Menora -- der siebenarmige Leuchter nach Sacharja 4,2
Zitierweise / cite as:
Payer, Alois <1944 - >: Judentum als Lebensform. -- 7. Gebete. -- Fassung vom26. April 1999. -- (Materialien zur Religionswissenschaft). -- URL: http://www.payer.de/judentum/jud507.htm. -- [Stichwort].
Erstmals publiziert: 21. Februar 1998
Überarbeitungen: 26. 4. 1999 [Hinzufügung von Buchbestell-Links zu amazon.de]
Anlaß: Lehrveranstaltung Wissenschaftskunde Religionswissenschaft / Theologie, HBI Stuttgart, WS 1995/96
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Traditionellerweise unterscheidet man bei den Gebetbüchern:
Aus der Fülle von Gebetbüchern habe ich folgende zwei verwendet, die neben dem hebräischen (und aramäischen) Text auch deutsche Übersetzungen enthalten:
Abb.: Rückentitel des Sidur Sefat Emet
Sidur Sefat Emet / mit deutscher Übersetzung von S. Bamberger. -- Basel : Goldschmidt, ©1995. -- 340 S. -- ISBN 3-85705-017-4. -- [Gebetbuch der deutschen Neoorthodoxie]
Abb.: Seder hat-tefillôt
Seder hat-tefillôt : das jüdische Gebetbuch / hrsg. von Jonathan Magonet ... -- Gütersloh : Gütersloher Verlagshaus, 5758 = 1997. -- 2 Bde. -- Einheitssachtitel: Forms of prayer for Jewish worship. -- ISBN 3-579-02216-4. -- [Gebetbuch der Reformjuden. Deutsche Teilausgabe der Gebetbücher der Reform Synagogues of Great Britain (RSGB)]. --{Wenn Sie HIER klicken, können Sie dieses Buch direkt bei amazon.de bestellen}
Abb.: Seder hat-tefillôt, Bd. 1: Nachmittagsgebet für Wochentage
Gebetsrichtung ist in Richtung Israel (d.h. im Westen nach Osten), in Israel in Richtung Jerusalem, in Jerusalem in Richtung Tempelberg. Wenn man sich über die Richtung im Unklaren ist, soll man sein Herz dem Vater im Himmel zuwenden.
Die vorschriftsmäßige Gebetshaltung ist das Stehen. Da der Synagogengottesdienst immer länger dauerte, wurden die meisten Gebete im Sitzen gesprochen und nur noch wichtige Gebete im Stehen. Manche Juden schunkeln beim Beten. Dafür gibt es verschiedene Erklärungsversuche.
Für Orthodoxe und viele Konservative gilt:
"Obgleich die Halacha entschieden hat, daß man in jeder Sprache beten kann und daß der Einzelne dies tun darf, wenn er allein betet, ist es äußerst wichtig, daß eine Gemeinschaft und Gemeinde nicht von dem Brauch abweicht, den öffentlichen Gottesdienst in Hebräisch, der heiligen Sprache, abzuhalten." [Donin, Chajim Halevy: Jüdisches Leben. -- Jerusalem : Zionistische Weltorganisation, ©1987. -- Einheitssachtitel: To be a Jew. -- S. 186. --{Wenn Sie HIER klicken, können Sie dieses Buch direkt bei amazon.de bestellen}]
Reformjuden verwenden oft die Landessprache.
"Die Gebete werden dreimal am Tag gesprochen: am Morgen, am Nachmittag und am Abend. Man kann allein zu Hause beten oder im Gottesdienst. Die Mindestzahl für einen Gottesdienst sind zehn Männer über dreizehn Jahre (Minjan). Selbst wenn dreihundert Frauen und neun Männer versammelt wären, wäre das Quorum nicht erreicht. Zu einem ordnungsgemäßen Gottesdienst gehören bestimmte Gebete wie das Kaddisch und (je nach Anlaß) eine Lesung aus dem Pentateuch, welche der einzelne zu Hause oder eine Gemeinde, die nicht die vorgeschriebene Zahl erwachsener Männer umfaßt, nicht vollziehen können. Ein Rabbiner oder Geistlicher ist weder für die Abhaltung des Gottesdienstes noch als Mittler für die Gemeinde vonnöten. Der Gottesdienst kann außerdem an jedem beliebigen Ort stattfinden: im Zug, im Flugzeug oder unter freiem Himmel, wenn das Wetter mitmacht; es bedarf dazu keiner Synagoge. Bei den Anlässen, bei denen eine Lesung aus der Gesetzesrolle vorgeschrieben ist, wäre es allerdings etwas peinlich, ohne Lade auskommen zu müssen, in der die Gesetzesrolle (Sefer Tora) aufbewahrt wird: Die israelische Armee hat aus diesem Grunde eigens eine tragbare Lade entwickelt,mit der dieses Problem zu meistern ist." [Meek, Harold A.: Die Synagoge. -- München : Knesenbeck, 1996. -- ISBN 3-89660-012-5. -- S. 10-12. --{Wenn Sie HIER klicken, können Sie dieses Buch direkt bei amazon.de bestellen}]
"Frauen sind weder zu formellem Gottesdienst noch zu den festen Zeiten der drei Gebete verpflichtet. Auch wird nicht von ihnen verlangt, am öffentlichen Gottesdienst teilzunehmen. Die feststehende Regel, daß Frauen allgemein von positiven Geboten, die an eine feste Zeit gebunden sind, dispensiert sind, berücksichtigt die primäre Verantwortung der Frau als Ehefrau und Mutter. Von einer Frau, die zum Beispiel ein Kind stillt, wird nicht erwartet, daß sie alles stehen und liegen läßt, um eine feste Gebetszeit einzuhalten. Vom Mann wird erwartet, daß er seine Zeiteinteilung und seine Arbeit so arrangiert, daß er seinen religiösen Verpflichtungen nachkommen kann. Und wenn auch nicht alle Frauen ihr ganzes Leben lang solche Verantwortung tragen, kann das Gesetz keinen Unterschied machen zwischen denen, die sie haben, und denen, die davon frei sind -- und so wird die Ausnahme vom Beobachten mancher Gebote auf alle Frauen ausgedehnt.
Frauen sind verpflichtet zu beten, aber sie können es jederzeit tun und allein, ohne am öffentlichen Gottesdienst teilzunehmen. Wenn es auch lobenswert ist, daß sie sich bemühen, am Sabbat und an den Festtagen die Synagoge zu besuchen -- und gesetzestreue jüdische Frauen tun das gewöhnlich -- so ist ihre Teilnahme doch keine religiöse Pflicht." [Donin, Chajim Halevy: Jüdisches Leben. -- Jerusalem : Zionistische Weltorganisation, ©1987. -- Einheitssachtitel: To be a Jew. -- S. 173. --{Wenn Sie HIER klicken, können Sie dieses Buch direkt bei amazon.de bestellen}]
Das Morgengebet besteht aus (im Einzelnen bestehen Unterschiede zwischen den einzelnen Gebräuchen):
1. Begrüßung des Gotteshauses mit den Bibelversen Numeri 24,5; Psalm 5,8; Psalm 69,14
2. Mittelalterliche Hymne Adon olam -- "Herr der Welt"
3. Birchot haschachar -- Morgenbenediktionen, u.a.:
Mein Gott! Die Seele, die du mir rein gegeben, du hast sie geschaffen, du hast sie gebildet, du hast sie mir eingehaucht, und du hütest sie in mir, du wirst sie einst von mir nehmen und sie mir wiedergeben in der zukünftigen Welt. So lange die Seele in mir ist, danke ich dir, Ewiger, mein Gott und Gott meiner Väter, Meister alles Werke, Herr aller Seelen. Gelobt seist du, Ewiger der die Seelen zurückgibt den toten Leibern. |
Gelobet seist du, Ewiger, unser Gott, König der Welt, der dem Hahne Erkenntnis
gegeben, zu unterscheiden zwischen Tag und Nacht. Gelobet seist du, Ewiger, unser Gott, König der Welt, der mich nicht als Heiden erschaffen. Gelobet seist du, Ewiger, unser Gott, König der Welt, der mich nicht als Sklaven erschaffen. Gelobet seist du, Ewiger, unser Gott, König der Welt, der mich nicht als Weib erschaffen Statt
des letzten Lobspruches beten Frauen: . . . |
4. Meditationen und Bitten
5. Segen über die Thora:
|
6. Thoralernen: Lesung einiger Schriftstellen. Man legt nun Tallit (Gebetsschal) und Tefillin (Gebetsriemen) an
7. Pesuke desimra -- die Verse des Gesangs:
7.1. Einführungssegen: im Stehen:
Gesegnet sei Er, der da sprach und die Welt erstand. Gesegnet sei Er. Gesegnet sei Er,
der da spricht und tut. Gesegnet sei Er ... Gesegnet seist DU, unser Gott, König der Welt, Gott, barmherziger Vater ... Wir wollen Dich mit den Liedern Deines Dieners David preisen ... Gesegnet ... der durch Lobgesänge Gepriesene. |
7.2. Loblieder: 1. Chronik 16, 8-36; Psalm 100
7.3. Am Sabbat und an Festtagen werden folgen weitere Psalmen gebetet: Psalm 19; Psalm 34; Psalm 90; Psalm 91; Psalm 135; Psalm 136; Psalm 33; Psalm 92; Psalm 93 ...; Psalm 145; Psalm 146-150 ...
8. Tefillat haschachar -- das Hauptstück des Morgengebets
8.1. Aufruf zum Gebet:
Vorbeter: "Segnet IHN, den Gesegneten." Gemeinde und Vorbeter: |
8.2. Erste Benediktion auf Gott den Schöpfer des Lichts des neuen Tages
8.3. Zweite Benediktion auf Gottes Liebe, die ihren Ausdruck in der Thora findet
8.4. Schema Jisrael -- "Höre Jisrael"
Höre Israel, der Ewige ist Gott, der Ewige ist einzig. Deuteronomium 6,4 Gepriesen sei Gottes ruhmreiche Herrschaft immer und ewig! Darum sollst du den Ewigen, deinen Gott, lieben mit ganzem Herzen, mit ganzer Seele und mit ganzer Kraft. Diese Worte, auf die ich dich heute verpflichte, sollen auf deinem Herzen geschrieben stehen. Du sollst sie deinen Kindern erzählen. Du sollst von ihnen reden, wenn du zu Hause sitzt und wenn du auf der Straße gehst, wenn du dich schlafen legst und wenn du aufstehst. Du sollst sie als Zeichen um dein Handgelenk binden. Sie sollen als Merkzeichen auf deiner Stirn sein. Du sollst sie auf die Türpfosten deines Hauses und in deine Tore schreiben. Deuteronomium 6, 5 - 9 In Stille: Deuteronomium 11, 13 -21 Der Ewige sprach zu Mose: rede zu den Kindern Israels und sage ihnen, sie sollen sich Quasten an die Enden ihrer Gewänder nähen, von Generation zu Generation. An den Quasten sollen sie einen blauen Faden anbringen-. Es sollen Merkquasten für euch sein: Wenn ihr sie seht, dann sollt ihr euch an die Gebote des Ewigen erinnern und sie tun. Ihr sollt eurem Herzen und euren Augen nicht nachgeben, wenn sie euch zur Untreue verleiten wollen. Durch sie erinnert ihr euch an alle meine Gebote und werdet sie beachten und so eurem Gott heilig sein. Ich bin der Ewige, euer Gott; ich habe euch aus Ägypten herausgeführt, um für euch Gott zu sein. Ich bin der Ewige, bin euer Gott. Numeri 15, 37 - 41 [Übersetzung nach: Seder hat-tefillôt. -- Bd. 1. -- S. 43ff.] |
8.5. Geulla -- Segnung nach dem Schema
8.6. Amida -- das Stillgebet = Schemone Esre -- das Achtzehngebet
Amida -- das Achtzehngebet Herr, öffne meine Lippen Gepriesen seist du, Ewiger, unser Gott und Gott unsrer Väter, Gott Abrahams, Gott Isaaks und Gott Jaakobs, großer, mächtiger und furchtbarer Gott, höchster Gott! der Gnade und Güte erweist und erschuf das All und gedenkt der Liebe der Väter, und bringt den Erlöser ihren Kindeskindern um seines Namens willen in Liebe. König, Helfer, Retter und Schild! Gepriesen seist du, Ewiger, Schild Abrahams. Du bist mächtig in Ewigkeit, Herr! Die Toten belebst du, stark in Hilfe. Die Lebenden erhältst du in Gnade, die Toten belebst du in großem Erbarmen -- stützest die Fallenden, heilest die Kranken, lösest die Gefangenen und hältst Treue den in Staub Schlafenden. Wer ist wie du, Herr der Gewalten, und wer gleicht dir? König, der tötet und belebt und sprossen läßt das Heil. Getreu bist du, die Toten zu beleben. Gepriesen seist du, Ewiger, der die Toten belebt. Du bist heilig, dein Name ist heilig, und die Heiligen loben dich jeden Tag. Gepriesen seist du, Ewiger, heiliger Gott. Du begnadest den Menschen mit Erkenntnis und lehrest den Menschensohn Verstehen. Schenk uns von dir Erkenntnis, Verstehen und Wissen. Gepriesen seist du, Ewiger, der begnadet mit Erkenntnis. Bring uns zurück, unser Vater, zu deiner Lehr und nähere uns, unser König, deinem Dienst. Und führe uns zurück in vollkommener Rückkehr zu dir. Gepriesen seist du, Ewiger, dem die Rückkehr gefällt. Vergib uns unser Vater, denn wir haben gesündigt, verzeih uns, unser König, denn wir haben uns verschuldet; denn vergebungsvoll bist du und verzeihst. Gepriesen seist du, Ewiger -- Gnädiger, der so oft vergibt. Sieh unsre Armut und streite unsern Streit und erlöse uns bald um deines Namens willen, denn ein starker Erlöser bist du. Gepriesen seist du, Ewiger, der Israel erlöst. Heile uns, Gott, so sind wir geheilt, hilf uns, so ist uns geholfen! und bring vollkommene Heilung all unsern Leiden. Denn du, Gott, König, bist ein treuer und erbarmungsvoller Arzt. Gepriesen seist du, Ewiger, der die Kranken seines Volkes Israel heilt. Segne uns, Herr unser Gott, dieses Jahr und alle Arten seines Ertrags zum Guten, gib Segen auf die Erde und sättige uns mit deinem Gut, und segne unser Jahr wie die guten Jahre. Gepriesen seist du, Ewiger, der die Jahre segnet. Blase die große Posaune unsrer Freiheit und erhebe das Zeichen, unsre Verbannten zu sammeln, und sammle uns alle von den vier Enden der Erde. Gepriesen seist du, Ewiger, der da sammelt die Zerstreuten seines Volkes Israel. Bring zurück unsre Richter wie vordem und unsre Berater wie einst, laß von uns weichen Kummer und Seufzen und herrsche über uns du Gott allein in Liebe und Erbarmen, und rechtfertige uns im Gericht. Gepriesen seist du, Ewiger, König, der Gerechtigkeit liebt und Gericht. Den Verleumdern sei keine Hoffnung und alle Übeltäter vergehen im Augenblick, alle werden sie schnell vertilgt und die Frevler reißest du schnell aus und zerbrichst und stürzest und beugst -- bald, in unsern Tagen. Gepriesen seist du, Ewiger, der die Feinde bricht und die Frevler beugt. Über die Gerechten und die Frommen und die Ältesten deines Volkes, des Hauses Israel, und über den Rest seiner Schriftgelehrten und die frommen Fremden und über uns rege sich dein Erbarmen, Herr unser Gott. Und gib schönen Preis allen, die wahrhaft auf deinen Namen vertrauen. Und gib unser Teil mit ihnen ewiglich, daß wir nicht zuschanden werden, denn auf dich vertrauen wir. Gepriesen seist du, Ewiger, Stütze und Zuflucht der Gerechten. Nach Jerusalem deiner Stadt kehre zurück in Erbarmen und wohne in ihrer Mitte wie du gesprochen. Und baue sie bald, in unsern Tagen, einen ewigen Bau, und den Thron Davids richte bald auf in ihrer Mitte. Gepriesen seist du, Ewiger, der Jerusalem baut. Den Sproß Davids, deines Knechtes, laß bald sprossen und erhebe seine Macht in deinem Heil, denn auf dein Heil hoffen wir jeden Tag. Gepriesen seist du, Ewiger, der das Heil sprossen läßt. Hör unsre Stimme, Herr unser Gott, schone, erbarme dich über uns und empfange in Barmherzigkeit und Wohlgefallen unser Gebet, denn du, Gott, hörst Gebet und Flehen. Und laß uns, o unser König, nicht leer von dir zurückkehren, denn du hörst das Gebet deines Volkes Israel in Erbarmen. Gepriesen seist du, Ewiger, der auf Gebet hört. Habe Gefallen, Herr unser Gott, an deinem Volk Israel und seinem Gebet. Bringe den Gottesdienst zurück zu dem Heiligtum deines Hauses, und die Opfer Israels und ihr Gebet empfange in Liebe und Wohlgefallen -- und zu ständigem Wohlgefallen sei der Dienst Israels, deines Volkes. O daß unsre Augen schauen mögen wie du nach Zion zurückkehrst in Erbarmen. Gepriesen seist du, Ewiger, der seine Gegenwart zurückkehren läßt nach Zion. Wir danken dir, denn du bist der Herr unser Gott und Gott unsrer Väter ewiglich. Fels unsres Lebens, Schild unsres Heils bist du von Zeitalter zu Zeitalter. Wir danken dir und erzählen deinen Ruhm -- für unser Leben, das in deine Hand gegeben und unsre Seelen, die dir anvertraut und deine Zeichen, die jeden Tag bei uns sind und deine Wunder und Güte zu jeder Zeit, Abend, Morgen und Mittag. O Gütiger, niemals vergeht dein Erbarmen, o Erbarmender, niemals vergeht deine Gnade! seit Ewigkeit harren wir dein. Für dies alles sei dein Name gepriesen und erhoben, o unser König, immer und in Ewigkeit. Alles Leben dankt dir und preist deinen Namen in Wahrheit. O Gott, unser Heil und unsre Hilfe! Gepriesen seist du, Ewiger -- Gütiger ist dein Name und dir gebührt Dank. Gib Frieden, Gutes und Segen, Gnade, Liebe und Erbarmen uns und deinem ganzen Volk Israel. Segne uns, unser Vater, uns alle zusammen mit dem Licht deines Angesichts, denn im Licht deines Angesichts gabst du uns, Herr unser Gott, eine Lehre des Lebens, Liebe voll Gnade und Milde und Segen und Erbarmen und Leben und Frieden. Es gefalle dir, dein Volk Israel zu segnen zu jeder Zeit und zu jeder Stunde mit deinem Frieden. Gepriesen seist du, Ewiger, der sein Volk Israel segnet mit Frieden. [Übersetzung: Schubert-Christaller, Else: Der Gottesdienst der Synagogen. -- Gießen : Töpelmann, 1927. -- Zitiert in: Geis, Robert Raphael: Vom unbekannten Judentum. -- Freiburg [u.a.] : Herder, ©1961. -- (Herder-Bücherei ; 102). -- S. 24-26.] |
8.9. Tachanunim -- Bußgebete
8.10. Hallel -- Lobpsalmen (Psalm 113 - 118)
8.11. Thoralesung (am Montag, Donnerstag, Schabbat, Festtagen)
9. Abschlußgebete, u.a.
9.1. Kaddisch
Kaddisch Daß gehöht Daß bedankt Sein großer Friede komm' von oben Übersetzung: Franz Rosenzweig. -- In: Gabe für Rabbiner Dr. Nobel. --
Frankfurt, 1921. |
9.2. Alenu
"Uns liegt ob, zu preisen den Herrn des Alls, Größe zu geben dem Urschöpfer der Welt: Denn nicht machte ER uns wie die Völker der Länder, nicht bestimmte ER uns wie die Stämme der Erde; denn nicht maß ER unser Teil wie das ihre noch unser Los wie all ihre Fülle; sie beten ja an das Nichtige und Eitle, sie flehen zu dem, der nicht hilft! Während wir uns beugen und anbeten und danken, vor seiner Macht. ER ist unser Gott, es gibt keinen sonst, in Wahrheit unser König, es gibt keinen außer IHM, wie es in seinem Gesetze geschrieben steht: »So wisse heuttags, laß ins Herz die einkehren, daß ER der Gott ist, im Himmel ringsoben, auf Erden ringsunten, keiner sonst.« Und darum warten wir, Ewiger, unser Gott, bald zu schauen die Verherrlichung deiner Macht, abzutun die Götzen, weg von der Erde, und die Nichtse, vertilgt sollen sie werden; zu ordnen die Welt durch das Reich des Allmächtigen, und alle Menschenkinder sollen anrufen deinen Namen; zu dir wenden alle Bösen der Erde; es sollen erkennen und wissen alle Bewohner des Erdkreises: daß dir sich beugt jedes Knie, daß dir schwört jede Zunge; vor dir, Ewiger, unser Gott sollen sich beugen und niederfallen und der Ehre deines Namens Verehrung zollen und aufnehmen sie alle das Joch deines Reiches, und du sollst herrschen über sie bald für immer und ewig; denn das Reich ist dein, und du wirst herrschen in Ehre bis in alle Ewigkeit, wie es heißt: »König bleibt ER alle Ewigkeit.«" |
Wegen des Satzes im Alenugebet: sie beten ja an das Nichtige und Eitle, sie flehen zu dem, der nicht hilft "haben die deutschen Juden Jahrhunderte zu leiden gehabt. Ein getaufter Jude brachte die Lawine ins Rollen, um etwa 1400 war es, daß er auftrat und, sei es aus Übereifer, im Beweis seiner neuen Zugehörigkeit, sei es zur Verwischung seiner Herkunft, gegen die Juden zeugte, daß dieser Satz gegen die Christen und ihren Gott gerichtet wäre. Wir wissen nicht, wieviel jüdisches Blut wegen dieser Worte vergossen worden ist, bis man den Satz aus dem Gebet strich. Aber damit war dem einmal entfachten Haß noch nicht genug getan, um 1700 brachte der Judenfresser Eisenmenger [Johann Andreas Eisenmenger <1654 - 1704>: Entdecktes Judentum, 1700] auch die Beschuldigung gegen das Alenugebet von neuem auf ... Welche Wirkung jedenfalls die Mißdeutung des einen, seit langem nun nicht mehr in den Gebetbüchern vorhandenen Satzes noch in den Zeiten beginnender Aufklärung hatte, geht daraus hervor, daß der König von Preußen [Friedrich I] 1703 ein »Edict wegen des Judengebets Alenu und daß sie einige Worte auslassen, nicht ausspeyen, noch darbey hinwegspringen sollen« erließ" [Hirsch, Leo <1903 - 1943>: Jüdische Glaubenswelt. - Gütersloh : Bertelsmann, 1966. - S. 32]
Das Nachmittagsgebet besteht an gewöhnlichen Werktagen aus:
Als Beispiel das Abendgebet für Wochentage nach dem Ritus der Reform Synagogues of Great Britain:
Außer durch formelle Gebete und Gottesdienste halten fromme Juden das Gefühl der Allgegenwart Gottes wach durch Segenssprüche bei allen möglichen Gelegenheiten, besonders auch bei den Mahlzeiten.
Hier einige Beispiele:
Gelobt seist Du, Ewiger, unser Gott, König der Welt, der uns hast Leben und Erhaltung gegeben und uns hast diese Zeit erreichen lassen. |
Gelobt seist Du, Ewiger, unser Gott, König der Welt, der Sterblichen von Seiner Weisheit verliehen |
Gelobt seist Du, Ewiger, unser Gott, König der Welt, der ein Richter der Wahrheit ist |
"Ein Jude ißt nichts, ohne zuvor den Segen darüber gesprochen zu haben, und bevor er eine Mahlzeit zu sich nimmt, wäscht er sich, und nachdem er gegessen hat, tut er desgleichen ... vor jeder regulären Mahlzeit aber, die man immer mit Brot beginnt, wäscht man sich und spricht dann die besondere Segnung, sofern man Brot von der Mindestmenge eines Eies verzehrt. Diese Zeremonie wird auf den König Salomo zurückgeführt. Man gießt klares, reines, frisches Wasser in ein Glas oder einen Krug und überschüttet damit zweimal die rechte und zweimal die linke Hand. Während des Abtrocknens der Hände spricht man den Segensspruch 'über das Waschen der Hände' und darf sonst kein Wort sprechen bis man 'Hamozi' gemacht hat. Man setzt sich zu Tisch, schneidet oder bricht ein Stück Brot, tunkt es in Salz, spricht den Segen:
Gepriesen seist du, Ewiger, unser Gott, König der Welt, der hervorbringt (hamozi) Brot aus der Erde |
und man ißt das Brot, und nun hat das Mahl begonnen, man darf essen und trinken ohne weiterhin die besonderen Berachot (Segenssprüche zu sprechen), die man sonst vor jedem Genuß zu sagen hat. ... Nach der Mahlzeit gießt man wieder Wasser über die Finger, und dann folgt das 'Benschen' (benedicere), der Tischdank (dessen schöne Verdeutschung von Franz Rosenzweig wir zitieren). Alles Abgegessene ist abgeräumt, nur Brot und Salz bleiben auf dem Tisch, wie um zu zeigen, wofür man Gott dankt. Haben wenigstens drei Männer am Tisch gespeist und hätte einer von ihnen auch nur den anderen, dem Benschen zuliebe ein weniges genossen, so fällt ihnen die schöne Pflicht zu, gemeinsam (Mesuman) zu 'benschen', und einem von ihnen erteilt der Hausherr die Ehre, den Tischdank laut vorzubeten, während die andern leise mitsprechen und nur am Ende jeden Beracha mit dem Amen einfallen.
Wenn also drei Erwachsene bei Tische sind, so beginnt der Sprecher:
Meine Herrn, wir wollen danken. |
Und die andern antworten:
Sei Gottes Name gelobt von nun auf ewig. |
Darauf der Sprecher, nachdem er die Antwort wiederholt hat:
Auf Beschluß des Herrn: Wir wollen loben, aus des Vorrat wir gespeist. |
Und die andern:
Lob ihn, aus dessen Vorrat wir gespeist, und von dessen Gut wir leben |
Was der Sprecher wiederholt und fortfährt (wer allein benscht, beginnt erst hier):
Lob IHM, seinem Namen Lob. Lob nun, ja Lob dir o Gott, unser Gott und König des All du. Der lädt seine Welt all Tage Zu Mahle In Liebe, in Güte und Milde. Brot teilt er aus unter all Geschöpf, Denn ohn' Ende liebt er. Und aus seiner großen Güte Mangelte nimmer noch mangelt uns Speise zu jeglicher Zeit, Um seines Namens Größe. Denn er speist und pflegt alle Welt, Tut wohl aller Welt, Und richtet Speise allem Geschöpf, Das ER erschuf. Lob drum, ja Lob dir, o Gott, der speist das All. So danken wir dir, Gott unser Gott, Daß du beschieden unsern Vätern Land schön, fruchtbar, weit, Und heraus uns geführt, Gott unser Gott, aus Ägypterland, Und uns erlöst aus dem Diensthaus, Und für den Bund, den ins Fleisch du uns prägtest, Und für dein Gesetz, das du uns lehrtest, Und für deine Ordnung, die du uns kundtatst, Und für dein Leben, deine Liebe, deine Güte uns vergönnt, Und für den Tisch, den du uns deckst. Und bist unser Pfleger immerfort, Jeden Tag, allzeit, alle Stunde." |
An verschiedenen Festtagen und Sabbaten folgen hierauf festspezifische Gebete.
[Hirsch, Leo <1903 - 1943>: Jüdische Glaubenswelt. - Gütersloh : Bertelsmann, 1966. - S. 63 - 65]
Zum nächsten Abschnitt: 8. Der Sabbat