draußen. Die ganze Woche über schuften wir, manchmal sogar sonntags oder 24 Stunden die ganze Nacht durch; immer wenn es gut zu verdienen gibt.«

Auf ungläubiges Nachfragen räumt Wilson ein, dass er jetzt, wo Schule ist, nur gelegentlich in den Berg geht, »um das Schulmaterial bezahlen zu können«. Im Augenblick wartet er auf einen Touristenführer, um von ihm die Abgabe für den Bergwerksbesitzer, einen Verwandten, abzukassieren. Umsonst, wie er behauptet. »Dafür erlaubt er uns, aus dem Bergwerk Erz herauszuholen. Um eine Lore vollzubekommen, müssen wir 80 Schubkarren rausfahren. Drei Wochen braucht man dafür. Wenn das Gestein locker ist, schafft man das auch in zwei Wochen; wenn es sehr hart ist, braucht man einen Monat. Früher hat man höchstens 500 Bolivianos für eine Lore bekommen«, weniger als 200 Mark, doch deutlich mehr als der gesetzliche Mindestlohn. »Jetzt steigt der Preis wieder!« Das allerdings von einem miserablen Niveau. Für viele Erze wurden inzwischen Ersatzstoffe entwickelt, und der Anteil an Gold oder Silber im Gestein wird immer niedriger.

Hauptnutznießer der leichten Preiserholungen sind ohnehin die privaten Bergwerksgesellschaften wie das Präsidentenunternehmen COMSUR, die sich die besten Erzvorkommen gesichert haben und nicht wie Pedro allein mit Bohrer, Dynamit, Spitzhacke und Schubkarre das Erz fördern, sondern ihre Betriebe modernisiert haben.

»Hier gibt es einen Stollen mit einer Silberader. Aber es gibt zuviel Wasser dort, und wir haben keine Pumpe, um es herauszuholen.«
Letzte Weihnachten gab es in Potosí auch für Pedro keine Arbeit.

»Der Preis für das Erz war schlecht. Da bin ich nach Cochabamba, hab dort mit Hühnerrupfen Geld verdient. Hier gibt es keine Fabriken.«

Die Blei-Silberschmelze vor den Toren der Stadt, die vor Jahren mit Millionen deutscher »Entwicklungshilfe« gebaut wurde, ist nie in Betrieb gegangen. Ein absehbarer Fehlschlag, an dem die Firma Klöckner kräftig verdient hat.

»Wir sind zu viele zu Hause, deshalb muss ich mitarbeiten«, sagt Mirko. »Heute gab es Reissuppe. Für Fleisch reicht es nicht, manchmal immerhin für Lawa, ein typisches Suppengericht hier in Potosí aus Mehl, Kartoffeln und Lammfett.« Gewürzt wird die Suppe mit Pfeffer, Kreuzkümmel und Salz; und das Mehl dient zum Andicken.

Und was ist mit den arbeitslosen Bergleuten?

»Im Augenblick haben alle Arbeit«, sagt Wilson, der keinem den Job wegnehmen will.

Schön war's! Der eigene Vater hat zumindest Arbeit.

»Er ist gerade im Berg. Er unterstützt uns schon genug. Wir sind sieben Kinder zu Hause, deshalb müssen wir unserem Vater helfen. Das ist wie eine Tradition, die vom Vater auf den Sohn übertragen wird. Mit sieben bin ich das erste Mal in den Berg gegangen. Es ging so einigermaßen. Ein wenig hat es mir aber auch gefallen, zu arbeiten. Man lernt, wo die Erzadern zu finden sind und wie sie heißen. Vorher hatte ich schon auf den Abraumhalden mit meiner Mutter gearbeitet. Im Schacht ist es aber besser, weil es nicht so heiß ist. Obwohl, hart ist die Arbeit schon.«

Würden sie nicht lieber spielen?

»Keine Zeit. Was ich lieber mache, ist, in die Schule zu gehen«, sagt Mirko. »Mathematik, Englisch, Französisch gefallt mir«, doch einen einfachen französischen Satz versteht er nicht. »Wir sind nicht vorangekommen, weil kein Lehrer da war.« Die Noten sind mittelmäßig. Ob das für ein Studium reicht?

Würden sie aufhören zu arbeiten, wenn sie genug Geld hätten?

»Ja, klar. Das erste Mal ist es noch interessant, im Bergwerk zu arbeiten, aber dann wird es langweilig und macht einen kaputt. Als ich das erste Mal in den Berg ging, kam ich mit Blasen raus. Ich habe meinen Bruder begleitet. Aber früher schon war ich öfters im Berg, um den Tío zu sehen«, eine Art Bergdämon, dem die Mineros Opfer bringen, damit sie wieder heil herauskommen.

»Mit dem Schubkarren habe ich dann langsam angefangen. Inzwischen kann ich alles machen, sogar Sprengen, aber nur mit vorheriger Warnung an die anderen Bergleute, damit nichts passiert. Ich helfe meinem Vater oder lasse mich von anderen Bergleuten engagieren. Wenn wir mit dem Schubkarren das Erz für eine Lore rausfahren, bekommen wir 50 Bolivianos, die teilen wir uns dann auf. Aber jetzt ist Schule. Das letzte Mal, dass wir richtig Erz abgebaut haben, war vor drei Monaten.«

Nur für die Fotos der Touristen haben sie dazwischen gelegentlich die Schippe in die Hand genommen. »Nicht im Berg, hier draußen, weil es hier einfacher ist.«

Arbeiten die Mitschüler auch am Cerro Rico?

»Ja, aber nicht viele. Ich bin auf die anderen auch nicht neidisch, sie sind arm dran. Sie arbeiten als Kassierer oder Ausrufer in den Minibussen. Mir gefallt es hier besser. Klar, die Arbeit ist sehr hart, aber sich hier oben herumzutreiben, ist auch schön. In den Kleinbussen ruiniert man nur seine Stimme.« Aber hier ruiniert man seinen Rücken.

»Ja, den Rücken und die Lungen. Aber das merkt man erst nach zehn, fünfzehn Jahren, so wie mein Vater. Ich habe aber keine Angst, weil ich nicht so lange hier arbeiten will. Wenn ich Abgeordneter im Parlament wäre, würde ich versuchen, Arbeitsplätze zu schaffen, aber nicht hier in den Bergwerken, sondern beim Bau von Häusern oder Brücken. Den Bergleuten müsste man auch helfen, denn es gibt immer wieder Unfälle. Man könnte ihnen Eukalyptus-Stämme zur Verfügung stellen, um die Stollen abzusichern, die oft einbrechen. Das wäre Aufgabe des Staates, aber der Präsident hat die Bergleute vergessen, die Bauern übrigens auch. Auf dem Land gibt es oft kein Wasser, die Felder vertrocknen.«

Haben sie Träume?

»Ich würde gerne in andere Länder reisen, sehen, wie dort gearbeitet wird. Ich glaube, es ist leichter dort. Das sagen zumindest die Touristen, die hierherkommen. Mich würde auch interessieren, ob dort Kinder arbeiten - so wie hier.«"

[Kein Papst, kein Che : Jugendliche in Lateinamerika / Peter Strack (Hg.). -- Göttingen : Lamuv, ©1995. -- (Lamuv Taschenbuch ; 172). -- ISBN 3-88977-403-2. -- S. 77 - 82]

1995


Abb.: Einbandtitel des ersten Bandes

Es erscheint der erste Band des

Anuario / Archivo y Biblioteca Nacionales de Bolivia.  -- Sucre : El Archivo, 1995-

1995


Abb.: Umschlagtitel (Zeichnung: Diego Morales Barrera)

Die Heimstatt des Tío : Erzählungen aus Bolivien / Manuel Vargas (Hrsg.). -- Zürich : Rotpunktverlag, ©1995. -- 350 S. : Ill. -- ISBN 3-85896-121-6

1995

Para recibir el canto de los Pájaros : Film / Regie: Jorge Sanjinés, Coproduktion: Beatriz Palacios, DarstellerInnen: Geraldine Chaplin, Jorge Ortiz, Guido Arce, Marcelo Guzmann, Lineth Herbas. -- Bolivien, 1995. --  97 Minuten,

„Das Lied der Vögel“ von Jorge Sanjinés

Im tiefstehenden Licht der Abendsonne marschiert eine Gruppe Menschen über einen braunen Bergrücken. Im Hintergrund die – Achtung und Respekt heischenden – Berge der bolivianischen Hochanden. Die Szene wirkt surreal, und sie ist es auch. Ein widerwillig marschierendes Filmteam – eine Straße gibt es nicht – auf dem Weg in ein Andendorf, um dort einen historischen Film über die Conquista, die spanischen Eroberer, zu drehen. Die Dorfbewohner sollen als Komparsen mitwirken – aber die wollen nicht. Warum, erklärt der Film erst ganz zum Schluss. Einzige Begründung: „Wir haben keine Zeit“. Gerade Zeit aber spielt nur für die Filmemacher eine Rolle. Im Film selber stehen Gegenwart und Vergangenheit in dauerndem direkten Bezug zueinander. Das Heute scheint ewig und aus dem Gestern zu kommen. Der/die ZuschauerIn befindet sich plötzlich mitten in einer historischen Szene: ein Inka-Führer wird hingerichtet, Eroberer diskutieren, dass Symbole und Kleider der Indios zu verbieten sind, damit der Kolonialstatus erhalten werden kann, die Conquistadoren bringen sich gegenseitig um - wegen des Goldes, das sie von den Indios wegschleppen
lassen. Dann überrascht ein Dialog, der zur aktuellen Situation zu gehören scheint, sich dann aber als Textprobe eines Darstellers („War ich gut?“) herausstellt. Ob Gegenwart oder Vergangenheit, immer wieder führt uns die Kamera hinein in die faszinierende Bergwelt der Anden.

Warum aber wollen die Indígenas nicht mitmachen bei dem historischen Film „für sie“? Sogar Geld verdienen könnten sie. Statt dessen verweigern sie sich einfach. „Ich habe keine Zeit, weil ich ein Mützchen stricken muss“. Der dumme Indio erkennt nicht seine Chance? Die FilmmacherInnen werden von Mal zu Mal aufgebrachter gegenüber den DorfbewohnerInnen. Eine kleine große Liebe zwischen einem jungen Städter und einer Dorflehrerin verschärft den sich anbahnenden Konflikt, weil sowohl die – männlichen – Dorfbewohner als auch der ältere Bruder des jungen Städters gegen eine solche Liaison sind.

Die Situation spitzt sich zu, als zwei Mitarbeiter des Filmteams mehrere „heilige“ Vögel geschossen haben. Eine Gruppe aufgebrachter Indios geht in der Nacht mit Fackeln auf das „Hotel“ (die Dorfschule) der FilmerInnen zu. Eine Scheibe wird eingeworfen, die FilmerInnen geraten in Panik. Auch die seit acht Jahren im Dorf lebende Alt-Revolutionärin aus Europa (dargestellt von Geraldine Chaplin) kann nicht zwischen StädterInnen und DörflerInnen vermitteln. Eigentlich will sie das auch nicht.

Die Begegnung zweier Kulturen scheint sich zu einem Desaster zu entwickeln. Erst am Schluss erkennt der Produzent endlich, was er und das Team versäumt haben. Und so werden die StädterInnen von den DorfbewohnerInnen zwar nicht in Harmonie, aber doch mit Achtung und Gastgeschenken verabschiedet. Und die FilmerInnen verhalten sich, wie sie ihre Lektion begriffen haben: Einige bleiben ablehnend, bei anderen stellt sich zumindest Nachdenklichkeit ein. Der verliebte Junge empfängt eine „illa“, jenes Symbol, das dem Träger dazu verhelfen soll, den Gesang der Vögel (und die Liebe) zu begreifen und der – verstörte – Teamchef hält ein braunes Huhn umklammert, als müsse er sich daran festhalten. Den Gesang der Vögel – im Gegensatz zu den Indígenas – nicht „empfangen“ zu haben, nicht einmal mit hochtechnischem Gerät, hatte ihn zutiefst verunsichert. Der Film wurde so doch noch zur Begegnung. Die Menschen aus der demokratischen Bauerngesellschaft erhielten Gesichter und wurden zum Subjekt mit eigener Identität, während die mitspielenden und zuschauenden Mitglieder der herrschenden "Stadtkulturen" zumindest die Möglichkeit hatten bzw. haben, sich selbst in Frage zu stellen und ein Stück über den eigenen Tellerrand zu schauen: Verstehen hat nichts mit dem alles beherrschenden Geldratio zu tun, Verstehen ist vor allem eine Sache des Herzens.

Die meisten Filme von Jorge Sanjinés haben in Bolivien große und breite Resonanz gefunden, weil sie Themen behandeln, die die Interessen der Menschen berühren. In dem Film „Die geheime Nation“ (1989) hatte Sanjinés die Identitätskrise des Sebastian Mamani auf dem Hintergrund der wirtschaftlichen und sozialen Veränderungen dargestellt. Dieser Film kann ebenso wie „Das Lied der Vögel“ (97 Min., 16 mm, spanisch mit deutschen Untertiteln), bezogen werden bei: EMZ Stuttgart, Tel. 0711-222 7667, Fax: 9711-222 7665

Gernot Wirth"

[Quelle: ila : Zeitschrift der Informationsstelle Lateinamerika. -- Bonn. -- ISSN 0946-5057. -- Nr. 212 (1998-02)]

ab ca. 1995

Eine Spätfolge der Conquista: Die Kartoffel, das größte Kulturerbe der Anden, erobert China in Form von Pommes frites:

"U.S. French Fries Heat Up China’s Fast Food Industry

By Jacob Cee and Susan Theiler


Abb.: Eine neue Generation: Pommes-Chinesen

In the last three years, China’s rapidly changing lifestyles and eating habits have resulted in a booming fast-food industry. Chinese consumers, especially those who live in large urban areas, have accepted Western-style fast-food restaurants that serve french fries and other popular side dishes as a way of life in China. As a result, the popular American food has become a huge success story, creating a growing market for U.S. frozen potatoes.

Since 1995, China’s direct imports of french fries from the United States have increased tenfold, while at the same time, the volume of french fries shipped to China through Hong Kong has tripled. As more consumers eat at Chinese fast-food and Western-style restaurants such as McDonald’s and Kentucky Fried Chicken, these numbers are expected to increase.

The United States, with a 97-percent market share, dominates the Chinese market for french fries. In marketing year (MY) 1997, the United States exported about 2,500 metric tons of frozen french fries to China valued at $2.2 million. It’s estimated that another 8,000 to 14,000 tons of french fries, or 50 percent to 75 percent, are transhipped into China through Hong Kong.

Fast-Foods Grow in China

China’s french-fry consumption trend is very different than it was just a few years ago. Before the invasion of the fast-food industry, french fries were portrayed as a luxury food item. They were associated with Western-style restaurants located in or near fancy hotels, consumed only by the most affluent Chinese people. Since french fries were basically unknown to most Chinese, the demand at that time was very small, and the quality of french fries served to customers was never a serious consideration.

But today, french fries are a booming business in China. Chinese families visit fast-food restaurants to please their children. In fact, when it comes to eating out, children are basically the decision makers. Chinese teenagers and young adults are no different than their counterparts in the United States–they enjoy the crispy taste of french fries along with other fast foods. A fast-food order of french fries in China costs about $.60 to $1.80 and is the key to Chinese french fry consumption.

McDonald’s and Kentucky Fried Chicken consume a 70-percent share of the french fry market in China.

Now that Chinese consumers have tasted tasty American french fries in restaurants, they want to enjoy them at home. The retail market for packaged frozen french fries is larger in northern China, in part because the Chinese are accustomed to reusing their cooking oil to deep-fry their products due to the introduction of fast food restaurants.

Some Chinese potato suppliers are confident that the market for packaged frozen french fries will continue to grow, despite China’s value-added tax of 17 percent on frozen potatoes, which still constrains imports. On the brighter side, in 1997, China reduced its import duties on frozen french fries from 45 percent to 25 percent.

Marketing U.S. French Fries

Over the past few years, groups such as the U.S. Potato Board have been actively promoting high-quality U.S. french fries. The U.S. Potato Board frequently offers educational training, seminars, trade shows and joint promotions such as food sampling with local Chinese supermarkets, fast-food chains and Western-style restaurants. By advertising on radio and television, in newspapers and printed materials and through public relations events, sales missions and trade shows, the U.S. Potato Board is working to increase the sales of U.S. frozen french fries.

U.S. exporters are beginning to realize that, in China, sales and education go hand-in-hand. Chinese traders need information on food handling practices such as how to properly store frozen french fries until they are distributed to restaurants and supermarkets. Such practices can also help reduce the costs of importing french fries into China for traders and suppliers by reducing losses of french fries that are not stored in cold temperatures."

[Quelle: http://www.fas.usda.gov/info/agexporter/1999/usfrench.html. -- Zugriff am 2002-03-29] 

1995

Die Cocaleros entwickeln die These vom Instrumento Politico, d.h. sie beschließen an Wahlen der verschiedenen Ebenen in Form von Parteien teilzunehmen. Aufgrund dieses Beschlusses bildet man:

1995

Jonás y la ballena rosada / Film von J. C. Valdivia nach einem Roman von José Wolfgango Montes Vanucci (1951, Santa Cruz - )


Abb.: Filmplakat

1995

Las misiones jesuíticas de Chiquitos / Pedro Querejazu (ed. y compil.) ... -- La Paz : Fundación BHN, ©1995. -- Depósito legal 4-1-637-94. -- 718 S. : Ill. -- [Monumentales Standardwerk]


Abb.: Umschlagtitel

1995


Abb.: Alejandro Zapata: San Kurt : angel caído, 1995 [Kurt Cobain, Bandleader von Nirvana, der sich 1994 als 27jähriger selbst tötete]

[Bildquelle: Szmukler, Alicia: La ciudad imaginaria : un análisis sociologico de pintura contemporánea en Bolivia. -- La Paz : PIEB, 1998. -- Depósito legal 4-1-316-98. -- S. 138]

1995-02-28

Lied beim Carnaval de Oruro:

"Olton, Wisky, Gin,
rey de los licores
te queremos, te adoramos,
todos los mamones.
¡sí señor!
todos los mamones"

[Zitiert in: Rossells, Beatriz: Caymari vida : la emergencia de la musica popular en Charcas. -- Sucre : Editorial Judicial, , 1996. -- Depósito legal 3-1-464-96. -- S. 70. -- Dort Quellennachweis]

1995-05-12

Decreto Supremo 24000 über die fondos financieros privados

"Supreme Decree 24000 provides for the functioning of Private Financial Funds [PFF] as financial entities set up to channel resources to small and micro borrowers in urban and rural areas of the country.The activities of the Private Financial Funds are governed by the provisions set forth in the Law on Banks and Financial Entities, Supreme Decree 24000 and all other applicable legislation. The rules and regulations issued by the Central Bank of Bolivia and the Superintendence of Banks and Financial Entities are likewise applicable to the Private Financial Funds.According to Supreme Decree 24000, PFF’s must be set up as stock corporations with a minimum paid-in capital, in domestic currency, equivalent to six hundred and thirty thousand Special Drawing Rights.Supreme Decree 24000 describes the financial trading operations that may be carried out by the PFFs and designates the Superintendence of Banks and Financial Entities as the body in charge of imposing operative restrictions upon them.

Supreme Decree 24000 sets ceilings for lending to and maintaining credit with individual borrowers or groups of borrowers and entities within the national financial system. It sets the minimum working capital ratio and cash requirements for PFFs. It designates  the Superintendence of Banks and Financial Entities as the body responsible for granting the relevant operating license for all PFFs that have fulfilled the requirements stipulated in the Law on Banks and Financial Entities. The Superintendence is also named as the authority responsible for processing the applications submitted by entities wishing to organize themselves under Article 81 of the Law on Banks and Financial Entities, adapting to the provisions of Supreme Decree 24000."

[Quelle: http://www.nabard.org/roles/mcid/boliviastudyreport.pdf. -- Zugriff am 2002-07-26]

1995-07


Abb.: Logo™

Die auf Kleinkredite spezialisierte Caja los Andes Fondo Financero Privado S.A. nimmt ihre Tätigkeit auf. [Webpräsenz: http://www.cajalosandes.com/ . -- Zugriff am 2002-07-26]
 

1995-12

Summit of Americas (Cumbre de las Américas) in Miami (USA): 34 Staaten (darunter Bolivien) aller Amerikas nehmen daran teil und leiten den Prozess der Bildung einer gesmtamerikanischen Freihandelszone (Área de Libre Comercio de las Américas (ALCA), Free Trade Area of the Americas (FTAA)) ein. [Webpräsenz: http://www.ftaa-alca.org/. -- Zugriff am 2002-02-01] 

1995/1996

Wunder in Bolivien (eine kleine Auswahl)


Abb.: La Razón. -- 1996-03-19


Abb.: La Razón. -- 1996-03-19


Abb.: La Razón. -- 1995-11-11


Abb.: La Razón. -- 1996-03-15


Abb.: La Razón. -- 1996-03-10


Abb.: Los Tiempos. -- 1995-12-29

Bildquelle: Cuarto intermedio : revista trimestral / publicada por la Compañía de Jesús. -- Cochabamba. .. N° 39. -- 1996-05


Abb.: Stigmatisierung in Cochabamba, 1996-02-09


Abb.: Stigmatisierung in Cochabamba, 1996-02-09

Quelle der Abb.: Castañón Gómez, Ricardo: Documentos para la ciencia y la fe. -- 2. ed. -- La Paz: : CIEH [u.a.], 1997. -- Depósito legal 2-1063-96. -- S. 242f. -- [Dort noch viele weitere Wunder mit Abb.]

1995-02-06

Verfassungsänderung durch Ley No. 1615. Artículo 1 lautet nun:

"Bolivia, libre, independiente, soberana, multiétnica y pluricultural; constituida en República Unitaria, adopta para su gobierno la forma democrática, representativa, fundada en la unión y la solidaridad de todos los bolivianos."

1995-04-27

Gründung der Partei Nueva Fuerza Republicana (N.F.R.) in Cochabamba

Wichtige Gründungsmitglieder:

1995-07-28

Ley de Descentralización (Ley no. 1654)

"ARTICULO 2º (OBJETO). En el marco de la preservación de la unidad nacional, la presente ley tiene por objeto:

  1. Establecer la estructura organizativa del Poder Ejecutivo a nivel Departamental dentro el régimen de descentralización administrativa.
  2. Establecer el régimen de recursos económicos y financieros departamentales.
  3. Mejorar y fortalecer la eficiencia y eficacia de la Administración Pública, en la prestación de servicios en forma directa y cercana a la población.

ARTICULO 3º (ESTRUCTURA ORGANIZATIVA DE LA PREFECTURA DEL DEPARTAMENTO).

  1. La estructura del Poder Ejecutivo a nivel departamental, está constituida por la prefectura, conformada por el Prefecto y el Consejo Departamental.
  2. La organización interna de la Prefectura será reglamentada mediante Decreto Supremo."

1995-09-07

Evo Morales [1959, Orinoca - ] "will nicht ins Kabinett

(Mexiko-Stadt, 7. September 1995, POONAL).- Die bolivianische Regierung machte ein ungewöhnliches Angebot: Sie lud Evo Morales, den Führer der Koka-AnbauerInnen ein, als stellvertretender Minister für Alternative Entwicklung ins Kabinett einzutreten. Dies geschah einem Tag, nachdem die Koka-ProduzentInnen nach wochenlangen Konfrontationen zustimmten, ihren Anbau freiwillig zu vernichten. Kurz zuvor war Morales von der Regierung noch beschuldigt worden, die Drogenhändler zu schützen und zu einem bewaffneten Aufstand in der »Koka-Provinz« El Chapare aufzustacheln. Morales selber nannte den Regierungsvorschlag »Erpressung und Spott«. Er werde sich niemals dem Neoliberalismus verschreiben. »Ich würde mir nicht gefallen, Angestellter der Regierung zu sein«, kommentierte er.

[Quelle: Poonal. -- ©1995-09-20]

1996

Es erscheinen die Ergebnisse des ersten Census der Indígenas (Eingeborenen) des Tieflandes:

Primer censo indígena rural de tierras bajas, Bolivia 1994. -- La Paz : PNUD.
Amazonia. -- 1996. -- Depósito legal 4-1-1233-96. -- 621 S.
Oriente. -- 1996. -- Depósito legal 4-1-1234-96. -- 699 S.
Chaco. -- 1996. -- Depósito legal 4-1-1235-96. -- 445 S.


Abb.: Umschlagtitel

Die Grobergebnisse [alle von uns gerundet]:

Amazonia
Ganze Region 58.000
Mojeño 16.000
Movima 6.000
Chimán 6.000
Itonama 5.000
Tacana 5.000
Reyesano 4.000
Joaquiniano 2.000
Yuracaré 2.000
Caviñeno 2.000
Mosetén 1.000
Guarayo 1.000
Loretano 1.000
Cayubaba 800
Chacobo 750
Baures 600
Chama -- Esse Ejja 600
Canichana 600
Sirionó 400
Andere 1.600
Oriente
Ganze Region 57.000
Chiquitano 46.000
Guarayo 6.000
Guaraní 3.000
Ayoreo 800
Andere 300
Chaco
Ganze Region 36.000
Weenhayek 2.000
Guaraní 34.000
Tapiete 70

Beispiel einer Lokaleintragung:

"Nombre Asentamiento: SANTA ANA 

UBICACIÓN GEOGRÁFICA
Región: Amazonia
Departamento: La Paz
Provincia: Abel Iturralde
Sección: San Buena Ventura (Segunda)
Cantón: Tumupasa

CARACTERÍSTICAS GENERALES
Tipo de Asentamiento: Comunidad
Población Indígena: Aproximadamente la mitad
Idioma nativo más hablado: Tacana
Autoridad Principal: Corregidor
Título de propiedad: No posee títulos de propiedad comunal del territorio ocupado
Tiempo de asentamiento: Siempre en el lugar desde hace 23 años

CARACTERÍSTICAS DE LA POBLACIÓN
Total Población: 49 habitantes Hombres: 25 Mujeres: 24
Total Viviendas: 8 

SERVICIOS

Lugares para atención de Servicios
Compra y Venta: San Buena Ventura
Salud: Tumupasa
Trámites legales: San Buena Ventura

Comunicaciones
Medio de Transporte más utilizado Movilidades automotoras
Medios de Comunicación
Equipo de radio: No disponen

Emisiones radiales
Emisoras radiales: Santa Cruz y Fides

Teléfono: No disponen 

Energía Eléctrica: No Disponen

Educación
Básico: Disponen 
Número de profesores: 2
Desplazamiento de estudíenles: Existe Lugares de desplazamiento: Rurrenabaque

Salud
Personal de atención: Un curandero
Enfermedad más frecuente: Diarrea, espundia, tuberculosis y reumatismo

ORGANIZACIONES COMUNITARIAS
Como única organización comunitaria, existe un Sindicato Agrario integrado sólo por hombres. 

APOYO INSTITUCIONAL
El asentamiento declara recibir ayuda especial efectiva de CORDEPAZ (construcción y captación de agua potable).

CARACTERISTICAS ECONÓMICAS

Producción Agrícola
Los principales productos agrícolas cultivados, confines de consumo interno, son: toronja, lima, naranja, pina y palta. El maíz, arroz, plátano y la yuca, se producen en cantidades que permiten su comercialización en el asentamiento.

Recojo de Madera y Especies Silvestres
Las especies silvestres, que se recogen sólo para consumo interno son: piraquina, chaaquillo, yuritaria, caicoma, jatata (construcción), mango, mangillo (alimentación), cayú, coca y hoja de pasmo (medicinales).

Crianza de Animales
En el asentamiento se crían gallinas, cerdos y patos.

Caza y Pesca
Las especies animales que se cazan, sólo para consumo interno, son: tropero, anta, taitetú, mono y pava de monte.
Las especies más importantes que se pescan sola para consumo interno son: belea, venían, sábalo y sardina.

Artesanías
Existen artesanos que se ocupan de realizar tejidos de esteras, fajas, jatatas y algodón, en cantidades que alcanzan sólo para el consumo interno del asentamiento.

Importancia Rubros Económicos
El rubro con mayor importancia económica para el asentamiento es la producción agrícola, seguido en orden decreciente por la caza y pesca, la cría de animales, la artesanía, y la explotación de madera y especies silvestres.

Competencia Territorial
Existe competencia territorial con madereros.

Problemas en la Comercialización de Productos
Los principales problemas enfrentados para la comercialización de sus productos, son: la falta de medios de transporte y de un mercado indígena."

[Amazonia. -- S. 259]

1996


Abb.: Roberto Valcárel <1951, La Paz - >: Mickey cubista, 1996

[Bildquelle: Szmukler, Alicia: La ciudad imaginaria : un análisis sociologico de pintura contemporánea en Bolivia. -- La Paz : PIEB, 1998. -- Depósito legal 4-1-316-98. -- S. 167]

1996


Abb.: Insassen des Franziskanerkonvents Copacapana, 1996
Vorne: Br. Segismundo Skrzydlo (Pole), Br. Francisco Cuevas, Br. Enrique Báscones (Guardian), Br. Bernardin Ward (USA)
Hinten: Br. Hilarión Pérez, Br. Victor Chacún, Br. Carmelo Galdós (Spanier)

[Bildquelle: Historical, cultural and religious guide of Copacabana and surroundings / Fraternity of the Lesser Brothers. -- Copacabana, 1999. -- S. 64]

1996

Madre Melliza y sus crías = Ispall Mama wawampi : antología de la papa / compil. Denise Y. Arnold ... -- La Paz : hisbol ; ILCA, 1996. -- 470 S. : Ill. -- (Biblioteca andina ; 18). -- Depósito legal 4-1-875-96

"Este libro examina la "papa" -comida por excelencia de la gente aymara de los Andes- en sus diversos aspectos. Se aprecia la papa como alimento, como símbolo femenino del mundo lunar dentro de la tierra, como símbolo masculino de la guerra o como una imagen de la contemplación Interna de la gente andina. Se sabe que la papa es útil como afrodisíaco y representa un símbolo sexual para lograr la procreación de muchas guaguas. Y se escucha de los espíritus de la papa la música que les hace bailar.

En sus páginas encontramos a Mama Melliza y sus crías, con la caníbal monstruosa Achkay, y con Mama Trama, siempre tramando sus diversas maquinaciones.

Una recolección de cuentos de las orillas del lago Titicaca nos narra los orígenes de la papa en su cuña de creación. En otras descripciones de la misma región, aprendemos las diferentes ofrendas a la papa, para que produzca bien. Y algunos atisbos acerca de la cultura antigua de Tiwanaku nos permite apreciar la iconografía, textil y arquitectura ligados con la papa.

Algunos capítulos del libro están presentados en textos bilingües en aymara y castellano andino para la mayor apreciación de las fuentes de información examinadas aquí: sobre todo las voces de la gente andina y el mundo textil que ellos traman." [Rückentitel]

1996

Weber, Claus <1940 - >: Trockenzeit - Regenzeit : auf dem Land in Bolivien. -- Trier : Paulinus, ©1996. -- 95 S. : Ill. -- ISBN 3-7902-0094-8

Bolivianisches Kinderlied
Desde Santa Cruz me vine en carretón
porque no se vuelca igual que un camión
Se gasta más tiempo
y también comida,
pero no hay peligro de perder la vida.

Tengo mi yegüita como bicicleta
que corre más fuerte que una camioneta;
A esa camioneta; que le pasará?
No le falta nada, no quiere andar.

Métale primera,
métale segunda,
métale tercera y acelérela.

Desde Santa Cruz me vine en carretón...

Ich komm aus Santa Cruz und zwar im Ochsenkarren. 
Der überschlägt sich nicht so leicht wie ein Lastwagen. 
Man braucht zwar mehr Zeit, 
mehr Essen und Geduld unterwegs, 
doch dafür bleiben die Knochen heil.

Ich habe mein kleines Pferdchen,
wie andere ihr Fahrrad.
Doch was ist heute los mit ihm?
Es fehlt ihm nichts und es will doch nicht laufen.

Leg den ersten Gang ein,
leg den zweiten ein,
wirf den dritten rein und gib Gas.

Ich komm aus Santa Cruz und zwar im Ochsenkarren..,

[a.a.O., S. 72]

1996

Lessmann, Robert: Drogenökonomie und internationale Politik : die Auswirkungen der Antidrogen-Politik der USA auf Bolivien und Kolumbien. -- Frankfurt am Main : Vervuert, ©1996. -- 305 S.  -- (Schriftenreihe des Instituts für Iberoamerika-Kunde, Hamburg ; Bd. 41). -- Zugl.: Wien, Univ., Diss., 1994. -- ISBN 3-89354-241-8


Abb.: Kokaanbaugebiete und Handelswege für kokain (a.a.O., S. XVIII)

"Zum klassischen [Koka-]Konsum werden die getrockneten Blätter im Mund zu einer Kugel geformt und zusammen mit llipta (Aymara-Ausdruck), einer Kalklösung (aus Stein oder Muscheln bereitet) oder Pflanzenasche (Bikarbonat). in der Backentasche aufbewahrt, bis sie ihren Geschmack verlieren (weder lutschen noch gar kauen wäre ein treffendes Verbum; der Einfachheit halber sei jedoch weiterhin die geläufigere Bezeichnung "kauen" gestattet). Eine solche Kauperiode dauert etwa 2 Stunden lang. Kokakauen ist in manchen Gegenden derart verbreitet, dass sogar die Länge von Wegstrecken oder die Arbeitszeit beim Feldbau in solchen coquedas angegeben wird. Vor Quantifizierungen sei gewarnt, doch sprechen Schätzungen für ganz Lateinamerika von 8-15 Mio. regelmäßigen Kokakauern; jeder zweite Bolivianer kaue regelmäßig Koka). In den Andenprovinzen liegt der Prozentsatz noch erheblicher darüber. Ein starker coquero verbrauche auf diese Weise pro Tag 28g Kokablätter, wodurch er - je nach Blattsorte, Kalkbeimischung und Kautechnik - schätzungsweise 0,14g Kokain in den Körper aufnehme. Andere Quellen sprechen von Blattmengen bis zu 70g pro Tag. In beiden Fällen wird Kokain in einer Menge aufgenommen, die im Bereich des Kokainismus als hohe Dosis gilt. Die langsame und unvollständige Freisetzung des Wirkstoffes (zusammen mit dessen effektiver Umsetzung im Verdauungstrakt, so eine These) unterscheiden diese traditionelle Form des Konsums jedoch grundsätzlich von allen Formen des Kokainismus, bei denen der Wirkstoff wesentlich schneller und in konzentrierter Form aufgenommen wird."

[a.a.O., S. 17]

"Einige Basisinformationen über die Gewinnung von Kokain

Wo bisher von Kokainismus oder Kokain die Rede war, bezieht sich der Terminus auf die reine, kristalline Form. Kokain-Hydrochlorid (HCL). ein weißes Pulver, das für gewöhnlich chemisch sauer reagiert und wasserlöslich ist. Seine Gewinnung aus den Blättern des Kokabusches verläuft in mehreren, in der Praxis räumlich voneinander getrennten Schritten:

  1. Die Blätter werden zunächst geerntet und zum Trocknen in der Sonne ausgelegt.
  2. In einer ersten Phase werden die Alkaloide zusammen mit anderen Inhaltsstoffen extrahiert, indem man die Blätter in einem Gemisch aus Schwefelsäure, Kerosin. Wasser und verschiedenen Karbonaten einweicht, wodurch man - meist unter Stampfen oder Auspressen - eine weißliche Flüssigkeit gewinnt, die in einem Gerinnungsprozess zu Paste eindickt, der sog. pasta básica (PBC) oder (in Kolumbien) bazuko (oft fälschlich auch Kokainsulfat oder Sulfatbase genannt). Je nach Alkaloidgehalt der Pflanzen und Effektivität des Extraktionsverfahrens erhält man aus 300 - 500kg Kokablättern etwa 2.5kg PBC. Dieser Vorgang ist relativ einfach und die dazu notwendigen Chemikalien sind in den entsprechenden Mengen vergleichsweise problemlos erhältlich. Die notwendige Hardware beschränkt sich auf einige Plastikeimer oder -wannen und -folien. mit denen Erdmulden ausgelegt oder mit Hilfe von Pflöcken künstliche Becken errichtet werden. Wegen der enormen Volumina an Kokablättern, die dazu nötig sind, wird PBC in der Regel in der Nähe der Pflanzungen hergestellt. Der in der Literatur erwähnte Transport getrockneter Kokablätter zu den Orten der Weiterverarbeitung ist eher Ausdruck unsicherer Verhältnisse im Rahmen der Illegalität oder mangelhafter Infrastruktur - jedenfalls auf dieser Stufe der Produktion recht umständlich und unwirtschaftlich.
  3. Kokain (HCl) gewinnt man daraus durch ein vergleichsweise kompliziertes Verfahren, dessen Beherrschung einiges chemisches Wissen verlangt, mit Hilfe einer Reihe z.T. in den erforderlichen Mengen in den Anbaugebieten schwierig zu beschallender (Chemikalien, wie Salzsäure, Aceton, Äther, Potassium Permanganat, Ammonium, Kerosin, Kalziumkarbonat, Soda, Schwefelsäure. Diese Weiterverarbeitung findet daher im Regelfall an anderen Orten statt, für deren Auswahl neben der Infrastruktur die Klandestinität entscheidendes Kriterium ist, die in den Regionen der relativ arbeitsintensiven Kokaproduktion und deren Transformation zu PBC nicht gegeben ist.


    Abb.: Kokain (Bild: DEA)

    1. Zunächst führt ein Reinigungsprozess unter Zuhilfenahme von Filtern, Aceton, Äther, Pottasche, Ammoniak u.a. zur Kokainbase oder pasta básica lavada (PBL - chem. C17 H21NO4).
    2. Unter Verwendung von Salzsäure, Äther und Aceton gewinnt man daraus Kokain-Hydrochlorid (HCl chem. C17 H21NO4Cl). Dabei ergeben grob 2,5 kg PBC zunächst l kg PBL und später l kg HCl."

[a.a.O., S. 19f.]

Abb. 1: Kokainstammbaum [Bildvorlage: a.a.O., S. 21]


Abb.: Crack (Bild DEA)


Abb.: Tafel mit den verbotenen precursors für Kokain, Kontrollposten, Yungas (Bild: Payer 2002-12)

"Zur Soziologie der Produktion von Koka und pasta básica de cocaina im Chapare

Vereinfacht kann man davon ausgehen, dass 90% der im Chapare produzierten Kokablätter für die Weiterverarbeitung zu Kokain zur Verfügung stehen und dass der Chapare damit zu etwa 80% den Kokabedarf der illegalen Kokainherstellung in Bolivien deckt (Fragen der Quantifizierung werden weiter unten ausführlicher behandelt). Die getrockneten Blätter werden zumeist an Ort und Stelle zu pasta básica (PBC) verarbeitet. Subzentren dieser Verarbeitungsstufe befinden sich im Hochtal von Cochabamba (Valle Alto de Cochabamba). um Yapacaní und in tiefer gelegenen Gebieten der Yungas. Neben Santa Cruz als traditionellem Umschlagplatz sowohl für PBC als auch für Kokain (HCl) ist in den letzten Jahren Cochabamba getreten. Ausgangspunkt für die HCl-Produktion, die Vermarktung ins Ausland und die Organisation des illegalen Geschäfts im großen Stil sind die Viehranches im Tiefland der Depts. Santa Cruz und Beni, aber auch im noch abgelegeneren Pando. Von der in Bolivien produzierten PBC wird ca. 1/3 im Lande selbst zu PBL bzw. HCl verarbeitet, der Rest geht zur Weiterverarbeitung nach Kolumbien, in geringerem Maße neuerdings auch nach Brasilien und Argentinien.

Zur Organisation von Produktion und Transport der PBC

Aus dieser regionalen Arbeitsteilung folgt die Notwendigkeit umfangreicher Transportaktivitäten schon auf den untersten, arbeitsintensiven Stufen der Verarbeitung. Nach dem Trocknen auf den Höfen der Bauern müssen die Kokablätter zu den Stätten der klandestinen Weiterverarbeitung geschafft werden. Entweder geschieht dies in bäuerlicher Eigenregie oder bereits im Auftrag des Pastenherstellers durch dessen Aufkäufer (rescatador). Wegen der in den letzten Jahren mit den Wechselfällen von Marktübersättigung und Fahndung stark schwankenden Preise für Kokablätter, sind etliche Kokabauern dazu übergegangen, selbst PBC herzustellen. Vor allem in den besser kontrollierten Gegenden entlang der einzigen Asphaltstraße nehmen die Blätter nicht selten den Umweg über offizielle Aufkaufstellen, von wo sie dann bei Nacht und Nebel verschwinden, statt auf die traditionellen Märkte zu gelangen. Den "Ameisentransport" großer Mengen getrockneter Blätter erledigen Hilfsarbeiter (peones. auch matobenes oder zepes genannt) bei schlechter Bezahlung und ohne jeden Schutz vor Ausbeutung. Zur Herstellung der PBC ist etwas Kapital nötig, um Blätter. Chemikalien und Hilfsarbeiter zu bezahlen. Die Extraktion der Kokainbestandteile aus den Blättern besorgen die pisacocas (Kokatreter). Hilfsarbeiter, die. ebenfalls miserabel bezahlt, leichte Beute der Strafverfolgung und durch den unmittelbaren Kontakt mit Chemikalien gesundheitlich stark gefährdet sind. Zudem weiden sie vielfach mit PBC statt mit Geld ausbezahlt, die sie entweder selbst rauchen oder auf deren Weiterverkauf sie angewiesen sind. Nicht selten sind diese pisacocas Jugendliche von 14-16 Jahren. Der Transport der PBC zu den Dschungelpisten, von denen aus sie zumeist mit Sportflugzeugen abtransportiert wird, stellt aufgrund des Gewichts- und Volumenverlusts auf der ersten Verarbeitungsstufe kein Problem dar. Entweder bringen die Hersteller oder deren Beauftragte die Pasta selbst zum vereinbarten Treffpunkt, oder die Ware wird, des reibungslosen Ablaufs wegen, bereits vorher durch Helfer des Aufkäufers zusammengetragen. Nach vorherigem Funkkontakt vergehen in der Regel nur wenige Minuten zwischen Landung und Start des Flugzeugs.

...

Auf und zwischen diesen beiden Ebenen gibt es häufig personelle wie funktionelle Überschneidungen. Während in Bolivien formal Anbau, Trocknung und Transport der Kokablätter (von Ausnahmen abgesehen) legal sind, beginnt mit der Bereitstellung der notwendigen Chemikalien und der Herstellung der pasta básica der definitiv illegale Bereich. Soziologisch gesehen handelt es sich aber nach wie vor um Bauern, Landarbeiter oder subproletarische Kleinkriminelle, die diese Funktionen wahrnehmen. Erst die Person des Aufkäufers der PBC stellt den personell-funktionellen Übergang zur hermetisch abgeschotteten Kokainindustrie dar. Seine Arbeit steht unter einem hohen Risiko zwischen Drogenfahndung und Konkurrenz. Auf dieser Ebene sind bereits große Geldsummen im Spiel und viel Umsicht gefragt.

Sog. "Fabriken" oder "Labors", in denen aus der pasta básica Kokainbase bzw. in einem weiteren Schritt Kokain (HCl) hergestellt wird, haben in Bolivien normalerweise zwischen 10 und 30 Personen Personal und sind mit eigenen Schlafräumen, Küche usw. straff organisiert wie ein Militärcamp. Labors der Größenordnung von "Huanchaca" (mit 100 Quartieren) sind die Ausnahme. Die meisten dieser Labors befinden sich in den äußerst dünn besiedelten Depts. Santa Cruz oder Beni im brasilianischen Grenzgebiet. Der Geschäftsführer eines solchen Laborkomplexes steht zumeist dem Boss der Gruppe sehr nahe und ist oft ein Verwandter. Daneben soll es in diesem Bereich inzwischen eine Vielzahl selbständiger Kleinbetriebe sog. cooks (Köche) geben."

[a.a.O., S. 79 - 81]

1996

Die US-Drogenbehörde DEA in einem Bericht:

"Informe DEA La Paz-Washington 1996

La Paz Country Office, Quarterly field management report, fiscal year 1996, first quarter.

[Geschwärzter Text]

UTILIZATION OF BANKING SYSTEM TO LAUNDER AMD HOLD TRAFFICKERS MONEY:

The Bolivian banking system continues to be used in an intermediary basis to facilitate the flow of cash during the final phases of placement and legitimization of funds. We do not believe that banks are used in the holding of trafficker monies as Bolivian traffickers prefer tangible investments. Any cash is held mostly offshore. When banks are used for illicit transactions, it is only as transfer agents and not so much for the laundering of funds. Exchange houses, the black market and other cash businesses are used in the money laundering process.

Bolivia has not criminalized money laundering, nor does it impose restrictions on the movement of foreign currency in or out of the country, even though cocaine profits continue to make up a substantial part of all foreign exchange entering the country. Banks are supposed to report transactions involving more than $20,000 to supervisory authorities, and exchange houses or "casas de cambio" are required to maintain records of currency transactions.}

I. DIVERSION OF LEGITIMATE DRUGS AND CHEMICALS:

Bolivia is an importer of legitimate drugs and chemicals Most medicinal drugs ca be purchased over the counter. Frequently, pharmacists serve as doctors and recommend medication. [Geschwärzter Text]

Intelligence indicates the traffickers are increasingly using rivers to transport chemicals after they have been subsequently diverted or as smuggling routes from Brazil and Peru into Bolivia. Although the majority of chemicals enter Bolivia legally, smuggling is certainly a concern. Estimates as high as 20 percent of all chemicals used in the production of illicit cocaine are smuggled. The success of the Bolivian effort, at least along the river crossings, will to a large degree depend on the coordination Bolivia has with Brazil and Peru. The continued development of a successful riverine Bolivian interdiction program will place a high priority on multinational cooperation.

Guayaramerin, located in the Beni region of Bolivia, has recently become the focus of extensive ethyl ether clandestine laboratory activity [Geschwärzter Text] the FELCH/UMOPAR commander in Guayaramerin was relieved of duty in December 95 and charged with corruption. Although at least one ethyl ether lab has been seized monthly in this area, the number of clandestine labs must be assumed to be many times greater than the number seized and/or reported. Quantum leaps in ether synthesis combined with increased cocaine HCL production has accounted for a doubling of Guayaramerin's population in the past two years. As a result of acquired prosperity derived from coca leaf cultivation, thousands of cocaleros, mainly from the Chapare, have migrated to Guayaramerin.

Ethyl ether "stills" yield approximately 50 ltrs daily. Ingredients required for such production remain ethanol and sulfuric acid obtained from the Brazilian side of the border at relatively low costs. Prices for synthesized ether range from $2,600.00 to $3,000.00 per 200 ltr drum. The finished product is transported from Guayaramerin via small aircraft.

The small town of Villa Bella, Bolivia, along the Madera River, has been identified as being the approximate site of one of the most productive ethyl ether labs in the Beni. The ether is transported from the clandestine labs by means of river launches equipped with 40 hp motors. A large quantity of ethyl ether is manufactured in a small Beni region town, called Santa Fe. A number of ether synthesis labs have also been sighted in Arce, another nearby town.

The Mamore River which runs through Guayaramerin is the crossing point from Brazil to Bolivia for sulfuric and hydrochloric acids, potassium permanganate, other essential chemicals and automatic rifles. This river crossing also provides an avenue for instant profits- a kg of cocaine HC1 valued at $2,000.00 in Bolivia will fetch about $4,000.00 on the Brazilian side.

Although it is not always realistic to equate chemical seizures to the amount of illicit cocaine that would have been produced, it is noteworthy to advise that the amount of chemicals seized in this quarter could have been used in the production of hundred ton quantities of cocaine. As far as the chemical problem in Bolivia is concerned, an important issue, is to ensure companies are properly regulated."

[Faksimile in: Paz, Ramiro V. : Dominio amazónico. -- La Paz : Plural, 1999. -- ISBN 84-89891-56-7. -- S. 305 - 307]

1996

In diesem Jahr werden in Bolivien nur 39.000 Präservative (Kondome) verkauft. (2001 sind es 7,5 Millionen).

1996

Beginn des Großforschungsprojekts ANCORP (Andean Continental Research Program) der Universität Potsdam. Das Projekt erstreckt sich von Iquique (Chile) bis zum Salar de Uyuni (Bolivien).

"The Central Andes are the type example of a cordilleran orogen related to subduction of an oceanic plate under a continental plate. They contain the second highest continental plateau in the world, the Altiplano. The magmatic arc migrated episodically more than 200 km towards the east from the Jurassic to recent times suggesting tectonic erosion at the base of the continental upper plate by the subducting oceanic plate. Neither the magmatic activity, nor the crustal shortening can fully explain the amount of thickening in the Andes. Last, not least, the Central Andes are the largest copper-, boron-, lithium-, and nitrate-anomaly of the Earth.

The aim of the ANCORP project is to seek for an integrated model for the crustal deformation in the Central Andes, considering different aspects in the different tectonic domains of the active continental margin:

  • Forearc: continental erosion, mass transfer and crustal thickening; nature of deep fault zones: crustal chimneys for ascending ore-forming fluids;
  • Arc: crustal structures, magma generation and ascent;
  • Altiplano: nature of upper-lower plate boundary and it's relation to seismicity; formation of overthickened crust, plateau uplift and backarc dynamics;
  • Basin formation in an actively deforming upper plate and their hydrocarbon potential."

[Quelle und Webpräsenz: http://www.gfz-potsdam.de/pb3/dekorp/ancorp.html. -- Zugriff am 2002-04-18]

1996

"Bolivien : Kolpingwerk schult Optiker für den Aufbau eigener Optikerwerkstätten

Das Kolpingwerk Bolivien unterhält seit Jahren eine mit Erfolg arbeitende Optikerwerkstätte in Santa Cruz, Von diesem, dem Gesundheitszentrum ange-gliederten Werkstätte, werden nicht nur aus Europa gespendete Brillen vermittelt und individuell angepasst, sondern auch Brillengläser den Bedürfnissen entsprechend angepasst und geschliffen. Der Erfolg dieses Zentrums hat das Kolpingwerk auch in anderen lateinamerikanischen Ländern wie Peru, Chile, Ecuador und Paraguay ermutigt, eigene kleine Optikerwerkstätten aufzubauen. In einer ersten Phase wurden im Zentrum in Santa Cruz je zwei Personen für drei Wochen von Optikermeistern aus Deutschland geschult und eingewiesen. In einer zweiten Phase werden diese geschulten Personen von den Experten nun in ihrer Heimatländern noch einmal eingewiesen und beim Aufbau der Optikerwerkstätten beraten. Im Laufe des Jahres 2001 sollen dann in allen beteiligten Ländern die Optikerwerkstätten des Kolpingwerkes ihren Betrieb aufnehmen. Durch diese Werkstätten schafft das Kolpingwerk nicht nur dauerhafte und qualifizierte Arbeitsplätze, sondern deckt auch einen dringenden Bedarf in der Gesundheitsversorgung ab.

Brillen für Bolivien

Mittlerweile sind wohl über 20'000 Stück Brillen und Gläser, gut verpackt, im Container nach Bolivien gelangt. Wurde zu Beginn noch sehr improvisiert gearbeitet, ist daraus heute eine Optikergeschichte mit sehr hoher Professionalität geworden.

Wenn zwischenzeitlich auch im Centro Medico Adolfo Kolping in El Alto eine Optikerwerkstatt mit Laden besteht, werden doch die meisten immer noch in Santa Cruz gebraucht. Da im Centro Medico kein Platz mehr war, ist die ganze Augen- und Optikerabteilung in einen Neubau ausgezogen. Gleich neben dem ersten Centro wurde ein grosses Gebäude mit vier Stockwerken errichtet. Dieser Bau samt Einrichtung wurde vollständig von der Kolping Stiftung Bolivien, welche die drei Centro Medicos in Santa Cruz betreibt, finanziert. Dies ist wohl entwicklungs-politisch eine phantastische Leistung, auf die man stolz sein kann. Alle oberen Etagen des Gebäudes enthalten Säle und Schulungsräume für ein umfas-sendes Kursangebot von Kolping.

Im Parterre ist der Empfang mit der Kursverwaltung, vier Augenarztpraxen, die Optikerwerkstatt und ein grosser Brillenladen. In der Optikerwerkstatt arbeiten insgesamt vier Personen unter der Leitung von Williams. Er hat vor zehn Jahren bei Lucho Elmer im Centro als "Mädchen für alles" angefangen. Heute ist er Optiker und täglich werden ca. 30 Brillen gefertigt. Die Optikerwerkstatt vermisst und archiviert die von uns gesammelten Brillen und Gläser. Daraus werden dann "neue Brillen" gefertigt. Diese werden im eigenen Laden verkauft, monatlich sind dies im Schnitt 700 Brillen. Es werden aber auch immer mehr Brillen für Augenärzte und Läden in der Stadt gefertigt. Was also bei uns rumliegt, all die alten Brillen und Gläser, wird in Bolivien vollkommen recycliert und es entstehen neue Brillen, die wieder für Jahre ihren Dienst erweisen. Da die Brillen gespendet sind, muss nur die Arbeit gerechnet werden und so können sie sehr günstig abgegeben werden. So ist es möglich, dass jeder, der es benötigt, sich eine Brille leisten kann beim Kolping-Optiker.

Es funktioniert ja generell vieles gut bei der Kolping Entwicklungs-zusammenarbeit, das Projekt Brillen für Bolivien ist aber schon ein überaus gelungenes Projekt.

Bernhard Burger, Zentralsekretär Schweizer Kolpingwerk"

[Quelle: http://www.gossau.net/vereine/kolping/brillen.htm. -- Zugriff am 2002-10-10]

1996-01

"Nur eine verlorene Schlacht? : Interne Konflikte und lokale Machtstrukturen gefährden Bündnis zwischen Indígena- und Umweltbewegung

Gustavo Esteva behauptet, dass die konkreten »Inkarnationen des Kapitals« nicht abstrakt, sondern nur im jeweiligen regionalen und lokalen Terrain bekämpft werden können, obwohl sich dort meist »David und Goliath« gegenüberstehen. Solche lokalen Kämpfe sind aber mit immensen Problemen konfrontiert, wie auch das vergleichsweise erfolgreiche Beispiel der EZLN in Chiapas zeigt. In einem weniger spektakulären Fall aus dem bolivianischen Amazonasgebiet treffen die Indigena- und Umweltbewegung auf Holzfirmen, Großgrundbesitzer und korrupte Politiker. Der Kampf um die Regenwaldnutzung ist dort auch ein Herrschaftskonflikt zwischen Kontrahenten mit sehr ungleichen Machtmitteln. Wie ist unter solchen Bedingungen trotzdem die Durchsetzung einer ökologisch nachhaltigen und sozial gerechten Regionalentwicklung insbesondere in indigenen Territorien möglich?

Die regionale Indígenabewegung im bolivianischen Department Beni errang 1990 mit der Verabschiedung von Präsidialdekreten, die die Einrichtung von mehreren indigenen Territorien im amazonischen Tiefland vorsahen, einen unerwarteten politischen Erfolg (siehe Kasten). Die Umsetzung der Dekrete und die Absicherung der Territorien erwies sich indes als äußerst konfliktreiches Experiment. Dies läßt sich anhand des im Bosque Chimanes befindlichen multiethnischen indigenen Territoriums (TIM) beispielhaft aufzeigen. Die dortige Kooperation zwischen internationalen Geldgebern, nationalen Nichtregierungsorganisationen, multiethnischen Indígenaorganisationen und kommunaler Basis warf schnell Probleme auf. Interne Interessenkonflikte, Kommunikationsprobleme und Partizipationsdefizite zwischen den unterschiedlichen Akteuren gefährdeten die Umsetzung der politisch schon durchgesetzten Errungenschaften innerhalb eines ohnehin explosiven sozialen Umfeldes. Von Interesse ist im folgenden besonders, inwieweit das Scheitern eines alternativen Forstprojektes der Indígenas exemplarisch für die überaus komplexen sozialen, kulturellen und politischen
Probleme einer alternativen Regenwaldnutzung durch Indígenas und Nichtregierungsorganisationen (NRO) ist.

Sozialökologische »Chaotisierung«

Die einheimische indigene Bevölkerung wird durch die politisch dominanten Gruppen von Holzunternehmern, Viehzüchtern und Teilen der staatlichen Behörden zunehmend marginalisiert. Die praktizierte Extraktionswirtschaft, vor allem auf Holz und Fleisch beruhend, bedeutet einen ständigen Ressourcenabfluss ohne nennenswerte regionale Entwicklungseffekte - die zunehmende ökologische und soziale »Chaotisierung« der Region ist die Folge.

Eine nachhaltige Nutzung von Regenwäldern ist deshalb bisher nur als Konzept denkbar, das sich an den konkreten Bedürfnissen der Kleinbauern und indigenen Gruppen orientiert Das Hauptproblem der Suche nach gangbaren Alternativen lag bisher bei der politischen Durchsetzung von Modellen kommunalen Forstwirtschaft in Schutzgebieten und indigenen Territorien.

Ein einmaliges Experiment

Seit 1991 hatte es Versuche gegeben, Konzepte und Strategien für die Absicherung, Konsolidierung und eigenständige Entwicklung des indigenen Territoriums zu entwickeln. Die lokale Indígenaorganisation Subcentral de Cabildos de San Ignacio, die von den Mojenos aus der Region dominiert wird und die 1991 neugegründete COTIM (Koordinationsrat des multiethnischen indigenen Territoriums), in der auch Indígenas der anderen drei Ethnien (Movimas, Chimanes, Yuracares) vertreten sind, initiierten mit der organisatorischen und finanziellen Hilfe von CIDDEBENI (Forschungs- und Dokumentationszentrum für die Entwicklung des Beni) eine Reihe von Ausbildungskursen über Planung, Verwaltung und Schutz von indigenen Territorien. An den Kursen des CIDDEBENI, einer seit Ende der 70er Jahre bestehenden linksorientierten Nichtregierungsorganisation, nahmen vor allem die Corregidores (politische Chefs) der verschiedenen Comunidades (Dörfer) des TIM und eine größere Anzahl von jungen Männern teil. Aus diesen Kursen ging als erstes greifbares Ergebnis ein »Technisches Team für Schutz und Planung« hervor. Insgesamt ging es jedoch nicht zuletzt um einen internen Diskussionsprozess auf Corregidor-Ebene über das Konzept des indigenen Territoriums an sich und wie es in praktische Maßnahmen
überführt werden sollte.

Ein wichtiger Schritt zur Absicherung des TIM war die erstmalige Konfiszierung von Motorsägen, Handfeuerwaffen und von über 5.000 Kubikmeter Edelholz. Dabei wurden auch mehrere Holzfäller vorläufig verhaftet, die beim Sägen im TIM erwischt worden waren. Es kam zur ersten Zusammenarbeit mit der 1992 neugegründeten nationalen Forstpolizei und Vertretern der staatlichen Forstbehörde.

Geschäfte mit dem Feind

Schon im August 1992 führte die Versteigerung (Remate) von 3.000 illegal geschlagenen Mahagonibäumen an die meistbietende Holzfirma zu einen tiefen Einschnitt in die Geschichte der indigenen Territorien im Bosque Chimanes. Zum ersten Mal schlossen die Indígenafunktionäre der überregionalen Indianerorganisation CPIB und die Subcentral de San Ignacio einen offiziellen Vertrag mit Holzfirmen und staatlichen Institutionen.

Sowohl die Helferorganisationen (Umweltgruppen, CIDDEBENI, katholische Kirche) wie auch die indigene Basis in den Dörfern empfanden dieses Verhalten als falsch und nachteilig. Das Ziel für das sie Jahre gekämpft hatten, nämlich die Holzfirmen aus dem Zentralgebiet des Bosque Chimanes zu verdrängen, war unterlaufen worden, indem die eigenen Führer offiziell deren faktische Anwesenheit akzeptiert und nun auch noch nachträglich die illegale Ausbeutung des eigenen Territoriums gebilligt hatten. Die rechtlich gesehen »eigenen Ressourcen« wurden so zu einem äußerst niedrigen Preis an die Hauptgegner verkauft beziehungsweise über die Forstbehörde versteigert. Andererseits hätten die Indígenas selbst das viele Mahagoniholz nicht verarbeiten können und es wäre allmählich im Wald verfault, ohne überhaupt genutzt werden zu können.

Die Holzfirmen konnten daraufhin unter legalen Vorzeichen während der Trockenzeit 1992 und 1993 mit all ihrem Gerät in das TIM vordringen und ihr Wegesystem erweitern. Sie holten nicht nur die Bäume aus dem Wald, die bis 1992 illegal gefällt worden waren. Ohne effiziente Kontrolle ihrer Aktivitäten war es ihnen möglich in noch unberührte Zonen des zentralen TIM Gebiets vorzudringen und neue Mahagonibäume zu fällen. Der vermeintliche Befreiungsschlag der Dirigentes geriet zur faktischen Öffnung des Waldes für einen neuerlichen Abholzungszyklus. Dieser scheinbar endlose Zirkel bis zur völligen Ausrottung der Mahagonibäume drohte zudem die indigenen Organisationen zu schwächen, weil sich die Entfremdung zwischen Dirigentes und Comunidades verstärkte.

Zudem bedeutete das Eindringen der Holzfirmen aber die neu geöffneten Wege eine direktere Konfrontation der Indígenas mit der Nationalgesellschaft und der Geldwirtschaft. Es konnte nicht ausbleiben, dass die interne Nachfrage nach Nahrungsmitteln, Kleidung, Werkzeugen und Konsumgütern bei den im Innern des TIM lebenden DorfbewohnerInnen sich erhöhte. Das notwendige Geld konnte am einfachsten aber den Verkauf von Mahagonibäumen aus dem näheren Umkreis der Dörfer erlangt werden. So förderte der Remate auch den Handel mit Edelholz auf der untersten organisatorischen Ebene der Comunidades und bewirkte eine zunehmende soziale Spaltung zwischen den Indígenas. Während die Einen der Schutzgruppe halfen, die Bäume zu schätzen, verwickelten sich die Nachbarn in einen regen Holzhandel mit Holzfirmen und illegalen Holzfällern.

Verrat oder gesunder Pragmatismus

Der Bischof von Trinidad sprach in diesem Zusammenhang öffentlich von einem Verrat der Dirigentes an der indigenen Sache. Einige Vertreter aus den Dörfern konstatierten, dass was »in vielen Jahren erreicht wurde, in zwei Stunden verloren war«. Ressentiments gegen die eigenen Dirigentes wurden stärker, insgesamt ging die Bereitschaft für die gemeinsame Sache des TIM zu arbeiten, im Jahre zwei nach der großen Marcha spürbar zurück. Die Kritik der Helferorganisationen beantworteten die Dirigentes ihrerseits mit einer bewussten Distanzierung gegenüber der Kirche und CIDDEBENI. Mehrere Monate drehte sich die organisatorische Arbeit der CPIB nur noch um die Frage, wieviel Geld die Holzfirmen während des Abtransport des Holzes schon auf das eigene Konto überwiesen hätten.

Die Idee eines indigenen Forstprojekts

Daraufhin entwickelten die MitarbeiterInnen der Helferorganisation CIDDEBENI eine neue Idee. Mit Hilfe eines indigenen Forstprojekts sollten die von Holzfällern illegal gefällten Mahagonibäume auf dem Gebiet des TIM von den Indígenas selbst genutzt werden, um den verhängnisvollen circulo vicioso der Übergriffe der Holzfirmen zu durchbrechen. Die Nutzung des Holzes sollte über den Einsatz mehrerer mobiler Sägewerke und die Verarbeitung des Holzes in einem zentralen und mehreren kommunalen Sägewerken geschehen. Während der ersten beiden Jahren des auf fünf Jahre angelegten Projektes sollten durch erfahrende externe Forstingenieure die Ausbildung einer größeren Gruppe von Dorfbewohnern, notwendige Forschungen und die Ausarbeitung eines Managementplan für die Waldnutzung durchgeführt werden.

Ein Teil des Holzes sollte in kleinen Schreinereien verarbeitet werden, um es für eigene Bedürfnisse (Hausbau, Einbäume etc.) zu nutzen. Ein anderer Teil sollte auf dem lokalen Markt verkauft und ein dritter auf dem nationalen und internationalen Markt verkauft werden. Seit 1992 existiert ein Pilotprojekt der nationalen Indígenaorganisation CIDOB (Central de Indígenas del Oriente Boliviano), das die Perspektiven der Produktion und Vermarktung von Holz aus nachhaltiger Nutzung in indigenen Territorien überprüft.

Am Planungsprozess partizipierten die Indígenas auf drei Ebenen. Zum einen wurde das Konzept eines Forstprojekts mehrmals im Rahmen der Treffen der Corregidores aus den verschiedenen Comunidades diskutiert und unterstützt. Zweitens wurden die wichtigsten Funktionäre der Subcentral de San Ignacio und der COTIM regelmäßig über den Projektentwurf informiert. Drittens wurden einige Mitglieder des sogenannten Equipo Tecnico Indígena (Technisches Team) in die Planungen mit einbezogen. Dabei reichte es CIDDEBENI, wenn in den Versammlungen die Grundidee des Forstprojektes abgesegnet wurde. Damit war für CIDDEBENI formell den Ansprüchen von Partizipation und Repräsentation der Indígenas Genüge getan. Nachdem das notwendige technische Dokument als Projektantrag durch die Corregidores »akzeptiert« worden war, wurde ein Geldgeber gesucht, der nach einigen Monaten mit der Europäischen Union (EU) auch gefunden wurde. Die EU genehmigte im zweiten Halbjahr 1993 die Finanzierung mit einem Betrag von mehr als 1 Million ECU.

Konfliktlinien zwischen Funktionären und DorfbewohnerInnen

Währenddessen kristallisierten sich mehrere organisatorische Probleme heraus, insbesondere Kommunikations- und Legitimationsprobleme zwischen den Funktionären, Corregidores und Dorfbewohnern. Die Entstehung von überkommunalen indigenen Organisationen förderte die Herausbildung einer neuen politischen Elite von meist jüngeren Männern, die spanisch sprechen, lesen und schreiben konnten. Alte Werte, wie soziales Prestige im Dorf und Formen direkter sozialer Beziehungen wurden zunehmend unwichtiger. Im Zusammenhang mit dem Remate und Holzhandel verstärkte sich die Legitimationskrise der Funktionäre.

Außerdem brachte der multiethnische Charakter des TIM zunehmend Konflikte mit sich, weil die Repräsentation der Ethnien in den überkommunalen Organisationen ungleich war und faktisch von Mojenos und einigen wenigen Movimas und Yuracares dominiert wurde, während die Chimanes außen vor blieben. Der Rückhalt der Ansprechpartner von CIDDEBENI wurde in den Comunidades zunehmend prekär und die Funktionäre wurden von den einfachen Dorfbewohnern schon mal als »machtgierige Kamarilla« dargestellt.

Der Projektvorschlag sah vor, dass das Projekt hauptsächlich durch die »Indígenas der Zone« verwaltet werden sollte. Das regelmäßig stattfindende Corregidor-Treffen wurde als oberste Instanz des Projektes definiert. Zweitens sollte eine Projektverwaltung aus den Mitgliedern des Equipo Técnico geschaffen werden, die durch eine extremes (weißes) Expertenteam beraten werden sollte. Schließlich sollten 130 Indígenas für die verschiedenen Teilbereiche des Projekts aus den Comunidades rekrutiert werden.

Die goldene Lösung aller Probleme?

Diese Struktur unterstellte die Repräsentativität des Encuentro de Corregidores und der daraus hervorgehenden COTIM, um auf dieser Basis eine neue Instanz für das Projektmanagement zu errichten, die bisher unvorstellbare Geldsummen zu verwalten gehabt hätte.

Dabei wurde übersehen, dass seit der Wahl des neuen Präsidenten der Subcentral de San Ignacio, José Tibusa, die Bedeutung der COTIM und der Encuentros de Corregidores schnell an Bedeutung verloren hatte und sich fast alle wichtigen Entscheidungen und damit die faktische Macht bei der Subcentral konzentrierte. Ein gutes Indiz für diese Entwicklung zeigt sich in der Tatsache, dass der eigens gebaute Sitz der COTIM im Zentrum des Waldes (Comunidad San Josg de Cabitu) nie wirklich genutzt wurde, weil die Dirigentes immer stärker den städtischen Lebensstil vorziehen und im urbanen Zentrum San Ignacio den größten Teil ihrer Zeit verbringen und nicht in den Comunidades, von denen sie gewählt wurden.

Die Subcentral und die COTIM sind personell mittlerweile so verschränkt, dass die Funktionen und Befugnisse beider Organisationen nicht mehr auseinanderzuhalten sind. Aufgrund seiner rhetorischen und professionellen Fähigkeiten und wegen seiner guten Beziehungen zur »weißen Gesellschaft« (Bürgermeister, Prefectura etc.) ist José Tibusa die eindeutige Führerfigur, der sich der Präsident des COTIM, Marcelino Chavez, bereitwillig unterwirft. Mehrere Dorfbewohner und auch Corregidores aus verschiedenen Dörfern des TIM äußerten in Gesprächen, dass sich in den Dörfern schon Kritik und Widerstand gegen die Subcentral artikuliert, dass aber in den entscheidenden Versammlungen die Delegierten nicht den Mund aufbekämen, weil »die da oben ja doch machen was sie wollen und nicht auf das Volk hören«.

Der Anfang vom Ende?

Dies zeigt, dass sich die Subcentral als eindeutiges Machtzentrum der lokalen Indígenabewegung etabliert hat, allein über die Ressourcen aus Holzverkäufen und kleineren Projektfinanzierungen verfügt und die Mechanismen der sozialen Kontrolle von unten immer schwächer werden. Mit der Erosion der Beziehungen zwischen Funktionären und sozialer Basis wird aber auch die gesamte Arbeit der Helferorganisation CIDDEBENI infragegestellt. Eine Indígenabewegung, die nur noch aus einer autonomisierten Bewegungsorganisation besteht, die ihre Basis nicht mehr mobilisieren kann und von dieser immer mehr infragegestellt wird, wird politisch immer fragwürdiger und verfügt nicht über die Kapazitäten konkrete, praktische Projekte und Maß' nahmen durchzuführen. Und so wurde die grandiose Idee des indigenen Forstprojektes spätestens dann zur großen Gefahr für die Konsolidierung des TIM, als die Subcentral als intermediärer Vermittler zwischen CIDDEBENI und indigener Basis wegbrach. Die Subcentral entwickelte zunehmend eine eigene, selbständige Politik gemäß den partikularen Interessen ihrer Funktionäre.

Auf einem nationalen Treffen am 20.06.1994 (Encuentro Nacional Extraordinario de los Pueblos Indigenas del Oriente, Chaco y Amazonia de Bolivia) kamen die wichtigsten Funktionäre der Tieflandindígenas in der Comunidad San Miguel im TIM zusammen, darunter die Funktionäre der CPIB, der nationalen Indígenaorganisation CIDOB (Confederatión de Indígenas del Oriente Boliviano) und der Guaraní Organisation APG (Asamblea Permanente de Guaraní). Auf höchster Funktionärsebene wurde das von CIDDEBENI vorgeschlagene Forstprojekt nochmals als wichtige Strategie gegen die Holzfirmen befürwortet.

Trotzdem wandte sich im September 1994 die Subcentral gegen den Willen von CIDDEBENI, den indigenen Comunidades des TIM und sogar gegen den Willen der regionalen und nationalen Indígenaorganisationen gegen eine weitere Zusammenarbeit mit CIDDEBENI und gegen das Forstprojekt. Die Begründung lautete, dass CIDDEBENI das Forstprojekt für eigene Zwecke benutzen und sich mit dem Geld der EU bereichern wolle.

Verhängnisvolle Interessenpolitik

Dies ist exakt die gleiche Argumentation wie die der Holzfirmen, die ihre ureigenen Profitinteressen durch das Forstprojekt bedroht sahen! Wie konnte es dazu kommen? Anfang August 1994 gab die Subcentral eine Nachricht an alle Mitglieds-Comunidades aus. Den schließlich Versammelten erklärten die Funktionäre der Subcentral, dass sie vom Ministerium für nachhaltige Entwicklung informiert worden wären, dass das von CIDDEBENI vorgeschlagene Forstprojekt wegen formaler und rechtlicher Mängel von der Regierung zurückgewiesen worden wäre.

Es wäre nicht klar, wer die Gelder verwalten würde, außerdem sei es verboten und illegal, gefälltes Holz zu vermarkten. Deshalb müsse das illegale Holz von der Forstbehörde dekommissioniert werden, um es wie 1992 zu versteigern. Weil dies bedeute, dass ein großer Teil des Geldes an die Forstbehörde ginge, hätte die Subcentral entschieden, dass Holz (fast 3000 Bäume) direkt an die Holzfirmen zu verkaufen und zwar für 120 US-Dollar pro Baum an die Holzfirmen Bolivian Mahagony, Fatima und Monte Grande. Niemand wagte offen zu protestieren. Schließlich wurde beschlossen, was die Subcentral und damit auch die COTIM vorgeschlagen hatten: Den Verkauf von Holz gegen die Zahlung von etwa 360.000 US-Dollar, ohne Abstimmung mit der übergeordneten CPIB und ohne, dass über die Verwendung des Geldes gesprochen wurde.

Das Entsetzen von Umwelt- und Indígenabewegung

Die übergeordnete CPEB und ihr charismatischer Präsident Marcial Fabricano reagierten genauso entsetzt auf den Holzverkauf wie die Unterstaatssekretärin für ethnische Angelegenheiten, die regionale Sprecherin der bolivianischen Umweltorganisationen (Foro Boliviano) und die CIDDEBENI-Mitarbeiter. Aber auch die CPIB verfügt kaum über Sanktionsmacht gegenüber den Funktionären der Subcentral.

Gefährdung langjähriger Arbeit

Vielmehr musste sie akzeptieren, dass das Kind in den Brunnen gefallen war, um die Integrität der Indígenabewegung nicht zu gefährden. Die Umwelt- und Menschenrechtsorganisationen zeigten sich enttäuscht und erwogen eine Distanzierung zur Indígenabewegung und eine Minderung ihres Engagements.

CIDDEBENI muss befürchten, dass die ganzen Anstrengungen der letzten Jahre vergebens waren und somit auch die erheblichen Projektmittel (allein 1 Million ECU für das Forstprojekt) und finanziellen Unterstützungen von Umweltorganisationen aus dem Norden abschreiben müssen. Denn die Subcentral verlängerte im Oktober nicht den Kooperationsvertrag mit CIDDEBENI und lehnte bis auf weiteres jegliche Zusammenarbeit ab. Das Desaster hat mittlerweile bei CIDDEBENI einen Reflexionsprozess in Gang gesetzt, weil endlich eingesehen wurde, dass die Zusammenarbeit mit den Indígenas bisher zu wenig partizipativ und an der Basis vorbei gegangen war. CIDDEBENI wollte zuviel im politischen Sinne mit zu geringen Mitteln. Mit 2-3 Leuten, die alle paar Wochen einige Comunidades für kurze Zeit besuchen, ist den einfachen Dorfbewohnern nicht klar zu machen, welche Anstrengungen ein kommunales Forstprojekt bedeutet.

Die Holzfrage

Die Idee eines indigenen Forstprojekts hatte die Holzfirmen von Anfang an in Alarmbereitschaft versetzt. Die Madereros (Holzunternehmer) wollen mit aller Macht ihre »angestammten« Nutzungsrechte verteidigen. Dazu fahren sie eine doppelte Strategie. Sie greifen zum ersten die beratenden Helferorganisationen an und unterstellen diesen egoistische Eigeninteressen, politische Subversion und die Manipulation der Indígenas. CIDDEBENI würde das modische Indígena-Thema nur benützen, um an internationale Gelder ranzukommen.

Andererseits nutzen sie die unmittelbaren Bedürfnisse und Ansprüche der Indígenas, um mit ihnen handeln zu können. »Ihr seid die Besitzer des TIM, des Waldes, aber wir haben die Maschinen, ohne die Ihr die Forstressourcen nicht nutzen könnt. Also verkauft ihr uns Eure Bäume und wir holen sie für Euch aus dem Wald, verarbeiten und vermarkten sie«. Die Rechnung der Madereros ist beim jüngsten Holzverkauf voll aufgegangen. CIDDEBENI wurde durch die Subcentral trotz unbestreitbarer Verdienste für die Indígenabewegung brüskiert, der Konsolidierungsprozess im TIM ist gestört, der Organisierungsprozess der Indígenabewegung zumindest im TIM um Jahre zurückgeworfen.

Mit den Perspektiven nachhaltiger Nutzung im Bosque Chimanes sieht es im Augenblick ziemlich düster, wenn auch nicht völlig aussichtslos aus. Das Forstprojekt der indigenen Gruppen im TIM ist vorerst gescheitert. Neben den Konflikten innerhalb der Indigenaorganisationen und mit CIDDEBENI liegt dies an der alles überragenden Holzfrage, die bisher alle alternativen Projekte unterminierte.

Das Problem kann nur gelöst werden, wenn eine effizientere politische Regulierung der Holznutzung auf nationaler und internationaler Ebene in Gang gesetzt wird, z.B. durch ein neues Forstgesetz, eine tiefgreifende Reform der Forstbehörde und die Einführung von Zertifikaten für den Holzhandel, um eine sozial und ökologisch nachhaltige Nutzung zu garantieren.

Zum anderen ist aber auch die Machtwirkung durch die große Koalition von Senatoren, Parteifunktionären, Großgrundbesitzern, Holzfirmen, illegalen Holzfällern und Behördenchefs tatsächlich so total, dass alle Ansätze alternativen Nutzung der Regenwaldressourcen konterkariert werden. Gegen die komplette Interessenverflechtung von ökonomischem Kalkül und politischem Einfluss haben sowohl Indigenaorganisationen wie Helferorganisationen und ihre jeweiligen Projekte kaum eine Chance, wenn es zudem zu Zwistigkeiten zwischen den vorher Verbündeten kommt und die eigenen Projekte zu schlecht vorbereitet und zu wenig partizipativ angelegt sind.

Der Kampf geht weiter

Die lokalen Kämpfe und die aktuelle Mahagoniproblematik stehen für grundsätzliche sozialökologische Konflikte. Es geht politisch aber nicht nur um das »Retten« und »Schützen« des konkreten Waldes und seiner Bewohner, sondern darum, langfristige politische Spielräume und Alternativen gegenüber den herrschenden ökonomisch und politisch vermittelten Interessen zu schaffen und zu erweitern. Emanzipatorische Interessen zugunsten des Waldes und der Indígenas müssen effektiver artikuliert und durchgesetzt werden. Das macht weiterhin eine Allianz von Indianerorganisationen und Umweltbewegung auf regionaler, nationaler wie internationaler Ebene dringlich erforderlich.

Trotz der aufgezeigten Konflikte und Rückschläge in den letzten drei Jahren ist in Bolivien in Umrissen ein gemeinsamer Lernprozess sichtbar, der die Herausbildung und Transformation zunächst sehr heterogener Interessen in ein gemeinsames Projekt einer nachhaltigen Regenwaldnutzung in den indigenen Territorien und Schutzgebieten möglich erscheinen lässt. Entwicklungen sind dazu angelaufen, aber stark gefährdet, solange sie nicht in längerfristig tragende praktische Projekte überführt werden und institutionell und rechtlich abgesichert sind. Dies betrifft vor allem die Ausarbeitung und Durchführung konkreter kommunitärer Management- und Sicherungspläne für die indigenen Territorien und Schutzgebiete und die Schaffung eines legalen Rahmens und funktionierender Institutionen.

Insgesamt hat die ökonomische Stabilisierung und formale Demokratisierung der bolivianischen Gesellschaft es immerhin möglich gemacht, dass die Hauptbetroffenen der Regenwaldzerstörung durch ihre Mobilisierung in kurzer Zeit erstaunliche Erfolge erzielen konnte. Die Nationalgesellschaft wurde zunehmend für eine ernsthafte Auseinandersetzung mit den Zusammenhängen der ökologischen und soziokulturellen Problematik in den Regenwaldregionen sensibilisiert. Die Machtmonopole der Großgrundbesitzer und Holzfirmen wurden teilweise aufgebrochen, die bisher verborgen gebliebenen Ausbeutungspraktiken aufgedeckt. Alternative, kommunale Entwicklungsstrategien wurden entworfen und ansatzweise umgesetzt.

Die Chancen nachhaltiger Nutzungsstrategien sind mit der Stärkung demokratischer Partizipation unmittelbar verbunden, weil dadurch Raum für die Überwindung machtförmiger Blockaden geschaffen wird und institutionelle Kompromisse ermöglicht werden. Nur dann wird eine sozial-ökologisch angemessene Regulierung möglich sein. Bisher klafft das Spannungsfeld zwischen Propagierung einer »wettbewerbsfähigen« nachhaltigen Waldbewirtschaftung von Teilen der Regierung und partizipativen, an den Betroffenen der ökologischen Krise orientierten Nachhaltigkeitskonzepten noch weit auseinander."

[Quelle: Lateinamerika Nachrichten. -- 259 (©1996-01)]

1996-03-03


Abb.: Franziskaner bei Autosegnung in Copacabana, 2001-11-04. Dauer der Segnung: ca. 20 Sekunden, Kosten: 10 Bolivianos (Bild: Payer)

In Bolivien gibt es ca. 900 katholische Priester, davon sind mehr als 600 Ordensgeistliche. (Zum Vergleich: das etwa gleich große katholische Österreich hat im Jahr 1998 2.600 Weltpriester und 1.800 Ordenspriester, also insgesamt über viermal so viele Priester).

1996-04

Eröffnung des Wasserkleinkraftwerkes Todos santos (Oruro), das mit Entwicklungshilfe der Volksrepublik China errichtet wurde.


Abb.: Kraftwerk Todos Santos (Oruro)

[Bildquelle: Oruro inmortal. -- Oruro : Ferrari, Ghezzi. -- Tomo 1. -- 1998. -- Depósito legal 4-1-428-98. -- S. 191]

1996-04-13 bis 23

Erstes internationales Musikfestival Misiones de Chiquitos zur amerikanischen Renaissance- und Barockmusik: 32 Konzerte in Santa Cruz,, San Javier, Concepción mit über 500 Musikern aus Deutschland, Frankreich, Schweiz, Argentinien, Brasilien, Chile, Uruguay und Bolivien. Das Festival soll alle zwei Jahre stattfinden.

1996-08

"(La Paz, August 1996, fempress-POONAL).- »Sie wollen grünes Licht, um zu töten«, war die sofortige Reaktion der katholischen  Kirchenhierachie auf den Vorschlag des bolivianischen Gesundheitsministers Oscar Sandoval Morón, eine breite landesweite Diskussion  über die Legalisierung der Abtreibung zu führen. Darauf geschah etwas in Bolivien ungewöhnliches: Die Abtreibung wurde ein wichtiges Nachrichtenthema und nahm monatelang großen Platz in den Medien ein. Nach der kirchlichen Erklärung wird nichts mehr wie vorher sein. 

Am 10. Mai dieses Jahres sprach der Gesundheitsminister vom Drama der Müttersterblichkeit im Land (390 auf hunderttausend lebend geborene Kinder). Er erinnerte daran, dass mindestens ein Drittel dieser Fälle auf Komplikationen bei schlecht durchgeführten Abtreibungen zurückzuführen seien. Der Minister bezeichnete die geheimen Abtreibungen als großen Schaden für die Gesellschaft. Es sei unwürdig, dem Problem mit Ignoranz zu begegnen. Repression sei jedoch eine falsche Antwort. Der Minister kam zu dem Schluß, die Frauen müßten das Recht auf eine freie Entscheidung haben. Nicht nur die Politik zur Reproduktionsgesundheit und Sexualerziehung müsse verstärkt werden, sondern es müsse ebenfalls eine Debatte über die Legalisierung der Abtreibungspraxis beginnen.

Die Kirche verurteilte die Kampagne der Regierung, die massiv Informationen über Verhütungsmethoden verbreitet und diese der Mehrheit der Bevölkerung zugänglich machen will."

[Quelle: Poonal. -- ©1996-09-04]

1996-08

"Weißbier statt Zahnpasta : Ein Bericht vom Erdinger Cocaprozess

Während endlich ganz zaghaft eine Debatte darüber in Gang kommt, dass die Kriminalisierung des Drogengebrauchs weder den Abhängigen noch der Gesellschaft nützt (leider wird immer noch nicht darüber geredet, dass durch die Illegalisierung primär der Drogenpreis hoch gehalten wird, zum Nutzen vor allem der Banken), will die bayerische Justiz wieder einmal ein Zeichen setzen. Zog der Freistaat doch allen Ernstes Mitglieder einer österreichischen Reisegruppe vor den Kadi, die von einer Bildungsreise aus Bolivien Cocablätter sowie Tee, Zahnpasta und Shampoo auf Cocabasis mitgebracht hatten...

Dass ausgerechnet das idyllische bayerische Städtchen Erding, Ursprungsort eines famosen Weißbieres, die Kulisse für eine drogenpolitische Kontroverse grundsätzlicher Natur bieten sollte, mag nur vordergründig als Ironie des Schicksals erscheinen. Tatsächlich ist Erding auch jener Gerichtsbezirk, in dem sich der vor Jahren gegen erbitterten BürgerInnenwiderstand errichtete neue Münchener Flughafen befindet, dessen Namensgeber, der biedere Landesvater Franz-Josef Strauß, seine Untertanen symbolträchtig aus dem Jenseits grüßen lässt.

Auf jenem Flughafen im Erdinger Moos war im August des vergangenen Jahres eine Salzburger Reisegruppe, die von einer Studienexkursion aus Bolivien zurückkehrte, von Zollbeamten angehalten und einer ausführlichen Leibesvisitation und Gepäckdurchsuchung unterzogen worden. Die dabei vorgefundenen Plastikbeutel mit getrockneten Cocablättern waren, nebst einigen cocahaltigen Produkten wie Zahnpasten oder Haarshampoos, Anlass zur Einleitung eines Strafverfahrens gegen zunächst sechs Personen aus der Gruppe.

Die Mitnahme von Cocablättern schien den ExkursionsteilnehmerInnen freilich nur konsequent: Im Rahmen eines intensiven, rund vierwöchigen Besuchprogramms, in dessen Rahmen sich die Salzburger Gruppe ein profundes Wissen über den Andenstaat aneignen konnte, wurde die Cocapflanze als fixer Bestandteil bolivianischen Alltags erlebt; Cocablätter in großen Plastiksäcken, feilgeboten von Indígena-Frauen auf farbenprächtigen Märkten; Bergarbeiter (mineros), die durch die gleichermaßen stimulierende wie anästhesierende Wirkung des Kauens von Cocablättern Müdigkeit und Hunger zu überwinden trachten, ihre beinahe unvorstellbaren Arbeitsverhältnisse zu bewältigen versuchen: Welche/r Bolivienreisende könnte dies übersehen?

Den wohlschmeckenden mate de coca schließlich, entweder unmittelbar aus den Blättern oder aus fabrikmäßig angefertigten Teebeuteln gewonnen, bieten StraßenverkäuferInnen wie teure Restaurants gleichermaßen an. Cocaprodukte für medizinische und pharmazeutische Zwecke, Naturheilmittel und Naturkosmetika gehören zum Sortiment von bolivianischen Firmen wie COINCOCA oder ALEPH, die freilich – zum großen Bedauern der Unternehmen – ausschließlich für einen bescheidenen Inlandsmarkt hergestellt werden dürfen.

Nur eine Provinzposse?

Doch zurück nach Erding: Das dortige Amtsgericht stellte, nach mehrmonatiger Nachdenkpause schließlich fünf Strafbefehle aus. Die Strafzumessung bewegte sich – je nach Menge der eingeführten Cocablätter und der daraus abgeleiteten Menge Kokainhydrochlorid – umgerechnet zwischen 2000 und 7000 DM. Ersatzweise wurden Haftstrafen zwischen 30 und 90 Tagen offeriert. Gegen diese Urteile wurde in allen Fällen Berufung eingelegt.

Die Verteidigung stützte sich insbesondere auf drei Punkte: Erstens auf die Fragwürdigkeit einer Gleichsetzung von Cocablättern mit einer bestimmten Menge von Kokainhydrochlorid, wie sie in den Strafbefehlen vorgenommen wurde. Tatsächlich kommt Kokainhydrochlorid („white stuff“, „Schnee“) in Cocablättern gar nicht vor, sondern entsteht aus Coca erst in einem komplizierten vierstufigen Verarbeitungsprozess unter Beimischung chemischer Substanzen, der in den Anbauländern selbst vorgenommen wird — in den Konsumländern aber schon aus wirtschaftlichen Gründen nicht lohnenswert wäre. Dies musste letztlich auch der von der Verteidigung geladene Sachverständige zugestehen.

Zweitens wurde auf den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz verwiesen, demzufolge schon aufgrund der geringen Menge der eingeführten Cocablätter (jeweils zwischen 40 und 300 Gramm) von einer Strafverfolgung abzusehen wäre. Der diesbezüglichen Argumentation des Max-Planck-Institutes (MPI) für ausländisches und internationales Strafrecht, wie sie in einem von den Beschuldigten angeforderten Rechtsgutachten ausgeführt wurde, schloss sich übrigens der Richter der ersten beiden Verhandlungen (15. Mai 1997) ausdrücklich an.

Drittens müsste darüber hinaus die Rechtslage in Bolivien berücksichtigt werden: Da der Konsum von Coca, so das MPI, dort gesellschaftliche Realität sei, insbesondere der Cocatee allen Teilen der Gesellschaft, selbst in den Büros internationaler Diplomaten und Organisationen getrunken werde, sei es nur folgerichtig, dass es für die Besucher Boliviens ohne weiteres möglich und erlaubt sei, Coca und seine Nebenprodukte käuflich zu erwerben und auszuführen.

Nicht alle Beteiligten vermochte dies zu überzeugen. Die Vertreterin der Staatsanwaltschaft, bemüht um die Erzeugung einer aggressiven Prohibitionsstimmung, gerierte sich als Hüterin einer buchstabengetreuen Auslegung des Deutschen Betäubungsmittelgesetzes, in dem das Cocablatt absurderweise als Rauschgift qualifiziert wird. Bereits im zweiten Verfahren aber bekannte sie freilich kleinmütig, dass es auf ihre persönliche Meinung nicht ankomme. Damit war klar, worum es ging: nicht allein um Rechtsprechung, sondern um ein rechtspolitisches Signal. Im ultrakonservativen bayerischen Klima sollte kein liberaler Richterspruch atmosphärische Störungen verursachen.

Der Richter, der vergebens auf eine Einstellung drängte, die nur mit Zustimmung der Staatsanwaltschaft möglich gewesen wäre, verhängte schließlich einen Schuldspruch wegen fahrlässigen Verstoßes gegen das Betäubungsmittelgesetz ohne Bestrafung. Mit den Worten eines der Strafverteidiger: „Zwangsweise Einstellung durch das Gericht im Falle überzogenen Strafverfolgungseifers der Staatsanwaltschaft“.

In den anderen drei Verfahren (28. Mai und 11. Juni 1997) traten den angeklagten SalzburgerInnen eine Richterin und ein Staatsanwalt gegenüber, die offensichtlich einen Rollentausch vorzunehmen gedachten. Während nämlich ein völlig demotivierter Staatsanwalt einer Einstellung des Verfahrens zustimmte, verhängte die Richterin eine satte Geldstrafe. Die Mengen der eingeführten Cocablätter, ursprünglich Ursache höchst unterschiedlicher Strafausmaße, spielten überhaupt keine Rolle mehr.

Die Salzburger AktivistInnen, Mitglieder des Vereins Intersol, nutzten das Gericht freilich auch als Forum, die Cocaproblematik in ihrer politischen Dimension darzustellen. Zeugt doch die Kriminalisierung einer Pflanze, die von der bolivianischen Regierung als schützenswertes Kulturgut angesehen wird, von westlicher Borniertheit, die Stigmatisierung der ProduzentInnen zudem von fehlender entwicklungspolitischer Sensibilität und hegemonialer Arroganz.

Dass eine derartige Bestimmung in keiner Weise einen Beitrag gegen den Kokainmissbrauch darstellt, muss wohl nicht eigens betont werden. Die bayerische Justizgroteske trieb nur auf die Spitze, was ohnedies evident ist: Die Einfuhr von Cocablättern ist einfach deshalb verboten, weil es so im Gesetz geschrieben steht. Das ist aber auch schon alles, was sich argumentativ dafür ins Treffen führen ließe.

Trotz der Beteuerung, nicht wissentlich gegen bestehendes Gesetz verstoßen zu haben (und somit nicht erneut eines mit hoher Strafe versehenen Vorsatzdeliktes schuldiggesprochen zu werden), wurde der Gedanke, Cocablätter für den privaten Konsum und für Demonstrationszwecke einzuführen, in seiner grundsätzlichen Intention von den Angeklagten verteidigt. Sei dies doch eine Maßnahme zur Förderung der politischen und kulturellen Bildung.

Deren Notwendigkeit steht auch für den Autor nach den Erfahrungen mehrmonatiger Strafverfolgung in Deutschland und einem noch unabsehbaren Verfahrensausgang in Österreich weniger in Frage denn je.

Günther Sandner"

[Quelle: ila : Zeitschrift der Informationsstelle Lateinamerika. -- Bonn. -- ISSN 0946-5057. -- Nr. 207 (©1997-07)]

1996-10-14 bis 19

Staatsbesuch von Präsident Gonzalo Sánchez de Lozada (1930, La Paz - ) in Deutschland.

Der Präsident Boliviens, Gonzalo Sanchez de Lozada, besuchte vom 14. bis 19. Oktober die Bundesrepublik. Nach einem Privatprogramm wurde er am 16. Oktober von Bundespräsident Roman Herzog in Bonn empfangen; beide Politiker führten einen Meinungsaustausch über die Vertiefung der bilateralen Beziehungen und der Beziehungen Europas zu Lateinamerika. Bei einem eingehenden Gespräch im Bundeskanzleramt würdigte Helmut Kohl die traditionell freundschaftlichen Verbindungen beider Länder; daneben ließ er sich ausführlich über die außen- und innenpolitische Lage in Bolivien unterrichten und ermutigte den Präsidenten, den Weg der politischen und wirtschaftlichen Reformen fortzuführen. Der Bundeskanzler bekräftigte die Bereitschaft der Bundesregierung, weiterhin als Partner die Entwicklung Boliviens zu unterstützen. Dies gelte auch für die gemeinsame Drogenbekämpfung und die Anstrengungen zur Förderung des Umweltschutzes, nicht zuletzt zur Erhaltung der tropischen Regenwälder. Er erläuterte Sanchez in diesem Zusammenhang die grundsätzlichen Zielsetzungen der von ihm zusammen mit anderen Staats- und Regierungschefs geplanten globalen Umwelt-Initiative mit Blick auf die Sondergeneralversammlung der UNO im Sommer 1997. Kohl stimmte mit seinem Gast in der Notwendigkeit überein, hier einen neuen Anstoß zu erreichen.

Im Hinblick auf die Unterstützung Deutschlands bei der Armutsbekämpfung, die sich auf eine jährliche Summe von über 70 Millionen DM beläuft und somit die größte »Pro-Kopf-Hilfe« Deutschlands für ein Land darstellt, hob Sanchez hervor, dass Bolivien die deutschen Beiträge als »Hilfe zur Selbsthilfe« betrachte und dass der Prozess der wirtschaftlichen und institutionellen Reformen bewirken werde, langfristig ohne ausländische Unterstützung auszukommen. Sanchez informierte Kohl auch über die Anstrengungen seiner Regierung im Kampf gegen die Drogen, wobei der Präsident in diesem Zusammenhang um eine neuerliche Wirtschaftshilfe Deutschlands in Höhe von ca. 38 Millionen DM bat. Ferner warb er um Unterstützung seiner Strategie zur Bekämpfung des Drogenanbaus. Die Förderung alternativer Anbauprodukte und die Ausrottung von Kokaplantagen sei bisher erfolgreich verlaufen. Wörtlich bemerkte er dazu: »Zwar ist der Anbau von Bananen, Blumen oder Ananas nicht so ertragreich wie der von Koka, dafür bietet er den Bauern aber mehr Sicherheit und Stabilität.« Zur Weiterführung dieses Programms benötige seine Regierung in den nächsten fünf Jahren etwa 53 Millionen DM. Sanchez unterstrich, durch das mit einer »Schocktherapie« verbundene Reformprogramm seiner Regierung habe die Inflationsrate von 5000 auf zehn Prozent gesenkt werden können. Nach Angaben des Ministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit hat Deutschland Bolivien bis heute insgesamt 1,45 Milliarden DM Unterstützung gewährt.

Am 17. Oktober traf Sanchez mit dem Staatsminister im Auswärtigen Amt, Helmut Schäfer, zusammen, der in Vertretung für Außenminister Klaus Kinkel mit dem Direktor der bolivianischen Zentralbank ein Abkommen über Schuldenerlass unterzeichnete. Demnach erlässt Deutschland Bolivien 175 Millionen DM; weitere 70 Millionen DM aus Handelskrediten und staatlicher deutscher Unterstützung werden zu 67 Prozent erlassen. Dieser Schuldenerlass ist- wie aus Regierungskreisen in Bonn verlautete - das erste bilaterale Abkommen dieser Art im Rahmen des Pariser Klubs. Am gleichen Tag wurde zwischen dem DIHT und dem bolivianischen Verband der Privatunternehmen die Gründung einer Kommission zur Verbesserung der Zusammenarbeit unterzeichnet. Beide Organisationen vereinbarten ein Kammer-Partnerschaftsprojekt zur Berufsausbildung. Bei seinem Vortrag vor dem DIHT äußerte Präsident Sanchez große Erwartungen im Hinblick auf die Gaspipeline zwischen Bolivien und Brasilien, durch die Ende 1997 täglich acht Millionen Kubikmeter Erdgas nach Brasilien geleitet werden sollen. Bolivien strebe darüber hinaus einen Freihandel mit allen Ländern des Kontinents an. Besuche bei den Sprechern der Bundestagsfraktionen sowie Visiten in Berlin und Potsdam schlossen das offizielle Besuchsprogramm von Präsident Sanchez de Lozada ab."

[Archiv der Gegenwart : Deutschland 1949 bis 1999. -- CD-Rom-Ausgabe. -- Berlin : Direktmedia, 2002. -- (Digitale Bibliothek ; Band 78). -- ISBN 3-89853-178-3. -- AdG Bd. 10, S. 9568]

1996-12-10

Die Zeitungen

schließen sich zusammen

1996-12-17

Bolivien schließt mit MERCOSUR (Argentinien, Brasilien, Paraguay und Uruguay) einen Acuerdo de Complementación Económica Mercosur - Bolivia (Assoziierungsvertrag) [Text des Vertrages: http://www.mercosur.com/es/info/acuerdo_mercosur_bolivia.jsp. -- Zugriff am 2001-10-23] 

um 1997

"Wenn sich der Jaguar -- hier schlechthin 'Tiger' genannt -- den Dörfern oder Farmen zu sehr nähert und gar Kälber oder Menschen anfällt, muss er abgeschossen werden. Das ist wieder einmal geschehen. Mit stolzer Freude zeigen die Dorfbewohner ihre Jagdtrophäe. Mit ihnen freuen sich die Schwestern."

[Bösl, Antonio Eduardo <OFM> <1925, Hirschau - 2000, Concepción>: Bolivien-Report VIII. -- Furth : Maristen, 1998. -- 3-931351-05-X. -- S. 82]

1997


Abb.: ™Logos

Bolivien richtet den Campeonatao Sudamericano de Fútbol (Copa America) aus

1997


Abb.: Danielle Caillet: Tentación III. -- Bronce. -- 1997

1997

Delegierte der einzelnen Industriesparten bei der Central Obrera Boliviana (COB)

Sparte Delegierte
Minen 115
Fabriken 55
Eisenbahn 45
Bau 36
Erdöl- und Erdgasindustrie 14
Nahrungsmittel 11
Grafisches Gewerbe 10
Straßenmeistereien 6

1997

Yagua tairari : musica y cantos de los Guaraní. -- [Cochabamba] : Centro Pedagogico y Cultural "Simón I. Patiño, 1997. -- 1 CD mit 1384 S. Beiheft. -- (Documentación etnomusicologica ; N° 5)


Abb.: Hüllentitel

1997


Abb.: Bernarlo Condori Llanque, our Irpiri, or, "First Leader" in traditional ceremonial garb [Bildquelle: http://www.eagleandcondor.20m.com/photo2.html. -- Zugriff am 2002-02-05] 


Abb.: Una reunión de AKATAKSA en el "parlamento uta," o, "casa de consejo" en Cantuyo Marka. [Bildquelle: http://www.eagleandcondor.20m.com/photo3.html. -- Zugriff am 2002-02-05] 

Gründung von CONAMAQ (Consejo Nacional de Ayllus y Markas de Qullasuyo). Die Führung haben die drei Apu Mallkus their Mamatallas. Die Organisation beansprucht traditionelle Führerschaft über 5 Millionen Indígenas.

[Webpräsenz: http://www.eagleandcondor.20m.com/about.html. -- Zugriff am 2002-02-05] 

1997


Abb.: Erdöl- und Erdgaskonzessionen, 1997

[Kartenquelle: Gavaldá, Marc: Las manchas del petróleo boliviano : tras los pasos de REPSOL en el territorio i´dígena Oarque nacional Isiboro Sécure. -- Cochabamba : CEDIB, 1999. -- S. 63]

Die Konzesionsnehmer (mit verschiedenen Farben gekennzeichnet) sind:

[Einzeheiten siehe a.a.O.]

1997

Entwicklungsindex der Departamentos:

Bolivien 0,64
Santa Cruz 0,79
Beni 0,66
Tarija 0,65
Pando 0,65
La Paz 0,65
Cochabamba 0,62
Oruro 0,61
Chuquisaca 0,52
Potosí 0,43

1997

EL CHAPARE HOY : UNA LUZ DE ESPERANZA

Carlos Sarabia director del Programa de Desarrollo Alternativo (PDAR) en declaraciones publicadas en la revista "Gran Angular" afirma lo siguiente:

"Durante muchos años se ha criticado que el Programa de Desarrollo Alternativo era lento, insuficiente y no tenía proyección futura. Eran criticas probablemente justificadas para los inicios de este programa, Pero ahora son falacias. ¿Qué otra región rural en Bolivia tiene casi 2.000 kilómetros de caminos mejorados, en mantenimiento permanente, algunos de ellos empedrados? ¿Qué otra región he recibido tanta inversión publica y privada en los últimos seis años? ¿En qué otra región es posible encontrar sistemas de agua potable, energía eléctrica, redes de telecomunicaciones? ¿Qué comunidades agrícolas recibieron tanto asesora-miento técnico y ahora pueden decidirse por cualquier cultivo, del que obtendrán buenos productos, buenos mercados y garantías superiores a las que puede dar la coca?".

Sobre el tema de las inversiones expresa "No creo que en el Chapare vayan a realizarse inversiones multimillonarias. Creo en cambio que es posible invertir el ahorro nacional en la creación de empresas de alta rentabilidad y con proyecciones de convertirse en productoras, comercializadoras o exportadoras con una gran capacidad de generar empleo, crecimiento, divisas".

En la actualidad existen más de 15 empresas privadas que ya invirtieron en el Chapare. Hay empresas grandes como VASCAL para el procesamiento de jugos FRUTAL O IDA-TROP que trabaja en el sector de la agro industria y que tiene entre sus socios a Julio León Prado o NIKKEI que es una eficiente empresa de ciudadanos boli-viano-japoneses, dedicada a la exportación del

palmito. Hay numerosas empresas pequeñas que se dedican a ofrecer fertilizantes, envases para exportar, transporte y comercio de frutas frescas para el mercado local.

El Chapare se convierte así en zona de estalidad y seguridad que garantiza las inversiones que se hacen en esta región.

EL CHAPARE EN CIFRAS (Datos consignados en la revista Gran Angular - Mayo 1996)

Población del Chapare (1994) 120.104
Número de unidades productivas (1994)  25.554
Productores de coca en 6 federaciones 39.913
Número de Has. promedio erradicadas  1.0%
Número de Has. promedio con coca en el Chapare  1.4%
Inversión total en desarrollo alternativo (US doláres)  
USAID (Excepto pagos por compensación) (Dic. 95)  118.294.000
Undcp (Datos hasta 1995)  44.266.603
Tesoro General de la Nación (Dic. 95)  35.000.000
Valor agregado coca/cocaína
1988 $us 425 millones 8.6% del PIB
1993 $us 195 millones 3.6% del PIB
1995 $us 198 millones 3.4% del PIB
Valor de las exportaciones de coca/cocaína
1988 $us 453 millones 87%
1993 $us 192 millones 27%
1995 $us 271 millones 26%
Valor agregado coca/cocaína retenido en el país
1988 $us 279 millones 5.6% PIB
1993 $us 131 millones 2.4% PIB
1995 $us 199 millones 3.4% PIB
Superficie de cultivos en el Chapare    
Cultivos alternativos (1994) 71,738 hectáreas
Cultivos de hoja de coca (1996) 33,700 hectáreas

[Analisis cultural : revista de la Sociedad de Geografía, historia y estudios geopoliticos Cochabamba. -- 3 (1995 - 1997). -- S. 134]

1997

Kalmar, Fritz <1911 - >: Das Herz europaschwer : Heimwehgeschichten aus Südamerika. -- Wien : Picus, ©1997. -- 192 S.. --  (Österreichische Exilbibliothek) -- ISBN 3-85452-405-6. -- [Der Autor emigrierte 1938 nach Bolivien und lebt seit 1953 in Uruguay]

"Übersetzung der Gefühle

Die Kunden waren stets zufrieden gewesen. Jedes Stück, das aus seiner Hand kam, war ordentlich gearbeitet, er lieferte pünktlich, und da er an dem Prinzip »hier Ware - da Geld« festhielt, kam es auch nie wegen Verzögerung der Bezahlung zu einem Konflikt. Seine Freunde schätzten ihn als einen gutmütigen, humorvollen Menschen, er liebte die Natur und unternahm gern Sonntagswanderungen mit seiner Frau. Gelegentlich leistete man sich den Besuch eines Theaters, eines Konzerts, doch sonst fanden die beiden es am schönsten, den Abend zu Hause zu verbringen, wo eine ansehnliche Schallplattensammlung ihm gute Musik bot, wenn das Radioprogramm gerade nicht nach seinem Geschmack war.

Auf Dinge wie Rasse, Religion, Abstammung, Ahnentafel hatte der Wiener Tischler Ewald Jung nie einen Gedanken verschwendet. Erst das Jahr 1938, das seiner Heimat gewisse Veränderungen brachte, lenkte seine Aufmerksamkeit darauf und auf den bedauerlichen Umstand, dass sein Blut den neuen Anforderungen nicht entsprach, ein Defekt, der einige treue Freunde zu begründungsloser Einstellung des Verkehrs mit ihm nötigte. Zunächst erklärte er, das alles sei ihm Wurscht, er habe nichts getan, was sein Gewissen belasten müsste, er denke auch nicht an Auswanderung wie so viele andere; in der Stadt, in der er und seine Eltern zur Welt gekommen, wolle er auch sterben. Als jedoch die Erfüllung dieses Wunsches früher und anders einzutreten drohte, als es Ewald Jung genehm war, überdies die in einem Konzentrationslager praktizierten Formen des Umgangs mit Menschen ihn zu gründlichem Umdenken veranlassten, änderte er seinen Lebensplan und trat, glücklich darüber, das Lager mit heilen Gliedern verlassen zu haben, die Reise nach Südamerika an. Seine Gattin Finnerl, eine hübsche, stattliche Frau, zögerte keinen Augenblick, den Mann, dem sie schon zehn Jahre ehelich verbunden war, zu begleiten, obwohl Familie und Freundinnen ihr rieten, sich, da sie doch »in Ordnung« war, scheiden zu lassen und daheim zu bleiben. Sie liebte ihren Ewald und zog mit ihm ins Ungewisse. »Er is a Tischler, und i bin a Hutmacherin«, sagte sie, »wir haben nie was Schlechtes 'tan, also wird Gott uns helfen.«

Gott rechtfertigte dieses Vertrauen. Er half ihnen, sie fanden sieh bald zurecht. Mit ihren nützlichen Berufen verdienten sie mehr als das Notwendige, und zwar überall. Das war wichtig, denn sie zogen von einem Land ins andere, getrieben von innerer Unruhe, vor allem der Frau, die so manches, was sie während des Jahres vor der Auswanderung in ihrer Heimat beobachtet hatte, nicht vergessen konnte. Bereitete sich da, wo sie waren, ein Revolutionsversuch vor, spürte man politische Unruhe, dann drängte Finnerl ihren Mann, dieses Land zu verlassen und sich in einem anderen anzusiedeln, wo man sich sicherer fühlen könne.

Sie lebten zuerst in Bolivien. Finnerls Hutmodelle waren Blüten wienerischen Geschmacks, von den Bolivianerinnen lebhaft bewundert, doch in einigen Fällen Befremden und Widerspruch erweckend. Da musste ein Kompromiss gefunden werden, was nicht immer leicht war, denn zu dem Problem selbst kam der Kampf mit der spanischen Sprache. Finnerls Spanisch war damals noch recht eigenartig, weil sie viel zu wörtlich aus dem Deutschen übersetzte. Was sie sagte und was die Kundinnen verstanden, war nicht immer dasselbe. Bisweilen war das ein Glück.

Einmal hatte Finnerl eine besonders ermüdende Kundin zu bedienen. Es war so arg, dass sie nach einer Stunde die Geduld verlor. Das wollte etwas heißen, denn sie war ein ruhiger, fast schüchterner Mensch und hielt sich als Geschäftsfrau an den ihr schon in der Lehrzeit eingehämmerten Grundsatz, dass der Kunde immer recht habe.

»Es is mir zuviel worden«, erzählte sie am Abend im Freundeskreis, noch ganz erbittert. »Was diese Funsen mir angetan hat, das is nicht zum Beschreiben. Ich schwör' euch, sie hat jeden Hut, den ich auf Lager hab', aufg'setzt, manche auch zweimal, dann hat sie ang'fangen, da eine Feder runterzunehmen und dort aufzustecken, und das Bändel vom grünen Hut soll ich ihr um den roten binden, damit sie sehen kann, wie das ausschaut - so is des 'gangen in einer Tour, noch und noch, ich war schon ganz fertig. Auf einmal verlangt sie, ich soll ihr noch a paar Modelle aus an Modeheft machen, aber nur zur Probe. Ob sie's auch nimmt, das kann sie erst sagen, nachdem sie's probiert hat! Also, da hab' ich mein' Mut z'samm-g'nommen und hab' ihr gesagt, auf spanisch natürlich: >Gnä' Frau<, hab' ich gesagt, >das kann ich leider net machen, denn eines hab' ich schon g'sehn, näm-
lieh, gnä' Frau, für so ein G'sicht wie Ihres hab' ich überhaupt keine Hüte.<«

Die Zuhörer waren entsetzt, aber Finnerl fuhr fort: »Wie ich's g'sagt hab', da hat's mir schon leid getan, sehr leid sogar. Aber ich weiß net, was ich da auf spanisch ausgedrückt hab', und was die Dame verstanden hat, jedenfalls is sie mir um den Hals g'falln und hat mir ein Bussel geben. Dann hat s' einen Hut 'kauft und hat g'sagt, alle ihre Freundinnen schickt sie mir als Kunden. Jetzt möcht' i nur für mein Leben gern wissen, was die glaubt, dass ich ihr g'sagt hab'.« Aber nicht nur in ihrem Beruf hatte Finnerl mit Übersetzungen zu tun. Diese Wienerin, die aus ihrem bisherigen Lebensbezirk Hernals so unvermittelt in ein Land von ponchotragenden, cocakauenden Indios, von Lamas und sonstigen Seltsamkeiten geraten war, entwickelte zur Anpassung an so viel Neues und zum Ertragen all des Fremden eine eigentümliche Fähigkeit: Sie übersetzte völlig unbewusst alles, was sie sah, in Heimat.

Das Ehepaar Jung kehrte von einem mehrtägigen Ausflug in die Yungas, das von La Paz in etwa vier Autostunden erreichbare subtropische Gebiet, zurück. Finnerl war begeistert. »Herrlich war das«, rief sie mit leuchtenden Augen, »wirklich herrlich, genau wie in der grünen Steiermark. Haargenau so, Berge, Wälder - is es nicht wunderbar, dass man hier etwas hat, was genau so is wie die Steiermark?« Dass in den Yungas Kaffeesträucher und Bananenstauden wachsen, dass man durch Alleen von Orangenbäumen fährt, exotische Früchte wie Papayas und Chirimoyas herumhängen, handgroße Schmetterlinge durch die Luft tanzen, in fast undurchdringlichen Wäldern Papageien schreien, das waren belanglose Abweichungen, die Finnerls Vorstellungskraft nicht schwächen konnten. Es war grün dort, das genügte, damit alles genau so war wie in der Steiermark.

Auf einem Hügel bei La Paz hatten Wiener Emigranten eine Art Ausflugsstation eingerichtet. Da war ein Gasthaus, und im Freien standen Holztische und Bänke, man konnte dort zu Mittag essen oder nachmittags Kaffee trinken. Die Anlage sah ziemlich trostlos aus, rundherum Sand, Staub, Steine, die Vegetation bestand aus ein paar blassen Eukalyptusbäumen und Kakteen. Finnerl war zu Tränen gerührt. »Was brauchen wir sonst?« rief sie. »Jetzt haben wir da eine Ausflugsstation, wo man sich am Sonntag erholen kann, und je länger ich mich Umschau', desto deutlicher seh ich's: Es is wie die Sophienalpe bei Wien. Also genau wie die Sophienalpe. Es gibt Wurst und Käs' und Bier - nur -«, sie wurde ernst, sprang auf und lief ins Haus. Nach fünf Minuten war sie wieder da, strahlend, hochbefriedigt. »Nächste Wochen gibt's Salzstangeln. Das war nämlich das einzige, was noch g'fehlt hat, damit alles so is wie auf der Sophienalpen. Sie haben mir versprochen, sie werden Salzstangeln machen. Ewald, was sagst jetzt? Brauchen wir mehr?«

Eine Nachbarin war überrascht, als Finnerl, sichtlich unter dem Eindruck eines bewegenden Erlebnisses, atemlos hereinwirbelte, im Arm ein Körbchen mit unbekannten grünen Früchten. »Bitte kosten Sie das! Ich sag' noch gar nix. Sie sollen selber draufkommen.«

»Was ist das?« fragte die andere vorsichtig.

»Hiesige Früchte, Tumbos heißen s'«, erklärte Finnerl. »Bitte geben Sie mir ein Messer!«


Abb.: Tumbos [Bild: Payer]

Sie schnitt eine auf. Die Frucht hatte rosafarbenes Fleisch und viele flache Samenkerne. Finnerl konnte nicht warten, bis die Nachbarin gekostet hatte, sie musste ihr die frohe Nachricht gleich mitteilen.

»Ogroseln! So versuchen Sie 's doch. Sie werden sehn, es schmeckt wie Ogrosel, ah pardon, Sie sind ja eine Deutsche, also Stachelbeeren, nur da/3 sie keine Stacheln haben, aber das is ja eher ein Vorteil. Na? Is das net großartig? Also ich brauch' keine Ogroseln mehr, so lang' ich meine Tumbos hab'!«

[a.a.O., S. 27 - 32]

1997

Ein Comité de Amistad Boliviano-Cubana errichtet in La Higuera (Vallegrande) ein Che-Guevara-Monument.


Abb.: Che-Monument in La Higuera

[Bildquelle leider nicht mehr eruierbar]

1997-02

Wer leistet den obligatorischen Militärdienst?:

"Quién va al cuartel?

Primero, quién debería ir al cuartel. Según la Constitución, todos los ciudadanos, aunque nunca quedó claro si las mujeres están obligadas, y nadie se lo exige ni lo menciona. Por lo tanto, la obligatoriedad sólo se aplica a los varones: al cumplir los 18 años tienen que presentarse al cuartel y permanecer un año (Decreto Ley 13907, Ley del Servicio Nacional de Defensa y  Ley Orgánica de las Fuerzas Armadas).

Todo el mundo sabe que el cumplimiento de estas normas legales deja mucho que desear. Cada año ingresan al Servicio Militar unos 35 mil jóvenes, mientras que los varones de 18 años de edad se estima que están entre 90 y 110 mil; es decir, entre 61 y 68% no se presentan a servir.

Más interesante aún es conocer quiénes son los que se presentan (datos de La Paz, Cocha-bamba y Potosí):

¿De dónde vienen? En 1995, el 76% de los conscriptos provenían del mundo rural (gráfico 1). En La Paz y Cochabamba este porcentaje ha subido en los últimos quince años, mientras que en Potosí se ha mantenido prácticamente estable. Por más que todos los jóvenes del campo entiendan el castellano, el idioma en que se sienten realmente cómodos sigue siendo su lengua originaria -mayormente quechua o aymara-, lo cual contrasta con la lengua oficial del cuartel que es en todo el país el castellano.

¿Cuántos años tienen? La edad de ingreso al cuartel ha ido disminuyendo a lo largo de los últimos quince años (gráfico 2). Los conscriptos mayores de 18 años de edad han bajado de 45% en 1980 a 28% en 1995, y los de 16 a 18 años han subido de 53% a 66% (el caso extremo es Potosí, donde el porcentaje de 16 a 18 años pasó de 54% en 1980 a 72% en 1995). Lo más sorprendente es que, en 1985 y 1995, el 6% tenían 15 años de edad o menos; si se aplica este porcentaje a los 35.000 que se alistan cada año en todo el país, significa 2.100 soldados menores de 16 años.

¿Qué estudios han hecho? El nivel académico de los conscriptos ha variado poco a lo largo de los últimos quince años (gráfico 3). En 1995, el 19% sólo había pasado por el ciclo básico, el 28% había asistido al ciclo intermedio y el 53% al medio; sin embargo, sólo el 28% habían salido bachilleres. Peor aún, dada la mala calidad de la educación rural, el haber asistido al ciclo intermedio o medio significa muy poco para ese 76% de los soldados que provienen del campo.

Estas cifras sólo confirman lo que toda la sociedad sabe. Quienes llenan los cuarteles son sobre todo los muchachos y jóvenes pobres; los que llegan del campo y de los barrios urbanos marginales con una educación deficiente y apenas salidos de la adolescencia. En cambio, la gran mayoría de la clase media y alta -los que detentan el poder económico y político- se limita a comprar la libreta militar; con influencias o simplemente con dinero, eludiendo el Servicio Militar Obligatorio con desprecio de clase.

Lo más triste es la naturalidad con que esta asimetría es aceptada por los poderes públicos y por el conjunto de la sociedad; se la considera normal. Esta realidad, que es soslayada por el poder, no impidió que el propio Comandante en Jefe de las Fuerzas Armadas afirmara, en febrero de 1995, que para la institución castrense "el Servicio Militar Obligatorio debe cumplirse en toda su magnitud, habida cuenta que el 90% de los jóvenes del área urbana no cumple con este requisito nacional". Extraña manera de razonar."

[El ambiguo mundo del servicio militar obligatorio. -- In: Cuarto intermedio : revista trimestral / publicada por la Compañía de Jesús. -- Cochabamba. -- N° 42. -- 1997-02]

1997-02-11

"Sassenberg, 17. Februar, urgewald).– Am 11. Februar 1997 haben die Präsidenten von Argentinien, Uruguay und Paraguay in Santa Fe (Argentinien) offiziell den Start  des Wasserstraßenprojektes Hidrovía Paraguay-Paraná (HPP) verkündet. Mit dem Projekt Hidrovía Paraguay-Paraná sollen 3442 Flusskilometer durch fünf Länder (Bolivien, Brasilien, Paraguay, Uruguay, Argentinien) für große Lastkahntransporte schiffbar gemacht werden. Dazu notwendig sind Ausbaggerungen, Begradigungen, Hafenerneuerungen und Sprengungen. Die Wasserstraße soll zum Transportrückgrat des Handelsabkommens Mercosur werden und vor allem den Transport von Agrarprodukten (z. B. Soja) und Bergbauprodukten nach Europa erleichtern. Für die Durchführung des Projektes wurden Studien angefertigt, die allerdings – soweit vorliegend – von Experten als nicht seriös bezeichnet wurden. Die Eröffnung widerspricht dazu den Aussagen des Intergouvernementalen Komitees (CIH) der beteiligten Länder, nicht mit den Arbeiten zu beginnen, bevor die Evaluierung der Studien abgeschlossen ist und eine ausreichende Partizipation der Bevölkerung gewährleistet ist.
Dagegen wurde schon verstoßen, als am 24. Dezember 1996 mit dem Ausbau des Tamengo-Kanals in Bolivien begonnen wurde. Millionen Uferbewohner wurden kaum über das Projekt informiert. Sie werden nun vor vollendete Tatsachen gestellt. Mit dem Ausbau der Flüsse drohen für einzigartige ökologische Areale, wie das brasilianische Feuchtgebiet Pantanal, irreversible Schäden. Gegen das Projekt haben sich über 300 Nichtregierungsorganisationen aus Lateinamerika, den USA und Europa in der Koalition Rios Vivos zusammengeschlossen. Rios Vivos kritisiert, dass die Bevölkerung gar nicht oder nur mangelhaft informiert wurde und ökologisch unbedenklichere sowie wirtschaftlich günstigere Alternativen nicht untersucht wurden."

[Quelle: ila : Zeitschrift der Informationsstelle Lateinamerika. -- Bonn. -- ISSN 0946-5057. -- Nr. 203 (1997-10)]

1997-02-18

"(Santa Cruz, 18. Februar 1997, alc-Poonal).- Die einflussreiche bolivianische Indígena-Bewegung unterschrieb eine Wahlvereinbarung mit der Bewegung Freies Bolivien (MBL), die derzeit an der Regierung beteiligt ist. Sie umfasst neben der Übernahme programmatischer Vorschläge auch die Aufstellung von sechs Indígena-KandidatInnen für die kommenden Abgeordnetenwahlen. Marcial Fabricano von der Vereinigung der Indígena-Völker aus dem bolivianischen Osten und dem Chaco (CIDOB) sprach von einen »historischen Schritt bei unserer Suche von Beteiligungsmöglichkeiten«. Fabricano wurde am vergangenen Wochenende gleichzeitig zum Kandidaten der Bewegung Freies Bolivien für die Vizepräsidentschaft ernannt. Die von der CIDOB- Führung zuvor auf einer Landesversammlung getroffene Entscheidung wird es der MBL erlauben, auf mindestens 100.000 Indígena-Stimmen aus dem Osten Boliviens zählen zu können. Für die Indígenas aus dieser Region ist erstmals eine Vertretung im Parlament in Aussicht. ...

Marcial Fabricano hat sich zur unumstrittenen Führungspersönlichkeit der CIDOB entwickelt. Der 46jährige Vater von fünf Kindern wurde in dem Ort [!] Moxos geboren. Er gehört der Trinitaria-Ethnie an und ist Mitglied einer protestantischen Kirche. Die wichtigsten Parteien umwarben ihn, um ihn als Kandidaten für das Vizepräsidentenamt aufzustellen. Fabricano meint: »Die beste Form, die erreichten Erfolge zu garantieren und zu stärken war unsere Anwesenheit im Parlament und an Machtstellen und hier sind wir.« Er hat bereits mit dem Wahlkampf begonnen."

[Quelle: Poonal. -- ©1997-02-20]

1997-03

Lic. Carlos Palenque Avilés (1944, La Paz - 1997, La Paz), Mitbegründer und erster Chef der Conciencia de Patria (CONDEPA) stirbt (laut gerücht: im Bett seiner Geliebten) an einem Herzinfarkt.

"Drei Frauen und ein Erbe

Völlig überraschend starb Carlos Palenque im März 1997 an einem Herzinfarkt. Sein Begräbnis wurde zur größten Massendemonstration in der Geschichte von La Paz. Hunderttausende waren auf der Straße und bezeugten eine fast religiöse Verehrung für den Verstorbenen. Sarg und Grab mussten bewacht werden, weil zu viele Trauernde in Erwartung der Auferstehung des Caudillos nicht von seiner Seite weichen wollten. Für die Anhänger von CONDEPA war kein Mensch gestorben, sondern eine dem Menschlichen schon weitgehend entrückte, messiasähnliche Figur. Der Weg zur verklärenden Mystifizierung als Erlöser war vorgezeichnet.

Angesichts einer solchen Bedeutung des Parteigründers und -spitzenmannes konnte eine Nachfolge nur über die symbolische Aneignung des politischen Erbes Palenques erfolgen. In den Monaten nach dem Tod Palenques erlebte Bolivien einen Erbfolgestreit von drei Frauen, der den Stoff für eine erfolgreiche telenovela bieten würde:

Mónica Medina de Palenque hatte sich kurz vor dem Tod ihres Mannes unter gegenseitigen Vorwürfen von diesem getrennt. Beim Begräbnis Palenques schallten die Rufe 'Mónica Mörderin', sie hatte für die Anhänger und Anhängerinnen Palenques sofort die Rolle der Bösen im Spiel um die Macht. Die Behauptung, die Versöhnung mit ihrem Mann sei schon vollzogen gewesen, half ihr wenig. Mónica Medina hielt sich - und hält sich bis heute - im Hintergrund. Gespräche mit anderen Politikern und Parteien fanden aber immer wieder statt, sogar ein Versuch, mit Bolivia Insurgente eine eigene Bewegung zu gründen, politischen Ehrgeiz darf man ihr also durchaus unterstellen. Eine politische Wiederauferstehung ist nicht unmöglich, vielleicht sogar unter ausdrücklicher Bezugnahme auf ihren früheren Ehemann, falls sie sich als zu Unrecht verstoßene, authentische Nachfolgerin Palenques zu inszenieren versteht.

Neu auf der Bühne erschien Verónica Palenque, die Tochter des Caudillos aus erster Ehe. Ihr ging es offensichtlich in erster Linie darum, zusammen mit der dritten Frau im Spiel um die Macht, Remedios Loza, ihre Stiefmutter auszubooten. Beide waren nicht zimperlich in der Wahl ihrer Mittel, so sollte beispielsweise ein mysteriöses Gutachten, präsentiert von Loza und Verónica Palenque, die Vaterschaft Carlos Palenques an den Kindern von Mónica Medina anzweifeln.

Remedios Loza übernahm den Parteivorsitz. Auch wenn sie keine Blutsverwandte Palenques ist, trifft doch der Begriff dynastische Erbfolge auch auf sie zu. Medial inszeniert war sie längst als comadre zur fiktiven Verwandten Palenques geworden und konnte so, gestützt auf die öffentliche Wahrnehmung, quasi-familiäre Nachfolgerechte geltend machen. Sie hat als langjährige Parlamentsabgeordnete politische Erfahrung und beherrscht die Kunst des öffentlichen Auftretens. Trotzdem haben Remedios Loza und Verónica Palenque es nicht geschafft, an den politischen Erfolg von Carlos Palenque anzuknüpfen, ganz zu schweigen von den CONDEPA-Politikern der zweiten Reihe, von denen sich kaum einmal jemand profilieren konnte - und wer dies erreichte, war schnell im Konkurrenzstreit mit Palenque aus der Partei ausgeschieden.

Nachdem Präsident Banzer im August 1997 sein Amt angetreten hatte, schien CONDEPA noch auf dem Vormarsch zu sein. Der Kondolenzeffekt für den gerade erst verstorbenen Carlos Palenque hatte ein Wahlergebnis von über 17 Prozent der gültigen Stimmen eingebracht. Zum ersten Mal in ihrer Geschichte wurde CONDEPA Regierungspartei als Teil der sogenannten Megakoalition zusammen mit ADN, MIR und UCS. Endlich mitzuregieren, hatte für die Parteiführung auch zur innerparteilichen Legitimation außerordentliche Bedeutung, warteten doch viele Parteianhänger darauf, endlich an den zu verteilenden Pfründen partizipieren zu können.

Banzer allerdings konnte auf einen seiner Partner verzichten, ohne die parlamentarische Mehrheit zu verlieren. Schon nach einem Jahr, im August 1998, war es soweit. Genervt warf der Präsident CONDEPA schlicht und einfach aus der Koalition hinaus. Am 5. Dezember 1999 dann besiegelten die Ergebnisse der Kommunalwahlen möglicherweise das Ende der CONDEPA als relevante politische Partei. Ausgerechnet in den Hochburgen La Paz und El Alto erlitt CONDEPA schwere Niederlagen, rutschte in La Paz mit einem kaum profilierten Kandidaten in den einstelligen Bereich, und in El Alto, einst sichere Bank der CONDEPA, verlor keine Geringere als Remedios Loza gegen den Kandidaten des MIR.

Der Caudillo ist tot, die politische Macht in La Paz und El Alto ist dahin, und die medíale Macht von CONDEPA hat ebenfalls gelitten, nachdem Ménica Medina sich wesentliche Anteile an RTP hat sichern können. Eine Prognose sei, bei aller Vorsicht, gewagt: CONDEPA ist am Ende und wird genauso wenig wiederauferstehen wie der compadre Palenque."

[Goedeking, Ulrich: CONDEPA und UCS : zwei Parteien und ihre Erbfolgeprobleme. -- In: Lateinamerika : Analysen, Daten, Dokumentation. -- ISSN 0176-2818. -- Nr 45. -- 2001-09. -- S. 27f.]

1997-03-17

Código de minería (ley n° 1777)

"LIBRO PRIMERO , NORMAS SUBSTANTIVAS
TÍTULO I: DEL DOMINIO DE LAS SUBSTANCIAS MINERALES, DE SU CONCESIÓN Y DE LOS SUJETOS DE DERECHOS MINEROS
CAPÍTULO I: PRINCIPIOS GENERALES RELATIVOS AL DOMINIO Y A LA CONCESIÓN

Artículo 1. Pertenecen al dominio originario del Estado todas las sustancias minerales en estado natural, cualesquiera sea su procedencia y forma de presentación, hállense en el interior o en la superficie de la tierra. Su concesión se sujetará a las normas del presente Código.

Artículo 2. El Estado a través del Poder Ejecutivo, otorgará concesiones mineras a las personas individuales o colectivas, nacionales o extranjeras, que las soliciten ante el Superintendente de Minas de la jurisdicción, conforme a las normas del presente Código. ,

Artículo 3. Las personas individuales o colectivas que realicen actividades mineras quedan sometidas a las leyes del país, siendo extranjeras, se tiene por renunciada toda reclamación diplomática sobre cualquier materia relativa a dichas actividades.

Artículo 4. La concesión minera constituye un derecho real distinto al de la propiedad del predio en que se encuentra, aunque aquélla y éste pertenezcan a la misma persona. Es un bien inmueble, transferible y transmisible por sucesión hereditaria. Puede constituirse sobre ella hipoteca, y ser objeto de cualquier contrato que no contraríe las disposiciones del presente Código.

Artículo 5. La concesión minera está formada por una cuadrícula u por dos o más cuadriculas colindantes al menos por un lado, cuya extensión no podrá exceder las 2.500 cuadrículas.

Artículo 6. La cuadrícula es la unidad de medida de la concesión minera. Tiene la forma de un volumen piramidal invertido, cuyo vértice inferior es el centro de la tierra y su límite exterior la superficie del suelo correspondiente planimétricamente a un cuadrado de quinientos metros por lado con una extensión total de veinticinco hectáreas. Sus vértices superficiales están determinados mediante coordenadas de la Proyección Universal y Transversa de. Mercator (UTM), referidas al Sistema Geodésico Mundial (WGS-84).

Dicha cuadrícula minera está medida y orientada de Norte a Sury registrada en el Cuadriculado Minero Nacional, elaborado conjuntamente entre el Instituto Geográfico Militar y el Servicio Técnico de Minas.

Artículo 7. Cada cuadrícula minera se identifica por el número de la respectiva hoja de la Carta Geográfica Nacional, escala 1:50.000 elaborada por el Instituto Geográfico Militar y por un Sistema Matricial de Cuadrícula Minera establecido por el Servicio Técnico de Minas.

Artículo 8. Sólo en áreas de las fronteras internacionales y en las franjas de traslado de las zonas 19, 20 y 21 de la Proyección Universal y Transversa de Mercator (UTM), puede constituirse concesión minera cuyas cuadrículas sean menores a veinticinco hectáreas y no tengan forma cuadrada.

Artículo 9. La cuadrícula no es susceptible de división material.

La concesión minera de solo una cuadrícula admite únicamente la división porcentual en partes accionarias.

La concesión minera de dos o más cuadrículas es divisible materialmente por cuadrículas. Cada cuadrícula resultante de la división subsiste con individualidad propia, mantiene la prioridad de la concesión original y debe precisarse medíante las coordenadas U.T.M. de cada uno de sus vértices. Esta división se hará por escritura pública inscrita necesariamente en el Registro Minero a cargo del Servicio Técnico de Minas. Sólo después de cumplidos estos requisitos puede inscribirse el instrumento en el Registro de Derechos Reales.

Artículo 10. La concesión minera otorga a su titular y con la condición del pago de patentes, el derecho real y exclusivo de realizar por tiempo indefinido actividades de prospección, exploración, explotación, concentración, fundición, refinación y comercialización de todas las substancias minerales que se encuentren en ella, incluidos los desmontes, escorias, relaves y cualesquier otros residuos mineros o metalúrgicos, respetando derechos preconstituidos. Se obtiene por concesión del Estado y se adquiere por actos jurídicos entre vivos y por causa de muerte, conforme a la ley civil.

Los derechos y obligaciones establecidos por este Código para los concesionarios mineros quedan extendidos  a quienes ejerzan posesión legal en virtud de relación contractual.

Artículo 11. Las concesiones mineras no se adquieren por usucapión, excepto después de expedido el título ejecutorial y con arreglo a la ley civil.

Artículo 12. La concesión minera, sus productos, equipos e instalaciones, son susceptibles de anotación preventiva, de embargo y de secuestro judicial, según corresponda.

Artículo 13, La prioridad en la presentación de la solicitud otorga derecho preferente para obtener la concesión minera.

Artículo 14. Se excluyen de las disposiciones de este Código, el petróleo, los demás hidrocarburos y las aguas minero medicinales, que se rigen por leyes especiales.

Artículo 15. Los preceptos del artículo 171 de la Constitución Política del Estado y las disposiciones pertinentes del convenio No. 169 de la Organización Internacional del Trabajo ratificado por Ley No. 1257 de II de julio de 1991 son aplicables al sector minero."

1997-05

"Das »andere Gesicht« der Gesellschaft : Bolivianische Frauen brechen das Schweigen über die Gewalt in der Familie

Gewalt gegen Frauen ist in Bolivien an der Tagesordnung. Die Öffentlichkeit schweigt jedoch über das Geschehene und unternimmt nichts gegen die Täter, die größtenteils aus den eigenen Familien stammen. Die betroffenen Frauen selbst zeigen diese jedoch aus Angst vor erneuter Gewalt oder wegen finanzieller Abhängigkeit vom Täter nicht an. Seit 1990 betreut die Casa de la Mujer in Santa Cruz Frauen, die den Mut haben, die erlittene Gewalt anzuzeigen. Miriam Suarez, die Direktorin der Einrichtung, und Elke Löbel berichten im folgenden von ihrer Arbeit mit den Frauen, die sich an die Casa de la Mujer wenden und Hilfe suchen.

Der 25. November, das Datum der Ermordung der drei dominikanischen Schwestern Mirabal im Jahr 1960 (vgl. ila 201), wurde 1984 beim ersten feministischen Treffen Lateinamerikas und der Karibik in Kolumbien zum „Tag gegen die Gewalt an Frauen“ ausgerufen. Am 25. November 1996 fand erstmals auch im bolivianischen Santa Cruz ein Protestmarsch gegen die Situation von Frauen statt, die Gewalt in den unterschiedlichsten Formen erfahren.

Über die Gewalt gegen Frauen wird in Bolivien kaum diskutiert. Sie ist vorhanden, sie wird toleriert und in den meisten Fällen als „normal“ angesehen. Frauen, die von ihren Ehemännern geschlagen werden, gehen nur in den seltensten Fällen vor Gericht. Die, die verlassen werden, versuchen allein oder mit ihren Kindern irgendwie durchzukommen. Sie stellen keine Forderungen an den Vater der Kinder, der sie doch nur schlecht behandelt hat, und sie erwarten keine Gerechtigkeit durch die Justiz.

Seit 1990 betreut die Nichtregierungsorganisation Casa de la Mujer (Frauenhaus) in Santa Cruz Frauen, denen Gewalt angetan wurde und die dann den Mut hatten, diese auch anzuzeigen.

In den letzten drei Monaten lag die durchschnittliche Zahl der Anzeigen, die in Santa Cruz registriert wurden, bei 24 pro Tag. Das heißt eine Anzeige pro Stunde, an sieben Tagen der Woche. In 72 Prozent der Fälle war der Täter der Ehemann oder der Partner. Diese Zahlen zeigen das „andere Gesicht“ der bolivianischen Gesellschaft und der Familie, das viele Bürger nicht sehen wollen. Es steht im Gegensatz zum Bild der heilen und glücklichen Großfamilie, das man in der Öffentlichkeit bewahren will.

Die Zahlen über die Gewalt gegen Frauen und Gewalt in der Familie spiegeln aber noch nicht das Leid der Opfer von Gewalthandlungen wider. Dieses Leid findet man erst in den Berichten der Frauen, denen Gewalt angetan wurde: Gewalt gegen ihr Recht auf Freiheit, ihr Recht auf Achtung und ihr Recht auf den eigenen Körper.

Vor einigen Monaten erschien in der Casa de la Mujer ein Mädchen. Juanita (Name geändert), die älter aussah als die elf Jahre, die sie als ihr Alter angab, erzählte folgende Geschichte: „Ich habe Vater, Mutter und vier Geschwister, und ich möchte arbeiten. Ich habe mein Elternhaus verlassen, als ich zehn Jahre alt war, und wurde von einer Cousine in die Stadt mitgenommen, um dort lernen und arbeiten zu können. Aus dem Haus meiner Cousine bin ich jedoch abgehauen, weil ich schlecht behandelt wurde. Dann bin ich zu einem anderen Haus, aber die Frau dort hat mich auch schlecht behandelt, bis mich ein paar Mädchen hierhin gebracht haben zur Casa de la Mujer. Bei uns zu Hause sind wir arm. Oft gab es nichts zu essen, manchmal wusch meine Mutter die Wäsche von meiner Tante und verdiente damit etwas Geld, aber andere Male gab es nichts zu essen, und dann wurde mein Vater wütend und hat sie geschlagen, ganz schrecklich hat er sie geschlagen. Ich glaube, meine Mutter ist krank von den vielen Schlägen auf den Kopf. Ich sage nicht, dass sie verrückt ist, aber manchmal verliert sie den Verstand. Meine Geschwisterchen bekommen auch Prügel. Oft bluten die Beine und der Rücken der Ärmsten, aber sie dürfen sich nicht beschweren, denn das würde es nur noch schlimmer machen. Bei mir zu Hause haben wir alle Angst vor meinem Vater. Meine Mutter, meine Geschwister und ich zittern vor Angst. Immer wenn er was von mir gebracht haben wollte, habe ich ihm die Sachen voller Angst gereicht und innerlich gefleht: Gott, lass ihn mich nicht schlagen, las ihn nicht unzufrieden werden.“

Juanita ist eines von vielen Mädchen, die aus den Provinzen in die Stadt migrieren. Kleine Erwachsene, die mit der Aggression und der Gewalt in der Großstadt aufwachsen. Die fehlende Zuneigung bewirkt, dass sie sich an jedwede Person, die ihnen ein wenig Zuwendung zeigt, anlehnen. Nicht selten führt das dazu, dass sie sich erneut in Situationen extremer Gewalt wiederfinden. Sie konnten der häuslichen Gewalt entfliehen und geraten dennoch wieder in Gewaltsituationen. Trotz alledem haben sie den Traum, für die Familie zu arbeiten, dafür zu sorgen, dass ihre kleineren Geschwister nicht das erleben, was sie erlebt haben. Sie geben keinen Pfennig für ihre eigenen Bedürfnisse aus, weil ihr Lohn die Nöte ihrer Eltern und Geschwister mindern soll. Für ein warmes Mittagessen werden sie zu den Sklavinnen des 21. Jahrhunderts. Sie werden als Arbeiterinnen ausgebeutet, schlecht behandelt und sexuell ausgenutzt.

Für viele Frauen ist die Gewalt etwas Alltägliches, das sie seit ihrer Kindheit kennen. Wenn sie über ihr Leid berichten, begegnet ihnen anstelle von Verständnis und Unterstützung gesellschaftlicher Druck und Angst vor der Öffentlichmachung ihres Schicksals. In anderen Fällen verstärkt der Aberglaube die Gewalt gegen die Mädchen und Frauen. Eine 21jährige Frau aus den Yungas, der Tropenregion bei La Paz, kam in die Casa de la Mujer und erzählte folgende Geschichte: „Ich bin nach Santa Cruz gekommen, um zu arbeiten und Geld zu sparen. Ich habe eine Tochter. Meine Mutter kenne ich nicht, sie starb, als ich vier Jahre alt war. Mein Vater hat mich und meine Geschwister viel geschlagen. Wenn wir etwas fallen gelassen haben, hat er uns geschlagen und angeschrieen, dass wir alles kaputtmachen würden. Es war immer so, bis meine Brüder größer waren und von zu Hause weggegangen sind. Ich war immer krank, ich fiel einfach so in Ohnmacht. Als ich dreizehn war, begannen die Krämpfe, und einmal fiel ich beim Kochen in Ohnmacht. Ich fiel dabei mit meinem linken Arm in die Glut und habe mich schlimm verbrannt. In den Yungas bekam ich ständig und überall Krämpfe. Mein Vater sagte, das werfe ein schlechtes Licht auf mich im Dorf, und er drohte immer wieder, er wolle mir das Gift geben, mit dem die Coca-Pflanze gespritzt wird, das Tamaron oder Extermin, dann habe es mit mir schnell ein Ende. Deswegen bin ich nach Santa Cruz gekommen.“ In den meisten Fällen sind die Täter Familienmitglieder. Oftmals leiden Frauen und Mädchen, ohne ihrem Leid Ausdruck geben zu können. Sie schämen sich für das ihnen Angetane, haben Angst oder fühlen sich sogar schuldig für das Geschehene. Die Mutter eines jungen, geistig behinderten Mädchens sprach in der Casa de la Mujer vor. Sie berichtete über ihre Tochter, die wegen ihrer geistigen Behinderung nie das Haus verließe, aber nun plötzlich schwanger sei. Sie wisse aber nicht von wem. Das Traurigste an solchen Geschichten ist, dass diese Aggressionen Spuren hinterlassen. Dieser Angriff auf die Intimsphäre begleitet die Entwicklung der Person für den Rest ihres Lebens mit kaum wiedergutzumachenden Folgen.

Hohe Dunkelziffer

Bisher gibt es noch keine systematische Aufarbeitung der in den verschiedenen Frauenzentren erhobenen Daten zum Thema Gewalt gegen Frauen. Aber die vorhandenen Zahlen verdeutlichen bereits das Ausmaß von dem, was Hunderte von Frauen in Santa Cruz tagtäglich erleiden: Mehr als die Hälfte der Frauen, die eine Anzeige erstatten, sind verheiratet und zwischen 20 und 40 Jahren alt. Die meisten dieser Frauen haben keine bezahlte Arbeit. Wenn sie ihre Ehemänner oder Partner anzeigen, gehen sie ein großes Risiko für ihr tägliches Überleben ein, da sie zumeist finanziell von ihnen abhängig sind. Dass sie sich dennoch zu einer Anzeige entschließen, zeigt, wie unerträglich die Situation für viele von ihnen geworden ist. Viele Frauen verfolgen die Anzeige nicht bis zum Ende, und nur sehr wenige sind mit einer psychologischen Behandlung einverstanden. In den meisten Fällen wünschen die Frauen lediglich ein Gespräch der Rechtsanwältin mit dem Ehemann und die Unterzeichnung einer Acta de No-Agresión. Mit dieser Acta, einem von der Rechtsanwältin aufgesetzten Schreiben, verpflichtet sich der Ehemann oder Partner unter Androhung einer Strafe, keine
Gewalt mehr gegen seine Frau auszuüben. Wird er dennoch gewalttätig, kann er jederzeit von der Polizei festgenommen werden und muss sich vor einem Gericht verantworten. Meistens wollen die Frauen aber keine Trennung oder Scheidung von ihren Partnern.

Bis vor kurzem war das Thema Gewalt in der Familie ein Tabu. Doch die Frauen in Bolivien eröffneten die Diskussion und erzählen nun ihre Leidensgeschichten. Heute kann niemand mehr bestreiten, dass diese Gewalt existiert. In diesem Sinne bedeutete die Weltfrauenkonferenz in Peking einen wichtigen Fortschritt. Dort haben die Nationen der Welt und ihre Regierungen anerkannt, dass die Gewalt weiterhin der größte Angriff auf die Rechte der Frau und das größte Hindernis für die Entwicklung der Völker darstellt, weil sie die Hälfte der Menschheit angreift. Um Jahrhunderte der Rückständigkeit aufzuholen, haben sie sich verpflichtet, Mechanismen der sozialen Gleichberechtigung herzustellen, die einen qualitativen Fortschritt der Frauen ermöglichen. Es kann nicht akzeptiert werden, dass Armut und Ungleichheit weiterhin weiblich sind. Es bleibt viel zu tun. Unser Land und unsere Stadt müssen sich verändern, und zwar schnell. Denn Santa Cruz, die Stadt, die für viele ZuwanderInnen als Synomym für die Hoffnung auf ein besseres Leben steht, ist für den Großteil der Frauen nichts als eine machistische Hölle der Gewalt.

Miriam Suarez ist seit 1990 Direktorin der Casa de la Mujer. Unter dem Regime von Hugo Banzer, in den siebziger Jahren, lebte sie zeitweise im Untergrund und floh nach Argentinien und Schweden ins Exil. Anfang der 80er Jahre machte sie mit dem Radioprogramm Mujeres del Pueblo (Frauen aus dem Volk) auf die Situation der bolivianischen Frauen aufmerksam.

Elke Löbel arbeitet als DED-Fachkraft in der Casa de la Mujer."

[Quelle: ila : Zeitschrift der Informationsstelle Lateinamerika. -- Bonn. -- ISSN 0946-5057. -- Nr. 205 (1997-05)]

1997-05

"RECUERDOS DEL PASADO, MOTIVOS DEL PRESENTE Y CONJUROS AL FUTURO : Notas sobre la censura al libro

La censura al libro es un hecho que acompaña a la humanidad desde que la palabra se hizo escritura. Con pretensión de ciencia ha pergeñado filosofías y acciones. Goebels y la quema pública de libros pueden ser los más acabados productos filosófico/prácticos de este hecho. Umberto Eco en "El Nombre de la Rosa" funde estos conceptos: un libro, una filosofía de censura, la norma, el acto censor.

La censura, sin embargo, no es soló sinónimo de bárbaras acciones, es también fruto de ininteligibles límites. Así, la gran distancia entre critica y censura suele tornarse delgada línea.

Intolerancia es la palabra que sinónima con la censura y por ello está presente en los sistemas dictatoriales pero no deja de tener espacio en los democráticos. En aquellos se torna ruda e intransigente, en éstos su dureza se difumina con tintes de dudosa legalidad y moralidad aunque su olor a incultura sobrepase cualquier pared. Aún los sistemas democráticos suelen arribarcon censura: la Revolución Francesa quemó documentos de la monarquía.

¿Qué es lo que hace peligroso al libro o cualquier otro documento? ¿Por qué se los persigue, quema, expropia? ¿Qué signo devastador contienen? Simple y llanamente incluyen la diferencia, perfilan lo otro, demarcan lo distinto, celebran la variedad. Su sola existencia patentiza y festeja la Torre de Babel.

El oído acostumbrado a un sólo tono niega, rechaza y castiga lo diverso y heterogéneo, arremete para retornar al estado unísono, por él determinado como bueno, aceptable, moral y perfecto.

La gama de la censura es amplia, tiene una normatividad explícita y otra implícita que la envuelve en una doble moral peligrosa. Entonces no sólo se censura con las leyes sino también con los parámetros morales, sociales, culturales y demás. Finalmente, la censura triunfa cuando se torna en autocensura, cuando se acata la orden, cuando el miedo gana al lector y éste pierde su poder de recreación del libro a través de la lectura.
Cuenta un ingeniero que cuando la policía política allanó su casa, allá por los '70. decidió separar los libros en dos montones: los técnicos -que se salvarían de la censura- y los políticos que tendrían un fin incierto. Así, los de resistencia de materiales y similares estaban destinados a permanecer en los anaqueles de la casa. En este ejercicio pasaron varios minutos, tirando unos a la derecha y otros a la Izquierda de acuerdo al titulo que tenían. Cuando el agente que dificultosamente leía los títulos anunció que el que tenía entre sus manos titulaba "Asií se templó el acero", éste fue a parar al montón de la derecha junto a libros técnicos de ingeniería. De este modo, la novela de Nikolai Ostrovsky que relataba la lucha antifascista en la Rusia de la II Guerra Mundial, quedó a salvo de la censura.

En otro caso, los títulos no sirvieron para salvar a los libros. Cuenta un librero que la policía política de lo 70 llegó a requisar una importante cantidad de libros que se exponían en una vitrina: todos ellos eran versiones del Nuevo Testamento y su titulo era "La liberación del hombre nuevo"
Otro librero recuerda que varios cajones de libros de editoriales como Siglo XXI, Fondo de Cultura Económica y Grijalbo fueron embargados en la aduana. Una bibliotecario recuerda que varias colecciones de revistas literarias mexicanas, cubanas y soviéticas fueron retiradas del fondo documental. Pero también recuerda que la autocensura hacía que los lectores no solicitaran esas colecciones y varios libros censurados.
Es célebre la biblioteca de cierto poeta que seguramente se inspiró en la biblioteca universal de Borges para diseñary construir un recoveco tal, semejante a una colmena de abejas o una casa de hormigas, o un laberinto sofocliano, o un barrio chino; para mantener íntegro su tesoro bibliográfico.

La censura toma el color del censor y si en los 70 teníamos sobre nosotros una censura burda, tosca y agreste, en los '80 la censura se impregnó del olor de la corrupción. La venta de los diarios del Ché y de Pombo formaron parte de un grueso paquete de enajenación o de lo que fuere.
Pero, sujeta a las leyes de la dialéctica, la censura crea y estructura la desobediencia: libros forrados con papel periódico, con tapas cambiadas, creativas redes de intercambio bibliográfico, grupos agazapados de lectores. Y de lo anecdótico, la respuesta a la censura toma cuerpo y crece y puede llevar a un censor a la cárcel de por vida: por haber asesinado autores y por haber expropiado documentos.

Puede y no puede, llega a plantear la Ley de Libro, la Ley de Derechos de Autor, la Ley de Protección al Patrimonio Cultural.... pero no puede contra la censura que no sólo un grupo (ojalá fuera solo un grupo!) de autodeterminados defensores de la moral evite que un autor lea sus cuentos en la casa de la cultura. No puede contra una doble moral que dice defender a la mujer y a la vez propicia opulentos actos de desfachatado, trasnochado y agresivo machismo. Este autor, libre ya de las amenazas de otro censor -quien también acudió al argumento de la moralidad para perseguirlo y hoy purga su condena por probada inmoralidad con el pais-, no puede de manera libre leer sus cuentos.

Con todo, la democracia es también de los anti/censores. No pierden de vista el objetivo que es la diversidad: toneladas de documentos salvados de las llamas y enviados al Archivo Nacional y la recuperación de los textiles de Coroma son dos ejemplos de las muchas batallas de esta legión de soñadores y creadores.

Estas legiones, sin embargo, aún tienen tareas que cumplir en la democracia que todavía castiga y censura. Y ojalá no les toque retornar a las prácticas de lectura agazapada y santo y seña bibliográfica porque de pronto se instaure el ejército de [sic!]"

[Ayllón, Virginia. -- In: Correveydile : revista boliviana de cuento. -- Numero especial 1: Cuentos de la represión. -- 1997-05. -- S. 53 - 55]

1997-06

"Was – die Mamacita zahlt selbst?! : Über den Zusammenhang von Bier und Feminismus

Wirtschaft hat etwas mit Macht zu tun. Macht wiederum auch etwas mit Wirtschaft. Dort wird sie des öfteren auch ausgeübt. In den achtziger Jahren befand sich die Frauenbewegung in Bolivien auf dem Vormarsch. Just in dieser Zeit stellte eine Frauengruppe in Cochabamba fest, dass die Machtverhältnisse ins Wanken gerieten. In der Wirtschaft. Wegen eines simplen Glases Bier. Eine Feministin aus Cochabamba erinnert sich.

Das Bier geht auf euch? Kommt nicht in Frage!“ Die Trinker an den Nachbartischen konnten es einfach nicht lassen, wenn sie uns beim allfreitaglichen Frauenstammtisch in einer der zahllosen Kneipen von Cochabamba sahen. Unweigerlich ließen wir die Runden an die bierseligen Spender zurückgehen. Denn wir konnten unser Bier nun einmal selbst bezahlen. Schließlich waren wir bewusste Trinkerinnen. Wir versoffen nicht gewissenlos das Haushaltsgeld, bis wir unter den Tischen lallten. Wir frönten unserem nächtlichen Ritual Schulter an Schulter, ohne uns dieselben beim Bierstemmen auszurenken.

Vor uns immer vier Flaschen Taquiña-Bier. Es musste Taquiña sein, das Bier von Cochabamba. Gut, manchmal war es auch eine Paceña, „die Treulose“. Und zwar immer dann, wenn in unseren Diskussionen der Nationalismus unseren sonstigen Regionalismus überwog. Die Paceña, sagten die Leute von La Paz, ist bolivianisch, die Taquiña dagegen ist deutsch. „Aber mit dem Wasser von der Tunari-Kordillere, von der Llacta“, gaben die Leute von Cochabamba zurück. Die Tunari-Kordillere ist natürlich das schönste Gebirge, das ich kenne.

Die „cerveza“, wie Bier auf spanisch heißt, ist eine Frau. Das ist ihr Glück und ihr Pech. Glück, weil die „cerveza“ als Frau problemlos Eingang fand in unsere erlesene und radikale Feministinnengruppe. Pech, weil sie in den Augen der Männer an allem Übel schuld ist. Da kommen die „verrückten Feministinnen“ schon wieder, sagten die Biertrinker, sobald wir den ersten Fuß in ihre bis dato geschlossenen Männergesellschaften setzten. Anfangs pfiffen sie uns nach, rissen Witze über uns, spotteten und nahmen uns damit die Lust am Bier. Tapfer verteidigten sie ihre Linien, sie setzten alles daran, uns soweit zu bringen, zu bereuen, je in einen Tempel reiner Machos eingedrungen zu sein. Aber sie schafften es nicht, wir brachen in ihre Bastion biertrinkender Junggesellen ein und begründeten unsere Junggesellinnenabende. Wenn es irgendetwas gibt, mit dem wir uns beweisen konnten – und zwar zu unserem eigenen Erstaunen –, dann war es die Kraft unseres Widerstandes. Das war der Grund, weshalb uns der Schaum unseres Hellen von da an so gut wie Zuckerwatte schmeckte.

Anfangs blieben sie wachsam, unsere Gegenwart störte sie, unser wachsames Auge auf sie und vor allem unsere absolute und konsequente Ablehnung ihrer Einladungen zum Bier. Von allen Tischen kam es bei uns an. „Ein Bierchen für Sie, von den Herren nebenan“, sagte der Kellner Mal um Mal und musste stets postwendend das unberührte Tablett wieder zurücktragen. Das eine hatten wir uns geschworen: wir würden nur das Bier trinken, das wir selbst bezahlten. Sie, die Bewunderer der „blonden Göttin“, wie sie die „cerveza“ nannten, gewöhnten sich allmählich an uns. Sie begannen, unser abendliches Ritual aus Diskussionen und herzhaftem Gelächter zu akzeptieren, setzten aber gleichzeitig ihre eigenen Männerkumpeleien fort. In der ersten Phase ihres Besäufnisses ließen sie immer den potenten Macho heraushängen; noch Herr der Lage, führten sie sich auf wie die Könige; später, wenn ihnen vor lauter „treulosen Blonden“ die Augen überliefen, wurden sie zu hilflosen Kindern, denen die Tränen der Machtlosigkeit die Wangen herunterliefen.

Am 8. März 1988, dem internationalen Frauentag, erhoben wir den Junggesellinnenfreitag zur Institution. Nachdem wir mit einem Trupp Frauen die Straßen der Stadt eingenommen und auf dem Hauptplatz die Hexenbotschaft verlesen hatten, erstürmten wir die Gasthäuser und feierten unseren Tag mit der Taquiña und der Paceña.

Nach dieser Fraueninvasion hatte sich etwas an unseren Junggesellinnenfreitagen geändert. Es war vorbei mit den scharfzüngigen Frotzeleien, wenn wir in unsere Stammkneipen gingen. Ab jetzt reservierten uns Wirt und Kellner unseren Tisch und warteten uns gleich mit einem gutgekühlten Bier auf.

Wir waren sogar richtiggehend platt, wenn wir mitanhörten, was sich unsere Saufkumpane von den Nebentischen von nun an – ganz im Vertrauen! – zu erzählen hatten. Es war kaum zu glauben! Sie fingen an, sich gegenseitig hoch und heilig zu schwören, sie seien gar keine Machistas, sie doch nicht! Der eine oder andere ging sogar so weit, den Anwesenden zu erklären, worin die „Frauenfrage“ bestünde. An einem andern Tisch verkündete ein Biertrinker, selbstverständlich erlaube er seiner Frau die Teilnahme an diesen Junggesellinnenfreitagen, schließlich handle es sich dabei um eine ganz und gar natürliche Angelegenheit, vollkommen anständig. Und außerdem, sagte er, benehmen sich die Frauen ja wirklich gut, das sehe man doch, „guck doch nur da 'rüber, Kumpel, guck sie dir an“, zeigte er auf uns, „so sind sie, so verschaffen sie sich Achtung... nicht einmal ein Bier lassen sie sich ausgeben“. Und so kam es, dass wir mit der freundlichen Hilfe unseres Biers die nichtpatriarchalen Machistas entdeckten und auch diejenigen, die sich zwar Machistas nannten, aber wenn schon, dann Machistas mit Klassenbewusstsein.

Übersetzung: Gaby Küppers

Lawray"

[Quelle: ila : Zeitschrift der Informationsstelle Lateinamerika. -- Bonn. -- ISSN 0946-5057. -- Nr. 206 (©1997-06)]

1997-08-01


Abb.: Comunidad Andina

Bildung der Comunidad Andina als Fortführung des Vertrags von Cartagena (1969-05-26). Mitgliedsländer sind: Bolivien, Kolumbien, Ecuador, Perú und Venezuela.


Abb.: Comunidad Andina und Sistema Andino de Integración

[Webpräsenz: http://www.comunidadandina.org. -- Zugriff am 2002-02-01] 

1997

Präsidentschaftswahlen. Ergebnis:

Hugo Banzer Suarez (1926, Concepción - 2002, Santa Cruz) (Wahlbündnis ADN, Partido Demócrata Cristiano, Nueva Fuerza Republicana) 485.000 23%
Juan Carlos Durán (MNR -- Movimento Nacionalista Revolucionario) 396.000 18%
Remedios Loza (CONDEPA -- Concientia de Patria) 374.000 17%
Jaime Paz Zamora (1939, Cochabamba - ) (MIR -- Movimento de Izquierda Revolucionario) 365.000 17%
Unitad Civica Solidaridad 351.000 16%

1997-08-06 bis 2001-08-06

General a.D. Hugo Banzer Suárez (1926, Concepción - 2002, Santa Cruz) ist aufgrund der Wahl durch den Congreso verfassungsgemäßer Präsident (gewählt bis 2002-08-06, tritt aber zum 2001-08-06 aus Krankheitsgründen zurück).


Abb.: Hugo Banzer Suárez

Vizepräsident ist bis zum Rücktritt Banzers Jorge Quiroga Ramírez (1960, Cochabamba - )


Abb.: Jorge Quiroga Ramírez

Die Regierungskoalition Compromiso por Bolivia hat 96 der 130 Sitze im Parlament und 24 der 27 Sitze im Senat. Sie umfasst folgende Parteien:

  • ADN (Acción Democrática Nacionalista) unter Hugo Banzer Suárez
  • MIR (Movimento de la Izquierda Revolucionaria) unter Jaime Paz Zamora
  • UCS (Unión Civica Solidaridad)
  • NFR (Nueva Fuerza Republicana)
"Die demokratische Wiederkehr des Ex-Diktators 1997

Rechnet man Kommunal- und Nationalwahlen zusammen, wurden die Bolivianer im Juni 1997 zum zehnten Mal seit der Transition an die Urnen gerufen. Alles sprach bei dieser Wahl für die Opposition, obwohl die Reformen der Regierung Sánchez de Lozada im Wahlkampf überhaupt nicht diskutiert wurden. Die politischen Kontrahenten waren bis auf den Spitzenkandidaten des MNR nach wie vor dieselben. Sowohl Hugo Banzer Suárez als auch Jaime Paz Zamora waren in der Zwischenzeit auf die politische Bühne zurückgekehrt. Banzer beendete mit seiner Rückkehr den heftigen Machtkampf um seine Nachfolge, der die ADN zu spalten drohte, und brachte sein Programm auf die Schlagworte pan, techo y trabajo (Brot, Dach und Arbeit). Ihm machte eine Wahlkampagne der Opposition zu schaffen, die Rechenschaft über die Menschenrechtsverletzungen während seiner Diktatur verlangte. Paz Zamora begründete seine Rückkehr mit dem Anliegen, sich jetzt als Spitzenkandidat gegen die Vorwürfe des Kokainhandels zur Wehr setzen zu wollen. Dabei litt seine Partei darunter, dass die USA den Parteivorsitzenden wegen ihrer Verwicklungen in den Drogenhandel die ständigen Einreisevisa entzogen hatten. Denn die Opposition malte die internationale Isolierung Boliviens im Falle einer erneuten Präsidentschaft von Paz Zamora an die Wand. Auch für die populistischen Parteien hatte sich die Ausgangsbasis im Wahlkampf verändert. Die beiden charismatischen Parteiführer von CONDEPA und UCS waren inzwischen tot. Bei dem MNR hatte sich mit Carlos Duran ein mächtiger Parteifürst gegen den Reformflügel als Spitzenkandidat durchgesetzt, der sich jetzt um die Interessen der kleinen Leute kümmern wollte (Jost, 1997: 105ff.).

Insgesamt traten nur noch zehn Parteien - 1993 waren es noch 14 - bei den Wahlen an. Nach dem neuen Wahlrecht mit einer Drei-Prozent-Klausel und einem Stimmensplitting konnten sieben davon schließlich ins Parlament einziehen. Befürchtungen, dass das neue Wahlrecht zu vielen ungültigen Stimmen vor allem auf dem Lande führen könnte, bestätigten sich nicht. Allerdings war die Wahlbeteiligung mit 71% der ins Wahlregister eingeschriebenen Bürger so niedrig wie noch nie. Beobachter sahen darin den Ausdruck wachsender Frustration.

Mit 22, 2% der Stimmen gewann die ADN die Wahl, gefolgt von dem MNR mit 18,2%, CONDEPA mit 17,2%, MIR mit 16,7%, UCS mit 16,1%, die Vereinigte Linke (IU) mit 3,7% und der MBL konnte mit 3,1% der Stimmen knapp die 3%-Hürde überspringen. Die Vereinigte Linke mit ihrem militanten Führer Evo Morales erhielt alle Direktmandate im Chapare, dem Hauptanbaugebiet für Coca. Außer den kleinen Parteien MBL und IU waren alle anderen Parteien einschließlich der MNR bereit, mit der ADN eine Koalition zu bilden und Banzer zum Präsidenten zu wählen. Aus europäischer Sicht mag es überraschen, dass ein Ex-Diktator ganz demokratisch zum Präsidenten gewählt wurde, aber die große Mehrheit der Bolivianer sieht darin kein Problem. Schließlich hat Banzer sich seit 1985 unumstrittene Verdienste bei der Stabilisierung der Demokratie erworben und lässt sich gerne als „General der Demokratie" bezeichnen (Jost, 1997: 126). Auf der anderen Seite gilt Bolivien als „país sin memoria" (Land ohne Gedächtnis), weil Politikern die Sünden ihrer Vergangenheit nicht sehr lange nachgetragen werden, so das Urteil vieler Kritiker.

Mit dem alten Partner MIR und den beiden populistischen Parteien CONDEPA und UCS schmiedete Banzer eine sogenannte „Megacoalición", die nahezu das gesamte politische Spektrum Boliviens umfasst und ihn mit 115 von 157 Stimmen im August 1997 zum Präsidenten wählte. Diesmal wurde der Pakt bezeichnenderweise „Kompromiss für Bolivien" getauft. Die Stimmenzahl der Megakoalition reicht sogar zur Zweidrittelmehrheit, so dass sie selbst bei Verfassungsänderungen nicht mehr auf die Opposition angewiesen ist. Bei der Regierungsbildung schien die Verteilung der Pfründe im Vordergrund zu stehen (vgl. Lozada/Saavedra, 1998: 139). Während auf der einen Seite bereits genau ausgeklügelt war, dass von den Posten der Präfektur im Departement Potosi beispielsweise an die UCS 15% und an Condepa 10% gehen müssten, hatte über das Regierungsprogramm noch keine Diskussion stattgefunden (Goedeking, 1998: 15).

Vor der Veröffentlichung eines Regierungsprogramms rief die Regierung Banzer alle politischen und gesellschaftlichen Akteure des Landes zu einem sogenannten „Nationalen Dialog" auf, im Rahmen dessen die wichtigsten Probleme des Landes diskutiert werden sollten. Das drängendste Problem, so das Ergebnis, sei die Überwindung der Armut (Goedeking, 1998: 16). Zwar wurden einzelne Punkte des „Nationalen Dialogs" in das Regierungsprogramm „Para vivir mejor" aufgenommen, allerdings derart vage formuliert, dass sich daraus keine konkreten Forderungen ableiten ließen. Einzig konkret war die Ankündigung, 25 neue Straßen zu bauen. Die programmatische Schwäche der Regierung liegt sicherlich auch in den koalitionsinternen Konflikten begründet. Die Auseinandersetzungen erreichten einen Höhepunkt, als innerhalb der populistischen Partei CONDEPA drei Flügel um Macht und Einfluss zu kämpfen begannen. In den Augen von Banzer hat dieser Konflikt dem gesamten Erscheinungsbild der Regierung so sehr geschadet, dass er CONDEPA Anfang August 1998 aus der Koalition hinauswarf. Die Stimmenmehrheit im Parlament bleibt ihm trotzdem erhalten (La Razón, 4.8.1998).

Ein Jahr nach der Regierungsübernahme durch Banzer hat sich in Bolivien wenig verändert; es wurde kein neuer Kurs in der Politik eingeschlagen, neue Akzente wurden kaum gesetzt. Damit könnte Sánchez de Lozada recht behalten, der den Regierungswechsel damit erklärte, dass die Bolivianer nach den bewegten Reformjahren für eine Verschnaufpause gestimmt hätten. Zwar wurden die Reformen des MNR nicht zurückgenommen, aber die Participación Popular beispielsweise wurde von der neuen Regierung nicht mit dem entsprechenden Nachdruck fortgeführt. So benötigten viele Kommunen zur weiteren Umsetzung der Volksbeteiligung vor Ort nach wie vor Unterstützung und Schulungen, sie fühlen sich jedoch von der Banzer-Administration mit ihren Problemen allein gelassen.

Im Gegensatz dazu forcierte die neue Regierung die Bildungs- und Justizreform. So wurde der Justizrat eingesetzt, im April 1998 wählte der Kongress die frühere Journalistin Ana María Romero de Campero zur neuen Ornbudsfrau, die im Herbst 1998 ihre Arbeit aufnehmen wird. Im Juli wählte der Kongress nach neuen professionellen Mindestanforderungen die Mitglieder des neuen Verfassungsgerichts, die am 6. August 1998 feierlich in ihr Amt eingeführt wurden. Die professionelle Auswahl durch eine Kommission zeigt, dass die politische Klasse in der Lage war, sich selbst neue Regeln für die Besetzung wichtiger Ämter aufzuerlegen, um nicht mehr nur Aspekten des Klientelismus und der Patronage unterworfen zu sein.

Mit zwei weiteren Entscheidungen stieß die Regierung dagegen auf heftigen Widerstand. Zum einen schaffte sie den Bonosol ab mit der Begründung, dass aus den Erlösen der Kapitalisierung das Altersgeld auf die Dauer nicht mehr zu bezahlen sei, stellte aber langfristig eine Ersatzregelung in Aussicht. Zum anderen versuchte die ADN-Regierung, das Zivilregister, das seit dem parteiübergreifenden Kompromiss aus den Jahren 1991/92 vom unabhängigen Wahlgericht (CNE) geführt wird, einer Kommission aus Finanz- und Justizministerium, also der Exekutive zu unterstellen. Sie begründete dieses Vorhaben mit der Ineffektivität der Registerorganisation und der großen Zahl der Menschen, die nach wie vor nicht registriert seien. Aus Angst vor künftigen Wahlmanipulationen verhinderten massive Proteste fast aller politischen und gesellschaftlichen Akteure jedoch den institutionellen Wechsel. Nach dem ausgehandelten Kompromiss soll der Corte Nacional Electoral jetzt eine effektivere Registrierung sicherstellen.

Kompromiss und brutal wie unter keiner Regierung zuvor geht das Militär unter Banzer nach einem Programm mit dem zynischen Namen Plan Dignidad (Plan der Würde) gegen den illegalen Anbau von Coca im Chapare vor. Vor der Vollversammlung der UNO versprach General Banzer im Juni 1998, dass bis zum Ende seiner Legislaturperiode alle Plantagen ausgerissen seien (La Razón, 15.6.1998). Während er dafür international viel Anerkennung erntete, wächst im Land der Widerstand. Im Frühjahr und Sommer 1998 herrschten in der Chapare-Region im Departement Cochabamba fast bürgerkriegsähnliche Zustände. Beobachter befürchten, dass sich die Cocaleros zunehmend bewaffnen werden, um den Verlust ihrer Lebensgrundlage mit Gewalt zu verhindern."

[Bukes, Georg <1968 - >: Der Zusammenhang von wirtschaftlicher Entwicklung und Demokratisierung : das Beispiel Bolivien. -- Hamburg : Institut für Iberoamerika-Kunde, 2000. -- (Beiträge zur Lateinamerikaforschung ; 3). -- ISBN 3-926446-24-2. -- S. 93 - 96]

1997

Sivak, Martín: El asesinato de Juan José Torres : Banzer y el Mercosur de la muerte. -- Buenos Aires : Ediciones de Pensiamiento Nacional, 1998 [1997]. -- 251 S. : Ill. -- ISBN 950-581-815-7

"Der .Plan Cóndor" und der Auslieferungsantrag gegen Bánzer

Am 16. Oktober 1998 wurde der chilenische Expräsident Pinochet auf Antrag des spanischen Richters Baltasar Garzón in London verhaftet, der die Verbrechen untersuchte, die von den Militärdiktaturen der 70-er und 80-er Jahre verübt worden waren. In Garzóns Recherchen stellte sich heraus, dass der südliche Teil Südamerikas (Cono Sur) Zentrum eines koordinierten Repressionssystems zur Eliminierung der linken Oppositionellen war, zu dem die Diktaturen Argentiniens, Brasiliens, Chiles, Paraguays, Uruguays und Boliviens zählten. Garzóns Nachforschungen wurden auch durch den argentinischen Journalisten Martin Sivak und den paraguayischen Rechtsanwalt Martin Almada unterstützt. Im Hintergrund schwelte seit eh und je der Verdacht, Bánzer könne mit dem mysteriösen Tod von Juan José Torres etwas zu tun haben. Dass es ein effektives Netzwerk der Zusammenarbeit der Diktatoren gegeben hat, ließ sich auch aus der Tatsache schließen, dass sich nach Auskunft der Asofamd 35 Bolivianer nach Argentinien verschleppt wurden und dort „verschwunden" sind. Dasselbe geschah mit acht Bolivianern, die in Chile verschwanden. Ein Exminister von Torres, Jorge Gallardo, wurde in Chile gekidnappt und der bolivianischen Armee ausgeliefert. Umgekehrt wurden auch chilenische Linke in Bolivien gefoltert. Nach Auskunft Martin Almadas (1998) befinden sich die wichtigsten Beweismittel für all diese Untaten nicht in Spanien oder in London, sondern in Asunción, der Hauptstadt der ältesten aller südamerikanischen Diktaturen. Dort in Paraguay lagerten 5 Tonnen an Dokumenten, die Pinochet, Bánzer, Stroessner, Videla u.a. andere belasten könnten.

Sivak wollte Teile der Informationen aus seinem ersten Buches „Der Mord an Juan José Torres" (Martín Sivak, El Asesinato de Juan José Torres) in der Zeitung des damaligen Vizepräsidentschaftskandidaten des MIR im Wahlkampf von 1997, Samuel Doria Medina, veröffentlichen, in denen er faktenreich Verbindungen zwischen dem Mord des Expräsidenten Torres, der Operation Cóndor und dem Namen Bánzer aufzeigte. Aber Doria Medina war die Sache zu heiß und er verhinderte den Abdruck dieser Artikel. So erschienen die erwähnten Fakten dann in Buchform genau zwei Tage nach Banzers Vereidigung zum konstitutionellen Präsidenten des Landes - am 8. August 1997. Im Vorwort dieses Buches räumt Sivak ein, dass der MNR ihm Hilfe und „Sicherheit" im Zusammenhang dieser brisanten Veröffentlichung angeboten habe. Auch der spanische Richter Baltazar Garzón, der Pinochet kurzzeitig 1998 hinter Gitter gebracht hatte, sah sich durch Sivaks Recherchen unterstützt und bestätigt. Dies wiederum beflügelte Martin Sivak zum Schreiben seines zweiten Buches mit dem Titel „Der gewählte Diktator" (M.S., El dictador elegido) als (von Bánzer) „nicht autorisierte Biografíe", die auf der internationalen Büchermesse ein Riesenerfolg wurde. Selbst in Bánzers ehemaliger Kadettenschule wurde dieses Buch verschlungen. Diese Biografíe schildert die Schlauheit und politische Manövrierkunst, die Bánzer aufbrachte, um sich selbst noch einmal zu erfinden (vom Diktator zum Demokraten). Sivak bezeichnet Bánzers demokratische Regierungszeit als „schlechten Scherz" und zählt all die Fälle vermutlicher Korruption und offensichtlichen Nepotismus in der Umgebung des Generals in den vier Jahren seiner Regierung auf. Nun wurde in der Öffentlichkeit erneut auch nach der Verwicklung des Diktators in die Aktivitäten der „Operación Cóndor" gefragt. Am 23. Oktober 1998 schwor Bánzer Stein und Bein, dass er niemals auch nur von der „Operación Cóndor" gewusst habe, „weil so etwas - soweit ich es weiß - nicht im Lande lief, so dass ich auch schlecht darin verwickelt sein könnte." (Bánzer: "A fe de hombre que nunca he sabido de la Operación Cóndor porque, que yo sepa, eso no funcionó en el país, de manera que mal yo podría estar inmerso") Drei Tage später schickte ihm Martín Sivak einen offenen Brief, in welchem er versicherte, dass Bánzer sehr wohl jenes System der Repression gekannt habe. Am 4. November 1998 gab dann Bánzer immerhin zu, dass es bei seinem Machtverlust 1978 "Kommentare" über einen Informationsaustausch oder ein Geheimdienstnetz (red de inteligencia) gegeben habe.

Während der todkranke General schon an seinem Image für die Nachwelt arbeitete (er verschenkte das Haus seiner Kindheit in Concepción der Gemeinde, um es als Bánzer-Museum zu nutzen; er schrieb noch in seinen letzten Monaten eine 500-Seiten-Schrift, mit der er seine Regierungszeit ins rechte Licht rückt), platzte am zweiten Weihnachtsfeiertag 2001 eine „Bombe" auf dem politischen Parkett von La Paz: Ausgerechnet ein argentinischer Richter, Rodolfo Canioba Corral, forderte wegen Vergehen gegen die persönliche Freiheit im Zusammenhang der Aktionen des „Plan Cóndor" die Auslieferung des Exdiktators Hugo Bánzer Suarez über Interpol, um ihn der Justiz zu überantworten. Der internationale Haftbefehl wurde aber nicht wirksam, denn der Oberste Gerichtshof Boliviens erklärte die Verhaftung und Auslieferung des schwer kranken Bánzer aus humanitären Gründen für unzulässig. Deswegen konnte General Bánzer die Behandlung seines fortgeschrittenen Krebsleidens im Walter Reed-Militärhospital zu Washington/USA nicht mehr fortsetzen, da er nur noch in Bolivien geschützt war."

[Quelle: Bolivia : SAGO Informationsblatt. -- ISSN 0945-201X. -- Nr. 131 (2002). -- S. 53 - 55]

1997-09

"Lebenszeichen einer irdischen Mystik : Symbole und Bilder der Aymara

In der heutigen Welt vollzieht sich die Kommunikation besonders stark über den Einsatz von Bildern. Dem gleichen Tatbestand begegnen wir in den Traditionen der zeitgenössischen Indígenas mit einem wahren Mosaik von Zeichen.(1) Der folgende Beitrag gibt einen Überblick über die Wurzeln der Mystik des Volkes der Aymara auf der bolivianisch-peruanischen Hochebene. Diese Mystik kann den europäischen Lesern und Leserinnen einen Eindruck vermitteln von jener spirituellen Kraft, deren sich jedes menschliche Wesen als würdig erweist.

Die in der Kultur der Indígenas und Mestizen gegebene Gotteserfahrung scheint mir bewundernswert; ihre Zeichen sind gegenwärtig in der Schöpfung, in der Geschichte, in der Menschheit als ganzer. Schlussendlich kann man sagen: Jede irdische Wirklichkeit ist ein Abbild und Spiegel des göttlichen Geheimnisses.(2)

Die Mystik der Aymara wird konzentriert sichtbar in ihren Festen. Einige Wortführer der Mestizen drücken dies so aus: Gott ist gegenwärtig „in der Freude der Gemeinschaft“, „wenn wir aus dem Glauben heraus tanzen“, „wenn wir aus dem Glauben an Gott heraus, ohne etwas Schlechtes zu tun, Feste feiern“. Außerdem fühlen sie, wie Gott ihnen während des Festes die folgenden Botschaften übermittelt: „Hilf dem anderen; sei solidarisch; teile; sündige nicht; bete; lebe in der Gemeinschaft mit anderen; gib deinen Glauben an die anderen weiter.“ Es geht also um eine Kommunikation mit Gott im Hier und Jetzt mit Hilfe der ganzheitlichen Sprache des Festes (und nicht nur um Begriffe und moralische Prinzipien, auf die die herrschenden Eliten soviel Gewicht legen).

Ich möchte die Aufmerksamkeit darauf richten, wie man sich innerhalb des indigenen Menschseins und insbesondere seinen kulturellen und religiösen Ausdrucksformen herantastet an die Wirklichkeit Gottes. Nicht verschwiegen sei, dass sie implizit manchmal nicht in Einklang stehen mit den üblichen kirchlichen Gepflogenheiten in dieser Region. Nicht nur während der Kolonialzeit, sondern auch bis heute wird die spezifisch andine Lebensweise verdächtigt und herabgewürdigt.

Ich nehme das Wagnis auf mich, einige der großartigen Einsichten und Wahrheiten der Indígenas zusammenzufassen: 1. Alles spricht zu uns von Gott, und Gott spricht zu uns durch das alltägliche Leben und seine Signale des Heiligen. 2. Die Interaktion zwischen der Gemeinschaft der Gläubigen und Gott vollzieht sich mittels Zeichen und in besonderer Weise durch Feste, d.h. durch einen mit Symbolen und Feierlichkeiten geführten Dialog. Die Gegenwart Gottes wird betrachtet, getanzt, mit dem Herzen begriffen und in der menschlichen Geschichte zur Geltung gebracht. (3). Die Gemeinschaft, und in ihr mit besonderen Fähigkeiten ausgestattete Personen, nimmt das Leben in Gott in sich auf, gibt von ihm Zeugnis, lehrt es und feiert es vor allen Dingen. (4). Daraus ergibt sich, daß die Religion nicht als besondere Kostbarkeit hochgeachtet, sondern als konkrete Beziehung zu Gott, der seinem Volk das Leben schenkt, begriffen wird. Die Grundlage von allem ist ein Dasein-mit-Gott und das Zurücklegen des Weges auf dieser Erde in Gemeinschaft mit seinem hl. Geist, auch wenn es dabei zur Genüge Hindernisse und Herausforderungen gibt.

Vor einigen Jahren haben katholische Aymaras in Carabuco (Bolivien) ihr eigenes Glaubensbekenntnis mit Hilfe gewichtiger Zeichen zur Sprache gebracht:

„Ich glaube, dass Gott die Erde geschaffen hat, die Berge und die Seen... Ich glaube an die Einigkeit unserer Gemeinschaften ... an den Kampf gegen den Hunger... an die Gesundheit der Kranken ... Ich glaube an die Aufopferung Jesu Christi für alle und an die Messe mit den Erzeugnissen der Erde... Ich glaube an Maria, welche die Mutter aller Menschen ist, was auch für die Pachamama gilt... Ich glaube daran, dass sich Gott in verschiedenen Weisen und in jedem Volk offenbart, dass jedes Gebet sich an Gott wendet, damit für alle Völker mit ihm das ewige Leben komme... Ich glaube, dass der Hl. Geist zu uns gekommen ist, um die Menschheit von der Macht des Teufels zu befreien.“(3)

Die Qualität dieser Antwort auf die Offenbarung im Hier und Heute springt in die Augen; sie entspringt sicherlich einer tragfähigen tausendjährigen
Glaubensgeschichte der Indígenas, aber auch einer Erneuerung und eindrucksvollen Durchführung der Evangelisation.

Ein weiteres Zeugnis der lebendigen Anwesenheit der „Frohen Botschaft“ im indigenen Leben in den Anden ist die Verehrung der „Mamita de Copacabana“ an den Ufern des Titicaca-Sees. Abertausende von Indígenas und Mestizen pilgern jedes Jahr zu dieser Quelle des Glaubens. Sie drücken sich aus in einer durch die Inkulturation bedingten, vieldimensionalen religiösen Form, aber auch durch eigenständige und bodenständige Zeremonien sowie durch die offiziellen Riten der Kirche.

Im 17. Jahrhundert hat der Augustinerpater Alonso Ramos Gavilán eine Äußerung des Schöpfers des Bildes der besagten „Jungfrau von Copacabana“ niedergeschrieben. Francisco Tito Yupanqui sagte:

„Nachdem wir dergleichen wie die Herstellung von Schnitzwerken erlernt haben, ... haben wir nicht aufgehört, die Kirchen deswegen zu
bewundern... ich habe Gott und die hl. Jungfrau darum angefleht, und wir haben uns ihrer Gnade anempfohlen, damit dieses Kunstwerk gelingen möge... (obwohl uns der Erzbischof untersagt hat, Bilder zu machen) ... und obwohl man sagt, dass angeblich die Eingeborenen (Indios) nicht fähig sind, Bilder herzustellen... deswegen war ich auch ziemlich mutlos und verängstigt... dann ging ich zur Kirche, um das Erbarmen unseres Herrn Jesus Christus zu erflehen, wobei ich in meinem Gebet um seine
Erlaubnis zur Durchführung dieses guten Werkes bat... (dann aber wurde das Bild der hl. Maria nach vielen Schwierigkeiten durch die Bevölkerung von Copacabana angenommen) und wir stellten die hl. Jungfrau am Fuß des Berges auf, wohin wir sie in einer Prozession trugen... und der Pater hielt dazu eine Messe.“(4)

Wir stellen fest, dass die Konfrontation mit der Institution Kirche sich für den Indigena Tito Yupanqui durch eine unmittelbare Zuwendung zu Gott selbst bewältigen lässt. Die Beziehung des andinen Künstlers zu seinem Gott ermächtigt ihn, den Glauben nicht nach der Art der Kolonisatoren, sondern gemäß der andinen Kultur zum Ausdruck zu bringen. Darüber hinaus ist es bemerkenswert, wie die andine Bevölkerung, ungeachtet des auf die Männlichkeit zentrierten Charakters der Christianisierung, den mütterlichen Zug Gottes hervorhebt. In diesem Fall, wie auch bei anderen Anlässen, erschließt sich die Liebe Gottes für die andine Bevölkerung über Heiligenbilder.

Wenn wir das religiöse Leben der Aymara insgesamt ins Auge fassen, dann ist es, bezogen auf die ganze Bandbreite der Geschichte, höchst komplex und reich an Veränderungen. Ich habe hier nur seine in Bildern und Symbolen zur Darstellung kommende mystische Tiefe und Konkretheit angedeutet. Mitten in einer gesellschaftlichen Situation der Verarmung und der kulturellen wie religiösen Diskriminierung empfinden, feiern und praktizieren die andinen Gemeinschaften ihren Glauben. Dieser Glaube schenkt ihnen Freude und Freiheit. Auch Personen aus anderen Teilen der Welt können in ihm, dank der Zeugnisse der Indígenas, Beweggründe finden, selber wieder zu glauben und glücklich zu sein.

Diego Irarrazaval arbeitet als Priester in peruanischen Indigenagemeinden. Er gibt Kurse über Theologie und indigene Kultur.

Übersetzung: Kuno Füssel

Anmerkungen:

1) Der Begriff des Zeichens hat hier viel tiefergehende und stärkere Konnotationen als im alltäglichen deutschen Sprachgebrauch, wo man mit Zeichen vor allem Verkehrszeichen, Hinweisschilder, Schriftzeichen usw. assoziiert. Im folgenden Text wird das Wort „Zeichen“ eher verwandt im Sinne der biblischen Bedeutung von „semeia“, wie sie in der Wortkombination „Zeichen und Wunder“ präsent ist. (Anm. d Übersetzers)

 2) Die vorliegenden Ausführungen sind Bruchstücke aus meiner Arbeit: Interacción andina con la Palabra de Dios, 1997.

3) Credo Aymara, veröffentlicht in: Fe y Pueblo IV/18 (1987), S. 27.

4) A. Ramos G., Historia de Nuestra Señora de
Copacabana (Erstausgabe Lima 1621), La Paz 1976, S. 124-126.

Diego Irarrazaval"

[Quelle: ila : Zeitschrift der Informationsstelle Lateinamerika. -- Bonn. -- ISSN 0946-5057. -- Nr. 208 (1997-09)]

1997-09-22

Mit Ley 1818 wird das Amt einer Ombdusperson geschaffen.

1997-11

"Militärs verlieren Unternehmen

(La Paz, November 1997, pulsar-Poonal).- Nicht einmal die Militärs entkommen in Bolivien der Privatisierungswelle. Nach den Vorgaben des staatlichen »Modernisierungsprogramms« werden fast ein Dutzend Unternehmen der Streitkräfte in private Hände übergehen. Dazu gehören unter anderem eine Minengesellschaft, die 16 Minen in der Provinz Potosí verwaltet, das Nationale Autounternehmen, der Komplex für Militärindustrie von Cotapachi sowie ein Landwirtschaftsunternehmen. Aus dem Eigentum der Streitkräfte sollen ebenfalls die Gesellschaft für Brunnenbohrungen und mehrere Chemiefabriken verkauft werden. Die Privatisierung wird durch den beabsichtigten Verkauf von weiteren zwölf staatlichen Unternehmen, die nicht von den Militärs kontrolliert werden, vervollständigt. Außenminister Jorge Crespo versucht, die Bevölkerung zu beruhigen, die infolge der Privatisierungen Entlassungen erwartet. Die Regierung werde arbeitslose Staatsbeschäftigte weiterbilden und mit Programmen für die Gründung von Kleinstunternehmen beginnen, versprach er. Die Erfahrungen aus anderen Ländern zeigen allerdings die sehr begrenzte Wirkung solcher Programme."

[Quelle: Poonal. -- ©1997-12-04]

1997-12-02

Die Campesino-Funktionärin Isabel Ortega, 43 Jahre, wird als erste Frau zur Generalsekretärin der COB gewählt.

1997-12-09

"Indígenas vertreiben pöbelnden Vizegouverneur

(Cochabamba, 9. Dezember 1997, comcosur-Poonal).- Indígenas der Landgemeinde Arque in der Provinz Cochabamba verwiesen den Vizegouverneur Alberto Vergara aus ihrer Region. Dieser hatte sie während einer Versammlung, auf der der jährliche Verwaltungsplan für die Region ausgearbeitet werden sollte, »lausige Indios« genannt. Gemeindeführer Vidal Nuñez sprach von einer »Beleidigung und Herabsetzung«. Er erklärte: »Wir sind weder Indios noch haben wir Läuse. Wir sind mit viel Stolz Quechuas, Aymarás und Guaraníes.« Die Gemeindemitglieder gaben dem Gouverneur ein Frist von 15 Tagen, um eine andere Person für Vergara einzusetzen. »In diesem Land werden wir die Rückkehr der Herren oder der Großgrundbesitzer nicht mehr zulassen. Wenn die Regierung nichts tut, um die Gerechtigkeit in unserer Gemeinde durchzusetzen, dann sind wir bereits, dafür zu sorgen«, so heißt es in einer Erklärung der Gemeindemitglieder."

[Quelle: Poonal. -- ©1997-12-18]

1997/98

Die Schäden durch El Niño werden auf US$ 530 Millionen geschätzt.

1998

Politischer Jahresüberblick
"Im Mittelpunkt des ersten Amtsjahres der Regierung BANZER standen die Bemühungen, den externen Kapitalzufluss - speziell der weichen Kredite - zu konsolidieren, die Antidrogenpolitik zu verbessern und die Megakoalition derart zu stärken, dass sie auch unpopuläre Maßnahmen wie die Neugestaltung des Bonosol und der Participación popular mittragen würde. Die Durchsetzung des Drogenbekämpfungsplans von BANZER führte während des ganzen Jahres zu blutigen Auseinandersetzungen mit den Sicherheitsorganen. Die militanten Kräfte wehrten sich nicht nur gegen die Herabsetzung der "Vernichtungsprämie" und die Umwandlung der individuellen gegen eine Entschädigung für die comunidad, sondern vor allem gegen die gewaltsame und nicht mit den Bauern abgestimmte Vernichtung der Anbauflächen durch Polizei und Militär. Präsident BANZER verkündete, dass er mit Hilfe der internationalen Gebergemeinschaft das Land bis 2002 aus dem circulus vitiosus des Drogengeschäftes herausführen werde. Vor allem die USA übten laufend Druck aus, bei weiter zunehmendem Tempo und ohne Verletzung der Menschenrechte die Kokavernichtung voranzutreiben.

Angesichts der Entschlossenheit von BANZER, seinen Plan durchzuziehen, steigerte die USA nicht nur den Jahresbetrag auf US$ 49 Mio., sondern sichern für das nächste Jahr wieder eine Anhebung zu.

Die Spannungen in der Megakoalition, speziell mit Condepa, steigerten sich gegen Jahresmitte. Anfang August trennte sich BANZER von dieser in sich zerfallenden Partei. Er wechselte vier Minister seines Kabinetts aus (prominentester Neuling: Herbert MUELLER) und konsolidierte die Macht der ADN. Der mit dem Koalitionspartner MIR nicht abgesprochene Rücktritt des Gesundheitsministers führte zu einer Distanzierung der beiden großen Parteien. Auf der Grundlage eines neuen IWF-Abkommens und der damit verbundenen makroökonomischen Auflagen sowie neuer BID-Hilfen konnte Bolivien die Bedingungen für die Entlastung der Auslandsschuld für hochverschuldete kleine und arme Länder erfüllen. Gleichzeitig sagten die Geber beim Koordinierungsgespräch ausreichend Mittel sowohl für den Ausgleich als auch für die Bekämpfung der Armut zu.

In der ersten Hälfte des Jahres gab Präsident BANZER die Transformation des Bonosol in eine Sparanlage bekannt (Begründung: Finanz- und Liquiditätsmangel). In der zweiten Jahreshälfte kündigte er die Umgestaltung und Ergänzung der Bürgerpartizipation an den lokalen und regionalen politischen Entscheidungen und die Dezentralisierung an. Damit sollte die Entwicklung der Munizipien stärker auf eine eigene Finanzierungsbasis gestellt und die Beteiligung in produktive Aktivitäten kanalisiert werden. Anhänger und ehemalige Mitglieder der Regierung SÁNCHEZ DE LOZADA (einschließlich des Ex-Präsidenten) mobilisierten Protestaktionen.

In der Frage eines freien Zugangs zum Pazifik für Bolivien blieben die Positionen verhärtet, und es kam zu keiner wirklichen Annäherung gegenüber Chile. Vor der OAS beklagte sich Bolivien vielmehr, dass das Nachbarland die Grenze vermint habe.

Die zahlreichen Menschenrechtsverletzungen im Chapare riefen die neue Ombudsfrau auf den Plan, die ein Zweigbüro im Kokagebiet eröffnet hatte, um zur Befriedung des Gebietes beizutragen. Das Verfassungsgericht konnte sich nach langen Verzögerungen ebenfalls rechtlich und organisatorisch etablieren."

[Lateinamerika Jahrbuch 1999 / Institut für Iberoamerika-Kunde. Hamburg ... -- Frankfurt a. M. : Vervuert, ©1999.  -- ISBN 3-89354-427-5. -- S.  161f.]

1998

Pestalozzi Schmid, Hans-Ulrich Anton: Flora ilustrada altoandina : la relación entre hombre, planta y medio ambinente en el Ayllu Majasaya Mujlli. -- Cochabamba : Herbario Nacional de Bolivia, 1998. -- 244 S. : Ill. -- ISBN 99905-48-00-5. -- Basiert auf der Dissertation des Verfassers, Universität Bern. -- [Endlich ein Feldführer!]


Abb.: S. 154 aus diesem Pflanzenführer

1998

Gurtner, Stefan <1962, Bern - >: Pata chueca : si los perros hablaran ... -- La Paz [u.a.] : Los Amigos del Libro, 1998. -- 109 S. -- (Colección Literatura universal). -- ISBN 84-8370-253-3

Übersetzung von:

Gurtner, Stefan <1962, Bern - >: Krumme Pfote. -- Berlin : Elefanten Press, ©1993. -- 107 S. -- (EP ; 475 : Elefanten Press Kinderbücher). -- ISBN 3-88520-475-4

"Sie nannten mich »Krumme Pfote«, weil eines meiner Vorderbeine von einem Schlag entstellt war. Mein ehemals schwarzer Pelz war vom Alter bereits grau und struppig, und solange ich mich erinnern konnte, lebte ich in den Straßen   der großen Stadt. Ich hatte keine Freunde, und selbst die schmutzigsten und  abgemagertsten Hunde sagten, dass ich alt und hässlich sei. Die Menschen, die sich uns überlegen fühlten, gaben mir Tritte  und schrieen nach mir. Mir war das egal, ich ging ihnen aus dem Weg, trottete durch die Gassen auf der Suche nach etwas Essbarem... Ein Hund erzählt eine Geschichte -- seine Geschichte und die von vier Straßenkindern in La Paz."

Die Schlussfolgerung von Krumme Pfote am Ende der Geschichte:

"Es war besser, Hund zu sein." "¡La vida de perros es mucho mejor!"

1998

Cantemos al Señor. -- 3. ed., revisada y ampliada. -- Santa Cruz, 1998. -- [Kirchengesangbuch der fünf Apostolischen Vikariate sowie der Diözese San Ignacio, finanziert durch ADVENIAT; 420 Lieder]


Abb.: Umschlag

1998


Abb.: La Paz Big Band

Gründung der La Paz Big Band

1998 

La calle ... ¿Libertad o encierro? : diagnostico sobre la situación de los niños, ñinas y adolescentes de la calle de La Paz. -- La Paz : Jerameel, ©1998. -- 131 S. : Ill. -- Depósito legal 4-1-1033-98

Danach schauen die durchschnittlichen täglichen Einnahmen und Ausgaben eines Straßenkindes in La Paz so aus:

Einnahmen Ausgaben
durch Betteln 15 Bs. Nitroverdünner
(zum "Schnüffeln")
30 Bs.
durch Diebstahl 60 Bs. Nahrungsmittel 3 Bs.
    Kino 5 Bs.
    Alkoholische Getränke 15 Bs.
    Kleidung 20 Bs.
Total 75 Bs. Total 73 Bs.

[Quelle: a.a.O., S. 66]

Abbildungen aus diesem Buch


Abb.: Auf der Suche nach Brauchbarem im Müll [a.a.O., S. 31]


Abb.: "Schnüffeln" ist unter Straßenkindern weit verbreitet. Handel mit Nitroverdünner zum Schnüffeln [a.a.O., S. 68]


Abb.: Schlafstätten der Straßenkinder [a.a.O., nach S. 131]

1998

Über die Holzschlagfirmen in Beni:

"(E)n un principio, cuando todavía no existía la ley forestal, se firmaba un contrato entre la empresa y la directiva del Gran Consejo Chiman, en el cual ponían un monto en dólares por el derecho de explotación de un área del territorio de la etnia, pero en realidad, se veía que eso costaba mucho más, porque los árboles en ese tiempo tenían un precio más o menos establecido y a ellos les daban mucho menos, les iban pagando poco a poco y no había un control exacto de los chimanes para ver si la empresa estaba sacando eso o más; supuestamente había una persona que controlaba, pero siempre el empresario trata de sobornar, y como ellos son ingenuos, se dejan comprar fácilmente". (Entrevista a una ex administradora de empresa maderera mediana, mayo de 1998)

"El comercializador de la madera ha sido siempre el colla, es el dueño del camión que viene con billetes a comprar en el lugar para comercializar en el mercado de La Paz. Son los "paisanos" que manipulan y los impulsan con dinero a los comunarios de aquí, para que se entren a cualquier lugar a adueñarse de los palos. La madera que se llevan la hacen machihembre o parket y son los mayores "habilítadores" con dinero a toda esta gente que trabaja ilegalmente. Pero cuando eso se trunque con las nuevas disposiciones, van a empezar a levantar sus tres carpas y llevarse su maquinaria y la inversión mínima que tienen, porque lo único que traen es unos pesos en el bolsillo y se vienen a ganar platita sobre lo blando. Cuando empiece a normarse, ahí va ha estar el problema." (Entrevista a N.Y., empresario maderero. San Borja, octubre de 1998)

[Zitate in: Rojas Ortuste, Gonzalo: Élites a la vuelta del siglo : cultura política en el Beni. -- La Paz : PIEB, 2000. -- ISBN 99905-817-2-Xx. -- S. 135, 142]

1998

Zur Situation des Forstwesens in der Provinz Guarayos (Santa Cruz):


Abb.: Lage der Provinz Guarayos

"La actividad forestal es la de mayor importancia económica en la provincia. Clavijo (1995) estima que en 1995 se extrajeron 77.407 metros cúbicos de madera, lo que representa el 33% de la producción total del departamento de Santa Cruz para ese año.

Bajo el anterior régimen forestal y antes de los cambios introducidos por la nueva legislación, casi todo el territorio de la provincia se encontraba bajo contratos de aprovechamiento forestal, concedidos a unas 20 empresas. Muchos de estos contratos fueron conseguidos al amparo de prebendas e influencias políticas, y en general la actividad del sector se desarrollaba en un marco de corrupción y en ausencia de prácticas de manejo que garantizacen la sostenibilidad del recurso.

Los titulares de los contratos forestales tenían derecho a explotar la madera, aun en caso de que sus concesiones se sobrepusieran a tierras poseídas por terceros. Esta situación de sobreposición es la causa subyacente de los numerosos conflictos que se produjeron entre madereros e indígenas, los cuales se intensificaron a partir de la década de 1980. La presencia de las empresas madereras fue cuestionada por los guarayos, quienes reclamaron que éstas no respetaban sus parcelas, que no les dejaban extraer madera para sus propios usos, que la explotación de la madera era irracional y agotaba las existencias de especies valiosas, y que las empresas no cumplían compromisos de dejar beneficios locales a través del pago de regalías. En la mayoría de los casos, las empresas madereras no prestaron atención a los reclamos de los guarayos, rechazaron el diálogo y se escudaron en sus influencias políticas y en la protección de las autoridades del sector.

Con el nuevo régimen forestal, las empresas madereras han reducido las superficies que reclaman para sus concesiones. Esta disminución de la superficie se explica porque algunas empresas decidieron no continuar en el sector, mientras que en otros casos redujeron drásticamente las superficies que pretenden aprovechar. Este proceso se puede apreciar en el siguiente cuadro:

Cuadro 1
Superficies anteriores y actuales de las concesiones forestales en la provincia Guarayos
Concesiones Superficie de concesiones (en 1000 ha) Reducción (en %)
  Anterior Actual  
Barbery Hermanos  125  10  92%
Guapay 291 57 80%
Lago Verde 225 44 80%
SOBOLMA 97 20 79%
CUAMABOL 39 10 74%
La Chonta 258 100 61%
CIMACRZ 101 46 55%
Frerking 75 40 46%
Berna 80 55 33%

Fuente: Superintendencia Forestal - Unidad Operativa de Bosque Ascensión de Guarayos.

Como se puede observar en la muestra de empresas ilustradas en el cuadro, la reducción de las superficies bajo régimen de concesión es del orden del 70%. Esta radical reducción es explicada de manera diferente según quien sea el interlocutor. Por un lado, los empresarios madereros señalan que la patente forestal de un dólar por hectárea es excesiva, por lo que se han visto obligados a reducir la superficie de sus concesiones. Por su parte, los pobladores y autoridades locales piensan que la reducción se debe a que los bosques de la provincia han sido sobre-explotados en el pasado y carecen ahora de volúmenes comercialmente interesantes de las especies más valiosas; piensan, también, que la reducción se explica porque algunas empresas madereras estimulan la explotación de madera fuera de las concesiones, como un mecanismo para evadir el pago de la patente forestal. Por otro lado, se señala que aunque los empresarios han reducido la superficie que controlan bajo el régimen de concesión, en muchos casos han conseguido convertir a propiedades privadas las superficies devueltas de sus concesiones. En opinión de las personas entrevistadas, a pesar de la reducción de las concesiones, no existen superficies significativas de tierras fiscales en la provincia, ya que las áreas devueltas ya se sobreponían a propiedades privadas o a la demanda territorial guaraya.

En el caso específico del municipio de Ascensión de Guarayos, la situación de las concesiones forestales se sintetiza en el siguiente cuadro:

Concesión Superficie (en 1000 ha)
Barbery Hermanos 10
CIMACRUZ 46
SOBOLMA 17
La Chonta 2
Berna 54

Fuente: Superintendencia Forestal

La superficie bajo concesiones en el municipio de Ascensión de Guarayos es de 127.395 ha, correspondientes a las concesiones Barbery Hermanos, CIMACRUZ, SOBOLMA, La Chonta y Berna. Estas concesiones, al igual que todas las demás, estaban obligadas por el anterior régimen forestal a hacer inventarios y elaborar planes de manejo. Sin embargo, un estudio realizado en la zona (FAN-WCS 1994) indica que en general las empresas madereras duplicaron planes de manejo idénticos para concesiones diferentes, transfirieron el volumen total aprovechable de un tipo de bosque a toda la superficie de las áreas de corte, sus inventarios no incluyeron levantamientos de la regeneración natural, no aplicaron en el terreno las prescripciones establecidas en los planes de manejo, y explotaron la mará y el cedro por encima de su nivel de aprovechamiento sostenible.

En el proceso de conversión al nuevo régimen forestal, estas empresas han tenido que elaborar nuevos inventarios y planes de manejo, los mismos que han sido evaluados por la Superintendencia Forestal. 1997 ha sido un año de transición en el sector forestal, por lo que no es posible evaluar completamente el cumplimiento de lo establecido en ellos, ni las capacidades reales de la Superintendencia Forestal de controlar en el terreno las actividades de aprovechamiento.

Los indicadores externos sobre las intenciones de las empresas madereras en lo que se refiere al manejo forestal son ambiguos. Por un lado, la acentuada reducción de las superficies bajo concesión parece indicar que en algunos casos la intención es evadir el control de las autoridades del sector mediante el procesamiento de madera proveniente de áreas no autorizadas. Por otro, el hecho de que una concesión ubicada en la zona se haya sometido a una evaluación de certificación independiente indica que al menos esta empresa se plantea la adopción de prácticas de manejo como una alternativa.

Los comunarios guarayos, por su parte, se dedican principalmente a actividades de bajo impacto sobre los bosques, basadas en la agricultura, la caza y la pesca, complementadas por la venta estacional de su fuerza de trabajo. Los dirigentes de las organizaciones indígenas expresan interés en desarrollar iniciativas de manejo de recursos naturales, pero no queda claro el tipo de actividades que esperan desarrollar en este campo. Parecería que su interés está más relacionado con los aspectos de protección asociados con el manejo forestal, reflejando su preocupación por la desaparición de especies animales y vegetales importantes para la economía de las familias guarayas. En este sentido, proponen constituirse en los administradores de la Reserva de Vida Silvestre de los ríos Blanco y Negro, un área ubicada en el extremo norte de los municipios de Ascensión y Urubichá, que carece de estatus jurídico claro en cuanto a su categoría de protección (Justiniano c. p., Rojas c. p., Urañavi, c. p.).

Finalmente, la Superintendencia Forestal ha recibido para su evaluación técnica algunos planes de manejo forestal sobre propiedades privadas. Es prematuro evaluar la importancia de estas iniciativas para el futuro del sector en la provincia, que dejan también sin resolver el problema de los conflictos de sobreposición. Por otro lado, existen algunas iniciativas para fomentar el turismo de naturaleza en la zona, aunque éstas son incipientes y el atractivo del área para visitantes potenciales todavía no ha sido evaluado con certidumbre. Los campesinos de origen andino parecen concentrarse en mantener y expandir sus actividades agropecuarias, sin demostrar mayor interés en temas relacionados con el manejo forestal."

[Vallejos B., Cristian: Ascensión de Guarayos : indígenas y madereros. -- In: Municipios y gestión forestal en el trópico boliviano  ed. Pablo Pacheco B ... -- La Paz : CIFOR, CEDLA, TIERRA, 1998. -- (Bosques y sociedad ; 3). --  Depósito legal 4-1-1472-98. --  S. 63 - 68; Karte: S. 83]

1998

Renvoize, S. A. ; Anton, Ana ; Beck, Stephan: Gramineas de Bolivia. -- Kew : Royal Botanical Gardens, ©1998. -- 644 S. : Ill. -- ISBN 1-900-347-38-5. -- [Grundlegend, mit Bestimmungsschlüsseln]


Abb.: Festuca cochabambana und Festuca steinbachii [a.a.O., S. 101]

1998

El tambor mayor : musica y cantos de las communidades negras de Bolivia. -- [Cochabamba] : Centro Pedagogico y Cultural "Simón I. Patiño, 1998. -- 1 CD mit 124 S. Beiheft. -- (Documentación etnomusicologica ; N° 6)


Abb.: Hüllentitel

1998

Wirtschaftliche Forderungen der Indígenas:

Projekt Andenregion Amazonien Chaco
Kredit 78 100 66
Agrarberatung 52   50
Bewässerung 48   49
Trinkwasserversorgung 34 75  
Elektrifizierung 26 62  
Verbessertes Saatgut 22    
Vermarktung 22    
Straßenbau 25 75 50
Sanitätsposten 8 37  
Verschiedenes 4 12 16
Schulbau   25  

[Quelle: Pueblos indígenas y originarios de Bolivia : diadnostico nacional. -- La Paz : Ministerio de Asuntos Campesinos, Pueblos Ind´genas y Origibnarios,  2001. -- S. 219]

1998-01-21

Drogenbekämpfungsplan der Regierung Banzer: Por la dignidad. Estrategia en la lucha contra el narcotráfico 1998 - 2002 (Plan Dignitad). Der Plan besteht aus vier Bereichen:

  1. Förderung des Anbaus von alternativen Produkten
  2. Prävention und Wiederherstellung von ehemaligen Anbaugebieten
  3. Vernichtung von illegalen Kokapflanzungen
  4. Durchsetzung des Verbots des Kokaanbaus.

Über 70% der vorgesehenen Finanzmittel sollen der Förderung alternativer Kulturen dienen.

1998-02

Ohne Rückblick keine Zukunft : Eine Reflexion des bolivianischen Filmemachers Jorge Sanjinés über Marktmacht und soziale
Visionen

Als wir die letzten Sequenzen unseres jüngsten Films Para recibir el canto de los pájaros (Den Gesang der Vögel hören und verstehen) drehten, überlegte ich mir, ob der gewaltige Kräfteeinsatz, den unser Kollektiv in seiner bisherigen Arbeit gebracht hatte, überhaupt einen Sinn hat in einer Welt, die sich mit Lichtgeschwindigkeit ändert. Zu sagen, dass es auf dieser Welt immer noch Menschen gibt, die fähig sind, den Gesang der Vögel zu empfangen – wohlweislich sage ich nicht, ihn zu hören –, könnte zu einer absurden und sinnlosen Provokation werden. Deshalb überfielen mich solche Zweifel, ausgelöst von den zahllosen alltäglichen Informationen, die über verschiedene Medien in uns eindringen und uns mit Ungewissheit, Angst und Einsamkeit erfüllen. Nachdem ich das Filmmaterial durchgesehen hatte – diese eigenartige Magie, die für immer einen Augenblick umschließt, der rasenden Zeit und dem überwältigenden Tod abgerungen, kehrte das Vertrauen in mich zurück. Ich bin sicher, im Augenblick des Schaffens sind wir nicht allein. Wir kreieren nicht allein. In diesem lichten Moment des (Er) Kennens, der kreativen Erfindung, ist jemand außerhalb des Teams, des
Regisseurs und der Schauspieler gegenwärtig, gibt an, was und wie geschaffen werden soll... Es ist, als käme in diesem Augenblick eine Botschaft von weither, vielleicht von den tiefverborgenen Stimmen des kollektiven Gedächtnisses der Vergangenheit, der Summe der ältesten und unterschiedlichsten Kenntnisse, der archaischen Erfahrungen unserer Toten. Und so fand ich sie wieder, meine Begeisterung, und ich wagte diese Reflexion und die Aufforderung, in die Zukunft zu blicken mit einem Auge und zurückzuschauen mit dem anderen.

Ich halte die Krise der Menschheit im wesentlichen für den Konflikt zwischen einem starrköpfigen Pragmatismus, der all sein Hoffen und Trachten in die Unfehlbarkeit des Objektes setzt, und jener anderen und immer noch existierenden Vision, die sich auf die Möglichkeiten des Geistes stützt. Dieser – so scheint es dergestalt reduzierte – Widerspruch birgt ein immenses und sehr komplexes Mosaik von Interpretationen und unterscheidet mit wachsender Klarheit zwei Arten von Ethik, die miteinander in Konflikt geraten sind: eine, die das Ich über jegliche soziale Verantwortung setzt, und eine andere, die sich noch um kollektive Schicksale kümmert. Dieser Pragmatismus auf Leben und Tod, der eher einer selbstzerstörerischen Rennbahn gleicht und sich in den gegenwärtigen ideologischen Trümmerfeldern einnistet, räumt unaufhaltsam auf mit jedweder Identität. In einem Interview mit dem Soziologen Alain Touraine, in dem dieser Raymond Aron und Edgar Morin in Bezug auf die „Komplexität“ zitiert, sagt Touraine, dass nur „die Gesellschaft modern ist, die aus der Diversität, den Kulturen, den Erinnerungen, den Identitäten ein Ganzes zu bilden vermag.“ Ich halte diese
Reflexion für die richtige Art, die Zukunft zu sehen und sie in diesem Sinne zu gestalten. Das Gegenteil wäre ein Weg von digitaler Einsamkeit. Der gleiche Touraine beklagt sich bitter über die infernalische Verwirrung und die Krise der Identität, an der sein Land leidet, das doch die Wiege der Aufklärung und der richtunggebenden Ideen für die gegenwärtige westliche Welt gewesen ist. Er sagt: „Frankreich ist gelähmt, wenn es nicht versteht, dass in allen Kulturen eine Präsenz des Universalen ist.“ Und zum Schluss schreit er erschöpft: „Wir sind alle müde von den Exzessen der Rationalität, der Reduktion des Planeten auf den Markt, wir haben den Triumph der Financiers und der Diktatoren satt. Wir müssen unseren Kulturen wiederbegegnen, unsere Vorstellungen wiederbeleben, uns mit anderen konfrontieren.“

Wie paradox ist es, diese verzweifelte Forderung von einem Intellektuellen zu hören, der aus einem Land kommt, das ausgesprochen stolz ist auf seine Beiträge zum Denken, auf seine Kultur und seine Wissenschaften, wenn man sie mit den besessenen Verlautbarungen einiger unserer Politiker vergleicht, die – ganz im Gegensatz dazu – das Auslöschen der Identitäten, der Kulturen, des kollektiven Gedächtnisses fordern, weil sie diese für ein Hindernis für die Integration in den Mono-Ökonomizismus, den berühmten Weltmarkt, halten!

Die Entrüstung Touraines ist sicherlich nicht gleichbedeutend mit einer Ablehnung des Marktes an sich, der ihm vielleicht sogar nützlich oder notwendig vorkommen mag, sie ist vielmehr eine Zurückweisung der monotheistischen Sicht des Marktes, der sich nur noch auf den Tauschwert konzentriert und die Weisheit des Gebrauchswertes vergessen macht. Er protestiert gegen die Ausgrenzung der Komplexität, die die Menschheit braucht, um sich selbst neu zu erschaffen, um sich neu zu erfinden, um sich von neuem zu inspirieren und so den Impuls des Geistes in Bewegung zu setzen.

Wir möchten die Idee eines Boliviens sichtbar machen, das seine Diversitäten zusammenfügt, sein Gedächtnis aktiviert, das seine Vergangenheit(en) versteht und (kennen)lernt, um – die kulturellen Unterschiede achtend – Achtung vor sich selbst zu gewinnen. Dies aber nicht, um sich in seiner eigenen Komplexität einzuschließen, sondern um wertvolle neue Komplexitäten zu erarbeiten. Wenn wir die Fähigkeit verlieren, das Unsrige zu bewundern, uns zu (er)kennen, darüber zu staunen, und uns gegen das, was schlecht ist, aufzulehnen, kann uns Furchtbares widerfahren: wir verlieren uns in der Ohnmacht, nichts mehr zu schaffen.

Jede Kultur ist eine besondere Art des Seins. Das ist nicht nur wichtig für die Angehörigen dieser Kultur, die in ihren Schöpfungen eine eigene, besondere und einzigartige Weise, das Leben zu kennen und zu begreifen, zum Ausdruck bringen, sondern auch für die anderen Kulturen. Von dem Austausch, den Einflüssen, der gegenseitigen Bewunderung werden neue Kulturen geboren, neue und tiefere Arten des Verstehens. Sie alle tragen zur Konsolidierung einer resistenteren und starken, wenngleich vielschichtigen Einheit bei. Im Gegensatz dazu können Zwietracht, Hass und Krieg entstehen aus der Geringschätzung einer Kultur in bezug auf eine andere Kultur, der Verachtung einer Ethnie gegenüber einer anderen, aus dem blinden und bornierten Hochmut, sich für besser zu halten, weil man hier und nicht dort geboren ist, man der einen und nicht der anderen Rasse angehört. Genau das geschieht heute an Orten, die uns „zivilisiert“ erschienen, in Ländern, die nichts unternahmen, um den zutiefst fruchtbaren kreativen Sinn des Zusammenspiels der Diversitäten als wirklich unerschöpflichen Schatz der Völker zu begreifen.

Bolivien ist ein Land von außerordentlicher, geradezu begnadeter Komplexität, wenn wir verstehen, dass es sich dabei um eine profundere Bereicherung als die des Marktes handelt, weil sie eben nicht (nur) auf wirtschaftlichen Indikatoren beruht. Wenn wir eine gut getanzte cueca chaqueña bewundern, wünschen wir uns, dass dieser Tanz nicht stirbt, und gleichzeitig empfangen wir affektive und kognitive Botschaften aus einer Gegend, die sich zwar geographisch und kulturell von der unseren unterscheidet, aber andererseits auch zu uns gehört. Wir spüren, dass wir mehr haben als vorher: ein Gedächtnis, ein Wissen, ein Gefühl. Wenn wir Maler sind, werden wir anders malen, obwohl wir uns dessen nicht bewusst sind, wenn wir Musiker sind, werden wir anders komponieren. Tiefliegende und geheime geistige Mechanismen werden aktiviert, nur indem wir diesem einfachen und genuinen Akt – diesem Tanz – zusehen, den wir von Mal zu Mal mehr als etwas erfahren, das zu uns gehört, uns reicher macht. Aber in einem Sinn, der niemals vom Markt verstanden werden wird.

Übersetzung: B. Reis

Jorge Sanjinés"

[Quelle: ila : Zeitschrift der Informationsstelle Lateinamerika. -- Bonn. -- ISSN 0946-5057. -- Nr. 212 (©1998-02)]

1998-02

"Wo der Pfeffer (nicht) wächst

Cochabamba, Bolivien, im Februar 1998. Die Sekretärin wirkt unruhig. Wir befinden uns zum Gesprächstermin im vierten Stockwerk des »Edificio Los Tiempos«, des modernsten und teuersten Bürohochhauses der Stadt. Im Department Cochabamba liegt der Chapare, das (damals noch) weltweit zweitwichtigste Anbaugebiet für Kokablätter. Seit mehr als zehn Jahren versucht man, den Kokaanbau dort mit Verboten, Drohungen und Zwangsmaßnahmen einzudämmen - und soeben hat die neue Regierung einen Fünfjahresplan zur Drogenbekämpfung vorgelegt, nach dessen Ablauf die Kokapflanze im Chapare ausgemerzt sein soll.

Frühzeitig hatte man erkannt, dass die Menschen in den Anden den Kokabusch nicht aus krimineller Energie anbauen, sondern weil sie darin in der Krise eine Lebensgrundlage für sich und ihre Familie sehen. Wenn man sie ihnen schon entzog, so musste man ihnen wirtschaftliche Alternativen anbieten: Alternative Entwicklung.

Womit wir wieder im Hochhaus »Los Tiempos« in Cochabamba wären. Hinter himmelblau schimmernden Glasfassaden residieren dort die tonangebenden, von den Vereinigten Staaten finanzierten Organisationen der Alternativen Entwicklung in Bolivien: das regionale Entwicklungsprogramm (PDAR), die Development Alternatives Inc.(DAI), das Institut für Landwirtschaftstechnik/ Chapare (IBTA). Mit 20 Millionen Dollar hat USAID diese Projekte 1997 finanziert und war damit der größte Geber für die Alternative Entwicklung im Lande.

Zwischen den genannten Projekten herrscht eine gewisse Arbeitsteilung, es gibt aber auch Überschneidungen. Was sie jedenfalls gemeinsam haben, ist - so wird gemunkelt - dass ihre Chefs monatliche Salärs in fünfstelliger Dollarhöhe beziehen.

Die Projekte der Alternativen Entwicklung werden von den Bauern als ineffizient kritisiert, es gebe zu wenig Geld, und das Wenige werde nicht vernünftig eingesetzt, wenn nicht gar in bürokratischen Apparaten vergeudet oder zweckentfremdet. Auch die Technokraten der Alternativen Entwicklung gestehen - zumindest einige - Fehler ein. Sie beklagen die konkurrenzlose Wirtschaftlichkeit der Kokapflanze gegenüber Alternativprodukten, fehlende Infrastruktur und fehlende Märkte.

Der Autor durfte eine Probe aufs Exempel machen. Er gilt als Experte für internationale Drogenpolitik und Alternative Entwicklung; mit einem Arbeitsschwerpunkt im bolivianischen Chapare und mit viel Sympathie für die Bauern dort. So kam es, dass er ein hiesiges Gewürzhaus überzeugen konnte, für eine fällige Aufstockung ihrer Pfefferbestände an den Chapare zu denken. Arbeitete doch IBTA/Chapare, wie er wusste, bereits seit 1987/88 mit Pfeffer. Und hatte nicht unlängst ein Informationsblatt der Alternativen Entwicklung in Bolivien die Perspektiven für Pfeffer über den grünen Klee gelobt?

Nach drei Monaten wurde eine entsprechende Anfrage schließlich auch beantwortet. Die zugesandten Pfefferproben waren von sehr guter Qualität, und die beiliegende Statistik gab eine viel versprechende Prognose ab. Zwar liege die (vorausberechnete) Produktion für 1997 bei nur 250 Kilogramm, doch bereits 1998 werde sie auf ein Volumen von 60 bis 90 Tonnen anwachsen, und in den kommenden Jahren würden Ernten im dreistelligen Bereich eingefahren werden. Ein gutes Geschäft - und noch dazu für einen guten Zweck.

Das Unternehmen war optimistisch, folgte aber dem Rat, Volumen und Qualität vor Ort zu prüfen. Die einschlägigen Projekte jedenfalls würden einen roten Teppich ausrollen, denn hier kam nun in Persona, wovon sie immer träumten: eine internationale Nachfrage nach ihren Produkten, um ein Mehrfaches größer zudem als das, was sie bis dato produzierten.

Doch die Sekretärin war unruhig und der »Geschäftsführer für Agroindustrie und Investitionen« richtig nervös. Hier wollte kein Fernsehteam Vorzeigebauern interviewen und keine Parlamentarierdelegation Versuchsfelder bestaunen; auch die Hochglanzbroschüren interessierten nur am Rande. Hier wollte schlicht ein Kunde die gesamte Ernte des Jahres 1998 kaufen, plus Optionen auf die (höheren) der kommenden Jahre. Warum also die Nervosität?

Nun, weil die Zahlen, die man uns mitgeteilt hatte, schlicht falsch waren. Aktualisierte Schätzungen vom Januar 1998 lagen nun plötzlich bei nur mehr drei bis fünf Tonnen (statt vormals 60 bis 90). Zurück in Europa, fiel dem Autor eine von allen großen Institutionen der Alternativen Entwicklung in Bolivien gemeinsam herausgegebene Broschüre über die Leistungen ihrer Projekte in die Hände, nach der die Pfefferproduktion bereits 1997 insgesamt 700 Tonnen hätte betragen sollen.

Dieses statistische Fiasko (wenn man nicht Mutwillen unterstellen will) hielt das Projekt jedoch nicht davon ab, weitere Zukunftsprognosen anzustellen. Aus ein und demselben Hause waren folgende aktuellen Schätzungen der Pfefferernte des Jahres 2000 erhältlich: 200, 348 und 740 Tonnen. (Inzwischen wurden solche »Schätzungen« gegen Null nach unten korrigiert.) Die Ursache für diese schlappen Abweichungen um teilweise mehrere hundert Prozent konnte man nicht klären. Vielmehr zeigte man sich, daraufhingewiesen, »überrascht«.

Den Vogel hatte allerdings am Tag zuvor bereits der Chef des ministeriellen »Nationalen Fonds für Alternative Entwicklung« (FONADAL), früher langjähriger Chef des PDAR und später Vizeminister für Alternative Entwicklung, in La Paz abgeschossen: Nach dessen Balkendiagramm würde die Pfefferernte für 1998 bei 0,01 Tonnen liegen -richtig, das wären zehn Kilogramm. Konnte man dies zunächst noch wohl wollend in den Bereich Druckfehler verweisen, so setzte sich nunmehr die Überzeugung durch, dass es sich hier bestenfalls um mangelnde Professionalität und bodenlose Schlamperei handelte. Oder zumindest teilweise um bewusste Fälschungen? War es etwa unsere Anwesenheit, die dem für Pfeffer zuständigen »Geschäftsführer« (Gerente de Linea - in diesem Projekt gibt es scheinbar nur »Geschäftsführer«) so auf die Gesundheit schlug, dass wir ihn wegen Erkrankung die ganze Zeit nie zu Gesicht bekamen?

Pfeffer wird von der bolivianischen Regierung - neben Passionsfrüchten, Ananas, Bananen und Palmherzen - als eine von fünf Prioritätslinien der Alternativen Entwicklung definiert; wie viel Geld in diesen Bereich gesteckt wurde, konnte nicht ermittelt werden. Doch sind in den vergangenen zehn Jahren weit mehr als 230 Millionen Dollar an Projektgeldern in den Chapare geflossen - beziehungsweise in die Büros der verschiedenen Projekte. Sehr viel rosiger sieht es auch in anderen Bereichen nicht aus, doch um vom Pfeffer zu sprechen: Das Ergebnis von zehn Jahren Projektarbeit kümmerlich zu nennen, wäre noch eine Übertreibung.

Während Privatinitiative, freie Marktwirtschaft und Exportorientierung auf der Liste der ideologischen Slogans der Alternativen Entwicklung ganz oben stehen, war man auf all dies gänzlich unvorbereitet. Keiner der hoch bezahlten Experten kannte den Weltmarktpreis für Pfeffer, und während man seit Jahr und Tag das Klagelied über die konkurrenzlose Wirtschaftlichkeit der Koka singt, wusste man mithin auch nicht, dass man mit einem Hektar schwarzem Pfeffer gegenüber Koka augenblicklich den doppelten Bruttoertrag erzielt. Von diesem sind freilich erhebliche Anfangsinvestitionen und laufende Kosten für eine relativ intensive Betreuung der Pflanzen abzuziehen. Die Bauern in beiden Punkten zu unterstützen, wäre eine lohnende Aufgabe für die Projektarbeit.

Aber während nun die ersten Bauern ihre kleine Pfefferernte einbrachten, hatte sich das Projekt bis dato nicht um die Vermarktung gekümmert. Ohne die ist ein solches Projekt aber undenkbar. Der Chapare ist halb so groß wie Bayern. Es gibt dort eine Asphaltstraße und ein paar Dutzend Feldwege. Sollen die Bauern ihren Pfeffer etwa eigenhändig zum Markt tragen? Sie würden die erste Ernte wegwerfen und den Pfefferanbau vergessen. »Falta de mercado« - kein Markt vorhanden, würde man dann wieder erklären.

Während der »Geschäftsführer für Agroindustrie und Investitionen« des Projekts auf der Fahrt vom Flughafen netterweise die Vorzüge des Tennisclubs und des Golfplatzes von Cochabamba hervorhob, geriet der Besuch des Juniorchefs des Unternehmens vor Ort im Chapare nachgerade zur Lehrveranstaltung über den Pfefferanbau in verschiedenen Teilen der Welt für die Techniker des Projekts. Pfeffer rankt sich wie Efeu an Pfosten empor. Aus einer Pflanze kann man binnen drei Monaten zehn gewinnen; Kosten nahe null. Doch das Projekt, so wurde uns gesagt, wollte in der Anfangsphase aus Costa Rica importierte Pflanzen an die Bauern verkaufen: für fünf Dollar das Stück...

Die verwendeten Pfosten waren zu niedrig und aus schlechtem Holz. Manche waren in der feuchten Hitze des Chapare schon nach vier Jahren morsch oder gar umgestürzt. Nach drei Jahren hat die Pflanze übrigens erstmals ihren vollen Ertrag. Die Dichte der Pfosten war zu niedrig, und pro Pfosten könnten statt einer zwei Pflanzen wachsen.

Die meisten Bauern des Chapare sind ehemalige Minenarbeiter und Campesinos aus dem Hochland, die über keinerlei Erfahrung mit tropischer Landwirtschaft verfügen - außer mit dem anspruchslosen Kokabusch. Wenn man ihnen den wegnimmt, so wäre es Aufgabe der Projekte Alternativer Entwicklung, ihnen bei Alternativen praktisch zur Seite zu stehen. Wenn eine genaue Nachfrage beim Pfeffer ein solch desaströses Resultat hervorbringt, was ist dann das Ergebnis bei den anderen »Prioritätslinien« der Alternativen Entwicklung?

Fazit unserer Mission: Außer Spesen nichts gewesen, oder: Alternative Entwicklung in Sachen Pfeffer, das ist wie ein Fußballmatch, wo hoch bezahlte Profis munter kicken - und nie ein Tor schießen, weil man gar keine Tore aufgestellt hat. Tore scheinen ihnen auch nicht wichtig. Sie haben einfach Spaß am Spiel. Hauptsache, es geht in die Verlängerung. Es bezahlt der Steuerzahler, in diesem Falle der US-amerikanische. Stumme Zuschauer sind die Bauern, denen man ihre Koka wegnimmt."

[Lessmann, Robert: Zum Beispiel Kokain. -- Göttingen : Lamuv, ©2001. -- (Lamuv-Taschenbuch ; 302
Süd-Nord). -- ISBN 3-88977-605-1. -- S. 104 - 110]

1998-02-17

Präsident Banzer und der argentinische Präsident Menem unterzeichnen einen Vertrag, mit dem die Situation der rund 700.000 illegal in Argentinien lebenden Bolivianer großzügig geregelt werden soll.

1998-03-26


Abb.: Ana María Romero

Die Journalistin Ana Maria Romero de Campero wird vom Kongress mit großer Mehrheit zur ersten Ombdusfrau Boliviens gewählt.

1998-05-12

Der österreichische Nationalrat stimmt dem Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Republik Bolivien über die Förderung und den Schutz von Investitionen zu.

1998-05-14

Dante in Argentinien gefasst!

Die zentrale Figur im größten Veruntreuungsskandal Boliviens in diesem Jahrhundert Dante Benito Escóbar Plata wurde trotz seines stark veränderten Äußeren kriminaltechnisch wiedererkannt und im argentinischen Badeort Mar del Plata von der Interpol verhaftet. Mittlerweile hat dieser Skandal durch zusätzliche Beschuldigungen an die Adresse seines Bruders Edwin Escóbar Plata alias Juan Carlos Roldán Pérez neue Dimensionen erhalten - der "Fall Dante II" ist eröffnet. Nun steht die Auslieferung des großen Betrügers aus argentinischem Gewahrsam an.

Flucht, Metamorphose und Verhaftung

Dante Escóbar Plata, der ehemalige langjährige Hauptgeschäftsführer des "Ergänzungsfonds der Sozialversicherung der öffentlichen Verwaltung" (Fondo Complementario de la Seguridad Social de la Administración Pública, FOCSSAP), angeklagt der Unterschlagung von Millionen, wurde am 14. Mai in der argentinischen Stadt Mar del Plata gefasst. Die Interpol Argentinien verhaftete ihn aus einer Telefonkabine der Avenida Colón heraus, als er gerade mit seinen Kindern in Kanada telefonieren wollte. Im Gegensatz zu seinen sonstigen Gepflogenheiten trug er keine elegante, sondern sportliche Kleidung. Bei seiner Verhaftung durch den argentinischen Interpol-Offizier Eduardo Musto dankte er Gott, in Argentinien, und nicht in Bolivien verhaftet worden zu sein. In den Tagen zuvor hatte er sich in einem Appartement dieser Stadt versteckt, davor wiederum hatte er sich in Buenos Aires aufgehalten. Um seine Kinder von öffentlichen Sprechzellen aus anzurufen, reiste er ständig von Provinz zu Provinz. Niemals benutzte er ein privates Telefon. Mittels Deckung von Familienangehörigen und Freunden lebte er in den verschiedenen Provinzen Argentiniens: Jujuy, Salta, Tucumán, Córdova, - und in den Städten Buenos Aires und Mar del Plata."

[Quelle: http://www.bolivia-info.de/archivo/numero120.html. -- Zugriff am 2002-09-13]

1998-05-22

"Erdbeben in Bolivien

Am Freitag, den 22. Mai 1998 erschütterte ein Erdbeben der Stärke 6.6 weite Teile Boliviens. Mindestens 124 Personen kamen ums Leben. Eine große Anzahl an Häusern wurden zerstört oder schwer beschädigt. 15000 Menschen gelten als obdachlos.

Die Situation in Bolivien

Bolivien liegt über einer Subduktionszone. Hier taucht die Nazca-Platte, ein Teil des pazifischen Ozeanbodens, mit einer Geschwindigkeit von rund 9 cm pro Jahr unter die Südamerikanische Platte in den Erdmantel hinab. Seichtere, oft sehr heftige Erdbeben bis etwa 70 km Tiefe werden durch Reibung der beiden Platten gegeneinander ausgelöst. Andere, meist mäßig starke bis schwache Erdbeben ereignen sich innerhalb der abtauchenden Platte. Diese ist kälter als ihre Umgebung und reagiert auf Verformungen mit Bruch.

Dieser Erdbebentyp tritt bis maximal rund 700 km auf. In noch größerer Tiefe ist die abtauchende Platte bereits so weit aufgeheizt, daß sie Spannungen durch langsames Fließen ausgleichen kann.

Weitere Erdbeben - wie das Beben vom 22. Mai 1998 - können sich weit im Landesinneren und deutlich über der eigentlichen Subduktionszone innerhalb der kontinentalen Kruste ereignen. Sie werden durch Ausgleichsbewegungen der unter Kompressionsspannung stehenden Kruste oder durch dem Aufstieg von Magma im Bereich des vulkanischen Bogens ausgelöst."

[Quelle: http://www.iaag.geo.uni-muenchen.de/sammlung/Bolivien.html. -- Zugriff am 2002-10-11]

 
Abb.: Lage von Aiquile und Totora (©MS Encarta)

"Aiquile und Totora: Wenn die Erde bebt

Der 22. Mai 1998 wird wohl als schwarzer Freitag in die Annalen der Geschichte Boliviens eingehen. Gegen ein Uhr nachts bebte die Erde mit einer Stärke von 6,8 auf der nach oben offenen Richterskala. Davon am stärksten betroffen waren die Ortschaften Aiquile, Totora und Mizque sowie viele kleine bäuerliche Gemeinden. Die offizielle Anzahl der Toten wird mit 105 angegeben. Wieviele Personen insgesamt betroffen sind, weiß niemand. Tausende aber sind es bestimmt.


Abb.: Erdbebenschäden von 1998, Totora, Januar 2002 (Bild: Payer)

"Que lo que sobrevivió el terremoto no lo destruya el olvido" war das Motto der Presse des Landes. Die Bevölkerung sollte durch eine genaue Berichterstattung von dem Ausmaß des Desasters betroffen gemacht werden. Und wie immer bei solchen Unglücken sind die Politiker am Anfang gehäuft zur Stelle. Bánzer erschien am Sonntag nach dem Erdbeben in Aiquile, nahm an der Messe für die Verunglückten teil und versprach, dass "kein Einwohner dieser Stadt sowie in Totora, v.a. aber die Armen, ohne ein Dach über dem Kopf bleiben werde". Er bat um Geduld , denn mindestens sechs Monate wird die Bevölkerung in provisorischen Zeltunterkünften hausen müssen. Durch einen Obersten Erlass wurden erst einmal 97 Mio. Bs. für außergewöhnliche Ausgaben zu Verfügung gestellt. Gleichzeitig mit Bánzer erschien auch sein Amtskollege Fujimori, um sich in persona ein Bild von dem Ausmaß der Tragödie zu machen, zumal er sich ja als Experte auf dem Gebiet der Naturkatastrophen betrachten kann. Er kam nicht mit leeren Händen, sondern beschenkte die Aiquileños mit 12 Tankbehältern für Trinkwasser, ein jeder mit einem Fassungsvermögen von 10.000 l. Für den Transport von Hilfsgütern stellte er noch seinen Hubschrauber zu Verfügung. Neben Peru schickte auch Mexiko Tonnen an Medikamenten, v.a. Verbandsmaterial, Infusionen sowie chirurgisches Material. Chile seinerseits schickte ein Flugzeug mit 100 Zelten für 800 Personen, eine Stromanlage, 1600 Decken, 800 Matratzen, Nahrungsmittel und Medikamente für 400 Personen sowie 20 000 Wegwerfwindeln. Aus Spanien erreichten 2.500 Decken die Unglücksregion und das mexikanische Heer lieh der bolivianischen Regierung acht Riesenzelte. Nicht zu vergessen die Sammlungen im eigenen Land, die per LKW in die Unglücksregion gebracht wurden."

[Quelle: http://www.bolivia-info.de/archivo/numero120.html. -- Zugriff am 2002-09-13]


Abb.: Plakat, Totora, Januar 2002 (Bild: Payer)

1998-07-17

Der Jurist Hugo Poppe wird Direktor des Nationalarchivs und der Nationalbibliothek in Sucre. Im Dezember 2001 tritt er aus Gesundheitsgründen zurück.


Abb.: Hugo Poppe

1998-08-04

Die CONDEPA verlässt die Regierungskoalition.

1998-08-05

Erstmals konstituiert sich das 1998-07-24 gewählte  Verfassungsgericht.

1998-08-09

Die Interamerikanische Entwicklungsbank (IDB/BID) erlässt Bolivien US$ 155 Millionen Schulden.

1998-09

Aufgrund der Erleichterungen für arme hochverschuldete Länder gehen die Auslandsschulden um US$ 430 Millionen zurück.

1998-10

Gefängnispastoral in Bolivien

"Im vergangenen Jahr traten über 3000 Gefängnisinsassen in Bolivien in den Hungerstreik. Mit dramatischen Symbolakten forderten sie die Umsetzung der beschlossenen  Reformen des Justizwesens und gaben ihrem verzweifelten Protest gegen das unmenschliche Strafprozess- und Strafvollzugssystem Ausdruck. So werden Prozesse verschleppt, Häftlinge sitzen ohne rechtskräftige Verurteilung jahrelang fest, und die Unterbringung, Verpflegung wie auch die ärztliche Versorgung in den Gefängnissen sind katastrophal. Juan Carlos Pinto Quintanillo war einer der 6300 Gefangenen. Von April 1992 bis April 1997 war er ohne rechtskräftige Verurteilung im Gefängnis San Pedro in La Paz inhaftiert. Während dieser Zeit wurde er von der Pastoral Juvenil, der Jugendpastoral, einer Partnerorganisation des Bundes der Deutschen Katholischen Jugend (Diözese Trier) betreut. Sie besuchten ihn regelmäßig, versuchten über Briefe, den Kontakt nach außen aufrechtzuerhalten und mobilisierten öffentlichen Druck, um zu erreichen, dass Quintanilla aus der „Untersuchungshaft“ entlassen wird und außerhalb des Gefängnisses auf seinen Prozess warten kann: Sie schafften es, er wurde 1997 freigelassen. Um sich weiter für Gefangene einzusetzen und auf das schreiende Unrecht in bolivianischen Gefängnissen aufmerksam zu machen, benötigt die Pastoral Juvenil Unterstützung. Kontakt: BDKJ, Referat für Bolivienpartnerschaft und Entwicklungspolitik, Weberbach 70, 54290 Trier, Tel. 0651/9771-110, Fax 9771-199, Spendenkonto: Pax-Bank e.G. Trier, BLZ 585 602 94, Kto-Nr. 3 000 122 024"

[Quelle: ila : Zeitschrift der Informationsstelle Lateinamerika. -- Bonn. -- ISSN 0946-5057. -- Nr. 216 (1998-06)]

1998-11-01

"Belohnung von der Weltbank

Boliviens Präsident Hugo Banzer hält Wort. Zumindest gegenüber den Finanzgewaltigen dieser Welt. Sein gehaltenes Versprechen,  Bolivien nicht weiter für die Finanzierung unrentabler Projekte zu verschulden, wird jetzt belohnt. Bolivien wird als erstes Land Lateinamerikas in das gemeinsame Schuldenstreichungsprogramm von Weltbank, Internationalem Währungsfonds (IWF) und Interamerikanischer Entwicklungsbank (IDB) aufgenommen. In einer Telefonkonferenz zwischen Banzer, Weltbankpräsident Wolfensohn sowie Beauftragten von IDB und IWF, wurde die Entscheidung der Vertreter der internationalen Geldgeberorganisationen bekräftigt, 448 Millionen US-Dollar der bolivianischen Auslandsschuld zu streichen. Im Gegenzug muss Bolivien diese Summe in Sozialprogramme investieren und gleichzeitig den Staatshaushalt in Ordnung bringen. Banzer kündigte an, er werde das Geld für Reformen im Sozial- und Gesundheitsbereich sowie für Entwicklungsprogramme auf dem Land einsetzen."

[Quelle: ila : Zeitschrift der Informationsstelle Lateinamerika. -- Bonn. -- ISSN 0946-5057. -- ©1998-11. -- S.37]

1998-12

Eröffnung des 9 km langen Tamengo-Kanals, der eine Verbindung zum Paraguay-Parana-Wasserweg zu den Atlantikhäfen Rosario (Argentinien) und Nueva Palmira in Uruguay schafft. Der Kanal kann von Schiffen mit einer Ladekapazität bis 16.000 Tonnen befahren werden.

1999

Politischer Jahresüberblick
"Die wirtschaftliche Entwicklung in Bolivien hat sich 1999 gegenüber dem Vorjahr deutlich verschlechtert. Während noch 1998 ein Wachstum von nahezu 5% und für die 90er Jahre insgesamt eine durchschnittliche Wachstumsrate von 4% zu konstatieren waren, lag der Wert für 1999 bei weniger als 1% (0,8%) und führte zu einer Stagnation der Binnennachfrage. Der Grund dafür lag in erster Linie in der brasilianischen Krise, deren Auswirkungen besonders die Außenhandelsaktivitäten in Mitleidenschaft zog, da Boliviens Wirtschaft nach wie vor sehr stark von der Konjunktur Brasiliens abhängt. Im Februar 1999 lagen die bolivianischen Exporte um 32% unter denen von Februar 1998. Gleichzeitig wurde der bolivianische Markt nach der Abwertung des Real mit Produkten der brasilianischen verarbeitenden Industrie überschwemmt, wogegen die Produzenten in La Paz protestierten. Die Regierung reagierte Ende April, indem verschiedene nichttarifäre Handeisbarrieren gegen brasilianische importe verfügt wurden. Vom internationalen Verfall der Rohstoffpreise wurde der Minensektor am stärksten betroffen, der in den ersten drei Monaten Einbußen von 19% hinnehmen musste. Gegen Ende des Jahres konnten indes wieder leichte Steigerungen der Exportraten einiger Produkte verzeichnet werden.Auch 1999 sah es so aus, als würde die bolivianische Regierung unter Hugo banzer ihr Versprechen wahrmachen, alle illegalen Koka-Pflanzungen bis zum Jahr 2002 zu vernichten. Die Anbauflächen wurden seit 1995 um zwei Drittel dezimiert. Während 1998 8.000 ha vernichtet wurden, waren es 1999 fast 15.000 ha. Die Koka-Problematik beherrschte vor allem die Außenbeziehungen Boliviens zu den USA, die die entsprechende Politik der BANZER-Regierung mit Beifall bedachte. Aber auch das Verhältnis zu der Europäischen Gemeinschaft wurde davon beeinflusst, da der Erfolg in der Substituierung der Koka-Planzungen die Politik und Kreditvergabe der EU gegenüber Bolivien bestimmte. Im Gegensatz zum Vorjahr wurden die Vernichtungen der Koka-Pflanzungen nicht von blutigen Auseinandersetzungen zwischen Koka-Bauern und Spezialeinheiten geprägt; sie verliefen insgesamt ohne größere Zwischenfälle.

Auf der Ebene der Rechtssetzung ist die Ernennung eines Ombudsmannes, die Verabschiedung eines neuen Zollgesetzes sowie die Reform des Zollwesens hervorzuheben.

Innenpolitisch waren die Kommunalwahlen im Dezember das herausragende Ereignis. Dabei konnten sich die Parteien der Regierungskoalition unter dem Präsidenten Hugo banzer und seiner Alianza Democrática Nacionalista (ADN) knapp gegen die Opposition durchsetzen. Die Regierungskoalition stellt danach die Bürgermeister von Cocha-bamba, Santa Cruz, Trinidad und Cobija, die Opposition diejenigen von Sucre und Potosí. In der Hauptstadt La Paz setzte sich der Menschenrechtsaktivist Juan del granado mit seiner Bewegung Movimiento Sin Miedo (21% der Stimmen) gegen den konservativen Kandidaten der Regierungskoalition, Ronald maclean (19,5%), durch. Es war die siebte Kommunalwahl in Bolivien seit dem Übergang zur Demokratie im Jahr 1982. "

[Lateinamerika Jahrbuch / Institut für Iberoamerika-Kunde <Hamburg>. -- Frankfurt a. M. : Vervuert. -- ISSN 0943-0318. -- Bd. 9 (2000). -- ISBN 3-89354-428-3. -- S. 151f.]

1999

"BOLIVIEN GEHT ANS TELEFON

Vorspann:

Im Andenstaat wächst der Telekommunikations-Markt mit Tempo: Überall werden Telefon- und Glasfaserkabel gelegt – und in La Paz eröffnen erste Internetcafés.

Auf der bolivianischen Insel Suriqui im Titicaca-See scheint sich das Leben seit Jahrhunderten nicht verändert zu haben. Die Fischer fahren auf das eisblaue Wasser des größten Hochlandsees der Welt hinaus, wo sie trucha (Forellen) fangen, um ihre Familien zu ernähren. Am Ufer, im Schatten der schneebedeckten Anden, flechten drahtige Männer mit großer Sorgfalt Binsenboote, die sich kaum von jenen unterscheiden, die vor Tausenden von Jahren die ersten Einwanderer von Asien nach Amerika gebracht haben. Zwischen Schafen, Lamas und Hühnern spielen die Kinder mit solcher Begeisterung Fußball, daß schon mal das eine oder andere Schwein quiekend die Flucht ergreift.

An diesem abgelegenen, zeitvergessenen Ort gibt es weder Strom noch fließend Wasser. Doch es gibt Hoffnung, die so hell leuchtet wie das Kreuz des Südens am Nachthimmel. Auf dem Dach einer kleinen Lehmziegelhütte blitzt und blinkt ein Sonnenkollektor. In der Hütte befindet sich ein Telefon – Suriquis einzige Verbindung zu Behörden, zu Ärzten und Lehrern und zu den Kindern, die nach La Paz oder Cochabamba gezogen sind, um in der großen Stadt ihr Glück zu suchen. Für das an der "Schulter Gottes" in den Anden gelegene Suriqui ruhen alle Hoffnungen, Anschluß ans Tiefland zu bekommen, auf dem Telefon.

"Wir fühlten uns von der Welt abgeschnitten", sagt Sebastian Corani, der sich, wie er erzählt, "unzählige Male" um ein Telefon bemühen mußte, bevor die bolivianische Telefon-Kooperative COTEL ihm und 1000 weiteren Familien auf der Insel einen Anschluß installierte.

Noch immer sind nicht alle Schwierigkeiten überwunden. In der Regenzeit zum Beispiel fällt die mit Solarenergie betriebene Technik zum größten Teil aus. Trotzdem betrachtet Corani sein Telefon als eine kostbare Ikone. "Allmählich begreifen wir, was wir bisher verpaßt haben", erzählt er. "Jetzt wollen wir alles nachholen. Mit dem Telefon werden wir es mit Sicherheit schaffen."

In der Indianersprache Aimara, die noch ein Drittel der Bevölkerung beherrscht, bedeutet der Name Suriqui "schlafender Vogel". Dieses Bild traf noch bis vor kurzem auf ganz Bolivien zu, ein verarmtes Land ohne Zugang zum Meer, mit schlechten Straßen und einer Landschaft, die von den schwindelerregenden Höhen der Anden-Kordilleren bis zum undurchdringlichen Amazonas-Regenwald reicht. Noch heute sind manche bolivianische Städte am besten mit dem Flugzeug zu erreichen.

Doch jetzt erwacht der schlafende Vogel. Daß Bolivien nach dem Freiheitskämpfer Simon Bolivar benannt ist, hat symbolischen Charakter: Es beweist, daß die Konquistadoren, die das spanische Weltreich mit Bergen von bolivianischem Silber finanzierten, im Volk eine jahrhundertealte Sehnsucht nach Freiheit weckten. Im heutigen Bolivien mußte die Diktatur der Demokratie weichen – seit 1997 gibt es einen gewählten Präsidenten und ein Zweiparteienparlament.

Der Traum von der Revolution, den die Bolivianer und viele andere Südamerikaner geträumt haben, wird langsam Wirklichkeit: Es gibt Meinungs- und Informationsfreiheit, mehr schulische und berufliche Chancen, Gleichberechtigung und Wohlstand. Zwar sieht man in La Paz rote Graffiti-Sprüche wie "Che vive" (Che Guevara lebt) – doch Bolivien werden nicht Guerillakämpfer verändern, sondern junge Leute mit Telefon, Computer und Internetzugang.

Bolivien steht an der Schwelle zum Informationszeitalter – was zugleich die Chance auf wirtschaftliches Wachstum bedeutet. Den größten Anteil daran hat ein neues Kommunikationsgesetz, das ausländischen Investitionen die Tür öffnet – ein Ziel der Regierung unter Hugo Banzer Suarez. Das Gesetz beendete das Monopol der neun inländischen Telefon-Kooperativen.

Kaum begann daraufhin das ausländische Kapital nach Bolivien zu strömen, zeichneten sich bereits die ersten Veränderungen ab. 1995 investierte Telecom Italia 400 Millionen Dollar in Entel, den bolivianischen Anbieter für Fern- und Auslandsgespräche. Als Ergebnis entsteht in Kürze ein Glasfaser-Telekommunikationsnetzwerk, das Chile, Peru, Argentinien und Paraguay miteinander verbindet. "Wir werden das erste vollständig digitalisierte Land Südamerikas sein", sagt Entel-Sprecher Juan Leon. "Wir wollen Bolivien zur Drehscheibe für Telekommunikations-Dienste in ganz Südamerika machen."

Bis jetzt verfügen die acht Millionen Einwohner Boliviens nur über etwa 535 000 Telefonanschlüsse – und zwar hauptsächlich in der 1,2-Millionen-Metropole La Paz. Doch die Anschlüsse nehmen rapide zu. Bei Entel ist die Anzahl der Mobiltelefonnutzer in den vergangenen sechs Jahren von 35 000 auf 180 000 in die Höhe geschnellt. Heutzutage erregt es kaum noch Aufsehen, wenn auf dem Hexenmarkt in La Paz hinter der Plaza San Francisco ein Holzschnitzer mit seinem Handy hantiert, während er gleichzeitig ein amuleto schnitzt.

In den bevölkerungsreichen Zentren La Paz, Cochabamba, Cobija, Santa Cruz, Sucre, Potosí und Oruro installiert die bolivianische Siemens-Tochter Empresa Técnica de Telecomunicaciones Ltda. (ETT) nicht nur 195 000 neue Anschlüsse, sondern auch Schalter, Mikrowellenmasten, Relais-Stationen und Glasfaserkabel.

Zusammen mit der High-Tech-Hardware kommen neue Arbeits- und Ausbildungsplätze ins Land, die wiederum bessere Löhne und berufliche Chancen mit sich bringen. Zu den schwierigen Aufgaben des Siemens-Monteurs Julio Butron gehört es, die hohen Mikrowellenmasten zu warten, die sich oberhalb von La Paz in über 4000 Metern Höhe in den Himmel recken. "Wer das erste Mal hinaufklettert, hat Angst", sagt Butron nach dem Abstieg von einem 70-Meter-Mast, das Heulen des Windes noch in den Ohren. "Aber man gewöhnt sich daran. Meine Arbeit ist wichtig: Ich helfe meiner Gemeinde und meinem Land." Er hält inne, wärmt sich die Hände in seiner Jacke und fährt fort: "Mein Sohn Mauro soll einmal einen besseren Job haben als ich – und eines Tages als Ingenieur arbeiten." Mauro ist gerade einmal neun Monate alt. Butron bildet sich weiter und eignet sich die technischen Fähigkeiten an, die er benötigt, um eines Tages eine Schaltstation zu leiten – eine besser bezahlte Stellung in weniger schwindelerregender Höhe. Es ist eine Geschichte, wie sie sich überall in Bolivien wiederholt.

"Die Telekommunikation ist das wichtigste Plus, das ein Land haben kann", sagt ETT-Verwalter Gustavo Campos. "Viel wichtiger als Gold- und Silbervorkommen." In Bolivien gilt ein Telefonanschluß als so kostbar, daß er von den Banken als Sicherheit für einen Kredit akzeptiert wird. Familien und kleine Gewerbetreibende müssen oft jahrelang sparen, um die 1500 Dollar Anschlußgebühr aufbringen zu können.

uf dem lande wird das Telefon selbst sogar zur Geschäftsgrundlage: In der Stadt Laja, die 1548 gegründet wurde, betreibt Carmen Poma, 27 Jahre alt und Mutter von vier Kindern, im Schatten des Denkmals von Konquistador Alonzo de Mendoza einen kleinen Laden. Während ihre Nachbarn mit krummen Rücken die staubigen Mais-, Kartoffel-, Zwiebel- und Alfalfa-Felder beackern, hat Poma nur ein Produkt zu bieten: das einzige Telefon der Stadt. Sie nimmt Nachrichten entgegen und bekommt für jedes Gespräch ihrer Kunden 20 Prozent der anfallenden Gebühren als Provision, im Monat vielleicht zehn Dollar – keine unbedeutende Summe in einem Land, wo das Einkommen der armen Bevölkerungsschicht weniger als 600 Dollar im Jahr beträgt.

Einer von Carmen Pomas besten Kunden ist Antonio Condori, ein Sergeant der nationalen Polizei, der während der Woche von Frau und Kindern getrennt lebt. "Die Telefonverbindung ist sehr wichtig für mich, um zu wissen, wie es meiner Familie in La Paz geht", erzählt er.

Das Bedürfnis, über große Entfernungen hinweg miteinander zu kommunizieren, ist so alt wie die Zivilisation selbst: Eine Stunde Autofahrt von Laja entfernt liegen die Ruinen von Tiahuanacu (600 v. Chr. bis 1200 n. Chr.). In der Nähe des berühmten Sonnentors steht eine Steinsäule, in die ein kleiner runder Tunnel eingemeißelt ist. Dieser Tunnel entspricht genau dem Gehörgang des menschlichen Ohrs. Geflüsterte Worte, die in dieses vorsintflutliche Telefon gesprochen werden, können noch in 50 Metern Entfernung deutlich wahrgenommen werden, eine Methode, der sich schon vor 1000 Jahren die Adeligen und Priester bedienten, um sich mit dem Volk zu verständigen.

Heute weht ein frischer Wind durch den Andenstaat. Die sich anbahnenden Veränderungen sind überall zu spüren, ob in Sucre, Tarija, Yotala, Cochabamba oder in 100 anderen kleinen Städten und Dörfern. Ein Schild am Straßenrand faßt die Entwicklung prägnant zusammen: "Lo digital te diferencia" (Die Digitalisierung macht den Unterschied).

Sucre, die verfassungsmäßige Hauptstadt Boliviens, ist ein architektonisches Juwel aus dem 16. Jahrhundert, eingebettet in ein grünes Tal, überragt von den Gipfeln des Sica-Sica und des Churuquella. Allein in den vergangenen Jahren wurden 23 000 neue Telefonanschlüsse installiert, welche Sucres Universitäten, Geschäfte und Regierungsbüros mit La Paz und der Welt verbinden. Während der Kolonialzeit war Sucre unter dem Namen "Ciudad de la Plata" (Silberstadt) bekannt. Seine würdevollen Klöster, imposanten Kathedralen, Paläste und Museen wurden durch die ertragreichen Silberminen im nahegelegenen Potosí finanziert. In den Minen arbeiteten Millionen von Menschen, Indios genauso wie afrikanische Sklaven.

Die Nachkommen jener Minenarbeiter – zumeist gedrungene Männer mit Gesichtern wie auf den Inka-Reliefs – verlegen heute im Gebiet von Cemetaria und San Mateas Telefonleitungen. Die Männer in gelben Uniformen – Lorenzo, Marcello, Sergio – spulen von riesigen Trommeln 350 Meter Kabel von Hand ab. "Empuja!" (schieben!) rufen sie und "comba!" ( einholen!), wenn das Kabel schlaff geworden ist. Wie Akrobaten balancieren andere auf Leitern, die an Telefonmasten lehnen.

An einer sonnenüberfluteten plaza im Herzen von Sucre liegt die Schule "La Recoleta", daneben eine Kathedrale aus der Kolonialzeit. Eukalyptusbäume spenden den weißgetünchten Gebäuden Schatten; die Innenhöfe und Terrassen sind gesäumt von Tontöpfen mit leuchtend roten Geranien.

Geduldig warten einige Eltern auf das Ende des Unterrichts. Manche tragen die typische Tracht der bolivianischen Indios – runde, steife Bowlerhüte und gestreifte Röcke. Sie wenden sich an die Schule, wenn sie Lebensmittel, juristischen Rat oder medizinische Versorgung benötigen. Ihre Kinder, deren dichtes schwarzes Haar zu seildicken Zöpfen geflochten ist, müssen jeden Morgen einen sechs Kilometer langen Fußmarsch bis zum Schulbus auf sich nehmen.

Die Kinder zwischen vier und 18 Jahren haben Unterricht in Kunst, Naturwissenschaften, Musik, Mathematik, Maschineschreiben und weiteren Fächern. Über alles wacht die ehrfurchtgebietende directora der Schule, Maria Pax Benoechea-Rica.

In einem sonnigen Klassenzimmer wartet ein Schatz, von dem selbst die Spanier nicht zu träumen gewagt hätten: 25 nagelneue Computer mit Pentium-Prozessoren. Vor jedem Gerät sitzen zwei Schüler, die aufmerksam zuhören, während ihnen der Lehrer die ersten Grundkenntnisse vermittelt. Die Lektion heute: Wie formatiere ich eine Diskette? "Computer sind die Wissenschaft der Zukunft", erzählt die 15jährige Julia Banega. "Viele Kinder wollen lernen, wie man damit umgeht." Banega, ein Indio-Mädchen, möchte ihren Job als Haushälterin, der ihr nur vier Dollar am Tag einbringt, aufgeben und hofft auf einen besser bezahlten Arbeitsplatz. Zahlreiche Absolventen der Schule haben bereits Stellen bei Banken, Reisebüros und sogar Fernsehsendern gefunden. Die angebotenen Schreibmaschinenkurse gelten bei den ersten Schülern schon als "veraltet".

Im vergangenen Winter mußte die Schule einen herben Rückschlag verkraften. Das Geld, das Benoechea-Rica seit Monaten gespart hatte, um ihren Schülern den Internetzugang zu ermöglichen, wurde benötigt, um eine eingestürzte Wand zu reparieren. Geduld ist noch immer eine Tugend in Bolivien. Das Internet muß warten.

"Es ist sehr wichtig, sämtliche Technologien dieses Jahrhunderts zu nutzen", erklärt die directora. "Es gibt drei Entwicklungsstufen: das landwirtschaftliche und das industrielle, das technische Zeitalter. Unsere Kinder müssen in einer Generation den Sprung vom landwirtschaftlichen zum technischen Stadium bewältigen. Wenn sie das nicht schaffen, bleibt das Land auf der Strecke."

Im Jahr 2001 soll der bolivianische Telekommunikations-Markt vollständig dereguliert sein. Bis 2004 sollen 200 000 neue Anschlüsse hinzukommen. Bolivien wird sich mit technologischer Unterstützung aus Europa zu einer führenden Macht in der Telekommunikations-Industrie entwickelt haben. Heute gibt es in Sucre und La Paz die ersten Internetcafés. Ein erstaunlicher Sprung nach vorn in einem Land, das bislang in Südamerika technologisch zu den Schlußlichtern zählte.

Restaurantbesitzer Samuel Choqoe erzählt, daß es an den Ufern des Titicaca-Sees inzwischen zehn Telefone für 4000 Anwohner gibt, zehnmal soviel wie noch 1989. "Bei uns hat es lange gedauert", erzählt er, während er seinen Gästen ein Gläschen selbstgebrannten Whiskey einschenkt. Choqoe (79) sagt, er habe Geduld genug: Sein Vater sei 140 Jahre alt geworden. "Wenn ich so alt bin", sagt er augenzwinkernd, "hat jeder Bolivianer längst ein eigenes Telefon."

Credit:

VINCENT COPPOLA, freier Journalist, schreibt u. a. für "Men’s Journal", zur Zeit arbeitet er an einem Buch über Verbrechen in New York. Er wohnt in Atlanta/Georgia. KIKE ARNAL ist freier Fotograf und lebt in Long Island City/New York.

TEXT: Vincent Coppola"

[Quelle: http://w3.siemens.de/newworld/PND/PNDG/PNDGB/PNDGBD/pndgbd1.htm. -- Zugriff am 2002-10-10]

1999

Buchproduktion Boliviens 1962  bis 1999 (Anzahl der Titel in den einzelnen Jahrgängen der Bio-bibliografía boliviana)


Abb.: Titel in der Bio-bibliografía boliviana

[Quelle der Grafik: Guttentag Tichauer, Werner <1920, Breslau - >: Ideas repetidas en 38 años de bio-bibliografia boliviana ... y algo más. -- In: Bio-bibliografía boliviana 1999 / Werner Guttentag Tichauer ; Maria Rita Arze Ramirez. -- La Paz [u.a.] : Los Amigos del Libro, 2000. -- ISBN 84-8370-271-1. -- Vor S. 1]

1999

Schreiber, Annelie <1954 - >: Mit Zauberrassel und Bambusstab : Erlebnisse bei den Guarani-Indianern Südamerikas. -- Holzgerlingen : Hänssler, ©1999. -- 112 S. : Ill. -- ISBN 3775134123. -- . -- [A. Schreiber, Krankenschwester, war von 1984 bis 1993 unter Guaranís in Paraguay und Bolivien tätig]. -- {Wenn Sie HIER klicken, können Sie dieses Buch  bei amazon.de bestellen} 

Der Indianerschutzdienst (eine staatliche Organisation) hat angekündigt, dass einige Vertreter dieser Organisation in den nächsten Tagen nach Ko'éju kommen wollen, um den Mbya endlich die Dokumente betreffs des Eigentumsrechtes über das Land zu übergeben. Der Häuptling Júan und der Schamane Tranquillino hoffen nun, nach der Titelübergabe mehr Einfluss in der Siedlung zu haben. Sie denken, dass sie, nachdem ihnen das Land offiziell gehören wird, die Dorfbewohner mit mehr Nachdruck dahin bringen können, dass sie wieder alle ohne Ausnahme zu ihrer ursprünglichen Religion zurückkehren.

Um das zu erreichen, werden fast täglich Versammlungen anberaumt, zu denen alle Einwohner vollständig zu erscheinen haben. Auf diesen Sitzungen wird vermehrt Druck auf diejenigen ausgeübt, die sich zu Jesus gewandt haben: sie werden dazu gedrängt, wieder zu ihrem alten Glauben zurückzukehren. Sie müssen auch zusätzliche Strafarbeit leisten und auf dem Feld des Häuptlings arbeiten.

Zunächst ertragen sie das alles mit großem Gleichmut. Als sie wieder einmal von einer Versammlung beim Häuptling zurückkommen, fragen wir sie: »Was hat der Häuptling denn zu euch gesagt?« Die Antwort, die wir bekommen, verstehen wir überhaupt nicht. »Er hat gesagt, wir sollen uns alle lieben.«

Verständnislos sehen wir uns an und schütteln den Kopf. »Alle lieben? Wo liegt denn da das Problem? Das sagt die Bibel doch auch, dass wir uns lieben sollen.«

Die Mbya lächeln und schweigen, und die Missionare tappen weiter im Dunkeln.

Der Häuptling und der Zauberer meinen, dass wir versuchen, ihre Autorität zu untergraben; wir versuchen vergeblich, ihnen klar zu machen, dass wir das gar nicht wollen. Erfahrungen haben sogar gezeigt, dass die Christen nicht rebellischer, sondern vielmehr kooperativer werden und eher zum Frieden als zum Streit beitragen.

Es ist Nachmittag und wir wissen, dass Júan die Mbya wieder zu einer Sitzung gerufen hat. Plötzlich entsteht Unruhe vor den Häusern. Aurelio, Rochélio, Pastora, Rubén, Jorchelina und Emilia kommen ganz aufgeregt von der Versammlung. Die Männer sind außer sich. »Sie hätten uns fast geschlagen!«, rufen sie. Schließlich können wir sie so weit besänftigen, dass man aus dem Durcheinander ihres Berichtes einigermaßen schlau wird. »Tranquillino sagte, dass Júan keine rechte Autorität sei, weil es ihm nicht gelungen sei, uns zum alten Glauben zurückzuzwingen. Er wollte, dass ein neuer Häuptling bestimmt wird, und setzte kurzerhand einen seiner Verwandten ein.«

Vor einigen Wochen ist der Bruder von Tranquillino mit seiner Familie in die Siedlung gezogen. Er hat viele schon erwachsene Söhne, unter denen der Zauberer nun reiche Auswahl hat.

Wir begreifen, dass nicht Júan, sondern Tranquillino der eigentliche Machthaber in Ko'éju ist. Sonst hätte er nicht einfach Júan absetzen können, um den zum Häuptling zu ernennen, den er für richtig hält.

Die wirkliche Autorität in einer Guarani-Siedlung ist in der Tat der Schamane. Der Häuptling als Vertreter der zivilen Gewalt hat jedoch wenig Macht und ist eher der Erste unter Gleichen. Er ist der Wächter der guten Beziehungen derer, die in einer Siedlung zusammen wohnen. Heute hat er vermehrt die Aufgabe, die Rechte der Siedlung gegenüber den staatlichen Behörden zu vertreten, und wir messen ihm daher oft eine größere Bedeutung zu, als er tatsächlich hat. Man erkennt den Häuptling freiwillig an, solange seine Autorität annehmbar erscheint. Sollte es jedoch Konflikte geben und die Bewohner einer Siedlung in unterschiedliche Parteien spalten, verlässt meist die Gruppe der Unzufriedenen das Dorf.

In Ko'éju war es nach den Worten des Schamanen zu Unruhe gekommen. Eine Gruppe, der auch die Christen angehörten, war mit der Entscheidung des religiösen Führers nicht einverstanden.

»Dieser junge Mann ist erst seit ein paar Wochen hier und soll über uns bestimmen?«, sagten sie aufgebracht. »Dazu hat er kein Recht!«
So war Streit entstanden. Schließlich hatte Aurelio die Beherrschung verloren, war aufgesprungen und hatte geschrieen: »Und überhaupt! Immer diese ewigen Versammlungen! Man kommt ja gar nicht mehr zum Arbeiten! Immer müssen wir nur hier herumsitzen und eure Reden anhören! Kein Mensch kommt mehr dazu, sein Feld zu bestellen wegen euren blöden Sitzungen!«

Rochélio pflichtete ihm bei und daraufhin hatten die Dorfpolizisten sie mit Knüppeln bedroht, weil sie so ungehörig gegen die Autoritäten geredet hatten. Aurelio, Rochélio und einige andere waren zu den Missionaren geflüchtet.

Wir haben Aurelio noch nie so erlebt. Er war vor einigen Monaten Christ geworden, und wir haben uns in der letzten Zeit sehr an seinem strahlenden und fröhlichen Wesen gefreut. Nun erkennen wir ihn fast nicht mehr. Die anderen haben Angst, dass die Dorfpolizisten kommen könnten, um sie mit Gewalt zurück zur Versammlung zu holen. Aurelio jedoch befürchtet, dass man seine Mutter für sein ungebührliches Verhalten bestrafen werde, und will zurück zum Versammlungsplatz stürmen, um sie zu verteidigen. Nur mit Mühe können er und die anderen beruhigt werden. Es wird darüber beraten, ob es nicht besser sei, die Nacht auf der Missionsstation zu verbringen, doch schließlich gehen alle zum Haus von Dionicio, um dort gemeinsam zu übernachten und so besser gegen eventuelle Übergriffe der Gegenpartei gewappnet zu sein.

Von Dionicio erfahren wir später, dass der Häuptling allen Gläubigen ein Ultimatum gestellt hatte. Sie sollten bis zum nächsten Morgen um 7 Uhr die Siedlung verlassen haben. Bis dahin geschieht jedoch nichts. Es herrscht eine gespannte Ruhe.

Da einer der Missionare am darauf folgenden Tag sowieso nach Asunción fahren will, beschließen endlich die Christen, die Männer mit in die Hauptstadt zu schicken, um Beschwerde beim Indianerschutzdienst einzulegen. Es wird ein Schreiben aufgesetzt, in dem dringend um Hilfe gebeten wird, um die den Indianern in Paraguay zugesicherte Religionsfreiheit auch in Ko'éju durchzusetzen.

Inzwischen beginnt es zu regnen und alle Erdstraßen werden unpassierbar. Der Indianerschutzdienst kann nicht kommen, um die Dokumente zu übergeben. Stattdessen kommt nach einigen Tagen eine Abordnung von API, einer von Indianern für Indianer gegründeten Institution. Walter Flores, der Leiter von API, erklärt allen Bewohnern von Ko'éju, dass eine Bedingung der Landübergabe die Religionsfreiheit sei. Weder der Häuptling noch der religiöse Führer hätten das Recht, jemanden gegen seinen Willen wieder zur ursprünglichen Mbya-Religion zurückzuzwingen. Jeder dürfe glauben, was er wolle.

Die Wogen beginnen sich zu glätten und die Missionare atmen dankbar auf. Der gewohnte Alltag kehrt zurück, und schließlich zieht wieder Friede in die Siedlung ein. Die Dokumente über den Landtitel können gefahrlos übergeben werden.

Aurelio jedoch fühlt sich lange Zeit sehr unwohl und spricht immer wieder davon, die Siedlung zu verlassen.

Eines der höchsten Ideale unter den Guarani ist die Fähigkeit, seine Aggressivität zu beherrschen. Jemand, der ohne Zorn und Wut in sanfter Weise mit seinen Mitmenschen umgehen kann, wird hoch geschätzt. Aurelio hatte sich durch seinen Wutausbruch sehr schlecht benommen und musste sich schämen. Mehr noch: Er hatte die Stammesgemeinschaft auf das Schwerste gestört, und sein Verhalten wurde von allen als schlimme Verletzung der Normen empfunden.

Und da ist noch ein Problem. Die Aufforderung des Häuptlings, dass sich alle lieben sollten, bedeutet nämlich nicht, dass die Mbya sich untereinander so begegnen sollen, wie es die Bibel unter Nächstenliebe versteht. Bei dem Wort Liebe haben wir es wieder einmal mit einem Ausdruck zu tun, den die Indianer mit anderen Inhalten füllen als die Missionare. Sicherlich kann man das Wort »mborayhu« (Liebe) auch sehr gut verwenden, um das auszudrücken, was die Bibel unter der Liebe Gottes zu seinen Geschöpfen und die Liebe der Menschen zu Gott versteht.

»Mborayhu« bedeutet ursprünglich jedoch noch etwas anderes. Man könnte es vielleicht als »Stammessolidarität« bezeichnen. Für den Mbya ist die Solidarität der einzelnen Stammesmitglieder sehr wichtig. Für unsere Vorstellung von freier Entscheidung des Einzelnen haben sie jedoch wenig Verständnis, da es dieses Ideal in ihrer Kultur nicht gibt. Bei ihnen sind vielmehr die Interessen der Gruppe wichtig, denen sich der Einzelne unterzuordnen hat.

Die Stammessolidarität hat aber auch religiösen Charakter. Nicht das einzelne Individuum kann mit den Geistern in Verbindung treten, sondern nur der Mensch in der Stammesgemeinschaft. Der Schamane benötigt die Einheit in der Gruppe, um mit den Geistern Kontakt aufzunehmen. Jeder, der durch sein Verhalten Unruhe und Uneinigkeit in den Stamm bringt, begeht ein großes Unrecht, denn er schmälert die Kraft des religiösen Führers. In dieser Rolle sahen die Autoritäten der Guarani die Christen. Sie wurden darum immer wieder als Übeltäter angeklagt und aufgefordert, zur allgemeinen Stammessolidarität zurückzukehren. Wer das nicht wollte, musste eigentlich die Gemeinschaft verlassen. Für die Indianer gibt es keine andere Lösung des Problems. Sie sind es gewohnt, dass bei Streit immer einer der Beteiligten zu gehen hat, um die Harmonie wiederherzustellen. Da Menschen jedoch allgemein sehr leicht in Unstimmigkeiten geraten, und bei den Indianern ist das auch nicht anders, liegt hier einer der Gründe für den häufigen Wohnortwechsel der Guarani. Verträgt man sich nicht mit seinem Nachbarn, packt man seine Sachen. Gibt es Streit mit dem Häuptling, verlässt man die Siedlung.

Die Missionare hatten also, ohne es zu wissen, durch die Verkündigung des Evangeliums die Stammessolidarität gestört. Wie aber konnten wir den Verantwortlichen klar machen, dass wir nicht die Absicht hatten, ihre Autorität zu untergraben oder das gute Einvernehmen der Siedlungsbewohner zu stören?

Die Botschaft von Jesus Christus ist eine gute Botschaft, eine Botschaft der Befreiung und Hilfe heraus aus den Ängsten und Belastungen. Nur wer sich auf sie einlässt, lernt den Beweggrund der Botschaft kennen: Gottes Liebe. Schade, dass sie oft anders interpretiert wird."

[a.a.O., S. 75 - 81]

1999


Abb.: Entwicklung der Coca-Anbaufläche (in Hektar) 1985 bis 1999


Abb.: Entwicklung der Coca-Produktion (in 1000 Tonnen) 1985 bis 1999


Abb.: Kompensationszahlungen für Aufgabe von Coca-Anbau (in US$) 1986 bis 1999

[Quelle der drei Grafiken: Medinaceli Soza, Sergio <1945 - > ; Zambrana Román, Jebner: Coca-cocaína : más alla de las cifras 1985 - 1999. -- La Paz : Cámara de Diputados, 2000. -- ISBN 99905-0-036-3]

1999

Medinaceli Flores, Carlos ; Peigné, Alain: Pachamaman urupa : manual de capacitación de campesino a campesino. -- La Paz : CICDA/RURALTER, 1999. -- 89 S. : Ill. -- ISBN (Serie metodológica ; 3). -- ISBN 99905-0-007-X. -- [Der erste Autor war unser hervorragender Begleiter außerhalb von La Paz]


Abb.: "Leider gibt es keinen Stromanschluss"

  • "El principal obstáculo para aprender es: yo ya lo sé, que es la resistencia a abandonar supuestos y dar apertura para nuevos conocimientos.
  • El segundo obstáculo es: nunca podría aprender esto; lo nuevo inhibe a la persona.
  • El tercer obstáculo es la "ceguera cognitiva": no sabemos que no sabemos."

[a.a.O., S. 19, Abb. S. 14]

1999

Raul Sandoval (Architekt): Wohnhaus in Lehmkonstruktion, La Paz:


Abb.: Gesamtansicht


Abb.: Detail


Abb.: Grundriss

[Quelle der Abb.: Minke, Gernot <1937 - >: Das neue Lehmbau-Handbuch : Baustoffkunde, Konstruktionen, Lehmarchitektur. -- 5., gründlich bearbeitete und erweiterte Aufl. -- Staufen bei Freiburg : ökobuch, ©2001. -- ISBN 3922964869. -- S. 306f. -- {Wenn Sie HIER klicken, können Sie dieses Buch  bei amazon.de bestellen}]

1999-02

"Megastaudamm umstritten

(La Paz, Februar 1999, na-Poonal).- Das Staudammprojekt am Beni- Fluss in Nordosten des Landes ist sowohl von den Betroffenen, als auch von nationalen und internationalen Umweltgruppen kritisiert worden. Für einige stellt das Kraftwerk den Traum von sauberer und exportfähiger Energie dar, für andere ist es der Alptraum von Umweltverschmutzung und Zwangsumsiedlung indigener Bevölkerung.

Das Projekt mit Namen "El Bala" stellt keine hohen Anforderungen an die Ingenieure, da das Flusstal an der vorgesehenen Stelle sehr schmal ist und der Staudamm selbst daher relativ klein ausfallen würde. Die Auswirkungen auf die Ökosysteme und die dort lebenden Menschen sind allerdings groß, da die gesammelten Wassermaßen ein riesiges Gebiet überschwemmen würden. Die dort herrschende biologische Vielfalt würde unwiederbringlich zerstört. "Die Folgen werden enorm sein", sagt die Direktorin der biologischen Station am Beni, Carmen Miranda, "das gesamte Indianerreservat Pilón Lajas würde überflutet."

Ganz genau weiß eigentlich niemand, wie groß das überflutete Gebiet letztendlich sein soll, da sich das Projekt noch in der ersten Planungsphase befindet. Die private Ingenieurfirma ICE hat erste Durchführbarkeits-Studien angestellt, die zwischen drei und fünf Millionen US-Dollar kosten werden. Ein kleiner Betrage im Hinblick auf die Gewinnaussichten des Stauwerks: Die werden auf 800 bis 900 Millionen US-Dollar kalkuliert. Die gesamten Baukosten sind auf rund zwei Milliarden Dollar angesetzt.

Nachdem das Projekt mehr als fünfzig Jahre in der Schublade lag, hat die Regierung von Präsident Hugo Banzer die Pläne wieder herausgeholt und im August vergangenen Jahres zur nationalen Priorität erklärt. Brasilianische Energieunternehmen stehen schon in den Startlöchern, um alles an Strom zu kaufen, was Bolivien erzeugen kann. Der Präsident der bolivianische Akademie der Wissenschaften, Carlos Aguirre, schätzt die aktuelle Kapazität zur Energieerzeugung im ganzen Lande auf etwa 600 Megawatt. El Bala würde eine maximale Leistung von 3.000 Megawatt erbringen, das ist fünfmal mal soviel wie heutzutage erzeugt und verbraucht wird.

"Es ist viel zu groß, um nationalen Interessen zu dienen, " erklärt der Hydrologe Jorge Molina von der nationalen Universität San Andrés zum Projekt. Einige Kritiker haben die Pläne mit der Schaffung eines Mittelmeers verglichen, die Bolivien die Küste wiederbringen soll, die es im 1879 bis 1884 dauernden Krieg mit dem Nachbarland Chile verlor.

Da die betroffene Region flach ist, würde der Stausee eine sehr ausgedehnte Fläche überschwemmen. Richtung Südosten wären Teile des Indígena- und Biosphärenreservates Pilón Lajas betroffen, möglicherweise stünde es sogar völlig unter Wasser. Richtung Nordwesten hieße für einen Großteil des Nationalparks Madidi "Land unter". Außerdem würden nach Angaben von International Rivers Network Gebiete folgender indigener Völker berührt: Tacanas, Chimanes, Mosetenes, Esses, Ejjas, Lecos und Quechuas.

Die Biologin Soraya Barrera, beschäftigt beim Nationalen Naturkundemuseum, arbeitet am technischen Bericht des Projektes. Sie schätzt, dass der Staudamm eine Höhe von 205 Meter hätte und der Stausee sich 180 Kilometer Richtung Süden ausdehnen würde, bis nach Sapecho-Covendo und noch über das Pilón Lajas -Reservat hinaus. Der Beni-Fluss ist ein wichtiges Transportmittel für die lokale Bevölkerung, doch die Verteidiger des Projekts haben sich bislang nicht um die Beschwerden der eingeborenen Volksvertreter gekümmert. "Die Betroffenen sind nicht wahrgenommen worden", sagt der Präsident des Tacana-Rates, Celin Quenevo.

Jorge Molina erläutert, dass viele Bewohner des betroffenen Gebiets das Projekt unterstützen, weil sie sich davon Vorteile versprechen. "Sie glauben, es sei ein großes Projekt für die Region und sie hätten dann Strom," sagt der Hydrologe, der kein Gegner des Projektes ist. Er spricht sich dafür aus, kleine Wasserkraftwerke auf den Staudamm setzen und so die Infrastruktur von El Bala zu nutzen.

Doch diese Nutzungsmöglichkeit kann die Biologinnen Soraya Barrera und Carmen Miranda angesichts der Nachteile nicht überzeugen. Barrera erklärt, die Überschwemmungsregion sei eine der biodiversifiziertesten überhaupt. Und Miranda schätzt die Zahl der Gefäßpflanzen im Nationalpark Madidi auf 4.000 bis 5.000. Zudem würde der Staudamm das Ablaichen der Fische weiter stromaufwärts verhindern.

Ein weiteres kontrovers diskutiertes Thema ist die mögliche Lebensdauer des Staudamms. Das aufgestaute Wasser werde zu Ablagerungen führen, was eine langsame aber sichere Verschlammung des Stausees bedeuten würde, sagen die Umweltschützer. Sie fragen sich, ob das Projekt so überhaupt noch Sinn macht. Molina hingegen meint, das Hunderte von Jahren vergingen, ehe der Schlamm so weit steige. Ein weiterer Kritikpunkt ist in diesem Zusammenhang das Fehlen der Sedimente flussabwärts. Die Fruchtbarkeit des dünnen tropischen Bodens würde bei einem Ausbleiben der regelmäßigen Überschwemmungen leiden, lautet die Argumentation. "Ganz Amazonien lebt vom Beitrag der Sedimente, die vom Flussoberlauf kommen", sagt Miranda. "Sie ernähren die weiter unten liegenden Gebiete." Was alle Umweltschützer fordern, ist eine ernsthaft geführte Debatte, bevor man an die Realisierung des Projektes denke.

Mike Ceaser"

[Quelle: Poonal. -- ©1999-02-12]

1999-03-15

Die von Population Services International und USAID produzierte Radionovela [Radioroman] Wila kasta  wird in 35 Folgen von 35 Radiosendern in den Departamentos La Paz, einem teil von Oruro und Nordpotosí in Aymara bzw. Castellano gesendet. Die Quechua-Fassung Yawar kasta wird in den Quechuagebieten von 41 Sendern gesendet. In dieser Radionovela sollen die Gestalten der traditionellen geburtshelferin, der Heilers und des modernen Doktors der Gesundheitserziehung dienen. [S. Duhaime, Jacques: La radionovela lo puede todo, salvo si el médico habla mucho. -- In: Tinkazos. -- 10, 2001. -- S. 101 - 111]


Abb.: Werbung für Wila kasta

1999-04


Abb.: Jüdische Zeitschrift "Macabi Leatid". -- La Paz. -- N° 17 (199-04)

1999-05


Abb.: Gewalt bei Protestveranstaltungen ist in Bolivien alltäglich

1999-05

"Korruption aller Orten - Regierungskreise mit Anklagen überhäuft

(La Paz, 31. Mai 1999, na-Poonal).- Gerardo Crespo Salinas führte ein ausschweifendes Leben für jemanden ohne abgeschlossenes Hochschulstudium mit einem kleinen Posten im Staatswesen. Mehr als 5.000 US-Dollar Einkommen hatte er im Monat zur Verfügung, obwohl er als Sekretärsassistent im Regierungspalast von La Paz nur 1.500 Bolivianos verdiente. Die entsprechen etwa 260 US-Dollar.

Gedeckt von seinem öffentlichen Amt und mithilfe seiner "politischen Kontakte" hatte er ein genauso prosperiendes wie einzigartiges Gewerbe aufgezogen: Er verkaufte Arbeitsplätze in der Zentrale der Nationalen Zollverwaltung. Für den Posten eines Wegeinspekteurs waren 1.200 Dollar fällig, für den eines Zollfahnders kassierte Crespo 2.000 Dollar. Das einträgliche Geschäft musste er leider aufgeben. Einer seiner Kunden, Julio César Quiroga, entschied sich dafür, "den Verkauf von Posten beim Zoll" zur Anzeige zu bringen, nachdem er sich von Crespo schlecht behandelt fühlte.

"Mir und anderen Personen hat er erzählt, wir könnten einen Haufen Kohle verdienen, wenn wir ihm 1.200 Dollar gäben. Doch wir mussten bis nach Pisiga an der Grenze nach Chile gehen und drei Monate dort arbeiten, bis wir das Geld wieder drin hatten und anfingen, zu verdienen," sagt Qiroga empört. Eine Untersuchung der Zeitung Presencia brachte ans Tageslicht, dass Crespo mit Leuten zusammenarbeitete, die direkt in der Regierung von Präsident Hugo Banzer sitzen.

Gastón Valle Crooker, der politische Ziehsohn des Ministers für parlamentarische Zusammenarbeit, Guillermo Fortin, war nach Angaben Quirogas derjenige, der das Geld sammelte und später die Posten vergab. Die Angezeigten bestreiten alle Vorwürfe. Nach einer gemeinsamen Untersuchung der Regierung und der in Deutschland ansässigen, auf Korruptionsstudien spezialisierten Nicht-Regierungsorganisation Transparencia Internacional sind der Zoll, die Polizei und das Justizsystem die korruptesten Institutionen in Bolivien. Obwohl die Regierung der Korruption den offenen Krieg erklärt hat, scheint das Schmiergeld so tief in Regierung und in Gesellschaft verankert zu sein, dass seine Ausrottung unmöglich scheint.

Am 21. September 1998 hatte Banzer den sogenannten Integritätsplan zur sofortigen Senkung der Korruption verkündet. Bolivien war auf den zweiten Platz in der Liste der korruptesten Länder emporgeschnellt, die Transparencia International Jahr um Jahr veröffentlicht. Eine Woche später veröffentlichten die Tageszeitungen La Razon und La Prensa gleichzeitig, dass der damalige Gesundheitsminister Tonchy Marinkovic Impfstoffe zu einem um 429.000 Dollar überhöhten Preis eingekauft und Zolldirektor Rubén Darío Castedo die illegale Einfuhr von 130 Autos aus Chile genehmigt habe. Auf den öffentlichen Druck hin musste Banzer beide Staatsdiener entlassen.

Diese Entscheidung führte zur Auseinandersetzung der beiden größten Parteien im Zehn-Parteienbündnis, das das Land regiert. Die Bewegung der Revolutionären Linken (MIR), der Marinkoviz angehört und die Nationalistische Demokratische Aktion (ADN) Castedos erklärten sich betroffen von den Entlassungen. Sechs Stunden nach der öffentlichen Verkündung von Banzers Entscheidung verließen die 20 MIR-Abgeordneten im Parlament den Sitzungssaal. MIR-Mitglied José Luis Paredes beschuldigte in der einzigen Wortmeldung seiner Partei an diesem Tag die ADN, "die Vorgänge im Zoll mit den Anschuldigungen gegen den Gesundheitsminister zu bereinigen."

Der ehemalige Präsident (1989-93) und MIR-Chef Jaime Paz Zamora bezeichnete die Entscheidung Banzers als "unangemessen", eine dermaßen große "landesweite Resonanz" sei der Vorfall nicht wert gewesen. Doch die MIR musste einen weiteren Imageverlust hinnehmen. Am 23. März wurde der damalige Arbeitsminister Leopoldo López von der MIR beschuldigt, in Schmuggel- und Steuervergehen verwickelt zu sein. Ein Lopez gehörender, tonnenschwerer Kühllast wagen war in Santa Cruz von Zollfahndern untersucht und festgehalten worden. Wie die Zollverwaltung später mitteilte, habe der Lopez-LKW "mehrfach Unregelmäßigkeiten bei der Einfuhr von Waren begangen und in mehrfachem Falle die Zahlung von Importzöllen umgangen." Lopez reichte sieben Tage später seinen Rücktritt ein, versicherte aber, unschuldiges Opfer einer Verleumdungskampagne zu sein.

MIR-Senator Gaston Encinas, ein hoher Parteifunktionär, hat vorgeschlagen, sowohl Marinkovic wie Lopez sollten ihre Posten als MIR-Funktionäre aufgeben und "sich der gewöhnlichen Justiz stellen." Die kritische Haltung Encinas verwandelte sich allerdings in einen Bumerang für den Senator. Plötzlich stand er selbst im Mittelpunkt eines Betrugs von 1,2 Mio US-Dollar. In den letzten Tagen des April hatte ein Richter der Stadt Sucre entschieden, die von Encinas gesponserte Firma habe jene Summe von der Nationalen Zementfabrik erschwindelt. Auch wenn der Richterspruch nur den angeblichen Teilhaber Encinas, Santiago Arana - übrigens auch MIR-Mitglied - für schuldig befindet, so hat doch der Anwalt der Klägerseite angekündigt, weitere rechtliche Schritte gegen Encinas vorzunehmen. Der Beschuldigte hat mehrfach seine Unschuld beteuert.

Die Korruption umfasst aber auch den Justizbereich. Nach Erklärungen des Innenministeriums haben 16 Richter in den Städten Cochabamba und Santa Cruz "geschönte" Urteile gesprochen und Verfahrensfehler begangen, und damit "dicke Fische" des Drogenhandels begünstigt. Bisher sitzt einer der Richter, Gustavo Villaroel, wegen Straftaten und Verbindungen zum Drogenmilieu hinter Gittern, weitere sieben wurden versetzt und zwei vom Dienst suspendiert. Otto Ritter, der Vorsitzenden der alteingesessenen Partei Falange Socialista Boliviana, hat nachgerechnet: Nach seinen Berechnungen kostet die Korruption in den öffentlichen Unternehmen die Bürger des Landes jährlich 175 Millionen US- Dollar. "Das ist soviel, als ob sie jedem bolivianischen Bürger täglich zwei Bolivianos aus seiner Tasche ziehen würden. Das reicht immerhin reicht, um sich sechs Brote zu kaufen," sagt Ritter.

José Antonio Aruquipa"

[Quelle: Poonal. -- ©1999-06-04]

1999-06-17

"Cosa Nostra Boliviana - Italienische Mafia in Bolivien aufgeflogen

Als am 17. Juni in Santa Cruz ein Gutes Dutzend Männer festgenommen wurden, ahnte wohl niemand, welche dicken Fische der bolivianischen Polizei ins Netz gegangen waren: Eine Gruppe von Italienern und Bolivianern, die der italienischen Mafia zugerechnet werden, hatte höchste militärische Kreise infiltriert und verfügte über ein Netz aus Drogenschmuggel, Waffenhandel, Spionage und Geldwäsche.

Die Telefongesellschaft Entel (Empresa Nacional de Telcomunicaciones) - entgegen ihrem Namen längst nicht mehr staatlich, sondern von der italienischen Firma Stet übernommen - hatte Anzeige gegen eine in Santa Cruz operierende Gruppe erstattet, die mit nachgebauten Mobiltelefonen einen Schaden von über 100.000 Dollar verursacht haben sollte. Am 17. Juni wurden daraufhin in Santa Cruz 15 Personen festgenommen, unter ihnen bekannte Persönlichkeiten des politischen und gesellschaftlichen Lebens der Stadt: Luis Alberto, Präsident der Firma Juegos Illimani, die neben zwei großen Bingo-Sälen- wie sich bald herausstellte - auch mehrere illegale Casinos in Santa Cruz betreibt, der Italiener Fausto Barbonari, früher diplomatischer Vertreter und Ehemann der MNR-Politikerin Adela Prado, Jorge Antonio Flores Reus, Rechtsanwalt und juristischer Berater von Juegos Illimani, zudem Chef der NFR-Partei (Nueva Frente Revolucionaria) in Santa Cruz sowie der Italiener Marco Marino Diodato - der Mann, dessen Vergangenheit in den nächsten Tagen und Wochen die bolivianische Öffentlichkeit bewegen sollte.

Am Tag seiner Festnahme war über ihn nicht viel mehr bekannt, als dass er Berater des Geschäftsführers von Juegos Illimani ist, ein eigenes Casino im Hotel Los Tajibos betreibt und ein erfolgreicher Fallschirmspringer ist. Doch bereits die erste Durchsuchung seines Hauses ließ ganz andere dunkle Machenschaften erahnen: In einer als Schreinerei getarnten Werkstatt fand man größere Mengen an Munition und Waffen - darunter High-Tech-Präzisionswaffen und Maschinengewehre - sowie Abhöranlagen und riesige Antennen. Von da an verging kaum ein Tag, an dem nicht neue Erkenntnisse über Diodatos Verwicklungen und illegale Aktivitäten bekannt wurden. "

[Quelle: http://www.bolivia-info.de/archivo/numero122.html. -- Zugriff am 2002-09-13]

1999-06-21

Interview mit Dorothea Paß-Weingartz, grüne Bürgermeisterin der Stadt Bonn

Bonner Barock in La Paz

Seit einigen Jahren werden seitens der Stadt Bonn partnerschaftliche Beziehungen zu La Paz auf -und ausgebaut. Wird dieses Projekt von allen im Rat vertretenen Parteien unterstützt?

Nachdem wir zwei Jahre darüber diskutiert haben, gehe ich davon aus, dass mittlerweile alle Fraktionen von der Richtig- und Wichtigkeit dieses Schritts überzeugt sind, zumal die Stadt La Paz wichtige Voraussetzungen für eine solche Kooperation mitbringt. Sie ist in diesem Jahr Kulturhauptstadt Lateinamerikas, das heißt, es gibt dort ein Kulturangebot, das sich mit dem Bonns messen lässt und das sehr, sehr interessant ist. Die Stadt La Paz hat in ihrer Struktur, vor allem auch in der Kombination mit El Alto, all die Elemente, die wir für eine Kooperation im Sinne der Agenda 21 für wichtig halten. Es gibt eine starke indigene Bevölkerung, und wir haben auch im Bereich des kommunalen Know-How-Transfers wichtige Ansatzpunkte, gerade in Fragen von Wasser- und Abfallwirtschaft. Was ich persönlich für sehr wichtig halte, sind Projekte im Bereich der Kinder- und Jugendarbeit, die wir unterstützen können, von denen wir als Bonner aber auch eine Menge lernen können, beispielsweise im Bereich der Straßenkinderarbeit.

Was können wir in Bonn von Straßenkinderprojekten in La Paz lernen?

Wir haben mittlerweile um den Bonner Hauptbahnhof herum einige Straßenkinder, ein Phänomen, das im Vergleich zu größeren Städten wie Köln und Berlin noch relativ klein ist, aber es gibt eben auch hier welche. In La Paz sind es sehr viele. Demzufolge gibt es dort auch sehr viele unterschiedliche Konzepte, um mit ihnen zu arbeiten. Ich denke, dass dort schon sehr viel mehr darüber nachgedacht worden ist, wie man mit solchen Kindern und Jugendlichen umgeht. Ich kann mir vorstellen, dass dieses Nachdenken auch für uns hilfreich sein kann. Während hier normalerweise immer die Erwartung der Reintegration in das „normale" Leben im Vordergrund steht, gibt es in Bolivien eine Reihe von Projekten, bei denen man den Jugendlichen sozusagen die „Autonomie der Straße" lässt und ihnen Stützungsinstrumente anbietet wie Wohnungen, in denen sie schlafen, sich waschen und essen können, ohne sie unbedingt von der Straße „zurückzuholen".

Gibt es sonst schon irgendwelche Kooperationsprojekte, die im Sinne der Gegenseitigkeit laufen können?

Zum Ende der Sommerferien wird eine Praktikantin aus La Paz in der Bonner Stadtverwaltung im Bereich der Abfallwirtschaft anfangen. Die Carl-Duisberg-Gesellschaft hat Bonn und La Paz in ein Förderprogramm für kommunale Partnerschaften im Sinne der Agenda 21 aufgenommen. Und ich denke, dass ich bei meinem Besuch Mitte Juli mit den Verantwortlichen in La Paz über konkrete Projekte, zum Beispiel im Bereich Wasserwirtschaft, reden werde. Zur Zeit läuft ein kulturelles Austauschprojekt. Die „Bonner Barockmusiker" befinden sich in La Paz und unterrichten kostenlos an den dortigen Schulen und geben Konzerte, die sehr gut angenommen werden.

Nur an der deutschen Schule?

Nein, an allen möglichen Schulen. Die Musiker sind jedes Mal ganz begeistert von dem Interesse der Musikschüler dort, die natürlich auch froh über sämtliches Notenmaterial sind, an das sie sonst schwer gelangen. Anfang November diesen Jahres werden wir zudem wahrscheinlich wieder mit einer Kulturdelegation nach La Paz gehen: auf ausdrücklichen Wunsch der Bolivianerinnen mit einem Kinder- und Pantomimen-Theater, einem Tanztheaterstück, einem Ensemble für Neue Musik und einer Auswahl deutscher Filme.

Hängt das „wohl" mit den anstehenden Kommunalwahlen zusammen?

Ich gehe davon aus, dass auch eine neue Stadtregierung, unabhängig von ihrer Zusammensetzung, das Konzept für internationale Beziehungen der Stadt Bonn weiterhin trägt. Denn für das Zukunftsprofil Bonns ist das enorm wichtig. Bei Teilen der CDU scheint allerdings das Verständnis dafür noch sehr unterentwickelt zu sein. Schon allein aus diesem Grunde ist es wichtig, eine rot-grüne Mehrheit in dieser Stadt zu halten.

Die Kooperation auf der Ebene der Stadtverwaltungen ist eine Sache, eine Partnerschaft der Bürgerinnen eine ganz andere. Gibt es bereits tragfähige soziale Kontakte zwischen unabhängigen Institutionen und sozialen Gruppen aus beiden Städten?

Entscheidend ist natürlich, dass es sowohl in La Paz, inklusive El Alto, als auch in Bonn unabhängige Gruppen gibt, die eine solche Kooperation vorantreiben. Ich weiß, dass sich in La Paz eine Art Freundeskreis mit Bonn gegründet hat, bestehend hauptsächlich aus Wissenschaftlern und engagierten Leuten, die seit längerem an dieser Kooperation interessiert sind. Mit denen gemeinsam müssen wir verlässliche Leute in der Verwaltung ausfindig machen, die unabhängig von politischen Wechselbädern daran mitwirken, dass sich die Beziehungen kontinuierlich gestalten. Wir werden dabei von Mitarbeitern des Goethe-Instituts, der Friedrich-Ebert-Stiftung und der Deutschen Botschaft unterstützt. Ich denke, dass wir da also durchaus fündig werden können. Mir schwebt auch vor, dass wir im Bereich der Frauenarbeit Projekte entwickeln können, allerdings nicht als Anstöße von außen, sondern ausgehend von bestehenden Projekten.

Das Gespräch führte Ulrich Mercker am 21. Juni 1999 in Bonn."

[Quelle: ila : Zeitschrift der Informationsstelle Lateinamerika. -- Bonn. -- ISSN 0946-5057. -- Nr. 227 (©1999-07). -- S. 25]

1999-07

"Raus aus der Vereinzelung : Hausarbeiterinnen organisieren sich

In Bolivien gibt es über 100 000 Frauen, die für ihren Unterhalt als Hausangestellte arbeiten. In La Paz gründete sich 1993 die nationale Hausarbeiterinnen-Gewerkschaft FENATRAHOB (Federación Nacional de las Trabajadoras del Hogar). Die Organisation kämpft seitdem darum, die Lebens- und Arbeitsbedingungen der Frauen zu verbessern. Mit der Verabschiedung eines entsprechenden Gesetzes Ende letzten Jahres durch das bolivianische Parlament konnte die Gewerkschaft einen wichtigen Erfolg verbuchen.

Anfang der 80er Jahre gründeten Hausarbeiterinnen in verschiedenen Vierteln von La Paz erste Selbsthilfegruppen. Der Anstoß dazu kam von der katholischen Kirche. Ein Pastor einer Gemeinde im Stadtteil Sopocachi hatte während einer Messe Hausarbeiterinnen zur Teilnahme an der Erstkommunion eingeladen. Zur Vorbereitung der Zeremonie bildete sich eine Gruppe, die sich regelmäßig in den Gemeinderäumen traf. Als eine Teilnehmerin von Problemen mit ihren ArbeitgeberInnen berichtete, wurde dies zum Auslöser gemeinschaftlichen Handelns: Die Hausarbeiterin wollte in ihr Dorf zurück, da ein Mitglied ihrer Familie erkrankt war. Um ihre Familie unterstützen zu können, forderte sie ihren ausstehenden Lohn. Die ArbeitgeberInnen wollten ihr den Lohn nicht zahlen, sondern beschuldigten sie im Gegenzug, einen Goldring geklaut zu haben, dessen Wert die Höhe der Lohnforderung überstieg. Die Hausarbeiterin erzählte in der Gruppe darüber, was dazu führte, dass die Frauen sich solidarisierten und die
erste Gewerkschaftsgruppe gründeten.

Derartige Auseinandersetzungen stehen für die Hausarbeiterinnen quasi täglich an. Gemeinsam haben die Frauen größtenteils aber auch ihre Geschichte. Die meisten kommen im Alter von 10 bis 16 Jahren vom Land in die Stadt. In La Paz stammt der Großteil von ihnen aus dem Hochland. Sie wachsen in der Dorfgemeinschaft mit ihrer Familie auf, wo sie von früh an in der Landwirtschaft mitarbeiten müssen. Die Mädchen besuchen meist nur sehr kurz die Schule. In der traditionellen Rollenverteilung heiraten sie, kriegen Kinder und sind für deren Versorgung zuständig. Da die Familien auf dem Altiplano sich nur schwer vom kargen und knappen Boden ernähren können, schicken Eltern ihre Töchter häufig in die Stadt zu entfernten Verwandten, um dort im Haushalt zu helfen. Für manche ist der Wechsel in die Stadt aber auch eine eigene Entscheidung. Da schlechte Erfahrungen in den Dörfern nicht weitergegeben werden, sehen sie nur die Verheißungen des Stadtlebens: Freundinnen, die in die Stadt gegangen sind, kommen schön gekleidet zu Besuch und schicken ihren Familien Geld zur Unterstützung.

In La Paz angekommen, erleiden die jungen Frauen erst einmal einen Kulturschock. Sie kennen niemanden und leiden unter Einsamkeit. Zudem sprechen sie wenig oder gar kein Spanisch, sondern Aymara oder Quechua. Erschwerend kommt der Rassismus der weißen Oberschicht und der mestizischen Mittelschicht gegenüber ZuwanderInnen vom Land hinzu.

Ist nicht schon von vornherein ausgemacht, dass sie bei entfernten Verwandten unterkommen, finden sie über Vermittlungsagenturen eine Anstellung. „Ich nahm eine Arbeit bei der Schwägerin der Ehefrau meines Onkels an, als ich 15 Jahre alt war“, beschreibt Viviana Ramos ihre Ankunft in der Stadt.  „Das war sehr schwierig für mich. Ich kannte die Stadt nicht, die großen Gebäude, die Lichter. Ich sollte bügeln, aber ich wusste nicht, was ein Bügeleisen ist. Die Señora beschimpfte mich und machte sich über mich lustig. Sie fragte mich nach der Uhrzeit, aber ich kannte keine Uhr. Auf dem Land haben wir uns am Sonnenstand orientiert. Ich weinte viel. Ich konnte das nicht mehr aushalten.“

Die meisten der jungen Hausarbeiterinnen arbeiten cama adentro, leben also im Haus ihrer ArbeitgeberInnen. Diese stellen den Frauen ein winziges Zimmer zur Verfügung, manchmal auch nur eine Matratze im Wohnzimmer, die ausgerollt wird, wenn alle Mitglieder der arbeitgebenden Familie schlafen gegangen sind. Freie Tage oder gar Urlaub gibt es so gut wie überhaupt nicht, die „Dienstmädchen“ müssen ununterbrochen zur Verfügung stehen. Obwohl die Arbeitsbelastung nicht immer gleich intensiv ist, haben die Hausarbeiterinnen dadurch kaum Zeit zur freien Verfügung. Neu und isoliert in der Stadt, werden die Frauen von den ArbeitgeberInnen meist als „Freiwild“ für Ausbeutung und Misshandlungen angesehen. Nicht selten wird den Frauen für ihre Schwerstarbeit auch noch der Lohn vorenthalten. Die ArbeitgeberInnen geben vor, das Geld auf der Bank anzulegen – was sie natürlich nicht tun, oder sie drängen auf eine Entlohnung durch abgelegte Kleidung, Unterkunft und Verpflegung. Trotz der schweren Arbeitsbedingungen und der oft schlechten Behandlung stellt die Familie, in der sie arbeiten, den einzigen sozialen Bezugsrahmen der jungen Frauen
dar. Aufgrund ihrer Fremdheit, der unbegrenzten Arbeitstage und der isolierten Arbeitssituation finden sie ansonsten kaum Anknüpfungspunkte in der Stadt.

Seit den Anfängen in den 80er Jahren sind in allen großen Städten Boliviens Selbsthilfeorganisationen entstanden. 1993 haben die verschiedenen Gruppen dann den Nationalen Dachverband FENATRAHOB mit Sitz in La Paz gegründet. „Bevor ich die Gewerkschaft kennenlernte, ging ich – wie viele andere – meinen eigenen Weg. An meinen freien Tagen spazierte ich zur Plaza, drehte eine Runde um die Kirche und ging gelangweilt, traurig und allein wieder zurück zu dem Haus, in dem ich arbeitete und wohnte“, beschreibt Casimira Rodríguez, heute Vorsitzende des Gewerkschaftsdachverbandes, ihre frühere Situation.

Die Gewerkschaft

Für viele Gewerkschaftsmitglieder stellt der Zusammenschluss in erster Linie einen Raum dar, um andere Frauen zu treffen, die sich in einer ähnlichen Lebenslage befinden. Sie suchen hier die sozialen Kontakte, die ihnen in der Stadt ansonsten fehlen. Die Gewerkschaft wird zum Familienersatz, der ihnen zugleich hilft, sich fortzubilden und die eigene Situation zu verändern. Die Treffen finden sonntags statt, da dies in der Regel der freie Tag der Hausarbeiterinnen ist – wenn sie einen haben. Die Gruppe in Sopocachi organisiert beispielsweise vormittags Fortbildungskurse zu Themen wie Kochen, Babysitting oder Nähen. Danach gibt es ein gemeinsames Mittagessen, zu dem jede etwas beisteuert. Am Nachmittag finden die Gewerkschaftstreffen statt, in denen Berichte von Seminaren vorgetragen und zukünftige Aktionen geplant werden. Der größte Teil der Gewerkschaftsarbeit erfolgt auf ehrenamtlicher Basis. Im Büro des Dachverbandes arbeiten aber mittlerweile auch drei Frauen hauptamtlich, alle
ehemalige Hausarbeiterinnen. Neben Kursen zur beruflichen Fortbildung bietet FENATRAHOB ihren Mitgliedern zudem Unterstützung bei Misshandlungen. Im Fall von Arbeitskonflikten gibt es eine juristische Beratung und eine Person, die die Arbeiterinnen zu Gerichtsterminen begleitet.

Ein Problem der Gewerkschaft ist ihr mangelnder Bekanntheitsgrad und somit die schleppende Rekrutierung neuer Mitglieder. Nur etwa 2000 der 114.000 Hausarbeiterinnen Boliviens sind in der Gewerkschaft organisiert. Da die Hausarbeiterinnen isoliert in Privathäusern arbeiten, gibt es keine Fabriktore als zentrale Mobilisierungsorte. FENATRAHOB versucht daher, ihre Arbeit über das Radio zu verbreiten. Damit erreichen sie zweierlei: Zum einen weist die Gewerkschaft eine breitere Öffentlichkeit auf die Probleme der Hausarbeiterinnen hin, zum anderen erreicht sie viele Hausarbeiterinnen an ihren Arbeitsplätzen, wo meist das Radio läuft. Eine weitere Möglichkeit, um an unorganisierte Hausarbeiterinnen heranzukommen, sind Flugblätter, die sonntags an öffentlichen Plätzen und in Parks verteilt werden. Dabei stellt sich allerdings das Problem, dass viele Hausarbeiterinnen Analphabetinnen sind. Am besten sei es daher, die Kolleginnen persönlich anzusprechen, berichten die Gewerkschafterinnen. Das bedeutet viel Kleinarbeit.

Ein Gesetz für die Hausarbeiterinnen

Ein weiteres wichtiges Projekt von FENATRAHOB ist die gesetzliche Regelung der Arbeitsverhältnisse. Erstmals wurde ein entsprechender Gesetzentwurf 1993 der Öffentlichkeit vorgestellt, der allerdings lange Jahre vom Parlament ignoriert und später dann blockiert wurde.

Bewegung kam erst 1998 in die Angelegenheit, als FENATRAHOB gemeinsam mit dem Ministeriumsabteilung für Gender-Angelegenheiten eine Vorlage erarbeitete, die am 3. September 1998 fertiggestellt wurde. Gemäß dieser soll die Arbeitszeit auf maximal acht Stunden pro Tag begrenzt werden, wenn die Frauen nicht in dem Haus wohnen, in dem sie arbeiten. Wohnen sie im Haus der ArbeitgeberInnen, kann diese auf zehn Stunden ausgeweitet werden. Durch die zusätzlichen zwei Stunden soll die Unterkunft beglichen werden. Die Löhne für beide Formen sollen aber gleich hoch sein. Für die Frauen soll der gesetzliche Mindestlohn gelten und sollen Überstunden bezahlt werden. Die Arbeiterinnen sollen in die Sozial- und Krankenversicherung integriert werden und Mutterschutz haben, was hier heißt, dass sie für ein Jahr nach Geburt eines Kindes unkündbar sind. Bis jetzt werden schwangere Hausarbeiterinnen häufig einfach entlassen.

Ferner spricht der Entwurf den Frauen mindestens einen freien Tag in der Woche zu, der vorzugsweise am Wochenende liegen soll, sowie geregelten Urlaub. Im Falle sexuellen Missbrauchs oder anderer Misshandlungen können sie Anzeige bei verschiedenen staatlichen Instanzen erstatten. Zudem sollen erstmals Kündigungsfristen gelten, für die Arbeitnehmerinnen vier Wochen, für die ArbeitgeberInnen ein Zeitraum von drei Monaten. Weiterhin sollen die ArbeitgeberInnen verpflichtet werden, den jungen Frauen eine der Grundschule äquivalente Ausbildung zu ermöglichen. Nach Möglichkeit soll ein schriftlicher Vertrag erstellt werden, der eine ausführliche Arbeitsplatzbeschreibung enthält, vor allem für wie viele Personen die Arbeitnehmerin tätig ist. Liegt ein solcher Arbeitsvertrag nicht vor, werden bei Unstimmigkeiten oder Streitigkeiten die Angaben der Hausarbeiterin als zutreffend zugrundegelegt.

Die meisten dieser Regelungen lesen sich wie Selbstverständlichkeiten. Für die Hausarbeiterinnen würden sie allerdings durchgreifende Verbesserungen bedeuten. Am 4. November 1998 beschloss das Parlament in einer ersten Lesung schließlich, dass ein solches Gesetzeswerk notwendig ist. Im bolivianischen Prozedere bedeutet dies, dass damit der Weg bereitet wurde, um die Vorschriften abschnittweise zu diskutieren und abzustimmen. Auch wenn dann noch die ganze Frage der Umsetzung und Überwachung folgt: Allein schon das Passieren der ersten Hürde bedeutet für FENATRAHOB einen Riesenerfolg!

Ina Hilse hat im Rahmen ihres Studiums im Herbst letzten Jahres als Praktikantin bei FENATRAHOB gearbeitet und im Anschluss ihre Diplomarbeit zum Thema geschrieben..

Ina Hilse"

[Quelle: ila : Zeitschrift der Informationsstelle Lateinamerika. -- Bonn. -- ISSN 0946-5057. -- Nr. 227 (©1999-07)]

1999-08

Über die Lage von Lesben und Schwulen in Bolivien:

ai-Journal August 1999

BOLIVIEN

Interview mit Maria Galindo

"Wir wollen kein Ghetto"

In den Ländern Lateinamerikas gelten Lesben und Schwule als "sozial unerwünscht". Sie werden verfolgt, mißhandelt, vergewaltigt. Das ai-JOURNAL sprach mit der lesbischen Aktivistin, Journalistin und Buchautorin Maria Galindo aus Bolivien über ihre Erfahrungen.

ai-JOURNAL: Wie würden Sie die Lage von Lesben und Schwulen in Lateinamerika charakterisieren?

Maria Galindo: Man kann die Situation homosexueller Menschen nicht getrennt von der allgemeinen politischen und wirtschaftlichen Lage betrachten. Wir haben eine hohe Arbeitslosigkeit, die besonders Jugendliche und Frauen trifft. Wir haben "Demokratien", die häufig die Menschenrechte nicht respektieren. Die Polizei geht in vielen Ländern häufig mit Gewalt gegen die Bevölkerung vor. Wenn es um Lesben und Schwule geht, agiert sie besonders brutal, da sie davon ausgehen kann, daß niemand etwas dagegen unternimmt. Es finden immer wieder Polizeikontrollen in Schwulendiskos und -kneipen statt. Wer keinen Ausweis bei sich hat, wird festgenommen, obwohl es beispielsweise in Bolivien keine Ausweispflicht gibt. Wenn sich die Lage in der "großen Politik" verschlechtert, dann wird mit uns "gespielt", um von den eigentlichen Problemen abzulenken.

Gibt es Gesetze, die homosexuelle Handlungen unter Strafe stellen?

Maria Galindo: Soweit ich weiß, ist Homosexualität in keinem Land Lateinamerikas strafbar. Die entsprechenden Gesetze in Ecuador und Chile sind in den letzten Jahren abgeschafft worden. Dies bedeutet allerdings nicht, daß wir uns frei fühlen können. Lesben und Schwule sind in der Öffentlichkeit kaum wahrzunehmen. Ich stehe seit sieben Jahren öffentlich dazu, lesbisch zu sein. Meine Freundin und ich sind weit und breit die einzigen, die sich das leisten. Die Konsequenz: Wir sind arbeitslos; wir werden von rechten Gruppen bedroht und sind schon Opfer von Übergriffen geworden.

Wissen Sie von Organisationen, die sich für Homosexuelle einsetzen?

Maria Galindo: Es gibt beispielsweise unsere Gruppe "Mujeres Creando" (Schöpferische Frauen). Wir sind keine ausschließliche Lesbengruppe - nicht um unser Lesbischsein zu verstecken, sondern weil wir kein Ghetto wollen. "Mujeres Creando" protestieren drei bis vier Mal in der Woche telefonisch oder mit Briefen bei Zeitungsredaktionen, Radio- und Fernsehsendern, weil dort Homophobie geschürt wird.

Würden Sie die bolivianische Gesellschaft als lesben- und schwulenfeindlich bezeichnen?

Maria Galindo: Homophobie ist in Bolivien stark ausgeprägt. Lesben auf dem Land haben es besonders schwer, denn Homosexualität bedeutet dort in jedem Fall den "gesellschaftlichen Tod". Jeder meint, sie seien krank. Sie stehen abseits der Gemeinschaft, verlieren ihre Familie und alle anderen sozialen Bindungen. Sie werden aber auch umgebracht oder in den Tod getrieben. In Städten sind viele Lesben in der Psychiatrie gelandet oder bringen sich um. Für Schwule ist es auch sehr schlimm, aber es gibt aus vorkolonialer Zeit Abbildungen, auf denen Sexualität zwischen Männern dargestellt ist. Es wird zum Beispiel nicht verurteilt, wenn sich Männer als Frauen anziehen. In La Paz gibt es immerhin eine Disko und eine Kneipe für Schwule.

Was passiert, wenn Homosexuelle nach einem Überfall zur Polizei gehen und Anzeige erstatten?

Maria Galindo: Möglicherweise würden sie die Anzeige aufnehmen, aber sich nicht dahinterklemmen. Mitglieder von "Mujeres Creando" wurden 1991 zwei Stunden lang von einer Gruppe von Männern mißhandelt. Wir haben einen Prozeß angestrengt. Die Polizei hat verhindert, daß die Täter bestraft wurden, indem sie unsere Beweismittel vernichtete. Und der Presse haben sie erzählt, daß das Verfahren "normal" liefe. Hier ist ein Exempel statuiert worden - vor allem für Lesben und Schwule, die noch nicht öffentlich zu ihrer Sexualität stehen.

Niemand wird in einem solchem Klima Gewalttäter anzeigen...

Maria Galindo: Und bisher wurde noch nie ein Täter bestraft. Es ist in Bolivien zwecklos, Anzeige zu erstatten. Warum sollten dann die Betroffenen ihr ganzes Leben "zerstören"? Gut ist, daß "Mujeres Creando" durch ihre politische Arbeit langsam in den Dialog mit der Gesellschaft kommen. Damit geben wir ein positives Beispiel für Lesben und Schwule.

Interview: Kassandra Ruhm und Jürgen Eichler"

[Quelle: http://www.amnesty.de/. -- Zugriff am 2002-10-06]

1999-08-16

Im Krankenhaus Valduna, Rankweil (Vorarlberg, Österreich) stirbt der Architekt Hans Roth (geb. 1934-07-26). Ich (Alois Payer) lernte ihn 1957/58, als er Präfekt der Bubenwerkstätten des Jesuitenkollegs Stella Matutina war kennen und schätzen. Wir starteten zusammen u.a. eine Massenproduktion von keramischen Weihwasserkesselchen und Aschenbechern.

Die Bedeutung Hans Roths für Bolivien rechtfertigt die Wiedergabe folgenden Nachrufs:

"Hans Roth

Im Frühjahr 1997 wurde Hans Roth im Landeskrankenhaus Feldkirch ein bösartiger Tumor aus einem Lungenflügel herausoperiert. Nach gutem Verlauf der Operation und anschließendem Erholungsaufenthalt flog er wieder ins Tiefland Boliviens zurück. Dort nahm er die Restaurierung der Indiokirche Santa Ana in Angriff.

Anfangs Juni 1999 erhielten wir die Nachricht, dass bei Hans Roth ein Pilzpfropfen im Lungenbereich diagnostiziert wurde. Zudem traten von den Beinen aufwärtsschreitende Lähmungserscheinungen auf. Nach der Entfernung des Pfropfes war Hans Roth transportfähig, sodass eine Überstellung ins Landeskrankenhaus Feldkirch möglich wurde. Hier erwies sich eine Verlegung auf die Neurologie in der Valduna Rankweil als notwendig. Doch ließ sich die Ausbreitung des Krebses durch Bestrahlungen und Chemotherapie nicht mehr aufhalten. Am 16. August 1999 ist er im Beisein seiner Frau Heidi unerwartet rasch und sanft entschlafen.

Den Auferstehungsgottesdienst feierten wir am 20. August in unserer Hauskapelle. Der offene Sarg war im angrenzenden Sprechzimmer aufgebahrt, sodass ihn die beiden aus Bolivien angereisten Söhne, die Verwandten und engeren Freunde nochmals sehen konnten. Nach der Kremation in Hohenems wurde die Urne in Stuttgart, der Heimat seiner Frau, beigesetzt.

Hans Roth wurde am 26. Juli 1934 als Sohn einer Arbeiterfamilie in Zürich geboren. Seine Kinder- und Jugendzeit in der Zürcher Altstadt (Oberdorfstraße) hat ihn stark geprägt, ebenso sein Engagement bei den katholischen Pfadfindern der Liebfrauenpfarrei. In Zürich besuchte er auch die Schulen bis zur Matura (Typus C) 1954. Nach Absolvierung der Rekruten- und Unteroffiziersschule trat er 1955 in Rue, Kt. Freiburg, ins Noviziat der Schweizer Jesuiten ein. Anschließend ergänzte er das naturwissenschaftlich-technische Gymnasium durch das Studium der humanistlschen Sprachen (Latein und Griechisch) in Feldkirch-Tisis (1957/58). Es folgte das dreijährige Philosophiestudium an der Ordenshochschule in Pullach/München. Von 1961-1966 widmete er sich dem Architekturstudium an der ETH in Zürich, das er mit dem Diplom bei Prof. Hoesli abschloss. Danach arbeitete er bei der Firma Rupprecht/IGE SA/Roberto Bian-coni in Zürich. Mit Roberto Bianconi verband ihn eine Lebensfreundschaft. Eine Studienreise führte ihn durch Indien. Die Schweizer Jesuiten betreuten die Mission in Pune - einem potentiellen Tätigkeitsfeld für den Mitbruder und Architekten Roth. Kurze Zeit war er im Architekturbüro Powar & Powar in New Delhi beschäftigt.

Nach diesem Praxisjahr begann Hans Roth im Herbst 1966 mit dem Theologiestudium am Heythrop College der Jesuiten in Oxon, England, das er ab 1968 an dem von Jesuiten geführten Päpstlichen Seminar in Pune, Indien, fortsetzte und 1970 abschloss. Das Theologiestudium, jedoch nicht das Priestertum, erachtete Roth für seine Tätigkeit als „kirchlicher" Architekt als unabdingbar. Während seines Studiums in Indien führte er auch ein eigenes Architekturbüro.

Da Hans Roth für Indien nur ein Touristenvisum besaß, kam er im Sommer 1969 nach Feldkirch. In dreimonatiger intensiver Arbeit erstellte er in Zusammenarbeit mit P. Baiker und P. Blöchlinger ein Gutachten und normatives Modell für einen Neubau des Kollegs.

Nach dem Abschluss des Theologiestudiums 1970 wurde Hans Roth als Architekt der Stella Matutina zugeteilt. Zusammen mit seinem Freund Roberto Bianconi machte er sich an die Pläne für einen Neubau des Kollegs auf dem Blasenberg, die 1974/75 vorgelegt wurden. Gleichzeitig plante und organisierte er die verschiedenen Umbauten und Einrichtungen in den Kollegsgebäuden links der III und auf Garina, die wegen des Abbruchs des Studienflügels 1973 notwendig wurden. Außerdem nahm er sich der naturwissenschaftlichen, kartographischen und anderer Sammlungen an, die er mit Hilfe von Br. Fuster z.T. wieder aufstellte.

P. Felix Plattner SJ, der damalige Missionsprokurator der Schweizer Jesuitenprovinz, hatte die vom Zuger Jesuitenmissionar Martin Schmid (1694-1772) im Tiefland Boliviens erbauten und im inzwischen beinahe unzugänglichen Urwald vergessenen Kirchen neu entdeckt. Er erkannte ihre kulturelle und künstlerische Bedeutung aber auch die dringende Notwendigkeit ihrer Restaurierung, um sie der einheimischen Bevölkerung für den Gottesdienst und als bedeutsames Kulturgut schlechthin zu erhalten. Hans Roth schien ihm für die Bewältigung dieser Aufgabe der gegebene Mann zu sein. Auch P. Provinzial ließ sich davon überzeugen. So kam Roth 1972-74 zum erstenmal in Kontakt mit dem Arbeitsfeld, das zu seiner eigentlichen Lebensaufgabe werden sollte. Er begann mit der Restaurierung der Kirche San Rafael in Chiquitos.

1974/75 weilte er wieder in Feldkirch, um die Einreichpläne für den Neubau fertigzustellen.

1975 zog Hans Roth endgültig nach Bolivien. Er ließ sich in Concepción nieder und begann dort sogleich mit dem Aufbau von Lehrwerkstätten für Holz- und Metallverarbeitung mit staatlich anerkannter Lehrlingsausbildung. 1976 trat er aus dem Jesuitenorden aus und heiratete die deutsche Krankenschwester Heidi Schmidt. Für seine materielle und berufliche Existenzgrundlage erhielt er einen Arbeitsvertrag mit dem Institut für internationale Zusammenarbeit IIZ, Wien. Trotzdem blieb er in gutem, in manchem auch kritischen Kontakt mit dem Orden, von dessen Geist er zeitlebens geprägt blieb.

Wenige Monate vor dem Tod von Hans Roth, am 17. März 1999, ist die von Eckart Kühne an der ETH Zürich eingereichte Diplomwahlfacharbeit „Zwischen regionaler Tradition und Moderne: Zwei Kirchen von Hans Roth in Bolivien" erschienen. Außer der Behandlung der Kirche von Ascensión de Guarayos und des Marienheiligtums von El Chochís finden wir hier einen Überblick über das Leben und Schaffen von Hans Roth, ein komplettes Verzeichnis seiner Bauten, Entwürfe, Publikationen und Auszeichnungen.

Wir erlauben uns hier die „Erinnerungen an Hans Roth" wiederzugeben, die sein Mitarbeiter Eckart Kühne beim Auferstehungsgottesdienst in Feldkirch vortrug:

„Als ich vor 15 Jahren zum ersten Mal nach Bolivien reiste, um meine Schwester zu besuchen, ahnte ich noch nicht, was ich dort entdecken würde. Ich suchte präkolumbische Hochkulturen - die Jesuitenmissionen waren für mich kein Begriff. Meine Schwester riet mir zur Reise in die Chiquitania, was damals noch fast ein Abenteuer war. Ich war fasziniert vom Urwald, von den Dörfern, in denen die Zeit stillzustehen schien, und von den eigenartigen Kirchen. Und dann begegnet ich Hans Roth, und es scheint, dass sehr schnell etwas zwischen uns .funkte'.

Er hatte ja immer ein offenes Haus, nahm sich Zeit für unverhoffte Gäste, war begierig nach neuen Anregungen und fachlicher Auseinandersetzung. Spontan hat er mich eingeladen, für ihn zu arbeiten, und daraus ist eine langjährige fruchtbare Zusammenarbeit geworden. Wenn ich meinen damaligen Briefen und Tagebüchern glauben darf, war meine Haltung zu ihm damals noch sehr distanziert. Doch je mehr ich ihn kennen lernte, desto größer wurde meine Bewunderung und desto tiefer meine Zuneigung, bis er fast eine Art Vater für mich wurde. Er war letztlich auch die Ursache, dass ich jetzt Architektur studiert habe. Harmonisch war diese Beziehung nie, aber wir haben auch nie länger im gleichen Raum zusammen gearbeitet, sondern in meist weit voneinander entfernten Dörfern. Oft sind wir uns nur für wenige Stunden begegnet, allenfalls für ein bis zwei Tage, doch diese kurzen Momente waren immer dicht angefüllt, heftig und
intensiv. Da musste alles Platz haben: die Besprechungen der laufenden Arbeiten, die Skandalchronik, der Austausch historischer Mosaiksteinchen und die bissigen Kommentare zum Zeitgeist.

Damals, vor fünfzehn Jahren, war Hans Roth ja selbst in Bolivien noch kaum bekannt, seit über zehn Jahren wirkte er im Verborgenen und hoffte auf Anerkennung, musste sich oft mit kirchlichen Bauherren herumschlagen, die wenig Verständnis für seine Anliegen hatten, und auch mit Missgunst und Intrigen bolivianischer Berufskollegen. Er habe das, wie er mir einmal schrieb, nur dank der .meditiativen Indoktrination' der Jesuiten überstanden. Seither ist er dort zur allgemein bewunderten Berühmtheit geworden, aber die Kämpfe und Intrigen haben dadurch nur noch zugenommen. Hier in Europa ist sein Werk leider noch immer kaum bekannt, und wir alle müssen uns vorwerfen, dass wir ihm nicht rechtzeitig die Anerkennung verschafft haben, die er verdient hätte, und dass wir ihn nicht über unsere kleinen Adresskarteien hinaus bekannt gemacht haben.

Ich möchte hier nur drei Aspekte seines vielfältigen Werks kurz würdigen:

  • Erstens: Die Restaurierungen sind den Anwesenden ja bekannt. Seine Methoden wurden gelegentlich kritisiert, doch wir dürfen nicht vergessen, dass ohne Roth mindestens zwei dieser Kirchen heute nicht mehr stehen würden oder völlig verstümmelt wären. Alle Restaurierungsarbeiten hat er mit Mitarbeitern durchgeführt, die er selber ausgebildet hat. Die lokalen Handwerker und Baumeister haben ihm ihre Kenntnisse gezeigt, er hat sie umgeformt, erneuert und ihnen so zurückgegeben. Auch die Mitarbeiter aus Europa - abgesehen vom wichtigsten, dem Ingenieur und Zimmermann Sepp Herzog (Werkstätten 66-70) - waren alle jung und unerfahren. Er hat ihre Schulkenntnisse begierig aufgesogen und ihnen dafür seine reichen Erfahrungen weitergegeben.
  • Zweitens: Das Musikarchiv, das er entdeckt und gerettet hat. Er hat uns einen reichen Schatz vergessener barocker Musik geschenkt. In Bolivien, Paraguay und Argentinien hat er damit einen eigentlichen Boom alter Musik ausgelöst.
  • Drittens: Sein Werk als Architekt, noch immer zu wenig geachtet. Die ETH-Professoren, denen ich Bilder seiner Bauten zeige, sind hell begeistert. Roth hat über 150 Bauten errichtet, von denen ich nur die beiden bedeutendsten erwähnen möchte: die große Kirche von Ascensión de Guarayos, eine kühne Holzkonstruktion, eine moderne Umformung der traditionellen Bauweise der Jesuitenkirchen, und damit auch des indianischen Gemeinschaftshauses, der Maloca, gebaut für eine christliche Gemeinde. Und die Wallfahrtskapelle von El Chochís, unglaublich sensibel in eine großartige Landschaft eingefügt, so dass sich Bau und Landschaft gegenseitig steigern.

Daneben könnte man noch unzählige weitere Berufe anführen: er war außerdem Theologe, Historiker, Künstler, Bildschnitzer, Vergolder, Kämpfer für die Rechte der Indios - und viele andere Tätigkeiten, die er mit Hilfe der Engel vollbrachte. Wer würde bei dieser Aufzählung nicht an sein großes Vorbild, den Missionar Martin Schmid, denken, und so kann man auch von ihm sagen, was der Biograf Peramas von Martin Schmid sagte: ,Er hat die Gestalt der Dörfer völlig verändert. Alles, was sich von den Künsten der Chiquitano sagen lässt, wird von ... Hans Roth gesagt, da dieser alle ihre Künste entweder neu eingeführt, oder doch vervollkommnet hat.'"

Auf die Frage, was Roths wichtigste Anliegen gewesen seien, führte Eckart Kühne aus:

„Ich denke, es ging ihm bei seiner Arbeit in erster Linie um die Emanzipation der Indianer in seinem Wirkungsfeld, also der Chiquitanos und Guarayos.

Er war überzeugt, dass jede Entwicklung, die sich nur auf materielle, messbare Aspekte beschränkt, letztlich zu einer Verarmung führt; die geistige und kulturelle Entwicklung war für ihn mindestens ebenso bedeutsam wie die Infrastruktur. Schöne Bauten, Bildwerke, Musikstücke und der Bezug zur eigenen Geschichte und Tradition seien gerade für Menschen in einem armen Land wie Bolivien wichtiger als Wasserleitungen, Straßen oder elektrischer Strom.

Er glaubte, dass die geistige Nahrung des Menschen nicht nur aus Wörtern bestehen darf und misstraute dem heutigen Trend zum reinen Wortgottesdienst ohne Ritual. Daher schuf er prächtige Kirchen und Kapellen voll mit Bildern und vielschichtigen Bedeutungen.
Er glaubte an die Wirkung von Architektur und beobachtete, wie hässlich und lieblos Entwicklungshilfe und .sozialer' Fortschritt oft daherkommen, und wie allzu oft gerade die Schulen, Spitäler, Straßen und Telefonzentralen die Dörfer zerstören. Mit seinen Kirchen, Sozialbauten und Wohnhäusern wollte er die Dörfer wieder zusammenfügen und ihren Gemeinschaftssinn stärken.

Wichtig war für ihn auch, statt der theoretischen, entfremdenden und leblosen Schulbildung die praktische, handwerkliche und künstlerische Ausbildung zu fördern, damit die Indianer sich aus alten Abhängigkeiten lösen können und in Zukunft in ihren Heimatdörfern von eigener, qualifizierter Arbeit leben können."

Abschließend seien noch seine Auszeichnungen und Preise erwähnt:

  • 1983 Verleihung des Silvesterordens „Equitem Commendatorem Ordinis Sancti Silvestri Papae" durch Papst Johannes Paul II.
  • 1987 Verleihung des „Orden Nacional del Condor de los Andes en el grado de Caballero" durch den bolivianischen
    Staatspräsidenten Victor Paz Estenssoro.
  • 1990 Die von Roth restaurierten Jesuitenkirchen und ihre Dörfer werden von der UNESCO in die Liste der Weltkulturgüter aufgenommen.
  • 1994 Verleihung des Kulturpreises der Stiftung „Manuel Vicente Ballivián" in La Paz, für die Verdienste um die Erhaltung und Restaurierung der Jesuitenkirchen.
  • 1998 Einladung, als Vertreter Boliviens am Wettbewerb „Primer Premio Mies van der Rohe de Arquitectura Latinoamericana" in Barcelona teilzunehmen (mit der Kirche von El Chochís, ohne Erfolg).

Neben diesem gewaltigen Hauptwerk Hans Roths vergisst man beinahe, dass er auch außerhalb Boliviens Projekte entwickelte, die z.T. auch verwirklicht wurden: in Biafra und Nigeria, in Indien (u.a. das Heim für Hilfsbedürftige und das Schwesternhaus für die Gemeinschaft der Mutter Teresa in Puna), in der Schweiz und in Feldkirch.

Hans Roth ist das Schicksal beschieden, dass sein großartiges und einfühlsames Wirken für die Menschen in einem der materiell ärmsten Länder der Welt von der übrigen Welt kaum beachtet wurde. Die Größe seiner Persönlichkeit und die Bedeutung seines kulturellen Schaffens wird erst nach seinem Tod in eine breitere Öffentlichkeit dringen. Des Dankes und der Hochschätzung jener Menschen, die ihn gekannt haben und für die er gewirkt hat, darf er gewiss sein. -R.I.P."

[Quelle: Stella-Heft : Mitteilungsblatt der ehemaligen Schüler des Kollegs Stella Matutina, Feldkrirch. -- Nr. 20 (Dezember 1999). -- S. 738 - 742]

1999-09

"Schädlicher Ökotourismus in Bolivien

(La Paz, 13. September 1999, na-Poonal).- Als die englischen Touristen Oliver Flower und Christine Bowles den bolivianischen Urwald von Rurrenabaque besuchten, war nicht alles so echt, wie sie sich das vorgestellt hatten. "Manchmal stehen die Führer hinter einer Ecke und lassen die angeblich vorkommenden Schlangen aus einer Plastiktüte gleiten", erzählt Flower. "Andere jagen die Krokodile mit Netzen und die Tiere sterben bald darauf." Das Paar fand auch heraus, dass der Tourismus im Urwald von Rurrenabaque in der Provinz Beni nicht reguliert ist. Es gibt zuviele Besucher in einem kleinen Gebiet und die Unternehmen unterbieten sich gegenseitig, um die Touristen auf ihre Seite zu locken.

Ökotourismus ist in den vergangenen Jahren in Bolivien expandiert. Jedoch gibt es weder Kontrollen noch Grenzen für die Touristen. Das Land läuft Gefahr, sein ökologisches Erbe zu verlieren. Rurrenbaque ist dafür ein gutes Beispiel. 1982 verlor sich der israelische Tourist Yossi Ghinsberg in diesem Urwald. Nach haarsträubenden Abenteuern, die ihn an den Rand des Todes brachten, fand er drei Wochen später in die Zivilisation zurück. Anschließend schrieb er ein erfolgreiches Buch über seine Erfahrung. Mit verheerenden Folgen: Der Tourismus intensivierte sich, inzwischen kommen jährlich 12.000 Besucher nach Rurrenbaque. Die Vorschriften sind aber nicht entsprechend angepasst worden.

Jüngst konnte sich der stellvertretende Tourismusminister Edgar Torres selbst ein Bild vor Ort machen. Unter anderem sah er Boote ohne Schwimmwesten, mit veralteten und lärmenden Motoren, die Treibstoff und Öl in die Urwaldgewässer ablassen. An den Anlegestellen fehlen sanitäre Einrichtungen und Müllbehälter. Torres macht den Preiskampf der um die Rucksacktouristen streitenden Reiseagenturen für diesen Zustand verantwortlich. Doch sein Ministerium will nur einige Regulierungen durchsetzen. So sollen die Boote ihre Motoren nur bei Fahrten flussaufwärts benutzen dürfen und der Müll soll eingesammelt werden. "Wenn wir alles verlangten, was wir wünschen, wäre das sehr viel und könnte nicht erfüllt werden", meint der stellvertretende Minister.

Seiner Meinung nach hält das Gebiet 12.000 Besucher im Jahr aus. Dennoch will er andere Reiseziele fördern, damit die Einwirkung nicht so konzentriert ist. Denn auch die Salzseen im südöstlichen Hochland weisen ähnliche Probleme auf, wie er zugibt. Kaum sanitäre Einrichtungen, wenig geeignete Unterkünfte und zuviel Müll. Die vorkolumbianischen Weg sind mit Abfällen übersät.

Alfredo Villca gehört dem Andenclub an. Seit 20 Jahren besteigt er die Berge der Region. In dieser Zeit hat er dramatische und unerfreuliche Entwicklungen beobachtet. Mit Müll vollgepfropfte Lager sind ihm allzu bekannt. Villca wünscht sich eine Reglementierung für das Bergsteigen. Er tritt für Kontrollen und Eintrittspreise in der Zone der Salzseen ein. Touristen könnten so die Bezahlung von Führern sowie den Bau von Toiletten und Hütten finanzieren. Außerdem müssten sie gezwungen werden, ihren Müll wieder mitzunehmen.

Das erneuerte Interesse an der Umwelt hat es zur Mode werden lassen, jede Aktivität unter freiem Himmel mit dem Etikett "ökologisch" zu bezeichnen. Sogar Reisevermittler lassen wissen, dass einige selbsternannte ökologische Hotels an den Ufern des Titicaca verschmutztes Wasser direkt in den See leiten. In der tropischen Region des Chapare, wo die Stadt Cochabamba liegt, ist eine riesige Urwaldfläche gerodet worden, um dort für ein "ökologisches" Fünf-Sternehotel einen Golfplatz anzulegen.

Ernesto Rodas Riveras, Geschäftsführer der Reiseagentur Moxos, gibt zu, einen legitimen Ökotourismus anzubieten, sei schwierig. "Wenn ich danach gefragt werde, sage ich nein, aber wir versuchen es." Zu den Agenturen, die den Ruf haben, der Umwelt und der Bevölkerung gegenüber verantwortlich zu sein, gehört das Unternehmen Fremen mit Sitz in La Paz [Webpräsenz: http://www.andes-amazonia.com/. -- Zugriff am 2002-07-11] . Dieser Reiseanbieter führt Bootsfahrten im nördlichen Urwaldgebiet Boliviens durch. Statt dass die Touristen weit an den Dörfern vorbei fahren oder Fotos von Indígenas schießen, die dafür bezahlt werden, zu tanzen, fördert Fremden den Kontakt zwischen Besuchern und Bevölkerung.

Vor fünf Jahren setzte sich die Agentur mit den Gemeinden zusammen und entwickelte ein Konzept. Es schließt Spar- und Investitionspläne für das Geld ein, dass die Einheimischen durch den Verkauf von Kunsthandwerk und die Zutrittsgebühren zu ihren Gemeinden erzielen. Bisher konnten sich die Gemeinden einen Ofen für die Keramikproduktion kaufen und einen Fonds für Medikamente einrichten. Weitere Projekte befinden sich im Aufbau.

Verantwortlicher Tourismus hat seine Tücken. So trennt Fremen den biologische abbaubaren Müll von anderem Abfall. Letzterer wird in der Urwaldstadt Trinidad abgeliefert. "Das Schlimme ist, wenn wir ihn der Kommune übergeben haben, schmeißen sie den Müll in den Fluss oder an den Seitenrand der Straße nach Santa Cruz", sagt Geschäftsführer Michel Livet. Das sein Unternehmen dennoch verantwortlicher als andere agieren kann, führt er auf die hohen Preise für die Reisen zurück, die Fremen anbietet. In diesem Punkt sieht sich auch Vizeminister Torres bestätigt: "Es kann kein guter Service zu niedrigen Preisen geboten werden."

Mike Ceaser"

[Quelle: Poonal. -- ©1999-09-24]

1999-10

"Die jüdische Gemeinde wird immer kleiner, aber die Traditionen überdauern

(La Paz, Oktober 1999, npl-Poonal).- Gern scherzen die Mitglieder des Israel- Kreises in La Paz, sie seien beim Beten Gott so nah wie keine andere jüdische Gemeinde dieser Welt. Keine Frage, auf 4.000 Metern über dem Meeresspiegel liegt die Synagoge der Hauptstadt Boliviens höher als jede andere. Und sie liegt einsam - gerade mal 700 Juden leben in diesem armen und mehrheitlich katholischen Land im Herzen Südamerikas.

"Wir sind eine kleine, aber sehr aktive Gemeinschaft," sagt Rabbi Palti Somerstein. "Jeden Freitag Abend und am Samstag Morgen und Nachmittag feiern wir den Sabbat. Zweimal die Woche unterrichten wir die Kinder in Hebräisch und jüdischer Geschichte." Als Somerstein, ein konservativer Jude aus Buenos Aires, vor vier Jahren nach La Paz kam, lebte die Gemeinde schon 20 Jahre lang ohne religiöses Oberhaupt. In wenigen Wochen geht er wieder, und niemand weiß, woher ein neuer Rabbiner kommen könnte. Das Problem der jüdischen Gemeinde in Bolivien, die im 16. Jahrhundert entstand und nach dem Zweiten Weltkrieg ihren Höhepunkt erlebte, ist, dass sie im Laufe der Zeit immer kleiner wird.

Historikern zufolge kamen die ersten Juden zu Kolonialzeiten nach Bolivien. "Konvertierte Juden" aus Spanien, "marranos" genannt, kamen ins Hochland, um in den Silberminen von Potosi zu arbeiten. Auch unter den Eroberern, die 1557 die heute zweitgrößte Stadt Santa Cruz de la Sierra im Flachland nahe der brasilianischen Grenze gründeten, waren Männer jüdischen Glaubens. Doch erst Mitte dieses Jahrhunderts kamen Juden in großer Zahl in das kleine Binnenland: Lebten noch 1933 erst rund 30 jüdische Familien in Bolivien, so wuchs ihre Gemeinde in den Jahren nach dem Holocaust auf 10.000 Personen an.

Gleichzeitig öffnete die bolivianische Regierung auch vielen Nazi- Kriegsverbrechern die Tür. "Während der Zweiten Weltkriegs gab es einen starken Antisemitismus hier," erzählt Marek Ajke. Der 73jährige überlebte das Warschauer Ghetto und floh nach Bolivien. "Heute kommt es nur sehr selten zu antisemitischen Übergriffen. Manchmal pinseln irgendwelche Leute Hakenkreuze an die Wände, zum Beispiel als der Film "Schindlers Liste" in den Kinos gezeigt wurde."

Dennoch, die jüdischen Einrichtungen in Bolivien verhalten sich - wie auch in einigen anderen Ländern Lateinamerikas - betont unauffällig. Die meisten Treffpunkte sind der Öffentlichkeit nicht bekannt und werden von bewaffneten Wächtern geschützt. Alle Besucher werden eingehend durchsucht.

Samstag Nachmittag. Im Haus des Israel-Kreises in der Landaeta- Straße im Zentrum der Hauptstadt sind 27 Männer zusammengekommen. Die zumeist über Sechzigjährigen beten von einem Altar in vierten Stock des Gebäudes. Im schmalen Flur sind die Portraits der 16 bisherigen Präsidenten der Gemeinschaft zu sehen. Gleich daneben vergilbte Plakate, die Touristenattraktionen in Israel anpreisen, und ein Ölgemälde, das die koloniale Altstadt von Potosi zeigt. Im Hof des Gebäudes findet sich das einzige Mikveh, das rituelle jüdische Bad in Bolivien.

Die kleine Gemeinde hat es nicht leicht. Viele Juden sind in den 70er und 80er Jahren nach Argentinien, Israel oder in die Vereinigten Staaten ausgewandert. Das angesehene bolivianisch- israelische Kolleg, 1940 für jüdische Kinder gegründet, nimmt seit den 60er Jahren auch nichtjüdische Schüler auf. Heute sind unter den 500 Jugendlichen gerade noch 20 Kinder jüdischen Glaubens.

"Ich wurde in Bolivien niemals diskriminiert," betont Rabbi Somerstein. "Im Gegenteil, die Menschen mögen uns. Vor kurzem haben wir zusammen mit einem protestantischen Pfarrer aus Deutschland und einem katholischen Priester ein Krankenhaus in einem sehr armen Stadtteil von La Paz gebaut - das "Centro Medico Alto Obrajes". Auch mit dem Lateinamerikanischen Kirchenrat und der Bolivianischen Bischofskonferenz arbeiten wir gemeinsam an Projekten, die sich gegen Diskriminierung wenden."

In der Hauptstadt, so schätzt die Gemeinde, leben heute knapp 500 Juden, weitere 150 in Santa Cruz, einer aufstrebenden Industriestadt. In Cochabamba, wo im Zweiten Weltkrieg Hunderte jüdische Familien Unterschlupf fanden und bis heute die schönste Synagoge des Landes steht, leben vielleicht nochmal 60. Auffällig ist, dass in Bolivien im Gegensatz zu fast allen anderen Ländern des Subkontinents die internationale Wohltätigkeitsorganisation B'nai B'rith nicht präsent ist. Somerstein macht "internen Streit und mangelndes Interesse" dafür verantwortlich.

Doch die wenigen bolivianischen Juden halten zusammen. Zwar achten nur wenige auf koscheres Essen - weit und breit ist kein Schlachter zu finden, der das Fleisch entsprechend jüdischem Brauch zubereitet -, doch sprechen überraschend viele Jugendliche Hebräisch und haben bereits Israel besucht. Die Zahl der gemischten Ehen liege hier bei nur 20 Prozent, weit weniger als die 50 Prozent in den USA, berichtet der Gynäkologe Ricardo Udler. Der 44jährige ist derzeit Präsident des Israel-Kreises. "Die Mehrheit der Gemeindemitglieder respektiert den Sabbat," sagt Udler stolz. "Nicht einen Freitag Abend fällt der Sabbat aus."

Larry Luxner"

[Quelle: Poonal. -- ©1999-10-15]

1999-10

Zahlen zur Softwarepiraterie in Bolivien:

1999-10

"Arbeiter übernehmen Teile von Ölfirma : Bolivien: Privatisierung eines staatlichen Unternehmens abgeschlossen

Das staatliche bolivianische Ölunternehmen Yacimientos Petroliferos Fiscales Bolivianos (YPFB) wird nach seiner Privatisierung in Teilen von Arbeitern übernommen. Nach harten Kämpfen um das Für und Wider der Entstaatlichung der sechs letzten staatlich geführten Abteilungen der Ölfirma haben sich 1 608 Arbeiter und die Regierung in dieser Woche auf diese in Lateinamerika einzigartige Lösung geeinigt. Als Eigner der neuen Empresa Laboral Petrolera (ELP), die im November gegründet werden soll, werden die Arbeiter wesentliche Teile der YPFB-Produktion kontrollieren. Ihnen gehören dann 33 Servicestellen, sechs Großlager, vier Abfüllanlagen für Flüssiggas und 12,5 Prozent der Raffinerien. Insgesamt haben diese Anlagen einen Kaufpreis von 20 Millionen US-Dollar, der von den neuen Besitzern bei zweijähiger Aufschubfrist binnen zehn Jahren abzuzahlen ist.

Die Mittel zur Abzahlung der Raten sollen aus den Einnahmen der ELP kommen. Eigenkapital müssen die Arbeiter nicht mobilisieren. Auch garantiert ihnen der Staat weiterhin soziale Absicherung. Mit ersten Gewinnen aus dem neuen Unternehmen rechnen die neuen Betreiber nach drei oder vier Jahren. Sicherstellen soll den wirtschaftlichen Erfolg ein Management nach internationalem Standard, wie Carlos Moron, Chef der bolivianischen Gewerkschaft der Ölarbeiter, erklärte. Das benötigte Startkapital beläuft sich auf vier Millionen Dollar. Vereinbarungsgemäß soll es es aus dem Verkauf von YPFB-Landbesitz aufgebracht werden.

Die Zahl der ELP-Anteile für jeden Arbeiter bemisst sich nach der Anzahl der Jahre, die er für YPFB tätig war, und nach der Höhe seines früheren Einkommens. Nach Angaben von Moron können die besten Arbeiter damit rechnen, von dem neuen Unternehmen sofort übernommen zu werden. Später dürften sich auch die übrigen Chancen ausrechnen.

Die bolivianische Regierung ist nach den heftigen Auseinandersetzungen um die von den Arbeitern lange bekämpfte Privatisierung der letzten YPFB-Sparten über den nun gefundenen Ausweg sehr erleichtert. Handelsminister Carlos Saavedra äußerte sich in dieser Woche erfreut darüber, dass mit dem Vertragsabschluss die Privatisierung der letzten YPFB-Abteilungen zu einem Ende gekommen ist. Auch gab er sich zuversichtlich, dass das Abkommen das Interesse ausländischer Investoren an Bolivien erhöhen wird. Nach Angaben des Ministers will sich die Regierung bis Anfang nächsten Jahres auch von den übrigen zur Zeit noch staatlich geführten Unternehmen trennen. Zum Verkauf stehen 17 kleinere Firmen in den Bereichen Einzelhandel, Nahrungsmittelverarbeitung, Bergbau aber auch die Post.

Alejandro Campos, La Paz"

[Quelle: junge welt. -- 240 (1999-10)]

1999-11

Bolivien wird Mitglied der Cairns Group, deren Ziel vor allem die Liberalisierung der Agrarmärkte ist. Mitglieder der Cairns Group sind: Argentinien, Australien, Bolivien, Brasilien, Kanada, Chile, Kolumbien, Costa Rica, Fiji, Guatemala, Indonesiena, Malaysia, Neuseeland, Paraguay, Philippinen, Südafrica, Thailand und Uruguay. [Webpräsenz: http://www.cairnsgroup.org/. -- Zugriff am 2002-02-01] 

1999-12

 Durchschnittliche Landpreise in Santa Cruz:
Provinz Preis pro Hektar in US$
ohne Berge mit Berg
Andrés Ibánez (mit Santa Cruz de la Sierra) 1.000 - 20.000 500 - 10.000
Warnes 1.000 - 5.000 500 - 3.000
Ichilo 200 - 2.000 100 - 1.000
Sara 300 - 1.000 100 - 500
Obispo Santiestevan 1.000 - 2.000 500 - 1.000
Chiquitos (Kolonisationsgebiet) 500 - 1.000 100 - 500
Ñuflo de Chávez (Kolonisationsgebiet) 300 - 600 100 - 300
Velasco (Viehzuchtgebiet) 100 - 300 20 - 100
Chiquitos (Viehzuchtgebiet) 100 - 300 20 - 80
Ñuflo de Chávez (Viehzuchtgebiet) 100 - 400 30 - 200
Cordillera (Viehzuchtgebiet) 100 - 300 10 - 100
Guarayos (Viehzuchtgebiet) 100 - 300 30 - 100
Angel Sandóval (Viehzuchtgebiet)   20 - 60
Germán Busch (Viehzuchtgebiet)   20 - 60
Vallegrande   30 - 12.000

[Stark vereinfacht nach: Las tierras bajas de Bolivia a fines del siglo XX : tenencia, uso y acceso a la tierra y los bosques / coord. Miguel Urioste ... -- La Paz : PIEB, 2001. -- ISBN 4-1-533-01. -- S. 299 - 301]

1999-12

Brief einer Ärztin aus Bolivien

Sehr geehrte Redaktion...

Sie haben mich aufgefordert, für Sie in ein paar wenigen Zeilen die Realität meines Landes bezüglich der sozialen und gesundheitlichen Probleme der Kinder zu beschreiben. Nun, die Realität der Kinder in der Dritten Welt ist nicht unbekannt, ihre Probleme sind nicht neu und sind schon von vielen Autoren beschrieben worden. Dennoch danke ich Ihnen für Ihr Interesse für die bolivianischen Kinder.

Ich bin Bolivianerin. Seit meiner Kindheit wünschte ich mir, Ärztin zu sein, und schon in meinen Studienjahren wählte ich den Weg der Kinderheilkunde. Dank einem Stipendium der italienischen Regierung wurde mein Traum verwirklicht, ich bildete mich in Europa als Kinderärztin aus und beschäftigte mich eingehend mit Neonatologie. Nach sieben Jahren kehrte ich in mein Bolivien zurück, nach La Paz. Ich bin sehr bewegt , wenn ich von meinem Land oder besser von den Kindern meines Landes spreche.

Wie in vielen Ländern der Dritten Welt ist die Kindheit hier ein Abenteuer, das mit der Geburt beginnt. Es ist ein Abenteuer, weil man nie weiss, ob ein Kind es schafft, erwachsen zu werden. Kinderärztin sein ist ein doppeltes Abenteuer, weil es einem einerseits erlaubt, mit den Händen und dem Herz das Wunder eines wachsenden Lebens zu berühren, was eine unerschöpfliche Quelle der Befriedigung ist und einem stets die Kraft gibt, weiter zu machen. Andererseits riskiert man dauernd, ein gebrochenes Herz zu haben, wenn man Schritt für Schritt seine Machtlosigkeit und seinen Schmerz fühlt.

Die Kinder in diesem Land sind überall, jederzeit und bei jedem Atemzug gegenwärtig. Die Leute sind so an sie gewohnt, dass sie einen Teil der natürlichen Landschaft und des Gefüges einer Stadt darstellen. Ein grosser Teil dieser Kinder werden durch ihre Eltern misshandelt. Vielen ist die Kindheit geraubt worden. Sie haben eine Pseudoreife erlangt, weil sie Verantwortungen eines Erwachsenen übernehmen müssen, wie zum Beispiel die Betreuung der jüngeren Geschwister oder schwere Arbeiten im Hause. Viele tragen zum finanziellen Unterhalt der Familie mit ihrer Arbeit bei, in einem Alter, in dem andere Kinder der Welt umsorgt sind und von Märchen und Poesie träumen. Wenn sie ihren Eltern nicht genügen, werden sie brutal physisch und psychisch bestraft. Hier gibt es nicht Tausende von liebevollen Armen, keine warme Milch oder Teddybären zum Umarmen. Hier gibt es dafür Kinder, die die Strasse umarmen wie Vater und Mutter. Dies ist ein sehr verbreitetes Drama in vielen Ländern der Dritten Welt, das kaum jemanden beunruhigt. Am frühen Morgen trifft man in gewissen Stadtteilen viele menschliche Körper auf dem Strassenbelag liegen in Reihen, einer neben dem andern, der Kälte und dem Tod trotzend; der Hunger, die Prostitution und die Drogenabhängigkeit sind gemeinsamer Nenner auf der Tagesordnung.

Gegenwärtig arbeite ich in einem katholischen Spital. Hier kommen nur Kinder in sehr kritischem Zustand an, oft im Koma. Im meinem Land wird ein Kind erst ins Spital gebracht wenn es am Rande des Todes ist. Bolivien hat eine der höchsten Kindersterberaten in Lateinamerika. Sie beträgt 75 pro 1000 Lebendgeborene bei Kinder unter einem Jahr und 116 bei Kindern unter fünf Jahren. Ich sehe keine Patienten, die bei jedem Schnupfen zum Arzt rennen wie in den Industrieländern, auch nicht wegen einer Ohren- oder Rachenentzündung. Wir sehen Kinder im Schock wegen Wasserverlust nach Durchfall. Die Durchfallkrankheiten stellen die häufigste Todesursache bei Kindern unter fünf Jahren dar; jährlich werden rund 7900 solche Todesfälle registriert. Die zweithäufigste Todesursache, 5600 pro Jahr, sind Atemwegsinfektionen, 70% davon Lungenenzündungen. Venenfreilegung, Intubieren und künstliche Beatmung sind Teil unserer Routine, wobei viele Kinder schon beim Spitaleintritt sterben.

Viele Kinder kommen nie ins Spital, weil die Eltern die Kosten für Aufenthalt, Medikamente, Zusatzuntersuchungen nicht bezahlen können. In einem Land wie diesem kostet es weniger, ein Kind zu beerdigen als die Spitalrechnung zu bezahlen. Andere Eltern bevorzugen es, das Kind nach Hause zu nehmen, um es dort sterben zu lassen. Für viele ist es dasselbe, ob sie ein Kind oder zehn Kinder sterben sehen. Andererseits mangelt es in der Infrastruktur der meisten Spitäler an allem, oft kommen wir nicht zu einer sicheren Diagnose, weil uns die Mittel dazu fehlen, und wir suchen tagelang nach Möglichkeiten, eine Zusatzuntersuchung oder eine Medikament zu bekommen.

In diesen Zeiten hat in Bolivien eine schreckliche Geissel begonnen: der sexuelle Missbrauch von Kindern in jedem Alter. Gerade jetzt haben wir in der Kinderabteilung einen Knaben von vier Jahren, der im Koma ankam, wahrscheinlich auf Grund eine Vergiftung durch aliphatische Kohlenstoffe, mit Zeichen chronischer sexueller Gewalt, schwer krank, trockener Gangrän an Fingern und Zehen. Das sind unsere Patienten. Es ist hier üblich, seine Kinder zu vergiften aus verschiedenen Gründen, meist emotionale Konflikte zwischen den Eltern. Das Rattengift ist eine Waffe, die nicht aus der Mode kommt. Dieser absurden Lösung entkommen nicht einmal Säuglinge.

In unserem Spital haben wir auch Frühgeborene, oft von jugendlichen Müttern. Viele sterben schon bei der Geburt zu Hause. Es sterben auch so viele Mütter, die Neugeborenen kommen in Plastikeimern unterkühlt und blau ins Spital. Solche vom Schicksal am meisten verlassene Neugeborene in ihren einsamen und unmenschlichen Behausungen anzutreffen, alarmiert kaum noch jemanden.

Alle Probleme, die wir hier vorfinden, haben einen gemeinsamen Nenner: es sind das Fehlen von Ausbildung und die immer schlimmer werdende Armut. Diese bringt auch Kinder ins Spital mit schwerer Unterernährung und ausgeprägtem Eisenmangel. Wir führen beinahe täglich Transfusionen von Blut und Plasma durch, mit warmem Blut von Passanten. Wir klassifizieren nur nach Blutgruppe und Rhesusfaktor, serologische Teste und Kreuzreaktionen sind Teil unserer Träume, von denen wir so viele haben, wie der, eines Tages über eine Blutbank zu verfügen. Unterdessen sind wir Mitarbeiter des Spitals oft die ersten, die den Arm als Spender ausstrecken; aus kulturellen Gründen weigern sich Angehörige von Patienten oft, Blut zu spenden.

Wenn man Eltern Vorträge hält über bessere Ernährung und Pflege ihrer Kinder, fühlt man sich dumm. Verschiedene Anstrengungen, die diese Situation ändern sollen ,mit dem Ziel, dass weniger Kinder ins Spital müssen, sind dank der Unterstützung von internationalen Organisationen unternommen worden, nicht immer mit dem erwünschten Erfolg. Zur Zeit wird im Rahmen der Initiative AIEPI (Atención Integrada a Las Enfermedades Prevalentes de la Infancia) vorgeschlagen, Kurse für Arbeitende der Grundversorgung und der Basisspitäler, wo Kinder ambulant gesundheitlich beraten werden, durchzuführen. Die AIEPI-Initiative, von WHO und UNICEF entwickelt*, wurde in Bolivien an unsere nationale Normen angepasst. Sie erlaubt dem Gesundheitspersonal, die verschiedenen Aufgaben in der Betreuung der Kinder unter fünf Jahren zu kombinieren. Wenn diese Kinder aus irgend einem Grund in die Sprechstunde kommen, kann man zusätzlich auch Aktionen der Promotion und Prävention anbieten, oder es lassen sich verschiedene Gesundheitsprobleme gleichzeitig behandeln. Zusätzlich erlaubt AIEPI, systematisch den allgemeinen Gesundheitszustand zu beurteilen und Anzeichen zu erkennen, die umgehende Hilfe oder Überweisung erfordern.

Ich danke Medicus Mundi Schweiz, dass Sie mithelfen, unseren AIEPI-Kurs zu finanzieren**, und verbleibe mit besten Grüssen,

Dr. med. Cyntia Aparicio G.
Ärztin in La Paz, Bolivien"

[Quelle: http://www.medicusmundi.ch/bulletin/bulletin7502.htm. -- Zugriff am 2002-10-10]

1999-12

"Sklaverei am Ende des Zweiten Jahrtausends

(La Paz, 3. Dezember 1999, comcosur-Poonal).- In Bolivien überlebt an der Schwelle zum 3. Jahrtausend ein System der Sklaverei, in das Hunderte Familien des Guaraní-Volkes eingebunden sind. Trotz verfassungsmäßigen Verbotes haben die Regierungen dieses System unterstützt, das in verschiedenen Provinzen existiert. Es wird geschätzt, dass von den über 14.000 Indígenas, die im bolivianischen Chaco leben, sich über 4.000 in einer Abhängigkeitssituation von Großgrundbesitzern finden. Für diese müssen sie ohne Bezahlung arbeiten. Im alten feudalen Stil bezahlen die Grundbesitzer die Indígenas in Kleidung und Essen, und auch das nur in winzigen Mengen. Allerdings stellen sie dies den Arbeitern und ihren Familien zu so hohen Preisen in Rechnung, dass diese ständig verschuldet bleiben. Die Guaraní-Kinder beginnen schon im Alter von zehn Jahren zu arbeiten. Sie erben die Schulden ihrer Eltern und treten so in einen neuen Zyklus der Sklaverei ein. Viele der Mädchen werden vergewaltigt, bevor sie 12 Jahre alt sind. Der Missbrauch und die körperlichen Strafen sind in diesem System alltäglich. Nach Statistiken leben 55 Prozent der Guaraní in freien Dörfern, 25,6 Prozent sind komplett von Grundbesitzern abhängig und 24,6 Prozent leben in einem Zwischenstatus. Angesichts der schlimmen Situation wurde ein Projekt gegründet, das den Namen "Rekota Tedove" trägt, was auf Guaraní "Befreiung der Familien" bedeutet. Es erhält Unterstützung unter anderem aus dem Ausland."

[Quelle: Poonal. -- ©1999-12-17]

1999-12


Abb.: El Pato Granjero

[Bildquelle: La Razon. -- 2002-01-13. -- S. B9]

In Chapare (Cochabamba) wird die Entenzuchtanstalt El Pato Granjero gegründet. Es werden Fleischenten der Rassen Chevy Valley unc Grimaud zum Verzehr gezüchtet. Die ANfangsinvestition betrug US$ 13.000, beschäftigt werden sechs Personen. Der Marktpreis für Entenfleich liegt bei ab 8 Bolivianos pro Kilo.

1999-12-05

Kommunalwahlen

"Die Ergebnisse der Kommunalwahl vom 05.12.1999

Am 5. Dezember haben in Bolivien Kommunalwahlen stattgefunden. Wie wir schon in unserer letzten Ausgabe berichtet haben, gab es vor allem in La Paz wichtige Entscheidungen zu treffen. Tatsächlich konnten mehrere Städte mit Überraschungen aufwarten, die auch Auswirkungen auf die Präsidentschaftswahlen 2002 haben könnten. Es hat sich wieder gezeigt, dass sich die Parteienlandschaft Boliviens ständig verändert, und dass neue politische Bewegungen eine Chance haben, sich gegen traditionelle Parteien durchzusetzen.

La Paz

In La Paz hat Juan del Granado die Kommunalwahlen vom 5.12. gewonnen, so wie bereits im voraus angenommen wurde. Die Ergebnisse des Obersten Wahlgerichtshofs ergaben, dass seine Partei, die MSM (Movimiento Sin Miedo, Bewegung ohne Furcht) 22,45 Prozent der Stimmen erhalten hat. Damit liegt "Juan sin Miedo" vor Ronald MacLean, Kandidat von ADN (Acción Democratica Nacionalista, Demokratisch-Nationalistische Aktion), der 17,78% der Stimmen auf sich vereinigen konnte. Den dritten Platz belegt Guido Capra mit 16,71%. Er ist der Spitzenkandidat des MNR (Movimiento Nacionalista Revolucionario, Nationalistisch Revolutionäre Bewegung). Dahinter liegt Jorge Torres vom MIR (Movimiento de Izquierda Revolucionario, Bewegung der Revolutionären Linken), der 16,15 Prozent erreicht. Obwohl viele vorher erwartet hatten, dass Cristina Corrales besser abschneiden würde, wurde sie nur abgeschlagene Fünfte mit 6,75 Prozent. Eine weitere Überraschung ist Condepa (Conciencia de Patria, Gewissen des Vaterlandes). Der Spitzenkandidat Jorge Dockweiler gewann nur 5,64 Prozent der Stimmen, und das, obwohl vor vier Jahren bei den letzten Kommunalwahlen die damalige Kandidatin Mónica Medina als Gewinnerin hervorgegangen war.

Nach der Bekanntgabe der Wahlergebnisse sagte der Gewinner Juan del Granado: "Es sind nur fünf Monate vergangen, dass die Nationale Wahlkommission den MSM anerkannte. Wir verkörpern die Entscheidung für einen Wandel, der heute einen ersten Schritt macht, aber der noch einen langen Weg vor sich hat. Die neue Etappe beginnt nicht überhastet. Wir erleben eine Übergangszeit zwischen dem alten traditionellen System und der Entstehung einer neuen Alternative für Volk und Nation.

Mit seinem Wahlsieg ist aber noch nicht sicher, dass del Granado Bürgermeister wird. Der Posten wird durch eine Wahl innerhalb des Stadtparlaments besetzt. Die Zusammensetzung des Stadtrats von La Paz ist folgende: Drei Sitze für den MSM, drei für ADN, jeweils zwei für den MNR und MIR, und der VR-9, die "Leihpartei" von Cristina Morales besetzt einen Platz. Es können sich zur Wahl stellen der Erstplatzierte, also Juan del Granado oder der Zweite, d.h. Ronald MacLean von ADN. Wer wird der Gewinner? Kurz nach der Wahl sah es zunächst aus, als ob MacLean das Rennen gewinnen würde, da Torres aus persönlicher Abneigung gegenüber Juan del Granado, es ausschloss diesen zu unterstützen. Außerdem war noch nicht klar wer in Santa Cruz das Amt des Bürgermeisters erhalten würde, so dass die Chancen für die Furchtlosen nicht die optimalsten waren. Die kämpferische Art von del Granado wird es wahrscheinlich sein, die ihm im Januar zur Besetzung des ädilen Stuhl verholfen haben wird. Am 10.12.99 schlug die Nachricht durch, dass über ein Abkommen mit Cristina Corrales (VR-9) und Guido Cabra (MNR) Juan del Granado Anfang Januar zum Bürgermeister ernannt werden soll. Es dauerte aber nicht einmal eine Woche, da tauchten erste Schwierigkeiten auf. Nicht, wie von vielen vermutet und politischen Gegnern gewünscht zwischen den Koalitionsparteien sondern von Seiten der VR-9 in Bezug auf den mehr oder weniger Alleingang von Cristina Corrales und ihre Koalitionswahl. VR-9 eine Partei, die laut dem neuen Wahlgesetz und dessen 3-Prozent-Hürde, von der Parteifläche höchstwahrscheinlich verschwinden wird (es gilt 3% landesweit), ist in ihrer politischen Ehre verletzt. Carlos Serrate Reich, einstiger Chef der verschwundenen Tageszeitung hoy und Parteigründer von VR-9, war dabei, Verhandlungen mit ADN und MIR zu tätigen, als Corrales ihm zuvor kam und den Pakt mit Juan del Granado abschloss. So geht es ja nicht meinte ersterer zu letzterer, sie müsse sich schon an Parteibestimmungen halten. Cristina reagierte entsprechend beleidigt und weigert sich nun der Parteilinie zu folgen. Dies kann ihr aber teuer zu stehen kommen, da die Partei sie vor dem Nationalen Wahlgerichtshof anzeigen könnte, wegen politischer Übertretung, und dieser ihr laut neuem Wahlgesetz, die Amtsbefugnisse entziehen könnte.

Für La Paz lässt sich also mit Sicherheit nur eines sicher behaupten: Nichts ist ganz klar.

El Alto

In El Alto hat José Luis Paredes (MIR) die Wahlen gewonnen. Er gewann 44,5 Prozent der Stimmen. Zweitplatzierte wurde Remedios Loza, die Parteivorsitzende von Condepa, vor Victor Hugo Canelas (MNR). Nach der Bekanntgabe der Wahlergebnisse trat Canelas vor die Presse und sagte, dass der MIR die Wahlen durch Betrug für sich entscheiden konnte. Im Stadtparlament braucht Paredes keine Wahlbündnisse für seine Wahl zum Bürgermeister zu schließen.

Er begann seine politische Karriere 1997 als direkt gewählter Abgeordneter. Bereits zu dieser Wahl setzte er geschickt seine Propagandamaschine in Radio und Fernsehen ein, wie schon sein politischer Lehrmeister Carlos Palenque von Condepa. Die anderen Parteien spielen in El Alto keine Rolle. Wie auch schon in La Paz war Condepa der große Wahlverlierer.

Cochabamba

Zum dritten Mal wurde in Cochabamba Manfred Reyes Villa vom NFR ( Nueva Fuerza Republicana, Neue Republikanische Kraft) wiedergewählt. Diesmal gewann er 51,66 Prozent der Stimmen und verliert damit rund 16 Prozent im Vergleich zu 1995. Seine Partei belegt damit sieben Abgeordnetenmandate im Stadtparlament und braucht sich über die Wahl zum Bürgermeister keine Gedanken zu machen. Den zweiten Platz belegt ADN mit Mauricio Méndez (17,75%). Es folgt der MNR mit Alberto Gaser und 7,72 Prozent. Vierter ist der MBL (Movimiento Bolivia Libre, Bewegung Freies Bolivien) mit 6,53 Prozent der Stimmen geworden. Auch hier, wie in Santa Cruz, besetzt der MIR keinen Platz im Stadtparlament.
Reyes Villa sagte, dass er seine Wahlversprechen einlösen wolle und bedankte sich bei den Wählern wegen der großen Unterstützung. Er wird die zwei Jahre in Cochabamba dazu verwenden, um sich auf den Präsidentschaftswahlkampf vorzubreiten.

Oruro

Die Wahlen in Oruro konnte die Kandidatin Mirtha Quevedo (MNR) mit 24,4 Prozent der Stimmen und drei Stadträten für sich entscheiden. Sie wird die neue Bürgermeisterin. Sie liegt 7,75% vor dem Amtsinhaber Edgar Bazán von UCS (16,65%), der nach zähen Verhandlungen sein Amt verlor und nur noch mit zwei Stadträten im Stadtrat vertreten ist. Das Parlament wird also aus MNR, UCS, ADN (15,23% / 2 Stadträte), MIR (13,06% / 2 Stadträte), NFR (7,45%) und CONDEPA (7,04%), letztere mit je einem Stadtrat, bestehen. Quevedo möchte ein Wahlbündnis gegen die UCS schließen, da sie ansonsten befürchtet, dass die Ermittlungen wegen Korruption gegen Bazán eingestellt würden. Die Ermittlungen beschäftigen sich vor allem mit dem Kauf von Straßenbeleuchtung und Ampeln. Diese Geschäfte waren offensichtlich mit den beteiligten Firmen abgesprochen.

Potosí

Der Wahlsieg der Sozialistischen Partei in Potosí überraschte alle anderen Parteien. René Joaquino Cabrera gewann 63,18 Prozent aller Stimmen und damit neun von elf Sitzen im Stadtrat. Zweiter, wenn auch weit dahinter mit 9,14% wurde der MNR und Dritter wurde der MIR mit 8,67 Prozent. Andere Parteien sind nicht im Stadtrat vertreten.

Joaquino war Maurer und fing dann an Jura zu studieren. Er ist seit zwei Jahren Bürgermeister von Potosí. Seinen Lebensstil hat er nicht verändert, spendet sein Einkommen als Bürgermeister und unterstützt hilfsbedürftige Familien. Besonders viel Unterstützung gewann er in seiner bisherigen Amtszeit wegen seiner ehrenhaften Arbeit, und dass er vor allem die Korruption mit allen Mitteln und ohne Rücksicht auf das Ansehen der Personen bekämpft hat. Deshalb nennen ihn seine politischen Feinde "el burro" (der Esel). Wie er sagt, interessieren ihn weder Geld noch Ehren und sein einziges Interesse sei, für das Volk zu arbeiten. Um das fortsetzen zu können bittet er die Regierung in La Paz, ihn zu unterstützen, nachdem er in den letzten zwei Jahren dort auf taube Ohren gestoßen ist.

Sucre

Zwar sah es zunächst so aus, als ob der MBL als erster aus den Wahlen hervorgegangen sei, was einer Überraschung gleichgekommen wäre, aber die letzten vom Obersten Wahlgerichtshof veröffentlichten Ergebnisse zeigen den VR-9 mit Germán Gutiérrez Gantier als Gewinner von 18,28% der Wählerstimmen und drei Sitzen im Stadtrat. Dicht gefolgt wird er vom MBL mit Fidel Herrera als Bürgermeisterkandidat (17,94% und zwei Stadträte) Dritte Kraft wurde ADN (15,86% / 2 Stadträte) vor MNR (13,26% / 2 Stadträte) und MIR (12,36% / 2 Stadträte).

Zwei Tage nach den Wahlen konsolidierte Herrera seinen Vorteil gegenüber Gutierrez indem er ein Vorabkommen mit dem MNR schließen konnte. Auch ADN ließ ankündigen, dass sie bereit sei den Gewinner zu unterstützen, da sie ihn als eine fähige Person erachten.

MNR, MBL und VR-9 haben offiziell einen Antrag beim Wahlgericht gestellt, weil ADN und MIR Wahlbetrug vorgeworfen werden. Ein Reporter wurde von dem Senator der ADN Alvaro Vera verbal angegriffen, als er versuchte Fotos von einem Lebensmittellager zu machen. Dem MIR wird vorgeworfen, dass sie gefälschte Wahlzettel vor der Wahl gedruckt und diese bereits angekreuzt hätten. Diese Wahlzettel seien vor dem Wahllokal an Wähler, die versprachen, den gefälschten Wahlzettel in die Urne zu geben verteilt worden. Im Austausch mit dem Originalzettel wurde ihnen dann 10 bis 20 Bolivianos ausgezahlt.

Tarija

Klar gewonnen hat die Wahl der Kandidat des MIR Oscar Montes. Mit 36,86 Prozent und fünf Sitzen im Stadtrat setzte er sich gegen Mario Cosío (MNR) durch, der 22,07% der Stimmen und drei Stadträte gewann. Dritter ist Oscar Zamora vom FRI (Frente Revolucionario de Izquierda, Revolutionäre Front der Linken) mit 20,8% und ebenfalls drei Stadträten. Montes, der sich gegen den seit langem regierenden FRI durchsetzen konnte, sagte, dass er die Unterstützung der Wähler für einen Wechsel in der politischen Landschaft von Tarija nutzen wolle.

Trinidad

In Trinidad gewann Moisés Shriqui die Wahlen mit 37,4 Prozent und fünf Stadträten. Der Kandidat von ADN setzt sich damit gegen Lorgio Zambrano vom MNR durch, der 28,52 Prozentpunkte und vier Stadträte erhält. Außerdem im Stadtrat vertreten sind José Monasterio (MIR), der mit 13,23 Prozent der Stimmen einen Repräsentanten erhielt und Roberto Seoane Hurtado (UCS) mit 10,55% und ebenfalls einem Stadtrat auf dem vierten Platz.

Laut Fernsehsender ATB gab es auch in Trinidad Wahlbetrug. Demnach wären in den Morgenstunden 25 Bauern in die Stadt gefahren, um zu wählen und wurden dann im Parteibüro der ADN untergebracht. Auf Nachfrage von Reportern haben die Bauern selbst zugegeben, aus 100 Kilometern Entfernung nach Trinidad gebracht worden zu sein.

Cobija

Miguel Becerra ADN gewann in Cobija die Wahlen (41,02%) und wird mit sechs Sitzen im Stadtparlament Bürgermeister. Die anderen fünf Sitze gewinnen der MNR (19,99% / 3 Stadträte) und MNR (18,51% / 2 Stadträte). Becerra hat große Werke für seine Regierungszeit angekündigt. So möchte er alle Teile der Stadt mit Wasser und Strom versorgen."

[Quelle: http://www.bolivia-info.de/archivo/numero123.html. -- Zugriff am 2002-09-13]

2000

Devarenne, Michel Philippe <1948 - >: Mariposas diurnas de Bolivias de los Yungas y del Altiplano. -- La Paz : Caritas Boliviana, 2000. -- Depósito legal 4-1-1069-00. -- 70 S. : Ill.


Abb.: Seite 53 aus diesem Buch 

2000

Es erscheint die Kinderbuchserie 

Colleción Wawa-libros para niñas y niños / Autora: Liliana de Quintana ; illustración: Mauricio Murillo. -- La Paz : Nicobis, 2000. -- ISBN 99905-57-07-1

mit den Heftchen:

  1. Soy Uru
  2. Soy Afro
  3. Soy Jalq'a
  4. Soy Moxeño
  5. Soy Sirionó
  6. Soy Aymara
  7. Soy Guarayo
  8. Soy Guaraní
  9. Soy Weenhayek
  10. Soy de la ciudad


Abb.: Zwei Seiten aus Soy Jalq'a

2000

Atlas territorios indígenas en Bolivia : situación de las Tierras Comunitarias de Origen (TCO's) y proceso de titulación / José A. Martínez (editor). -- La Paz : CPTI-CIDOB, 2000. -- ISBN 99905-62-05-9. -- 263 S. : Ill.


Abb.: Beispiel aus diesem Atlas: Karte Grundbesitz TCO Moseten [a.,a.,O., S. 109]

2000

Angola Maconde, Juan: Raices de un pueblo : cultura afroboliviana. -- La Paz : CIMA, 2000. -- 150 S. : Ill. -- ISBN 99905-0-035-0

Abbildungen aus diesem Werk:


Abb.: Afroboliviana, 1993 [S. 47]


Abb.: Afrobolivianischer Zahnarzt [S. 117]


Abb.: Hauptwohngebiete der Afrobolivianer [Vorlage:  S. 130]

2000

Orquídeas de Bolivia : diversidad y estado de conservación = Orchids of Bolivia : diversity and conservation status. -- Santa Cruz de la Sierra : F.A.N.
Vol. 1: Vásquez Ch., Roberto ; Ibisch, Pierre L.: Subtribu Pleurothallidinae. -- 2000. -- 548 S. : Ill. -- ISBN 99905-801-5-4


Abb.: Seiten 86/87 aus diesem Werk

2000

Politischer Jahresüberblick
"Bolivien stand im Jahr 2000 unter dem Einfluss erheblicher sozialer Spannungen, die sich im April und September jeweils in wochenlangen zum Teil blutigen Auseinandersetzungen entluden und das Land zeitweise vollständig lahm legten. Zentrum der sozialen Proteste und Konfrontationen verschiedener gesellschaftlicher Sektoren mit der Regierung war einmal mehr das Kokaanbaugebiet Chapare und die dortigen Koka-Bauern unier ihrem Führer Evo MORALES. Von dort aus griffen die Proteste dann jeweils auf andere Sektoren über, wie Studenten, Transport- und Lehrergewerkschaften und selbst die Poli-/ei. Somit standen die Auswirkungen der bolivianischen Antidrogenpolitik, von der ein bedeutender Teil der bäuerlichen Bevölkerung Boliviens betroffen ist, im Zentrum der Geschehnisse im Land. Die Proteste und gewaltsamen Auseinandersetzungen drohen mittlerweile zu einem Dauerzustand in Bolivien zu werden, da die Regierung BANZER, unter dem Druck insbesondere der USA, die vollständige Vernichtung der Kokaanbauflächen rigoros vorangetrieben hat (die Regierung ließ rund 40.000 Hektar Anbaufläche im Chapare vernichten) und von Seiten der Cocaleros und ihrer Organisationen auch weiterhin erbitterter Widerstand entgegengesetzt wird. Während die Regierung auf der einen Seite gegenüber den aufständischen Koka-Bauern keinerlei Konzessionen machte, sah sie sich auf der anderen Seite gezwungen, gegenüber den übrigen protestierenden und streikenden Gruppen enorme Kompromisse einzugehen. Die Handlungsunfähigkeit der aus sehr unterschiedlichen politischen Strömungen bestehenden Regierungskoalition wurde somit für jedermann transparent und quasi zum „Markenzeichen" der Regierung
BANZER.

Als Antwort auf die sozialen und wirtschaftlichen Probleme des Landes beschloss die Regierung im März ein Programm der Reaktivierung der Wirtschaft und eröffnete im Juni den „Nationalen Dialog 2000", ein Diskussionsforum diverser gesellschaftlicher Gruppierungen, wie Regierung, Oppositionsparteien, Gewerkschaften und Bauernverbände. Es zeigten sich bis Ende des Jahres jedoch noch keine nennenswerten Auswirkungen der gemeinschaftlichen Anstrengungen. Des Weiteren wurde das politische Szenarium bereits Ende des Jahres von der Positionierung der verschiedenen politischen Parteien und Gruppierungen für die 2002 anstehenden Präsidentschafts- und Parlamentswahlen geprägt.

Auf der wirtschaftlichen Seite konnte durch die verstärkten Exportaktivitäten Boliviens, insbesondere von Naturgas nach Brasilien, das Wirtschaftswachstum im Jahr 2000 zwar auf 2% erhöht werden (im Vergleich zu 0,6% 1999), blieb damit jedoch trotzdem weit unter der ursprünglichen Zielsetzung der Regierung BANZER von 4-4,5%. Die Gründe dafür lagen in der geringen Binnennachfrage und in den Protestwellen im letzten Jahresviertel. Die jährliche Inflationsrate erreichte im November 4%, und das Haushaltsdefizit hat sich bei ca. 4% des Bruttoinlandsprodukts eingependelt. Im Februar konnte Bolivien im Rahmen der Initiative für die Highly Indebted Poor Counthes (HIPC) eine Erleichterung der Auslandsverschuldung erreichen, die somit auf dem Niveau des Vorjahres gehalten werden konnte. Auch im kommenden Jahr ist mit sozialen Spannungen in Bolivien zu rechnen, da die Handlungsfreudigkeit der Regierungskoalition gegenüber den strukturellen Problemen kaum zunehmen dürfte."

[Lateinamaerika Jahrbuch 2001 / Institut für Iberoamerika-Kunde. Hamburg ... -- Frankfurt a. M. : Vervuert, ©2001.  -- ISBN 3-89354-429-1. -- S.  181f.]

2000

Es erscheint der erste Band der von P. Piotr Nawrot SVD herausgegebenen Reihe über die Musik der Jesuitenmissionen in Chiquitos:

Monumenta musica in Chiquitorum reductionibuss Boliviae. -- Cochabamba : Verbo Divino


Abb.: Umschlagtitel des ersten Bandes

2000

Mission San Francisco Xavier : ópera y misa de los indios / Ensemble Elyma, Coro de niños Cantores de Córdoba, Gabriel Garrido. --  Distribution: harmonia mundi, 2000. -- 1 CD (DDD) mit 60 S. Begleitheft. -- [Messe und Oper zum Fest des Hl. Franz Xaver SJ in den Jesuitenmisssionen von Chiquitos im 18. Jhdt., rekonstruiert von Piotr Nawrot. -- Gesangstexte in Chiquitano und Latein, Musik: Frühbarock]

2000

Ibisch, Pierre L. ; Vásque Ch., Roberto: Bromeliaceae of Boliviaa : actualized checklist of all known Bolivian species. -- Version 1.0. -- Santa Cruz : F.A.N., 2000. -- 1 CD-ROM. -- (Illustrated biodiversity of Bolivia ; 1). -- ISBN  99905-801-4-6

Bromeliaceae - subfamily:   Tillandsioideae
Guzmania lingulata  (L.) Mez.
in C. DC., Monogr. phan. 9: 899. 1896.
Basionym:  Tillandsia lingulata L. Sp. pl. 1: 286. 1753.
Synonyms:
Type:  Plumier s.n. HT: P. West Indies.
Distribution:  BOLIVIA, Belize, Brazil, Colombia, Ecuador, French Guyana, Guyana, Peru, Puerto Rico, Rep. Dom., Surinam, Tobago, Trinidad, Venezuela
Distribution in Bolivia:  La Paz, Santa Cruz
Altitudinal range in Bolivia:  500–1450 m.
Ecoregions in Bolivia:  Evergreen humid forest of the Brazilian shield and Cerrado, Northern humid Amazon forests and Andean foothills, Humid montane Yungas forests
Conservation status:  Not endangered
Ornamental value:  Very high

Abb.: Beispiel aus den Species lists auf dieser CD-ROM

2000

Mayer, Sjoerd: Birds of Bolivia : sounds and photographs = Aves de Bolivia : sonidos y fotografías.  --  2.0. -- Westernieland : Bird Songs International, ©2000. -- CD-ROM für Windows 95 / 98 / NT / 2000. -- [In Englisch und Castellano]. Sehr empfehlenswert!]. --  {Wenn Sie hier klicken, können Sie diese CD-ROM bei Bird Songs International bestellen}

"It took four years, but the second version of our Bolivian Birds CD-ROM is out, to general acclaim. It contains 2530 sound recordings (over 19 hours, thanks to MP3 compression) of 941 bird species, all occurring in Bolivia, with accompanying texts and identifications of all background species. And the CD-ROM now has photographs: 1390 of 756 species (639 occurring in Bolivia and an additional 117 species from northern Peru and Ecuador).

This CD-ROM is of even more significance because so many South American birds can only be found or identified by their voices. Good examples are the Tinamous (18 species on the CD-ROM), Owls (25 species), Nightjars and Potoos (21 species), and those quintessential South American bird families: the Antbirds and Ground Antbirds (92 species). Many, if not most of the species on this CD-ROM are not found on commercially available cassette tapes or audio CDs. It has recordings of many rare and seldom (if ever) recorded species, like Huayco Tinamou, Horned Curassow, an unseen Screech-Owl which is either Cloud-forest Screech-Owl or an undescribed species, White-winged Nightjar, Bolivian Spinetail, Bolivian Recurvebill, Yungas Antwren, Masked Antpitta, two undescribed Flycatcher species, Rufous-sided Pygmy-Tyrant, Ash-breasted Tit-Tyrant, Buff-throated Tody-Tyrant, Sharpbill, Chestnut-crested Cotinga, Yellow-shouldered Grosbeak, Black-and-tawny Seedeater. And lots and lots more. 

 Sjoerd Mayer spent the years 1991 - 1995 exploring the high mountains and steamy jungles of Bolivia, a country with an incredibly rich (1370 species so far, and counting!) and little-known bird fauna. He discovered a species new to science (Bolivian Spinetail), rediscovered two species after many years (Masked Antpitta and Ash-breasted Tit-Tyrant), and recorded more than a hundred hours of bird vocalizations. A computer programmer by profession, he designed and wrote all software used to produce this CD-ROM."


Abb.: Screenshot

[Quelle: http://www.birdsongs.com/Bolivia/main.htm . -- Zugriff am 2002-11-16]

2000

Hacia un plan de conservación para el bio-corredor Amboró-Madidi, Bolivia / ed. N. Araujo ... -- Santa Cruz : FAN, 2000. -- 1 CD-ROM. -- ISB 99905-801-7-0


Abb.: Beispiel einer Karte auf dieser CD-ROM

2000

Stache, Anja  <1968, Berlin - >:  Konventionelle Landnutzung und traditionelle Hochbeete (suka kollus) am Titicacasee, Bolivien : agrarökologische Standortbedingungen im Vergleich. -- Göttingen, 2000. -- Dissertation, Universität Göttingen. -- URL: http://webdoc.gwdg.de/diss/2000/stache/stache.pdf. -- Zugriff am 2002-10-11


Abb.: Hochbeete

"6. Zusammenfassung

Die landwirtschaftliche Produktion auf der nördlichen Hochebene (Altiplano) in Bolivien wird durch klimatisch ungünstige Bedingungen während der Vegetationszeit von Oktober bis April begrenzt. Eine hohe Niederschlagsvariabilität bedingt Trockenphasen. Häufig auftretende Fröste sind ein weiterer limitierender Faktor und Grund für niedrige Erträge, bzw. hohe Ertragsausfälle.

In dieser Arbeit werden zwei Landnutzungssysteme am Titicacasee auf dem nördlichen Altiplano von Bolivien verglichen, der Hochbeet- und der konventionelle Feldanbau. Die 100 m langen und 4-5 m breiten Hochbeete (raised fields) sind umgeben von 2 m breiten Bewässerungskanälen. Sie stellen eine prähispanische, intensive Anbaumethode dar. Der überwiegende Anteil der landwirtschaftlichen Nutzfläche wird gegenwärtig jedoch konventionell, d.h. im Regenfeldbau bewirtschaftet.

Die Hochbeete scheinen gegenüber dem aktuellen konventionellen Anbau deutlich höhere Erträge (Faktor 2) zu produzieren. In dieser Arbeit wurde untersucht, ob neben den Faktoren Temperatur- und Bodenfeuchteverhältnisse weitere bedeutende Einflußgrößen den Ertrag in den Systemen beeinflussen.

Zu diesem Zweck erfolgte eine ausführliche Analyse der agroökologischen Standortbedingungen auf Hochbeeten (raised fields) und konventionell bewirtschafteten Feldern auf der nördlichen Hochebene (Altiplano) am Titicacasee in Bolivien. Untersucht wurden dabei auch die Luft- und Bodentemperaturen sowie die Bodenfeuchte während der Vegetationszeit in Hochbeeten und auf konventionellen Feldern.

Der Schwerpunkt dieser Arbeit lag jedoch in der detaillierten Untersuchung der Nährstoffdynamik in beiden Systemen bei einem realistischen Düngungsniveau von 7,5 t ha-1 zur Beurteilung der besseren Standorteignung. Analysiert wurden dafür die Nährstoffkonzentrationen (Ngesamt, P (Olsen), Corg., austauschbare Kationen Ca2+, Mg2+, K+, Na+) im Ober- und Unterboden der Systeme zu Beginn und Ende der ersten 1997 / 98 und zu Beginn der zweiten Vegetationszeit 1998 / 99.

Die Erträge wurden ebenfalls erhoben.

Die wichtigsten Unterschiede zwischen den Systemen zeigten sich bei den Minimumlufttemperaturen in 10 cm Höhe. Bei Frostereignissen sanken die Temperaturen auf den Hochbeeten nicht so tief ab, wie im konventionellen System. Die aufgetretenen geringen Unterschiede würden bereits ausreichen, um Ertragsausfälle durch physiologische Schädigung der oberirdischen Grünmasse bei der frostempfindlichen „normalen" Kartoffel (Solanum tuberosum ssp. andigena) auf Hochbeeten zu verhindern. Bei stärkeren Frösten würde sich diese temperaturpuffernde Wirkung der Hochbeete ebenfalls vorteilhaft auf die Erträge der frostresistenteren Bitterkartoffeln (Solanum juzepczukii Buk., Sorte Luki) auswirken. In dieser Hinsicht zeigten die Hochbeete die stärksten Potentiale, da die Ertragsausfälle durch Frost auf konventionellen Feldern bei normalen Kartoffeln bis zu 80 % betragen können.

Auf den Hochbeeten wurden auch in dem durch Fröste gefährdeten Zeitraum von 5.00 bis 8.00 Uhr morgens bei den Bodentemperaturen in 10 cm Tiefe geringfügige Unterschiede  zugunsten der Hochbeete festgestellt, die sich positiv auf die Wurzelmasse der normalen Kartoffeln auswirken. Grund hierfür waren vermutlich die höheren bodennahen Lufttemperaturen, die den Boden der Hochbeete nicht so stark abkühlen ließen wie im konventionellen System. Die höheren Lufttemperaturen wirkten sich wiederum positiv auf die Ertragssicherung aus (siehe voriger Absatz).

Im Vegetationsverlauf waren die Unterschiede zwischen den Systemen vor allem im ersten Anbaujahr 1997 / 98 mit extremen Witterungsbedingungen (Trockenheit) deutlich, im klimatisch durchschnittlichen zweiten Anbaujahr nur gerinfügig ausgeprägt. Die Minimumbodentemperaturen in 10 cm Tiefe waren im Oktober zu Beginn der Vegetationszeit 1997 / 98 in den Hochbeeten deutlich höher als im konventionellen System. Dieses und die höheren Bodentemperaturen von 5.00 bis 8.00 Uhr morgens in 10 cm Tiefe im Tagesverlauf könnte ein Indiz auf die höhere, bzw. durch die ausgeglichenere Bodenfeuchte längerfristige, Wärmespeicherfähigkeit des Hochbeetbodens sein.

Bei den Hochbeeten waren die Bodenfeuchten während der Vegetationszeit durchgängig in 25 cm Tiefe höher als in 15 cm, während es sich im konventionellem Anbau anders herum verhielt. In den Hochbeeten erfolgte kapillarer Aufstieg, so daß dieses System durch die stetige Nachlieferung der Bodenfeuchte eine Unabhängigkeit von den unregelmäßigen Niederschlägen gewährleistete. Im konventionellen System war die Bodenfeuchte in 15 cm Tiefe höher und die Bodenwasserbewegung nach unten gerichtet, so daß durch die hohe Bodenevaporation und die Versickerung des Bodenwassers ungünstigere Bedingungen für die physiologische Entwicklung der Kartoffeln vorlagen.

Die Hochbeete zeigten generell höhere Nährstoffkonzentrationen (Corg., Ngesamt, P (Olsen), austauschbare Kationen Ca2+, Mg2+, K+, Na+ im Ober- und Unterboden als die konventionellen Felder. Der Hauptunterschied bestand in dem nährstoffreicheren Unterboden der Hochbeete gegenüber den konventionellen Feldern.

Bei der Konstruktion der Hochbeete wurden die mit dem Sumpfgras Totorilla (Scirpus rígidus) bewachsenen oberen Bodenschichten in tiefere Bodenschichten verlagert. Durch die hohen Nährstoffvorräte, v.a. an organischer Substanz im Unterboden wird eine langfristige Nährstoffnachlieferung gewährleistet.

Die wichtigsten Parameter zur Unterscheidung der Systeme waren die EL, Ca2+, P (Olsen) und die org. Substanz.

Bei den Hochbeeten trat eine tendenziell höhere Versalzungsgefahr auf als bei den konventionellen Feldern. Diese Problematik könnte jedoch möglicherweise durch genügend Wasser in den Kanälen gemildert werden.

Der pflanzenverfügbare Phosphor P (Olsen) könnte im konventionellen System eher noch als in den Hochbeeten, zum kurzfristig limitierenden Faktor werden. Wobei in den Hochbeeten jedoch durch eine höhere bodenbiologische Aktivität als im konventionellen System wahrscheinlich eine zusätzliche Freisetzung an org. gebundenem Phosphor erfolgt.

Bei Kalium war der mittelfristige, pflanzenverfügbare Anteil in den konventionellen Feldern zwar gering, die langfristige Nachlieferung durch das austauschbare Kalium schien jedoch in  den konventionellen Feldern im zeitlichen Verlauf etwas stärker zu sein als in den Hochbeeten.

Im Zeitablauf von der Saat bis zur Ernte und zur zweiten Saat waren es vor allem die Parameter organische Substanz und P (Olsen), die die Systeme deutlich unterschieden und eine höhere Nährstoffdynamik in den Böden der Hochbeete anzeigten.

Es wurden also deutliche Unterschiede zwischen den Systemen hinsichtlich der Bodennährstoffgehalte festgestellt. Diese wirkten sich jedoch nicht auf die Erträge aus, denn es wurden lediglich sehr geringe Ertragsunterschiede festgestellt. Potentielle Nährstoffvorteile realisierten sich also kaum. Die Erträge fielen in beiden Systemen, verglichen mit regional üblichen Erträgen, sehr hoch aus. Trotz der außergewöhnlichen klimatischen Bedingungen des Anbaujahres 1997 / 98 bewirkten die festgestellten Temperaturvorteile beim Hochbeetanbau keine bedeutsamen Ertragsunterschiede. Vermutlich kommen diese Vorteile jedoch erst in noch extremeren Jahren mit einer ungünstigen Niederschlagsverteilung zum Tragen, bzw. bei einem bestimmten Zusammenspiel mehrerer ungünstiger Faktoren. Dieses dürfte vor allem mit zunehmender Marginalität der Standorte, d.h. mit zunehmender Entfernung zum Titicacasee sichtbar werden.

Da Phosphor als limitierender Faktor auftrat, könnten Untersuchungen zur bodenbiologischen Aktivität mit dem Parameter mikrobielle Biomasse Aufschluß darüber geben, in welchem Umfang und wie stetig die Nachlieferung von org. gebundenem Phosphor durch die Bakterienin den beiden Anbausystemen erfolgt.

Zur vergleichenden Analyse der ertragslimitierenden Wirkung der verschiedenen Einflußfaktoren wären Langzeituntersuchungen mit einer großen Datengrundlage sinnvoll, die den Einfluß der wechselhaften Klimabedingungen möglichst gering halten."

[a.a.O., S. 76 - 78]

 

2000


Abb.: Entwicklung des Baumwollanbaus im Departamento Santa Cruz, 1952 bis 2000

Abb.: Entwicklung des Zuckerrohranbaus im Departamento Santa Cruz, 1951 bis 1999


Abb.: Entwicklung des Sojanabaus im Departamento Santa Cruz, 1971 bis 2000

[Vorlage der drei Abb.: Las tierras bajas de Bolivia a fines del siglo XX : tenencia, uso y acceso a la tierra y los bosques / coord. Miguel Urioste ... -- La Paz : PIEB, 2001. -- ISBN 4-1-533-01. -- S. 263 - 265]

2000

Abb.: Kuppelbau aus Adobe (getrockneten Lehmziegeln), La Paz, 2000. Höhe: 8,80 m, Innendurchmesser: 5,50 m

[Bildquelle: Minke, Gernot: Manual de construcción para viviendas antisísmicas de tierra. -- 2. ed. -- Kassel : Forschungslabor für Experimentelles Bauen, 2001. -- S. 44]

2000

Die französische Organisation Bolivia Inti beginnt mit der Verbreitung von Solarkochern im ländlichen Raum.


Abb.: Solarkocher "Scheffler"

"El uso de cocinas ecológicas aumenta en el área rural

Estos artefactos ayudan a las comunidades a ahorrar hasta el 60 por ciento del gas y de la leña.

La cocinas solares son económicas y permiten el ahorro de combustible, como el gas, electricidad o la leña. Son apropiadas para las áreas rurales, sobre todo en regiones donde no hay energía eléctrica y todavía se utiliza troncos secos para preparar los alimentos. Lo único que necesitan para funcionar son los rayos solares y eso es gratuito.

El uso de las mismas se está incrementando en Bolivia y, según las proyecciones de la Organización No Gubernamental francesa Bolivia Inti, se prevé que para el 2005 habrá más de un millón. Por ende, más de un millón de familias rurales con mejor calidad de vida y con gastos reducidos.

Esta ONG trabaja con el proyecto desde el 2000, año en que se capacitó a 78 comunarios, a través de la organización Sobre la Roca que dirigen los esposos David y Ruth Whitfield. En el 2001 se beneficiaron 280 personas en Bolivia y en Perú. Y respondiendo a la demanda, este año se tiene programada la capacitación de otras 1.000.

El curso dura una semana con  intensivo entrenamiento y seis meses de seguimiento. Los participantes reciben información del uso que se tiene y del manejo, y finalmente construyen sus propias cocinas ecológicas, las cuales son utilizadas para preparar la comida para el día de la clausura del evento.

Una de las ventajas de cocer los alimentos en estas cocinas es que se conservan mejor sus nutrientes; además, por ejemplo, la carne cuece de adentro hacia afuera de manera uniforme, lo que la hace más sana y agradable, explica Whitfield.

El pollo se cocina en 1,5 hora, la papa en dos, una olla llena de sopa tomará entre dos a tres horas, la oca una y el choclo 1,5. Se pueden preparar queques, galletas, panes y uno de los beneficios más importantes es que se puede pasteurizar el agua.

Existen variedad de cocinas ecológicas, tres son las que más se fabrican. La cocina solar puede reducir el consumo del carburante en 60 por ciento, no utiliza ningún tipo de combustible y los alimentos son preparados y cocidos sólo con el sol.

La Cocina de Retención del Calor ahorra un 50 por ciento o más de combustible ya que sólo se necesita llevar el preparado (comida) a hervir por unos 10 minutos, luego se lo retira del fuego y se lo coloca dentro de la caja, donde los alimentos continúan siendo cocidos.

La Cocina de Leña Eficiente Aprovecho ahorra un 40 por ciento o más de leña, ya que es construida en forma especial para atrapar las llamas alrededor de la olla, aumentando el grado de calor para una más pronta cocción de los alimentos.

experiencias en el campo

MÁS CAPACITACIÓN

Los pobladores de Zongo gastaban 30 kilos de leña a la semana para cocinar, ahora sólo usan 6 kilos e invierten menos tiempo en buscar ese combustible. Esta es una de las razones por la que solicitaron incluir en su POA 2002 la contraparte que se necesita para realizar un nuevo curso de capacitación sobre cocinas solares. En el 2001, 22 personas de siete comunidades de la región, entre pobladores y dirigentes, aprendieron a fabricar sus propias cocinas, gracias al financiamiento de la Alcaldía de La Paz. El programa de seguimiento de este proyecto estableció que los participantes del curso utilizan sus cocinas entre cinco y seis veces por semana.

UN PUESTO MILITAR

Todos Santos es una población orureña que se encuentra cerca de la frontera con Chile. Tiene alrededor de 80 familias que se dedican a la producción de ajo. Es una región muy pobre donde está un puesto militar fronterizo. Allí fueron capacitados 31 comunarios, incluido un militar que construyó las cocinas que ahora se utilizan en la preparación de gran parte de los alimentos del batallón que resguarda esa frontera. Gracias al éxito del curso, el coordinador del programa de seguimiento del proyecto en esa región gestionó para este año la capacitación de otras 100 personas en la ciudad de Oruro."

[La Razon. -- La Paz. -- 2002-02-10. -- S. C8]

2000

"Frauen einer Pfarrei in Bolivien stricken wertvolle Alpaka- Pullover, um die Zukunft der Seelsorge sichern zu helfen

Suyanja-ein Projekt mit Vision

"Hilfe zur Selbsthilfe" kann zum hohlen Geschwätz werden, wenn keine klaren Zielvorstellungen und kein Standvermögen bestehen. Pfarrer Dietmar Krämer und sein Freund Wilfried Puhl-Schmidt ("Don Wilfredo") haben ein Projekt erarbeitet, welches nach 5 Jahren Nachdenken und auch Frust nunmehr konkrete Früchte bringt.

Wer ist Pfarrer Dietmar Krämer?

Er ist katholischer Priester aus der Diözese Freiburg. Acht Jahre war er Pfarrer in Brasilien. Seit 6 Jahren leitet er die Pfarrei Llica- Tahua im ärmsten Teil des Hochlandes von Bolivien. Dort ist er nicht nur Priester und Seelsorger, sondern auch Entwicklungshelfer und Mann für alle Fälle. Unter anderem liegt es ihm am Herzen, dass die Christen seiner Pfarrei in Zukunft die Seelsorge auch durch eigenes wirtschaftliches Engagement ermöglichen.

Wer ist Don Wilfredo?

Er ist Inhaber einer Kerzenmanufaktur und engagierter Christ der Gemeinde St. Märia in Kehl/Rhein. Seit Jugendzeiten interessiert ihn Südamerika mit seinem schweren Erbe aus kolonialer Vergangenheit und seinem oft schändlichen missbrauchtem Christentum. Durch Zufall ("Zufälle sind die Spuren Gottes") lernte er Pfarrer Krämer kennen, und beide entwickelten in langen Gesprächen den Gedanken, dass materiell- soziale und kirchlich- Pastorales Engagement wesentlich zusammen- gehören.
 

Wer ist Dona Lidia Morales?

Sie ist eine kirchlich und politisch sehr engagierte Frau. Von Beginn an stand sie hinter den beiden Gesichtspunkten des Alpaka Pullover- Projektes. Viel Zeit investiert sie, um in den Dörfern, die zur Pfarrei gehören, den Sinn des Projektes zu erklären und dafür zu werben.

Was ist Suyanja?

Dieses Wort aus einer alten Andensprache bedeutet soviel wie "Hoffnung- Zukunft- Neubeginn".

Wie sieht das Projekt aus?

Zunächst einmal kaufen Pfarrer Krämer und Don Wilfredo 100% reine ungefärbte Alpakawolle. Diese Wolle wird an jene Frauen der Pfarrei verteilt, welche den eigentlichen Sinn des Projektes mittragen möchten. Sie haben gelernt mit Strickmaschinen umzugehen und werden, von Dona Lidia begleitet. Sie nimmt auch die strenge Endkontrolle. In der Anfangsphase floss so manche Träne, weil es den Pullovern an Qualität fehlte.

Welche Gesichtspunkte hat das Alpaka-Pulloverprojekt?

Zunächst einmal ermöglicht es den Frauen, das Einkommen der Familie aufzubessern und möglicherweise das Abwandern in die Slums einer Großstadt zu verhindern.

Ein anderer Gesichtspunkt ist genauso wichtig. Wie in Europa, so hängt auch in Südamerika das kirchliche Leben sowohl vom Geld, als auch vom Engagement der Gemeindemitglieder ab. Pfarrer Krämer erhält das Geld aus Europa. Doch wer finanziert einmal seine bolivianischen Nachfolger?

Wer finanziert die Katecheten?

Wer koordiniert später einmal die Aktivitäten und Geistgaben der Gemeinde? Gerade im Hochland Boliviens ist der Priester die zentrale Figur im Gemeindeleben. Die Gemeinde von Llica/Tahua möchte in späterer Zukunft auch aus eigener Kraft den Lebensinhalt eines Priesters sichern helfen.

Kurz gesagt und ganz konkret!

Der aus dem Projekt Suyanja erwirtschaftete Gewinn geht zum größten Teil an die Familien der strickenden Frauen. Die anderen Teile wandern innerhalb der Pfarrei in einem Fond. Dieser soll einen Grundstock bilden, um auch auf längere Sicht die Pfarrei zu erhalten. Ein bolivianischer Priester z.B. könnte einmal später einen Teil seines Lebensunterhaltes aus dem Fond beziehen. Wer also einen Pullover aus dem Projekt bestellt, engagiert sich in zweifacher Hinsicht: für soziale und langfristige Belange der Seelsorge in der konkreten Gemeinde Llica/Tahua.

Was ist Alpaka?

Es gehört wie sein naher Verwandter, das Lama zur Familie der Kamele und lebt vorzugsweise in Höhen, von 4000m. Seine Wolle gehört zum feinsten und wertvollsten Material, welches der liebe Gott gegen Kälte wachsen lässt. Wer zum ersten Mal einen Alpaka-Pullover trägt, hat das Gefühl, so etwas wie atmende wohlige Wärme zu spüren.
Keine Kunstfaser hat das gewisse etwas 100% reiner Alpaka- Wolle.

Utopie oder vorausschauende Planung?

Die beiden Initiatoren des Pulloverprojektes gehen von dem fast utopischen Gedanken aus, dass eine konkrete Pfarrei in Bolivien es schafft, mit eigenen materiellen Beiträgen die christliche Verkündigung sichern zu helfen.
Wohl gemerkt: Nicht allein der materiell-soziale Aspekt beseelt das Projekt, sondern auch das wirtschaftliche Engagement der Strickerinnen für die eigentlichen Belange der Pfarrei, die es zu fördern gilt.
Binsenweisheit ist es zu sagen, dass die Weltkirche nur durch die vielen kleinen Ortskirchen bis in die entlegensten Winkel der Erde sichtbar wird. Man möge es nun nicht als plumpe Werbung betrachten, wenn wir unser Alpaka-Pullover- Projekt als echte Hilfe zur Selbsthilfe verstehen, damit eine kleine Ortskirche in Bolivien sich aus eigenen Kräften erhält.

Sind Geldspenden nicht einfacher und effektiver als der Kauf eines Pullovers aus diesem Projekt?

Natürlich hilft Geld, um in armen Ländern Seelsorge zu ermöglichen. Doch halten wir es für genauso wichtig, die finanziellen Eigeninitiativen der Menschen für ihre Kirche zu fördern. Geldspenden sind sinnvoll. Es erscheint uns jedoch mehr als sinnvoll, wenn eine konkrete Gemeinde Boliviens an der materiellen Grundlage mitarbeitet. Das schafft Gemeindebewusstsein und "Kirche von unten".
Mit Suyanja grüßen wir alle jene unter Ihnen, welche die beiden Gesichtspunkte des Projektes unterstützen möchten.

 

Pullover braun-gemustert Preis:135 DM Pullover weiß-gemustert, Preis: 135 DM

 Hier unser Sortiment:

[Quelle: http://www.gemeinde2000online.de/seite11d.htm. -- Zugriff am 2002-10-10]

2000

Gründung der Rock-Band Jaula 31. Webpräsenz: http://www.boliviaenrock.8k.com/jaula31.html. -- Zugriff am 2002-10-23]

2000-01-21

Zwischen den Laimes, Quaqachacas und Jucumanis kommt es zu einem Massaker. Die Regierung schickt Militär ins Kampfgebiet.

2000-02-10

Bolivien wird zu einem der Länder ernannt, für die die Initiative Highly Indebted Poor Countries (HIPC) des International Money Fund in Frage kommt. Dadurch reduzieren sich die Auslandsschulden auf US$ 2 Milliarden. [Zu HIPC siehe: http://www.imf.org/external/np/exr/facts/hipc.htm. -- Zugriff am 2002-09-04]

2000-02-10

 "Parlament beschließt Schutzvorschriften für Hausangestellte

Am 10. Februar 2000 verabschiedete das bolivianische Parlament nach jahrelangem Tauziehen das Gesetz "Zur Regelung bezahlter Tätigkeiten in fremden Haushalten", das erstmals den Hausangestellten die gleichen Mindestrechte wie anderen Beschäftigten garantiert. So wird unter anderem eine Obergrenze für die wöchentliche Arbeitszeit, eine Überstundenregelung sowie die Zahlung des gesetzlichen Mindestlohnes festgeschrieben. Dem Gesetzentwurf war eine intensive Kampagnen- und Lobbyarbeit der Föderation der Hausangestellten (FENATRAHOB -- Federación de Trabajadoras de Hogar de Bolivia), einer kleinen, aber sehr aktiven Organisation, vorausgegangen .

Julieta Montaño vom Rechtshilfebüro für Frauen in Cochabamba (wie FENATRAHOB ebenfalls ein Projektpartner von terre des hommes), die die Hausangestellten juristisch beraten hat, führt den Erfolg auf die Unterstützung der bolivianischen Ombudsfrau und der bolivianische Bischofskonferenz, vor allem aber auf den energischen Einsatz von Casimira Rodriguez, Vorsitzende von FENATRAHOB, sowie ihrer Mitstreiterinnen zurück. Die Kampagne wurde trotz des Widerstandes zahlreicher Parlamentarierinnen und einer Gegenkampagne in den Massenmedien zum Erfolg gebracht. Die bolivianischen Hausangestellten, eine der am stärksten diskriminierten Berufsgruppe, haben es 48 Jahre nach der bolivianischen Revolution nun endlich geschafft, sich in der Öffentlichkeit und in den politischen Gremien Gehör zu verschaffen. Beachtlich ist diese Entwicklung vor allem deshalb, weil sie in einer Zeit der Flexibilisierung und Liberalisierung des Arbeitsmarktes durchgesetzt wurde. Mit dem neuen Gesetz wird damit endlich ein Relikt feudaler Abhängigkeitsverhältnisse im bolivianischen Arbeitsrecht beseitigen."

[Quelle:  http://www.oneworldweb.de/tdh/reportage/abschied.html. -- Zugriff am 2002-04-30]

2000-02-28

Der Italo-Bolivianer Marco Diodato, der als einer der großen Drogenfabrikanten Boliviens gilt, wird vom bolivianischen Richter Carlos Roca mangels Beweisen freigesprochen. Die USA protestieren. Bolivien weist den Protest als Einmischung in innere Angelegenheiten zurück. Im März stellt sich heraus, dass der Richter Carlos Roca ein Verwandter des Drogenfabrikanten Jorge Roca ist. Auch sollen der Informationsminister und der Justizminister für einen Freispruch eingetreten sein. Beide treten aufgrund der Vorwürfe zurück.

2000-04

"Wasseraufstand in Cochabamba : An den Grenzen des Systems

Anfang April verhängte die bolivianische Regierung den Ausnahmezustand über das gesamte Land. Campesino/a-Organisationen hatten fast alle Oberlandstraßen blockiert und die 600 000-Einwohner-Stadt Cochabamba war in einen Generalstreik getreten, um gegen das Unternehmen „Aguas de Tunari" zu protestieren. Das transnationale Konsortium hatte seine Monopolstellung genutzt, um die Wasserpreise drastisch zu erhöhen. Im folgenden Beitrag zeichnet ein Mitarbeiter der Kinderrechtsorganisation terre des hommes, der in Cochabamba lebt, die Ereignisse nach.

VON PETER STRACK

Präsident Banzer tat beleidigt, sein Sprecher McLean spuckte Gift und Galle. Da hatte sich Bolivien so bemüht, der Musterknabe der Reformerinnen in Weltbank und IWF zu werden. Und nun? „Salvajes" - Wilde seien die Cochabambinos und vom Drogenhandel finanziert. In der Hauptstadt konnte der frühere Harvard-Dozent McLean überhaupt nicht verstehen, dass die Stadtteilorganisationen in der Provinzstadt zu alter Kraft zurückgefunden hatten, Kleinbauern neben Studentinnen, alte Frauen im Kittel neben trotzkistischen Gewerkschaftsführern Barrikaden errichteten. Selbst in den reicheren Vierteln versperrten Äste und Stacheldraht die Straßen. Im Stadtzentrum, wo Soldaten und Polizisten mit automatischen Leichtfeuergewehren und Scharfschützen mit Kalaschnikows auf Demonstrantinnen schössen, waren die Straßenkinder gemeinsam mit den Jugendlichen aus den Armenvierteln am Stadtrand ganz vorne mit auf den Barrikaden. Für knapp zwei Wochen waren sie anerkannter Teil der Gesellschaft Cochabambas. Die protestierte um so wütender, je arroganter die Stellungnahmen, je schärfer die Repression der Regierung wurde. Diese wiederum merkte nicht, dass sie und der ganze politische Apparat mit seinen verfassungsmäßigen Gremien ihre Glaubwürdigkeit in der Bevölkerung verspielt hatten. Statt dessen pochte sie auf die öffentliche Ordnung und sorgte sich um ihr Image beiden ausländischen Investoren.

Stein des Anstoßes war das Gesetz 2029 zur Neuregelung der Wasserpreise, das das Parlament bereits im Oktober vergangenen Jahres auf Empfehlung der Interamerikanischen Entwicklungsbank verabschiedet hatte. Die Grundidee: Wasser ist ein knappes Gut und der Markt ist das beste Steuerungsmittel zur Verteilung knapper Güter, durch Korruption wurden die öffentlichen Wasserwerke völlig ineffizient. Allein in Cochabamba sind etwa 40 Prozent der Bevölkerung nicht an die öffentliche Trinkwasserversorgung angeschlossen. In der Stadt gab es dann noch ein zusätzliches Problem. Der Bürgermeister und ihm nahestehende Interessengruppen hatten den Bewohnerinnen eingeredet, nur mit einem Großprojekt - einer Tunnelbohrung im Misicuni-Tal - könnte die Wasserknappheit der Stadt beseitigt werden, was zusätzlichen Kapitalbedarf bedeutete. Waren da nicht Privatunternehmen eine Garantie für effizientes Wirtschaften und internationale Konzerne nicht die einzige Chance, an Kapital zu kommen?
Nun wissen auch Neoliberale, dass es bei „öffentlichen Gütern" gewisse Probleme mit der Marktwirtschaft gibt. Markt erfordert Konkurrenz, eine genügend große Zahl von Abnehmerinnen ebenso wie von Anbieterinnen. Auf der Nachfrageseite gibt es in Bolivien zwar genügend Menschen, die Wasser benötigen, doch die in den vergangenen Jahren ständig gesunkenen Reallöhne erlauben keine großen Preiserhöhungen. Das hinderte die an Auslandsinvestitionen interessierten Politikerinnen jedoch nicht daran, die Preisentwicklung an den Dollar und nicht an die Lohnentwicklung zu koppeln. Und die Angebotsseite: Natürlich macht es keinen Sinn, um des Wettbewerbes willen mehrere parallele Kanalsysteme in einer Stadt zu
installieren. Statt Preissenkung durch Konkurrenz würden die Kosten jedes einzelnen Anbieters ins Unermessliche steigen.

Mit dem Gesetz 2029 wurden deshalb Monopole für einzelne Territorien geschaffen, die von einem nationalen Superintendenten kontrolliert werden sollen. Dies rief die Privatversorger auf den Plan - und dann in der Folge vor allem die Kleinbauern und -bäuerinnen, die seit Jahrhunderten ihre Bewässerungssysteme in Wasserkooperativen effizient, wenn auch nicht nach Marktprinzipien organisieren. Letztere sahen nicht ein, warum sie von jetzt an von einem ausländischen Privatunternehmen gemanagt werden und für das von ihnen kanalisierte Wasser auch noch Gebühren zahlen sollten.
Nach Erlass des Gesetzes schritt man dann zur Tat und warb um regionale Wasserversorgungsunternehmen. In Cochabamba blieb die Ausschreibung allerdings zunächst ergebnislos. Schließlich wurde dann aber doch ein Vertrag mit einem Konsortium geschlossen, das so wenig transparent wie kapitalkräftig war und nicht nur mit Investitionen, sondern selbst bei der Mietzahlung für seine Büroräume in Rückstand geraten war: „Aguas del Tunari". Die Besitzstrukturen und damit auch die Zuständigkeiten innerhalb dieses Unternehmens verlieren sich in der Weite einer vielfach verzweigten Aktiengesellschaft, die zum Teil International Water Limited in London gehört, die wiederum eine Tochterfirma von Bechtel Enterprises Inc, San Franciso, sowie Edison S.p.A., Mailand, ist. Wer auch immer in dieser Firma das Sagen hat - man hatte offensichtlich beschlossen, dass die Cochabambiner Bevölkerung selbst das Kapital für die Investitionen in die Wasserversorgung aufbringen sollte und erhöhte erst einmal kräftig die Preise. Dieser Schritt brachte das Fass zum Überlaufen und setzte nicht nur ein ökonomisches, sondern auch ein politisches Lehrstück in Gang.


Abb.: Beteiligungen an Aguas del Tunari [Bildquelle: Pulso. -- La Paz. -- 2002-07-10]

Chronologie eines unerwarteten Sieges

Nach den Preiserhöhungen gab es wiederholt Proteste und viele Konsumentinnen weigerten sich, die überhöhten Rechnungen zu bezahlen. Anfang Februar versuchte der Präfekt von Cochabamba dann, eine Protestdemonstration zu verbieten - und als dies nichts half, mit massivem Polizeieinsatz zu unterdrücken. Vergeblich, die Proteste gingen weiter. Schließlich wurden Verhandlungen anberaumt, in denen die Konfliktparteien unter Beteiligung der lokalen Zivilgesellschaft einen Konsens finden sollten. Anscheinend hoffte man darauf, dass sich der Protest totlaufen würde. Ein „Kompromiss" lag dann auch kurz vor Ende der vereinbarten Frist auf dem Tisch: Die Tarifstruktur solle überdacht und die Preiserhöhungen in vielen kleinen statt in einem großen Schritt durchgeführt werden, was im Grunde nichts anderes hieß als die Fortsetzung der bisherigen Politik mit anderen Mitteln.

Allein, die „Koordination für das Wasser und das Leben", ein loses Gremium politisch ansonsten unbedeutender gewerkschaftlicher, nachbarschaftlicher und Umweltorganisationen, ließ sich nicht derart einbinden, schien aber - folgte man Zeitungen und Fernsehen - isoliert. Eine methodisch fragwürdige, aber im Ergebnis eindeutige - „Aguas de Tunari raus!" -Volksbefragung der Koordination hätte die Politikerinnen aufhorchen lassen sollen. Stattdessen versuchten sie zusammen mit den Massenmedien, die Mitglieder der Koordination als unseriöse Maximalistlnnen zu diffamieren, was für sie allerdings nach hinten los ging: Die Bevölkerung sammelte sich hinter „ihrer" Koordination, die derart ermutigt nun die Entscheidung suchte und für den 4. April einen Generalstreik ausrief.

Der Erfolg des Aufrufes war grandios: Der Verkehr wurde durch Straßenblockaden und Tausende von Demonstrantinnen in der Innenstadt komplett lahm gelegt. Im Laufe der folgenden Tage verbreiteten nicht mehr nur die kleinen Alternativradios die Aufrufe der Koordination, sondern auch die großen TV-Stationen Cochabambas wurden auf einmal zu Sprachrohren von „Volkes Stimme", als die nationalen Medien die Situation nach wie vor nicht besonders ernst nahmen und als lokalen Konflikt darstellten.

Die Koordination war zu einem politischen Akteur geworden, an dem niemand mehr vorbeikam. Trotzdem zögerte die Regierung Gespräche mit der Koordination immer weiter hinaus, was den Protest zusätzlich anheizte. Am 6. April beherrschten Tränengas, brennende Barrikaden und Steine auf das Polizeihauptquartier und die Präfektur das Stadtbild. Erst am späten Abend kam es auf Vermittlung des Erzbischofs Tito Solari endlich zu direkten Gesprächen zwischen der Koordination einerseits, der Präfektur, Ministern und der Stadtverwaltung andererseits. Die dauerten jedoch nur kaum eine Stunde, weil staatliche Sicherheitskräfte die Präfektur stürmten und die Vertreterinnen der Koordination festnahmen, um sie in den Morgenstunden wieder freizulassen. Diese Machtdemonstration verstärkte noch einmal den Protest, die Aktionsformen verschärften sich. Immer mehr Campesinas/
os zogen am nächsten Tag mit Stöcken und Hacken ins Zentrum, die Barrikaden wurden immer mehr.

Leere Versprechen

Für die Regierung hatten sich zu diesem Zeitpunkt zwei weitere Konfliktlinien aufgetan. Zum einen blockierten Mitglieder der Kleinbauernorganisation CSUTCB alle wichtigen Überlandstraßen. Ihnen ging es nicht nur um das Gesetz 2029, vielmehr traten sie für einen Forderungskatalog ein, in dem es vor allem um die Vernachlässigung der ländlichen Regionen ging. Zum anderen war ein Polizeibataillon wegen niedriger Löhne in Streik getreten -ausgerechnet eine Sondereinheit, die normalerweise gegen Demonstrationen eingesetzt wird. Während der sich im Land ausbreitende Protest zu Personalengpässen bei Militär und Polizei führte, spitzten sich die Auseinandersetzungen in Cochabamba im Laufe des 7. April derart zu, dass der Präfekt, um Menschenleben fürchtend, sich erneut für Verhandlungen entschied und der Regierung vorschlug, den Vertrag mit Aguas de Tunari aufzugeben.

Was dann genau geschah, ist unklar: Wahrscheinlich ließ Banzer den Präfekten im Glauben, die Regierung stimme - um Blutvergießen zu vermeiden - dem Vorschlag zu, sie werde aber noch offiziell Bescheid geben. Der Regierungssprecher kündigte allerdings mit mehrstündiger Verspätung nur eine Erklärung für den kommenden Montag, den 10. April, an. Daraufhin drohten die Massen, die Präfektur einzunehmen, so dass der Erzbischof beschloss, die vermeintliche Entscheidung der Regierung bekannt zu geben. Cochabamba feierte bis tief in die Nacht hinein.

Am nächsten Morgen sah aber alles ganz anders aus: 23 Menschen waren in der Nacht von vermummten Polizisten misshandelt, verhaftet und in ein Militärlager im Tiefland deportiert worden und es gab einen neuen Präfekten für Cochabamba, den Polizeichef. In La Paz kehrte, nachdem es fast zu einer Schießerei zwischen Militärs und der rebellierenden Polizeieinheit gekommen wäre, letztere mit 50 Prozent Lohnerhöhung an ihren Arbeitsplatz zurück. Die Regierung beorderte militärische Sondereinheiten aus Santa Cruz ins Altiplano und nach Cochabamba und trommelte die Presse zusammen, um den Ausnahmezustand auszurufen.

Ausnahmezustand..

Banzer hatte zu diesem Zeitpunkt immer noch nicht begriffen, dass es hier nicht um ein paar Aufrührer geht, sondern seine Regierung das Vertrauen der Bevölkerung verloren hat. Die Proteste gehen weiter. Banzers Rücktritt wird gefordert.

Cochabamba erlebt einen schwarzen Samstag. Der 17-jährige Demonstrant Victor Hugo Daza wird vermutlich von einem Scharfschützen ermordet, weitere Demonstrantinnen zum Teil schwer verletzt. Auch auf den Überlandstraßen wird scharf geschossen. Bei der Auflösung einer Straßenblockade in Patacamaya im Altiplano wird ein weiterer Mann vom Militär getötet.

In Cochabamba stehen am Sonntagmorgen lange Schlangen vor dem in der Jesuitenkirche aufgebahrten Leichnam Dazas. Auf dem Hauptplatz davor versorgen Menschen die vorwiegend jugendlichen Demonstrantinnen, die die ganze Nacht über gewacht haben, mit Lebensmitteln. „Banzer - Mörder" steht mit dicken Buchstaben an einigen Hauswänden. „Wir wollen keinen Diktator", ist an einer Hauswand zu lesen. Ein Lager der Präfektur wird abgefackelt, niemand schickt die Feuerwehr. Die Beerdigung verläuft jedoch friedlich und ist eine Demonstration gegen die Regierung. Die kündigt eine hochrangige Verhandlungskommission an, die aber nie kommt.

Die gewaltsamen Konflikte an diesem Sonntag konzentrieren sich auf die Hochebene. In Achacachi tötet das Militär bei der Auflösung einer Straßenblockade zwei Campesinos, Hugo Apaza und Ramiro Quispe. Wenig später holt die aufgebrachte Menge in einem Racheakt den verletzten Offizier Omar Téllez aus dem Krankenhaus des Ortes und bringt ihn um. Die Militärs verkünden, sein Körper sei von den Campesinos grässlich entstellt worden. Die bolivianische Ombudsfrau, die sich auf Fotos beruft, wird diese Version später als Falschmeldung und Propaganda entlarven, wie so viele Äußerungen von Regierungsstellen in diesen Tagen. Das hindert das Militär in Achacachi nicht an Racheaktionen. Den Widerstand können sie aber nicht aufhalten, in der Region nun von den Nachbargemeinden Achacachis organisiert. In La Paz beginnen Studentinnen und Lehrerinnen, gegen den Ausnahmezustand zu demonstrieren. Mitglieder der kleinen, aber in La Paz regierenden „Bewegung ohne Angst" unterstützen die Forderung mit einem Hungerstreik.

...und alle gehen hin

Auch in Cochabamba scheren sich die Menschen nicht um den Ausnahmezustand und marschieren ab den frühen Morgenstunden in das Stadtzentrum. Gegen Mittag sind es bereits an die 50 000.

Die Radios melden aus den Provinzen neue Straßenblockaden und weitere Gruppen von Kleinbäuerinnen und -bauern, die sich auf den langen Weg nach Cochabamba oder zu den neuralgischen Punkten an der Überlandstraße machen, um die Blockaden und den Protest zu verstärken. Die Lebensmittel in Cochabamba sind knapp und allen ist klar, dass sie mit ihren Hacken und Stöcken gegen Banzers Militär letztlich wenig in der Hand haben. Angesichts des drohenden Blutbades häufen sich die Appelle im Radio, friedlich zu bleiben. Aber es wird deutlich, dass es hier um mehr geht als nur um einen post-modernen Verteilungskonflikt. Inzwischen geht es auch um die Würde.

Die Regierung heizt den Konflikt zudem an, indem sie die Reise einer offiziellen Delegation und auch die für diesen Tag angekündigte Parlamentssitzung zur Modifizierung des Gesetzes 2029 erneut verschiebt. Parallel dazu, und entgegen der wiederholten Äußerungen der Regierung, sie würde mit der Koordination nicht verhandeln, sucht der Staatssekretär Orias das vertrauliche Gespräch mit deren Vertreterinnen.

Als dann viele ein großes gewalttätiges Fanal befürchten, wird in den frühen Abendstunden ein Abkommen unterzeichnet und vom Präsidenten abgesegnet, in dem die Regierung fast allen wichtigen Forderungen der Koordination und der Bevölkerung nachkommt: Die Kündigung des Vertrages mit Aguas de Tunari, die Freilassung der Deportierten, die Entschädigung der Familien der Toten, die Übernahme der Kosten für die medizinische Versorgung der Verletzten, die Modifizierung in allen von der Wasserkoordination und den Campesinos/as geforderten Punkten des Gesetzes 2029. Noch am Abend versammelt sich das Parlament, in den frühen Morgenstunden verabschiedet es die Gesetzesänderungen. Der Senat folgt am kommenden Tag.

Während sich in Cochabamba das Leben wieder normalisiert, gehen die Blockaden der Kleinbauern auf den Überlandstraßen weiter, bis ihr Anführer mit den anderen Deportierten freigelassen wird und die Regierung sich auch zu direkten Verhandlungen mit ihnen bereit erklärt. Konsultationsprozesse für die Agrarreform, Achtung der Organisationsfreiheit. Auf einmal scheint alles möglich, sogar die Erhaltung der traditionellen Coca-Anbauflächen in den Yungas, womit Banzer ein den USA gegebenes Versprechen brechen muss. Angesichts der anhaltenden Demonstrationen der Studenten in La Paz, den Schwierigkeiten bei der Durchführung des Konsultationsprozesses für die HIPC-Entschuldungsinitiative - Geld, das die Regierung dringend braucht - wird wenig Tage später dann auch noch der Ausnahmezustand aufgehoben.

Was bleibt?

Banzer hat dieses politische Desaster als Präsident zunächst überlebt. Und sein persönliches Projekt, von der Geschichtsschreibung als Demokrat erinnert zu werden? In seiner Osteransprache bittet er um Verzeihung für die Opfer von Kolonialismus und Patriarchat, für die Opfer der politischen Verfolgung in Zeiten der Diktatur und für die Irrtümer, die er als Regierungschef begangen haben möge. Und danach bemerkt er, dass es nicht reiche, um Verzeihung zu bitten. Es müssten Taten folgen. ...

Die Kleinbäuerinnen und -bauern kehren in ihre Dörfer zurück, mit nicht viel mehr als dem Versprechen, sie künftig zu respektieren und zu konsultieren. Die vergleichsweise wenigen „Bewässerungsbauern" im Umfeld der Städte haben dagegen in der Tat ein wichtiges Ziel erreicht. Die traditionellen Formen der Wassernutzung sollen künftig respektiert werden.

Cochabamba behält sein Wasserproblem und die Schulden und macht jetzt die Entdeckung, dass die Verträge mit der Wassergesellschaft und den Baufirmen vorne und hinten Lücken aufweisen. Vertreterinnen der „Koordination für das Wasser und das Leben" beteiligen sich nun an der Organisation des erneut gemeinwirtschaftlichen örtlichen Wasserwerks und werden auf internationale Treffen eingeladen. Aguas de Tunari nutzt die Konjunktur, um mit dem Verweis auf die Investitionsbereitschaft internationaler Firmen eine saftige Entschädigung zu fordern. Doch die Bevölkerung weiß inzwischen, dass sie auf solche Investoren besser verzichtet."

[Quelle: ila : Zeitschrift der Informationsstelle Lateinamerika. -- Bonn. -- ISSN 0946-5057. -- Nr. 235 (©2000-05). -- S. 41 - 43]

2000-06

Was ist aus uns geworden? : Die Mennoniten Lateinamerikas im Vergleich

Was ist aus uns geworden? - Diese poetische Frage überkommt wohl jeden Mennoniten, der über den Ursprung des Täufertums zu Beginn des 16. Jahrhunderts und die Vielfalt des heutigen weltweiten Mennonitentums mit sehr unterschiedlichen. Gemeindekonzepten, Glaubensrichtungen und Lebensführungen nachdenkt.

Eine der Strömungen, die sich in den Jahrhunderten besonders ausgeprägt hat, ist das Kolonisationsmennonitentum, das vor allem aus der Flucht und Wanderung der verfolgten und versprengten Mennoniten aus Holland und den Frieslanden nach Osten hervorgegangen ist. Die Einwanderung der Mennoniten in Lateinamerika geschah durchaus nicht nach einem Muster und den gleichen Motiven. Trotzdem gilt für alle das gleiche. Kaum in einem andern Kontinent waren die Gegebenheiten so günstig, das Kolonisationsmennonitentum weiterzuführen, wie gerade in Lateinamerika. Hier waren es dann noch wieder einzelne Länder, die sich für eine mennonitische Kolonisation als besonders günstig erwiesen. Der Historiker C. Henry Smith sagte das auf dem "Allgemeinen Kongress der Mennoniten in Amsterdam 1936" unverblümt. Nur Länder mit einer autokratischen Regierungsform und in wirtschaftlicher Rückständigkeit, wie etwa Mexiko und Paraguay, wären bereit, Ausnahmestellungen zu gewähren. Sie seien von der öffentlichen Meinung nicht abhängig und zur Aufnahme bereit, wenn sie sich Vorteile durch die Besiedlung und Urbarmachung gewisser Ländereien versprächen.

Mit wenigen Ausnahmen kommen alle Mennoniten, die in Lateinamerika gesiedelt haben, aus Russland, wenn auch auf verschiedenen Wander- und Umwegen. Nur die Mennoniten in Uruguay, die direkt aus der westpreußischen Stammheimat kommen, gehören nicht dazu und noch einige kleine Splittergruppen in Paraguay. Der Hintergrund für die erste Einwanderung in Lateinamerika liegt in jenem Aufbruch aus Russland 1874. Die ganze Siedlung Bergthal zusammen mit Gruppen aus der Altkolonie und dem Fürstenland verließen damals Russland und zogen nach Kanada. Sie hofften hier das erhalten zu können, was ihnen in Russland bedroht schien. Sie sahen nicht nur in der Einführung der allgemeinen Wehrpflicht eine Bedrohung. Auch in der vom Staat geförderten Modernisierung des Schulwesen und auch in dem durch die Entstehung der Brüdergemeinde verursachten geistlichen Aufbruch sahen sie eine Gefährdung ihres Glaubens- und Lebenskonzeptes. Kanada hat diesen Einwanderern nur bedingt das gebracht, was sie sich erhofft hatten. Vor allem kollidierte sehr bald das von Russland her bekannte Siedlungssystem mit dem kanadischen "home-steading", wo jeder Besitzer seines Landes und seiner Farm sein sollte. Nur mit Mühe war es möglich, auf den zugeteilten Ländereien in der Ost- und Westreserve des Red River Dorfschaften zu gründen. Doch sie hielten den durch das Gesetz bedingten Auflösungserscheinungen nicht stand. Die Dorfgemeinschaften, die ideale Form auch für die geistliche Kontrolle durch die Gemeinde, zerbröckelten. Das schon bereitete den Boden für die spätere Auswanderung vor.

Das Einsprachengesetz in Kanada während des Ersten Weltkrieges und die Einschränkungen auf dem Gebiet des Privatschulwesens waren dann die Auslöser für den Aufbruch nach Lateinamerika. In den zwanziger Jahren waren es großangelegte Wanderungen: die nach Mexiko von 1922-1926 und die nach Paraguay 1927. In beiden Fällen war die Einwanderung in diese Staaten durch Freibrief (Mexiko) und Privilegium (Paraguay) begünstigt worden. Neben den Freiheiten, die das Glaubensleben und die kulturelle Eigenart garantierten, war es besonders auch die Aussicht, hier wieder in geschlossenen Dörfern und Kolonien siedeln zu können. Auf einer Predigerberatung in Saskatchewan war im Blick auf die Ansiedlung in Paraguay am 17. Januar 1923 beschlossen worden, "nur in Dörfern anzusiedeln, und zwar mit je 30 Wirtschaften von je 190 Acker auf 3 Meilen im Quadrat." Das bedeutete, und so war es beabsichtigt, dass das Dorf als kommunale Gemeinschaft die Grundlage auch für den neuen Gemeindebau bot, wobei die Geschlossenheit der Kolonien die Garantie für das Gemeindekonzept lieferte.

In Mexiko entstanden so im Lauf der Jahre 15 Kolonien mit einer Unzahl von Dörfern, in Paraguay zunächst die Kolonie Menno. Alle Widerwärtigkeiten und alles Leid, das die in beiden Ländern sehr schlecht vorbereitete Einwanderung mit sich brachte, war dadurch gerechtfertigt, dass Gemeinde und Kolonie - wie Leonhard Sawatzky urteilt - nun wieder sozusagen eine Einheit waren. "In dem Bewusstsein," schreibt er, "dass Kirche und Staat getrennt sein müssen, gab es eine kirchliche und eine weltliche Verwaltung, damals noch meist mit starkem Weisungsrecht der Ältesten."

Die weiteren Einwanderungen in Paraguay erfolgten in mehreren Schüben unter ganz anderen Voraussetzungen, ausgelöst durch die Folgen der beiden Weltkriege. Von 1930 bis 1932 gründeten Flüchtlinge aus Russland die Kolonie Fernheim, deren Ableger 1937 die Kolonie Friesland wurde. 1947 und 1948 waren es wieder Flüchtlinge aus Russland, die die Kolonien Neuland und Volendam gründeten.

Das Merkwürdige an diesem Vorgang ist, dass nicht Gemeinden geflüchtet waren und in Paraguay einwanderten, sondern schlechtweg Mennoniten. Erstes Ziel war es auch, Dörfer und Kolonien zu gründen und eine bürgerliche Verwaltung zu organisieren, nach dem Modell aus Russland. Dann erst fanden sich die Glieder der verschiedenen Gemeinderichtungen zusammen und gründeten ihre Gemeinden. Die Kolonien waren primär, die Gemeinden sekundär. Weitere Einwanderungen in Paraguay erfolgten 1948 durch Nachzügler der konservativen Gruppen aus Kanada mit den Kolonien Sommerfeld und Bergthal und ab 1969 der Gruppen aus Mexiko mit Rio Verde und Nueva Durango. Alle waren in erster Linie bestrebt, geschlossene Landkomplexe zu erwerben, um dort Dörfer und Kolonien nach dem bekannten System anzulegen.

Der gemeinsame Landbesitz als Schutz gegen "Überfremdung", die siedlungsgeographische Struktur und eine de-facto-Selbstverwaltung, obwohl rechtlich nicht abgesichert, ist allen Siedlergruppen eigen. Die Einwanderung der Mennoniten in Brasilien verlief parallel zu jenem Schub, der 1930-1932 nach Paraguay kam. Es war der Teil der so genannten Moskauflüchtlinge von 1929, der sich in den Flüchtlingslagern Deutschlands für Brasilien entschied. Ebenso wie nach Paraguay, kam 1934 eine Gruppe der Amurflüchtlinge nach Brasilien. Die Vorzeichen für die Einwanderung nach Brasilien waren in manchem anders als in Paraguay. Der Staat gewährte keine Privilegien, und es gab keinen gemeinsamen Landbesitz.

Einen besonderen Lauf der Entwicklung nahm das Stadtmennonitentum in Curitiba, dessen Entwicklung parallel mit der Eingliederung der anfangs noch ländlichen Vorortsiedlungen Boqueirao, Xaxim und Vila Guaira in die Grosstadt verlief. Bleibt noch die Siedlergruppe in Bolivien. Es ist wohl nicht falsch, die nun 25 Siedlungen um Santa Cruz als ein Rückzugsgebiet zu bezeichnen. Tatsache ist, dass hier Gemeinden und Gemeindesplitter Zuflucht gesucht haben, die sich sogar in Mexiko von Modernisierungserscheinungen bedroht fühlten, obwohl das nicht der einzige Grund der Auswanderung war.

Die erste Einwanderung in das Siedlungsgebiet bei Santa Cruz erfolgte 1954 aus Fernheim, als eine kleine Gruppe dort das Dorf Tres Palmas anlegte. Die Mennoniten waren in Bolivien keine Unbekannten, denn in La Paz lag seit 1930, also noch vor dem Chacokrieg, ein Privilegium für Mennoniten vor, das etwa dem in Paraguay entsprach. Ein "Kontra-Privilegium" könnte man es nennen, weil es im Blick auf die Eroberung des Chaco erlassen worden war. 1957 folgten weitere 48 Familien aus der Kolonie Menno und 1963 noch einmal 20. Doch die große Einwanderung begann 1966. Hunderte von Familien kamen zunächst aus Kanada. Sie hatten sich dort in fast hundert Jahren nicht damit abfinden können, dass ihre Geschlossenheit nicht gesichert war. Hier in den Landsiedlungen der bolivianischen Abgelegenheit, wollten sie das Ideal der Einheit von Siedlung und Gemeinde noch einmal verwirklichen. Auf diese Bewegung aufmerksam gemacht, kam nun auch ein Schub nach dem andern aus Mexiko. Die Siedlungen heißen Rosenort, Reinland und Bergthal, wie in Russland und Preussen, Swift Current, wie in Kanada und Santa Rita, wie in Mexiko.

Die Mennoniten hier sind ein Produktionsfaktor geworden, und als Präsident Hugo Banzer Suarez das Privilegium annullieren wollte, führten ihre Verteidiger in Santa Cruz ins Feld, dass sie 50% der landwirtschaftlichen Produktion des Departments lieferten. Obwohl der geschichtliche Hintergrund bei allen Kolonisationsmennoniten, die heute in Lateinamerika leben, der gleiche ist, zeigten schon die Motive für ihre Einwanderung bemerkenswerte Unterschiede. Das gleiche gilt für ihre heute bestehenden Siedlungen, für ihre Lebenshaltung und für das Verhältnis von Gemeinde und Siedlung.

Wenn eingangs die Frage "Was ist aus uns geworden?" gestellt wurde, und damit der Unterschied unserer heutigen Mennonitenkolonien zum Urbild des Täufertums gemeint war, dann soll die gleiche Frage hier noch einmal gestellt werden, jetzt aber in der Darstellung der Entwicklung der verschiedenen Gruppen der Kolonisationsmennoniten in den einzelnen Ländern. Was ist aus den mennonitischen Einwanderern in Lateinamerika geworden?

Konservatives Mennonitentum am Beispiel Mexikos und Boliviens

Was die so genannten Altkolonier von den andern Gruppen der Kolonisationsmennoniten auszeichnet, ist das ungebrochene Verhältnis zwischen Glaubensgemeinde und Siedlungsgemeinschaft. Das, was den mennonitischen Einwanderern in Russland als die Lösung des Lebensproblems einer christlichen Gemeinde erschienen war, dass nämlich die Gemeinde in dieser Welt geschlossen lebt und wirtschaftet, hatten die Auswanderer von 1874 als Grundkonzept mit nach Kanada und von dort nach Lateinamerika genommen. Gemeinde und Siedlung sind eine Einheit geblieben, wobei die Gemeinde, in der Hauptsache durch ihre Vorstände, dominiert. Verstärkt wird dieser Zustand, der durchaus auch als Machtbereich und -anspruch verstanden werden kann, durch seine Verankerung im Bibelverständnis dieser Gruppe. Der Älteste Gerhard Wiebe, der seine Gemeinde von Russland übers Meer nach Kanada führte, wie einst Moses die Kinder Israel durch die Wüste, - und so sah er sich selbst auch - erblickte in dem, was er als Bedrohung der Welt sah, "vom Feind gesponnene Fäden" und "schon ausgestreuten Unkrautsamen." Der Alteste Isaak M. Dyck, der an seinem Lebensabend die Auswanderung von Kanada nach Mexiko beschrieb, stellte im Rückblick fest: "Es ging nicht nur um die Schulen, sondern auch um die große Gleichstellung dieser Welt (...) was sich sehen ließ an den vielen buntgestrichenen Häusern und der Welt gleichgestellte Fahrzeuge."

Die Ältesten sahen ihre Gemeinde von der Welt bedroht, und sie fanden Trost und Weisung im Alten Testament. "Von hinten aber war Pharao," schrieb Isaak Dyck, "mit seiner gewaltigen Kriegsmacht, und jeder wusste, wenn er zurückkehren sollte nach Kanada, würfe er seine Kinder selbst in den Strom dieser Welt hinein." Die Gemeinde flüchtete unter der Leitung ihrer geistlichen Führer, und sie legte Dörfer und Kolonien an, mit Schulzen und Siedlungsvorstehern, "um des Leibes Notdurft zu pflegen," wie es Isaak M. Dyck erklärt. "

[Quelle: http://www.jungegemeinde.de/jgakt600.htm. -- Zugriff am 2002-10-11]

2000-06-30

Präsident Banzer macht einen Staatsbesuch in Deutschland. Die Bundesregierung versichert ihm Unterstützung im Kampf gegen Rauschgifthandel..

2000-07-21

Roberto Suárez Gómez, der frühere Kokakönig ("El Rey") stirbt in Santa Cruz im Alter von 68 Jahren. Seit er 1996 aus einer 9-jährigen Haft entlassen worden war, war es ruhig geworden um ihn. Sein Grab in Cochabamba wird zu einer Wallfahrtsstätte, wie folgender Bericht der Berliner Zeitung vom 2001-02-10 zeigt:

"... Friedhof draußen am Stadtrand [von Cochabamba]. Dessen Hauptattraktion ist ein von üppig blühender Bougainvillea umranktes schlichtes Grabmal im Schatten mächtiger Zypressen. Immer wieder trippelt jemand mit kurzen, schnellen Schritten heran, um einen Strauß roter Nelken auf den Berg von Blumengebinden zu legen, unter dem Roberto Suarez Gomez ruht: vor 68 Jahren geboren, letztes Frühjahr an einem Infarkt verstorben. El Rey haben sie ihn hier genannt: Der König.

Im gepanzerten Mercedes sei er in dieser tropischen Zone Boliviens zwischen seinen Gütern unterwegs gewesen, erzählen die Leute. Und wenn der Wagen irgendwo angehalten wurde, sei ihm zuerst einmal ein Tiger entstiegen, den sein Herr an der Kette hielt. Dann habe sich El Rey vor den Campesinos aufgebaut und gescherzt: "Na, wovor fürchtet ihr euch denn mehr - vor dem Mercedes oder dem Tiger?"

El Rey sei ein beispielhaft guter Mann gewesen, berichten die Leute, die an das Grab pilgern. Vielen habe er Arbeit und Brot gegeben, er habe Schulen und Krankenhäuser bauen lassen, wo der Staat sich nicht blicken ließ. Angeblich sei er als glühender Patriot sogar bereit gewesen, die vielen Millionen Dollar bolivianischer Auslandsschulden aus seiner Privatschatulle hinzublättern.

Dazu ist es wohl doch nicht gekommen. Als der König starb, trauerten indes nicht nur die kleinen Leute in seiner Heimat. Auch viele der Reichen und Schönen von Beverly Hills bis New York, von Paris bis Moskau, leerten ihr Champagner-Glas in ehrendem Angedenken an Roberto Suarez Gomez. Er war der Mann, von dem Insider wussten, dass er das reinste und feinste Kokain, das weltweit zu haben war, produziert und geliefert hatte."

[Irnberger, Harald: Bald knallt's : droht Bolivien ein Coca-Krieg? Der Anbau der Pflanze wird reduziert, die Bauern sehen sich um ihre Existenz gebracht. -- In: Berliner Zeitung. -- 2001-02-10. -- Online: http://www.berlinonline.de/wissen/berliner_zeitung/archiv/2001/0210/magazin/0002/. -- ZUgriff am 2002-02-06] 

2002-08

Über das Wirken des Maryknoll-Missionars Michael Gould:

"Text and photos by Ned McGrath

Tracking Uncle Mike
Visiting a Maryknoll missioner in Bolivia becomes an adventure in living for his Michigan relatives

The single-engine, two-seater plane circles the village center, a patch of monotone shacks. Children below run and wave as they recognize the redheaded pilot. He drops an old Federal Express envelope packed with wadded-up newspapers to weigh it down.

Inside is an important message: “Please spread the word that we will gather for Mass at five this afternoon and welcome visiting members of Padre Miguel’s family.”

Padre Miguel is Father Michael Gould (above), a Maryknoll missioner who has been bringing Good News to native Bolivians and Japanese immigrants since 1954. A St. Louis, Mo., non-profit organization, Wings of Hope, helped him get his Piper Super Cub. A fellow missionary taught him to fly it. The plane is a godsend for the only priest serving 30-plus mission churches, which he has built in a 1,500-square-mile area.

Later on this drizzly afternoon, the pilot-priest packs up his Mass kit and turns truck driver as he points his pick-up toward the village of San Antonio. We are the visiting family members of Padre Miguel: four McGraths from Grosse Pointe Park, Mich., and a cousin, Marian Kinsella, from Chicago. My wife, Katie Cusick McGrath, shares the truck’s cab with Marian and Father Mike. For as long as Katie can remember, her Uncle Mike has been telling missioner tales so fascinating that his relatives started making trips to witness the missionary Church “up close and personal.” Now it is our turn.

My two kids and I are in the uncovered truck bed. Walking along the muddy, potholed road, a woman and her young son wave at Father Mike. He stops, and the travelers climb in with us. The woman, who has no teeth and no shoes, shows us a big smile. My teenage daughter, Maggie, engages them in polite conversation in Spanish and learns the mother and child just walked three miles to the market and are now walking back home. As we approach their one-room, dirt-floor house, the woman bangs twice on the side of the truck to signal her stop.

That night, Father Mike tells us a story about our passengers that, he says, is sadly typical of life for Bolivians. Here there is no insurance or government safety net for the poor. The woman on the road, a native Bolivian and mother of three, was told her appendix operation would cost $300. Only with the money in hand would she be treated. Using donations from U.S. benefactors for his work, Father Mike helped the woman pay for her life-saving surgery. “Not a loan,” he says, “because people with next to nothing are rarely, if ever, in a position to pay me back. And that might keep them from asking for help the next time.”

What happens, we find out, is that those who are helped often bring a bag of oranges or plantains to the rectory. Sometimes there’s an offer to do odd jobs in and around the mission churches. “These are good people,” Father Mike says, “who have pride and integrity. What they don’t have is money.” His neighbors typically make $6 a day when there is work. With a per capita income of $3,000, Bolivia is the poorest country in South America.

We also learn about Father Mike’s Japanese immigrant parishioners. Following World War II, in a joint agreement to establish U.S. military bases in Okinawa, the U.S. and Japanese governments relocated 800 families from their Pacific island home to Bolivia. About 50 miles northeast of Santa Cruz, the immigrants built settlements named Okinawa One, Okinawa Two and Okinawa Three.

These three villages, along with a wide scattering of native peoples, make up Father Mike’s mission territory. Known as the “Okinawan Missions,” it is a melting pot of some 20,000 people. Over the years, Japanese Sisters of Charity of Miyasake came to teach in schools, helping the immigrants maintain their culture. For the most part, however, these families, now numbering 160, have blended in with their neighbors, struggling together to survive. Father Mike has seen many of the younger Okinawans go to Japan to work and make money and then return to Bolivia and buy a farm. “They like the peace and quiet here,” he says.

We are wet and tired when the padre’s pick-up arrives in San Antonio. It’s standing room only in the chapel, which has no glass in the windows. My son, Peter, serves Mass with 12-year-old Fernando Moreno. Unlike his big sister, Peter doesn’t know Spanish, but he tells me, “The Mass is the Mass is the Mass.” And so it is.

Many times since that Mass, I have considered how valuable this trip was for our family. What happened at San Antonio was repeated again and again. We were transported by the simple beauty of liturgies, the camaraderie of the churchgoers, and the graciousness of the villagers. How grateful we are for this mission vacation.

Ned McGrath is Director of Communications for the Archdiocese of Detroit. "

[Quelle: http://www.maryknoll.org/MEDIA/xMAGAZINE/xmag2000/xmag07/m7s7.htm. -- Zugriff am 2002-10-09]

2000-08-18


Abb.: Madeleine Albright [Bildquelle: http://usinfo.state.gov/regional/af/usafr/frenchmn/fcapb90.htm. -- Zugriff am 2002-10-07]

Kurzbesuch der US-Außenministerin Madeleine Albright in Bolivien. Sie beglückwünscht die Regierung zu den Fortschritten in der Bekämpfung des Drogenhandels.

2000-08-25

Vertrag zwischen Bolivien und den USA über Zusammenarbeit bei der Drogenbekämpfung. Die USA sagen US$ 32 Millionen für die Beseitigung von Kokaanbauflächen und von US$ 16 Millionen für die Unterstützung einer alternativen Agrarproduktion zu.

2000-09-25


Abb.: Auseinandersetzung zwischen Campesino-Frauen und Militär, Guaqui (Altiplano). Die Frauen fordern die Annulierung des Ley INRA

2000-10

"Interview mit Patrizia Monje von Radio Graffitti / La Paz

Ricky Martin wirst du hier nicht hören

Im Radio ist das Geräusch einer Spraydose zu hören, die geschüttelt wird, dann folgt das unverkennbare Sprühgeräusch. Nach dieser Einleitung ist die Stimme eines Regierungsvertreters zu hören: „Die Regierung hat die Verpflichtung, die Armut zu beseitigen - Die Regierung hat die Verpflichtung, die Armut zu beseitigen ..." Unter der immer weiter wiederholten Phrase werden jetzt Stimmen kommandierender Militärs eingeblendet, man hört marschierende Soldaten und schließlich das Abfeuern von Gewehren. Zum Schluss ist wieder die zischende Sprühdose zu hören. Mit solchen Einblendungen (Jingles), die wie Graffitis in das Programm „gesprüht" werden, sorgt Radio Graffitti in La Paz für Überraschungen und Aufregung im Rundfunk Boliviens. Derart kritische Töne sind in Bolivien in den kommerziellen Radios, aber auch in den teils hochsubventionierten kirchlichen Radios nicht zu hören. Ganz abgesehen von der Musik, die sich gezielt an junge Leute wendet und sich ausdrücklich nicht an der ebenso populären wie seichten Variante der bolivianischen Cumbia orientiert. Das folgende Gespräch mit Patrizia Monje und einer Gruppe deutscher Besucherinnen fand im Oktober letzten Jahres in La Paz statt.

Patrizia, wie würdest du Radio Graffitti beschreiben?

Radio Graffitti ist ein Radio Comunitaria (freies Radio). Was die Musik angeht, liegt der Schwerpunkt auf Rockmusik, Metal, Trash, HipHop, 70er und 80er-Jahre-Rock, Rock Nacional usw. - also alles was du in den anderen Radios hier in Bolivien eben nicht hören kannst. Wir spielen keine Kommerz-Musik, Ricky Martin wirst du hier niemals hören. Aber guten Salsa, oder ein sehr gutes lateinamerikanisches Lied. Ansonsten machen wir ein Programm für jüngere Leute und haben eine gemeinsame Sprache gefunden für junge Leute bis 30 und für alle, die sich ihren jugendlichen Geist bewahrt haben. Es geht von daher auch viel um Themen von Kindern und Jugendlichen und ihre Rechte. Wir versuchen, ein kritisches Programm zu machen und uns dabei mit allem kritisch auseinander zu setzen, was uns hier umgibt. Technisch sind wir ganz gut ausgerüstet, wir haben über 3000 Platten/CDs und produzieren im Studio auch Beiträge oder Jingles für andere Gruppen, z.B. für politische Gruppen und soziale Einrichtungen. Für solche Initiativen machen wir die Produktionen dann auch für wenig Geld oder umsonst. Wir verstehen uns als kulturelle Antwort und als alternatives Medium. Wir sind hier das einzige kritische Radio, ein multikulturelles Radio. Wir haben Quechua, Aymara, Englisch usw. Wir mischen das alles, machen verrückte Sachen, eben Graffitis, wie auf der Straße, wo immer wieder was Neues entsteht. So wollen wir Radio machen.

Hast du Beispiele aus eurem Programm?

Es gibt z.B. eine regelmäßige Sendung, El Bestiario, die von montags bis freitags läuft. Das ist ein kulturpolitisches Programm mit Themen wie z.B. der Verteidigung der Menschenrechte, der Krise in Bolivien usw. Generell wollen wir keine Sensationsberichterstattung machen. Neben solchen Programmen mit Kommentaren und Wortbeiträgen liegt der Schwerpunkt aber auf den Musikprogrammen. Aber da läuft auch nicht nur Musik, sondern wir streuen immer wieder auch kurze Einblendungen ein, wie Graffitis eben. Zum Beispiel gab es hier eine Art Imagekampagne für die Polizei. Die Polizei, dein Freund und Helfer, sie beschützt dich usw. Daraus haben wir dann eine Einblendung gemacht: „Die Polizei, sie hilft dir, sie schützt dich und sie zündet dich an."

Die Polizei zündet dich an?

Ja, weil es hier Fälle gegeben hat, in denen Polizisten Leute angezündet haben, also richtig in Brand gesetzt haben. Leute, die auf der Straße leben. Zu solchen Sachen machen wir dann Einspielungen, auch zu anderen Themen. Zum Beispiel zum Machismo, Bolivien ist ja auch ein ziemliches Macho-Land.

Wie sieht es mit den Zuhörerinnen aus, wie viele Leute hören das Radio, wo seid ihr zu hören?

Hören kann man uns nur in La Paz. Es gibt überhaupt kaum Radios in Bolivien, die du landesweit hören kannst. Wir sind im Rating hier in La Paz immer unter den ersten drei, vier Radios, die keine Cumbia spielen. Es gibt hier ja das Phänomen der „Cumbia Chicha", diese aktuelle Mode. Von den hundert Radios in Bolivien gehören 85 zu den Cumbia-Radios. Dann gibt es fünf christliche und noch zehn restliche, die auch englische Musik spielen.

Erklär uns doch mal, was „Cumbia Chicha" ist.

Tja, also Cumbia, die nicht aus Kolumbien kommt, die wir alle kennen. So Kitsch-Plastik-Cumbia von hier. Ohne jeden Anspruch, die hier eben den ganzen Tag dudelt. Kannst du überall hören, im Taxi zum Beispiel. Unter den Radios, die keine Cumbia spielen, sind wir unter den ersten vier, was nicht schlecht ist, weil es uns erst seit anderthalb Jahren gibt. Uns hören eigentlich fast alle Jugendlichen in La Paz, sicherlich viele Mittelschicht-Jugendliche. Wir werden aber auch von eher marginalisierten Jugendlichen aus El Alto gehört. Radio Graffitti ist also bei den Jugendlichen ausgesprochen bekannt, was man sieht, wenn wir Veranstaltungen machen, die immer voll sind. Wir organisieren auch Konzerte, haben z.B. das Konzert von Manu Chao veranstaltet. Unser Radio hören schon viele Leute, wenn man bedenkt, dass die großen Radios und auch die subventionierten Radios der Kirche wahnsinnig viel Geld haben.

Macht ihr Werbung in eurem Radio?

Ja, wir haben Werbung. Wir hatten am Anfang die Überlegung, nicht so viele Werbeträger zu haben, drei oder vier, um die Leute nicht zu nerven. Aber generell werben Firmen nicht so stark im Radio, erst recht nicht, wenn du keine Cumbia spielst. Unsere finanzielle Situation ist auch sehr schwierig. Im ersten Jahr ging es gerade so. Wir konnten uns auch über Produktionen für andere und über vermietete Sendeplätze finanzieren. Wenn wir externe Produktionen machen, lassen wir uns das auch normal bezahlen, abgesehen von den Produktionen für politische oder soziale Gruppen, die wir umsonst machen. Aber mit der Krise in Bolivien ist die finanzielle Lage noch schwieriger geworden. Wir konnten drei Monate keine Löhne zahlen oder den Leuten, die hier Sendungen machen, keine Fahrtkosten erstatten.

Wie viele Leute arbeiten im Radio?

Drei in der Technik, drei in der Verwaltung. Und es gibt viele Leute, die einzelne Sendungen machen wollen, weil es sonst eben keine Möglichkeiten gibt. Mit dem Radio angefangen haben damals drei Leute, die etwas gegen Kommerzradios und Monopole machen wollten. Weil die Finanzierung von Anfang an schwierig war, brauchen wir eigentlich Werbung, wollen aber nicht für alles Werbung machen. Also keine Werbung für Alkohol, Zigaretten usw. Die Firmen machen aber fast nur in dem Radio Werbung, das im Rating auf dem ersten Platz liegt. Und in diese Ratings musst du dich einkaufen. Denn nach dem Rating liegen hier komischerweise immer dieselben zwei Radios auf den ersten Plätzen, immer, seit 30 Jahren schon, und dann kommen wir erst.

Welche Position habt ihr zum Beispiel zu den Aufständen eingenommen oder zur Linie von dem Campesinoführer Felipe Quispe (Mallku)?

Wenn es um Mallku geht, da haben wir beispielsweise am Anfang seine Position kritisiert, nicht zu verhandeln, einen Dialog gar nicht zu suchen. Eine Position, die er dann langsam geändert hat. Wir haben ihn aber niemals kritisiert, weil er Proteste, Blockaden usw. organisiert hat. Wir denken, dass es gerade das Recht der Ärmeren ist zu protestieren und zu demonstrieren, sich zu wehren, so wie sie es für richtig halten. Deshalb haben ihn die anderen Medien kritisiert, wir nicht.

Übersetzung: Britt Weyde/Rolf Satzer"

[Quelle: ila : Zeitschrift der Informationsstelle Lateinamerika. -- Bonn. -- ISSN 0946-5057. -- Nr. 244 (©2001-04). -- S. 30f.]

2000-10-13

In Concepción stribt an einem Herzschlag beim Schwimmen der deutschstämmige Bischof des Apostolischen Vikariats Ñuflo Chavez (Santa Cruz) Antonio Eduardo Bösl OFM (geb. 1925 in Hirschau). Bischof Bösl hat für sein Vikariat viele materielle und personelle Hilfe aus Deutschland besorgt. Neben der Renovation der alten Jesuitenmissionskirchen baute er mit deutschen Mittel Straaßen, ließ Modellhäuser entwickeln, unterhielt Schulen usw. Wegen des von ihm finanzierten Rechtsbeistandes für Campesinos bei Landstreitigkeiten war er als "roter Bischof" verschrieen.


Abb.: Gruft von Bischof Bösl, Kathedrale Concepción (Bild: Payer, 2001-12)

2000-10-11

Bolivien erhält international die Zusage von Krediten für die nächsten drei Jahre über US$ 1,5 Milliarden zugesagt. Die Kredite sollen der Armutsbekämpfung dienen.

2000-10-23

Auf seiner Hazienda La Dolorida, San Javier (Santa Cruz) stirbt der deutsche Fotograf Hans Ertl (1908, München - 2000), ehemals Lieblingsfotograf Hitlers und Mitarbeiter von Leni Riefenstahl (hauptkameramann beim Olympiafilm). Ertl war um 1950 nach Bolivien gekommen. Eine seiner Töchter, Mónica war Anhängerin Che Guevaras und wurde 1973 beim Versuch, Klaus Barbie, den Schlächter von Lyon, zu entführen, erschossen. Hans Ertl pflegte sehr gute Beziehungen zur Franziskanermission in Concepción. Auch Genral Banzer sei bei ihm mehrmals zu Besuch gewesen.


Abb.: Hans Ertl: Tanzende Indígenos

Don Hans ist ein böser Mann«, erzählen die Leute in Concepción. Ein aufbrausender, unberechenbarer Greis sei er, ein alter Nazi und ein Waffennarr, der sich mit allen zerstritten habe. Hans Ertl, der zurückgezogen auf seiner Farm mitten im bolivianischen Urwald lebt, zählte in den 30er und 40er Jahren zu den bekanntesten deutschen Kameramännern. Er arbeitete für Regisseure wie Arnold Fanck, Luis Trenker und Leni Riefenstahl. Berühmt wurde der "Mann mit der entfesselten Kamera" durch einen Sprung von der Olympiaschanze in Garmisch-Partenkirchen. Mit der Kamera vor der Brust wollte er dem Wochenschau-Publikum zeigen, was ein Skispringer in der Luft erlebt. Nach dem Krieg, den Ertl als Sonderberichterstatter in Frankreich, Afrika und Russland filmte, war seine Karriere so gut wie beendet. Seit fast einem halben Jahrhundert lebt er in seinem selbstgewählten Urwald-Exil, wo er, inzwischen 92jährig, bis heute Rinder und Pferde züchtet. Ertls Lebensgeschichte ist eine Parabel von Schuld und Sühne, exemplarisch für die deutsche Vergangenheit dieses Jahrhunderts."

[Quelle: http://www.dradio.de/cgi-bin/es/neu-hoer-dlf/000178.print. -- Zugriff am 2002-03-05]

2000-10-25


Abb.: Margarita Terán [Bildquelle: http://www.oneworldweb.de/tdh/reportage/bol-reportage.html. -- Zugriff am 2002-10-079

Interview mit Margarita Terán, 18 Jahre, Exekutivsekretärin einer der sechs Föderationen der Kokabauern in Chapare (das Interview führte Peter Strack):

"Margarita, wie ist die aktuelle Situation?

Seit die Straßenblockade aufgehoben wurde, gibt es viele Übergriffe der Staatsorgane. Sie misshandeln die Kinder. Sie nehmen sie fest, schlagen Zwölf- oder gar Fünfjährige, drohen sie umzubringen, indem sie das Gewehr auf sie richten, damit sie gegen die Anführer der Organisation aussagen. Das ist im Bereich der Central San Isidoro geschehen, im Sektor Vinchuta oder im Sektor 12. August, wo sie ihr Lager aufgeschlagen haben. Sogar die Lehrer werden festgenommen. In K'oñi Alto und Vinchuta findet kein Unterricht mehr statt.

Auch in meiner eigenen Familie habe ich die Übergriffe erlebt. Heute morgen zum Beispiel und gestern sind sie in mein Haus eingedrungen, um 4 Uhr, 5 Uhr morgens, und haben meine Mutter mit einem Messer bedroht und gedroht, sie würden sie und meine Familie umbringen. Das passiert aber genauso in vielen anderen Familien im Chapare. Die Zwangsausrottung der Koka geht genauso weiter wie die Verletzung der Menschenrechte. Sie schlagen unsere Genossen mit dem Gewehr. Die Kriminalpolizei von Chimoré hat einen Folterraum, wo Polizisten und Soldaten die Genossen schlagen und sie mit dem Gewehr bedrohen.

Wie erleben die Kinder den Konflikt?

Ich habe meine kleinen Schwestern zu Hause. Und sie haben Angst, schlafen zu gehen. Jetzt gehen sie auch nicht mehr in die Schule, denn jeden Tag dringen die UMOPARes (die Polizei-Sondereinheit zur Drogenbekämpfung) in unser Haus ein. Ohne Durchsuchungsbefehl, ohne um Einlass zu bitten, stürmen sie ins Haus, um die Leute zu bedrohen.

Sind die UMOPARes und Soldaten bei solchen Aktionen zu identifizieren?

Sie tragen ihre Namensschilder nicht. Auch die Fahrzeuge sind nicht mehr zu identifizieren. Deshalb ist es kaum möglich, Anzeige wegen der Misshandlungen zu erstatten.

Der Dachverband der Kleinbauern Boliviens CSUTCB hat das Bündnis mit den Kokabauern aufgekündigt.

Wir sind Mitglied der CSUTCB, aber Felipe Quispe hat die Kleinbauern und insbesondere die Kokabauern verraten, so als hätte es einen Handschlag mit der US-Botschaft und der Regierung gegeben. Als nationaler Anführer der Kleinbauern müsste er stattdessen alle Kleinbauern vertreten, nicht nur einen Teil. Und uns hat er bei der Vereinbarung mit der Regierung außen vor gelassen.

Die Verhandlungsführer der Konfliktparteien bei den Kleinbauern, wie die Minister, sind Männer. Würde sich etwas ändern, wenn mehr Frauen beteiligt wären?

Wir haben doch auch unsere nationale Föderation der Kleinbäuerinnen, der die Genossin Silvia Lazarte vorsteht. Sie kommt aus dem Chapare. Vielleicht hat Felipe Quispe sie deshalb nicht anerkannt. Wenn es mehr Frauen gäbe, gäbe es wahrscheinlich weniger Manipulation und weniger faule Kompromisse mit der Regierung.

Wie ist die Berichterstattung in der Presse einzuschätzen?

Manche Journalisten sind ernsthaft. Andere verheimlichen Informationen. Wir wissen, dass die Regierung Geld gibt, damit gewisse Nachrichten nicht nach außen kommen. Die Regierung sagt auch immer, es gebe eine Narcoguerrilla in der Zone. Aber das ist nur ein Vorwand, um sich zu rächen, um Leute festzunehmen, genauso wie das Verschwinden von Soldaten in der Region.

Aber wurde nicht tatsächlich ein Soldat tot und gefoltert aufgefunden?

Wir wissen genau, dass das kein Polizist oder Soldat war. Es war ein Landarbeiter hier aus der Gegend. Wir wissen nicht, wie er hieß, aber es war ein Landarbeiter, der hier an den Vinchuta-Fluss zum Angeln gekommen ist. Dass ein UMOPAR Sandalen anhat und Koka kaut, das glaube ich nicht.

Der Chapare ist voll von Sicherheitskräften in Zivil. Wie ist es möglich, dass die nicht Bescheid wissen sollen, was hier vor sich geht?

Es gibt viele Geheimdienstler, die hier und dort auftauchen, und auch viele Polizisten. Ich glaube, die versuchen irgendetwas zu konstruieren, um dann den Kokabauern die Schuld in die Schuhe zu schieben.

Unter den Soldaten und Polizisten sind viele Minderjährige...

Manche sind 18, andere 16. Viele kommen aus Cochabamba oder Quillacolla. Sie sollten ihren Wehrdienst für das Vaterland leisten und nicht für die Ausrottung der Koka. Deshalb haben wir Frauen gefordert, dass sie uns unsere Kinder zurückgeben, statt sie hierher zu schicken, um uns umzubringen.

Jetzt werden Sondertruppen des Heeres in den Chapare geschickt.

Die bringen den Krieg. Früher haben wir mit Macheten und Schleudern gekämpft. Aber die Genossen von der Basis organisieren sich bereits, um sich mit den gleichen Waffen zu wehren.

Warum haben die Kokabauern sich für bewaffneten und nicht für gewaltfreien Widerstand entschieden?

Weil die Regierung uns das beibringt. Die Regierung schießt auf uns mit Kugeln, wie auf Vögel. Es kann doch nicht sein, dass die Regierung einfach so töten darf."

[Quelle: ila : Zeitschrift der Informationsstelle Lateinamerika. -- Bonn. -- ISSN 0946-5057. -- Nr. 240 (200-11). -- S.37]

2000-10-25

Während der Blockade der Cocaleros werden vier Militärs und Polizisten entführt. Am 2000-11-13 werden zwei der Militärs tot und mit Folterspuren gefunden. Evo Morales werden Terrorismus und bewaffneter Aufstand vorgeworfen.

2000-11

Interview mit dem Verleger Werner Guttentag Tichauer (geb. 1920 in Breslau):

"Herr Guttentag, Sie sind 1920 in Breslau geboren worden und hatten schon mit 12 Jahren Kontakt zur FDJJ (Freie Deutsch-Jüdische Jugend). Wie kam es denn dazu?

Meine Eltern waren überhaupt nicht religiös. Mein Vater ging nur an großen Feiertagen mit mir in den Tempel. Meine Mutter ist überhaupt nicht in den Tempel gegangen. Auch hier in Bolivien nicht, aber jeden Freitag Abend hat sie Lichter angezündet. In der Volksschule, in der ich vier Jahre war, gab es gar keine Juden. Da wurde ich angepöbelt als der Judenjunge. Dann habe ich mit den Kindern bei uns im Haus gespielt, hab' mich irgendwie mit denen gezankt und hab' die als Christenlümmels beschimpft. Das war ja schon die Zeit der großen ökonomischen Krise und die Juden wurden angegriffen, weil das eine Möglichkeit war, um deren Stellungen oder deren Geld zu kriegen. So sah das aus. Ich ging dann aufs Gymnasium, aber nur drei Jahre. Ich war kein guter Schüler. Der Lateinlehrer, unser Klassenlehrer, kam in SA-Uniform in die Schule. Der hat mir aber privat, und ohne Geld zu nehmen, Privatunterricht gegeben. Es gibt keine Regel!

Zu der Gruppe, der FDJJ, kam ich 1932 als kleiner Junge. Die Gruppe hat einem all das gegeben, was das Elternhaus nicht geben konnte, Musik, Kultur und Literatur. In der Gruppe haben wir Jack London kennengelernt und Bücher aus dem Malik-Verlag. Das hat mich für mein Leben geprägt. Die Leute haben mir eine andere Welt mitgegeben, aber auch eine antizionistische Welt. Da kam die Einsicht, dass das Judenproblem nicht in einem Land oder durch einen Menschen gelöst wird, sondern durch die soziale Geschichte der Menschheit.

Hat sich die Breslauer Gruppe als kommunistisch verstanden?

Die Gruppe ist aus den „Kameraden" entstanden. Die Kameraden1 haben sich politisch geteilt. Das ist bei der katholischen und der evangelischen Jugendbewegung auch passiert. Das ist übrigens was typisch Deutsches. Die Führer der FDJJ waren mit der KPO (Kommunistische Partei Deutschlands Opposition - die Red.) verbunden. Mit den Führern hatte ich noch ein bisschen Kontakt, aber mit denen in meinem Alter nicht. Außer mit dem Mädchen, über die später auch ein Roman erschienen ist. Sie ist erwischt worden, weil wir viel Literatur von der Tschechoslowakei nach Deutschland gebracht haben. Wenn ich mir das heute überlege: Wir haben zum Beispiel Silone (Igancio Silone, italienischer Schriftsteller - die Red.) rübergebracht. Wegen Silone konnte man damals ins KZ kommen! Das ist vollkommen irrsinnig, aber das war damals eine Riesenangelegenheit, Silone.

Die Hauptführer der Gruppe sind umgekommen. Einer ist entkommen, der ist dann nach Kolumbien gegangen. Viele sind im Gefängnis gelandet. Die Zeit war für mich viel zu kurz, aber sie war lang genug, dass was hängengeblieben ist für immer. Von heute aus sehe ich es als eine Illusion an, dass man mit so einer Gruppe Einfluss gegen all das nehmen konnte. Aber ich hab' davon nichts verstanden, für mich war das damals Jugendbewegung und da habe ich alle positiven Dinge der Welt gesehen und die sind mir geblieben, in der einen oder anderen Form.

Sie sind 1935 in die Tschechoslowakei geflüchtet?

Ich hatte damals einen sehr guten Freund in der Jugendbewegung, mit dem ich Jahre befreundet war und zusammen gelebt habe. Wir sind illegal in die Tschechoslowakei gegangen, weil viele Leute verhaftet wurden und ins Zuchthaus kamen. Wir hatten Angst. Wir hatten an sich gar keinen Grund, wir waren ja politisch nur indirekt engagiert. Wir sind also über die Grenze in die Tschechoslowakei gegangen, naiv, wenn ich mir das so überlege, in kurzen Hosen sind wir da rübergelaufen. Der deutsche Zöllner hat uns über die Wiese gehen sehen. An Zurückgehen war also nicht zu denken. Auf der anderen Seite hat uns der tschechische Grenzposten empfangen und durchgelassen. Wir sind dann nach Prag getrampt. In Prag kamen wir mit kurzen Hosen an. Wir haben die Telefonnummer gehabt von einem Freund. Der sagte: „Um Gottes Willen, kommt nicht in die Stadt. Bleibt dort stehen in diesem Häuschen, wir kommen euch abholen". Dann kam er und gab uns erstmal lange Hosen. Der Grund war folgender: In der Tschechoslowakei gab es die Sokol-Bewegung, ähnlich wie die Jahnbewegung in Deutschland, aber auf nationalistisch. An dem Tag war irgendein Jahrestag der Sokol-Bewegung und da war man sehr gegen die Deutschen, hat sogar einige Deutsche verhauen und alles mögliche. Also sollten wir um Gottes Willen nicht in kurzen Hosen rumlaufen, denn das war das Zeichen der deutschen Jugend.

In Prag gab es eine Organisation der SPD, die ganz links war. Die sagten uns: Hier gibt's nichts zu essen, hier gibt's überhaupt gar nichts. Zudem seien wir gar nicht gefährdet. Wir hatten ja noch einen deutschen Pass, die Papiere in Ordnung und alles. Also haben sie uns zurückgeschickt.

Konnten Sie denn so einfach wieder zurück nach Deutschland?

Es war schon ein Risiko, wieder normal mit dem Zug einzureisen, weil ich ja keinen Ausreisestempel hatte. Das wäre natürlich aufgefallen. Aber dann ist im Zug etwas Komisches passiert. Ich bin alleine regulär mit der Bahn von Prag nach Breslau gefahren. Ich habe einen Bummelzug genommen, denn Geld war ja nicht da. Bin in den Zug gestiegen, dann haben sich Leute zu mir ins Abteil hingesetzt und sind sofort wieder aufgestanden. Das Abteil war fast immer leer. Im Gang haben Leute gestanden, aber mein Abteil war leer. Dann kam der deutsche Zoll, und die gucken kaum hin und gehen sofort wieder raus aus dem Abteil. Ich konnte mir das überhaupt nicht erklären. Dann komme ich also in Breslau im Bahnhof an und werde von meiner Mutter abgeholt, die man irgendwie benachrichtigt hatte, und die sagt zu mir: „Hast du dich eingeschissen?" „Nein, bist du verrückt, Mutter, wieso?" „Du riechst ja furchtbar!" Und dann hat sich die ganze Geschichte geklärt. Mit sechs Jahren habe ich meinen Geruchssinn verloren. Ich rieche nichts. Das ist an sich im Leben nichts Gutes. Aber in dem Fall hatte mir die Gruppenführerin in Prag Käsebrote mitgegeben, und der Käse hat mit der Zeit total gestunken, was ich natürlich nicht merken konnte. Und weil ich so entsetzlich gerochen habe, ist dann vermutlich auch der deutsche Zoll so schnell an mir vorbeigegangen. Sowas kann also auch was Positives sein ....

Was konnten Sie 1935 in Deutschland noch machen?

In Deutschland traf ich meinen Freund wieder und wir beschlossen: Wir müssen aus Deutschland raus. Wie kriegen wir es hin, dass uns die jüdische Gemeinde rausbringt? Wir erfanden eine ganz idiotische Geschichte: Wir seien am Stadtwald spazieren gegangen und da sei uns ein Hitlerjunge entgegengekommen mit einem Mädchen, das ich kannte. Ich hätte sie gegrüßt. Da habe der Hitlerjunge Streit angefangen und wir hätten ihn verhauen. Das war alles 'ne glatte Erfindung! Aber mit der Geschichte, jüdischer Junge verhaut Hitlerjunge, waren wir natürlich gefährdet. Ich denke, die von der jüdischen Gemeinde haben uns gar nicht richtig geglaubt, aber die Gefahr, dass eventuell etwas daran wahr sein könnte, war doch irgendwie da. Ich wurde also nach Luxemburg geschickt. Da bin ich noch legal über die Grenze gegangen. Von dort kam ich später - das muss 1937 gewesen sein - nach Holland, nachdem die holländischen Behörden dazu die Erlaubnis gegeben hatten. Mein Freund war nicht so schnell wie ich. Der war zuerst noch in einem zionistischen Jugendlager in Deutschland und hat die Kristallnacht mitbekommen. Der kam dann später rüber zu uns. So sind wir rausgekommen, während mein Vater schon im KZ in Buchenwald war und meine Mutter versuchte, Visa zu bekommen.

Wie lange waren Sie insgesamt in Holland?

Zwei Jahre ungefähr. Meine Eltern waren noch in Deutschland. 1938 hat meine Mutter meinen Vater rausgeholt und kam mit ihm nach Holland, um meinen Onkel in Amsterdam und mich zu besuchen und dann nach Bolivien weiterzufahren. Niemand hat damals gewusst, was Bolivien war.

Wie hat Ihre Mutter „ Ihren Vater rausgeholt"? Aus dem Konzentrationslager?

Genau kann ich das gar nicht sagen, weil - vielleicht geht Ihnen das auch so: Man fragt die Eltern ja nie über die Vergangenheit und nachher, da möchte man vielleicht gerne fragen, aber dann kann man nicht mehr fragen. So ist mir das gegangen. Ich hab' meine Mutter nie danach gefragt. Er kam jedenfalls raus und sie haben ein Visum für Bolivien bekommen. Aber das Visum hatte sie nicht mit Geld bekommen, sondern durch die Gemeinde. Meine Eltern hatten kein Geld. Mein Vater hatte sein ganzes Geld in der Inflation verloren. Von der Inflation an bis er ins KZ kam, war er ein kleiner Vertreter, der gerade so sein Leben fristete. Meine Mutter hat davon gelebt, zwei Zimmer oder so zu vermieten.

Meine Eltern waren nur kurz in Holland, auf der Durchreise, und sind ein Jahr vor mir nach Bolivien gefahren. Ob ihnen mein Onkel geholfen hat, weiß ich nicht. Mir hat er jedenfalls, als ich rausging, fünf Dollar auf die Reise mitgegeben und eine Krawatte. Später denkt man: Was für ein Irrsinn! Ich war das schwarze Schaf in der Familie, weil ich nicht richtig jüdisch war, und links, das war natürlich anrüchig da im Kleinbürgertum, auch im jüdischen. Die haben wahrscheinlich gedacht: Aus dem wird nichts werden, aber 'ne Krawatte kann nicht schaden.

Sie selbst sind erst kurz vor dem Überfall der Nazis aus Holland rausgekommen?

Ja, es muss eines der letzten Schiffe gewesen sein. Die Gemeinde hat in Holland eines der Schiffe gemietet, die zwischen Holland und England hin und her gefahren sind. Mit dem fuhren wir bis Cädiz in Spanien. Dort wurden wir umgelagert auf ein italienisches Schiff, das nach Chile ging. Da waren viele Emigranten für Chile drauf und auch für Bolivien. Wir für Bolivien gingen im Hafen von Arica (Nordchile - die Red.) von Bord. Wir durften vorher in Venezuela oder in Lima nicht an Land gehen, erst in Chile, denn wir hatten das Visum für Bolivien.

Wir waren auf dem Schiff in der dritten Klasse, mit Hängematten. Es gab ein Nudelgericht für die erste Klasse. Am zweiten Tag gingen die übriggebliebenen Nudeln in die zweite Klasse. Was dann noch übrigblieb, kam in die dritte Klasse. Danach mochte ich jahrelang keine Nudeln mehr essen.

Wie sind Sie an das Visum für Bolivien gekommen?

Meine Eltern waren ja schon ein Jahr vorher nach Bolivien gefahren und schickten mir das Visum nach Holland. Zu der Zeit gab es ja sonst keine Visa mehr, auch nicht für mich. In Holland haben mich eine ganze Reihe von Jungs gefragt, dass ich Visa besorgen sollte, aber ich konnte keine kriegen, auch für meinen Freund nicht. Er ist dann später umgekommen. Es gab keine Visa mehr, ich konnte keine mehr kriegen.

Meine Mutter hat mein Visum, wie sie mir erzählt hat, auf eine ganz irrsinnige Art gekriegt. Für ein Visum musste man sich am Präsidentenpalais anstellen, um es beim Präsidenten zu verlangen. So klein war das Land. Der Präsident Boliviens in der Zeit war Busch und der hat die Immigration für die Juden geöffnet. Er argumentierte, sie brauchten europäische Immigration für die Landwirtschaft. Ich weiß nicht, was da dran war. Nebenbei: Sie wissen, wie Busch umgekommen ist? Angeblich hat er sich das Leben genommen. Andere behaupten, sein Schwager habe ihn erschossen. Es gibt jetzt einen Bolivianer, der eine andere Version hat: Er sei von Nazis erschossen worden, weil er ein deutscher Verräter war. Er war ja deutscher Abstammung. Er habe die Juden reingelassen! Angeblich wäre es ein Kommando der Nazis gewesen, das ihn umgebracht hat. Aber es gibt keine Beweise für diese Theorie.

Meine Mutter hat also Schlange gestanden vor dem Präsidentenpalais und es ging nicht vorwärts. Für ihren einzigen Sohn machte sie natürlich alles, was sie machen konnte. Sie ging aus der Schlange raus und ging in ein Zimmer rein. Dort - so hat sie es mir erzählt - stand ein großer Mann in Uniform mit viel Lametta. Sie sprach den auf deutsch an, denn sie konnte ja noch kein Spanisch, und der habe deutsch geantwortet. Offenbar war das Busch selbst. Viel Deutsch konnte der aber wohl auch nicht. Jedenfalls rief er angesichts dieser aufgeregten Frau seinen Dekan und sagte, man solle ihr das Visum geben.

Es gab auch viele falsche Visa, das wissen wir heute. Das Hotel Sucre in La Paz etwa ist mit dem Geld der Juden für Visa entstanden. Denn der damalige bolivianische Gesandte in Deutschland hat falsche Visa verkauft und später mit dem Geld das Hotel gebaut.

Mit Ihrem Visum kamen Sie 1939 in Bolivien an?

Von Arica sind wir mit der Bahn hier raufgefahren und mein Vater hat mich in Viacha, das ist eine Bahnstation oben bei Oruro, erwartet. Von da aus sind wir weiter gefahren nach Cochabamba. Ich weiß noch, dass ich ein einziges Buch dabei hatte. Ja, ich habe einen großen Verrat begangen, als ich weggefahren bin. Ich hatte damals eine Bücherkiste, ein Fahrrad und eine Schreibmaschine. Und dann hieß es: Entweder wir schicken dir die Bücherkiste nach oder das Fahrrad. Ich habe damals die Bücher verraten und das Fahrrad mitgenommen, das heute noch hier existiert, und die Schreibmaschine. Was an und für sich auch vernünftiger war, logischerweise. Ich hatte also nur das eine Buch mit, das ich gerade las. Ich besitze es heute noch, einen Klassiker, „Der Idiot" von Dostojewski. Ich kam mir selbst als Idiot vor, war ganz traurig, Europa zu verlassen. Ich konnte das gar nicht begreifen, ich konnt's nicht fassen. Vielleicht war ich zu jung. Aber das alles haben ja die meisten nicht begriffen.

Gab es einen speziellen Grund, warum Ihre Eltern nach Bolivien gegangen sind?

Nein, überhaupt nicht. Es gab damals zwei Möglichkeiten, die hießen Bolivien und Shanghai. Eine Tante von mir ist mit dem Onkel nach Shanghai gegangen. Die wussten von Shanghai so viel wie wir von Bolivien. Ich hatte keine Ahnung, was das bedeutet. Ich hatte kaum Bücher über Bolivien. Wer hatte damals schon ein Buch über Bolivien? Selbst heute gibt's die ja kaum, nur ganz wenige. Ich war damals 19. Ich konnte kaum Spanisch, nur ein paar Worte. Zuerst habe ich als Schlosser gearbeitet, später als Silber- und Goldschmied, habe Ringe gemacht und sowas. Aber das hat mir nie gefallen. Dann wurde ich Angestellter und war zwei Jahre oben in den Minen, im Süden des Landes. Ich war ein kleiner Angestellter, und ein schlechter Angestellter, der nicht gut Spanisch konnte. Da kam man nur hoch, wenn man die Füße der Chefs leckte, und da ich kein Fußlecker bin...

Hatten Sie damals Kontakte zu den Minenarbeitern?

Nein, als Angestellter nicht. Das Entscheidende war: Ich hatte zwar keinen Kontakt mit den Arbeitern der Minen, aber ich hatte Kontakt mit Antifaschisten. Ich war einerseits hier in „La otra Alemania" (Das Andere Deutschland), der Organisation von [August] Siemsen aus Buenos Aires, in der zuerst alle kommunistischen Emigranten waren. Als das später auseinander ging, haben die Kommunisten nicht mehr mitgemacht, dann gab es andere Gruppierungen. Ich hatte aber ziemlich schnell Kontakt mit Bolivianern, die politisch engagiert waren, aber kaum Kontakt mit der jüdischen Gemeinde.

Wie sah die Arbeit der antifaschistischen Gruppen damals in Bolivien aus?

Von „La otra Alemania" haben wir, die paar politischen, die hier waren, und die jüdischen jugendlichen Emigranten, verschiedene Aktionen gemacht. Einmal haben wir antifaschistische Plakate geklebt. Dafür kamen ein paar von uns ins Gefängnis. Ein anderes Mal sind wir zu den deutschen Geschäften gegangen und haben die ganzen Schlösser verklebt. Diese Gruppe hat auch deutsche Nazis verhauen. Wir wussten, dass die deutschen Nazis eine Aktion vorhatten, um die Juden hier zu eliminieren. Man wusste, welche Leute schon LKWs zur Verfügung stellten, um die Juden ins Chapare zu bringen. Die antifaschistischen Deutschen und Deutsche, die hier lange lebten und keine Nazis waren, die auf der Schwarzen Liste standen, weil sie z.B. Freimaurer waren, sind mit den Engländern und Amerikanern und der bolivianischen Regierung gegen diese Pläne vorgegangen.
Das war in den vierziger Jahren. Die Lehrer von der deutschen Schule waren damals alle Nazis. Ich habe ein Buch über die deutsche Schule in La Paz, mit einer großen Hakenkreuzfahne drauf. Die Erziehung war dementsprechend. Beim deutschen Club in La Paz gab es ein Schild: „Juden und Hunden ist der Eintritt verboten". Hier in Cochabamba gab es eine deutsche Schule, da waren besonders viele Nazis unter den Lehrern. Das war eine Mädchenschule von deutschen Nonnen, Santa Maria. Sie existiert heute noch, aber es sind kaum noch Deutsche da, die haben keinen Nachwuchs. Ein paar alte Nonnen sind noch da. Die waren sehr vernazit, diese deutschen Nonnen.

Die antifaschistischen Deutschen waren in der Minderheit?

Das waren ganz wenige, einzelne. Die Mehrheit waren zwar nicht unbedingt Nazis, aber deutschnational: „Deutschland ist wieder was geworden. Wir sind nicht mehr der letzte Dreck der Welt, wir sind wieder was." Das war die vorherrschende Meinung. Die Nazis sind eines Tages alle verhaftet und nach Texas geschafft worden. Alles Leute mit Geld. Damit ihnen die Firmen nicht weggenommen wurden, haben die Nazis Bolivianer vorgeschoben. Die alten Nazis hatten auch schon angefangen, sich mit Bolivianern zu verheiraten. Ihr Einfluss war wahnsinnig stark. Die Juden dagegen hatten gar keinen Einfluss. Unter den Deutschen, die hier waren, gab es eine kleine Gruppe, die waren Anti-Nazis, aus politischen oder religiösen Gründen. Die haben zum Teil den Juden geholfen, den deutschen Emigranten am Anfang Hilfestellung gegeben.

Wo haben Sie sich politisch eingeordnet?

Durch meine Erziehung war ich einerseits zwar Marxist oder Leninist, aber gegen den russisehen Realsozialismus, in der Form. Wir haben durch Freunde einiges indirekt erlebt. Der Pakt (gemeint ist der Hitler-Stalin-Pakt - die Red.) hat auch seine Wirkung gehabt, obwohl: Auf manche' hat's keine Wirkung gehabt, die blieben weiter Stalin treu, wie z.B. der Österreicher, der hier die Buchhandlung hatte, oder ein Arzt in Oruro, der damals die KP mitgegründet hatte.

Heute würde man das, was Sie politisch vertraten, als „undogmatische Linke" bezeichnen. Gab es da Zusammenschlüsse?

Man hatte mit Einzelnen zu tun, aber nicht als wirkliche Gruppe. Es gab hier z. B. einen SAP-Jungen aus Sachsen, einen jüdischen Jungen. Es gab eine starke politische Jugendbewegung, wo Deutsche und Österreicher - es gab viele Österreicher hier - und jüdische Jugend zusammen waren. Denn Jugendbewegung war etwas sehr Deutsches. Das hat sich hier irgendwie wieder zusammengefunden. Aber ich war da nicht drin, nur indirekt, durch die Zeitung „La otra Alemania" aus Argentinien. Davon gab es hier einen Ableger. Da gab es Diskussionsabende mit großen politischen Auseinandersetzungen zwischen den Siemsen-Leuten und Leuten der KP.

Haben Sie nach 1945 daran gedacht, nach Deutschland zurückzugehen?

Nein, das war gar nicht drin. Das war nicht in meiner Mentalität. Mein Vater ist nie nach Europa oder Deutschland gefahren. Der wollte deutschen Boden nicht betreten. Meine Mutter ist mal mit mir mitgekommen, als ich zur Buchmesse fuhr, aber mein Vater nicht. Viele haben das so gesehen. Aber ich könnte mir auch nicht vorstellen, nach Deutschland zu gehen, nicht mal heute. Ich war z. B. mal mit meinem Schwager bei Bonn in einem schlesischen Club. Da sind wir aus Neugierde hingefahren. Und da hab' ich mir so die paar Leute angesehen, die in meinem Alter waren, und hab' mir gedacht: Der war vielleicht ein guter SS-Mann und hätte mich ermordet. Das Gefühl ist vielleicht vollkommen idiotisch. Aber irgendwie fühlt man sich nicht wohl. Und dann wird man manchmal auch sofort aggressiv gegen den anderen. Mit der neuen Generation weniger, aber bei der anderen Generation, da denkt man: „Du warst doch dabei!" Bei den jüngeren weiß man aber auch nicht, ob nicht der Vater... Ich habe ja viele Freunde aus anderen Generationen gehabt. Der Vater des einen war wüster Nazi, der andere war's nicht, ein anderer hat sogar Juden umgebracht..

In der Zeit nach 1945 kam noch mal eine Welle von Nazis nach Bolivien?

Die haben sich anfangs versteckt. Der eine, der Altmann (Klaus Barbie, der ehemalige,, Gestapo-Chef von Lyon - die Red.), hat sich sogar als Jude ausgegeben. Dann sind sie langsam entdeckt worden. Es gab in den Yungas eine Siedlung von Deutschen, von Nazis. Die waren sehr ordentlich, diese Deutschen, saubere Menschen, und Geld hatten sie, sie haben gebaut, und die Einwohner haben sie gern gehabt. Eines Tages hat einer der Deutschen eingeladen, bei einer Taufe dabeizusein. Da wurden zwei Kinder getauft. Einer hieß Hitler Mamani und der andere hieß Eichmann Mamani. Die werden heute wahrscheinlich anders heißen... Die haben mit den Diktatoren zusammengearbeitet. Der Altmann hat Italiener und Deutsche hergebracht, die dann hier wüste Cowboys waren. Das Irrsinnige war, dass der sogar einen Ausweis vom bolivianischen Militär hatte. Der war Coronel in bolivianischer Uniform! Die waren Hilfsträger und haben den Geheimdienst für Banzer und die ganzen Diktatoren aufgebaut.

In die DDR zu gehen haben Sie sich auch nicht überlegt?

Nein. Einer von der KP hier, Paul Baender, der das Hotel Cochabamba geleitet hat, der ist zurück in die DDR. Der ist sogar Vizeminister oder sowas geworden. Er ist später verhaftet worden, von einem auf den anderen Tag. Die ganze Tragödie. Die Form, wie man das gemacht hat, war irrsinnig. Stalinistisch.

Haben Sie denn Reisen nach Deutschland gemacht?

Viele Male. Das war kein Problem. Deutsche Kultur, deutsche Menschen, das ist kein Problem für mich. Meine Frau hat bis 1947 in Deutschland gelebt. Die hat eine andere Beziehung dazu. Die hatte gar keine Beziehung zu Juden, außer zu ihrer Großmutter, die in Theresienstadt umgekommen ist, und zur Tante, die wir noch getroffen haben. Die hat in Freiburg überlebt und mir ist bis heute unklar, wie. Die hat als Jüdin in Freiburg überlebt und war verheiratet mit einem Deutschen, der aber auf der Schwarzen Liste war als Künstler. Die hatten fünf oder sechs Kinder. Das ist für mich bis heute unfassbar, wie die das geschafft haben. Es gibt Dinge - Es gibt keine Regel... 

...wie Erich Kästner, der bei seiner eigenen Bücherverbrennung dabeigewesen ist...

Wo wir von Kästner sprechen: Kennen Sie „Der dreizehnte Monat" von Erich Kästner? Der hat den dreizehnten Monat erfunden, zu Recht, übrigens. Keine Angst, ich will jetzt keine Gedichte vorlesen. Aber da sind zwei Zeilen, die mir aufgefallen sind und die mir so herrlich gefallen haben. Ich hab sie angestrichen. Ich streiche ja Bücher an, was man nicht sollte, aber ich tue das: „Aus manchem, was das Herz erfuhr, wird bestenfalls Erfahrung." Das finde ich fantastisch. Ich musste mir das anstreichen. Aber das zu übersetzen ist fast unmöglich. Ich habe versucht, das ins Spanische zu übersetzen, aber da kam nur Mist raus. Das ist jetzt auch die Antwort, warum ich wieder nach Deutschland gefahren bin. Sehen Sie: Sie sprechen von Kästner und ich bringe Ihnen gleich ein Buch, das ich gerade lese.

Wann haben Sie Ihre erste Buchhandlung aufgemacht?

Im Jahre 1945. Ich wollte immer eine Buchhandlung haben. Ich wollte immer was mit Büchern machen. Meine andere Illusion, Bibliothekar zu werden, war ja gar nicht drin. Und studieren oder mein Abitur zuende zu machen auch nicht. Es gab hier einen Österreicher, der hatte eine Leihbücherei, die erste deutsche. Dann machte ich eine andere auf und in La Paz gab es drei andere. Die sind entstanden durch den Verkauf der Bücher der Emigranten.


Abb.: Buch aus der Leihbücherei Los Amigos del Libro

Mich hat vor allem das bolivianische Buch interessiert. Das war für mich von Anfang an das Wichtigste. Das war hier in Bolivien nicht beliebt. Es gab wenig Autoren. Die ersten wurden in Paris gedruckt, dann in Argentinien und Chile. Die Oberschicht war nicht sehr landesfreundlich. Die hat lieber Victor Hugo gelesen.

So begann ich, bolivianische Bücher herauszubringen. Das erste Buch, das ich rausgegeben habe, war die Constituciön Politica de Bolivia, hundert Stück. Ich kann mich noch genau erinnern. Ich hab' gedacht, die würde ich nie verkaufen.

Sie haben im Laufe der Zeit dann mehrere Buchhandlungen eröffnet. Gab es damit nicht auch Schwierigkeiten?

Bei jeder Rechtsregierung wurde ich natürlich verfolgt. Dann kam ich auch ins Gefängnis und meine Bücher sind verbrannt worden. Und auch meine Freunde sind verfolgt worden.

Die Bücherverbrennung fand unter Banzer statt. Es gab eine Anzeige. Man hat dann Bücher aus der Buchhandlung und aus meiner Bibliothek zusammengetragen. Ich weiß nicht, ob Banzer was davon gewusst hat. Auf einer Buchmesse vor zwei Jahren kam Banzer zu unserem Stand, und einer seiner Minister stellte sich vor und meinte: „Wir kennen Sie." - Ich hab' denen aus lauter Gemeinheit das Buch über die 50 Jahre (Jubiläum der Buchhandlungen „Amigos del Libro") gegeben. „Brauchen Sie mir gar nicht geben, ich bin der Leithammel des Landes und wir wissen, was wir Ihnen schuldig sind", sagte der.

Wie lange waren Sie im Knast?

Eine Woche war ich im Knast, dann hatte ich Hausarrest. Die Begründung war, dass ein Scheck von mir bei der Guerilla gelandet wäre. Ich hätte die gesamte Guerilla finanziert. Dann ist rausgekommen, was da passiert ist. Ich hatte einem Autor einen Scheck gegeben. Der war von der Guerilla und der hat den weitergegeben. Ich bin x-mal ins politische Feuer geraten, ganz egal, von wo. In so einem kleinen Land fällt alles auf. Ich bin eine Person, die immer wieder in der blödesten Form aufgefallen ist.

Aber trotzdem konnten Sie Ihre Buchhandlungen auch unter den Diktaturen weiterführen?

Alle kennen hier alle und irgendwie kommt man durch. Nicht alle. Manche geben auf, aber ich habe durchgehalten und meine Familie hat durchgehalten. Manchmal war es schon so schlimm, dass wir gedacht haben, wir müssten weg, aber wir haben dann doch immer weiter gemacht. Und das wissen die auch, dass wir immer weiter machen. Auch ökonomisch, in jeder Beziehung. Wir haben uns hier eine eigene Arbeit geschaffen, gegen alles, und die wissen das. Den „Cóndor de los Andes" (höchster bolivianischer Orden) kriegt man nicht für nichts.

Ich habe Bücher gern gehabt und ich habe mir eingebildet, du hilfst den Menschen, wenn du ihnen gute Bücher bringst. Ein idealistischer Buchhändler eben. Aber das war noch nicht interessant genug, einem Deutschen ein Buch über Bolivien zu zeigen oder ihm was zu erzählen in der Buchhandlung. Die Idee war, Dinge zu schaffen, die Bolivien fehlen. Bücher schaffen, die das Land zeigen. Und dann haben wir die Enzyklopädie gemacht. Zur Jahrhundertfeier von Cochabamba haben wir Bücher über Cochabamba rausgebracht, die es nicht mehr gab. Dann haben wir den Premio (Literaturpreis) gemacht. Wir wollten positivere und aktivere Dinge als nur ein Buch zu bestellen, auszupacken, einen Preis reinzuschreiben und dann zu versuchen, es dem nächsten Kunden unbedingt zu verkaufen. Außerdem mochte ich das nie, Kaufmann zu sein. Allein schon die Idee des Kaufmanns überhaupt war mir falsch. Ich wollte kreativ sein, Sachen schaffen, die fehlen, die das Land braucht.

Um dem Land zu helfen. Nach einer gewissen Zeit ist mir das gelungen. Mehr oder weniger.

Konnten Sie mit Ihrer Arbeit die bolivianische Literatur auch in anderen Ländern bekanntmachen?

Es gibt eine sehr gute Anthologie bolivianischer Schriftsteller, die vor vielen Jahren in Deutschland erschienen ist. In den Vereinigten Staaten ist jetzt eine gute Anthologie als Paperback herausgekommen. Einer von meinen Autoren ist auf Englisch übersetzt worden. Andere sollen noch übersetzt werden. Es fängt langsam an. Mir ist das aber nie gelungen. Ich habe das versucht, deswegen bin ich nach Frankfurt gefahren. Ich habe alles versucht. Ich habe meine Bücher verschenkt, meine Bücher weitergegeben. Das war ja logischerweise die Idee, die zu verbreiten. Ich habe viel an Universitäten verkauft. Naja, was heißt viel. Wenn ein Bibliothekar 100 Mark zur Verfügung hat, dann bleiben für bolivianische Bücher vielleicht eine oder zwei Mark übrig. Wenn nicht zufällig jemand dort ist, der über Bolivien schreibt und sagt, er braucht Bücher.

Eigentlich müsste man viele Bücher übersetzen. Ich habe auch einige Sachen umgekehrt übersetzt, aus dem Deutschen, und hierher gebracht. Aber die Wirkung ist beschränkt, wen interessiert das?

Was können Bücher bewirken?

Da ist eine große Enttäuschung da, bei mir persönlich. Einerseits, dass ich nichts Bleibendes schaffen konnte. Ich sehe, dass alles, was ich gemacht habe - wie scheinbar alles im Leben - auf tönernen Füßen steht und dass meine Bemühung, das auf festere Füße zu stellen, nicht fruchtet. Andererseits habe ich etwas erreicht, was in einem Land wie Bolivien schwierig zu erreichen ist, nämlich dass man von der eigenen Bevölkerung anerkannt wird. Das gibt's auch selten und das ist positiv. Der Uli (Ernesto Kroch - die Red.) wird in Uruguay nicht so dafür anerkannt, dass er die soziale Geschichte geschrieben hat. Ich habe Glück gehabt.

Nochmal zur bleibenden Wirkung. Sie haben viele schöne Buchhandlungen, Anerkennung, jede Menge Orden...

Mehr kann man gar nicht kriegen. Ich habe auch Sachen gekriegt, die ich gar nicht erwartet habe. Die Auszeichnung vom Parlament, das ist Wahnsinn, dass das ein Gringo kriegt. Zwei Leute haben das bisher überhaupt nur bekommen. Man kriegt den Orden nur, wenn alle Parlamentarier ja sagen. Alle haben also ja gesagt, und jetzt müsste ich eine Rede halten vor dem Parlament. Da wurde gerade der Film von Schindler gegeben. Da sagte ich: Ich habe das Gefühl oder ich weiß, dass die Liste der Emigranten, die nach Bolivien kamen, so wie eine Liste von Schindler ist. Das hat jeder verstanden von den Parlamentariern. Und deswegen habe ich gearbeitet. Was sollte ich denen sonst erzählen?

In der Beziehung habe ich Glück gehabt. Ich sollte ja auch mal deutscher Konsul werden. Das war in der Zeit der Banzer-Diktatur und für mich war das zunächst eine Rettung. Dann wurde ich angeschwärzt: Der Kommunist würde nie von den Bolivianern anerkannt werden. Dann hat ein Freund von mir den Außenminister, einen ganz rechten Falangisten, gefragt, ob sie mich anerkennen würden. Selbstverständlich, hat der gesagt. Das war alles nur konstruiert, aber Deutschland hat Angst bekommen. Dann haben sie mir eine Medaille gegeben, die Deutschen. Als Entschuldigung, sozusagen.

Aber ökonomisch habe ich kein Glück gehabt. Ich bin eben kein guter Kaufmann, wollte es auch nie sein. Ich wusste natürlich nicht, dass ein Bibliothekar auch ein guter Kaufmann sein muss, weil er mit seinem Haushalt auskommen muss. Ich habe das nur ideell gesehen, als eine ideelle Angelegenheit. Ich habe viele Dinge angefangen, die ich nicht weiter fortführen kann. Das ist nicht zu ändern."

Das Gespräch führten Alix Arnold und Rolf Satzer im November letzten Jahres in Cochabamba."

[Quelle: ila : Zeitschrift der Informationsstelle Lateinamerika. -- Bonn. -- ISSN 0946-5057. -- Nr. 244 (2001-04). -- S.48 - 54]

2000-11-03

Der Priester Fernando Rojas -- jetzt Generalsekretär der Bischofskonferenz -- äußert sich zum Problem "Chapare":

"El problema del Chapare es muy complicado. En primer lugar el Chapare en las épocas de las "narcodictaduras" de la década de los 80, se convirtió en una tierra de nadie donde imperaba el narcotráfico y la violencia.

Se cometieron todo tipo de abusos contra los derechos humanos y asesinatos. Se puede mencionar que uno de los primeros empresarios hoteleros (Benjamín Cortéz) file asesinado a machetazos en su hotel "Las Pozas". 

Entonces ésta es tierra de nadie, una tierra de mucha violencia. A esa tierra se la ha tratado posteriormente por todos los planes de erradicación, de cortar toda la influencia todopoderosa de aquel entonces del narcotráfico y convertirla en una tierra de desarrollo alternativo, en una tierra donde otro tipo de plantaciones pudieran sustituir a los cultivos de coca y a la producción de cocaína.

El desarrollo alternativo no ha dado los resultados que se esperaban, entonces no ha habido una verdadera sustitución, no ha habido un cambio de la producción de coca por otra producción garantizada en mercados y en todo, en caminos, en contactos que posibiliten que el campesino salga de la pobreza" 

[In: Presencia. --  2001-11-03. -- Abgedruckt in: Irusta Medrano, Gerardo: Narcotráfico : vidas, pasiones y tragedias. -- La Paz, 2001. -- ISBN 99905-0-104-1. -- S. 22f.]

2000-11-14


Abb.: Felipe Quispe (Mitte) im Kreise seiner Anhänger [Bildquelle: http://www.aymaranet.org/. -- Zugriff am 2002-10-07]

Felipe Quispe gründet das Movimento Indigena Pachacuti (MIP).

2000-11-15 bis 18

Vom 15 bis 18. November haben VertreterInnen der Interinstitutionellen Kommission für Menschenrechte (namentlich die Ständige Versammlung der Menschenrechte APDH, CEPROMI, CEDIB und Defense for Children International, Cochabamba) in Begleitung eines Journalisten von Radio Pio XII sich in den Chapare begeben, um die Lage der Bevölkerung im Konflikt zu untersuchen.

Wortlaut der Erklärung:

»Wir fünf Mitglieder des DCI-Cochabamba haben uns auf Situationen konzentriert, in denen die Kinderrechte beeinträchtigt sind und haben folgende Fakten recherchiert:

Als Folge der Auseindersetzungen zwischen dem 18 September und dem 13. Oktober zwischen der kleinbäuerlichen Bevölkerung und bolivianischer Armee und Polizei und als Folge des Verschwindens von 5 Personen (dem Ehepaar Andrade, den Soldaten Lazarte und Veramendi sowie eines Polizisten von Shinahota) wurden nach Aufhebung der Strassenblockaden eine Serie von Razzien in der Zone durchgeführt, in denen vermutet wurde, dass die 5 genannten Personen verschwunden waren. Konkret in den Dörfern San Isidro, Coni Alto, Cristalmayu, Capiwara und in der Region von Cañadón bei Eterazama. Auch wenn das Ziel der Razzien absolut notwendig und wichtig war, kam es dennoch bei den Aktionen zu folgenden weiteren Vorkommnissen:

3 Schulen (Cristal Mayu, Capiware und Coni Alto) wurden durchsucht, wobei die Jungen und Mädchen eingeschüchtert und mit Gewehren bedroht wurden, damit sie über den Verbleib der gesuchten Personen Auskunft geben, oder zumindest Namen der möglichen Verantwortlichen und Schuldigen der Taten nennen.

Polizei und Militär sind wiederholt und zu beliebigen Zeiten in der Nacht oder im Morgengrauen in die Privatwohnungen von angeblichen Schuldigen eingedrungen unter Anwendung von Gewalt gegen alle Anwesenden, so - unter anderem - im Fall der kleineren Geschwister von Margarita Terán, der jungen Gewerkschafterin, gegen die ein Prozess geführt wird unter der Anklage, an der Ermordung der Soldaten beteiligt gewesen zu sein. Auf Margarita Teráns elfjährigen Bruder wurde das Gewehr gerichtet, um Informationen zu erhalten. Mitglieder der Drogenbekämpfungspolizei UMOPAR haben praktisch alle Wohnungen in der Region in Anwesenheit der Kinder und Heranwachsenden durchsucht, dabei materielle Zerstörung angerichtet, einige Häuser, insbesondere in Coni Alto und Cañadon, wurden niedergebrannt.

Sie haben versucht, auf einen minderjährigen Heranwachsenden, der freiwilligen Militärdienst leistet (der sog. Servicio Pre-Militar), Druck auszuüben, um in arglistiger Weise Falschaussagen gegen Margarita Terán zu bekommen. Nachdem der Heranwachsende das abgelehnt hat, wird er nun selbst von Personen in Civil verfolgt, die wahrscheinlich Mitglieder des Geheimdienstes sind.

Mitglieder der Fuerzas de Tarea Conjunta (Polizei und Militär) üben ständig weitere Bedrohungen gegen die Bevölkerung aus, insbesondere gegenüber Kindern und Heranwachsenden, die in den genannten Zonen leben, um Informationen über den Verbleib der Verschwunden und über die Verantwortlichen dieser Taten zu bekommen.

Einige Mädchen und Heranwachsende zwischen 11 und 13 Jahren haben sexuelle Belästigungen durch Soldaten der neu errichten Militärcamps angezeigt, weshalb sie jetzt nicht mehr ohne Begleitung in die Schule gehen wollen.

Alle diese Vorgänge verursachen in der Bevölkerung der Cochabambiner Tropen, insbesondere bei den Kindern und Heranwachsenden irreversible Schäden: Die psychische und physische Gewalt, die Militär und Polizei anwenden, bringt hohe Folgekosten mit sich, weil sie die Würde und persönliche Integrität der Kinder und Heranwachsenden, die in dieser Region leben, untergräbt. Bei einer ganzen Reihe von Kindern und Heranwachsenden haben wir Symptome von Depression und Angst festgestellt, so eine übertriebenes Misstrauen, ängstliche und ausweichende Blicke, plötzliche Weinanfälle. Die Kinder äußern die Angst um ihr Leben und das ihrer Familienangehörigen und ziehen es deshalb vor, zu schweigen. Sie wissen nicht, was sie tun sollen, sind verwirrt, äußern Angst und Unsicherheit bezüglich der unmittelbaren Zukunft.

Angesichts dieser Situation, die zweifellos sehr kompliziert ist und wo Lösungen noch weit entfernt sind, drücken wir unsere große Sorge in Bezug auf die Gewaltatmosphäre in den Cochabambiner Tropen aus. Als Organisation zur Verteidigung der Menschenrechte von Kindern und Heranwachsenden verteidigen wir immer das menschliche Leben und wenden uns gegen jedes Attentat auf das Leben. Deshalb unterstützten wir, dass Untersuchungen durchgeführt werden, die den Tod all der Polizisten, Soldaten, Kleinbauern und Heranwachsenden, die in den ganzen Auseinandersetzungen dieses Jahres gestorben sind, aufklären. Aber es ist auch unsere Pflicht zu fordern, dass alles dies Aktionen den gesetzlichen Bestimmungen entsprechen und die staatliche Macht nicht - nur um irgendwen als Schuldige präsentieren zu können - missbraucht wird und in machiavellistischer Weise Jungen, Mädchen und Heranwachsende zu unschuldigen Opfern dieses Konflikts gemacht werden.

Das bolivianische Kinder- und Jugendgesetz verbietet in seinen Artikeln 105 bis 109 kategorisch jede Form von Misshandlungen gegen Kinder und Heranwachsende und fordert uns im Artikel 110 auf, diese Formen politischer motivierter Gewalt anzuzeigen, unter der derzeit etwa 100.000 Kinder und Heranwachsende der Region leiden.

Defense for Children-International, Sektion Bolivien, Filiale Cochabamba im November 2000«

Übersetzung: Peter Strack"

[Quelle: http://www.oneworldweb.de/tdh/reportage/bol-dni.html. -- Zugriff am 2002-10-10]

2000-11-16

Menschenrechtsverletzungen im Chapare

"Die vergangenen Wochen waren im Chapare von massiven Polizei- und Militäreinsätzen im Chapare geprägt, die im Fall der verschwundenen Soldaten zur Entdeckung der Leichen und zahlreichen Festnahmen geführt haben.

Im Fall des Leutnants Andrade und seiner Ehefrau scheint inzwischen klar, dass sie von einer Gruppe zu Tode geprügelt wurden. Im Fall von Julio Veramendi und Juan Clemente Lazarte ist geklärt, dass sie in Zivil (mit Militärkleidung und Waffe im Gepäck) auf dem Weg in den Chapare entdeckt, entführt und getötet wurden.

Die Todesfälle wurden von der Regierung zu einer massiven Kampagne gegen die Cocalero-Bewegung genutzt. Dabei wurde die Aufmerksamkeit auch von den permanenten Menschenrechtsverletzungen gegen die Cocaleros abgelenkt. Nur einige Beispiele zeigen, wie gegen die Menschrechte verstossen wird:

  • Der Fall eines Kindes, das fast von den Soldaten fast verbrannt worden wäre (Meldung in Los Tiempos).
  • Die permanenten Hausdurchsuchungen ohne Durchsuchungsbefehl und Bedrohung von Kindern, um sie zu Aussagen zu zwingen
  • Schläge gegen einen Lehrer vor den Augen der Schüler, auf die ebenfalls die Waffen gerichtet wurden, so in Capihuara (Los Tiempos 11.11.2000)
  • Folterungen von Kleinbaürn, um Aussagen zu erzwingen, wie im Fall des Marcelino Vargas, den Soldaten in Zivil mit dem Tode bedroht und geschlagen haben, damit er den Aufenthaltsort der Verschwundenen preis gibt (Los Tiempos 7.11.).
  • DerFall Vicente Vigabriel, dessen Familie mit dem Tode bedroht wurde, damit er als Wegführer zur Verfügung steht. (siehe auch Bericht der Permanenten Versammlung der Menschenrechte, am 4.11.00 in Los Tiempos)
  • Irrationale Racheakte und Drohgebärden, wie das Abbrennen und die Zerstörung von Hütten durch das Militär, wie in Coni Alto, wo vor den Augen der Kinder und Frauen zehn Hütten zerstört wurden. Anschliessend wurde die Schule des Ortes verwüstet (Los Tiempos 5.11.2000)
  • Der Einsatz von Paramilitärs (bekannt ist inzwischen ein weisses Taxi, in dem sich Militärs in Zivil bewegen, um irreguläre Festnahmen, Folterungen etc. durchzuführen; siehe auch Los Tiempos 4.11.00

All dies belegt, dass die bolivianische Regierung bzw. ausführenden Staatsorgane sich nicht mehr auf dem Boden des nationalen und internationalen Rechts bewegen. Was die Legitimität des Staats- und Rechtssystems insgesamt bei den Kleinbauern des Chapare untergräbt. Es besteht so die Gefahr birgt, dass diejenigen Kräfte, die einem bewaffneten Widerstand das Wort reden, gestärkt werden und sich so der Konflikt weiter verschärft.

Diese Tendenz wird durch folgende Entwicklungen weiter verstärkt:

  • Die Tatenlosigkeit der staatlichen Stellen in Bezug auf die Suche nach verschwundenen Kleinbauern
  • Das fehlende Interesse der staatlichen Stellen und die offensichtliche Ungleichbehandlung durch die Justiz.
  • Die Rechtsbrüche bei dem Versuch von Kriminalpolizei und Regierung, Anführer der Cocabaürnorganisation für die Morde an den Soldaten verantwortlich zu machen.
  • Gefälschte Beweise, Bestechung, Behinderung der Verteidigung (siehe die Fälle Margarita Terán, Leonardo Romero und Albino Paniagua)
Fallbeispiel Margarita Terán:

Nachdem die Kriminalpolizei ihre Behauptung widerrufen musste, dass sie im Haus von Margarita Terán, der 18jährigen Coca-Gewerkschafterin, Schülerin und Rechtspromotorin, das Handy von Frau Andrade gefunden habe, wurde versucht, Bewohner der Region zu Zeugenaussagen gegen Margarita Terán zu bewegen. Dies mit den oben beschriebenen Mitteln der Gewalt und Folter. Ihr Rechtsanwalt hat zudem mit Personen gesprochen, die aussagen, dass man ihnen zwischen 1000 und 2000 US$ Belohnung versprochen hat, wenn sie gegen Terán aussagen. Tatsächlich liegen drei Aussagen gegen Terán vor, nach der sie das Ehepaar Teran geschlagen (nicht getötet) haben soll. Diese kann jedoch nachweisen, dass sie zum fraglichen Zeitpunkt am 10. Oktober gar nicht am Ort des Geschehens war, sondern an einer Sitzung an einem anderen Ort teilgenommen hat, bei dem auch der Ombudsmann anwesend war. Angesichts dieses Tatbestands ist verwunderlich, warum die Kriminalpolizei nicht auch entlastenden Aussagen berücksichtigt, warum Justiz und Regierung von der Täterschaft Teráns ausgehen?

Rechtsanwalt Renato Pardo fragt verwundert, wie es möglich ist, dass die Zeugen, die gegen Terán ausgesagt haben und vermutlich am Tatort waren, als das Ehepaar Andrade gelyncht wurde, derzeit frei sind, während Margarita Terán inhaftiert ist. Pardo kritisiert ebenfalls, dass seine Rechte und Arbeit als Anwalt systematisch behindert wird. Einmal wird ihm der Kontakt mit Terán verweigert, ein anderes Mal weigern sich die zuständigen Stellen, mit ihm zu reden, vertrösten ihn von einem Tag auf den anderen. Und während der Verhöre würden die Bestimmungen der (reformierten) Strafprozessordnung nicht respektiert, würde permanent Druck auf die 18jährige ausgeübt.

Fallbeispiel Leonardo Romero

Auch bei Leoanrdo Romero scheint das Hauptvergehen zu sein, dass er ein Anführer der Cocabauerngewerkschaft ist. Sein Anwalt krisitisiert Schikanen gegen Romeros Familie. So müsse sich seine Ehefrau jeden Tag bei der Polizei in Chimore melden, obwohl gegen sie keine Anschuldigung vorliege, und obwohl die Polizeistation von Villa Tunari wesentlich näher wäre. So kann sie weder ihren in Cochabamba inhaftierten Ehemmann besuchen, noch ihrer Arbeit nachgehen. Auch hier wird die Behinderung der Verteidigung beklagt und die Tatsache, dass es (außer unter Druck erzeugte) keine Aussagen gegen Romero gebe.

Fallbeispiel Albino Paniagua

Der Fall von Albino Paniagua unterscheidet sich dadurch, dass er nicht wegen Mord, sondern Drogenhandels (Paragraph 1008) angeklagt ist, da man bei ihm Reste von Kokain im Rucksack gefunden habe. Sein Rechtsanwalt beklagt, dass man ihm zeitweise die Akteneinsicht verweigert hat. Warum, wurde ihm klar, als er die Akten schliesslich einsehen konnte. Der Bericht der Kriminalpolizei war voller Widersprüche. Bei der fraglichen Hausdurchsuchung habe die Kriminalpolizei, laut Bericht, keinerlei verdächtige Hinweise gefunden. Erst auf ein Telefongespräch mit Vorgesetzten sei Paniagua festgenommen und zur Polizeistation gebracht worden.

In der Zwischenzeit beobachten Nachbarn einen Fremden, der nach Paniagua fragt. Später bringt die Kriminalpolizei Paniagua in sein Haus zurück, das erneut durchsucht wird, wobei laut Polizeibericht drei Rucksäcke auftauchen. Einer angeblich mit einem blutbefleckten Hemd, ein anderer mit Resten von Kokain. Merkwürdigerweise sei aber nur ein Rucksack, der mit Kokain, konfisziert worden. Dessen Analyseergebnis verwendet eine unübliche Formulierung: "Reste von Kokain in großen Mengen". Üblicherweise, so der Rechtsanwalt, werde die gemessene Menge exakt in Gramm angegeben.

Bewertung und erschwerende Umstände:

Alle drei Fälle weisen darauf hin, dass es der Strafverfolgung nicht um die Suche nach der Wahrheit, sondern um die Kriminalisierung der Organisation der Koka-Baürn geht.

Während die Zahl der Verhafteten insgesamt wesentlich höher ist, konzentriert sich die Strafverfolgung auf diese drei Personen. Beobachter meinen, dass es durchaus möglich ist, dass die Regierung bzw. die Staatsanwaltschaft die wahren Täter bereits kennt, sie aber aus Gründen der politischen Opportunität nicht nenne.

Auch jenseits der Justiz leistet die Regierung keinen Beitrag zur Lösung des Konflikts. So weigert sie sich, wie im Oktober vereinbart, die Vertreter der Cocabauern bei der Durchführung des vereinbarten Alternativprogramms einzubeziehen.

Die Presse-Kampagne zur Aufhebung der parlamentarischen Immunität des Coca-Bauern-Anführers und Abgeordneten Evo Morales ist ebenfalls riskant. Nicht nur, weil - anders als bei anderen Abgeordneten der etablierten Parteien in anderen strafrechtlich relevanten Fällen - keine Beweise für eine schuldhafte Beteiligung von Morales vorliegen, sondern weil Evo Morales derjenige ist, der mit fast 70 Prozent der Stimmen aller direkt gewählten Abgeordneten, den höchsten Stimmenanteil zu verbuchen hatte.

Schlussfolgerungen und Handlungsmöglichkeiten:

Die erheblichen Irregelaritäten in der Strafverfolgung und die massiven Menschenrechtsverletzungen im Rahmen des Konflikts um die Ausrottung des Koka-Anbaus in Bolivien, sowie die einseitige Berichterstattung in den bolivianischen Massenmedien lassen es nötig erscheinen, dass die internationale Öffentlichkeit informiert wird und Stellung bezieht.

Zum Beispiel Einzelinitiativen:

Nötig sind Briefe an die Botschaften Boliviens im Ausland, in der die Eskalation der Gewalt im Chapare kritisiert und die Sorge um die systematischen Menschenrechtsverletzungen gegen die Bevölkerung im Chapare zum Ausdruck gebracht wird. Dabei sollte hervorgehoben werden, dass man mit Sorge von den Irregularitäten des Verfahrens gegen die 18jährige Margarita Terán und andere Vertreter der Kokabaürngewerkschaft erfahren habe. Gleichfalls sollte die Notwendigkeit bekundet werden, dass die Verantwortlichkeit der Menschenrechtsverletzungen, auch auf Seiten der Staatsorgane, geklärt und entsprechende Strafverfahren eingeleitet werden.

Zum Beispiel die Bundesregierung:

Abgesehen von einer grundsätzlichen Stellungnahme und einer Revision der bisherigen Position zum Konflikt scheint es im Sinne der Konfliktlösung und der Vorbeugung einer weiteren Eskalation nötig, die Vorgänge in diesem Jahr und insbesondere die Vorwürfe gegen die Staatsorgane und gegen die Organisation der Kokabauern durch unabhängige Stellen zu untersuchen und zu dokumentieren. Nur auf der Basis der Wahrheit und der Gleichbehandlung vor dem Gesetz kann Vertrauen in die Justiz und anderen Staatsorgane hergestellt und Respekt vor den Gesetzen eingefordert werden.

Konkret böte sich im Rahmen des zivilen Friedensdienstes die Entsendung eines Experten an, der mit entsprechender personeller und materieller Ausstattung, einen unabhängigen Bericht erstellt und Regierung, soziale und Menschenrechtsorganisationen anschliessend bei der Lösung und Prävention des Konfliktes beraten kann. Da die Bundesrepublik mit umfangreicher Entwicklungshilfe an der Justizreform Boliviens beteiligt war, dürfte sie ein besonderes Interesse an, aber auch eine besondere Aufgabe zur Unterstützung der Rückkehr zu rechtsstaatlichen Verhältnissen haben.

Cochabamba, 16.11.2000

Informationen zusammengestellt von: Peter Strack, terre des hommes- Andenbüro"

[Quelle: http://www.oneworldweb.de/tdh/reportage/bol-menschen.html. -- Zugriff am 2002-10-10]

2000-12

Anteproyecto del ley INDIO -- substitutiva de la ley Inra / CSUTCB [(Confederación Sindical de Trabajatores Campesinos de Bolivia) unter Federführung von "Mallku" Quispe]. -- Diciembre 2000:

"...la invasión trae consigo genocidio - etnocidio y holocausto humano.... Los pueblos Indígenas y Originarios del Kollasuyu somos y hemos sido dueños originarios y legítimos del territorio y propietarios originarios de lo que hoy ocupa el Estado Boliviano, siendo tan solo un enclave superpuesto a nuestro territorio ancestral... Con la revolución de 1952, sólo se nos ha devuelto la tierra, pero para desestructurarnos definitivamente... Los Pueblos y Naciones Originarias e Indígenas propios del Qollasuyu manejaron las tierras y el territorio de acuerdo a nuestra cosmovisión. La administración y el ordenamiento territorial estuvo regulado sobre la base del principio del control vertical y horizontal de los pisos ecológicos, por lo que todo habitante podía acceder a la propiedad de la tierra tanto en el Valle, altiplano, llanos y la costa".

[Zitiert in: Pro campo : revista del desarollo rural. -- La Paz. -- 2001-06. -- S. 6]

2000-12-13

Staatsbesuch Präsident Banzers in Italien. Banzer wirbt für mehr Unterstützung der EU bei der Umstellung von Kokaanbau auf alternative Produkte.


Zu Teil 29: 2001