Dharmashastra : Einführung und Überblick

2a. Georg Bühler / von Julius Jolly


herausgegeben von Alois Payer

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Zitierweise / cite as:

Payer, Alois <1944 - >: Dharmashastra : Einführung und Überblick. -- 2a. Georg Bühler / von Julius Jolly. -- Fassung vom 2003-11-10. -- URL: http://www.payer.de/dharmashastra/dharmash02a.htm -- [Stichwort].

Erstmals publiziert: 2003-11-10

Überarbeitungen:

Anlass: Lehrveranstaltung 2003/04

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Payer, Alois <1944 - >: Dharmashastra : Einführung und Übersicht. -- http://www.payer.de/dharmashastra/dharmash00.htm

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Quelle:

Jolly, Julius <1849 - 1932>: Georg Bühler 1837 - 1898. -- Strassburg : Trübner, 1899. -- 23 S. -- (Grundriss der Indo-Arischen Philologie und Altertumskunde ; 1. Band, 1. Heft, A)

Hier wiedergegeben ohne die Fußnoten und das Schriftenverzeichnis



Abb.: Georg Bühler <1837 - 1896>

GEORG BÜHLER.
1837—1898.

von

Julius Jolly

Der erschütternde Unglücksfall, welcher Hofrat BÜHLER am 8. April 1898 mitten im frischesten Schaffen der Wissenschaft und seinen Angehörigen und Freunden entriss, hat auch den »Grundriss der indo-arischen Philologie und Altertumskunde« seines Begründers und Herausgebers beraubt Wenn im Nachstehenden der Versuch unternommen werden soll, den Lesern des »Grundrisses« die wissenschaftliche Thätigkeit und Persönlichkeit des berühmten Sanskritisten zu skizziren, so muss dies bei seiner so weit verzweigten, nach vielen Richtungen hin epochemachenden Wirksamkeit als ein Wagnis bezeichnet werden, das nur in dem Fehlen eigener späterer Aufzeichnungen BÜHLER's seine Entschuldigung findet Für die Jugendzeit und die Zeit seines Aufenthalts in Indien (1863 bis 1880) liegt eine bis 1878 reichende vortreffliche »Vita« vor, die er in jenem Jahre auf Anregung seines Schwagers Pfarrer FRICK in Zürich für die Familie seiner Braut und späteren Gattin schrieb. Ich lasse diese Selbstbiographie, die mir von dem genannten Herrn gütigst zur Verfügung gestellt wurde, zunächst folgen, mit wenigen Kürzungen (fast nur an bibliographischen Stellen) und einigen ergänzenden Anmerkungen, zu denen das Material besonders aus den mir von NÖLDEKE freundlichst anvertrauten interessanten Briefen BÜHLER's an ihn aus Indien entnommen wurde.

„GEORG (Joh.) BÜHLER, Sohn des Pastors JOHANN G. BÜHLER, geboren zu Borstel bei Nienburg, Prov. Hannover, am 19. Juli 1837, besuchte, durch Privatunterricht vorgebildet, die Obersecunda und Prima des städtischen Gymnasiums zu Hannover von Ostern 1852—1855, wo H. L. AHRENS, der Verfasser des berühmten Werkes über die griechischen Dialekte, und der bekannte Grammatiker R. KÜHNER den Unterricht in den classischen Sprachen erteilten. Ostern 1855 mit dem Zeugnis der Reife entlassen, wurde er in Göttingen als stud. theol. und phil. immatriculirt und studirte klassische Philologie unter K. F. HERRMANN, F. SCHNEIDEWIN, E. v. LEUTSCH, H. SAUPPE und E. CURTIUS, Sanskrit und Zend unter TH. BENFEY, deutsche Philologie unter LEO MEYER, Persisch und Armenisch unter H. v. EWALD, Arabisch unter WÜSTENFELD, Archäologie unter F. WlESELER und Philosophie unter H. LOTZE, und wurde Mitglied des philologischen sowie des archäologischen und später des pädagogischen Seminars. Im Sommersemester 1858 promovierte er in den orientalischen Sprachen und Archäologie, während seine Dissertation aus dem Gebiete der griechischen Grammatik das Suffix -tês behandelte. Im Herbste desselben Jahres ging er nach Paris, um die Sanskrit-Handschriften der dortigen Bibliothek zu benutzen, und Mitte 1859 zu gleichem Zwecke nach London. Der Aufenthalt in England dauerte bis Oktober 1862. Diese Zeit wurde hauptsächlich zum Studium der Vedischen MSS. des India Office und der Bodleian Library Oxford sowie der vergleichenden Mythologie benutzt, wobei der anregende Umgang mit MAX MÜLLER, TH. GOLDSTÜCKER, C. LOTTNER und WHITLEY STOKES von nicht geringem Werte war. Dabei fungierte B. zuerst als Privatlehrer und später (seit Mai 1861) als Assistent des Bibliothekars der Königin in Windsor Castle. Litterarisch war er als Mitarbeiter an BENFEY's Zeitschrift »Orient und Occident« beschäftigt und las auch einige Vorträge vor der Philological Society of London. Gegen Ende 1862 wurde B. zum Assistenten der Universitäts-Bibliothek zu Göttingen ernannt und siedelte im Oktober dahin über. Dort mit den Vorbereitungen zu seiner Habilitation beschäftigt, erhielt er schon im November durch Prof. M. MÜLLER's Vermittelung das Anerbieten als Anglo-Sanskrit Professor an das Sanskrit College Benares zu gehen. Ehe die Unterhandlungen über diese Stelle zu Ende geführt werden konnten, kam gleichfalls durch Prof. M. MÜLLER Ende Dezember eine Aufforderung vom Director of Public Instruction die Stelle eines Professor of Oriental Languages am Elphinstone College in Bombay zu übernehmen. Diesem Rufe leistete B. sofort Folge und traf schon am 10. Februar 1863 in Bombay ein. Da die Stelle für orientalische Sprachen erst neu creirt wurde, so war zunächst mit der Organisation des Unterrichts, der Beschaffung einer Bibliothek und von den nötigsten Handschriften viel zu thun. Neben diesen Arbeiten und den Vorlesungen über Sanskrit, Prakrit und Sprachvergleichung war auch ein Teil des Lateinischen zu übernehmen. Im nächsten Jahre wurde B. zum Fellow of the Bombay University und Mitglied des Bombay Branch Roy. As. Society ernannt. An der Universität hatte er als Examinator im Sanskrit, Lateinischen und Griechischen zu wirken, und vor der Asiat. Gesellsch. hielt er mehrere Vorträge. Anfang 1864 wurde er mit R. WEST, damals Register des Bombay High Court, durch den damaligen Gouverneur Sir Bartle Frere dazu ausersehen, einen Digest of Hindu Law cases nebst einer Darstellung des indischen in der Bombay-Präsidentschaft gültigen Rechtes zu verfassen, welcher den niederen Gerichtshöfen die gerade abgeschafften rechtskundigen Pandits ersetzen sollte. Mitte desselben Jahres wurde ihm auch auf Empfehlung des neuen Dir. of Publ. Instr. Sir A. Grant die Professur der alten Geschichte am Elphinstone College als Nebenamt übertragen. Die nächsten beiden Jahre waren der Durcharbeitung des Indischen Rechts und der Sammlung der darauf bezüglichen handschriftlichen Litteratur und der Veröffentlichung kleinerer Arbeiten aus diesem Gebiete und dem der Sprachwissenschaft im »Orient und Occident«, Journal Royal Asiat. Society und Madras Literary Society gewidmet. Die Arbeit wurde durch schwere, wiederholte Fieberanfälle verzögert, welche grosse Schwäche und Nervenleiden zur Folge hatten, und welche B. zwangen, bei Prof. HAUG's Abgange vom Dekhan College in Puna 1866 zeitweilig die dortige Professur des Sanskrit zu übernehmen. Der erste Band des Digest of Hindu Law, das Erbrecht behandelnd, erschien deshalb erst Anfang 1867. Noch ehe dieses Werk erschien, erhielt B. von dem Gouverneur, Sir B. FRERE, die Erlaubnis, das südliche Marathen-Land und das nördliche Kanara bereisen zu dürfen, um die dortigen Brahmanischen Bibliotheken zu untersuchen und womöglich grössere Ankäufe von MSS. seltener Werke zu machen. Diese Reise führte B. in Begleitung des Dir. of Publ. Instr. während der Monate November, Dezember und Januar 1866 - 67 aus. Die Ausbeute an MSS. belief sich auf mehr als 200, und unter diesen fanden sich manche Novitäten und seltene Werke, besonders auf dem Gebiete der Vedischen Litteratur und der Grammatik. Nach Beendigung seiner Reise kehrte B. in seine alte Stellung als Professor der Orientalischen Sprachen und der alten Geschichte an das Elphinstone College zurück und verblieb daselbst bis Ende 1868. Während dieses Zeitraumes publicierte er in der von ihm und Dr. F. KIELHORN, Superintendent of Sanskrit Studies am Dekhan College Puna, gegründeten Bombay Sanskrit Series zwei Nummern. Dieses Unternehmen wurde angefangen, um den jungen indischen Gelehrten Gelegenheit zu geben die Methode der kritischen Textedirung zu erlernen und für die Bombay-Colleges billige und brauchbare Textbücher zu schaffen. Bis 1878 sind etwa zwanzig Bändchen erschienen und haben sich ausser den beiden Begründern SHANKAR P. PANDIT, Professor RAMKRISHKA G. BHANDARKAR, KASINâTH T. TELANG,ABAJI V. KATHAVATE, alle Schüler des Elphinstone und Dekhan College, daran beteiligt. Im Jahre 1868 veröffentlichte B. auch eine kritische Ausgabe des Textes des Apastambiya Dharmasutra für die Bombay-Regierung und einige Sanskrit-Schulbücher für das Dept. of Public Instruction. Im Dezember 1868 wurde B. zum Acting (oder kommissarischen) Educational Inspector des nördlichen Teils der Präsidentschaft Bombay ernannt. Zugleich wurde er [mit Prof. KIELHORN] von der indischen Regierung, welche um diese Zeit ihre Aufmerksamkeit der Erforschung der alten Bibliotheken in Indien mehr zuzuwenden begann, beauftragt, diese Arbeit für den Westen Indiens zu übernehmen. Die Zeit der Inspektionsreisen während des Winters 1868 - 69 wurde dazu verwendet in allen grösseren Städten der Provinz mit den gelehrten Brahmanen und Besitzern von Bibliotheken Bekanntschaft zu machen und Agenten zu werben, welche die Bibliotheken aufspüren und Kataloge derselben anfertigen sollten. Es stellte sich bald heraus, dass der Reichtum an Bibliotheken und Büchern ein ungeheurer war und dass besonders die den Buddhisten sehr ähnliche Sekte der Jainas ganz ungeahnte Schätze an MSS. besass. So fanden sich in Khambay in zwei Jaina-Bibliotheken über 30000 Handschriften, von denen viele aus dem 12. und 13. Jahrhunderte stammten. Die Resultate der Nachforschungen waren so gut, dass nach dem ersten Jahre über 200 alte, meist sehr schöne MSS. gekauft und Kataloge angefertigt waren, welche für die Brahmanische Litteratur allein gegen 14000 Titel enthielten. Im Frühling 1869 erschien der zweite Teil des Digest of Hindu Law Cases, die Teilung des Vermögens einer vereinigten Familie nebst Exkursen über das Erbrecht der Frauen enthaltend. Im übrigen verhinderten die amtlichen Geschäfte, welche durch die Vorbereitungen des neuen Dir. of Publ. Instr. zu einer durchgreifenden Reform des Primär- und Sekundär-Schulwesens sehr vermehrt wurden, sowie ein schwerer Unfall "die Publikation weiterer wissenschaftlicher Arbeiten. Im Dezember 1869 wurde B. infolge seines Unfalls auf ein Jahr auf Kranken-Urlaub nach Europa geschickt, wo die Herstellung seiner Gesundheit ihm so viel zu schaffen machte, dass an Arbeiten nicht zu denken war. Schon ehe der Urlaub zu Ende war, kehrte er [im November 1870] nach Indien zurück, um die Stelle des Educational Inspector N. D. zu übernehmen, [die ihm im Mai 1872 definitiv übertragen wurde]. Während der nächsten Jahre hatte er sich hauptsächlich der angefangenen Reorganisation des Schulwesens zu widmen. Die Zahl der Schulen wurde im Laufe der nächsten sechs Jahre von ca. 800 auf ca. 1600 vermehrt, durch eine Verstärkung der Seminarien für eine bessere und allgemeinere Ausbildung der Lehrer gesorgt, neue Normalpläne für den Unterricht eingeführt und die Schulen sorgfältig klassifiziert, sowie für eine eingehende jährliche Inspektion aller Institute gesorgt. Zugleich wurden die Gehälter der Lehrer in den Sekundärschulen bedeutend erhöht und den Lehrern der Primärschulen Gelegenheit gegeben durch besonders gute Leistungen jährliche Zulagen zu verdienen. Obgleich die Immediat-Inspektion der Sekundärschulen und Seminarien, die allgemeine Beaufsichtigung der Arbeit der Kreisinspektoren in den Primärschulen, sowie die allgemeinen Verwaltungsarbeiten viel Zeit in Anspruch nahmen, so gelang es B. doch im Jahre 1871 einen zweiten Teil seiner Ausgabe der Aphorisms des Apastamba on the sacred Law, Auszüge aus dem Sanskrit-Kommentar und einen Index enthaltend, sowie das erste Heft des Catalogue of Sanskrit MSS. from Gujarat zu veröffentlichen. Im Jahre 1872 und 1873 erschienen drei weitere Hefte des Katalogs und ein Bändchen in der Sanskrit-Series, No. X, die erste Hälfte einer Ausgabe des Dasakumaracharita von Dandin mit kritischen und erklärenden Noten enthaltend. Zugleich begann im Jahre 1872 die Herausgabe des Indian Antiquary, einer neuen Zeitschrift für indisches Altertum, durch J. BURGESS in Bombay, an welcher Dr. B. sich lebhaft beteiligte, während der ersten zwei Jahre mit Artikeln über die von ihm neu aufgefundenen Sanskrit-Werke und später mit der Veröffentlichung von Inschriften, welche von ihm in Gujarat aufgefunden wurden. Neben diesen Arbeiten ging die Sammlung von MSS. für die indische Regierung weiter und wurden 1870/71 68 MSS., 1871/72 über 200 MSS., 1872/73 420 MSS., 1873/74 280 MSS., 1874/75 56 MSS. und 1875 - 77 839 MSS. angekauft. Die Käufe im Jahre 1873/74 wurden im westlichen Räaputana gemacht, wohin B. zur Erforschung der alten Bibliotheken in Jodhpur, Jesalmer, Bikaner und Bhatner von der indischen Regierung gesendet wurde. Die grosse Bibliothek der Jainas in Jesalmer gab die unerwartetsten Resultate und zeigte nicht bloss, dass es indische MSS. von einem Alter von mehr als 800 Jahren giebt, sondern lieferte auch zwei wirklich historische Gedichte, von denen eines, das Vikramankacharita, im Jahre 1875 nebst Analyse herausgegeben wurde, Bo. Sanskr. Series No. XIII. Die Sammlungen der Jahre 1875 - 77 stammen aus Kasmir, dem östlichen Rajputana und Central-Indien, wo B. vom Juli 1875 bis Februar 1876 eine längere Tour auf Befehl der indischen Regierung machte. Diese Tour in Kasmir wurde in einem Separat-Hefte des Journal Bombay Br. R. As. Soc. Bombay 1877 beschrieben. Die Ausbeute bestand vornehmlich in einer grossen Anzahl von unbekannten Brahmanischen Werken aus Kasmir und einer beinahe vollständigen Sammlung der heiligen Litteratur der Digambara (oder nacktgehenden) Jainas. Neben den Ankäufen für die indische Regierung besorgte B. auch, mit besonderer Erlaubnis der letzteren, grössere Sammlungen von MSS. für die Berliner, Cambridger und Oxforder Bibliotheken und liess es sich angelegen sein die gesammelten Schätze seinen Kollegen zugänglich zu machen, wobei die bekannte Liberalität der englischen Regierung im Versenden ihrer MSS. ihm zur Seite stand. Im Jahre 1877 ging er wieder auf Urlaub nach Europa und gab 1878 eine Ausgabe der Paiyalachchhi, des ältesten Prakrit-Wörterbuches, nebst Glossar und Übersetzung (Göttingen 1878) heraus. Auch übernahm er die Übersetzung des Apastamba Dharmasutra und anderer alter Werke über indisches Recht für Prof. MAX MÜLLER's Sammelwerk, The Sacred Books of the East".

So weit die »Vita« von 1878. Nach Ablauf seiner Urlaubszeit, in der er sich in der Schweiz verheiratet hatte, kehrte B. mit seiner jugendlichen Gattin nach Indien zurück, wo er am 27. Mai 1879 seine Thätigkeit als Educational Inspector wieder aufnahm, aber schon im darauffolgenden Jahre, als heftige Vorboten eines Leberleidens auftraten, auf ärztlichen Rat zu dem Entschluss gelangte, um seine Pensionirung einzukommen. Die Verbindung anstrengender amtlicher Verpflichtungen mit einer umfassenden wissenschaftlichen Thätigkeit war allmählich selbst für seine kräftige Konstitution und erstaunliche Arbeitskraft zu viel geworden. Der Abschied mit Pension wurde ihm bewilligt, und es traf sich günstig, dass gerade um diese Zeit an der Wiener Universität ein Lehrstuhl für indische Philologie und Altertumskunde errichtet wurde. B. wurde von der österreichischen Regierung für diese Professur gewonnen; am 18. September 1880 verliess er Indien, brachte den Winter 1880/81 an der Riviera zu, um sich in Europa wieder zu akklimatisiren, und trat im Sommersemester 1881 sein neues Lehramt in Wien an.

Volle 17 Jahre hat BÜHLER in Wien gewirkt, ungefähr ebensolange, als er in Indien thätig gewesen war. In Wien konnte er sich nun ungehindert durch die Fesseln einer heterogenen Amtsthätigkeit ganz der wissenschaftlichen Forschung widmen und die in Indien gesammelten Materialien, Erfahrungen und Eindrücke in voller Müsse verarbeiten. Die Lehrverpflichtungen an einer deutschen Hochschule und auf seinem eigensten Arbeitsgebiet konnten die Kraft des rüstigen Vierzigers, der sich von den Wirkungen des indischen Klimas wieder vollständig erholt hatte, nicht übermässig in Anspruch nehmen, so eifrig er sich einer weitausgedehnten Lehrthätigkeit von Anfang an widmete. Schon von Mentone aus im Januar 1881 kündigt er NÖLDEKE seine Absicht an, einen Cyklus von Vorlesungen auszuarbeiten, der sich über die meisten Fächer der indischen Litteraturgeschichte und des sozialen Lebens erstrecken sollte. Für die Anfänger im Sanskrit verfasste er zum Wintersemester 1881/82 den anfangs nur als Manuskript gedruckten »Leitfaden für den Elementarkursus des Sanskrit« (Wien 1883), seinen »Sanskrit-Ollendorff«, der die von ihm in Indien erprobte praktische Methode in den deutschen Universitätsunterricht einführte und als »Sanskrit-Primer« auch ins Englische übersetzt wurde. Mit ganz geringen Erwartungen betreffs der Grosse seines Auditoriums war B. nach Wien gegangen, es gelang ihm aber bald, ein sehr stattliches Kolleg zusammenzubringen. So war ich überrascht, als er mir im Sommersemester 1882 in einer Vorlesung zu hospitiren gestattete, darin wohl ein halbes Hundert eifriger Zuhörer vorzufinden, die sämtlich schon die Anfangsgründe des Sanskrit hinter sich gebracht haben mussten, da sie Nala und Damayanti geläufig zu interpretiren vermochten. Auch Leute in reiferen Jahren, Gymnasialprofessoren, absolvirte Juristen, Priester, Offiziere, ein Buchhändler und ein Buchdrucker, mehrere Universitätskollegen, auch eine Kollegin befanden sich, wie er an NÖLDEKE schreibt, zeitweise unter seinen Zuhörern. Nach und nach bildete er auch eine Anzahl von Specialschülern heran, die als Indologen in verschiedenen Ländern thätig sind oder waren; ich nenne BLOCK, CARTELLIERI, DAHLMANN, FÜHRER, HABERLAND, HULTZSCH, KIRSTE, L. VON MANKOWSKI, MORISON, SCHÖNBERG, FEODOR VON SCHTSCHERBATSKOI, WINTERNITZ. Manche von den Genannten kamen allerdings schon wohlvorbereitet oder nach Absolvirung ihres eigentlichen Universitätsstudiums zu B. Seine Vorlesungen umfassten nach den gedruckten Verzeichnissen ausser dem Elementarkursus des Sanskrit, den er jedes Jahr in zwei Teilen las: indisches Recht, besonders Familien-und Erbrecht, mit oder ohne Erklärung der Mitaksara (achtmal); indische Geschichte (zweimal); Geschichte des westlichen Indiens (einmal); sociale und politische Verfassung der Inder (einmal); indische Religionsgeschichte (zweimal); altindische Kunst (zweimal); Geschichte der indischen Schrift (einmal); indische Paläographie (sechsmal); indische Epigraphik, Asoka-Inschriften (elfmal); epigraphisch-historische Übungen, Interpretation von Geschichtsquellen (achtmal); indische Fabellitteratur und Pancatantra (siebenmal); Dasakumâracarita (zweimal); Sriharsacarita (zweimal); Gaudavaho (einmal); Kadambari (zweimal); Kiratarjuniya (einmal); Kumarasambhava (einmal); Raghuvamsa (dreimal); indisches Drama nebst Erklärung von Sakuntalä (einmal), Malavikagnimitra (dreimal), Vikramorvasi (zweimal), Malatimadhava (einmal); Erklärung philosophischer Werke: Tarkasamgraha, Vedantasara u. a. (sechsmal); Siddhantakaumudi (siebenmal); Poetik und Kavyadarsa (dreimal); Pali, Prakrit und Gujerati (je zweimal). Nach den Mitteilungen eines Zuhörers machte er es auch  den Anfängern keineswegs leicht, nahm vielmehr in jeder Stunde eine Lektion seines »Leitfadens« durch, so dass er das ganze Buch im Laufe eines Wintersemesters absolvirte und im Sommer zur Lektüre des Nalaliedes und zur Syntax übergehen konnte. Er liess auch schriftliche Übungen machen, z. B. die Fabeln des Äsop ins Sanskrit übersetzen, und hielt sehr darauf, dass seine Schüler das Devanagari schön schreiben lernten, wie es ihm überhaupt nicht auf viele, sondern nur auf tüchtige Schüler ankam. Sehr gerne las er das Pancatantra, mit Vorgerückteren trieb er epigraphische Übungen und hatte in dem Orientalischen Institut stets eine Menge von Abklatschen für seine Zuhörer vorrätig. Für seine Specialschüler war ihm keine Mühe zu viel, und er opferte ihnen selbst seine Ferien, so sass er einmal mit einem Zuhörer in dem Orientalischen Institut in den Osterferien zwei volle Tage von frühe bis abends zusammen und nahm mit ihm eine Revision sämtlicher Asoka-Inschriften in Kharosthi-Schrift vor, die rings die Wände des Instituts bedeckten. Die Begründung des Orientalischen Instituts, dem zwei Säle in der Universität angewiesen wurden, war besonders aus seiner Initiative hervorgegangen. In dem Orientalischen Museum hielt er vor einem grösseren Kreise Vorträge über das indische Erziehungswesen und über eine Reise durch die indische Wüste. Nach auswärts wirkte er durch eine ausgebreitete Korrespondenz, war unermüdlich in der Erledigung der zahlreichen an ihn gelangenden Anfragen, führte die Beziehungen zu den deutschen Fachgenossen, zu Indien und England fort und knüpfte neue an. Viele wichtige Publicationen wären ohne ihn nie geschrieben oder gedruckt, viele alte Inschriften ohne ihn nicht ausgegraben worden, mancher Fachgenosse hat ihm seine Laufbahn ganz oder teilweise zu danken.
Hier ist auch der Ort seines hervorragenden Wirkens bei Gelehrtenversammlungen, besonders den internationalen Orientalistencongressen zu gedenken, zu denen ihn die österreichische Regierung als Vertreter delegirte. Welcher Wandel von der Zeit seines Urlaubsaufenthalts in Deutschland 1877 - 79, wo er sich im Verkehr mit deutschen Kollegen mit stolzer Bescheidenheit als einen »einfachen Verwaltungsbeamten« bezeichnete, bis zu den internationalen Congressen von dem Londoner ab (1892), bei denen er regelmässig zum Vicepräsidenten der stets zahlreich besuchten indischen Section gewählt wurde, deren Verhandlungen er, häufig in die Debatte eingreifend, mit ebenso viel Takt und Umsicht als Erfolg zu dirigiren wusste. Die Besucher des Wiener Congresses (1886) werden dankbar seiner liebenswürdigen Gastlichkeit gegen die Fachgenossen und des interessanten Verkehrs mit den Kollegen aus Indien gedenken, das ihm zu Ehren vortrefflich vertreten war. In London fiel ihm auch die ehrenvolle Mission zu, das Vote of Thanks an den Präsidenten des Kongresses, MAX MÜLLER, zu begründen. Bei der Wiener Philologen-Versammlung (1893) führte er das Präsidium der orientalischen Sektion. Auch an den Generalversammlungen der deutsehen morgenländischen Gesellschaft, deren Vorstand er bis zuletzt angehörte, hat er sich öfters beteiligt.

Von seiner litterarischen Thätigkeit, der er den langen Vormittag des indischen Frühaufstehers zu widmen pflegte, während er seine Vorlesungen ausschliesslich Nachmittags hielt, ist aus der Wiener Zeit zunächst die Fortsetzung seiner Arbeiten auf dem Gebiete des Dharmasastra hervorzuheben. Von Anfang an hatte er seinem alten Freund MAX MÜLLER bei dem grossen Unternehmen der »Sacred Books of the East« beigestanden. Von seinen »Sacred Laws of the Aryas, Part I, Apastamba and Gautama« (Oxf. 1879), die als 2. Band der Sammlung erschienen, war die Übersetzung des Apastamba schon früher im Anschluss an seine Textausgabe in Bombay in grossem Format gedruckt worden, aber noch nicht erschienen; er liess sie zu gunsten der »Sacred Books« wieder einstampfen und mit geringen Veränderungen in Oxford neu drucken, ferner fügte er ihr als das Ergebnis eines Sommeraufenthalts in der Schweiz 1878 eine ausserordentlich durchdachte und sorgfältige Einleitung bei, die auf die gesamte Geschichte der vedischen Schulen ein neues Licht geworfen hat. Für den Text des Gautama konnte er neben STENZLER'S Ausgabe einen von ihm selbst nach wertvollen, in Indien gesammelten Hss. früher angefertigten Entwurf einer Textkonstitution benützen; in der Einleitung gelangte er durch eine sorgfältige Argumentation ebenso wie STENZLER, aber unabhängig von diesem Gelehrten, zu dem Ergebnis in der Smrti des Gautama das älteste erhaltene Werk seiner Art zu erkennen. 1897 erlebte dieser 2. Band der »Sacred Books«, zuerst von allen Bänden, eine zweite Auflage, für die u. a. die neu gewonnenen Daten für eine frühere Ansetzung des der Übersetzung zu Grunde liegenden Commentars des Haradatta verwertet werden konnten. Auch die 1882 als 14. Band der »Sacred Books« erschienene Übersetzung des Vasistha und Baudhayana beruht fast ganz auf von B. selbst gesammelten Materialien. Die zu lösende Aufgabe war hier um so schwieriger, als das Gesetzbuch des Baudhayana damals überhaupt noch nicht edirt und der Text des Vasistha selbst in den besten Hss. und Drucken sehr schlecht überliefert und nicht durch einen alten Commentar - controllirbar war. Den Höhepunkt von B.'s Beiträgen zu den Sacred Books bezeichnet aber der ungewöhnlich starke 25. Band dieser Sammlung, der seine Übertragung der »Laws of Manu« enthält (1886). Nicht nur sind darin für die Übersetzung und die Anmerkungen sieben alte Commentare eingehend verwertet, grösstenteils wieder nach von B. selbst in Indien gesammelten Hss., und ist auch B.'s Kenntnis des modernen Indiens und der Inschriften den Anmerkungen sehr zu statten gekommen, sondern es wird in einem Anhang auch 1. eine besonders für indische Juristen wichtige Übersicht über sämtliche Citate aus Manu in den englischen Übersetzungen mittelalterlicher und neuerer Rechtsbücher, 2. ein Verzeichnis der Parallelstellen zu Manu in anderen alten Gesetzbüchern, dem Mahabharata, den Upanisads u. a. alten Werken gegeben. Die sehr ausführliche Einleitung enthält in t übersichtlicher Disposition und anregender Darstellung ein enormes Material für alle auf die Entstehung und Geschichte unseres Manu bezügliche Probleme; die Abfassungszeit dieses berühmten Werkes setzt B. früher an als die meisten seiner neueren Vorgänger.

Während er auf diese Weise seine mehr als zwanzigjährigen Forschungen auf dem Gebiete der indischen Rechtsgeschichte zu einem würdigen Abschluss brachte, unterbrach er keinen Augenblick seine epigraphischen Arbeiten. So steuerte er zu dem monumentalen Werk von BURGESS über die Höhlentempel (Arch. Survey of Western India IV. u. V. Bd. 1883) die Bearbeitung der Höhleninschriften bei, mit sorgfältiger chronologischer Anordnung nach den durch die Paläographie gebotenen Gesichtspunkten. Zu dem südindischen Survey von BURGESS lieferte er den Text und die Übersetzung der Asokaedikte in Dhauli und Jaugada. Viele seiner epigraphischen Arbeiten brachte der »Indian Antiquary«; ich erwähne z. B. die Fortsetzungen seiner Valabhi, Rahtor und Gurjara Grants, die berichtigten Texte von Asoka's Säulenedikten, die an BHAGVaNLaL INDRAJis und BENDALL'S Arbeiten anknüpfenden Forschungen über nepalesische Geschichte. Als in der Epigraphia Indica des Archaeological Survey das von Sir A. CUNNlNGHAM begründete »Corpus Inscriptionum Indicarum« seine Fortsetzung fand, wurde B. einer der fleissigsten Mitarbeiter an diesem grossen Sammelwerk. Der erste Teil, ein stattlicher Quartband, der 1892 zum Abschluss gelangte, enthält unter 46 epigraphischen Abhandlungen nicht weniger als 20 von B. herrührende, darunter u. a. das neu entdeckte 12. Asoka-Edikt von Shahbazgarhi, die von FÜHRER in Mathurä ausgegrabenen Inschriften, die »Inschrift der Rosskämme« aus dem Jahre 882/3 n. Chr., die jetzt in Cintra in Portugal befindliche, aus einem indischen Tempel stammende Prasasti von 1287 n. Chr., und eine südindische Pallavainschrift in Prakrit, deren Erörterung B. zur Aufstellung der bemerkenswerten Theorie veranlasste, dass das Prakrit ursprünglich die officielle Sprache der indischen Könige war, während das Sanskrit erst ganz allmählich durch den Einfluss der Brahmanen und in einer von ihnen modificirten Form aus einer Lokalmundart des Nordens zu der Sprache der Gebildeten in ganz Indien wurde. Wie wichtig war es auch z. B. und welche berechtigte Genugthuung bereitete es B., dass er auf einer 1888 entdeckten Kupferplatte eine wertvolle geschichtliche Details enthaltene Schenkungsurkunde des berühmten Königs Harsa von Samvat 25=631 oder 632 n. Chr. entdeckte, welche die Angaben BANA's und HIUEN TSIANG's über die Geschichte dieses mächtigen Fürsten teils bestätigte, teils ergänzte. 1894 wurde ein zweites ähnliches Dokument des Königs Harsa entdeckt und von B. entziffert. Auch der 1894 abgeschlossene 2. Bd. der Epigraphia Indica enthält unter 40 epigraphischen Beiträgen wieder 10 von B. verfasste. Vom 3. Band an ging die Redaction auf B.'s früheren Schüler Dr. HULTZSCH in Madras über, seine eigenen Beiträge werden im 3. und 4. Band seltener, aber noch zum 1. Heft des 5. Bandes 1898 lieferte er zwei Artikel, von denen der eine die beiden hochwichtigen, den Geburtsort Buddha's bestimmenden Edikte Asoka's behandelt, die FÜHRER im Dezember 1896 in Nepal ausgegraben hatte. Die Asoka-Inschriften, für die ihm neue Funde, Abklatsche und Photographieen einen reichen Zuwachs an Material lieferten, haben überhaupt B. besonders beschäftigt; so hat er darüber auch in einer Reihe von Artikeln gehandelt, die in der ZDMG. erschienen und eine Menge von neuen Lesungen und Erklärungen enthalten. Man denke z. B. an seine jetzt wohl allgemein angenommene Erklärung der Rajukas Asoka's als »Feldmesser«. Unter seinen zahlreichen inschriftlichen Artikeln in der W. Z. mögen hier nur seine Untersuchungen über die Mathura-Inschriften hervorgehoben werden, deren Bedeutung für die Geschichte der Jainas nachher erhellen wird. Unter seinen epigraphischen Publicationen in den Wiener Akademieschriften ist von allgemeinstem Interesse die Abhandlung über »die indischen Inschriften und das Alter der indischen Kunstpoesie« (1890). Gestützt auf die sicher datirbaren Gupta-Inschriften, die FLEET für das Corpus Inscriptionum bearbeitet hatte, wies er hier nach, dass eine Kavyalitteratur schon während der ersten fünf Jahrhunderte n. Ch. bestanden haben muss, und der Vaidarbhastil der Dichtung schon vor der Mitte des 4. Jahrhunderts zur Anerkennung gelangte. Bei der Unsicherheit aller in die Zeit vor 600 n. Ch. fallenden Daten für die Geschichte der indischen Dichtung bezeichnete diese Entdeckung einen riesigen Fortschritt Der »Anzeiger der Wiener Akademie«, in dem er häufig vorläufige Mitteilungen über seine Arbeiten veröffentlichte, enthält u. a. auch seine Deutung einer Kharosthl-Inschrift auf einem graeco-buddhistischen Piedestal (1896), welche es paläographisch wahrscheinlich macht, dass diese Sculptur in das zweite Jahrhundert n. Chr. gehört, ein wichtiger Fingerzeig für das Alter der graeco-buddhistischen Kunst.

Die indischen Inschriften, sagt BURGESS, bilden noch mehr als die anderer Länder die wirklichen Archive der alten Annalen des Landes; sie sind die zeitgenössischen Zeugen der Begebnisse und Männer, über die sie uns berichten, und ihre Zuverlässigkeit macht sie uns höchst wertvoll für den Geschichtsforscher. Neben diesen unanfechtbaren Zeugen der indischen Vergangenheit auf Stein und Kupfer interessirten B. nicht weniger die in Hss. enthaltenen spärlichen Überreste der historisch-biographischen Litteratur Indiens, um die er sich ganz ausserordentliche Verdienste erworben hat. »Mit Deiner Idee, dass die Inder keine historische Litteratur haben, stehst Du auf einem veralteten Standpunkte«, kann er schon 1877 an NÖLDEKE berichten. »In den letzten 20 Jahren sind 5 ziemlich umfangreiche Werke gefunden, die von Zeitgenossen der beschriebenen Ereignisse herrühren, 4 davon habe ich gefunden. [Vikramankadevacarita, Gaüdavaho, Prthiviräjadigvijaya, Kirtikaumudi]. Ich bin noch mehr als einem Dutzend auf der Spur«. Während Vikr. von BÜHLER selbst, Gaüd. von einem durch ihn angeregten indischen Gelehrten in der Bombay Sanskrit Series edirt worden .war, veröffentlichte er nun in den Wiener Akademieschriften eingehende Untersuchungen über Arisirnha's Sukrtasamkirtana (1889), ein »Loblied auf die frommen oder gemeinnützigen Unternehmungen« des berühmten Ministers Vastupala aus der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts von einem zeitgenössischen Jaina-Dichter, und über den historischen Roman Jagaducarita von Sarvananda (1892), der von einem freigebigen Jaina-Kaufmann des 13. Jahrhunderts handelt, der bei einer grossen Hungersnot als Wohlthäter seiner Glaubensgenossen und Landsleute auftrat. Schon vorher (1888) hatte er mit ZACHARIAE nach einer Londoner Handschrift das Navasahasankacarita des Padmagupta behandelt, der um das Jahr 1000 dichtete und ein Schützling des Königs Sindhuraja, des Vaters des berühmten Bhoja, war.

Durch seine epigraphischen und handschriftlichen Forschungen bildete sich B. auch zum Meister der indischen Paläographie aus und erlangte eine bewunderungswürdige Leichtigkeit und Sicherheit in der Bestimmung der Abfassungszeit undatirter Inschriften und Manuskripte nach dem Character der Schriftzüge. So gelangten, als 1890 auf chinesischem Gebiet in Kaschgarien das nachher nach seinem Entdecker als die Bowerhs. bezeichnete Manuskript gefunden worden war, BÜHLER und HÖRNLE, der spätere Entzifferer der Hs., gleichzeitig zu dem Ergebnis, dass sie aus paläographischen Gründen in das 5. Jahrhundert n. Chr. zu setzen sei. Schon früher hatte B. die Untersuchung der in dem Kloster Horiuzi in Japan entdeckten indischen Hs. in den Anecdota Oxoniensia (1884) zu wichtigen paläographischen Resultaten geführt, u. a. zu dem allgemeinen Grundsatz, dass inschriftliche durchweg altertümlicher sind, als die gleichzeitigen handschriftlichen Alphabete. Eine erschöpfende Zusammenfassung seiner vielseitigen paläographischen Studien enthält seine Darstellung der Paläographie von 350 v. Chr. bis 1300 n. Chr. im Grundriss (1896). Als eine Ergänzung dazu ist seine in zwei Auflagen 1895 und 1898 erschienene Abhandlung: »On the Origin of the Indian Brahma Alphabet« zu betrachten, in der er ähnlich wie früher A. WEBER, aber mit viel umfassenderem Material die indische Schrift aus einem nordsemitischen Alphabet aus der Zeit um 800 v. Chr. herleitete, ferner die in W. Z. 1895 erschienene Untersuchung über den Ursprung des Kharosthi-Alphabets, der linksläufigen Schrift des Nordwestens", die er ebenfalls auf eine semitische, jedoch nur bis in die Zeit der ersten Achämeniden zurückreichende Quelle zurückführte.

Bei seinem Aufenthalt in Gujerat war er häufig mit der dort von Alters her ansässigen, durch ihren Reichtum besonders angesehenen und einflussreichen Sekte der Jainas in Berührung gekommen, hatte ihren Predigten und Recitationen heiliger Schriften beigewohnt, die sein populärer Essay »Indische Erbauungsstunden« (1894) anziehend schildert, und ihre fast unermesslichen Handschriftenschätze, wie schon erwähnt, der europäischen Wissenschaft erschlossen. Nun trat er der Geschichte, Litteratur und Kunst der Jainas in zahlreichen Publikationen näher. So widmete er den Schicksalen und der gelehrten, besonders sprachwissenschaftlichen Thätigkeit des Jainamönchs Hemacandra eine feine Studie (1889), entzifferte die bis in das erste Jahrhundert n. Chr. zurückreichenden Jainainschriften, die Dr. BURGESS und dann besonders FÜHRER bei seinen im Auftrag von BÜRGESS unternommenen, von BÜHLER angeregten Ausgrabungen in Mathurâ entdeckt hatte, und fand darin wichtige Bestätigungen zu den in der Litteratur der Jainas enthaltenen Angaben über die alten Ganas, Nonnenorden und Laienkorporationen der Jainas, wies das Rad und den Stupa der Buddhisten auch bei den Jainas nach, deren Kunst er überhaupt als nahezu identisch mit der buddhistischen erwies (1888 ff.), entdeckte eine Jainasage über den Stupa in Mathura (1897), bearbeitete die beiden schon erwähnten historischen Jainagedichte mit ihren reichen religions- und kulturgeschichtlichen Details und gab in dem Wiener Akademie-Vortrag »Über die indische Sekte der Jainas« (1887) einen allgemeinen Überblick über die historische Stellung derselben. Sehr wichtig war es auch, dass B. andere hervorragende Gelehrte durch Besorgung von handschriftlichem Material und persönliche Einwirkung für diese Studien zu gewinnen wusste.

Mit dem Vorstehenden sollten nur einige Hauptrichtungen der litterarischen Thätigkeit B.'s in der Wiener Zeit angedeutet werden. Es würde den Rahmen dieser Skizze weit übersteigen, eine vollständige Characterisirung seiner zahlreichen kleineren und grösseren Publicationen zu versuchen in der von ihm mitbegründeten und mitredigirten »Wiener Zeitschrift für die Kunde des Morgenlandes« wie schon vorher der »Österreichischen Monatsschrift für den Orient«, dem »Journal of the R. Asiatic Society« in London, deren Ehrenmitglied er war, den Schriften der Wiener Akademie, der »Academy«, dem »Athenaeum« u. a. Zeitschriften. Ich möchte hier nur auf die geniale Universalität hinweisen, die auch in der Wiener Zeit in seiner litterarischen ebenso gut wie in seiner schon besprochenen Docententhätigkeit hervortritt. So bewies der Bearbeiter des Säkatayana und der Paiyalacchi seine gründliche Vertrautheit mit der Grammatik und der Lexikographie neuerdings glänzend in der Diskussion mit WHITNEY über die Realität der von den indischen Grammatikern aufgestellten Wurzeln und Formen, wobei er einige Hunderte unbelegter Wurzeln und Formen in den Jatakas, Kavyas u. s. w. nachwies (1894), in der Besprechung von Yadavaprakasa's Vaijayanti (1887), in seinen »Lexicographical Notes« (1888 f.), in der Anregung und Leitung der Herausgabe den »Quellenwerke der altindischen Lexikographie« durch die Wiener Akademie (1893ff.). Es mag hier beiläufig bemerkt werden, dass er zwar äurch seinen langen Aufenthalt in Indien ausser Connex mit der Weiterentwicklung der Sprachwissenschaft in Deutschland gekommen war, dass er aber später sein Interesse für die Sprachvergleichung u. a. durch die Begründung der »Indogermanischen Gesellschaft« in Wien im Verein mit Professor MERINGER bethätigt hat (1893 ff.). Diese Gesellschaft versammelte sich auf seine Einladung in den Räumen des Orientalischen Instituts, und er fehlte nie bei ihren Zusammenkünften. Auf dem Gebiet der Philosophie, die er in Indien ausser durch seine Handschriftenforschungen auch durch die von ihm und KlELHORN veranlasste Herausgabe des Nyayakosa gefördert hatte, haben seine eingehenden Anmerkungen zu den philosophischen Partieen des Manu die richtige Auffassung der dort vorliegenden Theoreme wesentlich erleichtert. Auch zu der Erforschung des Mahabharata lieferte er in seinem Manu einen wichtigen Beitrag durch die eingehende Erörterung der Parallelstellen in beiden Werken und nahm dann die ganze Frage nach dem Alter des grossen Epos in Angriff in seinen »Contributions to the History of the M.« (mit KIRSTE 1892), wo er namentlich aus Kumarila's Tantravarttika eingehend nachwies, dass das Epos zur Zeit der Abfassung dieses Werks, d. h. in der ersten Hälfte des achten Jahrhunderts, schon wesentlich in seiner jetzigen Gestalt bestanden haben muss. Mit den Puranas, die er im Gegensatz zu der herrschenden Ansicht im ganzen für alt hielt, hat er sich u. a. in der Einleitung zu seinem Apastamba (dazu auch Ind. Ant. 25. 323—28) und in seinen eingehenden Untersuchungen über die Auszüge aus dem Visnudharmottara bei Alberuni (1890) beschäftigt. Der Kunstpoesie und der damit in Verbindung stehenden Poetik blieb schon im Hinblick auf die historischen Mahakavyas und die in den Inschriften enthaltene Poesie stets sein reges Interesse zugewandt. Man vergleiche besonders die schon erwähnte Arbeit über die Inschriften und das Alter der Kunstpoesie (1890). B. verstand es selbst sehr wohl in artigen, nach allen Regeln des Alamkarasastra komponirten Versen sein pandityam zu zeigen. Wie lebhaft ihn die buddhistische Litteratur interessierte, beweisen neben seinen epochemachenden Arbeiten über die Asoka-Inschriften besonders seine häufigen Hinweise auf die Jatakas, so in den Arbeiten über Asoka's Rajukas (1893) u. a. in den Jatakas wiederkehrende inschriftliche Ausdrücke (1898), über die Roots of the Dhatupatha (1894), über das Brahma-Alphabet (!895); diese buddhistischen Märchen, in denen er den Thesaurus der Privat- und Staatsaltertümer Indiens erkannte, bildeten Jahre lang seine Lieblingslektüre. Die alte Geographie Indiens hat ihn besonders im Interesse der Epigraphik viel beschäftigt, wie er auch seine Zuhörer gerne vor die Karte von Indien zu führen pflegte. Dass er die alten Monumente nicht nur als Epigraphiker, sondern auch als Archäologe studirte, beweisen z. B. seine schon erwähnten Untersuchungen über die Jaina-Skulpturen in Mathura, über die er auch dem Londoner Congress referirte (1892). Wenn er den Vedas, von denen er ausgegangen war, in seinen späteren Arbeiten, abgesehen von der Sutralitteratur und der Geschichte der vedischen Schulen, über die er den Inschriften viel neues Material abgewann, nur selten näher getreten ist, so beruhte dies nicht auf einer Unterschätzung der Vedas, sondern er hielt es nur für die dringendere Aufgabe der Indologie, die sicher erreichbaren historischen Daten festzustellen, er betonte gerne die Schwierigkeit und Dunkelheit der vedischen Texte, die er ganz allgemein in die »vorhistorische« Epoche der indischen Kultur versetzte, von deren Alter und Originalität er eine sehr hohe Meinung hatte, wie z. B. seine interessanten Bemerkungen zu JACOBI'S Untersuchungen über das Alter des Rigveda beweisen (Ind. Ant. 1894).

B's. unvergleichliche Beherrschung des ganzen weiten Gebiets der Indologie und seine stets wachsende Autorität machten ihn zu dem gegebenen Leiter des grossen Unternehmens, das ihn in seinen letzten Lebensjahren vorzugsweise beschäftigte und zu dessen Durchführung er wiederholt Urlaub von seiner Regierung erhielt, des Grundrisses der indo-arischen Philologie und Altertumskunde. Schon in den 70er Jahren hatte er mit NIK. TRÜBNER, dem um die Orientalia so verdienten Londoner Verleger, ein ausführliches Werk über »Indian Antiquities« in englischer Sprache in Aussicht genommen, das die veraltete indische Altertumskunde von LASSEN ersetzen sollte, war aber durch seine epigraphischen Forschungen u. a. drängende Arbeiten an der Ausführung dieses Plans gehindert worden. Da richtete der Neffe N. TRÜBNER'S, K. J. TRÜBNER in Strassburg, der bekannte philologische Verleger, 1892 bei Gelegenheit des Londoner Congresses den Antrag an ihn, nach Art der in seinem Verlag erschienenen, in der wissenschaftlichen Welt hochangesehenen Grundrisse der germanischen und romanischen Philologie auch die indische Philologie unter der Mitwirkung von Fachgenossen zusammenfassend zu behandeln. B. sagte zu, es gelang ihm durch das Gewicht seines Namens und seine internationalen Beziehungen als Mitarbeiter nicht nur deutsche und österreichische, sondern auch englische, holländische, nordamerikanische und indische Fachgenossen zu gewinnen, und so konnte schon 1895 der Prospect erscheinen, in dem jeder wichtigere Zweig der indischen Philologie durch eine besondere Monographie vertreten und selbst in der Einteilung der Fächer durch Anwendung der »Märgas« das specifisch indische Kolorit gewahrt war. Die einzelnen Darstellungen sollten in zwangloser Reihenfolge erscheinen mit besonderer Paginirung. Die Paläographie, die politische Geschichte nebst den Geschichtsquellen und einen beträchtlichen Teil der Realien hatte B. selbst übernommen, und bald war er in der Lage in seiner schon erwähnten Darstellung der Paläographie (1896) ein Meisterwerk der mühsamsten Forschung zu veröffentlichen mit reichen Tabellen der fast unzähligen Varianten des altindischen Alphabets bis 1300 n. Chr., welche das früher so schwierige Studium der Inschriften jedem Sanskritisten leicht zugänglich gemacht haben. Eine englische Ausgabe seiner Paläographie hat B. druckfertig hinterlassen, mit den Vorstudien für die Geographie, die er mit Dr. STEIN in Lahore bearbeiten wollte, und für die Geschichte Indiens in der vormohammedanischen Zeit, die nur ein Epigraphiker ersten Ranges wie er in Angriff zu nehmen wagen durfte, war er beschäftigt und kehrte erst wenige Monate vor seinem Tode von einem deshalb unternommenen Studienaufenthalte in London zurück.

Der entsetzliche Unfall, der am Abend des Charfreitags den 8. April 1898 auf einer Ferienreise seinem dem Dienst der Wissenschaft geweihten Leben ein plötzliches Ende bereitete, wird, da der erfahrene Ruderer die tödliche Kahnfahrt von Lindau aus auf dem Bodensee allein unternahm, und die Leiche bisher nicht geborgen werden konnte, vielleicht niemals vollständig aufgeklärt werden. Doch ist nach allen bekannt gewordenen Umständen wohl die Vermutung von Professor KÄGI in seinem Nachruf an BÜHLER die wahrscheinlichste, dass ihm das eine der beiden Ruder, das man Tags darauf auf dem See treibend fand, durch eine Dampfschiffwelle entführt wurde und er bei dem Versuch, es zu fassen, in den See gestürzt ist. Es ist auch möglich, wie mir an Ort und Stelle gesagt. wurde, dass er durch Aufstehen den schwanken Kahn (der Vorsaison und des Feiertags wegen stand ihm bei Antritt seiner Spazierfahrt keine Auswahl an Boten zur Verfügung) zum Umkippen brachte; oder es hat ihn nach mehrstündigem angestrengtem Rudern ein Schlaganfall betroffen, da er zur Apoplexie neigte. Niemals war er reicher an Entwürfen und Arbeitsplänen gewesen, als gerade in der letzten Zeit. So agitirte er eifrig für neue Ausgrabungen in Indien, für die er schon 1895 der R. Asiatic Society in London einen wohlüberlegten, von SINCLAIR als »eminently practical« bezeichneten Plan vorgelegt hatte. Als Mitglied des auf dem Pariser Congress 1897 gebildeten internationalen Comites für die Erforschung Indiens machte er noch sechs Wochen vor seinem Tode in bester Stimmung einen Besuch bei Dr. PFUNGST in Frankfurt, um ihn zum Eintritt in das Comite und zu journalistischer Vertretung der Zwecke desselben zu veranlassen. Zu den Ausgrabungen wollte er persönlich nach Indien reisen, wie er schon seit Jahren geplant hatte. Neben dem Grundriss beschäftigten ihn auch noch epigraphische und andere Arbeiten; so dachte er an eine Fortsetzung seiner »Indian Studies«, welche die viel ventilirte Frage nach dem Alter des Kastenwesens nach inschriftlichen Daten erörtern sollte. Bei seiner fabelhaften Rüstigkeit durfte man ihm ein hohes Alter, wie es sein ihm nur wenige Jahre im Tode vorangegangener Vater erreicht hat, und die vollkommene Verwirklichung seiner Pläne prophezeien. Aber es ist nicht nur die Unterbrechung seiner wissenschaftlichen Unternehmungen, was wir beklagen. Der von ihm in Wort und Schrift ausgestreute Samen wird aufgehen, und die Weiterführung seines letzten und grössten Werks, des Grundrisses, ist nach menschlichem Ermessen gesichert Am schmerzlichsten wird seine eindrucksvolle Persönlichkeit vermisst werden, die eine lebendige Vermittlung bildete zwischen der altehrwürdigen Tradition der Sastris und der kritischen Altertumsforschung der europäischen Gelehrten, sein wissenschaftlicher Enthusiasmus, sein gerader Character, sein glänzendes Lehrtalent, seine nicht zu ermüdende Gefälligkeit gegen Freunde und Fachgenossen. Trotz seines überlegenen Wissens lag ihm alles Prunken mit Gelehrsamkeit ferne. Ein angenehmer Causeur und witziger Gesellschafter wusste er von seinen indischen Jagdabenteuern ebenso fesselnd zu erzählen, als von dem, was er im Verkehr mit den Pandits erkundet hatte, konnte die scherzhaften Reime seines Landsmanns BUSCH ebensogut auswendig wie viele Sanskritverse, die er mit ihrer besonderen gesangartigen Intonation zu recitiren wusste, verkehrte mit gelehrten Hindus ebenso gewandt als mit seinen europäischen Collegen und war bei seinen englischen Vorgesetzten, die sich gerne seines fachkundigen Rats bedienten, ebenso angesehen und beliebt als später bei den verschiedenen österreichischen Unterrichtsministern, unter denen er diente. Ein ganz besonderes Verdienst erwarb er sich auch durch die Pflege der deutschen Beziehungen zu Indien, indem er seine Landsleute so viel als möglich zu Reisen nach Indien zu veranlassen, ihnen durch seinen Einfluss Stellungen in Indien zu verschaffen, ihre Arbeiten in Indien drucken zu lassen bestrebt war. Darum schrieb er auch nicht nur meist englisch, wie er es auch bei der Wiener Akademie trotz statutarischer Bestimmungen durchsetzte seine Abhandlungen in englischer Sprache, der lingua franca Indiens, wie er sie nannte, publiciren zu dürfen, und bediente sich für das Sanskrit des Devanagarialphabets, nicht der lateinischen Transskription, sondern er ermahnte auch seine Freunde und Schüler ebenso zu verfahren. Er wollte auch von Wien aus auf Indien wirken und erblickte in den europäischen Sanskritisten die »Missionäre der Wissenschaft Indien gegenüber« (Brief an LEUMANN 1890), wie er andrerseits die europäische Indologie in engster Fühlung mit der indischen Überlieferung, den modernen Repräsentanten der Sanskritgelehrsamkeit in Indien und überhaupt mit dem für die indische Altertumskunde so vielfach belehrenden Indien der Gegenwart zu erhalten suchte. Mag er manchmal in seinem Eifer für die indische Tradition, gegen deren Schwächen er nicht blind war, etwas zu weit gegangen sein, so hat doch der Erfolg die Richtigkeit seiner Methode bewiesen, und die Wege, die er gewiesen hat, müssen weiter verfolgt werden.


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