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Zitierweise / cite as:
Payer, Margarete <1942 - >: Rechtfertigender Glaube (fides iustificans) bei Huldrych Zwingli. -- 2. Teil: Theologisch-christologische Bestimmung des Glaubens. -- Fassung vom 2005-07-29. -- URL: http://www.payer.de/fides/fideszwingli02.htm. -- [Stichwort].
Erstmals publiziert: 2005-07-29
Überarbeitungen:
Anlass: Erster Teil der Arbeit zur Erlangung des Magistergrades in evangelischer Theologie an der Universität Tübingen, 1968
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Zu Teil 1: Phänomenologische Grundlegung
Dieser Text ist Teil der Abteilung Andere Religionen von Tüpfli's Global Village Library
Das Pestlied (Im Anfang der Krankheit) Hilff, herr gott,hilff in diser not! Ich mein, der tod sey an der thür. Stand, Christe, für; dann du in überwunden hast! Zu dir ich gilff: Wilt du dann glych Din haf bin ich. (Inmitten der Krankheit) Tröst, herr gott, tröst! Nun ist es umm. Darumb ist zyt, (In der Besserung) G'sund, Herr Gott, gsund!Ich mein', ich ker schon widrumb her. Ja, wenn Dich dunckt, der sünden funck werd nit mer bherrschen mich uff erd, so muss min mund din lob und leer ussprechen mer denn vormals ye, wie es ioch gen, einfaltigklich on alle gferd. Wiewol ich muss Text: Huldrich Zwingli <1484 - 1531>, 1521 |
Das Pestlied (Im Anfang der Krankheit) 1. Hilf, Herr Gott, 4. Tröst, Herr Gott, tröst. Die Krankheit steigt, 7. Gesund, Herr Gott, ich bin gesund. 8. Wie es auch geh, dein ist mein Herz, Gesangbuch der evangelisch-reformierten Kirchen |
Quelle der midi-Datei: http://members.fortunecity.de/gesangbuch/h.html. -- Zugriff am 2005-07-24
Abb.: Zwingli, Huldrych <1484 - 1531>: Ußlegen und gründ der
schlußreden, oder articklen durch Huldrychen Zuingli Zürich uff den xix. tag Jenners
im MDXXIII. jar ußgangen. --
Zürich : Froschower, 1523
Abb.: Otto Münch (1885-1965): Zwingli im Kreise seiner Familie, Südportal des Großmünsters
Zürich.
In der Mitte Zwingli, links seine Frau Anna, geb. Reinhardt mit dem Kind Hulrych,
rechts Regula, Wilhelm, Stiefsohn Gerold Meyer von Knonau, link vorne eine der
beiden Stieftöchter, sich über Anneli Zwingli beugend.
CR = Zwingli, Huldrych <1484 - 1531>: Sämtliche Werke / Huldreich Zwingli. -- Halis Saxonum [u.a.] : Schwetschke, 1905ff. -- (Corpus Reformatorum ; Bd. 88ff.)
SS = Zwingli, Huldrych <1484 - 1531>: Huldrici Zuinglii opera : completa editio prima / curantibus Melchiore Schulero et Io. Schulthessio. -- Turici : Schultheß, 1829ff. (verwendet wurden hieraus nur lateinische Schriften)
Zwingli, Huldrych <1484 - 1531>: Hauptschriften / bearbeitet von Fritz Blanke, Oskar Farner, Rudolf Pfister. -- Zürich : Zwingli-Verl., 1940 - 1963 (Dieser Ausgabe folge ich in Rechtschreibung etc bei den deutschen Schriften).
Daraus:
Zwingli, Huldrych <1484 - 1531>: Aus Zwinglis Predigten zu Jesaja und Jeremia / Oskar Farner. -- Zürich : Berichthaus, 1957
Dass das natürliche Objekt des Glauben (obiectum naturale fidei) nur Gott sein kann, wurde oben gezeigt, wo findet nun der Mensch diesen Gott? Gibt es den rechtfertigenden Glauben — die fides iustificans — nur bei solchen, die die biblische Offenbarung gehört haben, oder auch bei den Heiden?
Mit Röm 1,10ff. begründet Zwingli, dass die Heiden Gotteserkenntnis aus der Natur haben — allerdings nicht aus eigener Kraft, sondern aus dem Ziehen Gottes. Fast alle Heiden erkennen an, dass es Gott gibt, aber manche spüren nur seine Macht und halten ihn für eine Vielheit von Göttern (Vielgötterei); andere teilen diese empfundene Macht in wenige Götter auf. Wenige Heiden kommen zur Erkenntnis, dass es nur einen Gott gibt. Diese vertrauen dann aber meist mehr auf ihre eigene Weisheit; weswegen sie Gott verehren, so wie es ihnen gefällt. Vgl. Commentarius, de deo; 1525; CR III,642.
Dass die Gotteserkenntnis der Heiden aus der "Natur" nichts anderes ist als ein Sich-selbst-Offenbaren Gottes, zeigt Zwingli in der Auslegung von Röm 1,18:
[Zu Mt. 7,12: "Quaecunque volueritis ut vobis faciant":] "Quandoquidem Christus reformator est naturae conditae, in Adamo corruptae, fundamentum iuris naturalis hic attingit. Nota est sententia Pauli ad Romanos: nam quum gentes quae legem non habent, natura quae legis sunt faciunt, eae legem non habentes, sibi ipsis sunt lex, qui ostendunt opus legis scriptum in cordibus suis etc. In primo quoque capite dixerat: Id quod de deo cognosci potest manifestum est illis, deus enim illis patefecit. Ex hisce locis aperte intelligimus, quod dei est ea, quam homnes naturae nescio cui ferunt acceptam, de deo notitia. Deus enim manifestavit illis. Et natura quid alius est, quam continens perpetuaque operatio dei, rerumque omnium dispositio? Accessit autem Paulus hoc loco nonnihil ad gentilium, quum de deo loquuntur, usum: non quod ipse sic sentiat, quod dei cognitio et lex ab humana ratione proficisicatur, sed quod gentiles sic sentirent, unde caute subiungit: Deus enim patefecit illis, ne quis putaret hanc a se aut suis viribus habere." (In Ev. Matthaei, nicht datiert; SS VI,1,241; Hinweis bei Locher, Gottfried W. (Gottfried Wilhelm) <1911 - 1996>: Die Theologie Huldrych Zwinglis im Lichte seiner Christologie. -- Zürich : Zwingli-Verlag. -- Teil 1: Die Gotteslehre, 1952. -- S. 54.)
[Zu Mt 7,12: "Was ihr wollt, dass man euch tue":] "Da Christus der Wiederhersteller der geschaffenen, in Adam verdorbenen, Natur ist, berührt er hier die Grundlage des Naturrechts. Bekannt ist der Satz Pauli an die Römer;: 'Da nämlich die Heiden, die das Gesetz nicht haben, von Natur aus das tun, was des Gesetzes ist, sind sie, die das Gesetz nicht haben, sich selbst Gesetz; sie zeigen, dass das Gesetz in ihre Herzen geschrieben ist usw." Im ersten Kapitel hatte er auch gesagt: "Was von Gott erkannt werden kann, ist ihnen bekannt, denn Gott hat es ihnen geoffenbart.' Aus diesen Stellen erkennen wir klar, dass von Gott kommt die Erkenntnis Gottes, die die Menschen ich weiß nicht was für einer Natur zuschreiben, dass sie sie von ihr haben. Denn Gott hat es ihnen offenbart. Und was ist die Natur anderes als das unaufhörliche und andauernde Wirken Gottes und seine Anordnung aller Dinge? Paulus aber gleicht sich an dieser Stelle ein wenig dem Sprachgebrauch der Heiden an, den sie haben, wenn sie von Gott reden: nicht, dass er meinte, dass die Erkenntnis Gottes und das Gesetz von menschlicher Vernunft herstamme, sondern, dass die Heiden so meinten. Darum fügt er vorsichtig hinzu: 'Gott nämlich hat es ihnen offenbart', damit nicht einer glaube, er habe diese Gotteserkenntnis aus sich oder aus aus eigenen Kräften."
Unter den Heiden kommt gewisses Vertrauen auf Gott vor und damit wahre Religion. Dies ist möglich, da der Glaube nicht unbedingt an das äußere Wort gebunden ist. Die betreffenden Bibelstellen legt Zwingli folgender maßen aus:
"Hic observa, fidem hic a Paulo pro
manifestata dei voluntate, et fidei manifesta et publica inter
gentes ac Iudaeos praedicatione accipi, quae tempore Christi et
apostolorum primo coepit, prius enim erat mysterium reconditum a
saeculo, Col. 1.Non enim propositum est Paulo hoc loco de natura et
ingenio fidei loqui, sed de fidei praedicatione. Nec dicere vult
quod nemo credat, aut salvus fiat, nisi audiat verbum externum. Sed
in persona obiicientis loquitur. Posset enim quis dicere: Ergo fides
ex auditu est. So hör ich wol man muß vor hören ee man gloubt?
Ostendit ergo Paulus morem communem, quo deus utitur apud suos, et
quo usus est semper, nempe mittere prophetas et servos suos, qui per
verbum praedicatum vocent et invitent homines." (In Epist. ad Romanos,zu Röm 10,17; nicht datiert; SS VI,2,113f.). |
"Hier beachte, dass der Glaube hier von Paulus für den offenbarten Willen Gottes und für die offenbarte und öffentliche Predigt des Glaubens unter Heiden und Juden genommen wird, die in der Zeit Christi und der Apostel begann; denn früher war das Geheimnis von Urzeit her verborgen Kol. 1. Paulus hat nämlich an dieser Stelle nicht vor, von der Natur und Beschaffenheit des Glaubens zu reden, sondern von der Predigt des Glaubens. Noch will er sagen, dass niemand glaube oder gerettet werde, wenn er nicht das äußere Wort hört. Sondern er spricht in der Person eines Opponenten. Es könnte nämlich einer sagen: Also kommt der Glaube vom Hören? So höre ich wohl, man müsse vorher hören, ehe man glaubt? Es zeigt also Paulus die gewöhnliche Art, die Gott bei den Seinen gebraucht, und die er immer gebraucht hat, nämlich Propheten und seine Diener zu senden, die durch das gepredigte Wort die Menschen rufen und einladen sollen." |
"Proinde, ut obiter dicam, paulo
circumspectius sunt divina oracula inspicienda, quae syechdechice
loquuntur de credentibus, quod scil. soli salvi fiant: hi enim soli
hac lege continentur, qui et audierunt et crediderunt. Similiter de
incredulorum damnatione: hi enim soli intelliguntur, qui audierunt
et non crediderunt. De aliis non possumus pronunciare, quia de
nullorum electione nobis constat. ... Non est igitur universale,
quod qui fidem non habeat, damnetur; sed qui fidei rationem exponi
audivit et in perfidia perstat ac moritur, hunc possumus fortasse
inter miseros abiicere. Nam et multi non protinus aut audiverunt
credunt, sed tunc tandem, quum spiritu capiuntur et attrahuntur,
quomodo Paulus. Idcirco de his tantum licet pronunciare qui in
perfidia perstant usque ad mortem. ... Nihil enim vetat quo minus
inter gentes quoque deus sibi deligat, qui reverantur ipsum, qui
observent et post fata illi iungantur: libera est enim electio eius.
Ego certe malim, si optio detur, Socratis aus Senecae sortem eligere,
qui ut numen unum agnoverunt ita mentis puritate sategerunt illud
demereri, quam aut pontificis Romani, qui tamen se deum vel ipse
indicaret, si licitator adsit; ... Illi enim ut religionem ad verbum,
et quod ad sacramenta pertinet, non agnoverint: attamen, quod ad rem
ipsam, aio religiosores ac sanctiores fuisse quam omnes unquam
Dominicastros et Franciscanos." (De providentia, de fide; 1529; SS IV,123). |
"Darum, um es nebenher zu sagen, sind die göttlichen Worte ein wenig umsichtiger zu betrachten, die kurzgefasst von den Gläubigen rede, dass nämlich allein sie gerettet werden: In dieser Aussage sind nämlich allein die enthalten, die gehört und geglaubt haben. Gleicherweise bezüglich der Verurteilung der Ungläubigen: allein die werden darunter verstanden, die gehört und nicht geglaubt haben. Über die Übrigen können wir nichts aussagen, weil niemandes Erwähltsein uns feststeht. ... Es ist also nicht eine Allgemeinaussage, dass verurteilt wird, wer den Glauben nicht hat; Sondern nur wer den Inhalt des Glaubens darlegen gehört hat und in Unglauben geblieben ist und darin stirbt, diesen können wir vielleicht unter die Verdammten zählen. Denn viele glauben nicht sofort, wenn sie hören, sondern erst dann wenn sie vom Geist Gottes erfasst und angezogen werden — wie z.B. Paulus. Deshalb kann man diese Aussage nur von denen machen, die bis zum Tod im Unglauben bleiben, ... Nichts steht dem entgegen, dass Gott sich auch unter den Heiden solche erwählt, die ihn verehren, ihn hochachten und ihm gemäß dem Weltenplan verbunden werden. Frei ist nämlich seine Wahl. ich möchte gewiss lieber — wenn ich wünschen dürfte — das Los des Sokrates oder Seneca wählen, die so, wie sie einen Gott erkannten, so auch mit der Reinheit des Herzens sich bemühten, jenen für sich zu gewinnen. Ich würde deren Los lieber wählen als das des römischen Papstes, der sich selbst als Gott ankündigt. ... Jene Heiden haben zwar die Religion dem Wort nach, und was die Sakramente betrifft, nicht gekannt; dennoch behaupte ich, dass sie — was die Sache selbst betrifft — frömmer und heiliger gewesen sind als alle Dominikaster und Franziskaner es jemals gewesen sind." |
Vgl. die Aufzählung der Heiden, die den Himmel bevölkern in Fidei expositio, vita aeterna; 1531; SS IV,65).
Innerhalb der christlichen Offenbarung lernt der Mensch Gott im Gesetz und im Evangelium kennen. Dort offenbart sich Gott als gerecht und barmherzig.
"Er ist der Gestalt gerecht, daß er der unversert Brun ist aller Unschuld und Frommkeit und Grechtigkeit und alles Guten. Dann er ist die Grechtigkeit, Frommkeit und alles Gutes selb wäsentlich, also, daß nüt fromm, noch grecht, noch gut ist, denn das uß im kumpt. Glych wie er nit allein wahrhaft ist, sunder die Wahrheit selbs Jo. 14 [,6], also ist er nit allein gerecht, sunder die unverserte Grechtigkeit selbs, die so luter und eigenlich rein ist, daß in dero nüt Vermischtes ist mit einigerlei Unsuberkeit der Anfechtungen. Denn ie das zemen gemischt ist, mag nit ewig sin. Und ist aber Gott das ewig Gut, darumb muß er, der die Grechtigkeit ist, unvermischt sin, frömd von allen Anfechtungen und eigennützigen Begirden." (Von göttl und menschl Grechtigkeit; 1523; CR II,475,8-25; Staat 39).
Da die Gerechtigkeit Gottes keine Unreinheit verträgt, muss der Mensch, will er zu ihm kommen, ebenso gerecht sein wie Gott, dass aber ist dem Menschen unmöglich. (Von göttl und menschl Grechtigkeit; 1523; CR II,476,8f.).
Die Gerechtigkeit Gottes kann nicht dulden, dass der Mensch straflos ausgeht: sie fordert Sühne.
Dem Menschen wird die Gerechtigkeit Gottes im Gesetz geoffenbart, denn das Gesetz ist der ewige Gotteswille, durch es erkennt der Mensch, was Gott will, und was er nicht will:
"Nam ipsi ignorabamus quid peccatum esset, nisi verbo suo deus manifestasset quid factum quid omissum oporteat. Lex ergo nihil aliud est quam doctrina de voluntate dei, per quam scil. intelligimus quid ille velit, quid nolit, quid exigat, quid vetet. Quod autem sit perpetua voluntas dei, it ut de illa lege, quae ad interiorem hominem adtinet, nunquam sit quicquam mutaturus, ipsius legislatoris verbis patet." (Commentarius, de lege; 1525; CR III,707,18-24; SS III,203).
"Denn wir wüssten nicht, was Sünde wäre, wenn uns nicht Gott mit seinem Wort offenbart hätte, was zu tun, was zu unterlassen ist. Das Gesetz ist also nichts anderes als die Lehre vom Willen Gottes, wodurch wir erkennen, was Gott will und was er nicht will, was er fordert und was er verbietet. Dass aber der Wille Gottes unveränderlich ist, sodass er nie etwas von jenem Gesetz, das sich auf den inneren Menschen bezieht, ändern wird, das wird offenbar aus den Worten des Gesetzgebers selbst."
Sobald der Mensch erkennt, dass er die Forderungen Gottes unmöglich erfüllen kann, fällt er in Verzweiflung. Aus dieser Verzweiflung wird der Mensch aber durch die Barmherzigkeit Gottes herausgeholt.
Da Gott gut ist, ist er gerecht und barmherzig zugleich. Gottes Barmherzigkeit forderte die Vergebung. So musste die Barmherzigkeit das Opfer — nämlich Christus — leisten und die Gerechtigkeit das Opfer zur Sühne annehmen.
Da nur Gott selbst der Gerechtigkeit Gottes genugtun kann, ist auch damit ausgeschlossen, dass der Mensch gewisses Vertrauen für sein Heil in etwas anderes setzen kann als in Gott. (Erst Predig ... zuo Bern; 1528; CR 6,1,464,3ff.)-
Seine Barmherzigkeit — dass Christus für die Menschen genuggetan hat — offenbart Gott im Evangelium.
"Nam si mererentur opera nostra
beatitudinem: iam non fuisset Christi morte opus ad placandum
divinam iustitiam, iam non esset gratia, cum condonantur admissa:
mereri enim quisque posset. De qua re Paulus irrefragibiliter in
Rom. et Gal disserit. Oportet enim verum esse illud, ad patrem
neminem venire nisi per Christum. Ergo sola gratia et liberalitate
dei, quam in nos per Christum abunde effudit, contingit aeterna
felicitas." (Fidei expositio, fides et opera; 1531; SS IV,62). |
"Wenn nämlich unsere Werke die Glückseligkeit verdienen würden, wäre Christi Tod nicht nötig gewesen, um die göttliche Gerechtigkeit zu besänftigen; Schuldvergebung wäre dann auch keine Gnade: jeder könnte sie ja selbst verdienen. Diese Sache erörtert Paulus im Römer- und Galaterbrief unwiderlegbar. Es muss nämlich das wahr sein, dass zum Vater niemand kommt außer durch Christus. Also erhalten wir die ewige Seligkeit allein durch Gnade und Freigebigkeit Gottes, die er über uns durch Christus überfließend ausgießt." |
"Quos autem sic vocat, eos et
iustificat sive a peccatis absolvit: sic enim 'iustificandi' verbo
pro 'absolvendi' utuntur Hebraei. Nunc ergo quae alia est
iustificatio nisi fidei? In hoc enim et Christus et apostoli omnem
doctrinae commeatum insumunt ut obtineant, nullam aliam esse
absolutionem sive iustificationem quam fidei. Qui autem fidem habent,
heredes sunt sempiternae gloriae." (De providentia, de fide; 1529; SS IV,121). |
"Diejenigen, die Gott so beruft, diese rechtfertigt er auch, d.h. er absolviert sie von den Sünden: So gebrauchen nämlich die Hebräer das Wort 'rechtfertigen' für 'lossprechen'. Was für eine andere Rechtfertigung gibt es als die des Glaubens? Darauf läuft nämlich die ganze Lehre Christi und des Apostels hinaus, dass sie daran festhalten, dass es keine andere Lossprechung oder Rechtfertigung als die des Glaubens gibt. Die aber den Glauben haben, sind Erben der ewigen Glorie." |
Diese Glaubensgerechtigkeit beschreibt Zwingli im Zusammenhang mit Gen 15,6
("Abraham glaubte Gott ...") folgendermaßen:
"Haec enim iustitia, id est innocentia
est apud deum, certo et indubitato credere Deum esse optimum et
supremum bonum, qui nec falli neque fallere, non magis velit quam
possit. Qui ad hunc modum credit, is Deo certissime fidit, ab eo
totus pendet, soli eius bonitati et misericordiae innitens; neque
hunc fallet sua spes. Haec spes enim non putefacit. Rom. V. Qui
talis est, sibi totus displicet, quotidie habet quod coram
pientissimo patre deploret; sed certus de dei sui misericordia non
desperat; is vere iustus est, idque coram deo. Sed non sunt
haec propter Abramum solum scripta, sed etiam propter nos, quibus
imputabitur credentibus in eum qui excitavit Iesum etc. Rom 4." (Adnotationes in Genesin; undatiert; SS V,59f.). |
"Dies ist nämlich die Gerechtigkeit, d.h. Unschuld, bei Gott, gewiss und ohne Zweifel glauben, dass Gott das beste und höchste Gut ist, der nicht getäuscht werden noch täuschen weder will noch kann. Wer auf diese Weise glaubt, der vertraut auf Gott in völliger Gewissheit, hängt ganz von ihm ab, sich allein auf seine Güte und Barmherzigkeit stützen; einem, der so glaubt, den wird seine Hoffnung nicht täuschen. Diese Hoffnung wird nicht zuschanden Röm 5. Wer so glaubt, missfällt sich ganz, er hat immer etwas, das er vor dem gnädigsten Vater beweint; aber er ist der göttlichen Barmherzigkeit ihm gegenüber gewiss und verzweifelt deshalb nicht; wer glaubt, ist wahrhaft gerecht, und das vor Gott. Aber diese Worte sind nicht nur wegen Abram geschrieben, sondern auch unsretwegen, denen die Gerechtigkeit angerechnet wird, wenn wir an den glauben, der Jesus auferweckt hat usw. Röm 4." |
"Quum ergo ille pro peccato
satisfecerit: quinam fiunt quaeso participes illius satisfactionis
et redemptionis? Ipsum audiamus! Qui in me credit, hoc est, qui me
fidit, qui me nititur, habet vitam aeternam. At vitam aeternam nemo
adipiscitur nisi cui peccata adempta sunt. Qui ergo Christo fidit,
ei remittuntur peccata." (Fidei expositio, remissio peccatorum; 1531; SS IV,60). |
"Wenn also Christus für die Sünde genuggetan hat, wer wird nun, frage ich, jener Genugtuung und Erlösung teilhaftig? Lasst uns ihn selbst hören! Wer an mich glaubt, d.h. wer mir vertraut, wer sich auf mich stützt, hat das ewige Leben. Aber das ewige Leben erreicht niemand, wenn ihm nicht die Sünden weggenommen sind. Wer also auf Christus vertraut, dem werden die Sünden nachgelassen." |
"Primum enim Christum ipsum prorsus
evacuant et explodunt. Si enim Christus pro peccatis nostris
mortuus est ... qui poset ferri ut nos ad satisfaciendum cogeremur?
Si enim a Christo abhorrent, qui operibus fidunt iudicio Pauli:
quanto magis abhorrent et annihilant Christum qui proprio cruciatu
expiari crimina oportere docent? Nam si bene facta mereri
beatitudinem nequeunt, et eam carnificina mereatur: iam numinis
bonitas in dubium vocaretur, quasi afflictionibus et aerumnis
gauderet; abhorreret autem a mansuetudine et benignitate." (Fidei expositio, purgatorium; 1531; SS IV,50). |
"Erstens leeren und verwerfen sie [= die Fegfeuerlehrer] Christus völlig. Wenn nämlich Christus für unsere Sünden gestorben ist ... wer könnte dulden, dass wir gezwungen würden, Genugtuung zu leisten? Wenn die, die auf Werke ertrauen, nach dem Urteil des Paulus von Christus nichts wissen wollen, um wieviel mehr verabscheuen und vernichten die Christus, die lehren, man müsse die Vergehen durch eine Qual sühnen? Denn wenn schon gute Werke die Glückseligkeit nicht verdienen können, aber Qualen diese verdienen könnten, dann würde die Güte Gottes in Zweifel gezogen werden: als ob er sich an Bedrängnis und Mühsal freuen würde, von Milde und Güte aber nichts wissen wollte." |
"Per fidem autem diximus remitti
peccata, quo nihil aliud volumus quam dicere, solam fidem certum
reddere hominem de remissis sceleribus. Ut enim sexcenties pontifex
etiam Romanus dicat: Condonata sunt tibi delicta, nunquam tamen
quieta fit mens ac certa de reconciliatione numinis, nisi cum ipsa
apud se videt ac credit citra omnem dubitationem, imo sentit, se
absolutam ac redemptam esse. Sicut enim fidem nemo potest nisi
spiritus sanctus dare, sic etiam non remissionem peccatorum." (Fidei expositio, remissio peccatorum; 1531; SSS IV,60). |
"Wir haben gesagt, dass durch Glauben die Sünden vergeben werden; damit wollten wir nichts anderes sagen, als dass der Mensch allein durch Glauben der Sündenvergebung gewiss gemacht werden. Mag der römische Papst 600mal sagen: 'Die Sünden sind dir ergeben', wird dennoch das Gemüt niemals ruhig noch der Versöhnung Gottes gewiss, wenn es nicht bei sich sieht und ohne allen Zweifel glaubt, ja fühlt, dass es freigesprochen und erlöst worden ist. Denn wie niemand den Glauben geben kann außer dem Heiligen Geist, so auch nicht Nachlass der Sünden." |
"und sind wir gleubig, das ist: glouben wir den Herren Christum
Jesum, daß er unser Gnädigung sye etc., so ist er all unser
Volkumnus vor Got, unser Heil, unser Bezalung und Genugthun." (Auslegen, 5. Art.; 1523; CR II,37f.; Vert I,42). |
Kurz: der feste Glaube an Christus ist der alleinige Weg zum Himmel.
"Der dritt Artickel. Dannen har der eynig Weg zur Säligkeit
Christus ist alle, die ye waren, sind oder werden.. ... Ouch so hand
alle Gottsdächtigen, die vor Christo gesyn sind, ir Hoffnung zu Got
ze kummen, uff Christum gereckt." (Auslegen, 3. Art.; 1523; CR II,31,1-3; Vert I,32f.) |
Zur Glaubengerechtigkeit bei den Vätern siehe auch oben unter Punkt 3.
"Nos enim sic deum agnoscendum
amplectendumque docemus, ut sive patrem eum nomines, sive filium,
sive spiritum sanctum, perpetuo tamen eum intelligas, qui solus
bonus, iustus, sanctus, benignus reliquaque omnia est. Contra, cum
filio omnia tribuimus, ei tribuimus, qui id est, quod pater, quod
spiritus sanctus; cuius regnum est, cuius potentia eodem iure quo
patris et spiritus sancti. Ipse enim hoc ipsum est, quod pater, quod
spiritus sanctus, servato nihilominus notionum, ut vocant,
discrimine. Quod igitur aemuli hic dicturi sunt, nos hactenus de
pietate sic deseruisse, ut salutis per Christum gratiaeque nihil
meminerimus, frustra cornicabuntur: Primum, quod omnia non simul
neque eodem loco dici possunt; deinde, qod quidquid de animae deique
connubio diximus, sic de Christo quoque dictum est, quomodo de deo
(Christus enim deus et homo est); Postremo, quod dei cognitio natura
sua Christi cognitionem antecedit." (Commentarius, de religione christiana; 1525; CR III,674). |
"Wir lehren nämlich, Gott so anzuerkennen und anzunehmen, dass man darunter immer den versteht, der allein gut, gerecht, heilig, gütig und alles übrige ist, nenne man ihn Vater, Sohn oder Heiligen Geist. Wenn wir dagegen dem Sohn alles zuschreiben, so schreiben wir es dem zu, der all das ist, was der Vater ist, und was der Heilig Geist ist. Denn Christi ist das Reich und die Macht in gleicher Weise wie des Vaters und des Geistes. Christus nämlich ist dasselbe, was der Vater und was der Heilige Geist ist, wobei der Unterschied der notiones, wie sie es nennen, erhalten bleibt. Was unsere Feinde hier aber sahen werden, wir hätten nämlich bisher über das rechte Gottesverhältnis so gesprochen, dass wir das Heil durch Christus und die Gnade nicht erwähnt haben, das werden sie umsonst krächzen. Denn ersten kann man nicht alles zugleich am selben Ort sagen. Zweitens, was wir von der Ehe der Seele mit Gott gesagt haben, ist in gleicher Weise von Christus ausgesagt wie von Gott (Christus ist nämlich Gott und Mensch). Schließlich, dass die Erkenntnis Gottes ihrer Natur nach der Erkenntnis Christi vorausgeht." |
Zur cognitio dei (Gotteserkenntnis) der Heiden siehe oben
2.1.1.
"Antecedit igitur electio fidem. Quo
fit ut, qui electi sunt et ad fidei cognitionem non veniunt, quomodo
infantes nihilo minus aeternam beatitudinem adipiscantur: electio
enim est, quae beatos facit, eaque usque adeo libera, ut nullius
operis aut virtutis nostrae ratio habeatur." (De providentia, de fide; 1529; SS IV,123). |
"Die Erwählung geht also dem Glauben voraus. Daher kommt es, dass die, die erwählt sind und nicht zur Erkenntnis des Glaubens kommen — wie die kleinen Kinder —, dass diese nichts desto weniger die ewige Seligkeit erlangen. Die Erwählung ist es nämlich, die selig macht. Sie ist so frei, dass sie weder eines Werkes noch einer Tugend von unserer Seite her bedarf." |
Dieses Heil erhalten sie aber nur durch Christus. Vgl. Fidei ratio, quinto; 1529; SS IV,7.
Das Gesagte gilt für Heiden- und Christenkinder.
Der Gerechtfertigte fragt spontan aus Dankbarkeit gegen Gott nach dessen Willen. Die Forderung Gottes erfährt der Gläubige durch Christus. Welche Bedeutung hat nun Christus als legislator — Gesetzgeber — für den Gläubigen?
Durch Christus ist das Gesetz erneuert und abgetan:
Vgl. Von göttl und menschl Grechtigkeit; 1523; CR II,496,16-33.
Daher will Zwingli das Gesetz, das ja den Willen Gottes den Menschen eröffnet, für den Gläubigen lieber Evangelium nennen, denn der Gläubige freut sich, den Willen Gottes zu hören und danach zu handeln. Vgl. Auslegen, 16. Art.; 1523; CR II,79,11-18.
Hinter dieser Aussage steht die für Zwingli zu lösende Schwierigkeit, dass nach Lk 16,16 das Gesetz nur bis Johannes den Täufer gewährt hat, nach Mt 5,17 und 7,12 das Gesetz aber in Ewigkeit bleibt.
Der Gläubige hat das Gesetz nach der Regel "Liebe deinen Nächsten wie dich selbst" zu beurteilen, denn nach Röm 13,9 sind alle Gesetze in dies eine zusammenzufassen. Was nicht unter dies Gebot fällt, ist durch Christus abgetan, denn Christus bzw. die Liebe ist des Gesetzes Ende. Vgl. Commentarius, de lege; 1525; CR III,707f.
Der Gläubige tut also nicht mehr gezwungen, sondern freiwillig und fröhlich in spontaner Liebe den Willen Gottes.
"Quae [= caritas] si in nobis ardeat, nihil iam coacte faciemus, sed libere iucundeque omnia: absolutio enim legis est charitas. Lex enim cum taedio ac simulate fiebat, cum non arderet charitas. At ea ubi accensa est, non spectatur lex, tam abest ut me tuatur; sed vehit in omnibus et ad omnia charitas. Et sicut de his qui adfectibus vincti sunt, dicimus quod ferantur: sic qui amore divino incensi sunt, eo spiritu feruntur qui in ipsis ardet. Habemus ergo unum genus liberationis a lege, quo per caritatem facimus quod dei placitum fore scimus." (Commentarius, de peccato; 1525; CR III,710; SS III,205).
"Wenn die Liebe in uns brennt, tun wir nichts mehr gezwungen, sondern frei und freudig alles: denn die Erfüllung des Gesetzes ist die Liebe. Das Gesetz nämlich wurde mit Überdruss und zum Schein getan, da die Liebe nicht brannte. Wo aber die Liebe angezündet ist, wird das Gesetz nicht betrachtet, es liegt fern, dass es gefürchtet wird; aber die Liebe treibt in allen und zu allem. Und wie wir von denen, die durch Leidenschaft gefangen sind, sagen, dass sie fortgerissen werden: so werden auch die, die durch göttliche Liebe angezündet sind, durch den Geist, der in ihnen brennt, fortgerissen. Damit haben wir also die eine Art der Befreiung vom Gesetz, indem wir durch die Liebe das tun, von dem wir wissen, dass es Gott angenehm ist."
Da Christus das Gesetz erfüllt hat, und es den Gläubigen nicht mehr verdammen kann, können sowohl die Erbsünde wie die aus der Erbsünde folgenden Sünden — denn auch der gerechtfertigte Mensch sündigt noch — nicht schaden, soweit der Mensch auf Christus vertraut. Durch das Vertrauen auf Christus ist der Gläubige ein neuer Mensch geworden, aber er spürt gleichzeitig den alten Menschen noch in sich. Anhand von Röm 7 und 8 untersucht Zwingli dieses Problem und stellt fest, dass der Geist Gottes im Gläubigen wohnt, wenn dieser auf Christus vertraut: der Leib ist zwar um der Sünde willen tot, aber der Geist ist um der Gerechtigkeit Christi willen lebendig. Vgl. Commentarius, de peccato; 1525; CR III,716,22ff.
Der neue Mensch will ein neues, unschuldiges Leben führen, das aus Selbstverleugnung und Nachfolge Christi besteht. Dass der Mensch dem Beispiel Christi folgt, ist aber nicht sein werk und erst recht nicht verdienstvolles Werk:
"Nam simul constare nequeunt innocentia salutem parari oportere, et Christi iustitiae omnia condonari, ea maxima causa, quod salutem nostro Marte adsequi nequeamus." (Commentarius, de peccato; 1525; CR III,716)
"Denn beides kann nicht zugleich bestehen: durch Unschuld das heil erwerben müssen, und alles der Gerechtigkeit Christi verdanken — dies vor allem deshalb, weil wir das Heil nicht aus eigener Kraft erlangen können."
Vgl. auch Commentarius, de peccato; 1525; CR III,718.
Der Mensch wird also aus Glauben gerecht gemacht, d.h. er ist seiner Sünden ledig und keine Verdammnis kann ihn treffen. Er hat Freundschaft mit Gott. Glaube bringt
Dies alles bekommt der Mensch aber nicht, weil sein Glaube das verdient hätte. Glaube ist nämlich keineswegs ein Werk des Menschen, das aus eigener Kraft geschieht, sondern ein Werk Gottes, der den Glauben nicht nur gibt, sondern auch erhält.
Gott gibt den Glauben aufgrund seiner providentia — Vorsehung —, und zwar so, dass der Glaube der Erwählung als Zeichen der Erwählung nachfolgt.
"Fides itaque iis datur, qui ad vitam aeternam electi et ordinati sunt; sic tamen ut electio antecedat, et fides velut symbolum electionem sequatur." (De providentia, de fide; 1529; SS IV,121).
"Der GLaube wird also denen gegeben, die zum ewigen Leben auserwählt und ausgerichtet sind; so aber, dass die Wahl vorausgeht und der Glaube als Zeichen der Wahl folgt."
Den Erwählten wird dann auf Grund ihres Glaubens die Seligkeit gegeben (Ausnahmen siehe oben 2.1.2.2.1., Punkt 9). Es ist also ganz streng jedes verdienstliche Tun des Menschen ausgeschlossen, denn Erwählung ist ein vom menschlichen Tun unabhängiges Handeln Gottes.
"Unde ad constitutionem libertatem adiecimus, ut numinis hanc constitutionem intelligamus esse liberam, non a nostra dispositione aut constitutione pendere neque nostram constitutionem sequi." (De providentia, de electione; 1529; SS IV, 113)
"Deshalb fügen wir zur Vorsehung 'Freiheit' hinzu, damit wir verstehen, dass die Vorsehung Gottes frei ist, nicht von unserer Disposition oder Beschaffenheit abhängt, noch unserer Beschaffenheit folgt."
Ein Ungläubiger würde nun folgern: wenn Erwählung und rechtfertigender Glaube nur Gottes Werk ist, braucht der Mensch nichts zu tun. Die Gläubigen aber richten sich selbstverständlich nach dem Willen Gottes: Glaube ohne Gegenliebe zu Gott wäre ja kein Glaube.
Die Erwählten werden von Gott durch den Heiligen Geist zum Glauben berufen und ihrer Erwählung gewiss gemacht. Der Heilige Geist erleuchtet und zieht die erwählten Christen, dass sie das Wort Gottes hören. Vgl. De providentia, de fide; 1529; SS IV,121.
Nur wenn der Geist im Innern des Menschen wirkt, kann der Mensch das Wort Gottes als wahres annehmen. Das äußere Wort ohne den Geist nützt nichts. Das beweist Zwingli nicht nur aus der Schrift (1Kor 12,9), sondern auch aus der Erfahrung: indem nämlich viele Leute täglich die Predigt des Evangeliums hören und nicht gläubig werden.
"Quum Paulus fidem ex auditu esse Romanis scribit, eodem modo viciniori et nobis notiori causae tribuit, quod solius est spiritus, non externae praedicationis, quam admodum Sacramentarii fere contendunt. Quod tam verum est, ut non modo divinarum literarum testimoniis istis: Nemo venit ad me nisi pater meus traxerit, et: alibi datur fides eodem munere spiritus, atque similibus, sic esse colligatur, verum etiam usu deprehenditur; quum quotidie videmus quosdam evengelii praedicationem audire quidem, sed nihilo magis credere." (De providentia, de fide; 1529; SS IV,125).
"Wenn Paulus an die Römer schreibt, dass der Glaube aus dem Hören sei, dann schreibt er damit der uns näherliegenden und bekannteren Ursache zu, was allein des Geistes ist, nicht der äußeren Predigt, wie die Sakramentierer behaupten. Dass das aber wahr ist, das findet sich nicht nur in den Zeugnissen der Heiligen Schrift: 'Niemand kommt zu mir, wenn ihn nicht mein Vater zieht' und 'Der Glaube wird durch das Werk des Geistes gegeben' u.ä. Die Wahrheit dessen wird auch durch die Erfahrung gezeigt: denn täglich sehen wir, dass einige die Predigt des Evangeliums zwar hören, aber keineswegs glauben."
Der Geist kann aber ohne das äußere Wort z.B. den Heiden Glauben geben. Siehe oben 2.1.1.
Zwingli beschreibt das Verhältnis von Wort Gottes und Heiligem Geist zusammenfassend so:
"Sehend, lieben Brüder, daß Gwüsse des Worts Gottes nit von dem Uretil der Menschen kumpt, sunder von Gott, also daß, wenn der Mensch also ein klaren Glauben hat, daß er Got by allen Dingen Glouben gibt, ja Got allein gloubt sicher und ungezwyflet, daß er denn eigenlich weißt Gott warhaft sin. Er weißt den Sinn und Meinung Gottes und ist sicher und styff darinn, als hette er Sigel und Brieff. Er verhört ouch alles, daß sich für wahrhafft vor den Menschen darthut, und findt er es in einem Euangelio, das ist: in der Leer, die von dem göttlichen Geist und Gnad kumpt, so nimpt er's nit erst an, sunder er ist vorhin so klar bericht und erlüchtet, daß er nütz annimpt denn daß im Got durch Christum wyßt. Und so der Mentsch redt, das Gottes ist, so bewäret er nit dem Menschen sin Wort, sunder er spricht: Das sol ggloubt werden; dann es ist Gottes. Und würt im alles clar im Glouben des Evangelii, das ist: so er sich an Christum laßt. Dann Gottes Geist gibt unserem Geist Kundtschafft, daß wir Sün Göttes synd Ro 8. Wannehar wolltend wir wüssen, daß wir Süne Gottes wärind, Got machte dann uns sicher durch siner Gnaden Geist in unseren Hertzen? Also wie möchtind wir, die lugenhafftig sind, die Warheit erkennen, denn in dem Inkuchen [= Einhauchen] sines Geistes?" (Auslegen, 15. Art.; 1523; CR II,75,21-76,2; Vert I,93).
Alles, was den Glauben betrifft, macht der Heilige Geist dem Menschen klar. Die wahren Gläubigen vertrauen deshalb ungezweifelt auf den einen Gott. Wieviel aber der Mensch von Gott weiß, ist nicht so wichtig; z.B. was und wie Gott ist, wissen nur besonders Erleuchtete und Verständige. Diese haben dann allerdings die Aufgabe, Einwände gegen den Glauben zunichte zu machen, damit die, die einen schwachen Verstand haben, nicht unruhig werden. Diese Beunruhigung betrifft aber nicht den Glauben selbst, sondern nur das Glaubensverständnis (intellectus). (Hier — wie überhaupt in der Art zwinglischen Theologisierens (Schriftbeweis — Verstehensargumente) — zeigt sich deutlich die Struktur des nach Verstand suchenden Glaubens (fides quaerens intellectum), der bei Zwingli nie ein Glauben suchender Verstand (intellectus quaerens fidem) ist). Vgl. De providentia, de fide; 1529; SS IV,126.
Abb.: Otto Münch (1885-1965): Leo Jud, Theodor Bibliander und Zwingli bei
der Übersetzung der Bibel, Südportal des Großmünsters
Zürich.
Wozu braucht man noch Verkündigung bzw. Sakramente, wenn es doch letztlich auf das innere Zeugnis des Geistes ankommt?
Das gilt z.B. für die Frage der Verdienstlichkeit der Werke: es gibt in der Schrift viele Stellen, die den Werken Verdienst zusprechen, aber auch solche, die eindeutig jeglichen Verdienstgedanken ablehnen. Zwingli löst dieses Problem dadurch, dass der Glaube sagt, wir seien unnütze Knechte; dass aber den Werken Verdienst und Lohn versprochen wird, it Gottes Großzügigkeit für die Schwachen. Commentarius, de eucharistia; 1525; CR III,790.
"Primum quod fidem, quae in deum
fiducia est, nemo nisi spiritus sanctus dat, nulla res externa.
Quamvis faciant fidem sacramenta, sed historicam: omnes enim
panegyres, tropaea, imo monumenta et statuae fidem historicam
faciunt, hoc est, monent olim aut quiddam esse factum cuius memoria
refricetur ... aut victoriam isthic loci partam esse, sicut est lapis
adiutorii." (Fidei expositio; praesentia corporis Christi; 1531; SS IV,55). |
"Erstens dass den Glauben, der Vertrauen auf Gott ist, niemand als der Heilige Geist gibt, keine äußerliche Sache. Dies obwohl die Sakramente einen Glauben machen, aber den historischen: denn alles Feste, Siegeszeichen, ja Monumente und Statuen machen einen historischen Glauben, d.h. sie erinnern, dass entweder einst etwas getan wurde, dessen Gedächtnis aufgefrischt wird ... oder dass an jener Stelle ein Sieg errungen wurde, wie z.B. der Stein der Hilfe [1Sam 7,12]." |
Z.B. Hört das Gehör die Einsetzungsworte
und ist darum in seiner Wahrnehmung mit dem Glauben konform, dann hemmt das
Gehör den Glauben nicht durch eigene leichtfertige Gedanken: Fidei expositio,
quae sacramentorum virtus; 1531; SS IV,57f.
"Fides enim, inquiunt, quum huius
placiti confirmationem postulas, est rerum invisibilium, non
attendentes, baptismum nulli dari nisi aut fidem prius sese habere
fateatur si est adultus; aut promissionem habeat cuius virtute ad
ecclesiam censeatur, si est infans. Ut sic omnino istud, quod
Sacramentarii invisibilter hic adferri sacramento contendunt, dudum
sit allatum. Aut enim is qui fatetur fidem, habuit antequam
fateretur et subinde antequam baptizeretur: professio enim antecedit
mersionem; et sic adfuit fides quae luce ac dono spiritus data est,
antequam sacramento initiaretur. Aut si non habuit fidem, certe
baptismo non adfertur." (De providentia, de fide; 1529; SS IV,119f.) |
"Wenn du den Beweis für diese Meinung forderst, sagen die Sakramentierer: Der Glaube ist der Dinge, die nicht gesehen werden. Sie beachten nicht, dass die Taufe niemandem gegeben wird, es sei denn, er habe vorher bekannt, dass er den Glauben habe — wenn er erwachsen ist —, oder er habe die Verheißung, kraft derer er zur Kirche gezählt wird — wenn es ein Kind ist. So ist all das, was die Sakramentierer durch das Sakrament unsichtbarerweise geschehen lassen wollen, schon vorher da. Entweder hatte nämlich der, der den Glauben bekennt, diesen schon bevor er ihn bekennt, also auch bevor er getauft wird; denn das Bekenntnis ist vor der Tauchung; und so war der Glaube, der im Licht und als Gabe des Geistes gegeben ist, da, bevor er durch das Sakrament hätte anfangen können. Oder, wenn er keinen Glauben hatte, dann wird dieser auch durch die Taufe nicht herbeigebracht." |
Bei den Kindern dagegen, die ja noch nicht glauben können, geht nicht der Glaube, sondern die Verheißung Gottes voraus.
"Quum igitur Hebraeorum infantes semper
sint intra ecclesiam censi cum parentibus et promissio divina firma
sit: constat infantes Christianorum non minus esse de ecclesia
Christi quam parentes." (De providentia, de fide; 1529; SS IV,120). |
"Da also die Kinder der Hebräer immer zur Kirche gerechnet wurden mit ihren Eltern, und da die göttliche Verheißung fest ist, steht fest, dass die Kinder der Christen nicht weniger zur Kirche gehören als ihre Eltern." |
Die Verheißung Gottes ist aber, dass Juden und Heiden in er Kirche gleich
sein werden. Für die Juden galt aber, dass die Zugehörigkeit der Eltern zum
heiligen Volk auf die Kinder übergeht, also gilt das auch für alle Christen (De providentia, de fide; 1529; SS
IV,120).
Zu seiner Auffassung vom Abendmahl gelangte Zwingli vor allem aufgrund
seiner Exegese des Johannesevangeliums. Z.B. Joh 6,63: "Das Fleisch ist
nichts nütze", d.h. Vertrauen auf Kreatur ist Abgötterei. Oder auch all die
Johannesstellen, die vom Weggehen Christi aus der Welt berichten: sie weisen
nach Zwingli darauf hin, dass die Menschheit Christi nicht allgegenwärtig
ist. Vgl. Fidei ratio; 1529; SS IV,11-15
Alle, die das gleiche gewisse Vertrauen auf Christus haben — also erwählt sind —, bilden den Leib Christi: die Kirche.
Unsichtbar ist diese Kirche, weil nur Gott den Glauben aller Glieder dieser Kirche kennt. Der einzelne erwählte Gläubige weiß nur, dass er selbst dazu gehört; den Glauben der anderen kann er ja nicht sehen: Fidei expositio, ecclesia; 1531; SS IV;58.
Zur sichtbaren Kirche gehören alle, die mit dem Namen Christi bezeichnet werden, das heißt die, die sich zu ihm durch Wort und Teilnahme an den Sakramenten bekennen. Zur sichtbaren Kirche gehören also die echten Gläubigen und die Heuchler: Fidei expositio, ecclesia; 1531; SS IV;58.
Abb.: Matthäus Merian (1593 - 1650): Zürich, 1642
Weil es in der sichtbaren Kirche auch Leute gibt, die nicht nur ungläubig, sondern auch widerspenstig gegen die allgemeine Ordnung sind, bedarf die Kirche der Obrigkeit, damit sie nach Röm 13,4 die Sünder strafe: Fidei expositio, ecclesia; 1531; SS IV;58f.
Prophetenamt und Obrigkeit arbeiten zusammen: sie wollen dem Wohl des Nächsten dienen.
Der Unterschied zwischen Kirche und Staat ist ein innerer: der Staatsbürger wird durch Gesetze gezwungen, dem Wohle des Nächsten zu dienen; der Gläubige liebt seinen Nächsten spontan. Vgl. Commentarius, de magistratu; 1525; CR III,867-888.
Wie wird Zwingli mit den Bibelstellen fertig, die den Werken, die nach dem Gesetz Gottes sind, Verdienst und Lohn verheißen, z.B. Mt 10,42? Siehe dazu oben 2.2.3.1. Zwingli löst das Problem mit Hilfe einer Art Akkomodationstheorie: Gott redet mit den Menschen nach ihrer Art und Weise und nennt seine Geschenke 'Lohn' oder 'Verdienst'. Dies tut er aus Güte:
Diese Akkomodation geschieht:
Rechte Gläubige dagegen tun ohne einen Blick auf die Belohnung selbstverständlich gute Werke: Fidei expositio, fides et opera; 1531; SS IV,63. Siehe oben 2.1.2.2.2. So sind gute Werke für den Menschen selbst und nach außen ein Zeichen, dass der Mensch Gott ehrt und liebt, d.h. gläubig ist.
"Sicut enim fidei tribuitur iustificatio et salus, quum ea solius sint electionis et liberalitatis divinae; fides autem electionem sic sequatur, ut qui illum habeant sciant se veluti per sigillum ac pignus electos esse: sic qui fidei opera faciunt experimentum dant quum sibi ipsis, dum liberaliter et ex amore dei ac proximi, non vana gloria, operantur; tum aliis, quod deum colant, hoc est quod fidem habeant." (De providentia, de fide; 1529; SS IV,124).
"So wird nämlich dem Glauben die Rechtfertigung und das Heil zuteil, da diese allein auf der Wahl Gottes und seiner Freigebigkeit beruhen. Der Glaube aber folgt der Wahl so, dass diejenigen, die glauben, wissen, dass sie wie durch ein Sigel oder Unterpfand erwählte sind. So geben diejenigen, die die Werke des Glaubens tun, einen Erfahrungsbeweis
- sich selber, wenn sie großmütig und aus Liebe zu Gott und dem Nächsten, nicht aus eitler Ruhmsucht, wirken
- den anderen, dass sie Gott ehren, d.h. dass sie Glauben haben."
Zu: Rechtfertigender Glaube (fides iustificans) bei Martin Luther, 1. Teil: Empirisch-psychologische Bestimmung des Glaubens