Materialien zur Forstwissenschaft

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2. Das Ökosystem Wald

9. Die Wälder der Zonobiome

6. ZB VI: Winterkalte Gebiete mit laubabwerfenden Wäldern (= nemorales Zonobiom)

4.2.5. Zur Ökologie von Laub- und Mischwäldern und Nadelforsten in Mitteleuropa


von Margarete Payer

mailto: payer@hbi-stuttgart.de


Zitierweise / cite as:

Payer, Margarete <1942 -- >: Materialien zur Forstwissenschaft. -- Kapitel 2: Das Ökosystem Wald. -- 6. ZB VI: Winterkalte Gebiete mit laubabwerfenden Wäldern (= nemorales Zonobiom).  -- 4.2.5. Zur Ökologie von Laub- und Mischwäldern und Nadelforsten in Mitteleuropa --  Fassung vom 16. Dezember 1997. -- URL: http://www.payer.de/cifor/cif02081.htm. -- [Stichwort].

Letzte Überarbeitung: 16. Dezember 1997

Anlaß: Lehrveranstaltung 1997/98 an der HBI Stuttgart: Informationsnetze, Projekt CIFOR

Unterrichtsmaterialien (gemäß § 46 (1) UrhG)

©opyright: Dieser Text steht der Allgemeinheit zur Verfügung. Eine Verwertung in Publikationen, die über übliche Zitate hinausgeht, bedarf der ausdrücklichen Genehmigung der Verfasserin.


Zur Inhaltsübersicht von Margarete Payer: Materialien zur Forstwissenschaft.


Übersicht



1. Zur Ökologie von Laub- und Mischwäldern


1.1. Stockwerksbau


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Abb.: Stockwerksbau eines Mischwaldes [Quelle der Abb.: Nachtigall, Werner: Unbekannte Umwelt. -- München : Heyne, 1985 (©1979 Hoffmann und Campe). -- (Heyne Bücher ; 7264). -- ISBN 3-453-02170-3. -- S. 20]


1.2. Boden: Humusbildung


Durchschnittliche Dauer des natürlichen Abbaus der Blattstreu verschiedener Laub- und Nadelhölzer unter vergleichbaren Bedingungen (Braunerde)

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Abb.: Durchschnittliche Dauer des natürlichen Abbaus der Blattstreu verschiedener Laub- und Nadelhölzer unter vergleichbaren Bedingungen (Braunerde) (H = Herbst, W = Winter, F = Frühling, S = Sommer) [Quelle der Abb.: Slobodda, Siegfried: Pflanzengemeinschaften und ihre Umwelt. -- 2. Aufl. -- Heidelberg [u.a.] : Quelle & Meyer, 1988 (©1985 Urania).. -- ISBN 3-494-01135-4. -- S. 42]


Streuzersetzung in Mullbraunerde eines Buchenwaldes in Mitteleuropa

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1. Buchenlaubauflage auf Boden

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2. Die Buchenstreu ist von Bodentieren angenagt

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3. Streuzersetzung durch Bakterien, Pilze und Tiere

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4. Streu ist von weißen Pilzfäden durchzogen und weitgehend humifiziert

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5. Regenwürmer durchmischen Humusbestandteile und grauen Mineralhorizont

 

Lebensgemeinschaften von niederen Tieren und Pflanzen in Verbindung mit einer streufressenden Fliegenlarve (Bibio marci)

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Abb.: Lebensgemeinschaften von niederen Tieren und Pflanzen in Verbindung mit einer streufressenden Fliegenlarve (Bibio marci) in einem lichten Eichenmischwald auf Rendzina-Boden [Vorlage der Abb.: Ellenberg, Heinz <1913 - >: Vegetation Mitteleuropas mit den Alpen. -- Stuttgart : Ulmer, ©1996. -- 5., stark veränderte und verbesserte Aufl. -- ISBN 3-8252-8104-3. -- S. 294]

"Die Fliegen wandern in Schwärmen und sterben nach der Eiablage im Frühsommer. 35 - 40 Tage später schlüpfen aus den Eihaufen Larven, die sich in erster Linie von der Blattstreu (saprophag) ernähren, aber Allesfresser sind, d.h. außerdem lebende Algen, Blätter und Wurzeln (phyllophag und rhizophag), Kot (coprophag) sowie verschiedene Tiere (zoophag) verzehren. Sie tragen wesentlich zur raschen Bildung von Feinmull bei, der vorwiegend aus ihren Kotballen entsteht ...

Schon im Darmtrakt leben zahlreiche Bakterien, die auch im Kot gute Lebensbedingungen finden, zusammen mit niederen Pilzen ... Am Streuabbau beteiligen sich diese und andere Mikroorganismen ebenfalls, gemeinsam mit Protozoen usw. (links von der Streu).

Im unteren Teil der Abbildung ist die Lebensgemeinschaft im Mullhorizont der Rendzina angedeutet. Autotrophe Organismen ... spielen auf der Streu nur eine geringe Rolle, weil sie wenig Licht bekommen und oft austrocknen. Sie sind aber der Vollständigkeit halber im oberen Teil der Abbildung erwähnt." [ebd.]


1.3. Licht und Lichtausnutzung


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Abb.: Lichtschwächung im Mischwald [Quelle der Abb.: Nachtigall, Werner: Unbekannte Umwelt. -- München : Heyne, 1985 (©1979 Hoffmann und Campe). -- (Heyne Bücher ; 7264). -- ISBN 3-453-02170-3. -- S. 32]

"Ein Buchenblatt aus der äußeren Kronenschicht, auf den Waldboden gelegt, könnte nicht funktionieren, weil es vielleicht nur ein 250stel der gewohnten Lichtintensität empfangen würde. Andererseits würde ein schattenliebendes Moos, das nun gerade auf diesem Waldboden gut gedeihen kann, zugrunde gehen, fällte man die Bäume und setzte es direktem Licht aus. Die nun 250fach höhere Lichtintensität könnte es nicht tolerieren. Schon an ein und demselben Buchenbaum finden sich Unterschiede um das zehnfache und mehr, je nachdem, ob man die Süd- oder die Nordseite eines Baums betrachtet oder die Außenregion der Krone mit der Unterkante vergleicht. Die Buche reagiert auf die unterschiedlichen Lichtwerte mit der Ausbildung spezialisierter Blätter."

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Abb.: Sonnenblätter, Schattenblätter und Halbschattenblätter der Rotbuche [Quelle der Abb.: Nachtigall, Werner: Unbekannte Umwelt. -- München : Heyne, 1985 (©1979 Hoffmann und Campe). -- (Heyne Bücher ; 7264). -- ISBN 3-453-02170-3. -- S. 33]

"Bei starker Beleuchtung sind die Blätter kleiner und derber und tragen eine mehrfache Lage von Zellschichten mit Chlorophyllkörnern zwischen der oberen und unteren Abschlußschicht. Die Schattenblätter sind größer und zarter, dabei aber dünner. Die chlorophyllreichen Zellen liegen in wenigen Schichten übereinander, im Grenzfall in nur 2 bis 3 Schichten, können auch mehr Chlorophyllkörnchen enthalten. Es gibt dazu noch weitere physiologische Anpassungen.

Die Lichtverhältnisse in einem Hochwald prägen ganz entscheidend das Vegetationsbild, das heißt also die Zusammensetzung aus Licht und Schatten liebenden Pflanzen. Die Unterwuchsarten sind morphologisch und physiologisch oft auf den geringen Lichtgenuß eingestellt, den sie zu ertragen haben. So verträgt der Wiesensalbei [Salvia pratensis], eine lichtliebende Wiesenpflanze, höchstens ein Absinken auf 30% der Tageslichtstrahlung im freien Gelände. Bei 20% wächst er zwar noch, fruchtet aber nicht mehr. Ganz anders eine typische Schattenpflanze, beispielsweise die Frühlingsplatterbse [Lathyrus vernus]. Hier sind die Verhältnisse genau umgekehrt. Diese Art wächst nicht mehr gut oder gar nicht, wenn der relative Lichtgenuß größer als 30% ist. Zwischen rund 30% und 20% wächst sie optimal. Der schattenliebende Hasenlattich [Prenanthes purpurea] wächst am besten bei einem relativen Lichtgenuß von 10% bis 5%, ebenso das kleine Springkraut [Impatiens parviflora] und die Einbeere [Paris quadrifolia]. Sinkt das Angebot unter 3%, so kann der Hasenlattich zwar noch wachsen, bleibt aber steril. Bei Lichtangeboten unter 1% oder 2% kann eine Krautflora nicht mehr existieren, auch der schattenliebende Sauerklee [Oxalis acetosella] kommt dann nicht mehr hoch." [Nachtigall, Werner: Unbekannte Umwelt. -- München : Heyne, 1985 (©1979 Hoffmann und Campe). -- (Heyne Bücher ; 7264). -- ISBN 3-453-02170-3. -- S. 32 - 34]

"Wenn eine Kahlfläche (ohne Zutun des Menschen) neu besiedelt wird, so wachsen zunächst selbstredend lichtliebende Bäume, sogenannte 'Lichtholzarten', wie die Zitterpappel [Populus tremula = Espe] und die Hängebirke [Betula pendula = Weißbirke]. Sie brauchen relativ starke Beleuchtungen; unter 11% wachsen sie nicht mehr. Dies führt zu einer interessanten Konsequenz. Wird der Bestand zu dicht, so daß die Beleuchtung am Boden unter 11% des Außenlichtes sinkt, so können keine Jungpflanzen von Zitterpappel und Hängebirken mehr hochkommen. Mit der zunehmenden Entwicklung schneiden sich die Erstbesiedler also sozusagen den Lebensfaden ihrer eigenen Nachkommen ab. Nun wachsen am Waldboden nur noch Jungpflanzen von Bäumen, die stärker schattenangepaßt sind, beispielsweise die Steineiche [Quercus ilex] und die Buche [Fagus sylvatica]. Sie vertragen noch gut Lichtminima von 4% bzw. 1,6%. Die Jungbäume streben nun ans Licht, wachsen sehr rasch, überholen die Erstbesiedler, die nun im Schatten der Kronen ihrer Nachfolger nicht mehr weiter existieren können und absterben. Letztlich bleibt ein gemischter Eichen-Buchenwald übrig. Im Detail ist das Ganze noch viel weitergehender und komplexer. Man spricht von 'progressiven Sukzessionsreihen' und meint damit, daß sich in bestimmter Aufeinanderfolge immer wieder andere Arten durchsetzen. Den Lichtholzarten folgen die Schattenholzarten und so weiter." [Nachtigall, Werner: Unbekannte Umwelt. -- München : Heyne, 1985 (©1979 Hoffmann und Campe). -- (Heyne Bücher ; 7264). -- ISBN 3-453-02170-3. -- S. 34 - 35]

Man unterscheidet:

Schattenpflanzen meist weniger als 5% Lichtgenuß
Halbschattenpflanzen meist um 10% Lichtgenuß
Lichtpflanzen meist über 50% Lichtgenuß

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Abb.: Lichtverhältnisse am Waldboden im Laufe der Jahreszeiten [Quelle der Abb.: Hofmeister, Heinrich: Lebensraum Wald. -- 2., revidierte Aufl. -- Hamburg [u.a.] : Parey, ©1987. -- ISBN 3-490-16818-6. -- S. 160]

"Viel deutlicher ... ist die jahreszeitliche Änderung zu bemerken. Beträgt die sommerliche Lichtintensität am Boden eines durchschnittlichen Buchenmischwaldes rund 2%, so steigt sie im zeitigen Frühjahr auf 50% des Außenwertes. Das sagt noch nichts über die absolute Beleuchtungsstärke aus ... Es besagt nur, daß von der im Frühling herrschenden Beleuchtungsstärke über den Kronen (die kleiner ist als im Sommer) 50% bis zum Waldboden kommen. Will man den absoluten Gang der Lichtintensität auf dem Waldboden über die Jahresmonate verfolgen, so muß man sowohl den Jahresgang der Strahlungsschwankung über den Kronen als auch den wechselnden Beschattungsgrad durch die Ausbildung des Laubes in Betracht ziehen. ... Demnach wird das Lichtmaximum gegen Ende des Vorfrühlings erreicht, etwa im März, wenn die Bäume noch unbelaubt sind, die Sonne aber schon höher steht. Ein -- kleineres -- Nebenmaximum tritt im Frühherbst kurz nach dem Laubfall auf. Im Hochsommer ist das absolute Minimum erreicht; selbst im Winter ist die Beleuchtungsstärke noch mehrfach größer. Daraus ergeben sich selbstredend Konsequenzen für die Schattenflora der Waldböden." [Nachtigall, Werner: Unbekannte Umwelt. -- München : Heyne, 1985 (©1979 Hoffmann und Campe). -- (Heyne Bücher ; 7264). -- ISBN 3-453-02170-3. -- S. 35 - 37]

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Abb.: Blattfolge und Blühfolge einiger kennzeichnender Arten frischer bis feuchter Laubwälder [Quelle der Abb.: Slobodda, Siegfried: Pflanzengemeinschaften und ihre Umwelt. -- 2. Aufl. -- Heidelberg [u.a.] : Quelle & Meyer, 1988 (©1985 Urania).. -- ISBN 3-494-01135-4. -- S. 26]

"Lichtliebende Krautarten haben gar keine andere Chance als relativ früh im Jahr sich zu entwickeln und bereits dann zu blühen und zu fruchten, wenn die Bäume noch unbelaubt sind. Dies wiederum setzt voraus, daß sich ihre Triebe aus unterirdischen Reserven stark entwickeln können, die den Winter unbeschadet überdauern. [s. unten "Temperatur und Überwinterung"] So findet man gerade bei den Frühblühern eine Menge 'Erdpflanzen' [Geophyten] wie Buschwindröschen [Anemone nemorosa], Bärenlauch [Allium ursinum] und Leberblümchen [Hepatica nobilis]. In sehr kurzer zeit, im Grenzfall in wenigen tagen, werden die in den unterirdischen Reserveorganen aufgesparten energiereichen Stoffe aufgebraucht. Wenn es warm wird, überzieht sich dann der Waldboden praktisch über Nacht mit einem grünen Flor und mit weißen oder bunten Blüten. Pflanzen, die im Sommer blühen, findet man auf den Wiesen in Massen; in den Wäldern sind sie die Ausnahme, da sie mit äußerst geringen Lichtmengen auskommen müssen. ...

Nur ganz wenige krautige Pflanzen kommen mit diesen Werten [der Belichtung des Waldbodens] zurecht, sitzen sozusagen am äußersten Ende der Lebensskala für diese Formen. Die anderen können den Waldboden nur besiedeln, wenn sie früher blühen und fruchten als die Bäume ihr Laub ausbilden. Dafür verläuft der Aufbau eines Pflanzenkörpers aus Samen, die Bildung von Blättern, die Synthese von Reservestoffen und dann die Formung der Blüten, Samen und Früchte viel zu langsam. Reservestoffe müssen schon 'vorgefertigt' sein. Oberirdisch können sie aber nicht gelagert werden, da sie in strengen Wintern den Frost nicht aushalten würden. Frühblüher müssen deshalb im allgemeinen unterirdische Reservebehälter haben, in Form von Knollen, Zwiebeln, fleischigen Wurzelstöcken und anderen Hilfsorganen.

Wir haben den interessanten Komplex der interessanten Lichtabhängigkeiten bisher sozusagen global behandelt. Der Waldboden wird aber nie homogen bestrahlt. Zufällige Verteilungen und Ausbildungen der beschattenden Bäume lassen Stellen, die fast kein Licht bekommen, abwechseln mit ganz gut beleuchteten Flecken. Demgemäß wird die Bodenflora auch in einem Buchenmischwald mit relativ einheitlich erscheinender Baumbedeckung von Meter zu Meter mehr oder minder auffallende Unterschiede zeigen."

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Abb.: Verteilung der relativen Beleuchtungsstärke in einer 10 x 10 m großen Probefläche eines mäßig feuchten Buchenmischwaldes bei Hannover [Vorlage der Abb.: Ellenberg, Heinz <1913 - >: Vegetation Mitteleuropas mit den Alpen. -- Stuttgart : Ulmer, ©1996. -- 5., stark veränderte und verbesserte Aufl. -- ISBN 3-8252-8104-3. -- S. 275]

"Man sieht [in obiger Abbildung], daß bei relativen Werten von 5% bis 6% noch der Waldfrauenfarn [Stellaria holostea] wächst; den Bändern von 5% bis 6% folgen ganz gut das Flattergras [Carex silvatica] und das Maiglöckchen [Corvallaria majalis], während unterhalb von 4,5% nur noch das einblütige Perlgras [Melica uniflora] wächst, aber nicht mehr blüht und fruchtet. In diesen dunkelsten Regionen nun siedelt sich der Sauerklee [Oxalis acetosella] an. Er ist eine extreme Schattenpflanze."

[Nachtigall, Werner: Unbekannte Umwelt. -- München : Heyne, 1985 (©1979 Hoffmann und Campe). -- (Heyne Bücher ; 7264). -- ISBN 3-453-02170-3. -- S. 35 - 38]

Analoges wie für das Licht gilt für Luftbewegung, Temperatur, Feuchtigkeit sowie deren gegenseitige Verbindungen.

Ein weiterer wichtiger Lichtfaktor in Zonobiom VI sind die Schwankungen der Länge der Dunkelheit im Laufe der Jahreszeiten. Die Länge der Nacht ist bei manchen Pflanzen entscheidend für die Blüte (photoperiodische Blühregulation). Da man ursprünglich meinte, die Länge des Tageslichtes sei entscheidend, spricht man von 'Langtagpflanzen' usw. Bei einer Langtagpflanze wird das Blühen oberhalb einer kritischen Tageslänge ausgelöst, bei einer Kurztagspflanze unterhalb davon. Von relativen Langtags- bzw. Kurztagspflanzen spricht man, wenn sich die Blüte verzögert, wenn die kritische Nachtlänge nicht vorliegt.  Einige Pflanzen benötigen zum Blühen auch die Aufeinanderfolge von zwei kritischen Tageslängen. So blühen Lang-Kurztagpflanzen nur im Herbst, nicht aber im Frühling (Kurz-Langtag). Man unterscheidet:

Kurztagpflanzen

Absolute Kurztagpflanzen
Relative Kurztagpflanzen

Langtagpflanzen

Absolute Langtagpflanzen
Relative Langtagpflanzen

Tagneutrale Pflanzen

 

1.4. Temperatur und Überwinterung


Da in Zonobiom VI langanhaltende Winterfröste die Regel sind, müssen die Pflanzen Strategien entwickeln, die Winterkälte und Wintertrockenheit (gefrorener Boden!) zu überleben. Dies geschieht in Form verschiedener Überwinterungsorgane, durch Schutzeinrichtungen wie besonders Knospenschuppen, durch bestimmte Wuchsformen und Schneebedeckung.

Nach der Lage der Überwinterungsorgane zur Erdoberfläche unterscheidet man im Anschluß an Raunkiaer verschiedene Lebensformen. Als Lebensform bezeichnet man die Zusammenfassung von Pflanzen, die gleichartige Anpassungserscheinungen an ihre Umwelt aufweisen.

Lebensformen nach Raunkiaer:

Lebensform

Untereinteilungen und Zugehörigkeiten

Phanerophyt (Luftpflanze):  : Überwinterung durch Erneuerungsknospen [Tropenpflanzen bilden im allgemeinen keine Knospen!]. Diese liegen höher als 50 cm über dem Boden, deshalb sind sie der Kälte besonders ausgesetzt. Anpaßungseinrichtungen: Blattfall, Knospenschutz, besondere Blattstrukturen (Hartblatt, Nadelblatt, Rollblatt) Megaphanerophyten: Bäume
Nanophanerophyten: Hochsträucher
Chamaephyt (Zwergpflanze):   Überwinterung durch Erneuerungsknospen. Diese liegen ca. 10 bis 50 cm über dem Boden. Schutzeinrichtungen: dichter Wuchs, geringe Höhe (deswegen Schneebedeckung) Halbsträucher
Zwergsträucher
Polsterpflanzen
Blattsukkulenten
Hemikryptophyt (Oberflächenpflanze): Die oberirdischen Pflanzenteile sterben im Herbst ab. Die Überdauerungsorgane liegen unmittelbar oberhalb der Erdoberfläche und werden durch alte Blattscheiden, Streu und schon geringe Schneedecken geschützt Horstpflanzen: viele Gräser
Rosettenpflanzen
Schaftpflanzen
Stauden mit oberirdischen Ausläufern
Klimmstauden
Kryptophyt: Erneuerungsporgane liegen unter der Erdoberfläche. Geophyt (Bodenpflanze): die Überwinterungsorgane liegen im Boden. Die gespeicherten Reservestoffe ermöglichen den Pflanzen, in kurzer Zeit vor Belaubung der Bäume und Sträucher ihre Blätter und Blüten zu entwickeln.
  Rhizomgeophyt: Speicherungsorgan: Rhizom

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(Salomonsiegel)

 

(Wurzel-)Knollengeophyt

 

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(Knabenkraut)

Sproßknollengeophyt

 

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(Kartoffel)

Zwiebelgeophyt

 

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(Küchenzwiebel)

Rübengeophyt

 

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(Zuckerrübe)

Helophyt (Sumpfpflanze)
Hydrophyt (Wasserpflanze) Wasserschwimmer
Wasserwurzler
Therophyt: Überwinterung in Form von Samen. Die junge Pflanze muß im Frühjahr und Sommer die zum Blühen und Fruchten nötigen Stoffe selbst aufbauen. Deshalb sind einjährige Pflanzen an nährstoffreiche Standorte gebunden einjährige Pflanzen u.a.

[Vorlage der Abb.: Fachlexikon ABC Biologie. -- 6., überarbeitete und erweiterte Aufl. -- Thun [u.a.] : Deutsch, ©1986. -- ISBN 3-87144-833-4. -- S.502]

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Abb.: Lebensformen nach Art der Überwinterungsorgane mitteleuropäischer Pflanzen nach Raunkiaer [Vorlage der Abb.: Fachlexikon ABC Biologie. -- 6., überarbeitete und erweiterte Aufl. -- Thun [u.a.] : Deutsch, ©1986. -- ISBN 3-87144-833-4. -- S.502]

Legende:

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Abb.: Überwinterungsformen (Lebensformen) von Waldpflanzen [Quelle der Abb.: Hofmeister, Heinrich: Lebensraum Wald. -- 2., revidierte Aufl. -- Hamburg [u.a.] : Parey, ©1987. -- ISBN 3-490-16818-6. -- S. 152]

Manche Pflanzen (Frühlingsblüher) brauchen zur Blüte, daß die Einwirkung tiefer Temperaturen vorausgeht (Vernalisation).


1.5. Wasserhaushalt


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Abb.: Wasserhaushalt in einem Laubwald und auf Ackerland [Quelle der Abb.: Slobodda, Siegfried: Pflanzengemeinschaften und ihre Umwelt. -- 2. Aufl. -- Heidelberg [u.a.] : Quelle & Meyer, 1988 (©1985 Urania).. -- ISBN 3-494-01135-4. -- S. 19]

"Kein anderes Ökosystem verdunstet, bezogen auf die Flächeneinheit, so viel Wasser wie ein kräftiger Laub-Mischwald. ... Nur verändert das 'Fließgleichgewicht' die Wasserführung der obersten Bodenschichten. So zeigten Beobachtungen des Grundwasserspiegels eines Buchenbestandes einen typischen Jahresgang mit besonders starkem Absinken in den Sommermonaten. Nach Kahlschlag war der Grundwasserspiegel deutlich gestiegen und zeigte nicht mehr die starke Abhängigkeit von der Jahreszeit. Lag er im Sommer beim Buchenwald um 2m, so erreichte er bei der Kahlfläche einen Stand von rund 1m. Durch die Transpiration der Bäume werden die obersten Bodenschichten zwar etwas wasserärmer; sie können nun aber besonders gut ihren 'Schwammeffekt' zum Tragen kommen lassen. Einen plötzlich einströmenden Wolkenbruch nehmen sie praktisch quantitativ auf. Erst mit großer Verzögerung wird die überschüssige Feuchtigkeit als Sickerwasser abgegeben, verschwindet im Grundwasser oder wird mit der Transpiration in die Luft geschickt. Ein weiterer Effekt kommt dazu: Das Wasser wird verändert, von Staub und Schadstoffen befreit, durch den Waldboden sozusagen gefiltert und gereinigt. Von der physikalischen Konsistenz her ist der Waldboden dazu besonders gut geeignet, weil er grobporiger ist als beispielsweise Wiesenboden, von dem das Wasser oberflächlich abfließt und dabei zerstörerische Erosionswirkung aufweisen kann. ... Bei gleichen geologischen und landschaftlichen Gegebenheiten ist der Wasserabfluß von Weideland deutlich größer als von einem benachbarten Waldbestand. Außerdem folgt er jeder kleinen Niederschlagsänderung getreulich, während diese feinen Spitzen vom Wald 'abgepuffert' werden, in der Kapazitätsreserve verschwinden und somit nicht in Erscheinung treten. Verschiedene Waldtypen sind nun allerdings in unterschiedlicher Weise zu einem solch günstigen Wasserhaushalt befähigt. Außerdem hängt das 'Regen-Rückhaltevermögen' sehr deutlich von der Regenhöhe ab. Ein schwacher Schauer kommt gar nicht erst zum Boden. Er bleibt in den Kronen hängen und verdunstet wieder. Je stärker der Regenguß ist, desto mehr Wasser kann -- relativ gesehen -- aufgespeichert werden. Es verschiebt sich dann nämlich der Anteil der in den Kronen zurückgehaltenen Flüssigkeit zugunsten der durch die Kronen auf den Boden tropfenden. Beim Fichtenwald ist das bis zu hohen Niederschlagsmengen besonders deutlich ausgeprägt. Beim Buchenwald dagegen ändern sich die Relationen schon ab Regenhöhen von einigen Millimetern nicht mehr stark. Es tropft hier das meiste auf den Boden und wird aufgesogen. Interessant ist auch, daß der Anteil des an den Stämmen herablaufenden Wassers im Buchenwald sehr viel größer ist als im Fichtenwald. Demnach ist bei einem schwachen Regen der Buchenbestand viel besser zur Wasserspeicherung befähigt als der Fichtenbestand. Je größer die Niederschlagsmenge wird, desto weniger fallen die Unterschiede allerdings ins Gewicht." [Nachtigall, Werner: Unbekannte Umwelt. -- München : Heyne, 1985 (©1979 Hoffmann und Campe). -- (Heyne Bücher ; 7264). -- ISBN 3-453-02170-3. -- S. 27 - 30]


1.6. Beziehungen in der Lebensgemeinschaft Wald


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Abb.: Querbeziehungen in der Lebensgemeinschaft Wald (Beispiele) [Quelle der Abb.: Nachtigall, Werner: Unbekannte Umwelt. -- München : Heyne, 1985 (©1979 Hoffmann und Campe). -- (Heyne Bücher ; 7264). -- ISBN 3-453-02170-3. -- S. 145]

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Abb.: Verteilung häufiger bodenbewohnender Mücken- und Fliegenlarven im sechsjährigen Stumpf einer Buche [Quelle der Abb.: Walter ; Breckle, Bd. 3, S. 101]


2. Zur Ökologie von Nadelholzforsten


In Deutschland nehmen heute Gemeine Fichte und Waldkiefer mehr als drei Viertel der Waldfläche ein.


2.1. Entwicklungsetappen eines Nadelholzforstes


S. Slobodda schildert anschaulich die Entwicklungsetappen eines durch Förster begründeten Nadelholzwaldes:

"Beginnen wir mit dem Ausgangsstadium, der Freifläche. Sie entsteht durch großräumigen, heute bereits mechanisiert betriebenen Einschlag des ehemaligen Waldbestandes. In der Regel erfolgt bald nach dem Abtransport des Nutzholzes, der Beseitigung von Astwerk und dem Stubbenroden eine Herbizidbehandlung, um das Aufkommen einer Schlagflur zu verhindern. Wenn der Waldboden freiliegt, wird er natürlich von der Sonnenstrahlung stärker als vorher beeinflußt. Tagsüber erwärmt sich die Humusdecke stärker, verliert an Feuchtigkeit, und es tritt eine rasche Zersetzung der Humusstoffe ein. In klaren 'Strahlungsnächten' lagert sich dagegen die Kaltluft über der gegenüber dem Wald tiefer liegenden Oberfläche wie in einem Becken, so daß in Kahlschlagflächen die Fröste eher einsetzen als im geschlossenen, geschützten Wald.

Unter den Bedingungen höherer Lichteinstrahlung, verfügbarer Stickstoffvorräte und schärferer Temperaturgegensätze stellen sich bald bestimmte Hochstauden, Gräser und Sträucher ein. Sie zehren einige Jahre vom Nährstoffvorrat und formieren sich zu einer zeitweiligen Schlagflurgesellschaft. Dadurch wird natürlich den angepflanzten jungen Nadelhölzern das Aufkommen sehr erschwert. Zu den sogenannten Forstunkräutern zählen vor allem das Landreitgras (Calamagrostis epigejos), Schmalblättriges Weideröschen (Epilobium angustifolium), Waldgreiskraut (Senecio sylvaticus), Fuchssches Greiskraut (Senecio fuchsii), Himbeere (Rubus idaeus) und Brombeere (Rubus fructicosus coll.). Letztere treffen wir häufiger auf primär nährstoffreichen Böden an. Auf ärmeren Sanden breiten sich niedrigere Gräser aus, wie Schlängel- oder Drahtschmiele (Deschampsia flexuosa), Rotstraußgras (Agrostis tenuis) oder gar das Borstgras (Nardus stricta). Aus den Mittelgebirgen sind uns die Bestände des Roten Fingerhutes (Digitalis purpurea) wohlbekannt, die dort gemeinsam mit dem Weidenröschen aber auch mit der Schwarzen Königskerze (Verbascum nigrum) zum unverkennbar bunten Bild der freien Waldhänge gehören.

Nach einigen Jahren haben sich die jungen Nadelholzbestände zur Dickung weiterentwickelt. Nun gelingt es den jungen Fichten, mit ihren breiten Zweigen den Boden zu bedecken und damit die Schlagflurvegetation allmählich niederzuhalten. Bei Kiefern dauert dies etwas länger. Wird die Pflanzung zu diesem Zeitpunkt vernachlässigt, dann können die jungen Kiefern oder Fichten von raschwüchsigen Vorwaldgehölzen im Wachstum überholt werden, z.B. von Birken, Salweiden oder auf nährstoffreicheren Standorten auch vom Schwarzen Holunder.

Wenn die aufgeforstete Fläche, bis dahin zumeist als 'Schonung' eingezäunt, das Stangenholzalter erreicht hat, sind die Stämme schon etwa 10 m hoch. Nun werden zu schwach gewachsene Jungbäume, die im Kampf um Licht und Raumentfaltung zurückgeblieben sind, entfernt. Zu dieser Zeit beginnt sich auf dem freier werdenden beschatteten Boden eine neue Kraut- und Moosflora auszubreiten.

Mit gleichaltrigen Gehölzen meist nur einer Art, Kräutern und Moosen formiert sich nun wieder ein Wald, der bis zur Schlagreife der Bäume bestehen bleibt." [Slobodda, Siegfried: Pflanzengemeinschaften und ihre Umwelt. -- 2. Aufl. -- Heidelberg [u.a.] : Quelle & Meyer, 1988 (©1985 Urania).. -- ISBN 3-494-01135-4. -- S. 50]

"Langjährige, gründliche Beobachtungen in den weiten, naturbedingten Nadelwaldgebieten der Sowjetunion haben ergeben, daß z.B. auch nach flächenhaften Waldbränden analoge Vegetationsabfolgen (Schlagflur, Jungholz, Vorwald) dem vollentwickelten Nadelwald vorausgehen. Erst ein mindesten 50jähriger Kiefernwald enthält wieder das volle Artenspektrum." [ebd., S. 51]


2.2. Wurzelschichtung und Bodenprofil


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Abb.: Wurzelschichtung und Bodenprofil eines Heidekraut-Blaubeeren Kiefernforstes auf Bleicherde (Humus-Eisen-Podsol) [Quelle der Abb.: Slobodda, Siegfried: Pflanzengemeinschaften und ihre Umwelt. -- 2. Aufl. -- Heidelberg [u.a.] : Quelle & Meyer, 1988 (©1985 Urania).. -- ISBN 3-494-01135-4. -- S. 53]

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