Einführung in die Exegese von Sanskrittexten : Skript

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Kap. 7: Die eigentliche Exegese, Teil I: Übersicht über exegetische Fragestellungen


von Alois Payer

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Zitierweise / cite as:

Payer, Alois <1944 - >: Einführung in die Exegese von Sanskrittexten : Skript.  -- Kap. 7: Die eigentliche Exegese, Teil I: Übersicht über exegetische Fragestellungen. -- Fassung 2004-07-05. -- URL: http://www.payer.de/exegese/exeg07.htm. -- [Stichwort].

Überarbeitungen: 2004-067-05 [revidiert] 1996-01-21

Anlass: Lehrveranstaltung Proseminar Indologie WS 1995/96

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0. ÜBERSICHT



Nachdem der Text mittels der Textkritik in seiner ursprünglichen Form konstituiert ist, kann man unter Beiziehung der Primär- und Sekundärliteratur zur eigentlichen Exegese schreiten. Die eigentliche Exegese bringt u. U. wieder neue Erkenntnisse bezüglich der Textkonstitution.

Zum Ganzen ist auch das in Kapitel 2 Gesagte heranzuziehen.


1. Exegese als wissenschaftlich reflektierter Verstehensvorgang


Exegese ist ein expliziter, wissenschaftlich reflektierter Verstehensvorgang.

Zum Verstehen s. Kapitel 2 .

Wissenschaftlich reflektiertes Verstehen von Texten (wissenschaftliche Exegese) gehorcht deshalb denselben Regeln wie die meisten wissenschaftlichen Tätigkeiten:


2. Fragestellungen der Exegese


Eine Exegese soll sich u. a. von folgenden Fragestellungen leiten lassen. Oft wird man einige dieser Fragen nicht beantworten können, da die Quellenlage und/oder der Forschungsstand nicht ausreicht. Doch sollte man sich immer klar Rechenschaft geben, dass und warum man gewisse Fragen nicht behandelt.

Als Ziel der Auslegung muss man unterscheiden zwischen:

  1. dem Herausarbeiten der Bedeutung des Textes zum Zeitpunkt, als der Text verfasst wurde
  2. dem Herausarbeiten der Bedeutung, die ein Text bei der Übernahme in einen anderen Text erhält, sei's als Zitat, sei's als sonstige nicht als solche vermerkte Übernahme
  3. dem Herausarbeiten der Bedeutung, die ein Text in verschiedenen Stadien vor Übernahme in einen anderen Text hatte
  4. dem Herausarbeiten der Bedeutung, die der Text zu einem späteren Zeitpunkt hatte (wichtig z.B. bei Rechtstexten, die auf neue Situationen angewandt werden mussten; ebenso religiöse Texte, die in ein religiös-philosophisches System übernommen wurden oder die noch hunderte von Jahren nach ihrem Entstehen von Gläubigen unter geänderten historischen Bedingungen praktisch angewandt wurden <z.B. Gandhis applikatives Verstehen der Bhagavadgîtâ>).

Das unter 2) Genannte ist ein Spezialfall von 4).

Das Verstehen eines Textes hat folgende Teilbereiche:


2.1. Synchrones Verstehen (A)


Synchrones Verstehen (A) muss versuchen die sprachliche, sonstige kulturelle und natürliche Welt des Verfassers/ Kompilators und ursprünglich intendierten Hörers, soweit es für das Verständnis des Textes nötig ist, explizit oder implizit zu rekonstruieren.

Explizit muss man dazu versuchen zu klären:


2.2. Diachrones Verstehen (B)


Diachrones Verstehen (B) muss untersuchen:


2.3. Wirkungsgeschichtliches Verstehen (C)


Wirkungsgeschichtliches Verstehen (C) fragt insbesondere:


In den folgenden zwei Kapiteln folgen nähere Erläuterungen zu einigen obiger Fragestellungen.


3. Erkenntnisinteresse, Erkenntnisperspektive, Beschränktheiten des Exegeten


Eine Exegese sollte auch das Erkenntnisinteresse des Exegeten thematisieren (Relevanz der Fragestellung innerhalb der forschungsgeschichtlichen Situation u. ä.).

Da es unmöglich ist, alle oben genannten Fragestellungen durchzuführen, muss auch die Perspektive der Exegese ausdrücklich genannt werden.

Auch sprachliche und andere Beschränktheiten des Exegeten sollte man nennen (wenn z.B. wichtige Quellen in bestimmten Fragen infolge Unkenntnis dieser Sprachen nicht verwendet werden können, wenn dem Exegeten eine oder mehrere einheimische Wissenschaften unverständlich sind, wenn aus Zeitgründen manche Werke nicht herangezogen werden konnten).


Zu Kapitel 8: Die eigentliche Exegese, Teil II: Zu einzelnen Fragestellungen synchronen Verstehens