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Zitierweise / cite as:
Payer, Margarete <1942 - >: Internationale Kommunikationskulturen. -- 10. Kulturelle Faktoren: Kleidung und Anstand. -- 2. Teil II: Bekleidungsstücke. -- Fassung vom 2001-05-13. -- URL: http://www.payer.de/kommkulturen/kultur102.htm. -- [Stichwort].
Erstmals publiziert: 2001-05-13
Überarbeitungen:
Anlass: Lehrveranstaltung, HBI (HDM) Stuttgart, 2000/2001
Unterrichtsmaterialien (gemäß § 46 (1) UrhG)
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Dieser Text ist Teil der Abteilung Länder und Kulturen von Tüpfli's Global Village Library
Statt eines Motto:
Abb.: Daumier, Honoré <1808 - 1879: Coquetterie -- Gefallsucht |
Im Folgenden werden einige Grundbegriffe zu Bekleidungsstücken gegeben samt den Anlässen, zu denen sie getragen werden.
Nach Produktgruppen werden Bekleidungstextilien eingeteilt in:
Wichtige Bekleidungsformen sind u.a. :
Webportale:
Der Wert, der Bekleidungsstücken beigemessen wird, richtet sich oft nach dem Preis: "je teurer und seltener, desto besser". Deshalb akzeptieren viele folgende Werthierarchie:
Auf die Herstellungsbedingungen von Bekleidung kann hier nicht eingegangen werden, oft werden Kleidungsstücke unter extrem ausbeuterischen Bedingungen in Freihandelszonen der Dritten Welt (besonders China) hergestellt. Siehe dazu:
Entwicklungsländerstudien / hrsg. von Margarete Payer. -- Teil II: Kernprobleme. -- Kapitel 24: Arbeit und Beschäftigung / verfasst von Yvonne Hermann. -- URL: http://www.payer.de/entwicklung/entw24.htm
Klein, Naomi <1971 - >: No Logo! : der Kampf der Global Players um Marktmacht ; ein Spiel mit vielen Verlierern und wenigen Gewinnern. -- [München] : Riemann, ©2001. -- 501 S. : Ill. -- (One earth Spirit). -- ISBN 3570500187. -- Originaltitel: No logo (2000). -- {Wenn Sie HIER klicken, können Sie dieses Buch bei amazon.de bestellen}
Rock ist ein taillenabwärts getragenes Kleidungsstück, vorwiegend der Damen- und Mädchenbekleidung. Mit einer Jacke wird der Rock zum Kostüm ergänzt.
Abb.: Rocklängen
[Quelle der Abb.: Fachwissen Bekleidung. -- 5. Aufl. -- Haan-Gruiten : Europa-Lehrmittel, ©1998. -- ISBN 3898562056. -- S. 200. -- {Wenn Sie HIER klicken, können Sie dieses Buch bei amazon.de bestellen}]
Mit Ausnahme von schottischem Kilt, Sarong, Pareu und einigen anderen ist der Rock meist ein Damenbekleidungsstück. Westliche Frauen gehen im Ausland meist nicht fehl, wenn sie einen kniebedeckenden, nicht zu engen Rock tragen. Sehr kurze Röcke sowie sehr enge Röcke können -- vor allem in muslimischen Gegenden -- als sexuelle Aufforderung missverstanden werden und Anstoß erregen bzw. sexuelle Belästigungen provozieren.
Von Röcken nicht-westlicher Kulturen sind heute noch Sari und Sarong von besonderer Bedeutung.
Abb.: Teepflückerin in Sari (©Corbis)
Der Sari ist der von Frauen Südasiens auch heute noch am meisten getragene Rock. Wenn Ausländerinnen bei entsprechenden Anlässen Saris tragen, wird dies von Südasiaten geschätzt. Zum Sari gehört eine Bluse mit Ärmeln, die meist den Bauch frei lässt. Unter dem Sari trägt man einen Unterrock.
Abb.: Anziehen eines Sari (animated gif)
Abb.: Die einzelnen Schritte erklärt
[Quelle der Einzelbilder: http://www.kerala.com/fashion/hwsari.htm. -- Zugriff am 2001-04-05]
Webportal für Saris:
Abb.: Sarong, Java, Indonesien, um 1920 (©ArtToday)
Der Sarong ist der traditionelle Wickelrock für Männer und Frauen in weiten Teilen Südostasiens. In Indonesien wird er vor allem noch bei religiösen Zeremonien getragen (in Bali ist er in hinduistischen Tempeln Vorschrift). In Thailand gilt der Sarong heute als bäurisch-rückständig.
Webportal:
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Der Pareu ist das um den Körper gewickelte Lendentuch polynesischer Frauen und Männer. Er wurde zum Vorbild für Strandmoden.
Abb.: Typische Bluse in vielen südostasiatischen Dörfern und Kleinstädten (©ArtToday)
Bei Blusen ist zu beachten, dass in konservativen Ländern (Südasien und muslimische Länder) ärmellose Blusen als schamlos gelten, dasselbe gilt für durchsichtige Blusen sowie "gewagte" Ausschnitte. Bezüglich "bauchnabelfrei" muss man sich nach den landesüblichen Kleidungsstücken richten (indische Sariblusen lassen normalerweise den Bauch oberhalb des Bauchnabels frei). Im Zweifelsfall ist es besser, bauchnabelfrei zu vermeiden. Tops (Trägerhemdchen) sind oft kritisch.
Abb.: Eine solch harmlose Bekleidung ist an vielen konservativen Arbeitsplätzen
unerwünscht (©ArtToday)
Abb.: Coco Chanel: das kleine Schwarze. -- Vogue. -- 1926
Als Kleid im engeren Sinn bezeichnet man ein einteiliges Bekleidungsstück, bestehend aus Rumpfteil und angeschnittenem oder angenähtem Rockteil.
Für Kleider gilt das zu Röcken und Blusen gesagte entsprechend. In konservativen Betrieben erwartet man von Angestellten konservative Kleider bzw. konservative Röcke mit entsprechendem Oberteil.
Unter den Kleidern (im weiteren Sinn) nicht-westlicher Kulturen ist vor allem der japanische Kimono von Bedeutung.
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Der Kimono ist sowohl Frauen- als auch Männertracht. Er wird von einem sehr kostbaren Stoffgürtel (Obi) zusammengehalten. Der Obi ist 3,60 bis 9,60 cm lang und 60 cm breit.
Abb.: Obi (©Corbis)
Den Kimono anzuziehen und ihn zu binden ist eine schwierige Kunst, für die es in Japan eigene Kimonoschulen gibt. Früher zeigte die Bindungsart des Obi die soziale Stellung der Trägerin an (professionelle Sexarbeiterin, Mädchen, verheiratete Frau), heute hält man sich nicht mehr an diese Konventionen. In Japan wird der traditionelle Kimono noch bei besonderen Festanlässen getragen. Ausländer, die nicht perfekt sind im Kimonobinden, sollten in Japan keine Kimonos tragen, da sie dann in japanischen Augen lächerlich aussehen.
Webportal:
Unter Maschenoberbekleidung versteht man jegliche Oberbekleidung aus textilen Stoffen, die nicht gewoben, sondern Strickware oder Kettengewirke sind. Hierzu rechnen also z.B. Strickkleider, Strickwesten, Pullover, T-Shirt, Sweater, Pullunder, Twinset. "Dezente" Maschenoberbekleidung gilt heute bei vielen Anlässen als formelle Kleidung.
Die Dirigenten Herbert von Karajan (1908 - 1989) und Leonard Bernstein (1918 - 1990), die im weißen Rollkragenpullover dirigierten, machten diesen zum Gesellschaftsanzug populär. Seither kann man einen solchen Abendpullover sogar zum Smoking tragen.
Webportale:
In seinem Lehrbuch über Herrenkleidung schreibt Alfons Hofer 1990 zu Herrenhosen zusammenfassend:
[Hofer, Alfons: HAKA : Citykleidung, Sportswear, Jeanswear. -- 3. Aufl. -- Frankfurt a. M. : Deutscher Fachverlag, ©1990. -- ISBN 3-87150-312-6. -- S. 398 - 399]
Lange Damenhosen, die nicht zu gesäßbetonend sind, erregen heute kaum noch irgendwo Anstoß.
Abb.: Als Freizeitkleidung o.k., am Arbeitsplatz oft unerwünscht: Shorts (©ArtToday) |
Shorts (auch Bermuda-Shorts) können außerhalb von Freizeitbeschäftigungen bei Männern und Frauen als deplaziert angesehen werden.
In Indien sind noch zwei andere Beinbekleidungen von großer Bedeutung: Dhoti und Paijama.
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(Quelle der Abbildungen: http://www.shakti.clara.net/sari/dhot.html. -- Zugriff am 2001-04-11) |
Dhoti ist das klassische südasiatische Beinkleid. Es wird heute noch von vielen Männern, besonders bei religiösen Anlässen, getragen. Der Dhoti ist ein langes Stück Stoff, das hosenartig um die Beine gebunden wird. In stark westlich orientierten Kreisen Indiens gilt das Tragen des Dhoti als Zeichen der Rückständigkeit bzw. als reaktionär.
Abb.: Frau in Paijama unter Schador, Pakistan (©Corbis)
Paijama [sprich: paidschama] ist die indische Männer- und Frauenhose. Diese Tageshose wurde um 1890 die Vorlage für das (den) Pyjama, den Hosenschlafanzug..
Jeans machten eine Entwicklung durch von der strapazierfähigen Arbeitshose zur weltweiten Alltags- und Modehose. Inzwischen wurden Jeans -- besonders Damenjeans -- von Designern entdeckt und existieren in verschiedensten Schnitten und Längen. Wirken Jeans leger, dann sind sie vor allem in den USA an vielen Arbeitsstellen nur an casual days geduldet.
"No shoes, no shirt -- no food!" Aufschrift an vielen amerikanischen Restaurants |
"Entgegen europäischen Vorurteilen herrschen in den USA, insbesondere an der Ostküste, strenge Dresscodes. die vor allem für das Geschäftsleben gelten. Wer sich morgens in Manhattan bei einem der vielen Schuhputzer seine »wingtips« auf Hochglanz bringen laßt, ist nur von Herren in Anzügen umgeben. Im Sommer darf der schon mal beige, oliv oder hellblau sein. solange es eben ein Anzug ist. Als einzige Auflockerung wurde irgendwann der »casual dress Fridav« einge fuhrt. denn der Freitag gilt als ein Tag, an dem man zwar nicht gerade in Jeans und Polohemd, aber immerhin mit Sportjacke, Chino und einem etwas legereren Hemd erscheinen darf, dem »Fridac shirt«. Tatsächlich ist im Versandkatalog von Brooks Brothers [Webpräsenz: http://www.brooksbrothers.com/. -- Zugriff am 2001-04-15] dem »Fridav-sltirt« regelmäßig eine eigene Seite gewidmet. und da finden wir dann all die beliebten Qualitaten wie die feinfadigen Chambrays. die etwas derberen Oxfords und natürlich die vielen verschiedenen typischen Muster wie »mini plaids«. »candy stripes« und »mini tattersalls«. die uns farblich auf das Wochenende einstimmen." |
[Roetzel, Bernhard <1966 - >: Der Gentleman : Handbuch der klassischen Herrenmode. -- Köln : Könemann, ©1999. -- ISBN 3895086371. -- S. 65. -- {Wenn Sie HIER klicken, können Sie dieses Buch bei amazon.de bestellen}]
In seinem Lehrbuch über Herrenkleidung schreibt Alfons Hofer 1990 zu Herrenhemden zusammenfassend:
[Hofer, Alfons: HAKA : Citykleidung, Sportswear, Jeanswear. -- 3. Aufl. -- Frankfurt a. M. : Deutscher Fachverlag, ©1990. -- ISBN 3-87150-312-6. -- S. 428]
In den Tropen ist der indische Kurta eine sehr angepasste Kleidung.
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Der Kurta ist das traditionelle, lange indische Hemd für Männer und Frauen. Durch seinen weiten Schnitt ist er ein in tropischem Klima ausgesprochen angenehm zu tragendes Kleidungsstück. Ausländer können in Südasien ohne weiteres einen Kurta tragen, so lange sie ihn nicht zum Gammel-Look umwandeln.
"Ein Streifzug durch den Blätterwald der europäischen Illustrierten verrät, daß in Südeuropa Politiker und Wirtschaftsführer nach wie vor Anzug tragen, während den Angehörigen aller anderen Berufsgruppen die Sportjacke erlaubt ist.
In England herrscht immer noch in fast allen Wirtschaftszweigen Anzugpflicht. In Mittel- und Nordeuropa ist die Sportjacke weithin akzeptiert, der Anzug wird nur noch in den ganz konservativen Branchen wie Banken und Versicherungen getragen - und auch dort nur noch in der Führungsebene. Die Amerikaner sehen, genauso wie die Engländer, in der Sportjacke ein informelles Kleidungsstück, dementsprechend schlicht sind die dort getragenen Modelle." |
[Roetzel, Bernhard <1966 - >: Der Gentleman : Handbuch der klassischen Herrenmode. -- Köln : Könemann, ©1999. -- ISBN 3895086371. -- S. 120. -- {Wenn Sie HIER klicken, können Sie dieses Buch bei amazon.de bestellen}]
In seinem Lehrbuch über Herrenkleidung schreibt Alfons Hofer 1990 zu Sportsakko, Blazer, Weste zusammenfassend:
[Hofer, Alfons: HAKA : Citykleidung, Sportswear, Jeanswear. -- 3. Aufl. -- Frankfurt a. M. : Deutscher Fachverlag, ©1990. -- ISBN 3-87150-312-6. -- S. 382 - 383]
Zum indischen Gesellschaftsanzug gehört oft die Nehru-Jacke.
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Die Nehru-Jacke gehört zum Gesellschaftsanzug indischer Männer soweit sie sich für Gesellschaftsanlässe nicht westlich kleiden. Sie ist Ausdruck nationaler (und politischer) Identität.
Bandgalla ist die kurze, hüftlange, Ausführung der Nehru Jacke, Sherwani die knielange.
Bei Mänteln aus Leder oder Pelz sind Empfindungen von Hindus, Tierschützern (und vom Aussterben bedrohten Tierarten) zu beachten. Sonst geht es einem wie der früheren Bundestagspräsidentin Annemarie Renger (geb. 1919), die es für ihr Selbstgefühl nötig hatte, einen Leopardenfellmantel zu tragen, und von der es dann zu Recht hieß:
"Es gibt Schafe im Wolfspelz und Ziegen im Leopardenpelz!" |
Der Kente ist Ausdruck westafrikanischen Selbstbewusstseins, der Poncho breitete sich von Lateinamerika ausgehend aus.
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Kente ist ursprünglich der Königsmantel der Asantehene. Er entwickelte sich zu einer Art festlichen Nationaltracht der Asante in Ghana und der Ewe in Ghana und Togo. Ausländer sollen keinen Kente tragen: dies gälte als Anmaßung (wenn nicht gar Sakrileg).
Siehe: Wrapped in Pride: Ghanaian Kente and African American Identity. -- URL: http://www.nmafa.si.edu/exhibits/kente/. -- Zugriff am 2001-04-11
Abb.: Sombrero und Poncho zusammen bilden eine sinnvolle Schutzkleidung (©ArtToday)
Der Poncho ist ursprünglich eine Decke aus Wollstoff mit Kopfschlitz. Er gehört zur Kleidung lateinamerikanischer Indios sowie Gauchos, sowie einiger Völker Asiens.
Als solche Kombinationen sind zu nennen:
"Der Anzug ist immer noch die eleganteste Kleidung, die ein Mann tragen kann, vorausgesetzt, Schnitt, Farbe und Stoff sind richtig, also passend zu
Anlass, Tageszeit, Jahreszeit und Klimazone ausgewählt. Diese Reihenfolge ist kein Zufall, denn der Schnitt ist in der Tat der wichtigste Faktor. Ein gutgeschnittener Anzug aus einem nicht ganz hochwertigen Stoff sollte im Zweifel einem schlechter geschnittenen Anzug aus einem besseren Stoff vorgezogen werden - obwohl eigentlich gerade beim Anzug überhaupt keine Kompromisse
gemacht werden sollten. "
"Als angemessene Farben für den Anzug gelten traditionell Dunkelblau, dunkles bis ganz helles Grau und Schwarz. Der Anzug sollte auf jeden Fall in einem dieser Töne gehalten sein, wenn er bei der Ausübung geschäftlicher Tätigkeiten im Bereich Finanzen, Recht, Handel oder Politik getragen wird. Nur am Wochenende oder zu sportlichen Anlässen darf ein Anzug braun oder grün sein. " |
[Roetzel, Bernhard <1966 - >: Der Gentleman : Handbuch der klassischen Herrenmode. -- Köln : Könemann, ©1999. -- ISBN 3895086371. -- S. 90. -- {Wenn Sie HIER klicken, können Sie dieses Buch bei amazon.de bestellen}]
In seinem Lehrbuch über Herrenkleidung schreibt Alfons Hofer 1990 zu Herrenanzügen zusammenfassend:
Spezial-Gesellschaftskleidung für den Abend sind Frack und Smoking, deren Farbe und Modell (mit Schal- oder Reverskragen, ein- oder zweireihig) keinen Einfluss auf die gesellschaftliche Einstufung haben.
Der variabel gestaltete Partyanzug entspricht in seinem gesellschaftlichen Rang etwa dem Cocktailkleid der Dame."
[Hofer, Alfons: HAKA : Citykleidung, Sportswear, Jeanswear. -- 3. Aufl. -- Frankfurt a. M. : Deutscher Fachverlag, ©1990. -- ISBN 3-87150-312-6. -- S. 334 - 335]
"Der italienische Anzug. Man kann sich wohl keinen größeren Gegensatz vorstellen, als den zwischen eitlem Engländer und einem Italiener, wenn die Verallgemeinerung hier erlaubt ist. Insbesondere was die Kleidung angeht, treffen hier unvereinbare Gegensätze aufeinander. Auf der einen Seite britisches Understatement bis hin zur Selbstverleugnung, auf der anderen Seite jene Lust an der Selbstdarstellung, die sich bisweilen zu purer Eitelkeit steigern kann. Beides schlägt sich nieder in den grundsätzlich verschiedenen Anzugkulturen dieser einzig wirklich stilbildenden Nationen in Sachen klassischer Herrenkleidung. Der Engländer, die Verallgemeinerung sei hier erneut verziehen, möchte mit seinem Anzug ausdrücken, dass er Teil einer bestimmten Gesellschaftsschicht ist, Teil eines großen »we«; Wir, die wir Anzüge aus der Savile Row tragen, wir, die wir um Richtig und Falsch in Fragen von Kleidung, Lebensstil, Politik und Religion wissen. Da sich der Engländer als Teil eines Ganzen versteht, darf sein Anzug auch keinerlei individuelle Prägung haben, vielmehr muss er genau den überlieferten Regeln folgen, damit er genauso aussieht, wie der Anzug des Vaters und des Großvaters. Und tatsächlich werden diese Anzüge noch von den Söhnen aufgetragen, falls sie passen. Wenn nicht, werden sie passend gemacht. Der italienische Mann dagegen will sich selbst darstellen, denn er ist von seiner Individualität und Wichtigkeit überzeugt. Dieses Gefühl haben ihm schon seine Mutter und seine Familie mit auf den Weg gegeben. Sein Anzug soll seine Einmaligkeit hervorheben, allerdings nicht durch marktschreierische Extravaganz, sondern durch eine gewisse Eleganz, für die der Engländer sich im allgemeinen nicht interessiert, da er lediglich richtig angezogen sein will. Klassische Eleganz entspricht den Idealen der in Italien immer wieder gern bemühten Renaissance. Eleganz strebt der Italiener in seiner Kleidung und in seinem Lebensstil an, und so ist der italienische Anzug vor allem dies: elegant, also fein, gewählt und erlesen. Seine Feinheit zeigt sich in den leichten, weichen Stoffen, seine Gewähltheit in den Farben und Dessins, seine Erlesenheit im Schnitt und in der erstklassigen Verarbeitung. Der italienische Anzug ist zudem ein Requisit der italienischen Tradition der »passeggiata«, jenes Flanierens, bei dem der Mann den Konkurrenten seiner Art seinen wirklichen oder auch nur vorgegebenen Wohlstand präsentiert, natürlich mit Hilfe von eleganter Kleidung. Dies sei bedacht, wenn wir im folgenden die italienische Schneiderkunst betrachten, die sicherlich die eleganteste Herrenmode der Welt hervorbringt."
[Roetzel, Bernhard <1966 - >: Der Gentleman : Handbuch der klassischen Herrenmode. -- Köln : Könemann, ©1999. -- ISBN 3895086371. -- S. 108. -- {Wenn Sie HIER klicken, können Sie dieses Buch bei amazon.de bestellen}]
Abb.: Praetorius, Emil: Fashionable. -- In: Simplizissimus. -- 1909
"Sagen Sie mal, zieht man zum Offenbarungseid Gehrock oder Smoking
an?"
Hierher gehören
Zu Kapitel 10, Teil III: Accessoires und Schmuck