Kauţilîya-arthaśâstra

Eine Einführung

4. Wörter und Sachen: Hartmut Scharfe


von Alois Payer

mailto: payer@payer.de


Zitierweise / cite as:

Payer, Alois <1944 - >: Kauţilîya-arthaśâstra : eine Einführung. -- 4. Wörter und Sachen: Hartmut Scharfe.. -- Fassung vom 2002-12-02. -- URL: http://www.payer.de/kautilya/kautilya04.htm. -- [Stichwort].

Erstmals publiziert: 2002-12-02

Überarbeitungen:

Anlass: Lehrveranstaltung WS 2002/03

Unterrichtsmaterialien (gemäß § 46 (1) UrhG)

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Dieser Teil ist ein Kapitel von: 

Payer, Alois <1944 - >: Kauţilîya-arthaśâstra : eine Einführung. -- 1. Einleitung. -- URL: http://www.payer.de/kautilya/kautilya01.htm.

Dieser Text ist Teil der Abteilung Sanskrit  von Tüpfli's Global Village Library.


0. Übersicht



1. Einleitung


Hartmut Scharfe wird hier behandelt als ein später Vertreter des "klassisch-indologischen" Zugangs zu  Kautilya/Kautalya.

Scharfe, Hartmut: Untersuchungen zur Staatsrechtslehre des Kau.talya. -- Wiesbaden : Harrassowitz, 1968. -- 349 S.

Scharfe, Hartmut: Investigations in Kau.talya's manual of political science. -- 2., rev. ed. of "Untersuchungen zur Staatsrechtslehre des Kau.talya". -- Wiesbaden : Harrassowitz, ©1993. -- 310 S. : graph. Darst. -- ISBN: 3-447-03330-4. -- Preis: kart. : DM 128.00

Man beachte den Unterschied im Titel zwischen der deutschen und der englischen Ausgabe.

Hartmut Scharfe ist Professor Emeritus of Vedic and Indo-European Studies an der University of California, Los Angeles. Weitere monographische Arbeiten Scharfes:

Scharfe, Hartmut: Die Logik des Patanjali. -- o. O,  1956. -- 254 gez. Bl. ; 4 [Maschinenschr.]. -- Berlin, Humboldt-U., Phil. F., Diss. v. 15. Febr. 1956 (Nicht f. d. Aust.)

Scharfe, Hartmut: Die Logik im Mahãbhã.sya. -- Berlin <Ost> : Akademie-Verl., 1961. -- 173 S. -- (Veröffentlichung / Institut für Orientforschung ; Nr. 50). -- Erschien auch als Diss., Humboldt-Universität Berlin. -- Preis: kart. : DM-Ost 34.50

Scharfe, Hartmut: Panini's metalanguage.  -- Philadelphia, American Philosophical Society, 1971.  -- 53 S. -- (Memoirs of the American Philosophical Society ; v. 89)

Scharfe, Hartmut: Grammatical literature. -- Wiesbaden : Harrassowitz, 1977.  -- S. 78 - 216. -- (A history of Indian literature ; Vol. 5, Scientific and technical literature ; Fasc. 2). -- ISBN 3-447-01706-6. -- Preis: kart. : DM 74.00

Scharfe, Hartmut: The state in Indian tradition. -- Leiden [u.a.] : Brill, 1989. -- 265 S. -- (Handbuch der Orientalistik : Abt. 2, Indien ;  ; Bd. 3., 2. Abschnitt)

Scharfe, Hartmut: Education in ancient India. -- Leiden [u.a.] : Brill, 2002. -- 355 S. : Ill. -- (Handbuch der Orientalistik : Abt. 2, Indien ; Bd. 16). -- ISBN 90-04-12556-6 . -- Preis: Pp. : EUR 77.00

Scharfes Untersuchungen bestehen aus drei großen  Teilen:

"Table of Contents
  • Preface
  • Part I The Text of the Kautalîya Arthaśâstra
    • §§ 1-10 The Transmission of the Text
    • §§ 11-22 The Original Textual Shape of the Existing Opus
    • §§ 23-35 The Stanzas and their Relation to the Prose
    • §§ 36-40 Traces of an Ur-Arthasastra
    • §§ 41-47 On the Language of the Arthaśâstra
    • §§ 48-49 The Arthasastra and the Indian Lexicographers
  • Part II The Structure of the State According to the Kautalîya Arthaśâstra
    • §§ 51-62 The State (55 Excursus on âkranda)
    • §§ 63-126 The Officials (121-122 Excursus on pracâra)
    • §§ 127-155 The Secret Agents
    • §§ 156-163 The Economy
  • Part III Observations on the Cultural Development Reflected in the Arthaśâstra
    • §§ 164-169 Vegetarianism and the Protection of Animals
    • §§ 170-171 Child Marriages
    • §§ 172-181 Philosophical (Logical) Terminology
    • §§ 182-192 Relations with Countries Outside the Indian Subcontinent
  • Select Bibliography
  • Abbreviations
  • List of Important Terms
  • Index locorum
  • List of Other Names and Sources Referred to in this Book

Ich werde im Folgenden besonders auf Teil I und III eingehen.


2. Beobachtungen Scharfes bezüglich der Überlieferungsgeschichte des Kautilya


  1. Wir haben keinen Anlass anzunehmen, dass der vorliegende Text des Kautalya größere Lücken aufweist: keiner der Querverweise führt ins Leere (Scharfe, 1993, S. 8 - 10)
  2. Die Einteilung in 15 Bücher (adhikara.na) ist, wie die Querverweise zeigen, ursprünglich. Die Titelzeilen und Kolophone der einzelnen Bücher können aber spätere Zusätze sein.(Scharfe, 1993, S. 41)
  3. Die Themen (prakara.na) sind späterer Zusatz. Ursprünglich war das Arthaśâstra mit seiner Mischung und überleitenden Versen eher wie das Pañcatantra. (Scharfe, 1993, S. 40)
  4. Kautalya ist eine mythische Person wie Vyâsa, Agastya, Nârada und andere, auch wenn er ein historisches Vorbild haben sollte. (Scharfe, 1993, S.  76)

    Hauptargument: Kautilya 15.1.74, der letzte Vers, wo Vi.s.nugupta als Kompilator genannt wird, ist die einzige Âryâ im Arthaśâstra. Die Âryâ ist aber ein spätes Versmaß (nachgewiesen existiert sie in der Sanskritliteratur erst ab dem Mahâbhâ.sya des Patañjali (2. Jhdt. v. Chr. ?)). Scharfe hält es für äußerst unwahrscheinlich, dass es im Sanskrit zur Zeit des Candragupta Maurya (324 - 300 v. Chr.) schon Âryâs gab. (Scharfe, 1993, S. 76)

  5. Die Sprache des Arthaśâstra weist in eine spätere Zeit
    1. Scharfe gibt und ergänzt Sluszkiewicz's Liste der Entsprechungen des Wortschatzes des Arthaśâstra mit dem Pali und dem Buddhist Hybrid Sanskrit, d.h. Mittelindisch (Scharfe, 1993, S.  79 - 90)

      Sluszkiewicz, Eugeniusz <1901 - >: Przyczynky do badań nad Kautilya. -- In: Rocznik Orjentalistyczny. -- 5 (1927), .. S. 108 - 164.

    2. Es gibt viele Wörter im Arthaśâstra, die sonst erstmals in den epen, Manu und späteren Texten vorkommen, nicht aber in der älteren Literatur (Scharfe, 1993, S.  90 - 95)
    3. Auch bei den Komposita zeigt das Arthaśâstra Ähnlichkeiten mit dem epischen und klassischen Sanskrit, die in den älteren Texten fehlen. (Scharfe, 1993, S. 96ff.)
    4. suruńgâ (unterirdischer Tunnel)  = συ̃ριγξ (SYRINX) spricht für ein Datum nach Polybios (180 v. Chr.) (Scharfe, 1993, S. 275f.)
    5. Viele Wörter des Arthaśâstra findet man sonst nur bei den Lexikographen, z.B. Amaras.mha's Amarako´sa, also späten Werken der nachchristlichen Zeit (Scharfe, 1993, S.  S. 99f.)
    6. Die grammatikalische Terminologie ist jünger als die in Kâtyâyana's Vârttikas zu Pâ.nini
  6. Wörter und Sachen
    1. Korallen von Alexandria (2.11.42) verweist auf die Zeit vor Ende der römischen Republik und dem Beginn des Prinzipats (27 v. Chr.) (Scharfe, 1993, S. 276ff.)
    2. der Import chinesischer Seidenstoffe verweist auf das 1. oder 2. Jahrhundert nach Christus. (Scharfe, 1993, S. 281ff.)
  7. Der Tierschutz geht bei Kautalya weiter als bei A´soka (273 - 236 v. Chr.) (Scharfe, 1993, S. 252 - 257)

3. Scharfes Schlussfolgerung


Scharfe sieht es für möglich an, dass es einen Urkautalya in Versen gegeben hat, der den legendären Kautalya als Autorität nennt, und der von einem Vi.s.nugupta in Prosa umgewandelt und erweitert worden ist. Scharfe betont ausdrücklich, dass die Arbeit des Kompilators kein mechanischer "cut-and-paste job" gewesen sein.

Da keine großen Interpolationen im Arthaśâstra bewisen werden können, aber viele Zeichen eines jüngeren Datums vorliegen, schlägt Scharfe als Zeit für die Abfassung des Arthaśâstra das erste bzw. zweite Jahrhundert nach Christus vor.


Zu Kapitel 5: Dekadenz als Entwicklungsprinzip: Johann Jakob Meyer