Kauţilîya-arthaśâstra

Eine Einführung

6. "Wer von den Sachen nichts versteht, kann den Worten keinen Sinn entlocken" : zur Hermeneutik des Arthaśâstra


von Alois Payer

mailto: payer@payer.de


Zitierweise / cite as:

Payer, Alois <1944 - >: Kauţilîya-arthaśâstra : eine Einführung. -- 6. "Wer von den Sachen nichts versteht, kann den Worten keinen Sinn entlocken" : zur Hermeneutik des Arthaśâstra. -- Fassung vom 2002-12-17. -- URL: http://www.payer.de/kautilya/kautilya06.htm. -- [Stichwort].

Erstmals publiziert:

Überarbeitungen:

Anlass: Lehrveranstaltung WS 2002/03

Unterrichtsmaterialien (gemäß § 46 (1) UrhG)

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Dieser Teil ist ein Kapitel von: 

Payer, Alois <1944 - >: Kauţilîya-arthaśâstra : eine Einführung. -- 1. Einleitung. -- URL: http://www.payer.de/kautilya/kautilya01.htm.

Dieser Text ist Teil der Abteilung Sanskrit  von Tüpfli's Global Village Library.


0. Übersicht



1. Einleitung


Für eine traditionelle Auslegung (in Sanskrit) eines Sanskrittexts gilt folgender Vers:

padaccheda.h padârthoktir vigraho vâkyayojanâ
âk.sepo 'tha samâdhâna.m vyâkhyâna.m .sa.dvidham matam ║

"Eine Interpretation ist sechsfach:

  1. padaccheda = Auflösung des Sandhi zwischen den Wörtern
  2. padârthokti = Nennen der Bedeutung der einzelnen Wörter
  3. vigraha = Auflösung der Komposita und Zerlegung der Wörter in ihre morphologischen Elemente
  4. vâkyayojanâ = Erklärung der syntaktischen Konstruktion
  5. âk.sepa = Einwände
  6. samâdhâna = Beseitigung der Einwände"

In diesem Auslegungsschema kommt mit Punkt 5 und 6 die Diskussion des Inhalts (neben der Diskussion der richtigen Ausdrucksweise) ins Spiel. Dies ist eigentlich selbstverständlich, da traditionellerweise Texte mit Sachaussagen auch als Aussagen über Sachverhalte behandelt werden.

Aus den europäischen Traditionen der Auslegung stelle ich diesem Kapitel die Maxime voran

Qui non intelligit res, non potest ex verbis sensum elicere (Martin Luther) -- Wer von den Sachen nichts versteht, kann den Worten keinen Sinn entlocken

Der Philosoph Hans Georg Gadamer (1900 - 2002) stellt diesen Satz Martin Luthers (1483 - 1546) ohne Stellenangabe als Motto über de zweiten Teil seines Werkes:

Gadamer, Hans-Georg <1900 - 2002>: Wahrheit und Methode : Grundzüge einer philosophischen Hermeneutik  -- Tübingen : Mohr (Siebeck); 1960. -- XVII, 486 S. -- S. 162.

Dieser zweite Teil hat bezeichnenderweise den Titel: "Ausweitung der Wahrheitsfrage auf das Verstehen in den Geisteswissenschaften.

Die Aussage Luthers gilt für vielerlei altindische Quellen -- auch für solche religiösen, weltanschaulichen oder philosophischen Inhalts. Ganz besonders gilt diese Aussage für ein Werk, das wie das Arthaśâstra voller Bezüge zum alltäglichen Leben und zu Realien ist.

Grundsätzlich kann man in Bezug auf die Zeitachse einen Text dreifach verstehen:

Leider werden allzuoft historische, quellenkritische oder überlieferungsgeschichtliche Fragestellungen aufgenommen bevor man den Text in seiner vorliegenden Form inhaltlich und in seiner inneren Systematik (systemimmanent) verstanden hat. Auch vergisst man oft, dass eine angenommene Urform eines Werkes meist keine (zumindest wichtige) Wirkungsgeschichte hat, während das Werk in der vorliegenden Form und im vorliegenden Kontext (z.B. als Bestandteil eines Epos) wirkungsmächtig wurde.

Allgemein zu meinen Vorstellungen zur Auslegung eines Textes siehe:

Payer, Alois <1944 - >: Einführung in die Exegese von Sanskrittexten : Skript.  -- Inhaltsübersicht. -- URL: http://www.payer.de/exegese/exeg00.htm


2. Die "Sache" als Mittel zum Textverständnis


Die "Sache" ist für das Arthaśâstra insofern ein Mittel zum Textverständnis, als das Arthaśâstra den Eindruck macht, dass der Kompilator nicht nicht sachunkundig unverstandenes und halbverstandenes Zeug zusammengeschustert hat, sondern eine gute generalistische Allgemeinbildung besessen hat. Dieser Eindruck bestätigt sich immer wieder, wenn man sich die Mühe macht, um das Textverständnis zu ringen.

Da wir Sanskritisten im Allgemeinen keine so gute Allgemeinbildung haben wie der Verfasser des Arthaśâstra, und da wegen der zeitlichen Ferne oft auch eine heutige Allgemeinbildung nicht ausreichend ist, erfordert ein sachgemäßes Verständnis des Arthaśâstra die Zufluchtnahme zu folgenden Hilfen (die Aufzählung ist keineswegs vollständig, sondern nur beispielhaft):


2.1. Zum Beispiel: Kautilya 4.4.20: Methoden der Falschmünzer


Kautilya 4.4.20:


Abb.: Kautilya 4.4.20 - 22

"Wenn er jemanden im Verdacht hat, ein Falschmünzer zu sein, weil er weil er wiedrholt kauft

und weil seine Hände und Kleider verräterisch (linga) mit Ruß (ma.sî: schwarzes Pulver), Asche (bhasman), Rauch beschmiert sind und weil er Umgang  (samsarga) hat mit der Dienstfertigkeit (upakarana) eines Schmieds, dann soll ein solcher Geheimagent als Lehrling und durch Geschäftsverkehr bei ihm einschleichen und ihn zur Entdeckung bringen."

Der eine Schritt zum Verständnis dieser Stelle wäre, in den Untersuchungen zur altindischen Numismatik nachzusehen, ob es metallurgisch-technologische Analysen von altindischen gefälschten Münzen gibt. Analysen von Münzfälschungen sind selten, da die preiswerten Verfahren zu einer (teilweisen) Zerstörung der Münze führen.

Der andere Schritt zum Verständnis dieser Stelle geht über die Metallurgie, insbesondere die Münzmetallurgie. Für antike Münzen gibt es hierzu das hervorragende, auch für metallurgische Laien verständliche Werk:

Moesta, Hasso ; Franke, Peter Robert: Antike Metallurgie und Münzprägung : ein Beitrag zur Technikgeschichte. -- Basel [u.a.], ©1995. -- 184 S. : Ill. -- ISBN 3-7643-5166-7

Dort wird auf S. 128ff. ein Verfahren der Fälschung von Silbermünzen beschrieben, das hypothetisch zum Verständnis unserer Stelle dienen kann:

  1. Man macht eine Kupferlegierung mit z.B. nur 44% Silber. In einer solchen Legierung scheiden sich beim Abkühlen die kupferreichen Mischkristalle zuerst ab und werden dann durch  silberreiches (72%) Material zusammengehalten. Die kupferreichen Mischkristalle sind rot, nicht mit Silber zu verwechseln. Die Kittsubstanz  hat Silberfarbe.


    Abb.: Schematische Darstellung des Rohlings für die Fälschung

  2. Dieser Rohling wird nun an der Luft geglüht. Die kupferreichen Mischkristalle oxidieren leicht. Die Oxide haben ein größeres Volumen als die ursprünglichen Mischkristalle, bilden an der Oberfläche des Schrötlings einen oft borkenartig wuchernden schwarzen Überzug. Die Kittsubstanz dagegen ist wegen des hohen Silberanteils sehr widerständig gegen Oxidation.


    Abb.: Schematische Darstellung des Rohlings nach dem Glühen in Luft

  3. Die schwarze Borke muss vor der Prägung der Falschmünze entfernt werden. Dies geschieht durch Ätzen oder Beizen (z.B. in heißem Essig). Diesen Vorgang nennt man "Weißwaschen". Am Ende des Ätzens hat man einen Kupferrohling, aus dem silberreiche Bezirke oder Kristallite herausstehen:


    Abb.: Schematische Darstellung des Rohlings nach dem Ätzen

  4. Nun hämmert man die hervorstehenden silberreichen Bereiche flach auf den Rohling auf, dann entsteht eine geschlossene Oberfläche mit hohem Silbergehalt. Diese Oberfläche hat zwar einen leichten Farbstich, ist aber für das Auge von weniger stark legierten Stücken kaum zu unterscheiden. Auch eine Stichprobe (Strich) wird den Schwindel nicht leicht entdecken:


    Abb.: Schematische Darstellung des Rohlings nach dem Hämmern

  5. Nun wird die Falschmünze -- wie eine echte Münze -- heiß geschlagen. Dazu verwendet man einen


    Abb.: Darstellung der Prinzipien und Werkzeuge des Münzprägens (Quelle der Abb.: a.a.O., S. 79)

Auf diese Weise lassen sich "Silbermünzen" mit einem Silbergehalt von nur noch 15% bis 20% herstellen.

Diese Darstellung der Fälschung von "Silbernmünzen" mittels Kupferlegierungen liefert eine Hypothese, mit der die genannte Kautilyastelle in allen Einzelheiten verstanden werden kann. Selbstverständlich muss man versuchen, diese Hypothese an anderen entsprechenden Stellen sowie mittels von Münzfunden zu falsifizieren bzw. ihren heuristischen Wert für das Verständnis zu erproben.

Das Beispiel zeigt, dass ein Zugang zum Text von der Sache her, den Text sehr lebendig sprechen lassen kann. Vor allem bringt ein solcher Zugang diejenigen zum Sprechen, die normalerweise in der überlieferten indischen Literatur kaum selbst zu Wort kommen, die aber überhaupt erst die Grundlage für die indischen Kulturen und Zivilisationen geschaffen haben, nämlich die Landwirte, Handwerker und Händler.

Von all den Hilfsmitteln zu einem Verständnis des Kautilya "von der Sache her", will ich im Folgenden nur auf das Experiment und die Rekonstruktion näher eingehen.


3. Experimentelle und rekonstruierende Sanskritistik


Ein Weg, um das eigene Textverständnis zu überprüfen, ist, zu sehen, ob das eigene Textverständnis der Aussagen über einen Vorgang, einen Zustand usw. in der Realität verwirklichbar ist, d.h. ob die gemeinte Realität rekonstruierbar ist. Dies ist Aufgabe der experimentellen und rekonstruierenden Sanskritistik. Dies bezieht sich

Die Vorstellung von der experimentellen und rekonstruierenden Sanskritistik ist eine Übertragung auf Textinterpretation der erprobten Methoden von

Leider ist die Einsicht in die Notwendigkeit experimenteller/rekonstruierender Sanskritistik noch nicht selbstverständliches Gemeingut der klassischen Indologen. Als ich vor einigen Jahren einem Indologiestudierendem, der ein Thema für seine Magisterarbeit aus dem Bereich des Rituals suchte, vorgeschlagen habe, aufgrund eines Ritualtextes ein Ritual in allen Einzelheiten zu rekonstruieren, praktisch nachzustellen, um zu sehen, ob das Textverständnis in der Realität möglich und vollständig ist, und die ganze Rekonstruktion auf einem Video zu dokumentieren, nahm der Student dankend Reißaus und verkündete seinen Mitstudierenden, dass der Payer jetzt wohl vollständig übergeschnappt ist.

Ein m. E. vorbildliches Unternehmen experimenteller und rekonstruierender Archäologie in Deutschland ist das Museumsdorf Düppel in Berlin-Zehlendorf [Webpräsenz: http://www.dueppel.de/. -- Zugriff am 2002-11-25] :

"Das Museumsdorf Düppel ist der Versuch, ein ganzes Dorf mitsamt seiner Umwelt so zu rekonstruieren, wie es vor rund 800 Jahren tatsächlich existiert hat. Auf 16 ha Fläche wurden Bebauung und Landschaft nach bestem Wissen rekonstruiert. In einzigartiger Weise lässt sich die Vergangenheit mit lebendem und totem Inventar vergegenwärtigen. Rückgezüchtete Haustierrassen und längst vergessene Nutzpflanzen gehören ebenso dazu wie die Ausübung von altem Handwerk. Die Ergebnisse der praktischen Tätigkeiten werden regelmäßig publiziert und machen Düppel so zu einem international anerkannten Zentrum für experimentelle Archäologie mitten in Berlin. "

[Quelle: http://www.dueppel.de/. -- Zugriff am 2002-11-25]

Folgende Aussagen und Regeln, die John Coles für die experimentelle Archäoloie aufstellt, gelten analog auch für die experimentelle/rekonstruierende Sanskritistik:

Coles, John: Erlebte Steinzeit : [experimentelle Archäologie]. -- Lizenzausgabe -- Bergisch Gladbach : Lübbe, 1980. -- 268 S. : 41 Ill. u. graph. Darst. -- (Bastei Lübbe ; Bd. 64046 : Geschichte). -- ISBN: 3-404-64046-2. -- Originaltitel: Archaeology by experiment (1973)

"Der Ausdruck »experimentelle Archäologie« ist die angemessene Bezeichnung für die Sammlung von Fakten, Theorien und Fiktionen, die im Lauf von hundert Jahren aufgrund des Interesses an der Rekonstruktion und der Funktion alter Funde zusammengetragen wurden. Der Ausdruck weist auf eine Erprobung hin, auf einen Test, ein Mittel zur Beurteilung einer Theorie oder einer Idee, und das trifft genau zu. Die experimentelle Archäologie bietet eine von mehreren Möglichkeiten, die Vorstellungen der Archäologen über das menschliche Verhalten in der Vergangenheit zu prüfen. Sie befasst sich beinahe ausnahmslos mit Elementen des Unterhalts und der Technik, sie umfasst nicht den gesamten Bereich der menschlichen Kultur. Nichtsdestoweniger beschäftigt sie sich gerade mit jenen uralten Kennzeichen, die das Rückgrat der Archäologie als Wissenschaft bilden, nämlich mit den erhaltenen Aspekten der materiellen Kultur. Mit der Untersuchung dieser Aspekte, die über das bloße Auffinden und Aufzeichnen hinausgeht, führt die experimentelle Archäologie zwanglos und vielleicht unausweichlich zu weiteren Stadien archäologischer Arbeit, die auch kompliziertere und mehr theoretische Modelle für menschliche Verhaltensmuster umfasst. Auch diese sind experimentell, in der gleichen Weise konstruiert und erprobt und auf die gleichen Ziele gerichtet wie die prosaischeren, hier in diesem Buch behandelten greifbaren Modelle.
Die Anwendung von Experimenten in der Archäologie ist nur die logische Folge der wissenschaftlichen Arbeit selbst, nämlich des Interesses der Menschen an sich und ihrer Vergangenheit. Sie stellt nicht mehr und nicht weniger dar als eine Kanalisierung intelligenter Wißbegier hinsichtlich der Erklärung menschlichen Verhaltens in entscheidenden praktischen Fragen. Diese Wissbegier war zweifellos von Anfang an vorhanden, von der Zeit an, als alte Relikte als alt erkannt wurden und Experimente mit archäologischem Material begannen. Das war vor über 150 Jahren bei der Entdeckung der Luren, der auffallenden Bronzehörner in Skandinavien und auf den Britischen Inseln. Zeitgenössische Berichte melden, welch ungeheures Aufsehen ihre Finder bei Stadt- und Landbevölkerung gleichermaßen erregten, als sie den Torf abwischten, die Hörner an den Mund setzten und Töne hervorbrachten, die an Lautstärke denen des Wunderhorns von Alexander dem Großen gleichkamen (Reichweite 600 Stadien = 111 Kilometer). Bereits bei den ersten Experimenten wurden übertriebene Ansprüche erhoben. Heute werden diese nicht mehr so lautstark geäußert.

Nachdem die wissenschaftliche Welt das hohe Alter des Menschen anerkannt hatte, konzentrierte sich die Aufmerksamkeit auf Steinwerkzeuge, die in alten geologischen Ablagerungen gefunden wurden, und seit etwa 1860 führte man Experimente durch, Feuersteingeräte nachzuschaffen und zu erproben. Nilsson, Lübbock, Evans, einige der Begründer der Archäologie, bekundeten Interesse am Experimentieren mit Stein, manche Versuche Evans' wurden nie wieder übertroffen. Pitt-Rivers erprobte als erster alte Grabwerkzeuge und berichtete über Versandung und Verwitterung von Gräben, die er bei seinen Ausgrabungen gezogen hatte. Ende des neunzehnten Jahrhunderts wurden auch einige experimentelle Arbeiten mit Metallen vorgenommen, und auf beiden Seiten des Atlantiks wurden regelmäßig ernsthafte Untersuchungen durchgeführt, die sich mit Wiederaufbauarbeiten und Erprobung von Modellen beschäftigten (Ascher 1961, 794; Lynch und Lynch 1968, 57). Lange vorher hatte die experimentelle Archäologie jedoch schon ihren ersten und einzigen Märtyrer zu verzeichnen, über den Berichte vorliegen, einen Herrn, der mehr als jeder andere unter schwierigen Verhältnissen arbeitende Experimentator persönliches Ungemach erlitt.

...

Alle, oder doch fast alle Experimente haben gemeinsame Merkmale. Alle repräsentieren Probleme im archäologischen Material, die entweder auf unvollständige Erhaltung, auf mangelndes Verständnis für die Zweckbestimmung oder auf Zweifel an der angenommenen Funktion zurückgehen. Alle beginnen mit einer Rekonstruktion, und alle führen zu Tests im Hinblick auf die Funktion oder die Brauchbarkeit. Alle bestehen aus einer Reihe von Schritten: Problem - Idee - Verfahren -Ergebnis - Beurteilung. Das Problem kann alles nur Denkbare sein, vom Roden eines Waldes bis zur Herstellung von Ornamenten. Die Idee für eine Lösung kann klar oder - zumindest teilweise - verschwommen sein. Eine etwaige Lösung kann getestet oder ein Experiment durchgeführt werden, das zu einer Entscheidung im Hinblick auf die Vorzüge einer Vielfalt von möglichen Lösungen beiträgt. Hier tritt ein Multiplikatoreffekt auf: Falls die Einwirkung von B und nur von B auf Material A ein Ergebnis Z hervorruft, dann lautet der Schluss, dass B die einzige Methode in der Vergangenheit gewesen sein könnte, um Z zu erhalten. Wenn jedoch Z auch von C hervorgerufen wird, und vielleicht auch noch D, dann besteht die Möglichkeit, dass entweder B, C oder D in der Vergangenheit angewendet worden sein könnte, um Z zu erzielen. Dies ist vielleicht der Hauptgrund für die Kritik an der experimentellen Archäologie, dass sie im allgemeinen ohne Beweiskraft sei. Sie kann nicht nachweisen, dass Menschen der Frühzeit irgend etwas auf bestimmte Weise und nur auf diese Weise taten; sie beweist nichts, ohne dass Schatten eines Zweifels bleiben, und das erklärt vielleicht, dass die experimentelle Archäologie ein überwiegend sehr individualistisches und im allgemeinen vernachlässigtes Arbeitsgebiet ist. Beobachtungen alter Kulturphänomene sind nicht möglich, weil diese Phänomene ohne Aufzeichnung verschwunden sind, doch die gleiche Schwierigkeit gibt es bei jeder archäologischen Arbeit, die sich mit Aspekten des menschlichen Verhaltens beschäftigt, soweit dieses nicht völlig durch materielle Kultur repräsentiert ist.

Das in die Ergebnisse der Experimente gesetzte Vertrauen lässt sich nicht mit Genauigkeit ausdrücken, und die Reihe der Urteile über die Durchführbarkeit einer bestimmten in der Vergangenheit angewendeten Methode pflegt nur ein einziges Wort zu enthalten, nämlich »unmöglich«, während die anderen weniger dogmatisch sind und etwa »unwahrscheinlich«, »möglich«, »wahrscheinlich«, »vermutlich«, lauten und das höchst subjektive Urteil des Experimentators oder Kommentators über ihr Vertrauen zu dem Projekt wiedergeben.

Es ist jedoch wichtig, unbedingt einige Grundregeln für das Verfahren festzulegen, die auf alle Experimente anwendbar sind, damit ein allgemeines Maß der Zuverlässigkeit, wenn auch nicht universal akzeptiert, so doch wenigstens berücksichtigt werden kann. Die Mehrzahl dieser Regeln wird bei den meisten Experimenten beachtet, wenn sie vielleicht auch nicht als Regeln anerkannt sind, weil sie im Grunde dem gesunden Menschenverstand entsprechen.

  1. Die bei den Experimenten benutzten Materialien sollten die gleichen sein wie die, von denen man annehmen darf, dass sie der alten Gesellschaft am Ort zur Verfügung standen. Bei einem Experiment, das sich mit der Reproduktion prähistorischer Gemälde in Südafrika beschäftigte, benutzte man lediglich diejenigen Farbstoffe und Medien, die in der unmittelbaren Nachbarschaft der Fundstätten zu erreichen waren, und stärkte so das Vertrauen in die Ergebnisse.
  2. Die bei dem Experiment benutzten Methoden, um alte Materialien zu reproduzieren, sollten nicht über jene hinausgehen, die, wie man annehmen darf, innerhalb der Kompetenz der zeitgenössischen Gesellschaft lagen. Das setzt eine genaue Kenntnis der alten Technik - und ebenso der Umwelt - voraus, so dass Maßstäbe für Sachkenntnis und fachmännisches Geschick abgeleitet und anerkannt werden können. Hier hat die Medaille allerdings eine Kehrseite: Die experimentelle Arbeit mag zwar mit »primitiven« Werkzeugen durchgeführt werden, doch wenn diese Werkzeuge, weil man die alte Technik nicht kennt, auf unerfahrene und dadurch unwirksame Weise gehandhabt werden, schmälert das den Wert der Arbeit ebenso, wie es die Verwendung moderner Geräte täte. Mit Picken aus Hirschgeweih zu graben und Bäume mit der Steinaxt zu fällen ist der moderne Mensch nicht mehr gewöhnt, und es ist selbstverständlich, dass er erst üben muss, mit solchen Werkzeugen umzugehen, bevor er über ihr Nutzleistung berichten kann.
  3. Man sollte nicht zulassen, dass die moderne Technik die experimentellen Ergebnisse beeinträchtigt, anderseits brauchen wir sie, um Verständnis für die Materialien und die Methoden, diese zu bearbeiten, zu gewinnen. Von den Ergebnissen her betrachtet, mag die Verwendung von Maschinen zur Bodenbewegung, für das Aufschütten von Dämmen und das Ausheben von Gräben die fertigen Arbeiten im Hinblick auf die Verdichtung des Materials und auf die Beschädigung der Grabenwandungen beeinträchtigen, und das Ziehen von Nachbildungen alter Pflüge durch einen Traktor kann kein Ersatz für ein eingearbeitetes Paar Ochsen sein; doch die moderne Technik liefert Analysen von Materialien - etwa von Kupfer - vor, während und nach der experimentellen Arbeit und kann dadurch überaus viel zu unserem Verständnis beitragen.
  4. Der Umfang des Experiments sollte vor Beginn der Arbeit abgeschätzt werden. Für größere Bauwerke wie Stonehenge mag man Modellen in verkleinertem Maßstab zustimmen, aber wenn man das tut, müssen die Verfahren äußerst sorgsam kontrolliert und alle Elemente des Werkes gleichmäßig verkleinert werden. Wichtiger noch ist die Frage der Geschwindigkeit beim Experiment. Einige Tests, etwa der der Quoten der Erosion und der Verwitterung, lassen sich durch keinerlei Mittel beschleunigen, und Geduld ist dann wie immer eine Tugend. Andere Tests, etwa Bau-Unternehmungen, lassen sich durch moderne Ausrüstungen rasch vollenden, doch in solchen Fällen leidet das Experiment unter dem Fehlen der Zeiteinschätzungen, der wahrnehmbaren Abnutzung an den Werkzeugen und vielleicht unter dem fehlenden Vertrauen in das Fertigprodukt selbst. Die Entscheidung hängt vom Zweck des Plans ab: Wenn beispielsweise die einfache Kopie eines keltischen Streitwagen gebraucht wird, dann werden moderne Methoden die Nachbildung zweifellos verhältnismäßig einfach zustande bringen. Wenn jedoch nach der Zeit gefragt wird, die der Bau eines hölzernen Hauses dauert, dann kann man nur die der fraglichen Epoche angemessenen Methoden anwenden. Soll der Zerfall eines Walles zeitlich gemessen werden, dann muss dieser erbaut werden, ohne dass man Mittel benutzt, durch die Verdichtung und Bauart verfälscht werden. Wenn ein Stück der Ausrüstung, etwa ein hölzerner Flug, getestet werden soll, muss er, dem Holz, seiner Maserung und seinem Zustand entsprechend, korrekt gemacht und fair erprobt werden, den Bedingungen entsprechend, die dem Original einigermaßen nahekommen.
  5. Das Experiment sollte, wenn möglich, wiederholbar sein, wobei jeder Test auf den Ergebnissen des vorhergehenden aufbaut. Die verbesserten und vereinfachten Verfahren, Tonwaren in römisch-britischen Öfen zu brennen, konnten erst infolge früherer Versuche verstanden und erprobt werden. Die Lagerung von Getreide in unterirdischen Gruben ist ein weiteres Beispiel für die Wiederholbarkeit und Wiederholung von Experimenten, die immer brauchbarere Ergebnisse brachten. Außerdem »ist es unmöglich, aus einem Glückszufall Nutzen zu ziehen, wenn der Geist nicht durch langes Nachdenken und Experimentieren darauf vorbereitet worden ist« (A. M. Hocart, The Progress of Man, London 1933, 49.).
    6. Die experimentelle Arbeit wird mit dem Wunsch unternommen, ein bestimmtes Ergebnis zu erzielen, doch es sollte wirklich ungewiss sein, ob die benutzte
    Methode zum Erfolg führt, und man sollte ständig Verbesserungsmöglichkeiten im Auge behalten. Wenn es überhaupt möglich ist, sollte eine Vielfalt von Verfahren angewendet werden, um eine ganze Reihe von möglichen Lösungen zu erhalten, damit nicht schon das erste erfolgreiche Ergebnis blind akzeptiert wird. Für die Härtung von Schilden aus Leder wurde eine Anzahl von Prozessen ausprobiert, und die Ergebnisse konnten dann verglichen und bewertet werden. In einem anderen Zusammenhang ist der »disziplinierte Gebrauch der Phantasie die bedeutendste Funktion des Archäologen« (O. G. S. Crawford, Archaeology in the Field, London 1954, 224.).
  6. Die Ergebnisse des Experiments werden aus einer Reihe von Beobachtungen bestehen, die den Archäologen zu gewissen, bereits vermuteten Schlüssen führen. Man sollte nicht annehmen oder behaupten, es handele sich um absolute Beweise. Wenn man auch mit einem Schiff von frühgeschichtlichem Typ über den Atlantik segeln kann, so ist damit die Behauptung, dass es in alten Zeiten ebenfalls geschehen ist, noch nicht bewiesen. Es ist stets stützendes Beweismaterial erforderlich, damit die experimentellen Ergebnisse vertrauenswürdig werden. Im Fall der gekerbten Hirschrippen konnte ihre Verwendung bei der Zubereitung von Pflanzenfasern für die Seilerei demonstriert, wenn auch nicht bewiesen werden. Doch eine später gefundene alte Rippe, zwischen deren Zähnen Pflanzenbrei saß, verstärkte die Wahrscheinlichkeit, dass die eingekerbten Hirschrippen in früheren Zeiten als Werkzeug diesem Zweck gedient hatten.

    Ein Gebiet, das bestätigendes und bei vorsichtiger Verwendung brauchbares Beweismaterial liefern kann, ist die Ethnologie. Sowohl die experimentelle Archäologie als auch die Ethnologie bieten Reihen möglicher Lösungen für spezifische Probleme; keine von beiden liefert einen schlüssigen Beweis, doch beide zusammen liefern einen Grad von Wahrscheinlichkeit, den der Archäologe nicht unberücksichtigt lassen sollte. Der Vergleich zwischen Eisenschmelzöfen in Nordostafrika und in Skandinavien, die dem Aussehen nach morphologisch ähnlich sind, deutet darauf hin, dass die bei ersteren beobachteten Prozesse auch für letztere galten.

  7. Schließlich sollte das Experiment im Hinblick auf seine Zuverlässigkeit beurteilt werden, d. h. dass es die richtigen Fragen an das Material stellt, dass das benutzte Verfahren entsprechend geplant und ehrlich angewendet wird. Irrtümer in der Versuchsreihe, in der Materialauswahl, in den Prozessen, in den Beobachtungen sollten offen zugegeben werden. Bei der Arbeit mit Blechen könnte beispielsweise die Verwendung von Kupfer statt Bronze das Ergebnis beeinflussen. Und letztlich darf die Zuverlässigkeit von Schlüssen, die aus Experimenten abgeleitet werden, nicht als selbstverständlich vorausgesetzt werden. Vielleicht lassen sich fünfzehn Töne oder Geräusche aus einem prähistorischen Blasinstrument herausholen, doch deshalb kann man weder durch Experiment noch durch ein anderes archäologisches Verfahren feststellen, dass die Landschaft Dänemarks um etwa 800 v. Chr. von den mannigfaltigen Tönen dieser prächtigen Instrumente widergehallt hätte.

Die experimentelle Archäologie kann also nicht vorgeben, irgend etwas zu beweisen, und tut es auch nicht. Sie liefert ein Instrument, mit dessen Hilfe sich etwas von den grundlegenden wirtschaftlichen Aktivitäten des vorgeschichtlichen Menschen, vor allem von der Entwicklung jener Tätigkeiten beurteilen lässt, die sich auf Lebensunterhalt und Technik bezogen. Dadurch kann und sollte sie zu weiteren Überlegungen über Muster des menschlichen Verhaltens führen, das schließlich das Arbeitsgebiet der Archäologie als Natur- und Geisteswissenschaft ist." [a.a.O., S. 9 - 18]

Ein neuerer Text zur Geschichte und Problematik der experimentellen Archäologie:

"Experimentelle Archäologie : Ausgewählte Beispiele experimenteller Archäologie aus dem Bereich der Unterwasserarchäologie / von Dr Timm Weski. -- Aus DEGUWA Rundbrief 12, Februar 1997

Einleitung

Experimentelle Archäologie kann, obwohl als eigenständiger Forschungszweig noch nicht richtig anerkannt, auf eine lange Geschichte zurückblicken. Dies gilt auch für Boote und Schiffe, allerdings sind viele Versuche nie dokumentiert und veröffentlicht worden (Ellmers 1990). Ebenso gehören das Wiederaufrichten antiker Tempel in den Bereich der experimentellen Archäologie wie der Nachbau des römischen Kastells Saalburg mit seinen funktionierenden Heizanlagen und Katapultgeschützen. Die Arbeit Pfeifers über die Technik der Steinzeit muss zu diesem Themenkreis hinzugezählt werden, obwohl er außer praktischen Versuchen stark von ethnologischen Parallelen ausging (Pfeifer 1914; Feustel 1973). Ebenso müssen die zahlreichen Brückenmodelle, die von Gymnasiasten nach Caesars Beschreibung gefertigt wurden (Bell. Gall. IV, 17), erwähnt werden. Auch Bauwerke des Historismus, wie die Burg Dankwarderode in Braunschweig oder auch die Schlösser von Ludwig II (Neuschwanstein) können mit zum Spektrum historischer Rekonstruktion gerechnet werden. Neuen Aufschwung erhielt die experimentelle Archäologie in den sechziger Jahren durch verschiedene Projekte vor allem aus Dänemark (Lejre) und aus England (Fansa 1990). Inzwischen leiteten sich daraus eine Vielzahl von Versuchen ab, von denen einige kürzlich in einer Wanderausstellung zusammengefasst wurden (Fansa 1996). 

Experimentelle Archäologie bedeutet anhand von Funden, schriftlicher Überlieferung und ethnologisch/volkskundlicher Beobachtungen Geräte und Gegenstände nachzubilden, die dem angenommenen Original (Hypothese) so ähnlich wie möglich sein sollen. Im Idealfall sollte zum Vorbild kein erkennbarer Unterschied mehr bestehen. Anschließend wird dann das fertige Produkt auf seine Brauchbarkeit und Anwendbarkeit untersucht. Aber auch die Herstellung von reinen Exponaten fällt mit in den Bereich der Experimentellen Archäologie. Das Spektrum beginnt mit einfachen Arbeitvorgängen, wie dem Backen von Brot und endet beim Nachbau ganzer Dörfer, in denen der Alltag früherer Zeiten nachgelebt wird, wie z.B. in Berlin-Düppel.  Das Versuchsniveau reicht dabei vom streng wissenschaftlichen Projekt, über die museumspädagogische Spielerei bis hin zum folkloristischen Medienspektakel, wobei die Übergänge mehr als fließend sind; manches Vorhaben, das ursprünglich als Wissenschaft begann, endete nach mehreren Jahren auf der Stufe einer Volkstanzgruppe.

Im Grunde genommen sollte jeder Versuch so authentisch wie möglich durchgeführt werden, allerdings treten immer wieder Gründe auf, die ein Abweichen von dieser Regel erfordern. Dabei muss man sich jedesmal die Frage stellen, ob dadurch und wenn ja in welchem Umfang das Endergebnis verfälscht wird. Geht es beispielsweise nur um das fertige Endprodukt, so ist gegen den Einsatz von modernen Maschinen oder Geräten, etwa wie Elektrobohrer, nichts einzuwenden. Anders sieht es dagegen aus, wenn an Stelle von Spaltbohlen gesägte Bretter verwendet werden. In einigen Fällen ist nicht nur das Endprodukt, sondern auch seine Herstellung Teil des Experiments, um beispielsweise den gesamten Arbeitsaufwand ermitteln zu können, oder um eine besonders authentische Nachahmung zu erhalten. In solchen Fällen müssen auch die Bäume mit Steinbeilen gefällt (Adamek u.a. 1990) oder die Nägel von Hand geschmiedet (woher kommen Holzkohle und Roheisen?) werden. Welcher Weg gewählt wird hängt nicht nur von der jeweiligen Fragestellung, sondern – leider auch – von den zur Verfügung stehenden Finanzmitteln ab. Hinzu kommen noch moderne Sicherheitsvorschriften, die es z.B. aus Brandschutzgründen erfordern, das Reet auf der Dachkonstruktion mit Draht zu befestigen, sofern das Gebäude später dem Publikumsverkehr geöffnet sein soll. Aus dem Fehlen von geeigneten Rohmaterialien, z.B. vierhundert Jahre alte Eichen, ergeben sich ebenfalls ungewollte Beschränkungen. So müssen bei fast jedem Experiment Kompromisse eingegangen werden, die sich aus solchen Zwängen ergeben. 

Ein weiteres Problem der Experimentellen Archäologie ist eine Selbstzensur, die sich jeder auferlegen muss: Probleme dürfen nicht mit dem heutigen Ingenieurswissen gelöst werden, sondern mit dem früherer Zeiten; doch dieses lässt sich bestenfalls nur erahnen. Ein gutes Beispiel für diese mangelhafte Kenntnis bietet der Nachbau eines bandkeramischen Hauses, bei dem alle Bauteile durch Zurrungen nach Vorschriften des Technischen Hilfswerks miteinander verbunden wurden (Böhm u.a. 1990, 27). Zwar ist nichts über das Aufgehende bandkeramischer Häuser bekannt, aber mit den zur Verfügung stehenden Werkzeugen ließen sich ohne weiteres einfache Steck- oder Zapfverbindungen herstellen. Diese Selbstzensur verhindert auch den kreativen Umgang mit technischen Fragen: Eine einmal gefundene Lösung gilt als die einzig richtige und alle anderen werden als »historisch« falsch abgelehnt. Dabei existieren sehr oft verschiedene Möglichkeiten nebeneinander. Es sei nur an den Bau von Fachwerkhäusern erinnert, bei denen entweder gegenüberliegende Pfosten- bzw. Ständerpaare oder aber die Hölzer einer Seitenwand jeweils zusammen errichtet werden. Auf der anderen Seite darf man nicht immer die optimalste Lösung erwarten. So existieren eine Reihe historisch belegter Lösungen, die unseren heutigen Anforderung nicht entsprechen. Ein gutes Beispiel hierfür ist die Amphore: eine Verpackungseinheit, deren Leergewicht sich auf ca. 40% des Gesamtgewicht beläuft und eine Form besitzt, die ausschließlich gut für den Transport auf einem Lasttier geeignet ist, entspricht kaum modernen Ansprüchen. Trotzdem waren Amphoren für mehr als ein Jahrtausend eine vielseitige Transporteinheit. Ein anderes Beispiel sind Pferdegespanne: Bei sechs oder acht Pferden liefert jedes Tier im Verhältnis weniger Leistung als ein Pferd alleine erbringen kann. Ferner sinkt die Zugleistung des Tiers, wenn es zusätzlich noch einen Reiter tragen muss. Trotzdem fanden Jahrhunderte lang vielgespannige Pferdefuhrwerke mit Vorreitern Verwendung. 

Als eine weitere Restriktion im Bereich der Experimentellen Archäologie sind mangelhafte handwerkliche Erfahrungen zu nennen. Jeder von uns kann eine Seite in kürzester Zeit ohne besondere Mühe schreiben. Sollten wir aber eine Seite in einer anderen Schrift, etwa Arabisch oder Sanskrit, abschreiben, so werden wir uns sehr schwer tun. Für die Experimentelle Archäologie bedeutet dies, dass nur mit viel Übung und Routine Aussagen über Dauer oder Kompliziertheit eines Arbeitsprozesses möglich sind. Ein geübter Experimenteller Archäologe kann z.B. einen Faustkeil in drei Minuten zurechtschlagen, was bedeutet, dass solche Artefakte in Gegenden mit reichlich Rohmaterial eine Art Einwegwerkzeuge waren. 

Im Bereich der Unterwasserarchäologie sind für die Experimentelle Archäologie vor allem die Rekonstruktion von sogenannten Pfahlbauten und von Wasserfahrzeugen zu nennen. Erstere können im Rahmen dieses Beitrages nicht behandelt werden, besonders da in Deutschland wiederaufgebaute Pfahlbauten mit einer Ausnahme nur in Unteruhldingen am Bodensee vorhanden sind. Eine Beschäftigung mit diesen veralteten Hypothesen ist unweigerlich mit einer Auseinandersetzung mit der Person H. Reinerth und seiner Rolle in der deutschen Vor- und Frühgeschichte im Dritten Reich verbunden (Bollmus 1970, 154; Kossack 1977, 346).  "

[Quelle: http://www.abc.se/~m10354/bld/expbeisp.htm. -- Zugriff am 2002-11-26]


3.1. Weiterführende Ressourcen zur experimentellen Archäologie


3.1.1. Internetressourcen


Webportale:

Experimentelle Archäologie in der Schweiz:


3.1.2. Ressourcen in Printform


Coles, John: Erlebte Steinzeit : [experimentelle Archäologie]. -- Lizenzausgabe -- Bergisch Gladbach : Lübbe, 1980. -- 268 S. : 41 Ill. u. graph. Darst. -- (Bastei Lübbe ; Bd. 64046 : Geschichte). -- ISBN: 3-404-64046-2. -- Originaltitel: Archaeology by experiment (1973)

Experimentelle Archäologie : Bilanz 1991 / [hrsg. vom Staatlichen Museum für Naturkunde und Vorgeschichte Oldenburg. Bearb. und Red.: Mamoun Fansa]. -- Oldenburg : Isensee, 1991. -- 405 S. : Ill. --  (Archäologische Mitteilungen aus Nordwestdeutschland : Beiheft ; 6). -- ISBN 3-89442-114-2. -- Erscheint seither in mehr oder weniger regelmäßigen Abständen

Experimentelle Archäologie in Deutschland : Texte zur Wanderausstellung ; [Texte zur Sonderausstellung Experimentelle Archäologie ; Begleitschrift zu einer Ausstellung des Staatlichen Museums für Naturkunde und Vorgeschichte, Oldenburg. Bearb. und Red.: Elke Heege]. -- Oldenburg : Isensee, 1996. -- 117 S. : Ill. --  (Archäologische Mitteilungen aus Nordwestdeutschland : Beiheft ; 13). -- ISBN 3-89598-343-8

Experimentelle Archäologie in Deutschland : Einleitung / Mamoun Fansa

Schon im 19. Jahrhundert wird mit Hilfe von Experimenten versucht, vor- und frühgeschichtliche Verhältnisse verschiedener Kulturen zu erhellen. Experimentelle Archäologie ist der Oberbegriff für alle Theorien und Versuche, technische Geräte, Einrichtungen und Vorgänge zu rekonstruieren, zu überprüfen und zu erklären.
Es ist richtig, dass die Experimentelle Archäologie sich mit der Rekonstruktion von vorgeschichtlichen Lebensverhältnissen beschäftigt, aber nicht jede Rekonstruktion ist ein Experiment, sondern jedes Experiment führt eventuell zu einer Rekonstruktion.

Während die ersten Experimente noch unsystematisch verliefen, hat sich die Experimentelle Archäologie im Laufe der Zeit zu einem methodischen Zweig der Urgeschichtsforschung entwickelt.

Die Experimentelle Archäologie arbeitet naturwissenschaftlich, sie verwendet Messinstrumente und Dokumentationsmedien. Systematisch und unter kontrollierbaren Bedingungen werden archäologische Thesen praktisch überprüft, die zunächst nur auf theoretischen Überlegungen basierten. Das Ziel jedes Experimentes muss vorher genau definiert sein. Die daraus gewonnenen Informationen über die Lebensumstände in früheren Epochen helfen den Prähistorikern, die Verhältnisse vorgeschichtlicher Zeit - etwa den Einsatz von Geräten oder den Zeit- und Energieaufwand bei bestimmten Tätigkeiten -annähernd zu rekonstruieren. Den Ausgangspunkt für die Experimentelle Archäologie bilden die Befunde, wie etwa Hauspfosten, oder Funde wie z. B. Keramik und historische Quellen wie Texte oder bildliche Darstellungen. Daraus lassen sich Fragestellungen entwickeln, die sich auf Materialbeschaffenheit, Herstellungsverfahren oder auf Funktionen und Zeitaufwand für die Arbeitsleistung beziehen. Ferner müssen die Lagerung von Materialien im Boden und die Veränderungen durch verschiedene Umwelteinflüsse analysiert werden. Voraussetzung für dies alles ist, dass die Wissenschaftler sich mit der Forschungsgeschichte vertraut gemacht und das Experiment sorgfältig vorbereitet haben.

Um Zufälle auszuschließen und mehrfache Messungen zu ermöglichen, muss jedes Experiment wiederholbar sein. Ferner soll sein Ablauf fachlich dokumentiert werden. Schließlich versucht man, die Ergebnisse zu analysieren, die entweder vorhandene Theorien bestätigen oder neue Erkenntnisse darstellen. Zuletzt werden die sachlich zusammengefassten Resultate kulturhistorisch interpretiert und eingeordnet. Damit sind die Voraussetzungen für neue Fragestellungen und Forschungsansätze gegeben.

Eindeutige Beweise für bestimmte Vorgänge in der Herstellungstechnik von Geräten und den Lebensgewohnheiten aus vor- und frühgeschichtlicher Zeit kann die Experimentelle Archäologie nicht liefern, sie ist nur eine von mehreren Möglichkeiten der Erklärung und Interpretation eines Sachverhaltes, jedoch stellt sie die Vorstellung von der Leistung früherer Menschen auf eine relativ reale Basis. Das Feld für freie Spekulation wird damit eingeengt.

Alle bis jetzt durchgeführten Experimente bemühen sich um Erklärungen der verschiedenen Techniken aus vergangenen Epochen. Nur über das Verhalten des Menschen und seine individuellen Entscheidungen können sie leider nicht informieren. Die Experimentelle Archäologie hat es aber dennoch geschafft, die menschlichen Leistungen in den Mittelpunkt der Forschung und der Öffentlichkeitsarbeit zu stellen.

Die Experimentelle Archäologie beschäftigt sich mit verschiedenen Feldern.

  • Experimente zur Überprüfung von Herstellungsverfahren
  • Experimente zur Prüfung von Zeitaufwand der Herstellung von Objekten oder Abwicklung von bestimmten Tätigkeiten
  • Experimente, die sich mit der Entstehung von archäologischen Befunden beschäftigen, wie zum Beispiel mit dem Verfallprozess eines Töpferofens
  • Experimente, die sich mit chemischen und physikalischen Abläufen zu bestimmten Werkstoffen beschäftigen, wie bei der Untersuchung der Herkunft von Rohmaterialien, wie Flint, Ton usw.

Während die Experimentelle Archäologie in den angelsächsischen und skandinavischen Ländern ihre eigene Tradition hat, scheint in der Bundesrepublik das Verständnis noch wenig entwickelt zu sein. Mehr Versuchszentren wie das Museumsdorf Düppel wären erforderlich, aber auch vorhandene Einrichtungen sollten verstärkt zur Unterstützung herangezogen werden, um das Niveau des europäischen Auslands zu erreichen. Im „Dritten Reich" hatte die Experimentelle Archäologie einen besonderen Stellenwert. Dabei ging es weniger um exaktes wissenschaftliches Arbeiten als um den Versuch, mit „Rekonstruktionen" ideologische Vorgaben zu bestätigen. Freie Erfindung wurde als Ergebnis von Experimenten dargestellt. Dies war wohl der Grund, weshalb nach dem Zweiten Weltkrieg die dadurch belastete deutsche Archäologie nicht wie in anderen Ländern den Anschluss an das experimentelle Arbeiten fand.

Nach 1945 zogen die Vorgeschichtsforscher in Deutschland einfach einen Strich unter dieses Kapitel und zogen sich in eine abstrakte Wissenschaft zurück. Das Experimentieren und Rekonstruieren überließen sie den Kollegen im Ausland, und die bauten den Vorsprung souverän aus. Auch was die Vermittlung der Forschungsergebnisse betrifft. So gibt es in den angelsächsischen und skandinavischen Ländern schon lange große Zentren, in denen die Besucher selbst als Einsatz in den Experimenten gedient haben, wie es in Leyre seit einigen Jahren durchgeführt wird.

Erst in den 70er Jahren wurden von der Uni Köln einige Experimente in der Landwirtschaft unter der Leitung von Prof. Jens Lüning durchgeführt. Ein Waldstück wurde mit linear-bandkeramischen Geräten gerodet, um den neolithischen Ackerbau zu erproben.

In den letzten 30 Jahren beschäftigten sich einige Archäologen und Heimatforscher mit der Experimentellen Archäologie. Aus diesen Aktivitäten sind inzwischen Forschungsprojekte geworden. Wie etwa das Museumsdorf Düppel in Berlin und die Archäologischen Freilichtmuseen Oerlinghausen und Groß Raden bei Schwerin sowie die „Langobardenwerkstatt" in Zethlingen.

Charakteristisch für unsere Disziplin ist die weitgefächerte Zusammenarbeit mit anderen Disziplinen, insbesondere mit der Ethnologie und der Technikgeschichte. In den letzten Jahrzehnten hatte sich parallel zur Experimentellen Archäologie und Ethnologie ein neuer Wissenschaftszweig entwickelt, die Ethno-Archäologie. Sie ist „als Bindeglied zwischen diesen Kulturwissenschaften" in der deutschen Öffentlichkeit noch wenig bekannt, aber ihre Umrisse beginnen sich immer schärfer abzuzeichnen. Ihre Aufgabe besteht darin, Ethnologie und Archäologie wieder einander näher zu bringen und so den Zusammenhang zwischen Kulturentwicklung, Kulturveränderung und dem Absterben von Kulturbereichen sowie dem Aussterben ganzer Kulturen besser begreifbar zu machen. Methodisch gesehen umfasst die Ethno-Archäologie die beiden unterschiedlichen Forschungsansätze „lebendiger Archäologie" und „experimenteller Archäologie".

Die Experimentelle Archäologie und die Foto- bzw. Filmdokumentation sind nicht voneinander zu trennen. Ein archäologisches Experiment ohne den Einsatz von Filmdokumentationen ist eine unvollendete wissenschaftliche Arbeit. Um eine solide Dokumentation und später eine öffentlichkeitswirksame archäologische Vermittlung zu ermöglichen, kann auf den modernen Medienfilm nicht verzichtet werden.

Das Staatliche Museum für Naturkunde und Vorgeschichte in Oldenburg hat 1990 die Ausstellung „Experimentelle Archäologie in Deutschland" zusammengestellt mit dem Ziel, den Wissenschaftszweig anhand relevanter Experimente vorzustellen und zugleich die Archäologie der Bevölkerung nahezubringen. Dazu wurden - didaktisch wohlüberlegt - verschiedene Schaubereiche wie „Bauen und Siedeln" oder „Landwirtschaft von der Steinzeit bis zum Mittelalter" eingerichtet. Auch über Transportwesen und Bestattungssitten werden die Besucher informiert, ferner über Steingeräte in der Herstellung und im Einsatz, den Umgang mit organischem Material als Waffe und Gerät, die Keramikherstellung, die Bronze- und Eisenverarbeitung, die Textilherstellung und schließlich über Verfahren wie die Salz- und Teerproduktion.

Als die Ausstellung „Experimentelle Archäologie in Deutschland" 1990 zusammengestellt und dann auf die Wanderschaft geschickt wurde, war die Zunft der Archäologen skeptisch. Zum einen gegenüber der Methode der Experimentellen Archäologie selbst, zum anderen weil sie bezweifelten, dass es sinnvoll sein könnte, solche Experimente in einer populären Dokumentation festzuhalten. Der Erfolg der Ausstellung hat diese Einwendungen ganz schnell zum Verstummen gebracht, und das hat etwas mit der Faszination der Experimentellen Archäologie zu tun. Die Ausstellung wurde in 19 Museen gezeigt. Ca. 350000 Besucher haben sie gesehen.
Ausstellung und Begleitschrift sowie ein eigens einberufenes Symposium haben in Fachkreisen große Aufmerksamkeit erregt. Inzwischen wurden vier Tagungen abgehalten, und es sind vier zusätzliche Publikationen erschienen. Die Diskussion über unterschiedliche Auffassungen der Experimentatoren in Bezug auf ihre Disziplin und die verschiedenen Techniken haben gezeigt, dass eine ausreichende Auseinandersetzung auf diesem Gebiet bisher nicht stattgefunden hatte. Die Fachkollegen haben dieses Forum jedoch angenommen und ihre Bereitschaft erklärt, bei der Auswertung der schriftlosen Kulturen die Experimentelle Archäologie zu verwenden, um Hypothesen zu sichern.

Um einige Experimente in ihren Abläufen nachvollziehbar zu machen, wurden in der Ausstellung museumspädagogische Vorführungen von bereits geklärten Experimenten eingesetzt. Es handelt sich also um die Wiederholung von Vorgängen, die schon zu einem Resultat geführt haben. (Fälschlicherweise wird die Tätigkeit der Museumspädagogen mit Experimenteller Archäologie verwechselt). Museumspädagogik und Experimentelle Archäologie sind ein komplizierter Bereich. Das Nachmachen oder besser Nachvollziehen von wissenschaftlichen Experimenten ist ein legitimes Mittel der Museumspädagogik, denn schließlich geht es um historische Realität und darum, wie man ihr näher kommen kann. Im Nachvollziehen von Experimenten macht jeder seine individuellen Erfahrungen, und das wird immer wichtiger, wenn man dem üblich gewordenen oberflächlichen Vermarkten von Geschichte gegenhalten will.

Zusammenfassend lassen sich die positiven Begleiterscheinungen der aktuellen Beschäftigung mit der Experimentellen Archäologie folgendermaßen darstellen:

  • Eine rege Diskussion über die Experimentelle Archäologie, ihre Möglichkeiten, Grenzen und verschiedenen Einsatzbereiche ist in Gang gekommen.
  • Wichtig ist die fächerübergreifende Zusammenarbeit, insbesondere zwischen Völkerkunde und Vorgeschichte (Ethno-Archäologie). Hier muss versucht werden, den Dialog mit den verschiedenen Disziplinen am Leben zu erhalten, um langfristig davon zu profitieren.
  • Positiv ist die Rolle der Museumspädagogik bei der Vermittlung der Experimentellen Archäologie in der Öffentlichkeit.

[Experimentelle Archäologie in Deutschland : Texte zur Wanderausstellung ; [Texte zur Sonderausstellung Experimentelle Archäologie ; Begleitschrift zu einer Ausstellung des Staatlichen Museums für Naturkunde und Vorgeschichte, Oldenburg. Bearb. und Red.: Elke Heege]. -- Oldenburg : Isensee, 1996. -- 117 S. : Ill. --  (Archäologische Mitteilungen aus Nordwestdeutschland : Beiheft ; 13). -- ISBN 3895983438. -- S. 11 - 14 -- {Wenn Sie HIER klicken, können Sie dieses Buch  bei amazon.de bestellen}]

Experimentelle Archäologie auf dem Platzspitz : Begleitheft zur Veranstaltung Urgeschichte - Préhistoire - Preistoria Live, 9. - 24. September 1995 ; Projekt des Schweizerischen Landesmuseums / Projektleiter: Walter Fasnacht. Red. des Begleith.: Christa Haenicke. In Zusammenarbeit mit der Gesellschaft für das Landesmuseum und dem Pestalozzianum Zürich. -- Zürich : Schweizerisches Landesmuseum [u.a.], [1995].  -- 38 S. : Ill.

Moesta, Hasso: Erze und Metalle - ihre Kulturgeschichte im Experiment. -- 2., korrigierte Aufl. -- Berlin [u. a.] : Springer, 1986. -- XI, 189 S. : Ill. -- Mit 47 Abb., 8 Farbtaf. u. 28 Experimenten mit Grundanleitung. -- ISBN 3-540-16561-4. [Der Verfasser war Professor für Physikalische Chemie an der Universität Saarbrücken]

"Vorwort zur ersten Auflage

Wir alle bewundern in Museen und Ausstellungen die Kunstwerke der Goldschmiede und Bronzegießer vergangener Jahrtausende. Wir erkennen ihr Kunstgefühl in den Formen und die Symbolik mancher Funde erschließt uns etwas von der Geisteshaltung ihrer Benutzer.

Die Frage: „Wie wurde dieses Kunstwerk oder jene Waffe gemacht?" wird dabei häufig nicht oder nur unzureichend beantwortet. Dabei liegt in der Kenntnis des „Wie" neben dem „Wann" eine Fülle von Hintergrundmaterial, das ein Museumsstück zu einem Stück Menschheitsgeschichte werden lassen kann. Solches Hintergrundmaterial ist über eine Vielzahl von Wissenschaften verteilt. Dieses Buch will kulturhistorisch Relevantes aus Mineralogie, Chemie, Verfahrenstechnik und Handwerk im Wortsinne „handgreiflich" machen. Es wendet sich an den Liebhaber alter und schöner Dinge, an phantasievolle Freunde der Kulturen und ihrer Geschichte, die vor ein wenig „heimwerken'4 nicht zurückschrecken. Nur das Experiment kann jene Verbindung von Geist und Geschicklichkeit vermitteln, die über Jahrtausende hinweg die Fähigkeiten des Menschen gefordert, entwickelt und geprägt hat.

Die Versuchsbeschreibungen sind der Kern des Buches. Sie fordern keinerlei chemisch-experimentelle Vorbildung für ein Gelingen. Die Darlegungen aus der Geschichte sind als Hilfsmittel zur Einbettung der technisch-handwerklichen Entwicklung in den größeren Zusammenhang gedacht. Die herangezogene Literatur enthält sowohl Quellenmaterial als auch populäre Arbeiten, sie erscheint dem Autor für einen Einstieg in das Gebiet geeignet ohne Anspruch auf Vollständigkeit zu erheben."

[a.a.O., S. VIIf.]


Probieren geht über Studieren : Begleitheft zur Ausstellung "Experimentelle Archäologie" im Kantonsmuseum Baselland Liestal, 20. November 1993 - 10. April 1994 / Bearb. Michael Schmaedecke. [Hrsg. vom Amt für Museen und Archäologie, Liestal]. -- Liestal : Amt für Museen und Archäologie, ©1992. --  38 S. : zahlr. Ill. -- (Archäologie und Museum ; H. 26). -- ISBN: 3-905069-21-0


3.1.3. Ressourcen in Realienform


Museumsdorf Düppel, Berlin-Zehlendorf

Webpräsenz: http://www.dueppel.de/. -- Zugriff am 2002-12-02

"Rekonstruktion eines mittelalterlichen Dorfes zur Erprobung alter Handwerkstechniken

Ex.: Klaus Goldmann

Seit 1971 wird im Süden Berlins ein vollständig durch Ausgrabungen in seinen Grundrissen dokumentiertes Dorf aus der Zeit um 1200 wieder aufgebaut. Wesentliches Ziel ist dabei die Annäherung an alte Handwerkstechniken und Arbeitsweisen, die heute nicht mehr bekannt sind, sowie die Rekonstruktion mittelalterlicher Lebensbedingungen und des dörflichen Alltags.

Nach der Entdeckung mittelalterlicher Siedlungsspuren 1941 und Ausgrabungen seit 1967 beginnt man zwischen 1971 und 1975 mit den Rekonstruktionen der Gehöfte auf dem Gelände der ehemaligen Grabung. Die ersten Gebäude dienen als Demonstrationsobjekte für die Öffentlichkeit. Der 1975 gegründete Förderverein informiert Besucher und macht alte Handwerksbereiche zugänglich. Begleitend werden Versuchsbauten errichtet, um architektonische und handwerkliche Lösungen für die zukünftige Dorfanlage zu finden.

In Düppel versucht man sich mittelalterlichen Lebensbedingungen zu nähern, indem z.B. historische Kleidung getragen wird, oder etwa durch traditionelle Bewirtschaftung von Nahrungsmitteln. Die Häuser und Hofanlagen werden teilweise durch Zimmerleute mit Erfahrung in der Rekonstruktion mittelalterlicher Bauweisen erstellt, aber auch durch Besucher des Freilichtmuseums.

Das Erlernen oder Erweitern bekannter Arbeitsweisen wird durch die Kombination unterschiedlich erfahrener Handwerker durch laufende Wiederholungen vertieft und verbessert. Der „dörfliche Alltag" wird im Ansatz dadurch geschaffen, dass von Zeit zu Zeit eine größere Menge der Besucher als „Bewohner" zusammengeführt wird. Gemessen an der Zielsetzung ist dieses Experiment „offen"; d.h.: ein eindeutiges Ergebnis liegt nicht vor. Dieser Zustand ist erst erreicht, wenn im Dorf Menschen zumindest zeitweise wohnen und die Voraussetzungen für eine Siedlung, d.h. handwerkliche Einrichtungen und landwirtschaftliche Nutzflächen ausreichend zur Verfügung stehen werden. Das nachbarschaftliche Handeln und Helfen als Gruppe ist nur in vereinzelten Handwerksbereichen vorzufinden, wie zum Beispiel in der Textilverarbeitung. Nach wie vor werden auf dem Gelände noch archäologische Grabungen ausgeführt."

[Experimentelle Archäologie in Deutschland : Texte zur Wanderausstellung ; [Texte zur Sonderausstellung Experimentelle Archäologie ; Begleitschrift zu einer Ausstellung des Staatlichen Museums für Naturkunde und Vorgeschichte, Oldenburg. Bearb. und Red.: Elke Heege]. -- Oldenburg : Isensee, 1996. -- 117 S. : Ill. --  (Archäologische Mitteilungen aus Nordwestdeutschland : Beiheft ; 13). -- ISBN 3-89598-343-8. -- S. 27f. -- {Wenn Sie HIER klicken, können Sie dieses Buch  bei amazon.de bestellen}]


Zu Kapitel 7: Der Aufbau des Arthaśâstra