Materialien zum buddhistischen Erlösungsweg

 

Japanische Kalligraphie: "Stille und Abgeschlossenheit"

"Sekan" = "Stille und Abgeschlossenheit", Kalligraphie eines japan. Tendai-Priesters

Kapitel 4: Die Kasi.na's


von Alois Payer

mailto:payer@well.com


Zitierweise / cite as:

Payer, Alois <1944 - >: Materialien zum buddhistischen Erlösungsweg. -- Kapitel 4: Die Kasi.na's. -- Fassung vom 8. Februar 1996. -- URL: http://www.payer.de/buddherloesung/vism04.htm. -- [Stichwort].

Letzte Überarbeitung:  8. Februar 1996

Anlaß: Lehrveranstaltung Der buddistische Erlösungsweg, Univ. Tübingen, WS 1995/96

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ÜBERSICHT



Allgemeines zu den Kasi.na-s


Kasi.na's s. Visuddhimagga, Kap. 4, § 21 - Kap. 5

Kasi.na (n.) bezeichnet:

Nimitta (n.):

Arten von Kasi.na:

Geeignetheit der Kasi.na für Charaktertypen:

Mit allen Kasi.na kann man alle vier Versenkungszustände (jhâna) verwirklichen


Erdkasi.na (pa.thavi-kasi.na)


Visuddhimagga, Kap. 4, §§ 21-202

Wenn der Mönch vom Almosengang zurückgekehrt ist, gegessen hat und die Trägheit nach dem Essen vertrieben hat, soll er sich an einem abgeschiedenen Ort bequem niedersetzen und das Nimitta von extra dafür zubereiteter (einer Lehmscheibe) oder nicht zubereiteter Erde (z.B. einem gepflügten Feld) in sich aufnehmen.

Wenn man sich das Objekt für die Erdkasi.na-Meditation extra anfertigt, dann soll man die vier Mängel eines Erd-kasi.na vermeiden:

  1. Vermengung mit Blauschwarz
  2. Vermengung mit Gelb
  3. Vermengung mit Rot
  4. Vermengung mit Weiß

Man verwende also hellbraunen Lehm, wie man ihn im Ganges findet.

Das äußere Erd-kasi.na stelle man an einem versetckten Ort in der Umgebung des Klosters her, im Schutz eines Felsvorsprungs oder in einer Hütte. Man kann dieses Kasi.na tragbar oder festsitzend herstellen.

Vorgehensweise

  1. man mache aus Stöcken und einem Tuch, einem Leder oder einer Matte ein Gestell
  2. man mache eine Erdscheibe ungefähr 1.5 Handspannen im Durchmesser, bestreiche sie mit gut durchknetetem Lehm, aus dem alle Verunreinigungen entfernt sind
  3. man lege diese Scheibe auf den Boden
  4. man fege den Platz
  5. man nehme ein Bad
  6. man setze sich auf einen 1.5 Handspannen hohen Stuhl setzen (so, daß man das Kasi.na ohne Hals- oder Knieschmerzen betrachten kann). Man setze sich dabei 2.5 Ellen (Maß von Ellbogen bis Fingerspitze) von der Erdscheibe entfernt hin (so, daß er das ganze kasi.na gut sehen kann, aber doch nicht so nahe, daß man noch evtl. vorhandene Unebenheiten usw. bemerkt).
  7. man betrachte zuerst die Übel der Sinnesgelüste und entwickle das Verlangen, den Sinnesgelüsten zu entkommen, das Verlangen nach Entsagung als Mittel dem Leiden zu entkommen.
  8. man entfalte einen Glückszustand dadurch, daß man sich den Buddha, den Dhamma und den Sangha vergegenwärtigt
  9. man entfalte Ehrfurcht, indem man sich vergegenwärtigt, daß dies der Weg ist, den alle Buddhas, Paccekabuddhas und edlen Jünger gegangen sind
  10. man entfalte den Willen zur Anstrengung (ussâha), indem man sich vergegenwärtigt, daß man auf diesem Wege den Geschmack des Glückes der Abgeschiedenheit kosten wird
  11. man öffne seine Augen so, daß man die Erdscheibe gut sehen kann, aber dabei nicht ermüdet, und nehme das äußere Nimitta in sich auf
  12. dabei achte man nicht auf die Farbe und auch nicht auf die Konsistenz (Härte /Weiche)
  13. man richte seine Aufmerksamkeit auf den "Begriff" Erde. Diesen kann man sich ins Bewußtsein rufen durch einen der sprachlichen Begriffe für "Erde" (in Pali z.B: pa.thavî, mahî usw.). Also "Erde, Erde ...."
  14. man richte so die Aufmerksam mit zeitweise geöffneten, zeitweise geschlossenen Augen auf das Objekt Erde
  15. dies tue man so lange, wie das aufgenommene Bild (uggaha nimitta) nicht auftritt, hundert Mal, tausend Mal oder noch öfter
  16. das aufgenommene Bild (uggaha-nimitta) ist dann aufgetreten, wenn das Bild bei geschlossenen Augen genauso deutlich erscheint wie bei offenen Augen
  17. sobald das aufgenommene Bild (uggaha nimitta) aufgetreten ist, soll man den Ort verlassen, wo sich das äußere Nimitta (die Lehmscheibe) befindet, denn dieses wäre nur hinderlich bei der Entfaltung des aufgenommenen Bildes. Man soll sich dann in die eigene Unterkunft begeben, sich dort hinsetzen und die Übung entfalten.
  18. um zu verhindern, daß man bei einem evtl. nötigen Umzug zurück zum äußeren Nimitta schmutzige Füsse bekommt und sich dann die Füsse waschen muß, ist es empfehlenswert, Sandalen bereit zu stellen. Ebenso sollte man einen Wanderstock bereit stellen
  19. wenn aus einem ungüpnstigen Umstand das aufgenommene Bild wieder verschwindet, soll man wieder zum äußeren Nimitta zurückkehren und dort das Bild wieder in sich aufnehmen
  20. man soll mit dem aufgenommenen Bild im Aufmerksamkeitskegel bequem dasitzen und das aufgenommene Bild entfalten, indem man auf es reagiert und es mit sprachlichem Bewußtsein erwägt ("Erde, Erde....")
  21. dabei verschwinden die Hindernisse (nîvara.na)(wie Sinnesverlangen, Übelwollen, Schlaffheit und Müdigkeit, Aufgeregtheit und Gewissensunruhe, Zweifel) (s. Dhammavibhâga I.5.9. )
  22. die Befleckungen (kilesa) (wie Gier, Haß, Verblendung, Abhängigkeit vom sozialen Umfeld, falsche Ansicht ...) beruhigen sich (setzen sich)
  23. das Bewußtsein wird in der angrenzenden Sammlung (upacâra-samâdhi) gesammelt und das Gegenbild (pa.tibhâga-nimitta) entsteht:

    der Unterschied vom Gegenbild (pa.tibhâga-nimitta) und aufgenommenem Bild (uggaha nimitta) ist folgender: beim aufgenommenen Bild erscheinen noch alle Unvollkommenheiten des äußeren Kasi.na, das Gegenbild ist dagegen ist makellos und ganz klar. Das Gegenbild hat weder Farbe noch Gestalt (es ist kein Sehobjekt mehr!)

  24. von nun an ist das Bewußtsein in der angrenzenden Sammlung (upacâra-samâdhi) gefestigt:

    die angrenzende Sammlung (upacâra-samâdhi) ist eine Gesammelheit, bei der nur die Hindernisse (s.oben) verschwunden sind, die vollendete Sammlung (appanâ-samâdhi) zeigt sich in den Bestandteilen der Versenkungsstufen (jhâna-a°nga). Bei der angrenzenden Sammlung fällt man immer wieder aus der Sammlung heraus, während die vollendete Sammlung lang und beständig andauert

  25. das Gegenbild, das mit der angrenzenden Sammlung auftritt, ist gut zu behüten, d.h. man soll dafür Ungünstiges vermeiden und dafür Günstiges pflegen. Dies bezieht sich insbesondere auf sieben Punkte:
    1. Unterkunft (âvâsa m.): man probiere je drei Tage lang aus, welche Behausung günstig und welche ungünstig ist
    2. Dorf, in das man zum Almosengang geht (gocara-gâma m.)
    3. Gesprächsgegenstände (bhassa n.)
    4. Personen, mit denen man Umgang hat (puggala m.)
    5. Speise (bhojana n.): für den einen ist Süsses förderlich, für einen anderen Saures
    6. Klima (utu n.): für den einen ist Kälte, für den anderen Hitze geeignet
    7. Körperhaltung (iriyâpatha m.): Hin- und Hergehen, Sitzen, Liegen, Stehen. Man soll mit den verschiedenen Körperhaltungen je drei Tage experimentieren
  26. wenn die vollendete Sammlung nun nicht eintritt, dann soll man, um zur vollendeten Sammlung zu gelangen, folgende zehn Fertigkeiten (Geschicklichkeiten) entwickeln (appanâ-kosalla n.)
    1. Reinigung der Grundlage (vatthu-visadakiriyâ f.): d.h. man halte Körper, Kleidung und Unterkunft ordentlich und sauber
    2. Ausbalancierung folgender Fähigkeiten:
      1. Vertrauen (saddhâ f.): Funktion: Entschluß (adhimokkha m.)
      2. Energie (viriya n.): Funktion: Tatkraft (Angehen) (paggaha m.)
      3. Achtsamkeit (sati f.): Funktion: Darbieten und Fundieren (upa.t.thâna n.)
      4. Sammlung (samâdhi m.): Funktion: Unablenkbarkeit (avikkhepa m.)
      5. Einsicht (paññâ f.): Funktion: Einsehen (dassa m.)

      Besonders wichtig ist die Balance zwischen Glaube und Einsicht, und zwischen Sammlung und Energie. Starke Achtsamkeit ist auf alle Fälle nötig.

    3. Geschicklichkeit im Umgang mit dem Nimitta
    4. energische Tatkraft (paggaha m.) des Bewußtseins zur rechten Zeit: man steure Schlaffheit angemessen gegen. D.h., wenn man sich schlaff fühlt, entfalte man nicht Bewußtseinsstillung (passaddhi f.), Sammlung (samâdhi m.) und Gelassenheit (upekkhâ f.), da diese unter diesen Umständen nur noch mehr einschläfernd wirken würden. Man entfalte vielmehr distinktes Erfassen der Gesetzmäßigkeiten (dhamma-vicaya m.), Energie (viriya) und Verzückung (pîti f.)).
    5. Zurückhalten (niggaha m.) des Bewußtseins zur rechten Zeit: wenn das Bewußtsein aufgewühlt ist, dann entfalte man Bewußtseinsstillung (passaddhi f.), Sammlung (samâdhi m.) und Gelassenheit (upekkhâ f.), nicht aber distinktes Erfassen der Gesetzmäßigkeiten (dhamma-vicaya m.), Energie (viriya) und Verzückung (pîti f.).
    6. Aufmunterung (Erfreuung) (paha.msa m.) des Bewußtseins zur rechten Zeit: Wecken von Zuversicht
    7. Gelassenheit gegenüber dem Bewußtsein zur rechten Zeit: wenn das Bewußtsein sich im rechten Zustand befindet, bringt man es nicht durcheinander
    8. Vermeiden des Umgangs mit Personen, die nicht gesammelt sind
    9. Pflege des Umgangs mit Personen, die gesammelt sind
    10. Entschloßenheit zur Sammlung
  27. erster Versenkungszustand (jhâna): "Da Ihr Mönche, gewinnt ein Mönch, abgeschieden von den Sinnengenüssen, abgeschieden von karmisch unheilsamen Bewußtseinszuständen, den ersten Versenkungszustand, der mit Reflexion (innerem Sprechen) verbunden ist (Gedankendfassung und diskursivem Denken), der aus Abgeschiedenheit entstanden ist, der von Verzückung und stillem Glück begleitet ist, und verweilt in diesem Versenkungszustand."
  28. zweiter Versenkungszustand: "Nach Stillwerden der Reflexion (des inneren Sprechens) gewinnt er die innere Abklärung, die Einheit des Bewußtseins, den zweiten Versenkungszustand, der von Reflexion (innerem Sprechjen) frei ist, der aus Sammlung (samâdhi) entstanden ist, der von Verzückung und stillem Glück begleitet ist, und verweilt in diesem Versenkungszustand."
  29. dritter Versenkungszustand: "Nach deer Aufhebung der Verzückung verweilt er gelassen in Achtsamkeit und Bewußtseinsklarheit und fühlt mit sieinem Körper stilles Glück und erreicht den dritten Verenkungszustand, von dem die Edlen sagen: "Glüchklich weilt der Gelassene, der Achtsame". Und er verweilt in diesem Versenkungszustand."
  30. vierter Versenkungszustand: "Nach dem Schwinden von Glück und Leid, nach dem Untergang von früherem Frohsinn und Trübsinn, erreicht er den vierten Versenkungszustand, der ohne Leid und ohne Glück ist, der die Reinheit der Gelassenheit und Achtsamkeit ist. Und er verweilt in diesem Versenkungszustand."

Wasserkasi.na (âpo-kasi.na)


Visuddhimagga, Kap. 5, §§ 1-4

Man nehme Regenwasser oder anderes klares, ungetrübtes Wasser und fülle den Almosentopf oder einenWasserschale bis zum Rande voll. Alles Weitere entsprechend wie beim Erdkasi.na.


Feuerkasi.na (tejo-kasi.na)


Visuddhimagga, Kap. 5, §§ 5-8

Man entfache ein Feuer auf einem Holzstapel. Dann mache man in ein Tuch oder eine Matte ein Loch mit einem Durchmesser von 1.5 Spannen, hänge dieses vor sich. Weiteres analog zu oben.


Windkasi.na (vâyo-kasi.na)


Visuddhimagga, Kap. 5, §§ 9-11

Man wendet seine Aufmerksamkeit auf einen sich im Winde bewegenden Baumwipfel, Haare oder dergleichen (heutzutage kann man als Hilfsmittel auch einen leisen Ventilator nehmen), oder auf den einem an den Kopf blasenden Wind ...


Farbkasi.na


Visuddhimagga, Kap. 5, §§ 12-20

Man verendet blaue Blumen, ein blaues Tuch, oder mache eine blaue Kasi.nascheibe ..., analog bei rot, gelb, weiß.


Lichtkasi.na


Visuddhimagga, Kap. 5, §§ 21-23

Objekt: etwas Helles, z.B. Mauerloch, Fenster, Lichtfleck auf Boden ...


Begrenzter-Raum-Kasi.na


Visuddhimagga, Kap. 5, §§ 24-26

Objekt: z.B. Mauerloch, Fensteröffnung. Loch in Tuch und dergleichen mit 1.5 Spanenn Durchmesser


Macht, die man aufgrund der einzelnen Kasi.na erlangt


Visuddhimagga, Kap. 5, §§ 27-39

Wasserkasi.na -> Auf- und Untertauchen in Erde, Hervorrufen von Regen, Erzeugen von Meer usw, Erzeugen von Erdbeben

Feuerkasi.na -> Erzeugen von Feuer, glühende Kohlen regnen lassen, x-Beliebiges in Brand setzen, Licht erzeugen, beim Parinibbana eigenen Körper einäschern ...

Windkasi.na - > Forbewegung in Windeseile; Erzeugen von Stürmen und Winden usw.

...

Raumkasi.na -> Versteckte Dinge enthüllen, ins Innere von Bergen eindringen, durch Mauern schreiten ...


Zu Kapitel 5: Übrige Methoden der Ruhigwerdemeditation