Kauţilîya-arthaśâstra

Eine Einführung

2. Autor und Entstehungszeit: die Argumentation R. P. Kangle's


von Alois Payer

mailto: payer@payer.de


Zitierweise / cite as:

Payer, Alois <1944 - >: Kauţilîya-arthaśâstra : eine Einführung. -- 2. Autor und Entstehungszeit: die Argumentation R. P. Kangle's. -- Fassung vom 2002-11-04. -- URL: http://www.payer.de/kautilya/kautilya02.htm. -- [Stichwort].

Erstmals publiziert: 2002-11-04

Überarbeitungen:

Anlass: Lehrveranstaltung WS 2002/03

Unterrichtsmaterialien (gemäß § 46 (1) UrhG)

©opyright: Dieser Text steht der Allgemeinheit zur Verfügung. Eine Verwertung in Publikationen, die über übliche Zitate hinausgeht, bedarf der ausdrücklichen Genehmigung der Herausgeberin.

Dieser Teil ist ein Kapitel von: 

Payer, Alois <1944 - >: Kauţilîya-arthaśâstra : eine Einführung. -- 1. Einleitung. -- URL: http://www.payer.de/kautilya/kautilya01.htm.

Dieser Text ist Teil der Abteilung Sanskrit  von Tüpfli's Global Village Library.


Grundlage:

Kau.tilya: The Kau.tilîya artha´sâstra / R. P. Kangle [1899 - ]. - Bombay : Univ. of Bombay. -- Part III: A study. -- 1965. -- 302 S. -- (University of Bombay studies : Sanskrit, Prakrit and Pali ; 3). -- Besonders S. 19 -39; 59 -115.


 

0. Übersicht



1. Status quaestionis


Der qualifizierteste Vertreter der Einheitlichkeit des Textes des Artha´sâstra und Kau.tilya 's als Verfasser ist R. P. Kangle (geboren 1899), der Herausgeber einer vorbildlichen Textausgabe und Übersetzung.

Zur Person R. P. Kangles siehe: Exkurs: Rajadhyaksha, M. V.: Professor R. P. Kangle. -- URL: http://www.payer.de/Kau.tilya/Kau.tilya02a.htm

Im Gegensatz zu den meisten anderen indischen Autoren kennt Kangle auch Arbeiten europäischer Autoren, die nicht in Englisch abgefasst sind, insbesondere die an Anregungen reiche Übersetzung von J . J . Meyer.


2. Das Argumentationsmuster Kangle's


Kangle 's Argumentation lässt sich in folgender Weise systematisch - fast als Syllogismus - darstellen. Leider wird dies in Kangle 's Text nicht so offenkundig, so dass ich es für sinnvoll halte, das Argumentationsschema Kangle 's explizit darzustellen:

  1. Grundsatz: Ohne gewichtige Gründe dürfen wir eine einmütige indische Tradition nicht verwerfen. Sonst sind wir skeptisch, nicht kritisch (Jacobi).
  2. Die indische Tradition ist aber, dass Kau.tilya = Cânakya = Vi.s.nugupta, der Minister des Candragupta Maurya, der Verfasser des Artha´sâstra ist.
  3. Und: die Argumente, dass Kau.tilya = Cânakya nicht der Verfasser ist, ziehen nicht.
  4. Daneben gibt es positive Gründe, um den Zeitpunkt der Abfassung des Kau.tilya einzukreisen.
  5. Also: der Text ist in der Zeit entstanden, in die er durch die Tradition verwiesen wird.
  6. Die genannten Gründe sprechen dafür, dass das Artha´sâstra ein Werk des Kau.tilya = Cânakya ist, falls es das ursprüngliche Werk -- und keine spätere redaktionelle Bearbeitung -- ist. Also müssen alternative Möglichkeiten ausgeschlossen werden. Alternative Möglichkeiten werden ausgeschlossen.
  7. Also: mit Ausnahme von Kau.tilya 1.1.18 -- das vielleicht ein späterer Einschub ist -- und dem Hinweis im Da´sakumâracarita -- der sich vielleicht auf Kau.tilya 1.1.18 bezieht oder aus dem Kau.tilya 1.1.18 stammt -- gibt es keine Gründe, anzunehmen, dass uns nicht im wesentlichen das einheitliche Werk eines Autors vorliegt., welches eine Kompilation durch Kau.tilya = Cânakya = Vi.s.nugupta ist.

Im Folgenden Kangle's Argumentationsschritte im Einzelnen:


3. Grundsatz: Ohne gewichtige Gründe dürfen wir eine einmütige indische Tradition nicht verwerfen. Sonst sind wir skeptisch, nicht kritisch (Jacobi).


Kangle bezieht sich auf Jacobi, H. -- In: Zeitschrift der Deutschen Morgenländischen Gesellschaft. -- 68. -- S. 605


4. Die indische Tradition ist aber, dass Kau.tilya = Cânakya = Vi.s.nugupta, der Minister des Candragupta Maurya, der Verfasser des Artha´sâstra ist.


[Kangle, R. P., III, 1965, S, 59 - 61]

[Kangle, R. P., III, 1965, S. 61 lässt die Möglichkeit der Ansicht gelten, dass "there are no definite indications in the text which prove the authorship of Kau.tilya."]

Beweis:

  1. Das Kolophon Kau.tilya 15.1.73:

    yena ´sâstra.m ca ´sastra.m ca
    nanda-râja-gatâ ca bhû.h
    amar.senoddh.rtâny â´su
    tena ´sâstram ida.m k.rtam ║
    "Dieses Lehrwerk wurde von dem verfasst, der ohne Nachsicht schnell das Lehrwerk, das Schwert und die Erde, die [unter die Herrschaft] der Nandas gekommen war, gerettet hat."

     

     

  2. Kau.tilya 1.1.19
    kau.tilyena k.rtam ´sâstram
    vimukta-grantha-vistaram
    "das Lehrwerk ist, frei ist von der Weitschweifigkeit der Bücher, von Kau.tilya verfasst worden."

     

     

  3. Der Titel des Werkes "Kau.tilîya Artha´sâstra" , der in den Kolophonen der einzelnen Bücher vorkommt.
     

     

  4. Die Tatsache, dass die Meinung Kau.tilya's oft als Siddhânta nach der Kritik anderer Meinungen genannt wird.

     

     

  5. Kâmandaka, Da.n.din, Vi´sâkhadatta, das Nandisûtra, Bâ.na schreiben das Werk Kau.tilya - Cânakya zu, d.h. ab dem
    5./6. Jhdt n. Chr. wird das Werk Kau.tilya zugeschrieben. [Einzelnachweise bei Kangle, R.. P., III, 1965, S. 60 - 61.]

5. Und: die Argumente, dass Kau.tilya = Cânakya nicht der Verfasser ist, ziehen nicht.


Kangle's Argumentation ist streng auf den Wissensstand zur Zeit der Abfassung des 3, Bandes seiner Kau.tilya-Ausgabe bezogen. Neue Argumente gegen eine einheitliche Autorschaft, die erst nach diesem Zeitpunkt bekannt geworden sind, müssen also gesondert betrachtet werden.

Kangle kennt folgende Gruppen von Gegenargumenten

1. Kau.tilya war nicht Minister Candragupta's:
Gegenargument Erwiderung
1. Kau.tilya war nicht Minister Candragupta's: Weder Pa.tañjali noch Megasthenes erwähnen ihn im Zusammenhang mit dem Hof Candraguptas.

[Bezüglich Pa.tañjali: z.B. Bhandarkar, R. G. In: Proceedings of the 1st Oriental Conference. - Poona, 1919. - S. 24-25 (Zit. bei Kangle, R. P., III, 1965, S. 61f.; bezüglich Megasthenes: z..B. Winternitz, M., Bd. III, 1920, S. 519. (Zit. bei Kangle, R. P., III, 1965, S. 62).]

Pa.tañjali und Megasthenes erwähnen überhaupt keinen Minister Candraguptas; außerdem ist Megasthenes' Indika nur in Fragmenten erhalten.

[Kangle, R. P., III, 1965, S. 62.]


2. Auch wenn Kau.tilya Minister Candragupta's war, kann er nicht Verfasser des Arth´sâstra sein

Gegenargument Erwiderung
2a) Im Artha´sâstra sind weder Candragupta noch Pataliputra noch die Ausrottung der Nanda's erwähnt.

[Bezüglich Candragupta und Pa.taliputra: Jolly, J, in: Kau.tilya, vol. l, 1923, Introduction S.43 (Zit. bei Kangle, R. P., III, 1965, S. 62. Anm.. 13.); bezüglich der Nanda's: Keith, A. B.: A history of Sanskrit literature. - 2.ed. -Oxford, 1941. (Zit. bei Kangle, R. P., III, 1965, S. 62. Anrn. 14)]

Das Kau.tilîya-Artha´sâstra sind keine Memoiren, sondern ein theoretisches Werk.

[Kangle, R. P., III, 1965, S. 62 - 63.]

2b) Das Artha´sâstra ist nicht das Werk eines praktischen Staatsmannes, sondern eines pedantischen Pandit.

[Winternitz , M.: Some Problems of Indian literature. -Calcutta, 1925» ~ S „ 97. (Zit. bei Kangle, R. P., III, 1965, S. 65. Anm. 20)]

Das ist kein Gegensatz: in Indien wird von einem Minister erwartet, dass er ein Pandit ist

[Kangle, R. P-, III, 1965, S. 65]

2c) Der Verfasser des Kau.tilya gehört nach Südindien und kann keine Verbindung zu Candragupta 's Reich gehabt haben

[Jolly, J.in: Kau.tilya, vol. l, 1923, Introduction S. 43 -44 (zit„ bei Kangle, R. P., III, 1965, S« 113) und Meyer, J. J. in seiner Kau.tilya -Übersetzung S. LIV.

Die Argumente sind:
1. geographischer Horizont des Autors.
2. die einzige bekannte Handschrift des Kau.tilîya-Artha´sâstra kommt aus dem Süden.
3. Übereinstimmungen zwischen dem Südinder Baudhâyana und Kau.tilya
4. numismatische Besonderheiten.
5. der Südinder Da.n.din kennt von allen Autoren das Kau.tilîya-Artha´sâstra am besten ]

Die vorgebrachten Argumente überzeugen nicht, ja, wenn man diese Argumentationslinie einschlägt, könnte man leicht beweisen, dass Kau.tilya ein Nordinder war.

[Im Einzelnen s. Kangle, R. P., III, 1965, S. 114 - 115.]

2d) Der Text gibt im Siddhânta oft Kau.tilya in der dritten Person an«" "iti Kau.tilya" oder "neti Kau.tilya". Dies ist ungewöhnlich.

[Kangle, R. P., III, 1965, S. 101.]

Darin zeigen sich Intoleranz und Selbstbewusstsein Kau.tilyas, was gut zu seinem Charakter als Vernichter der Nandas passt.

[Kangle, R. P., III, 1965, S« 101 - 102.]


2e) Die Zustände, die im Artha´sâstra vorausgesetzt bzw.geschildert werden, sind wesentlich verschieden von denen zur Zeit Candraguptas
Gegenargument Erwiderung
2e) Die Zustände, die im Artha´sâstra vorausgesetzt bzw.geschildert werden, sind wesentlich verschieden von denen zur Zeit Candraguptas.

IM EINZELNEN:

Kau.tilya will nicht gegenwärtige Zustände schildern, sondern die traditionelle Staatslehre darlegen.

[Kangle, R. P., III, 1965, S. 67 - 68]

2e1) Kau.tilya beschäftigt sich nur mit einem relativ kleinem Staat, nicht mit einem Staat in der Größe des Maurya-Reiches. Ein zentraler Begriff ist vijigî.su, der Eroberungsbegierige.

[Kangle, R. P., III, 1965, S. 63 - 65.]

2e2) Kau.tilya und Megasthenes stimmen nicht überein

[Bes. Stein, O.: Megasthenes und Kau.tilya. - Wien, 1921. (Zit. bei Kangle, R. P., III, 1965, S. 66 - 67) auch J. Jolly, M, Winternitz, A. B. Keith gehen in diese Richtung (Nachweise bei Kangle, R. P., III, 1965, S. 67, Anm. 22.)]

Grundsätzlich ist nach Kangle, R, P., III, 1965, S. 68 - 69, dass nach O. Steins eigenen Forschungen Megasthenes alles andere als ein zuverlässiger Zeuge für die indischen Zustände ist.

Auch muss man beachten, dass Megasthenes nur in Fragmenten erhalten ist.

Auch wenn Breloer , B.- Megasthenes über die indische Gesellschaft. - In: Zeitschrift der Deutschen Morgenländischen Gesellschaft. - N.F. 13(1934). - S. 130 - 164 nach Kangle, R. P. III, 1965, S. 73 - 74 in seiner Verteidigung der Glaubwürdigkeit des Megasthenes zu einem guten Teil recht hat, bringt das wenig für die Datierung des Kau.tilya "since the latter [i.e. Kau.tilya] does not claim to describe conditions in Candragupta's kingdom."

z.B. bezüglich 1) Wall: Pa.taliputra hat hölzernen Wall, wovon Kau.tilya abrät. fraglich.

[Kangle, R. P., III, 1965, S. 69 - 70.]

2) Metallbearbeitungstechniken: bei Kau.tilya fortgeschrittener. stimmt nicht.

[Kangle, R. P., III, 1965, S. 70 - 72.]

3) Militär- und Zivilverwaltung. Megasthenes ist hierin unzuverlässig, schematisiert und ist vielleicht von den NOMOI Platons abhängig.

[Kangle, R. P., III, 1965, S. 72 - 73.]

4) Steuern: Megasthenes kennt nur wenige Steuern und Abgaben, Kau.tilya eine Unmenge. Vielleicht ist das Übrige bei Megasthenes verloren gegangen. Das Maurya-Reich hätte von fünf Steuern und Abgaben nicht existieren können.

[Kangle, R. P., III, 1965, S. 73.]

2e3 ) Im 2. Buch des Kau.tilya werden Orte im Zusammenhang mit bestimmten Produkten genannt, die schwerlich im 4. Jhdt. v. Chr. in ein Traktat aufgenommen worden sein können.

Das gewichtigste Argument dabei ist Cînabhûmi , das als Ursprungsort von Seide genannt wird. Cîna als Name für China ist erst ab 2. Hälfte des 3. Jhdts v. Chr. gebräuchlich.

[z.B. Nag, K.: Les theories diplomatiques de l'Inde ancienne et l'Arthagastra. - Paris, 1923. - S. 118 nennt Hârahûra, Kapi´sa, Kamboja, Ara.t.ta, Bâhlika, Vanâyu, Tâmrapar.ni, Pa.n.dyakavâtaka , Suvar.naku.dya , Suvar.nabhûmi , Cîna, Nepâla. (Zit. Kangle, R. P., III, 1965, S. 74). Eine Auseinandersetzung im Einzelnen bei Kangle, R. P., III, 1965, S. 75 - 76.]

Seit 722 v. gibt es einen Staat Chin in China, der zwar noch nicht die Oberherrschaft innehat.

Außerdem ist nicht sicher, dass Cîna = China ist, es könnte auch die Bezeichnung eines Volkes in der Gegend von Gilgit sein»

Außerdem könnte dieses Sûtra eine vereinzelte spätere Hinzufügung sein.

[Kangle, R. P., III, 1965, S. 74 - 75.]

2e4 ) Im Kau.tilya kommt das Wort suruńgâ (unterirdischer Tunnel) vor. Das entsprechende griechische Wort συ̃ριγξ (SYRINX) kommt erst um 180 v. Chr. bei Polybios vor

[Stein, O.: συ̃ριγξ und suruńgâ, - In: Zeitschrift für Indologie und Iranistik. - 3 (1925)- - S. 280 - 318. (Zit. bei Kangle, R. P., III, 1965, S, 76).]

συ̃ριγξ (SYRINX)  ist möglicherweise viel älter.

Es ist auch nicht sicher , dass das Wort griechischen Ursprungs ist. Nach Breloer ist es babylonischen Ursprungs, nach Kuiper Santali + Khrner.

[Breloer, B., 1927 - 34, III, 1934, S. 252, Anm. 2. (Zit. bei Kangle, R, P., III, 1965, S. 76).
Kuiper, F. B. J. In: Acta Orientalia. - 17(1939). - S „ 30 - 34. (Zit. bei Kangle, R. P,, III, 1965, S. 76).
Bei Kangle, R. P., III, 1965, S. 76 - 78 ausführlicher zur Frage des griechischen Einflusses auf das Kau.tilya]

2e5 ) Im Kau.tilya wird Sanskrit für königliche Erlasse empfohlen, aber in früher Zeit waren Prakrits die Sprache der Dekretinschriften.

[Raychaudhury, H. C. in verschiedenen Werken (Zit. bei Kangle, R. P., III, 1965, S. 91.Anm. 101).]

Dies gilt nur für Inschriften; alle Gesetze, die überliefert sind, sind in Sanskrit.

[Kangle, R. P., III, 1965, S. 91].


2f) Aus dem Verhältnis des Kau.tilya zu anderen Werken
Gegenargument Erwiderung
2f) Aus dem Verhältnis des Kau.tilya zu anderen Werken ( Yâjñavalkya , Manu, ´Silpa´sâstra , A´svagho.sa , Kâmasûtra) ergibt sich ein viel späteres Datum für das Kau.tilya Eine eingehende, detaillierte Prüfung der jeweils vorgebrachten Gründe, ergibt für Kangle ihre Nicht-Stichhaltigkeit.

Ich muss hier aus Platzgründen diese Diskussion übergehen und auf die Diskussion bei Kangle verweisen.

[Kangle, R. P., III, 1965, S. 78 - 97.]

Die Prüfung aller Gegenargumente zeigt also, dass sie nicht stichhaltig sind.


6. Daneben gibt es positive Gründe, um den Zeitpunkt der Abfassung des Kau.tilya einzukreisen.


  1. Literarische Bezüge

    [Kangle, R. P., III, 1965, S. 98]

    1. Kau.tilya ist vor Vatsyâyana 's Kâmasûtra, d.h. vor dem 5. Jahrhundert. n. Chr.
    2. Kau.tilya wird ziemlich sicher von der Yâjñavalkyasm.rti vorausgesetzt und ist wahrscheinlich älter als die Manusm.rti. Da Manu nach Kangle ins 2. Jhdt. n. Chr« gehört, ist Kau.tilya vor dem 2. Jhdt. n. Chr.
    3. Das Lańkâvatârasûtra (443 n. Chr. ins Chinesische übersetzt) sieht Kau.tilya als .r.si an. Ârya´sûra verweist auf K.satriya-Wissenschaft und Nâgârjuna (2. Jhdt. n. Chr.) gibt einen Hinweis auf arthavidyâ. Deshalb kann Kaut nicht später als 150 n. Chr. sein.

      [Anmerkung Payer: Aber nicht auf Kau.tilya, so dass dies kein Argument ist. Kangle, R. P., III, 1965, S. 98 "Nagärjuna ... refers to Arthavidya in deprecatory terms which can only be understood of such a work as the Artha´sâstra of Kau.tilya" (Kangle, R. P., III, 1965, S. 98) ist nicht sehr überzeugend.]
      46 , R- p « > II1 > 1965, S. 98.

  2. Bezüge aus Zuständen, die im Kau.tilya geschildert bzw. vorausgesetzt werden

    [Anmerkung Payer: Beachtenswert ist, dass Kangle nun genauso argumentiert, wie er es bei seinen Gegnern ablehnt!]

    1. In Kau.tilya 3.20.16 werden Buddhisten und Âjîvaka's als Sekten genannt, nicht aber z.B. Jaina's. Die Âjîvaka's waren aber nur zur Zeit der Maurya's - - besonders unter A´soka belegt - -eine prominente Sekte, nachher verschwanden sie von der Bühne. [Kangle, R. P., III, 1965, S. 98 - 99.]
    2. In Kau.tilya 11.1.4 - 5 werden Oligarchien (sa.mgha) aufgezählt, von denen die meisten in Nach-Maurya-Zeit verschwanden. [Kangle, R. P., III, 1965, S. 99.]
    3. Die Bedeutung von "ânvîk.sikî" deutet auf ein frühes Datum. [Kangle, R, P., III, 1965, S. 99 - 100.]
    4. Die Besiedlung von unbesiedeltem Land hat große Bedeutung. In späterer Zeit hatte sie aber keine Bedeutung mehr gehabt. [Kangle, R. P., III, 1965, S. 100.]

Also: Der Text ist in der Zeit entstanden, in die er durch die Tradition verwiesen wird. [Kangle, R. P,, III, 1965, S. 101.]


7. Die genannten Gründe sprechen dafür, dass das Artha´sâstra ein Werk des Kau.tilya = Cânakya ist, falls es das ursprüngliche Werk -- und keine spätere redaktionelle Bearbeitung -- ist. Also müssen alternative Möglichkeiten ausgeschlossen werden.


Alternative Möglichkeiten Erwiderung
a) Schüler des Kau.tilya schrieben das Kau.tilya Unwahrscheinlich, da dies der indischen Tradierungsweise widerspricht, die die ipsissima vox des Lehrers überliefert.

[Kangle, R. P., III, 1965, S. 103.]

b) Schule des Kau.tilya verfasste das Werk

[Keith, A. B. In: Journal of the Royal Asiatic Society» -1916.- S. 131 - 132. (Zit. bei Kangle, R. P., III, 1965, S. 163 -164 ).]

"Books are not written by schools, but by single men, by individuals, who naturally had their own taste, their own inclinations and preferences adopting new styles, new methods and new points of view." (P, Thieme )

[Thieme, P. In: Indian Culture. - 4(1937/8), - S. 209, (Zit. bei Kangle, R. P., III, 1965, S. 104).]

c) Kau.tilya ist eine spätere redaktionelle Überarbeitung eines Werkes des Kau.tilya.

[Hillebrandt, A. (Zit. bei Kangle, R. P., III, 1965, S. 104)]

Was wäre das Motiv für ein solches Werk?

Außerdem gibt es keine. stilistischen Unterschiede innerhalb des Kau.tilya: man kann keine früheren und späteren Schichten unterscheiden.

[Kangle, R. P., III, 1965, S. 104 - 105.

Hier wird Trautmann, T. R,, 1971 ansetzen.

Kangle setzt sich mit folgenden Hypothesen ablehnend auseinander, die größere Teile des Kau.tilya als spätere Zusätze behaupten Hillebrandt, A., 1923, S. 156: âdhikara.na 14 (aupani.sadikam -
Die Geheimlehre) ist wie ein Appendix zum Kau´sika Sûtra. Deshalb ist seine Genuität zweifelhaft.
Die purohita's mussten Experten im Atharvaveda sein. Der Gebrauch geheimer Zaubermittel wird auch an anderen Stellen des Kau.tilya empfohlen.

[Kangle, R. P., III, 1965, S. 30]

Bhandarkar, D. R." Sorne aspects of ancient Hindu polity. -Benares, 1929. - S. 62 - 63: Adhkara.na 15 (tantrayukti.h -- Gestaltungsverfahren) ist nicht genuin. [Kangle, R. P., III, 1965, S. 30]
Nag, K.: Les theories diplomatiques de l'Inde ancienne et l'Arthaçâstra. - Paris, 1923. - S. 114: Adhikara.na 6 und 7  (ma.n.dalayoni.h sadgunyam -- Grundlagen eines Staatenkreises; Das sechsfache Verfahren - d.h. die Bücher über Diplomatie) sind homogener und logischer angeordnet als das Übrige. Sie unterscheiden sich in Stil und Methode so vom Rest, dass sie einen anderen Autor haben müssen. Logische Ordnung und Homogenität kommt allen Adhikarana's zu, sind also kein Merkmal, das eine Quellenscheidung rechtfertigen würde.

[Kangle, R. P., III, 1965, S. 31]

 

[Zu weiteren Fragen stilistischer Uneinheitlichkeit s. Kangle, R, P., III, 1965, S. 36-37 {sûtra-Stil - bhâ.sya-Stil (H. Jacobi); komplizierter Stil der Prosa - einfacher Stil der Verse (H. Breloer )]
d) Das Kaut i l ya ist eine Redaktion von Bhasya's (Kommentierungen),, die sich um Sûtren des Kau.tilya rankten.

Man bezieht sich dabei auf den folgenden Vers, der nach dem Kolophon des Kaut in den Manuskripten steht:

d.r.stvâ vipratipatti.m bahudhâ
´sâstre.su bhâ.sya-kârâ.nâm
svayam eva vi.s.nugupta´s
cakâra sûtra.m ca bhâ.sya.m ca

"Als Visnugupta vielfach den Widerspruch in den Lehrwerken der Kommentatoren sah, verfaßte er selbst sowohl das Sûtra als auch den Kommentar."

Deshalb betrachten die Kommentatoren die Titel der Prakara.na's als Sûtra 's, den Inhalt der Kapitel als Kommentar (bhâ.sya) zu diesen Sûtra's. Kangle, R. P,, III, 1965, S. 35.

Ebenso: Ojha, K. C. In: Indian historical quarterly. ~ 28(1952). - S. 265 - 272 (Zitiert bei Kangle, R. P., III, 1965, S. 105): Kau.tilya, der ursprüngliche Autor von Sûtren, ist verschieden von Vi.s.nugupta, dem Redaktor des vorliegenden Kau.tilya

Man kann im Kaut keine Sûtren von Bhâ.sya's trennen.

[Kangle, R. P., III, 1965, S. 36 - 37.106.]

e) Nach Kau.tilya 1.1.18 enthält Kau.tilya 6000 ´Sloka's:

´sâstra~samudde´sa.h sapañcâ´sad adhyâya-´sata.m sâ´sîti prakara.na-´sata.m .sa.t ´sloka-sahasra.nîti.

"Die Darlegung des Lehrwerkes [umfasst] 150 Kapitel, 180 Gegenstände, 6000 Sloka's."

Das stimmt nicht , wie immer man auch ´Sloka auffasst

 
Erklärungen : e1 ) Ein großer Teil (¼) des Textes ging verloren.

[So Kosambi , D. D., 1958 und 1959: im Vorwort zu A fragment of the Kautalya's Artha´sâstra alias Râjaasiddhânta / ed., by Muni Jina Vijaya. - Bombay : Bharatiya Vidya Bhavan, 1959. -- S. 4 - 5  =  Kosambi, D.D.: The text of the Artha´sâstra. - In: Journal of the American Oriental Society. - 78 (1958). - S. 169 - 173. (Zit. in Kangle, R. P., III, 1965, S. 21. Anm. 4)]

Die Angabe über die Prakara.na's in Kau.tilya 1.1.18 stimmt. Ein Vergleich des Inhalts einzelner Prakara.nas mit dem entsprechenden Sm.rtimaterial zeigt, dass die Behandlung im Kau.tilya mindestens ebenso umfassend, ja in vielen Fällen umfassender ist. Man kann sich nicht vorstellen, wo die 25% Textmaterial fehlen sollen. Die Lücken, die Kosambi annimmt, halten einer Nachprüfung nicht stand

[Kangle, R. P., III, 1965, S. 21 - 25.]

  e2 ) Kau.tilya war ursprünglich in Versen geschrieben -- ein Hinweis dazu findet sich auch im Da´sakumâracarita -- und wurde etwa im 4. Jhdt. n. Chr. in Prosa gefasst, d.h. in Sûtraform umgewandelt.

Dandin: Da´sakumâracarita / [ed.] M. R. Kâle. - Repr. der
4. ed. 1966. - Delhi [u.a.] : Motilal Banarsidass, 1979. - S. 191:

"adhî.sva tavad da.n.da-nîtim„ îyam idânîm âcârya-vi.s.nuguptena mauryârthe .sa.dbhi.h ´sloka-sahasrai.h sa.mk.sipta."

"Lerne nur die Politikwissenschaft. Sie wurde soeben von Dr. Visnugupta für den Mauryer in sechstausend Sloka's zusammengefasst".

[Bhandarkar , D. R. In: Annals of the Bhandarkar Oriental Research Institute. -- VII (1927). -- S.77, 84;
Pran Nath In: Indian Antiquary. -- 60(1931). - S. 173
(Zit. Kangle, R. P,, III, 1965, S. 31 - 33)]

Eine Prosaisierung metrischer Werke ist völlig unüblich. Wenn eine solche "Sûtraisierung " vorläge, warum wurden dann noch über 380 ´Slokas übrig gelassen?

[Kangle, R. P., III, 1965, S. 32 - 33.]

f ) Stilistische Unterschiede und Unterschiede in der Terminologie verweisen auf eine nicht einheitliche Verfasserschaft Das Kau.tilya nennt sich selbst eine Kompilation und ist es.

Kaut. 1.1.1.:

p.rthivyâ lâbhe pâlane ca yâvanty artha-´sâstrâ.ni pûrvâcâryai.h prasthâpitâni prâya´sas tâni samh.rtyaikam idam artha-´sâstra.m k.rtam.

"Dieses einzelne Artha´sâstra wurde hauptsächlich dadurch verfasst, dass alle Artha´sâstra's die von den früheren Doktoren zur Eroberung und Behütung der Erde verfasst worden sind, zusammengetragen wurden,"

[So scheint es Kangle, R. P., III, 1965, S. 33 - 35 wahrscheinlich, dass eine ganze Anzahl von Versen aus älteren Werken ziemlich unverändert übernommen wurden.]

Deshalb gibt es Differenzen in der Terminologie und einige widersprüchliche Aussagen.

[Kangle, R. P., III, 1965, S. 40 - 42 zählt solche terminologischen Unebenheiten und die wenigen widersprüchlichen Aussagen auf.]


8. Also: mit Ausnahme von Kau.tilya 1.1.18 -- das vielleicht ein späterer Einschub ist -- und dem Hinweis im Da´sakumâracarita -- der sich vielleicht auf Kau.tilya 1.1.18 bezieht oder aus dem Kau.tilya 1.1.18 stammt -- gibt es keine Gründe, anzunehmen, dass uns nicht im wesentlichen das einheitliche Werk eines Autors vorliegt., welches eine Kompilation durch Kau.tilya = Cânakya = Vi.s.nugupta ist.


[Kangle, R. P., III, 1965, S. 26. Schon Keith, A. B»; A history of Sanskrit literature. - 2. ed. - Oxford, 1941. - S- 452 erwägt diese Möglichkeit (Zit. bei Kangle, R, P., III, 1965, S. 26. Anm. 8)]

Kangle, R. P., III, 1965, S. 26 - 31 weist auf mögliche spätere Einschübe, insbesondere auch darauf, wie Marginalnoten und Kommentare in den Text einfließen können, Kangle, R, P«, III, 1965, S. 30 kommt aber zum Schluss:

"It is possible that apart from the passages indicated above , there may be a few other sutras that are of doubtful authenticity. But considering the extent of the work , the interpolations do not appear to be either extensive or significant. Of an wholesale incorporation of later material there does not appear to be any indication at all."


9. Bewertung der Argumentation Kangle's


Mir erscheint Kangle überzeugend in der Entkräftung der Argumente abweichender Meinungen? Ich glaube z.B. nicht, dass Scharfe, H., 1968, etwas wesentlich Neues bringt, das Kangle nicht schon entkräftet hätte.

Nicht überzeugend ist Kangle's positiver Nachweis, dass der Minister Candragupta's der Verfasser des Kau.tilya ist. Auf die Schwächen von Kangle's diesbezüglicher Argumentation habe oben hingewiesen.

Kangle's Argumente für die Einheitlichkeit des Artha´sâstra sind zumindest insofern überzeugend, als das Artha´sâstra das Werk eines intelligent arbeitenden Kompilator's - als was sich der Verfasser selbst (Kau.tilya l.1.1) bezeichnet - ist.


Zu Kapitel 3. Quellenscheidung mit Chi-Quadrat: T. R. Trautmann