Religionskritik

Antiklerikale Karikaturen und Satiren XXVII:

Geistliche


kompiliert und herausgegeben von Alois Payer

(payer@payer.de)


Zitierweise / cite as:

Antiklerikale Karikaturen und Satiren XXVII: Geistliche  / kompiliert und hrsg. von Alois Payer. -- Fassung vom 2005-02-14. -- URL:  http://www.payer.de/religionskritik/karikaturen27.htm    

Erstmals publiziert: 2004-05-27

Überarbeitungen: 2005-02-14 [Ergänzungen]; 2004-12-21 [Ergänzungen]; 2004-07-30 [Ergänzungen]; 2004-07-08 [Ergänzungen]; 2004-07-02 [Ergänzungen]; 2004-06-14 [Ergänzungen und Umstellung]; 2004-06-07 [Ergänzungen]

©opyright: Abhängig vom Todesdatum der Künstler

Dieser Text ist Teil der Abteilung Religionskritik  von Tüpfli's Global Village Library


1399


Anonym. -- Würzburg. -- 1399

Der Pfaffen wollen wir sein entladen,
Denn die Mönch und Pfaffen
Haben ja sonst nichts zu schaffen
Als mit Weibern.
Wir wollen sie aus den Klöstern treiben
Und daraus nehmen all ihr Gut,
So wollen wir werden wohlgemut.


1461


François Villon (1431 - 1463): Les Contredits Franc Gontier <Auszug>. -- 1461

Sur mol duvet assiz, ung gras chanoine,
Lez ung brasier, en chambre bien natée,
A son costé gisant dame Sidoine,
Blanche, tendre, polye et attintée,
Boire ypocras à jour et à nuytée,
Rire, jouer, mignonner et baisier,
Et nud à nud, pour mieulx des corps s'aisier,
Les vy tous deux par ung trou de mortaise.
Lors je congneuz que, pour dueil appaisier,
Auf weichen Daunenkissen räkelt sich ein feister Pfaff,
beim Wärmebecken wohlig hingelümmelt, faul und schlaff.
An seine Seite schmiegt sich zärtlich Dame Sidonie,
geputzt und schimmernd weiß und glatt, ein Bein auf seinem Knie.
Sie trinken Würzwein, der sie hitzt und juckelt Tag und Nacht.
Sie herzen sich und schmusen, und da wird geküßt, gelacht,
und ein ums andre Mal hat's ihr der Bock gemacht...
Zu größrer Lust sind alle beide mutterfasernackt.
Das alles hab ich durch den Spalt erspäht. Was heißt hier Takt?
Da ward mir klar, wie unsereiner wird ums Glück geprellt.
Nur wer im Wohlstand lebt, hat's gut auf dieser Welt!

1476


Wallfahrtslied. -- 1476

Wir wollen's Gott im Himmel klagen,
Kyrie eleison,
Dass wir die Pfaffen nicht zu Tod sollen schlagen,
Kyrie eleison

[Quelle: Deutsche Volkslieder demokratischen Charakters aus sechs Jahrhunderten : Bd. 1 u. Bd. 2 reprinted u. zusammengebunden / Wolfgang Steinitz
Sonderausg. -- Frankfurt am Main : Zweitausendeins, 1979. --  XLIV, 630 S. : Noten ; 21 cm. --  Nebentitel: Der grosse Steinitz. -- ISBN: 3-88436-101-5. -- Bd. I, S. 13]

Auch Bestandteil des in der Jugendbewegung um 1920 aus Versatzstücken aus dem Bauernkrieg (1525) gesungenen Lieds "Geyers schwarzer Haufen"


 Abb.: Noten [Bildquelle: http://www.psychos-productions.net/rpg/song.php?song_id=27. -- Zugriff am 2004-10-22]

Für Melodie "Geyers..." hier drücken

[Quelle der mp3-Datei: http://www.psychos-productions.net/rpg/song.php?song_id=27.  -- Zugriff am 2004-10-13]

Wir sind des Geyers schwarze Haufen

Wir sind des Geyers Schwarzer Haufen - Heyah Heyoh
Wir wollen mit Pfaff und Adel raufen - Heyah Heyoh

Spieß voran, hey!, drauf und dran
Setzt aufs Klosterdach den roten Hahn
Spieß voran, hey!,
drauf und ran hängt ans Klosterkreuz den Herrn Kaplan

Jetzt gilt es Schloss Abtei und Stift - Hey...
Uns gilt nichts als die heil´ge Schrift - Hey...

Als Adam grub und Eva spann - Hey...

Wo war denn da der Edelmann - Hey...

Wir wollen´s Gott im Himmel klagen - Hey...
Dass wir die Pfaffen nicht dürfen totschlagen - Hey...

Wir woll´n nicht länger sein ein Knecht - Hey...
Leibeigen frönig ohne Recht - Hey...

[Dieses Lied ist in verschiedene Versionen zersungen, s. unter obiger URL]


1620




Abb.: Matthäus Buschweiler: Pfäffischer Weinsucht Lust, nach dem gemeinen Sprichwort: "Bob hol Wein, Wirt schenk ein, Pfaff trink aus, Bauer gibs Geld heraus!". -- Speyer. -- 1620


1641


Georg Rudolf Weckherlin (1584 - 1653): An den Pfarrer Schandflecken. -- 1641

Pfaff, die Vergleichung deiner Haaren
Mit deinen Sünden musst du sparen:
Denn jene nehmen ab, die zu mit deinen Jaren.


1650



Abb.: Giovanni Lorenzo Bernini (1598 - 1680): Kardinal Scipione Borghese (1576-1633). -- Um 1650


1654


Friedrich von Logau (1604 - 1655): Von einem Pfarrer. -- 1654

Kummet her und kaufet ein
Gar umsonsten Milch und Wein!
Pflegt ein Dorf-Pfarr stets zu sagen;
Wollte gleichwohl sich beklagen,
Wann ihm nicht dafür kam ein
Fette Milch und edler Wein.


Friedrich von Logau (1604 - 1655): Schriftverständige. -- 1654

Ihr Geistlichen, ei, messet mir kein Böses ansonsten bei,
Drum dass von euch, die ich sonst ehr', ich sondrer Meinung sei.
Mich dünkt, ihr habet alle gern ein wenig Regiment,
Und dass ihr, wann ihr überzeugt, nicht gerne dies bekennt.


Friedrich von Logau (1604 - 1655): Eifrige Geistliche. -- 1654

Wie ein ottomanisch Kaiser wollen Geistliche regieren,
Der, den Zepter zu versichern, lässt die Brüder strangulieren;
Also sie in Glaubenssachen wollen herrschen und die Brüder
Lieber räumen von dem Brote, wann sie ihrem Wahn zuwider.


Friedrich von Logau (1604 - 1655): Priesterliche Gebete. -- 1654

Gebet, sprechen manche Priester, soll Gebet für euch man sprechen;
Scheint es doch, dass ihre Seufzer nach dem Taler sind zu rechen.


Friedrich von Logau (1604 - 1655): Geizige Geistliche. -- 1654

Viel dienen dem Altar;
Ich lass es bleiben wahr;
Doch dünkt mich gleichwohl auch,
Altar sei manchmal Bauch.


Friedrich von Logau (1604 - 1655): Drei Fakultäten. -- 1654

Juristen, Ärzte, Prediger sind alle drei beflissen,
Die Leute zu purgieren wohl an Säckel, Leib, Gewissen.

Erläuterung: purgieren = reinigen, entleeren


Friedrich von Logau (1604 - 1655): Auf Papulum, einen Pfarr. -- 1654

Papulus, du nimmst den Zehnten, dich und alles Haus zu nähren,
Ob du gleich den zehnmal Zehnten kannst mit Lehren nicht bekehren.

Erläuterung: Papulus = "Väterchen"


Friedrich von Logau (1604 - 1655): Gespräch eines Pfarrers und Küsters. -- 1654

Ein Küster sprach: Herr Pfarr, sie bringen eine Leiche.
Der Priester sprach: Wohl gut! ist's aber eine reiche?
Der Küster sprach: O nein. Der Priester sprach: Des Armen,
Des hätte sich der Tod noch mögen wohl erbarmen!
Der Küster sprach: O ja. Der Priester sprach: Zu legen
Dem Tode seinen Zoll, ist jeder unterwegen.


Friedrich von Logau (1604 - 1655): Väter, Patres. -- 1654

Es hat jetzund viel Patres,
Vermutlich auch viel Matres.

Erläuterung: Patres = "Väter", Anrede an Geistliche; matres = "Mütter"


Friedrich von Logau (1604 - 1655): Väter. -- 1654

Man gibt den Geistlichen gemein der Väter Namen;
Nur dass nicht leichtlich an Tag die Kinder kamen.


1677


Anonym: Grabinschrift einer Pfaffen-Köchin. -- 1677

Ein Pfaffenköchin keusch, die schmackhaft konnte kochen,
Auch waschen, backen, brau'n, hat sich allhier verkrochen.
Nun muss der gute Herr ohn Weib und Köchin sein,
Und, wie ein Witwer pflegt, schlafen im Bett allein.


1681



Abb.: Romeijn de Hooghe (1645 - 1708) nach William Loggan: Die Schlemmerei der Pfaffen. -- 1681.


1697


Christian Wernicke (1661-1725): Katechismus-Frage. -- 1697

Es ging an einem Feiertag'
Mit seinen Geistlichen ein Bischof in dem Grünen;
Als viele Bauren ihm nah' einem Dorf' erschienen,
Die ungeachtet ihrer Plag',
Im Felde woll bezecht mit mancher Kuhmagd sprungen,
Und von dem Pfaff' ein Lied und seiner Köchin sungen.
Der Bischoff sprach: "Ihr Herrn schaut diese Tölpel an,
Wie jeder so gar leicht, was schlimm ist, fassen kann;
Hergegen sollte man sie um den Glauben fragen,
So wüste niemand, was zu sagen.
Als zum Beweis: Du grober Knoll,
Wie viel sind Götter? Weist du's woll?"
"Nur einer"; sprach der Bauer-Knecht,
"Und dennoch dienet ihm ihr Geistliche nur schlecht."


Christian Wernicke (1661-1725): Einweihung eines Abts. -- 1697

Es sah' ein Fräulein einst wie zu bestimmter Zeit
Ein reicher Abt ward eingeweiht.
Als sich nun an dem Ort viel Bischöf' eingefunden,
Die wie im halben Mond um Kreutz und Altar stunden:
Wie sehr, sprach sie, gefället mir
Indem sie nach dem Altar wies,
Die schöne Gegenwart so vieler Bischöf' hier;
Mich dünkt ich sei im Paradies.
Mich dünkt ihr wollt euch nur, antwortet' einer, äffen;
Es sind im Paradies so viel nicht anzutreffen.


Christian Wernicke (1661-1725): Auf einen exemplarischen Domherrn. -- 1697

Ob gleich Cratinus1 nie als wenn er voll ist singt,
Nie bet, als wenn er will an seine Tafel treten;
So ist es dennoch wahr, dass er die Zeit verbringt
Der Geistlichkeit gemäß, mit Singen und mit Beten.

Erläuterung:

1 "Cratinus, i, m. (Kratinos), einer der ersten Dichter der alten attischen Komödie, Zeitgenosse des Eupolis und Aristophanes, besonderer Verehrer des Weins." (Georges)


1722


Johann Christian Günther (1695-1723): Auf einen Prediger in B[rieg]. -- 1722

Man strafte nächsten Tag den jungen Prediger,
Der vor ein fettes Amt viel Beutel hingeschmissen.
Er aber sprach: Die Schrift beruhigt mein Gewissen.
Denn kauft des Höchsten Sohn, mein Meister und mein Herr,
Sein armes Hirtendienst vor Marter, Blut und Leben,
So kann ich wohl vor dies den kahlen Mammon geben.


Johann Christian Günther (1695-1723): Auf Bavium. -- 1722

Bav meint, ich glaubte nichts. Allein ist Bav wohl klug?
Ich glaube, dass mir Gott Brot, Seeligkeit und Leben,
Ihn aber uns aus Zorn zum Prediger gegeben.
So glaubt ein frommer Christ und ich mit ihm genug.


Johann Christian Günther (1695-1723): Auf Bavium. -- 1722

Wie kommt es, dass ich nie in Bavens Predigt bin?
Ich weis und kenne ja die Ketzer schon vorhin.


1759


Gottlieb Konrad Pfeffel (1736 - 1809): Der Kanzelschreier. -- 1759

Ein Dorfpabst von beredter Zunge
Schalt einst, kraft seiner Amtesmacht,
Aus allen Tönen seiner Lunge,
Auf Ketzer, die er selbst gemacht:
Und rief die schwarzen Legionen
Der ziegenfüßigen Dämonen
Als Rächer aus dem Höllenschlund.
Ein Mütterlein das vor ihm stund,
Erbebte hier am ganzen Leibe
Und schwamm in einem Tränenstrom.
Was weint ihr? sprach der Chrysostom
Beim Schluss der Predigt zu dem Weibe.
Ach, lieber Gott! erwidert sie
Und heult, dass die Gewölber hallen:
Es ist ein Stier mir umgefallen,
Der just wie der Herr Pfarrer schrie.


1769


Johann Wilhelm Ludwig Gleim (1719 - 1803): Sagen und Tun. -- 1769

Drei Predigten in jeder Woche? — Nun!
Ist's Kinderspiel?
"Herr Pastor, nein, es ist zu viel!
Bleibt ihnen keine Zeit zum Tun."


1775


Gottlieb Konrad Pfeffel (1736 - 1809): Die Erkennung. -- 1775
Ein wilder Junge fiel und brach den Hals.
Vom Anlass dieses bösen Falls
Mag einst mein Scholiast Bericht erteilen:
Man bricht bald so, bald so den Hals,
Und niemals ist der Bruch zu heilen.
Der alten Weiber Angstgeschrei
Zog einen Haufen Volks herbei.
Dom Hyazinth (er war der Probst im Flecken)
Vergaß sein Glas und seinen schweren Bauch;
Gespornt vom allgemeinen Schrecken
Lief er und seine Köchin auch.
Kaum hört der Pater was geschehen,
So fängt er an gemächlicher zu gehen
Und spricht in einem ernsten Ton:
Vielleicht war dieser kleine Limmel
Ein Bösewicht und trägt nun den gerechten Lohn
Der frühen Sünde früh davon:
Vielleicht (behüt uns Gott im Himmel!)
War er, hier spuckt er aus, gar eines Ketzers Sohn.
Der Marthe Vorwitz drang zuerst durch das Gewimmel,
Doch plötzlich stürzte sie dem frommen Hyacinth
Blass wie ein Leichnam in die Arme
Und schrie verzweiflungsvoll: Ach, dass es Gott erbarme!
Herr Pater, es ist unser Kind!

Matthias Claudius (1740-1815): Hinz und Kunz. -- 1775

Hinz:

Mein Junge da, das ist ein Junge, der!
Kein Kuchen ist so rund wie er,
Und hat dir, hör, vor hunderttausend Knaben,
Ganz sonderbare Gaben.
Was meinst du wohl, er buchstabiert schon frisch;
Und sähst du ihn beim Abendsegen,
Da sieht er aus, als wär' ihm groß daran gelegen,
Und kneipt indes die andern unterm Tisch!
Nun, Kunz, was hältst du ihn?

Kunz:

Bei meiner Seel', es steckt ein Pfarrer drin!


1779


Walter Mapes (um 1140 bis um 1209): Für die Priesterehe (Freie Übersetzung von Johann Gottfried Herder (1744 - 1803)). -- 1779

Auch der gute Prician1 wird nicht respektieret!
Gar das Wort Sacerdos2 nicht mehr deklinieret!
Voraus hieß es hic und haec3, so ward's durchgeführet;
Jetzo heißt es: Armer hic! haec ist exulieret4.

Leider! so muss immer ja Gottes Kirche leiden,
Was er selbst zusammengab, soll der Mensch nicht scheiden,
Was Gott bei der Schöpfung sprach, sprach er ja zu beiden:
"Wachset und vermehret euch, mehrt die Welt mit Freuden!"5

Aber Jammer jetzt und Weh, die verlassen müssen,
Die so sanft sich zu uns tat, scheiden von der Süßen!
O Papst Innocentius6, du wirst büßen müssen,
Dass du unser Leben uns halb hinweggerissen.

Bist du Innocentius, der die Unschuld7 liebet?
Und was jung er selbst genoss, andern nicht mehr gibet,
Andern nicht vergönnt als Greis, was er jung geübet?
Bitte Gott, Papst Innozenz, dass er's dir vergibet.

Was war Adams Lebenslauf! Söhn' und Töchter zeugen!
Und das Alte Testament macht sich dies zu eigen,
Und den Alten Bund will ja nicht der Neue beugen;
Patriarchen, Könige und Propheten zeugen.

Paulus, der Apostel, ward hoch hinauf entzücket,
Was er in drei Himmeln sah8, wer hat das erblicket?
Und was spricht er, wenn er uns wieder näher rücket?
"Jeder", spricht er, "hab' sein Weib, hab es unzerstücket."9

Ich bleib auch bei Paulus' Wort, bei der guten Gabe:
"Lieben Brüder, es ist gut, dass ein Weib man habe,'
Jedermann sein eigen Weib, und sich an ihr labe,
Und dass jeder Priester auch seine eigne habe."10

Denn mich dünket, es ist hart und nicht feine Sitte,
Dass ein armer Priester sich erst zu Gaste bitte
Bei der Tochter, Nichte, Frau in des Nachbars Hütte;
Lieben Herren, das ist hart und nicht feine Sitte.

Darum, Heil'ger Vater, hilf, hilf uns aus den Nöten,
Dass das Paternoster11 wird bald selbander12 beten:
Priester denn und Priesterin werden mich vertreten
Und für meine Sündenschuld Paternoster beten.

Erläuterungen:

1 - 4 Auch der gute Prician1 [= Priscianus Caesariensis, um  500 n. Chr.,  Grammatiker des Latein. Seine Commentarii grammatici sind im Mittelalter eine Standardgrammatik] wird nicht respektieret! Gar das Wort Sacerdos2 [= Priester] nicht mehr deklinieret! Voraus hieß es hic und haec3 [d.h. sacerdos  war männlich (hic = dieser) und weiblich (haec = diese)], so ward's durchgeführet; Jetzo heißt es: Armer hic! haec ist exulieret4 [ =die weibliche Form von Priester ist in Verbannung geschickt].

5 = Genesis 1,28: "Und Gott segnete sie und sprach zu ihnen: Seid fruchtbar und mehret euch und füllet die Erde und machet sie euch untertan und herrschet über die Fische im Meer und über die Vögel unter dem Himmel und über das Vieh und über alles Getier, das auf Erden kriecht. "

6 Papst Innocentius = Innozenz II (* vor 1116, † 1143, Papst von 1130 bis 1143), der auf dem zweiten Laterankonzil im Jahre 1139 dekretierte: "Wir bestimmen auch, dass die, welche den Subdiakonat oder eine noch höhere Weihe empfangen haben und sich mit Frauen ehelichen oder sich Konkubinen halten, ihr Amt und kirchliches Benefiz verlieren sollen. Weil sie nämlich Tempel Gottes, Gefäße Christi, Heiligtum des Heiligen Geistes sein und heißen sollen, ist es unwürdig, dass sie der Unzucht und der Unreinheit dienen (Kanon 6). Auf den Spuren Unserer Vorgänger Gregors VII., Urbans und Paschalis' befehlen Wir, dass niemand bei denen die Messe hören darf, die bekanntermaßen Ehefrauen oder Konkubinen haben. Damit aber das Gesetz der Enthaltsamkeit und die Gott gefällige Reinheit unter den kirchlichen Personen und höheren Weihen verbreitet werden, bestimmen Wir, dass Bischöfe, Priester, Diakone, Subdiakone, Regularkanoniker, Mönche und Konversen, die die Gelübde abgelegt haben, sich von den Frauen trennen, mit denen sie sich durch Überschreiten des heiligen Vorsatzes zu kopulieren wagten, denn diese Verbindung, die gegen die kirchliche Regel verstößt, betrachten Wir nicht als Ehe. Auch müssen die, welche sich voneinander getrennt haben, die solch großen Exzessen entsprechende Buße leisten" (Kanon 7).

7 "Bist du Innocentius, der die Unschuld7 liebet": im Lateinischen Wortspiel: innocentius = "der Unschuldige"

8 Siehe 2. Korintherbrief 12,2: "Ich kenne einen Menschen in Christus; vor vierzehn Jahren – ist er im Leib gewesen? Ich weiß es nicht; oder ist er außer dem Leib gewesen? Ich weiß es auch nicht; Gott weiß es –, da wurde derselbe entrückt bis in den dritten Himmel."

9 Siehe 1. Korintherbrief 7, 1-2: "Wovon ihr aber geschrieben habt, darauf antworte ich: Es ist gut für den Mann, keine Frau zu berühren. Aber um Unzucht zu vermeiden, soll jeder seine eigene Frau haben und jede Frau ihren eigenen Mann."

10 Vgl. 1. Tímotheusbrief 3, 2: "Ein Bischof aber soll untadelig sein, Mann einer einzigen Frau"

11 Paternoster = Vaterunser

12 selbander = miteinander (man selbst ist der andere = zweite)


1782


Peter Wilhelm Hensler (1742 - 1779): Auf einen Prediger. -- 1782

Vortrefflich predigte Kleanth im ersten Jahr.
Schon fiel's die folgenden, und jetzo red't er gat,
Als wär er halb im Schlafe.
Weil er der Hirte heißen soll,
So denkt der gute Pfarrer wohl,
Wir sind seine Schafe.


1783


Gottlieb Konrad Pfeffel (1736 - 1809): Die Maskerade. -- 1783

Vor Zeiten als der Russe noch
Vor seinem geistlichen Monarchen,
Wie vor dem Zar, im Staube kroch,
Sah man den neuen Patriarchen
Auf einer sanften Eselin,
Umringt von bärtigen Prälaten,
Bojaren, Popen und Soldaten,
Durch Moskaus lange Gassen ziehn.
Einst stak man zwischen Tür und Angel,
Weil in der Stadt und auf dem Land
O Wunder! sich kein Esel fand.
Allein der Erzhirt half dem Mangel
Durch weise List auf immer ab.
Er lässt aus Nürnbergs Kunstfabriken
Sich ein Paar Eselsohren schicken
So groß wie es noch keine gab;
Und wählt zum Helden des Betruges
Ein kleines Pferd. Am Tag des Zuges
Ward es mit grauem Tuch bedeckt
Und ihm der Schmuck vom schlauen Küster
So künstlich auf den Kopf gesteckt,
Dass es bald selbst der Hohepriester
Für einen wahren Esel hielt.
Zwo Stunden hatte schon der Schimmel
Sein frommes Drama bass gespielt,
Als ihn ein Gaul aus dem Getümmel
Erkannte: »Vetter, rasest du?
Was soll der Kopfputz? Pfui des Thoren!«
Respekt! rief ihm die Maske zu;
Es sind des Patriarchen Ohren.


1784


Georg Christoph Lichtenberg (1742-1799): Der Seelenarzt zu N. an seine Gemeinde. -- 1784

Den ganzen Tag, hör ich, sei unter euch die Frage,
Ob ich auch selbst das tue, was ich sage?
Nein; ich, als Seelenarzt, treib's wie's ein Doktor treibt:
Kein Doktor in der Welt verschluckt, was er verschreibt.


Abb.: Kein Doktor verschluckt, was er verschreibt: praktizierte Nächstenliebe von Pater Udo Fischer OSB, Pfarrer von Paudorf (Österreich): Lieblingsbeschäftigung: Bischof Krenn trietzen. [Bildquelle: http://www.we-are-church.org/suedtirol/2-98/7.html. -- Zugriff am 2004-10-19]


1784/1800


Friedrich Hölderlin (1770-1843): Advocatus diaboli. -- 1784/1800

Tief im Herzen hass ich den Tross der Despoten und Pfaffen,
Aber noch mehr das Genie, macht es gemein sich damit.


1789


Johann Heinrich Voß (1751-1826): Der Dorfpfaffe. -- 1789

Pastörchen, voll der Geistessegen
Durch deiner Brüder Händauflegen,
Hör auch das Los des bessern Teiles,
Die Segnungen des ird'schen Heiles.

Ein rundes Weib, das oft Kapaunen1
Dir auftischt, nicht zu oft Kaldaunen2,
Gut backt und braut, des Dorfes Müttern
Täufling' und Braut aufstutzt mit Flittern
Und, wenn dir's früh im Magen wabbelt,
Kirschbranntwein schenkt und wenig kabbelt.
Ein Gaul, der fromm, doch unverspottet,
Zu Kranken und zum Jahrmarkt trottet;
Auch für den Eigensinn der Flasche
Ein Pfropfenzieher in der Tasche.
Ein Sorgestuhl, wohlfeiler Knaster
Und für den Beichtstuhl fette Laster:
Ein Müller, der Gelüst und Fluchen
Mit Rauchaal büßt und Feierkuchen;
Mit Butter oder Met ein Pächter,
Für sich und seine schmucken Töchter;
Und, unbeduftet einst vom Glase,
Ein stolzer Förster und ein Hase;
Auch Sünderinnen, die in Züchten
Dir doppelte Gebühr3 entrichten;
Kindtauf und Trau- und Leichentaler
Mildtätig christlicher Bezahler;
Ein fettes Brätchen noch zu Hause,
Geschickt von jedem fetten Schmause;
Und nach Sankt Michaelis4 Feier
Flachs, Mettwurst, Hühner, Korn und Eier.
Die Zeitung frank und frei gesendet
Vom Junker, dessen Lob nie endet;
Und, mit der Welt doch fortzuschreiten,
Journal' und andre Neuigkeiten.

Sonst brauchst du, außer Gottes Worte,
Nicht viel auf deinem Bücherborte:
Den Katechismus, brav durchschossen
Mit Sprüchen und selbsteignen Glossen;
Die Konkordanz, elf Bündel Texte,
Was Fecht5 und Götz6 und Hollatz7 kleckste;
Des Luthertums urechte Reinigkeit,
Geseigt durchs Formular der Einigkeit;
Auch Lundius8, vom Judentempel,
Und manches grause Strafexempel:
Albertis9 Händel mit dem Satan
Und Lessings Ketzerein und „Nathan",
Wofür ein Feind von Ärgernissen
Sie aus der Welt hinausgebissen;
Der armen Indier Bekehrung
Und Ziehens10 große Weltzerstörung;
Acht saubre Quartheft Akademika
Und, Schwert des Herrn! ein Fach Polemika;
Auch Pastorklugheit und Agende,
Postillen auch, vier Dutzend Bände,
In Pergament und Schweineschwarten;
Auch hier und da - ein Spielchen Karten,
Schalkhaft genannt das Buch der Könige,
Voll Unterhaltung, so wie wenige.

Wer solches hat, der geht mit Stärke
Gesalbt und keck zum großen Werke.
Und hat sein Herz in scharfer Predigt
Des heil'gen Eifers sich entledigt;
So darf er froh mit Gottes Gaben
Am Tisch des gnäd'gen Herrn sich laben,
Abwechselnd auch mit seinen Brüdern
Ein christlich Liebesmahl erwidern:
Wo man beim Gläschen unbefehdet
Von schlechtem Dienst und Kornpreis redet
Und, zur Erschütterung der Bäuche,
Von manchem alten Burschenstreiche.
Doch erst bei Kirchenmustrung tut er
Sich wohl am Supperndentenputer!
Gesättigt neigt dem Herrn Pastori
Sein Glas der dicke Konsistori-
Alrat; und hoch im Saft der Traube
Lebt wahre Kirch und echter Glaube;
Und wer zum Schreck der Widerbeller,
Spalding11, Jerusalem12 und Teller13,
Von Gott gesandt, durch Strafedikte
Des armen Zions Schaden flickte.

Erläuterungen:

1 Kapaunen = Truthühner

2 Kaldaunen = Innereien

3 doppelte Gebühr = ist bei unehelichen Geburten zu entrichten

4 Michaelis Feier = 29. September, an diesem Tag erhalten die Geistlichen die Abgaben der Bevölkerung

5 Fecht

"Fecht, Johannes, luth. Theologe, geb. 25.12.1636 Sulzburg/Breisgau, gest. 5.5.1716 Rostock
F. studierte 1655-61 in Straßburg vor allem bei Johann Conrad Dannhauer Theologie, daneben Philologie, Philosophie, semitische Sprachen und Geschichte. Danach vervollkommnete er seine Kenntnisse an mehreren deutschen Universitäten, u.a. in Heidelberg, Gießen und Wittenberg. Seit 1669 war er Hofprediger und Prof. der Theologie in Durlach, seit 1688 auch Superintendent der Markgrafschaft Baden-Durlach. 1690 wurde F. auf Empfehlung Philipp Jakob Speners Prof. der Theologie und Superintendent in Rostock. Als Vermittler in theologischen Streitfragen, Förderer des Schulwesens, der Bibelverbreitung und der Eigenständigkeit kirchlicher Institutionen erwarb er sich um die mecklenburgische Kirche bleibende Verdienste. Seine praktische Tätigkeit gründete auf lutherisch-orthodoxen Überzeugungen, die sich etwa in der Schrift Der theologischen Fakultät zu Rostock Beantwortung der Frage: Ob die Pietisterey eine Fabel sey (1715) vor allem gegen die schwärmerischen Varianten des Pietismus richteten. "

[Quelle: Deutsche biographische Enzyklopädie & Deutscher biographischer Index. -- CD-ROM-Ed. -- München : Saur, 2001. -- 1 CD-ROM. -- ISBN 3-598-40360-7. -- s.v.]

6 Götz

"GOEZE, Johann Melchior, luth. Theologe, * 16.10. 1717 als Pfarrerssohn in Halberstadt, † 19.5. 1786 in Hamburg. - Nach dem Besuch der Schule in Halberstadt und später in Aschersleben, wohin sein Vater versetzt worden war, studierte G. in Jena und Halle/Saale und wurde in Aschersleben 1741 Adjunctus ministerii und 1744 Diakonus, 1750 Pastor in Magdeburg und 1760 Hauptpastor an der Katharinenkirche in Hamburg. 1760-70 war er auch Senior des Geistlichen Ministeriums. - Bekannt ist G. als Verfechter der lutherischen Orthodoxie gegen die verschiedensten Richtungen der theologischen Aufklärung. Er befehdete heftig Johann Bernhard Basedow (s. d.), den Hauptvertreter der Aufklärungspädagogik, wegen seiner Erziehungsgrundsätze. Gegen Johann Salomo Semler (s. d.) verteidigte G. die komplutensische Polyglottenbibel. In dem »zweiten Hamburger Theaterstreit« mit dem Bergedorfer Pfarrer Johann Ludwig Schlosser eiferte er gegen die Unsittlichkeit der Schaubühne. Eine im wesentlichen berechtigte Kritik übte G. an der Übersetzung des Neuen Testaments von Karl Friedrich Bahrdt (s. d.), der »die Aufklärungsperiode in ihrer schlechtesten und frivolsten Gestalt« darstellt. Sein Hauptgegner war Gotthold Ephraim Lessing (s. d.), der 1774-77 »Wolfenbüttelsche Fragmente eines Ungenannten« veröffentlichte, Auszüge aus der Schrift »Die Apologie oder Schutzschrift für die vernünftigen Verehrer Gottes«, die Hermann Samuel Reimarus (s. d.) hinterlassen hatte. - G. hat sich der immer mehr um sich greifenden Aufklärung widersetzt und darum Hohn und Spott erdulden müssen. Er hatte fast ununterbrochen literarische Fehden; aber manche seiner Streitschriften hätten ungeschrieben bleiben können. Doch G. hat nicht als streitlustiger Theologe und nicht als der Typus einer fanatischen Orthodoxie geredet und geschrieben, sondern als überzeugter Lutheraner in der Verantwortung seines Amtes. "

[Quelle: Friedrich Wilhelm Bautz. -- http://www.bautz.de/bbkl/g/goeze_j_m.shtml. -- Zugriff am 2004-07-27] 

7Hollatz

"Hollaz, David, evang. Theologe, geb. 1648 Wulkow bei Stargard, gest. 17.4.1713 Jacobshagen (Pommern)
H. studierte die Artes in Erfurt sowie Theologie in Wittenberg, wurde nach der Promotion zum Mag. theol. 1670 Prediger in Pützerlin bei Stargard, 1681 zugleich in Stargard, wo er 1683 Konrektor wurde. 1684 wechselte er als Rektor am Lyzeum und Prediger an St. Martin nach Kolberg und wurde 1692 Pastor und Propst in Jakobshagen. Sein Examen theologicum acroamaticum (1707, (8)1763) gilt als die letzte orthodox-lutherische Dogmatik."

[Quelle: Deutsche biographische Enzyklopädie & Deutscher biographischer Index. -- CD-ROM-Ed. -- München : Saur, 2001. -- 1 CD-ROM. -- ISBN 3-598-40360-7. -- s.v.]

8 Lundius = Johannes Lundius (1636 - 1686), lutherischer Theologe. Veröffentlichte u.a. "Ausführliche beschreibung der Hüttedes Stifts wie auch des ersten und andern Tempels zu Jerusalem." (1696)

9 Alberti = Albert Julius Gustav Alberti (1723 - 1772), aufgeklärter Theologe, Gegner Goezes. Lehnte in der Kinderlehre den Teufel ab und das Verfluchen in Predigten.

10 Ziehen = Konrad Siegmund Ziehen (1727 - 1780) hatte für 1786 eine Sintflut vorausgesagt.

11 Spalding

"SPALDING, Johann Joachim, Theologe und Aufklärer; * 1.11. 1714 in Tribsees im schwedischen Vorpommern, + 22.5. 1804 in Berlin. - S. Vater war Rektor der Stadtschule in Tribsees, versah seit 1725 das Amt eines Diakons und wurde 1728 ebenda Pfarrer. Die Familie stammte aus Schottland. S. studierte bis 1734 Philosophie, Sprachen und Theologie in Rostock und Greifswald und beschäftigte sich mit dem Philosophen Christian Wolff, den er in Halle persönlich kennenlernte. Nach Abschluss seiner Studien versah S. verschiedene Hauslehrerstellen, 1736 promovierte er in Rostock. Während eines Aufenthaltes in seiner Heimatstadt erwarb S. Kenntnisse der englischen Sprache und studierte den englischen Aufklärer A. A. C. Shaftesbury, der ihn stark beeindruckte und zum Deismus führte. S. übersetzte Werke von Shaftesbury ins Deutsche. Als weitere englische Quellen für S. Theologie sind Francis Hutcheson und Joseph Butler zu nennen. Durch den Einfluss des Theologen S. J. Baumgarten sowie des Berliner Hof- und Dompredigers A.F.W. Sack wurde S. endgültig zum »aufgeklärten« Theologen. 1747 ging S. nach Tribsees zurück, um sein erstes Werk »Über die Bestimmung des Menschen« zu verfassen, in dem er behauptet, nur wenn der Mensch rechtschaffend sei, werde er glückselig. Von 1749-1757 wirkte S. als Pfarrer in Lassahn/Schwedisch-Vorpommern, 1757 wurde er erster Prediger und Präpositus der Synode in Barth. Dort besuchten ihn die Schweizer J. C. Lavater, J. H. Füssli und F. Heß. 1761 erschien die Schrift »Gedanken über den Werth der Gefühle im Christenthum«, die den Anstoß zur theologischen Aufklärung in Pommern gab. 1764 zog S. nach Berlin, wirkte dort als preußischer Oberkonsistorialrat, als Probst und erster Pfarrer an der Nikolai- und Marienkirche. Die Frage nach der Rolle des Predigers in einer »aufgeklärten« Gesellschaft suchte S. mit seiner Schrift »Über die Nutzbarkeit des Predigtamtes und deren Beförderung« (1773) zu beantworten. Nach S. hat die Lehre vom Wesen der Tugend und von ihrer Notwendigkeit zur Erlangung der Begnadigung und der ewigen Seligkeit im Mittelpunkt der Predigt zu stehen. Dabei beschränkt sich S. auf die belehrenden und ermahnenden Texte des Neuen Testaments. - S. gilt als einer der führenden deutschen Neologen in der mittleren Phase der Aufklärung. Durch ihn wurde im Preußischen Oberkonsistorium die Aufklärungstheologie bestimmend. S. versuchte sein theologisches System weitgehend zu vereinfachen: in die Dogmatik werden nur die Lehren aufgenommen, die der Glückseligkeit, der Besserung und Tröstung der Menschen dienen. Nach dem Erlass des antiaufklärerischen Wöllnerischen Edikts für Preußen legte S. 1788 sein Amt als Probst nieder. Seine gedruckten Predigten fanden zahlreiche Leser. "

[Quelle: Thomas K. Kuhn. -- http://www.bautz.de/bbkl/s/spalding_j_j.shtml. -- Zugriff am 2004-07-27]

12 Jerusalem

"JERUSALEM, Johann Friedrich Wilhelm, wichtiger Vertreter der Neologie innerhalb der deutschen Aufklärungstheologie und berühmter Hofprediger wie Kirchenmann in Braunschweig-Wolfenbüttel, * 22.11. 1709 in Osnabrück, + 2.9. 1789 in Wolfenbüttel. - J. wuchs als Sohn des Superintendenten Theodor Wilhelm J. in Osnabrück mit der Tradition der lutherischen Orthodoxie auf. In Leipzig studierte er von 1727-1731 Theologie, bei Johann Gottlieb Carpzov orientalische Sprachen und bei Johann Christoph Gottsched die Wolffsche Philosophie. Durch Gottscheds Einfluss wandte er sich von der lutherischen Orthodoxie ab. Die Studien schloss er am 29.4. 1731 vor der Philosophischen Fakultät der Universität Wittenberg mit der Magisterprüfung ab. Es folgte eine zweijährige Bildungsreise nach Holland (vor allem Leiden) und eine Hofmeisterstelle 1734 in Göttingen. Nach einem längeren Aufenthalt in England mit dessen praktisch-religiöser Lebensrichtung kehrte er nach einigem Zögern nach Deutschland zurück, wo er in Hannover eine Hauslehrerstelle für eineinhalb Jahre annahm. 1742 erhielt er die Berufung als Erzieher des Erbprinzen des Herzogtums Braunschweig-Wolfenbüttel-Lüneburg, verbunden mit einer Hofpredigerstelle. Dies erschloss ihm eine glänzende Laufbahn in Wolfenbüttel. 1751 verlegte er seinen Wohnsitz nach Braunschweig, um als Kurator der von ihm 1745 entscheidend mitgegründeten Anstalt Collegium Carolinum dieser näher zu sein. In dieser Gründung spiegelt sich der Geist der Aufklärung (harmonische Ausbildung in Theorie und Praxis, Verbindung vom praktischen Handeln und wissenschaftlicher Forschung). Aus dieser Anstalt ging die heutige Technische Universität hervor. Wichtig war der praktische Einsatz für das Sozialwesen im Herzogtum. Allerdings konnte eine geplante Armenanstalt erst nach dem Tode J.s errichtet werden. Er erhielt wichtige Auszeichnungen: 1749 Abt von Marienthal bei Helmstedt, 1752 von Riddagshausen (hier verbunden mit dem Amt des Predigerseminardirektors). Verschiedene Berufungen nach auswärts wie die als Generalsuperintendent von Magdeburg durch Friedrich II. lehnte er 1770 ab. Der Lohn blieb nicht aus: 1771 wurde er Vizepräsident des Konsistoriums von Wolfenbüttel. Aus seiner Ehe (seit 1742) mit Martha Christina, geb. Pfeiffer, verwitwete Albrecht gingen vier Töchter und der Sohn Karl Wilhelm hervor. Dieser ist literaturgeschichtlich interessant: Als junger Jurist erschoss er sich 1772 in Wetzlar und gab so die Vorlage ab für Goethes »Werther«. J.s Hauptwerk »Betrachtungen über die vornehmsten Wahrheiten der Religion« (1768 ff.), - geschrieben als »Fürstenspiegel« für den Erbprinzen -, blieb unabgeschlossen. Jenes ist eine Grundschrift der deutschen Aufklärungsphilosophie. Die Tochter Philippine Charlotte gab die nachgelassenen Schriften ihres Vaters ab 1792 heraus. Im Band II derselben findet sich J.s Selbstbiographie (S. 1-36). - J. verband politische Geschicklichkeit mit einer tief neologisch gefärbten Ethik. Historisch-kritische Bibel- und Dogmenforschung (vgl. die »Briefe über die Mosaische Religion« 1762, s.: Werke!) ließen sich mit neuplatonischen Elementen der neologisch ausgerichteten Aufklärungstheologie verbinden, was Lessings kritische Grundhaltung gegen die Neologie verstärkte. Bei Heraushebung des Motivs der Lichtengel durch J. im Sinne einer leuchtenden Fülle von höheren Wesen standen Elemente der Philosophie G. Brunos Pate (Einfluss auf die Endszenen von Goethes Faust II !). - Im Ethikprogramm impliziert die Jesusnachfolge den Stufengang zu höheren Seinsgraden innerhalb der Entwicklung des Individuums. Christliche Ethik gibt sich so als Philanthropie. Dadurch wird das christliche Problem der Erbsünde ganz entschärft. Die Aufforderung zur Nachfolge Jesu will das kirchliche Dogma nicht entwerten, will aber grundsätzlich die Betonung des praktischen Erziehungswerkes durch Jesus selbst. Zielpunkt ist dann das Erlebnis jener Seligkeit von den Seligpreisungen der Bergpredigt (Matth. 5,3-11) her. Dem subjektiven Erlebnis entspricht der Erfahrungsbeweis. Somit wird die Vernunft in den Dienst der Offenbarung gestellt, nicht um formal Glaubensinhalte abzustützen, sondern um diese ethisch erfahrbar zu machen. Das Dogma ist eben nur dann sinnvoll, wenn in kritischer Sichtung der Dogmen- und Theologiegeschichte auf den Urgrund des Glaubens zurückgegriffen werden kann. Der Erfahrungsbeweis bringt die Verbindung von innerer Gewissheit als eigentliches Ergebnis der Vernunftarbeit mit der Glaubenswahrheit. Folgerichtig ist es dann die Religion, die über die Vernunft hinaus Garant des inneren Friedens ist - eine Grundthese, die von den anderen Neologen wie Johann Salomo Semler, Johann Joachim Spalding und August Friedrich Wilhelm Sack geteilt wurde."

[Quelle: Wolfdietrich von Kloeden. -- http://www.bautz.de/bbkl/j/Jerusalem.shtml. -- Zugriff am 2004-07-27]

13 Teller

"TELLER, Wilhelm Abraham, rationalistischer evangelischer Aufklärungstheologe, Propst und Oberkonsistorialrat, * 9.1. 1734 in Leipzig, + 9.12. 1804 in Berlin. - Teller, Sohn des konservativen Leipziger Pfarrers, Theologieprofessors und Zeitzer Domherren Romanus Teller (21.3. 1703 - 5.4. 1750), studierte ab 1749 Theologie und Philosophie an der Leipziger Universität, wo (s.d.) Johann August Ernesti und Gottsched lehrten. Am 22.12. 1751 wird Teller zum Baccalaureus, am 8.3. 1753 zum Magister der Philosophie promoviert. Erste theologisch-wissenschaftliche Arbeiten beschäftigen sich mit neutestamentlich-textkritischen und dogmatisch-topischen Fragen; Teller rezipiert und diskutiert die textkritische Theorie Benjamin Kennicotts (s.d.). Am 21.12. 1761 wird Teller in der theologischen Fakultät promoviert. Seit 1753 ist Teller Prediger, seit 1755 Katechet an der Peterskirche, und 1758 erfolgt Tellers Ernennung zum Samstagsprediger an der Nikolaikirche; die Berufung zum zweiten Universitätsprediger nach Göttingen schlägt Teller im gleichen Jahr aus. Johann August Ernesti, bei dem Teller zwar nicht gehört hatte, empfiehlt den erst 28jährigen 1761 auf den Helmstedter Lehrstuhl, den Teller auf Vermittlung des Braunschweiger Hofpredigers Johann Friedrich Wilhelm Jerusalem (s.d.) zugleich mit dem Amt des Generalsuperintendenten am 19. 11. auch erhält. Tellers neologische Ansichten wie die Kritik der Inspirationslehre führen zu heftigen Reaktionen der Orthodoxie; vor dem Besuch von Tellers Lehrveranstaltungen wird gewarnt, und die Immatrikulationszahlen an der Universität sinken. 1767 wird der erst dreiunddreißigjährige Teller als Propst und Oberkonsitorialrat nach Berlin berufen, 1784 als Mitglied in die Preußische Akademie der Wissenschaften aufgenommen. 1773 entwirft Teller die »Instruktion für die Landschulmeister«, mit der Teller maßgeblichen Anteil an der Volksschulreform in der Kurmark hat. - Teller dürfte bei der 1783 erfolgten Gründung der Berliner Mittwochsgesellschaft (»Gesellschaft von Freunden der Aufklärung«), die wegen vermeintlicher die innere Sicherheit bedrohenden Tendenzen durch Order vom 20.10. 1798 von Friedrich Wilhelm III. (s.d.) aufgelöst wurde, eine prominente Rolle gespielt haben, da er zu ihren ersten zwölf Mitgliedern gehört und an erster Stelle der den Statuten beigegebenen Mitgliederliste rangiert. Mit Bezug auf den § 8 des Wöllnerschen Religionsedikts vom 9.7. 1788, gegen dessen Inkraftsetzung Teller mit seinen Konsistorialkollegen Büsching, Johann Samuel Diterich (* 1721), (s.d.) August Friedrich Wilhelm Sack und Johann Jakob Spalding vergeblich bei König Friedrich Wilhelm II. (s.d.) interveniert hatte, erhielt Teller, Propst an St. Petri in Berlin, die am 21.7. 1788 beantragte Amtsentbindung. Kritische Äußerungen zum amtskirchlichen Bekenntnis im Zusammenhang mit dem Verfahren gegen den als »Zopfenschulz« bekannt gewordenen Gielsdorfer Prediger Johann Heinrich Schulz (s.d.) büßte Teller 1792 mit dreimonatigen Gehaltsverlust, der stattdessen dem Berliner Irrenhaus zugewiesen wird; auf die in dieser Zeit ausgesprochene Rückberufung nach Helmstedt verzichtet Teller allerdings. 1799 steht Teller erneut in der Kritik, da er gegenüber David Friedländer (s.d.) einen Weg aufwies, wie Juden ohne strengen Bekenntniszwang getauft werden könnten. Nachfolger in allen seinen Ämtern wurde Gottfried August Ludwig Hanstein (s.d.); Tellers Bibliothek und die des königlichen Leibarztes Selle, ebenfalls Mitglied der Mittwochsgesellschaft, wird 1805 in Berlin versteigert. - Teller trat für die Emanzipation der Juden ein und plädierte dafür, ihren Glauben, da sie den Gottes-, Tugend- und Unsterblichkeitsglauben teilten, als christlich anzuerkennen; berufen konnte er sich dabei auf eine rein rationalistische Auslegung von Lk 10,25; Taufe als »Verpflichtung des Täuflings zu der Reinigkeit des Herzens und Lebens« (zitiert nach Bollach [1987], 44) umschrieben nimmt Assimilationsbereite »in ein dogmenfreies, an den ewigen Vernunftwahrheiten orientiertes protestantisches Christentum« (ebd.) auf. - Teller gab von 1792 bis 1802 das recht erfolgreiche »Neue Magazin für Prediger« (12 Bde.) heraus; ferner publizierte er 1783, 1785, 1786, 1794 und 1795 Beiträge in der »Berlinische[n] Monatsschrift«. Sein umfangreiches Schrifttum umfasst sowohl exegetisch-historische Werke als auch homiletische, katechetische und liturgische Titel. - Teller, von Melchior Goeze (s.d.) des Sozinianismus' bezichtigt, steht theologiegeschichtlich auf der Grenze zwischen Neologie und Rationalismus. Bereits mit seinem zum Missfallen Ernestis erschienenem »Lehrbuch des christlichen Glaubens« (s.u.) (Teller hatte es Ernesti gewidmet) streift Teller, ohne dem Deismus zu verfallen, orthodox-dogmatische Lehrsätze ab, hierdurch den energischen Widerspruch Johann Benedikt Carpzovs (s.d.,s.u.) hervorrufend; Teller hatte nämlich in dem Lehrbuch auf die Abhandlung bestimmter christologischer Fragen verzichtet und auch die Trinitätslehre ausgespart. Die Zweinaturenlehre Christi übergeht Teller mit dem Argument, »alles was man hier weitläufig von der ewigen Zeugung des Sohnes Gottes, von der Verbindung beyder Naturen, disputiret, dienet so wenig zur Erhöhung menschlicher Einsichten, dass es vielmehr nur mehr verwirret, und die geschichte der Kirche beweist, dass eine jede Erklärungs-Form nur neue Streitigkeiten geboren hat« (Lehrbuch [1764], 89. Ähnlich wie Johann Salomo Semler (s.d.) und im Rückgriff auf Gedanken Gotthold Ephraim Lessings (s.d.) nahm Teller drei historische Entwicklungsstufen des Christentums an (Die Religion der Vollkommneren, s.u.), die sich im individuellen Streben nach Perfektiblität widerspiegeln: auf das Glaubens- (= Autoritäts-) folgt das Vernunftchristentum aus rationaler Einsicht, das in die Religion der Vollkommneren (vgl 1Kor 13,10) mündet, deren Glaubensbegriff Teller ethisierend auflöst und mit in der vernünftigen Maxime Joh 4,23f. subsumiert (Glaube als »practisches Wissen«). Supranaturalistisches schwindet zugunsten einer natürlichen Religiosität, die durch Verkirchlichung kontrolliert werden solle. Allerdings (und hierin erweist sich Teller gewissermaßen als Vorläufer Friedrich Daniel Ernst Schleiermachers [s.d.]) deutet Teller Religion als Überzeugungsgefühl: »Das Wesentliche an dem unmittelbar gefühlten Innewerden der christlichen Wahrheit ist der Umstand, dass der Glaube sich ohne eigens vollzogene reflexive Akte im Wahrheitsgefühl direkt bezeugt« (Schütte [s.u.], 118). Tellers Lehrbuch wurde in Kursachsen verboten; die Wittenberger und Leipziger Fakultäten begutachteten es äußerst kritisch, während die Leipziger Pfarrerschaft Teller öffentlich der Häresie zichtigten. Preußen bereitete Teller wider Erwarten keine Schwierigkeiten, und einer Zuspitzung seiner Situation im Braunschweigischen entgeht Teller durch die Annahme der Berufung nach Berlin (1767). Tellers ganz im Sinne der Akkomodationstheorie verfasstes und die Eigentümlichkeit des Neuen Testaments zwangsläufig unter dem Anspruch, die Terminologie eindeutschen und einer vernunftmäßigen Betrachtung verfügbar machen zu wollen, verwischendes »Wörterbuch des Neuen Testaments« (s.u.), 1772 erstmals erschienen und mehrfach aufgelegt, wurde wegen seiner Heterodoxie von Johann Gottfried Herder (s.d.) getadelt, der spöttisch den alternativen Titel »Wörterbuch eines Neuen Testaments« vorschlug. - Tellers Anspruch an die Homiletik lautete: »Man muss den Menschen in der Religion aufklären, ihn nach und nach immer weiter aufklären und nie kann er zu sehr aufgeklärt werden« (Hermann Hering, Die Lehre von der Predigt, Berlin 1905, 198). "

[Quelle: Klaus-Gunther Wesseling. -- http://www.bautz.de/bbkl/t/teller_w_a.shtml. -- Zugriff am 2004-07-27] 


Gottfried August Bürger (1747-1794): Mittel wider die Agrypnie1. -- 1789

»Die ganze Nacht hab' ich kein Auge zugetan«,
Fing Ursula am Sonntagmorgen an.
»Nun will ich in die Predigt gehen
Und wundershalber sehen,
Ob ich nicht da ein wenig nicken kann.«

Erläuterung:

1 Agrypnie (griechisch): Schlaflosigkeit


1790


Friedrich August Weißhuhn (1759 - 1792): Auf die Macht des Klerus. -- 1790

Die Frömmigkeit gebar des Klerus Macht
Und pflegte sie, hielt sie gelinde.
Doch ward von dem verruchten Kinde
— Weh ihm! — die beste Mutter umgebracht.


1791


Johann Wolfgang von Goethe (1749 - 1832). -- In: Venetianische Epigramme. -- 1791

Wie sie klingeln, die Pfaffen! Wie angelegen sie's machen,
Dass man komme, nur ja plappre, wie gestern so heut!
Scheltet mir nicht die Pfaffen: sie kennen des Menschen Bedürfnis!
Denn wie ist er beglückt, plappert er morgen wie heut!


1792



Abb.: Dusaulchoy: Versammlung der schlechten Kleriker unter Vorsitz des Teufels. -- 1792


1793



Abb.: Richard Newton (1777 - 1798): Fasttag. -- 1793


1797


Johann Friedrich Jünger: Reflexion. -- 1797

"Zu eurer Mädchen Schlafgemach
Geht durch die Kirche nur der Weg!", so sprach
Der Pastor Hildebrand;
Allein er schlich des Junkers Köchin nach,
Bis, umgekehrt, er durch ihr Schlafgemach
Den Weg zur Kirche fand.


um 1800



Abb.: Thomas Rowlandson (1756 - 1827): Der glückliche Pfarrer. --  um 1800



Abb.: Thomas Rowlandson (1756 - 1827): Der neugierige Pfarrer. --  um 1800


1807


Johann Christoph Friedrich Haug (1761 - 1829): Pastor John. -- 1807

Zwar die Gemeinde klagt:
John tut nicht, was er sagt.
Doch eines dünkt mir gut:
John sagt nicht, was er tut.


Johann Christoph Friedrich Haug (1761 - 1829): Auf L., als er nach dem Kardinalshut strebte. -- 1807


Abb.: Mit einer Serviette können auch Sie sich einen Kardinalshut falten [Bildquelle: http://www.christmasmagazine.com/german/entertaining/napkin04.asp. -- Zugriff am 2004-09-29]

Warum ist L. so düster
Und wir so wohlgemut?
Er hat den Hut im Kopfe
Und wir den Kopf im Hut.


Abb.: Warum ist L[ehmann] so düster?: Karl Kardinal Lehmann, Erzbischof von Mainz [Bildquelle: http://www.zdf.de/ZDFde/inhalt/13/0,1872,2053581,00.html. -- Zugriff am 2004-10-19]


Johann Christoph Friedrich Haug (1761 - 1829): Schlaue Wahl. -- 1807


Abb.: Wird nicht ausgepfiffen

Klug hat Levin Theologie
Und nicht die Schauspielkunst ergriffen
Denn auf der Kanzel wird man nie,
Wie auf Theatern, ausgepfiffen.


Johann Christoph Friedrich Haug (1761 - 1829): Jost. -- 1807


Abb.: Vater unsrer Kinder

Hier modert Pastor Jost!
Ihr Winde, weht gelinder!
Er war der Witwen Trost
Und Vater unsrer Kinder.


1809


Ernst August Wilhelm von Kyaw (1770 - 1821): Der schlechte Kanzelredner. -- 1809

Bax ist der treue Hirt, von dem die Bibel sprach:
Wenn seine Herde schläft, bleibt er allein noch wach.


Ernst August Wilhelm von Kyaw (1770 - 1821): Als Kandidat Pott durch eine Heirat ein Predigtamt bekommen hatte. -- 1809

"Von Gott bin ich berufen!", so predigt Pastor Pott.
Er meint ganz ohne Zweifel den kleinen Liebesgott.

Erläuterung: Der kleine Liebesgott = Amor


1827


Franz Grillparzer (1791-1872): Epigramme: Als den Weibern verboten wurde, in der Kirche zu singen.  -- 1827

Die Weiber, wie vom Chor, treibt auch vom Bette sie,
In Rom singt der Kastrat, der Pfaff treibt Sodomie.


Franz Grillparzer (1791-1872): Epigramme. -- 1827

Als Kaufmann betrog er die Gläubger,
Als Zensor die Musen nun,
Gebt acht! er stirbt noch als Pfaffe,
Um Gleiches an Gott zu tun.


Aus: Karl Immermann (1796-1840): Orbis pictus. -- In: Xenien. -- 1827

Hätte einen Hals das ganze weltverderbende Gelichter,
Einen Hals, ihr hohen Götter: Priester, Histrionen, Dichter!

In die Kirche ging ich Morgens, um Komödien zu schauen,
Abends in's Theater, um mich an der Predigt zu erbauen.

Selbst der liebe Gott verlieret sehr bei mir an dem Gewichte,
Weil nach ihrem Ebenbilde schnitzen ihn viel tausend Wichte.

Wenn ich Euch gefall', ihr Leute, dünk' ich mich ein Leineweber,
Aber, wenn ich Euch verdrieße, seht, das stärkt mir meine Leber.


Karl Immermann (1796-1840): Glockentöne. -- In: Xenien. -- 1827

Seht den dicken Pastor1, dorten unter seiner Tür im Staate,
Läutet mit Glocken, dass man ihn verehr in dem Ornate.

Und es kamen, ihn zu schauen, flugs die Blinden und die Lahmen,
Engebrust und Krampf, besonders Hysteriegeplagte Damen.

Weiße Salbe weder heilet, noch verschlimmert irgend Schäden,
Weiße Salbe findest jetzo du in allen Bücherläden.

Geht's so fort, und lässt sich jeder Pfaffe ferner adorieren2,
Werd ich in den Schoß der Kirche ehebaldigst retournieren.

Dort gehorch ich einem Papste, und verehr ein praesens Numen3,
Aber hier macht sich zum numen4 jeglich ordiniertes lumen.

Erläuterungen:

1 gemeint ist (Gerhard) Friedrich (Abraham)  Strauß (1786 - 1863), Hofprediger in Berlin und Verfasser des Buches "Glockentöne. Erinnerungen aus dem Leben eines jungen Geistlichen". --  4 Bde., 1815-1819 (71840), einer sentimentalen Darstellung seiner ersten Amtsjahre

2 adorieren (lateinisch): anbeten

3 praesens numen: gegenwärtige Gottheit

4 Gottheit

5 Licht


1830/1850


August Heinrich Hoffmann von Fallersleben (1798-1874):Der leibhaftige Teufel

Melodie: Es wohnt ein Müller an jenem Teich.

Für Melodie "Es wohnt ..." hier drücken

[Quelle der midi-Datei: http://ingeb.org/Lieder/eswohntm.html. -- Zugriff am 2004-10-15]

|:Der Teufel aus der Hölle schlich,:|
Er hat als Pfaffe — hudl dudl hu hu hu!
Er hat als Pfaffe verkleidet sich.

|:Er geht nun unter uns herum,:|
Und will uns machen — hudl dudl hu hu hu!
Und will uns machen taub und dumm.

|:Er weiß, aus Dummheit nur allein:|
Muss alle Welt — hudl dudl hu hu hu!
Muss alle Welt des Teufels sein.

|:Wer ihm drin hilft mit Rat und Tat,:|
Der ist sein bester — hudl dudl hu hu hu!
Der ist sein bester Kamerad.

|:Der wird gar viel in jedem Staat,:|
Regierungs-, Schul- und — hudl dudl hu hu hu!
Regierungs-, Schul- und Kirchenrat.

|:Drum auch der Teufel nicht ungern sieht,:|
Übertrifft ihn noch der — hudl dudl hu hu hu!
Übertrifft ihn noch der Jesuit.

[Quelle: Wider Pfaffen und Jesuiten, Wider Mucker und Pietisten! : Eine Anthologie aus der Blütezeit der politischen Dichtkunst in Deutschland 1830-1850 / Hrsg. von Politicus. -- Frankfurt a. M. : Neuer Frankf. Verl., 1914. -- 224 S. -- (Bibliothek der Aufklärung). -- S. 117.]


Heinrich Hutten: Der Pfaffe.


Abb.: Michael Lerchenberg (geb. 1953), der geniale Darsteller von Prälat Hinter, dem Inbegriff des heuchlerischen Pfaffen

Der Pfaffe geht mit frommem Wandel
In der Gemeinde stets voran,
Und treibt en gros den Tugendhandel
Und en détail als würdger Mann.

Er weiß die Gläubigen zu stärken
Mit dem Sermon am heilgen Ort,
So dass sie nie nach seinen werken,
Nein, einzig tun nach seinem Wort.

In seinem Haus sieht er zum Rechten,
Dass alles sauber sei und fein,
Und manch kleine Freuden flechten
Sich trotz des Zölibates ein.

Er sucht nur Seelen zu beglücken,
Mitunter wohl auch einen Leib,
Und seinen geistlich milden Blicken
Entgeht vor allem nicht das Weib.

Er ist der Seelen Schneidermeister,
Der nur das  Himmelsröcklein näht,
Und selbst für tiefgesunkne Geister
Auch noch den rechten Schnitt erspäht.

Da er im Wissenschaftsbetriebe
Der Glaubenszweifel Quell erkennt,
So pflegt er mit besondrer Liebe
Der Dummheit göttlich Element.

Und dass er stets sein Ziel erlange,
Treibt er ein wenig Heuchelei;
Was tut's! es sind beim Himmelsgange
Die Wege ja ganz einerlei.

Er isst so mäßig, spricht bescheiden,
Kennt als Getränk fast nur den — Wein,
Weiß jeden Anstoß zu vermeiden,
Es müsste denn ein Räuschchen sein.

Auch weiß er nach der Schrift zu leben,
Und glaubt als echter, guter Christ,
Dass Nehmen seliger, denn Geben
Und aller Gebote erstes ist.

Kurz, wie er leibt und lebt, so ist er,
So bleibt er auch wohl immerdar
Durch aller Tugenden Register
Der Menschheit schönstes Exemplar.

[Quelle: Wider Pfaffen und Jesuiten, Wider Mucker und Pietisten! : Eine Anthologie aus der Blütezeit der politischen Dichtkunst in Deutschland 1830-1850 / Hrsg. von Politicus. -- Frankfurt a. M. : Neuer Frankf. Verl., 1914. -- 224 S. -- (Bibliothek der Aufklärung). -- S. 122f.]


Ludwig Pfau (1821 - 1894): An die Schwarzen.

Es braust die Zeit heran auf eh'rnen Speichen,
Da wankt und zittert euer falscher Thron;
Die holde Liebe floh euch lange schon,
Kein Brot des Lebens habt ihr mehr zu reichen.

Was soll uns euer blutges Kreuzeszeichen?
Ins grüne Dasein ragt es wie ein Hohn
Hinweg! und sät nicht in das Korn den Mohn,
Nicht euer Tollkraut unter unsre Eichen!

Glaubt, eurer Märchen leere Trostgesänge
Und eurer Worte hohle Klapperklänge,
Die können keines Menschen Herz mehr letzen.

Zum Geiste schrieen wir, zum höchsten Horte —
Und ob ihr drohend stündet an der Pforte:
Er will die Wahrheit in den Tempel setzen.

[Quelle: Wider Pfaffen und Jesuiten, Wider Mucker und Pietisten! : Eine Anthologie aus der Blütezeit der politischen Dichtkunst in Deutschland 1830-1850 / Hrsg. von Politicus. -- Frankfurt a. M. : Neuer Frankf. Verl., 1914. -- 224 S. -- (Bibliothek der Aufklärung). -- S. 181.]


Ludwig Pfau (1821 - 1894): Staatspharisäer

Wenn ihr das Volk am Wege liegen sehet,
Beraubt von dem gekrönten Faustrechtsritter,
Da schleicht ihr still beiseit, ihr schnöden Zwitter!
Die ihr im Dienst von Land und König stehet.

Doch während ihr, als Priester und Leviter,
So taub und blind vorbei am Elend gehet,
Das, stumm obwohl, so laut um Hilfe flehet,
Da naht, als Mensch, der Freiheit Samariter.

Der gießt dem Armen Balsam in die Wunden
Und stärket ihn mit Wein und Spezereien
Ihr Pharisäer waret schnell verschwunden.

Jetzt aber kommt ihr und beginnt zu schreien,
Dass jene Hände, die so treu verbunden
Den Hingestreckten, nicht ganz koscher seien.

Erläuterung: Spielt an auf  Lukasevangelium 10,25-37 Der barmherzige Samariter: "Und siehe, da stand ein Schriftgelehrter auf, versuchte ihn und sprach: Meister, was muss ich tun, dass ich das ewige Leben ererbe?  Er aber sprach zu ihm: Was steht im Gesetz geschrieben? Was liest du?  Er antwortete und sprach: »Du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben von ganzem Herzen, von ganzer Seele, von allen Kräften und von ganzem Gemüt, und deinen Nächsten wie dich selbst« (5. Mose 6,5; 3. Mose 19,18). Er aber sprach zu ihm: Du hast recht geantwortet; tu das, so wirst du leben. Er aber wollte sich selbst rechtfertigen und sprach zu Jesus: Wer ist denn mein Nächster?  Da antwortete Jesus und sprach: Es war ein Mensch, der ging von Jerusalem hinab nach Jericho und fiel unter die Räuber; die zogen ihn aus und schlugen ihn und machten sich davon und ließen ihn halbtot liegen. Es traf sich aber, dass ein Priester dieselbe Strasse hinabzog; und als er ihn sah, ging er vorüber. Desgleichen auch ein Levit: als er zu der Stelle kam und ihn sah, ging er vorüber.  Ein Samariter aber, der auf der Reise war, kam dahin; und als er ihn sah, jammerte er ihn; und er ging zu ihm, goss Öl und Wein auf seine Wunden und verband sie ihm, hob ihn auf sein Tier und brachte ihn in eine Herberge und pflegte ihn. Am nächsten Tag zog er zwei Silbergroschen heraus, gab sie dem Wirt und sprach: Pflege ihn; und wenn du mehr ausgibst, will ich dir's bezahlen, wenn ich wiederkomme. Wer von diesen dreien, meinst du, ist der Nächste gewesen dem, der unter die Räuber gefallen war?  Er sprach: Der die Barmherzigkeit an ihm tat. Da sprach Jesus zu ihm: So geh hin und tu desgleichen!"

[Quelle: Wider Pfaffen und Jesuiten, Wider Mucker und Pietisten! : Eine Anthologie aus der Blütezeit der politischen Dichtkunst in Deutschland 1830-1850 / Hrsg. von Politicus. -- Frankfurt a. M. : Neuer Frankf. Verl., 1914. -- 224 S. -- (Bibliothek der Aufklärung). -- S. 183.]


1831


Franz Grillparzer (1791-1872): Unter Lobverse auf Ladislaus Pyrker von Baldamus. -- 1831

Den Bischof und den Dichter vergleich ich ohne Müh;
So ein als andrer dichtet, auf Glauben rechnen sie.
Doch glaubt man nicht dem Bischof, so bleibt ihm doch sein Amt,
Der ungeglaubte Dichter ist darum schon verdammt.

Erläuterung: Grillparzer schreibt dazu in seinem Tagebuch: "Die Wände meines Zimmers in Gastein mit Lobeserhebungen des elenden Baldamus [Karl Baldamus, Dichter; 1784 bis nach 1834]  auf den Erzbischof von Erlau [Ladislaus Pyrker (1772–1847), Patriarch von Venedig und Erzbischof von Erlau (Ungarn), ließ Thermalleitung von Badgastein nach Hofgastein errichten] beklext gefunden. Ich schrieb einige Schimpfzeilen darunter." [Es folgt obiger Vers]


Anastasius Grün (1808-1876): Priester und Pfaffen. -- 1831

Stoß ins Horn, Herold des Krieges: Zu den Waffen, zu den Waffen!
Kampf und Krieg der argen Horde heuchlerischer dummer Pfaffen!
Aber Friede, Gottesfriede, mit der frommen Priesterschar,
Frieden ihrem Segensamte, Ehrfurcht ihrem Weihaltar!

Priester sind's, die's bittre Sterben uns mit Wundertrost versüßen,
Pfaffen sind's, die's süße Leben bitter uns zu machen wissen;
Priesterherz, o See voll Klarheit, der den Himmel spiegelnd hält,
Pfaffenseele, ekle Pfütze, füllend dich vom Kot der Welt!

Priester gleicht der treuen Dogge, die uns Haus und Hof beschützte,
Pfaff' ist Fuchs, der Nachts die Hühner aus dem Stall uns wegstibitzte;
Priester ist ein Markuslöwe, der das Evangelium wahrt,
Pfaff' ist eine Tigerkatze, jener Gattung schlecht're Art.

Priester! hui, du kräft'ge Zeder, frei das Haupt zum Himmel kehrend!
Pfaffe! pfui, du üppig Schlingkraut, frech von fremdem Marke zehrend!
Religion! der Priester huldigt weihevoll dem Götterweib!
Doch der Pfaff' umschlingt im Taumel einer Gassendirne Leib!

Einst von Gott erbaten Priester wohl die Sonne für die Erde,
Dass der Tag, der schöne helle, schöner noch und heller werde;
Doch des Monds, der Stern' Erlöschen flehten Pfaffen stets herbei,
Dass die Nacht, die schwarze finstre, schwärzer noch und finstrer sei!

Disteln wuchern auch in Östreich, wie ein jedes Land sie brütet,
Reben blüh'n und glüh'n in Östreich, wie nicht jedes Land sie bietet;
Bombardiert mit Distelköpfen frisch die Pfaffen aus dem Land!
Nehmt ein Glas des besten Weines auf der Priester Wohl zur Hand!


Anastasius Grün (1808-1876): Die Dicken und die Dünnen. -- 1831

Fünfzig Jahre sind's1, da riefen unsre Eltern zu den Waffen:
Krieg und Kampf den dicken, plumpen, kugelrunden, feisten Pfaffen!
Auch in Waffen steh'n wir Enkel; jetzt doch muss die Losung sein:
Krieg und Kampf den dünnen, magern, spindelhagern Pfäffelein2!

Aber wo gab's größre Arbeit, welcher Kampf bot mehr Gefahren?
Wo galt's fester auszudauern, wo galt's klüger sich zu wahren?
Lauthin schnaubt die plumpe Wildsau, wenn sie durch das Dickicht keucht,
Aber leise kriecht die Viper, die nach deinen Fersen schleicht!

Einst verschnarchten dicke Pfaffen ganze Tag' in süßem Schläflein,
Jetzt doch liegen auf der Lauer immer wach die dünnen Pfäfflein;
Jene brüllten ihre Inbrunst heulend in die Welt hinein,
Diese winseln ihren Jammer, Katern gleich im März, so fein.

Mächt'gen, schweren Folianten glichen einstens jene Dicken,
»Allgemeines großes Kochbuch« stand als Inschrift auf dem Rücken;
Einem schmalen kleinen Büchlein sind die Dünnen gleich, fürwahr,
»Kurzgefasste Gaunerstücklein« beut das Titelblatt euch dar.

Mit der Grobheit und der Dummheit hattet einst den Kampf, ihr Alten,
Doch der Artigkeit und Schlauheit müssen wir die Stange halten!
Einstens rannten euch die Dicken mit dem Wanst die Türen ein,
Doch es kriechen jetzt die Dünnen uns durchs Schlüsselloch herein.

Längst schon hat ein tapfrer Ritter kühn der Dicken Heer gebändigt,
Und als goldner Stern des Tages jene finstre Nacht geendigt,
Joseph1 hieß der Stern und Ritter! Wien, du kannst sein Denkmal seh'n
Ach und will denn gen die Dünnen nimmer solch ein Held ersteh'n?


Abb.: "Wien, du kannst sein Denkmal seh'n": Denkmal für Joseph II., Wien, Josephsplatz / von Franz Anton Zauner, Edler von Falpetan (1746 - 1822). -- 1807

O so steigt ihr Dicken wieder lebend aus der Todesurne!
Doch mit altem gutem Magen! Werdet christliche Saturne3!
Und verschlingt den magern Nachwuchs, o dann sind wir beider los,
Denn nicht lange mehr kann leben, wer solch' gift'ge Kost genoss!

Erläuterungen:

1 fünfzig Jahre: bezieht sich auf die Kirchenreformen von Kaiser Joseph II. (1741 - 1790) von Österreich (Josephinismus)

2 die Jesuiten

3 Saturn (= Kronos) fraß der griechischen Sage nach seine eigenen Kinder, wurde dann von seinem Sohn Zeus, der durch einen Betrug überleben konnte, entmachtet.


1833



Abb.: Adolph von Menzel (1815 - 1905): Neujahrsglückwunsch für einen Kandidaten der Theologie. --  1833-1834


1834


August von Platen (1796-1835): Auferstehung. -- 1834


Abb.: Julius Schnorr von Carolsfeld (1794 - 1872): Jesus reinigt den Tempel (Johannesevangelium 2,13-17). -- 1860

Möge die Krämer verschonen der wiedererwachende Christus;
Aber die Pfaffen indes peitsch er zum Tempel hinaus!
Weil dies feige Geschlecht ihn stets ein geduldiges Lamm schilt,
Zeig er sich ihm schreckhaft als ein gewaltiger Leu.


August von Platen (1796-1835): Piemont. -- 1834

Unglückseliges Land, wo stets militär-jesuitisch
Söldner und Pfaffen zugleich saugten am Marke des Volks!

Erläuterung:


Abb.: Lage von Piemont

Piemont: Region in Norditalien (um Turin). Piemont war Zankapfel zwischen Frankreich und Habsburg.


1838


Eduard Mörike (1804-1875): Pastoralerfahrung. -- 1838

Meine guten Bauern freuen mich sehr;
Eine »scharfe Predigt« ist ihr Begehr.
Und wenn man mir es nicht verdenkt,
Sag ich, wie das zusammenhängt.
Sonnabend, wohl nach elfe spat,
Im Garten stehlen sie mir den Salat;
In der Morgenkirch mit guter Ruh
Erwarten sie den Essig dazu;
Der Predigt Schluss fein linde sei:
Sie wollen gern auch Öl dabei.


1840



Abb.: Carl Spitzweg (1808 - 1885): Der singende Dorfpfarrer. -- um 1840


August Heinrich Hoffmann von Fallersleben (1798-1874): Pfaffen. -- 1841

Ihr seid nicht Christen, seid nur Pfaffen,
Seid nicht des Heilands Ebenbild;
Ihr führet nicht der Liebe Waffen,
Und traget nicht der Demut Schild.

Der Heiland hat der Welt den Frieden,
Und nur der Sünde Krieg gebracht:
Ihr aber habt zum Krieg hienieden
Die ganze Menschheit angefacht.

Ihr kreuzigt täglich noch den Heiland,
Erschien' er wie er einst erschien,
Ihr riefet wie die Juden weiland
Und lauter nur: ha, kreuzigt ihn!


1843


Georg Herwegh (1817-1875): Dauer im Wechsel (In: Lieder eines Lebendigen, 1843)

Da ist nichts unten, ist nichts oben,
Die Pfaffen haben es längst verschoben,
Mit Augenverdrehn, mit Phrasenschwalle -
Krummmacher sind und bleiben sie alle!


1845


Moritz Hartmann (1821 - 1872): Gabriel von Salus. -- 1845

Der Bischof Gabriel von Salus
Im sechzehnten Jahrhundert
Ward nicht genugsam als Genius
In seiner Zeit bewundert.

Sein ganzes schönes Dasein bestand
Aus zerstreuenden Kontrasten,
Er war auch beneidet im Frankenland
Von allen Ekklesiasten.

Nie ward er im Grunde zum Pfaffen geweiht,
Doch hat er das Handwerk getrieben;
Und als er später weltlich gefreit,
Ist er doch Bischof geblieben.

Die Herde, die er zur Hochzeit lud,
Speist er aus dem Kirchenschatze;
Zur Feier des Tags mit dem Bischofshut
Bedeckt er die heilige Glatze.

Die Kinder, die der Himmel ihm gab,
Erzog er im Glauben, im reinen,
Nie anders, als mit dem krummen Stab,
Hat er gezüchtigt die Kleinen.

Man sagt, dass es rührend zu sehen war,
Dies Bild vom häuslichen Leben:
Der fromme Bischof im roten Talar,
Von Weib und Kind umgeben.

Er starb, wie er lebte, mit frommem Sinn;
Der Witwe ließ er, der treuen,
Trostlosen, den Platz einer Bischöfin,
Die Kinder bekamen Abteien.

[Quelle: Wider Pfaffen und Jesuiten, Wider Mucker und Pietisten! : Eine Anthologie aus der Blütezeit der politischen Dichtkunst in Deutschland 1830-1850 / Hrsg. von Politicus. -- Frankfurt a. M. : Neuer Frankf. Verl., 1914. -- 224 S. -- (Bibliothek der Aufklärung). -- S. 85.]



Abb.: Boehmer, I. F.: Hier ist zu schaun die Historia fein, vom Pastor und vom Schulmeisterlein. -- Berlin. -- Um 1845

[Bildquelle: Wäscher, Hermann <1887–1967>: Das deutsche illustrierte Flugblatt. - Dresden : Verl. der Kunst VEB. -- Bd. 2., Von der Zeit der Restauration bis zur Gegenwart. -- 1956. -- 41 S. : Text mit Abb. u. 119 S. Abb.  -- Abb. 28]


1846


Hermann von Gilm (1812 - 1864): Aus: Sonette an eine Roveretanerin. -- 1846

Die Klerisei hat sich mit Anathemen
Der Ehe breites Himmelbett verrannt,
Ein Streiter Gottes, sagte Hildebrand1,
Darf sich kein Weib in seine Kammer nehmen.

Und wir, die Streiter für das Vaterland
Und für das Licht, wie müssten wir uns schämen,
Wenn stürmend wir auf unser Schlachtfeld kämen
Mit unsern runden Weibern an der Hand.

Mein Weib kannst du nicht sein, bleib' du mein Kissen,
Worauf das müde Haupt ich niederlehne,
Der Mahner meines Liedes, mein Gewissen;

Der leuchtende Kristall für meine Träne,
Das kannst du sein, nur das, was bei den Füßen
Des Heilands war Maria Magdalene2.

Erläuterungen:

1 Hildebrand, früherer Name des Papstes Gregor VII. der 1074 auf einer Synode zu Rom ein Dekret erließ, dass jeder beweibte Priester, der das Sakrament verwalte, ebenso wie der Laie, der aus der Hand eines solchen das Sakrament empfange, mit dem Kirchenbann bestraft werden soll.

2 Maria Magdalena: nach kirchlicher Tradition eine Prostituierte,  die Jesus die Füße wäscht (Lk 7,36-50)


Alfred Meißner (1822 - 1885): Aus: Ziska. -- 1846

Spricht der Mönch: In diesem Doppelbilde
O erkennt es, wie die Klerisei
Vom Gesetz der Demut und der Milde
Abgefallen bis zur Tyrannei,
Die von Not und Tränen unerschüttert,
Sich vom Wahn der gläubgen Armut füttert!

Armer Hirte, der du bitter darben
Musst auf deinem Feld bei reichen Hürden,
Armer Bauer, mit der Hand voll Narben,
Der du hungern musst bei deinen Garben,
Fast erdrückt von deines Frones Bürden,
O begriffest du es doch einmal,
Dass der Pfaffe schuld an deiner Qual!


Abb.: Stift Admont, Österreich: ein florierender Wirtschaftsbetrieb (Gymnasium, Pflegeheim, Forstwirtschaft, Gärtnerei, holzverarbeitende Industrie, Elektrizitätswerk) mit ca. 1000 Angestellten.

Du bist arm, doch arm durch dein Verschulden;
Weil du glaubst dem Wort voll bitterm Spott,
Dass der Mensch auf Erden ist zum Dulden
Und dass alle Herrschaft kommt von Gott.
Wenn das Herz dir in Erbittrung schlägt,
Dass dein Nacken noch am Joche trägt,
Dass ein Mensch dich jaget, wie ein Wild,
Dich, den Menschen, Gottes Ebenbild
Wenn dein Arm schon aufzuckt, dreinzuschlagen,
Spricht der Pfaff: Dein Heil ist im Entsagen.
Und er höhnet dich mit seinem bleichen
Märchen vom Vergelt in Himmelsreichen!

Glaubet! der dort auf der Eslin Füllen
Mit der Hand voll Segen und Erbarmen,
Er, der nicht verschmäht solch dürftge Hüllen,
Um sein Wort zu predigen den Armen —
Kennt nicht jene, die in Gold und Seide
Aus dem goldbeschlagnen Messbuch beten,
Ungehorsam dem geschwornen Eide,
Nur den reichen Mann bei Gott vertreten.


Abb.: Jene, die in Gold und Seide: Papst Johannes Paul II. in Kroatien

Wie auch ihre Scheiterhaufen lodern,
Ihre Glocken laut zur Messe fordern,
Lauter als ihr Erz und Feuer spricht
Gott der Herr: Die Argen kenn ich nicht.
Anathem singt ihrer Glocken Schall.
In ihr Messlied dröhnt der Lärm der Fesseln,
Schaudernd sieht das Auge überall
Blut, nur Blut in ihren Weihekesseln!

Voll von Sünd und Unzucht ist ihr Herz,
Ohne Mitgefühl für euern Schmerz,
Und ihr könnt es glauben, dass sie führen
Schlüssel Gottes zu des Himmels Türen?


Abb.: "dass sie führen Schlüssel Gottes": Papstlogo mit den Schlüsseln Petri [Bildquelle: http://www.vatican.va/phome_ge.htm. -- Zugriff am 2004-10-18]

Ja, der Pfaff, der Gleisner von Gebärden,
Der euch immerfort zum Himmel weiset
Und die Tugend in der Knechtschaft preiset,
Ist des Teufels Mastschwein hier auf Erden!


Abb.: Gleisner von Gebärden: ein Kardinal bei der Predigt [Bildquelle: http://www.dom-klagenfurt.at/aktuelles/fotos_aschermittwoch04.htm. -- Zugriff am 2004-10-18]

Eine Höllentochter, eine Furie,
Die das Völkerrecht in Ketten schlägt,
Geisterknechtschaft auf die Erde trägt,
Ist das, was man nennt: die heilge Kurie.

[Quelle: Wider Pfaffen und Jesuiten, Wider Mucker und Pietisten! : Eine Anthologie aus der Blütezeit der politischen Dichtkunst in Deutschland 1830-1850 / Hrsg. von Politicus. -- Frankfurt a. M. : Neuer Frankf. Verl., 1914. -- 224 S. -- (Bibliothek der Aufklärung). -- S. 164f.]


1848



Abb.: "Ich kann tun, was ich will - aber das Ungeziefer bringe ich nicht los!". -- Deutschland. -- um 1848

[Bildquelle: Seine Feinde zu beissen ... Karikaturen aus der deutschen bürgerlichen Revolution 1848 - 49 / [Alfred Gessler ; Karl-Heinz Grahl]. -- Berlin : Der Morgen, [1963]. --173 S. : vorwiegend Ill. -- S. 87]


Die Moritat von Karl Pistorius. -- 1848

In Freiburg lebt' und tat viel Buß',
Der Pfarrer Karl Pistorius. -
Er, der zu Freiburg Pastor war,
Das Gute wollt' er immerdar.

Daselbst wohnt' auch ein Mägdelein,
Die wollte gern Frau Pastor sein,
Verlockt ihn eines Abends spat,
Ein Knäblein war das Resultat.

Die Schand' ertrug der Pastor nicht,
Er bracht' mit einem Kerzenlicht
Das neugebor'ne Knäblein um,
Entsetze dich, o Publikum.

Die arme Mutter starb vor Gram,
Noch eh' sie aus den Wochen kam,
Und Kind und Mutter schliefen beid'
Den Schlaf der ew'gen Seligkeit.

Dem Tod durchs Rad entging der Pastor,
Er schifft' sich ein nach Baltimore,
Und büßet dort im fremden Land
Die Schuld als Essigfabrikant.

Und die Moral von der Geschieht'?
Verführe keinen Pastor nicht,
Denn einer von der Geistlichkeit,
Ist wahrlich keine Kleinigkeit.


Adolf Glaßbrenner (1810 - 1876): Komischer Volkskalender für 1849. -- 1848


Abb.. Von den Finsternissen des Jahres 1849


Adolf Glaßbrenner (1810 - 1876): Logische Beweise für die Notwendigkeit der Staatsdiener, Künstler etc. <Auszug>. -- 1848


Abb.: Fromme Vereine

PFAFFEN. Gäbe es keine Pfaffen, so hätten wir keine Kenntnis von Gott; hätten wir keine Kenntnis von Gott, so hätten wir auch keine frommen Vereine; hätten wir keine frommen Vereine, so übten wir lauter Verbrechen; übten wir lauter Verbrechen, so wären wir auch Alle Betrüger: wir sind aber nicht Alle Betrüger, ergo muss es auch PFAFFEN geben.


Georg Weerth (1822-1856): Humoristische Skizzen aus dem deutschen Handelsleben, VI. <Auszug>. -- 1848

»Das Münsterland liebe ich vor allen deutschen Gauen. Ein solcher Durst und so hartnäckige Trinker sind mir noch nie vorgekommen. Und die Leute trinken etwas Gutes. So fand ich z.B. den alten Domherrn Valentin, der gerade in seinem Studierzimmer damit beschäftigt war, eine Abhandlung über die unbefleckte Jungfrau zu schreiben, hinter einer wahren Batterie von teils leeren, teils halb ausgetrunkenen Flaschen Rüdesheimer, Markobrunner usw. Als er mich hereintreten sah, jauchzte er, als ob ihm der Heiland in Person erschienen, fiel mir um den Hals und ruhte nicht eher, als bis ich seinen ganzen Keller durchgetrunken und - Ave Maria purissima!1 - solche Kreise im Zimmer beschrieb, dass das Manuskript über die unbefleckte Jungfrau samt Tintenfass und Sandbüchse, samt Flaschen und Folianten dem allgemeinen Umsturze verfiel. Der alte Valentin hielt sich die Seiten vor Lachen, und gemeinschaftlich setzten wir uns dann auf die Trümmer seines Studierzimmers und sangen das Lied von der Ratt im Kellernest. Einige Stunden später sang er die erste Messe. Bestellt eine Ohm Steeger zu 60.«

Erläuterungen:

1 Ave Maria purissima! (lateinisch): Gegrüßet seist Du, reinste Maria!

2 Lied von der Ratt im Kellernest: Johann Wolfgang Goethe (1749-1832): Faust. Der Tragödie erster Teil (1808). Szene in Auerbachs Keller

BRANDER
Es war eine Ratt' im Kellernest,
Lebte nur von Fett und Butter,
Hatte sich ein Ränzlein angemäst't,
Als wie der Doktor Luther.
Die Köchin hatt' ihr Gift gestellt;
Da ward's so eng ihr in der Welt,
Als hätte sie Lieb' im Leibe.

CHORUS jauchzend.
Als hätte sie Lieb' im Leibe.

BRANDER.
Sie fuhr herum, sie fuhr heraus,
Und soff aus allen Pfützen,
Zernagt', zerkratzt' das ganze Haus,
Wollte nichts ihr Wüten nützen;
Sie tät gar manchen Ängstesprung,
Bald hatte das arme Tier genung,
Als hätt' es Lieb' im Leibe.

CHORUS.
Als hätt' es Lieb' im Leibe.

BRANDER.
Sie kam für Angst am hellen Tag
Der Küche zugelaufen,
Fiel an den Herd und zuckt' und lag,
Und tät erbärmlich schnaufen.
Da lachte die Vergifterin noch:
Ha! sie pfeift auf dem letzten Loch,
Als hätte sie Lieb' im Leibe.

CHORUS.
Als hätte sie Lieb' im Leibe.

SIEBEL.
Wie sich die platten Bursche freuen!
Es ist mir eine rechte Kunst,
Den armen Ratten Gift zu streuen!

BRANDER.
Sie stehn wohl sehr in deiner Gunst?

ALTMAYER.
Der Schmerbauch mit der kahlen Platte!
Das Unglück macht ihn zahm und mild;
Er sieht in der geschwollnen Ratte
Sein ganz natürlich Ebenbild.



Abb.: Das Vermächtnis, oder die Herde ohne Hirten". -- Wien. -- 1858

Erläuterung: Während der Revolution 1848 floh die gesamte hohe Geistlichkeit und ein Großteil des Welt- und Ordensklerus feige aus Wien.

[Bildquelle: 1848 : Protokolle einer Revolution / eine Dokumentation von Kurt Mellach, eingeleitet von Gerhard Fritsch. -- Wien ; München : Verl. für Jugend u. Volk, 1968. -- 189 S. : Ill. ; 4°. -- S. 52]


1849


Moritz Hartmann (1821 - 1872): Erste Taubenpost. -- 1849

(Aus der Reimchronik des Pfaffen Maurizius)

Aus Süden bring ich frommen Gruß
Von deinen Brüdern, den frommen Pfaffen,
Aus jenen Auen, wo Vater Buß1
Und Sepp2, Lasaulx3 und Phillips4 schaffen.

Wie haben sie den Mantel gedreht,
Die demokratischen Ekklesiasten5
Nichts wollen sie wissen mehr von Gebet,
Von Buße, Kasten und Fasten.

Sie sprechen fast so scharlachrot
Wie westfälische Kommunisten,
Sie predigen von des Volkes Not,
Von materieller Hebung der Christen.

Nicht mehr tut die Himmelstür sich auf
Zerfleischten Rücken, geleerten Gedärmen6
Das Volk soll essen und trinken vollauf:
Für fette Bäuche sieht man sie schwärmen.

Die Klugen! — sie haben umsonst versucht,
Zu fangen die schöne Hexe, die Lola7,
Sie haben umsonst gebetet, geflucht,
Umsonst gewedelt mit der Stola8.

Viel williger wird die Demokratie
sich, als die Tänzerin, zwingen lassen —
Und schnell eine neue Theologie,
Eine rot angelaufene, will man verfassen.

Wie wenig die violette schon
Dem straußischen9 Magen der Zeit mag passen,
Das hat die Exkommunikation
In Rom selbst leider erraten lassen.

Die Klugen — sie tragen die Sense sogar,
Wenn der Krummstab nichts mehr nütze,
Und wenn zu schäbig Kapuz und Talar —
Sie lieben die Jakobinermütze10.

Nun ist nicht fern die schöne Zeit,
Da von demokratischen Kaplanen
Stimmzettel werden getauft und geweiht,
Zum Wahlort führen die Kirchenfahnen.

Die Leitkuh wird die Kirche sodann,
Die Glock am Hals ist die Kirchenglocke,
Der Hirt ist ein frommer lächelnder Mann
Und trägt ein Schwert unterm schwarzen Rocke.

Das ist die ecclesia militans11,
Die Mutter des knöchernen Geplärres,
Die Mutter des Weihrauchs und Kirchenbanns,
Die Mutter vom großen Joseph Görres12.

Die wird sich bald die freie Press
Ovieren13 lassen von ihren Votanten14,
Mit Kircheneh'n und Hexenprozess
Beschenken von ihren Ministranten.

Zu Halle15 hat sie ein Seminar,
In Potsdam16 ist man sehr romantisch,
Dem Hengstenberg17 ist manches nicht klar —
Doch Leo18 und Tholuk19 sind protestantisch.

Erläuterungen:

1 Buß

"Buß, Franz Joseph, Ritter von, ultramontaner Politiker, geb. 23. März 1803 in Zell am Harmersbach, gest. 1. Febr. 1878 in Freiburg, studierte Philosophie, Medizin und die Rechte und habilitierte sich 1824 in Freiburg, wo er 1833 außerordentlicher und 1836 ordentlicher Professor für Rechts- und Staatswissenschaft wurde. Als Mitglied der badischen Zweiten Kammer (seit 1837) stand er im Gegensatze zu seinen frühern liberalen Grundsätzen auf seiten der streng kirchlichen Partei und wurde, 1848 von einem westfälischen Bezirk in das Frankfurter Parlament gewählt, Führer der großdeutsch-ultramontanen Richtung. 1863 in den österreichischen Ritterstand erhoben, ward er 1873 wieder in die badische Abgeordnetenkammer, 1874 in den Reichstag gewählt und trat dort in das Zentrum ein. Literarisch vertrat er die völlige Trennung von Kirche und Staat, stiftete viele katholische Vereine und wurde 1848 Präsident der zu Mainz tagenden Pius-Vereine, er befürwortete die Errichtung katholischer Universitäten und eiferte für den Jesuitenorden. Er schrieb unter anderm: »Geschichte der Staatswissenschaft« (Karlsr. 1839, 2 Bde.); »Urkundliche Geschichte des National- und Territorialkirchentums in der katholischen Kirche Deutschlands« (Schaffh. 1851); »Der heilige Thomas, Erzbischof von Canterbury« (Mainz 1856); »Österreichs Umbau in Kirche und Staat« (Wien 1862, Bd. 1). Aus seinem Nachlaß erschien »Winfrid- Bonifacius« (Graz 1880)."

[Quelle: Meyers großes Konversations-Lexikon. -- DVD-ROM-Ausg. Faksimile und Volltext der 6. Aufl. 1905-1909. -- Berlin : Directmedia Publ. --2003. -- 1 DVD-ROM. -- (Digitale Bibliothek ; 100). -- ISBN 3-89853-200-3. -- s.v.]

2 Sepp

"Sepp, Johann Nepomuk, kath. Kirchenhistoriker, geb. 7. Aug. 1816 zu Tölz in Oberbayern, erhielt nach längern Reisen im Orient die Professur der Geschichte in München, ward aber 1847 mit sieben seiner Kollegen abgesetzt und aus der Hauptstadt verwiesen. 1848 in das Frankfurter Parlament, 1849 in die bayrische Kammer gewählt, ward er 1850 wieder angestellt. Wegen persönlicher Beziehungen wurde S. 1867 plötzlich in Ruhestand versetzt (vgl. seine Schrift »Denkschrift in Sache meiner Quieszierung«, Münch. 1868). 1868 wurde er in das deutsche Zollparlament, 1869 wieder in die bayrische Kammer gewählt und übernahm 1872 im Auftrag des Deutschen Reiches eine neue Reise nach Palästina."

[Quelle: Meyers großes Konversations-Lexikon. -- DVD-ROM-Ausg. Faksimile und Volltext der 6. Aufl. 1905-1909. -- Berlin : Directmedia Publ. --2003. -- 1 DVD-ROM. -- (Digitale Bibliothek ; 100). -- ISBN 3-89853-200-3. -- s.v.]

3 Lasaulx

"Lasaulx (spr. laßo), Ernst von, Altertumsforscher, geb. 16. März 1805 in Koblenz, gest. 10. Mai 1861 in München, studierte 1824-30 in Bonn und München und ward nach längern Reisen in Italien, Griechenland und im Orient 1835 außerordentlicher, 1837 ordentlicher Professor der Philologie in Würzburg, 1844 Professor der Philologie und Ästhetik in München, als Ultramontaner im Februar 1847 seines Amtes enthoben und im März 1849 in dasselbe zurückberufen. 1848 in die deutsche Nationalversammlung, später in die bayrische Abgeordnetenkammer gewählt, war er ein eifriger Vertreter des Katholizismus. In seinen wissenschaftlichen Arbeiten verfolgte er die Tendenz, christliche Ideen im Altertum nachzuweisen."

[Quelle: Meyers großes Konversations-Lexikon. -- DVD-ROM-Ausg. Faksimile und Volltext der 6. Aufl. 1905-1909. -- Berlin : Directmedia Publ. --2003. -- 1 DVD-ROM. -- (Digitale Bibliothek ; 100). -- ISBN 3-89853-200-3. -- s.v.]

4 Phillips

"Phillips, George, Rechtsgelehrter, geb. 6. Jan. 1804 zu Königsberg i. Pr., gest. 6. Sept. 1872 in Wien, ward 1827 in Berlin außerordentlicher Professor und folgte, nachdem er zur katholischen Kirche übergetreten, 1833 einem Ruf als ordentlicher Professor der Rechte und Mitglied der Akademie der Wissenschaften nach München. Als Schriftsteller trat er mit seinem »Versuch einer Darstellung der Geschichte des angelsächsischen Rechts« (Götting. 1825) auf, dem die »Englische Reichs- und Rechtsgeschichte seit der Ankunft der Normannen« (Berl. 1827-28, 2 Bde.) und die »Grundsätze des gemeinen deutschen Privatrechts mit Einschluss des Lehnrechts« (das. 1830, 2 Bde.; 3. Aufl. 1846) folgten. Seine »Deutsche Geschichte mit besonderer Rücksicht auf Religion, Recht und Staatsverfassung« (Berl. 1832-34, 2 Bde.) sowie die von ihm und Görres 1838 begründeten »Historisch-politischen Blätter für das katholische Deutschland« bekunden ihn als einen eifrigen Verfechter ultramontaner Interessen. Nach dem Sturz des Ministeriums Abel 1847 ward er von seinem Lehrstuhl entfernt, 1849 aber als Professor des Kirchen rechts nach Innsbruck und 1851 als Professor der Rechtsgeschichte nach Wien berufen."

[Quelle: Meyers großes Konversations-Lexikon. -- DVD-ROM-Ausg. Faksimile und Volltext der 6. Aufl. 1905-1909. -- Berlin : Directmedia Publ. --2003. -- 1 DVD-ROM. -- (Digitale Bibliothek ; 100). -- ISBN 3-89853-200-3. -- s.v.]

5 Ekklesiast: Kirchenmann

6 Zerfleischten Rücken, geleerten Gedärmen = sich selbst peinigenden und fastenden Asketen

7 Lola

"Montez, Lola, eine durch ihre Abenteuer bekannte Tänzerin, geb. 1820 zu Montrose in Schottland, gest. 30. Juni 1861 in New York, war die illegitime Tochter eines schottischen Offiziers, namens Gilbert, und einer Kreolin, wurde in Bath erzogen und heiratete 1837 einen Leutnant, namens James, dem sie 1838 nach Ostindien folgte. Im Herbst 1840 verließ sie ihren Gatten, vertauschte in Paris ihren englischen Namen Mrs. James mit dem Namen Lola oder Dolores M. und bereiste als spanische Tänzerin einen großen Teil von Europa. Ihre Konflikte mit der deutschen und russischen Polizei, die zahlreichen Duelle, die um ihretwegen ausgefochten wurden, verschafften ihr einen gewissen Ruf; zuletzt aber wurde sie fast überall ausgewiesen. Als sie 1846 in München als Tänzerin auftrat, gewann sie die Gunst des Königs Ludwig I., reizte aber durch ihr übermütiges, emanzipiertes Betragen die Bevölkerung, und als das ultramontane Ministerium Abel (s. d. 3) sich der Indigenatserteilung an sie widersetzte, bestimmte sie den König zu dessen Entlassung und terrorisierte an der Spitze der Studentenverbindung Alemannia den König und die Beamten. Unter dem neuen Ministerium Öttingen- Wallerstein erhielt sie zwar den bayrischen Indigenat und den Titel und Rang einer Gräfin von Landsfeld; als aber im Februar 1848 durch sie veranlasste studentische Konflikte zur Schließung der Universität führten, musste sie der König, um der Gärung im Volke zu steuern, 11. März entfernen. Nach Ludwigs Abdankung ward Lola auch der bayrische Indigenat offiziell entzogen. Sie wandte sich nun nach mancherlei Irrfahrten nach London, wo sie 1849 den Leutnant der Garde Heald heiratete; doch trennte sich dieser 1850 in Spanien von ihr. 1852 betrat sie in Nordamerika wieder die Bühne, veröffentlichte »Memoiren« und spielte sogar in eigens dazu verfassten Stücken ihre Erlebnisse in Bayern, wobei sie als vom Volk hochgefeierte Befreierin dieses Landes vom ultramontanen Joch erschien. Im Sommer 1853 reiste sie nach Kalifornien und verheiratete sich hier noch zweimal, mit dem Zeitungsredakteur Hull und einem deutschen Arzt. Nach des letztern Tod kehrte sie nach New York zurück, wo sie endlich in großer Dürftigkeit starb."

[Quelle: Meyers großes Konversations-Lexikon. -- DVD-ROM-Ausg. Faksimile und Volltext der 6. Aufl. 1905-1909. -- Berlin : Directmedia Publ. --2003. -- 1 DVD-ROM. -- (Digitale Bibliothek ; 100). -- ISBN 3-89853-200-3. -- s.v.]

8 Stola:(lat.): Teil des priesterlichen Ornats, bestehend aus einem handbreiten, langen, verzierten Streifen in Farbe und Stoff des Messgewandes, der, nach Art einer Schärpe um den Nacken gelegt, beim Bischof vorne frei herabhängt, beim Priester, wenn mit Alba bekleidet, über der Brust und beim Diakon an der Hüfte gekreuzt wird. Die Stola ist bei allen priesterlichen Funktionen zu tragen.

Abb.: Stola [Bildquelle: http://www.evl.fi/kkh/to/kjmk/opas2/asia30.html. -- Zugriff am 2004-10-18]

9 straußischen: nach David Friedrich Strauß

"Strauß, David Friedrich, prot. Theolog und Schriftsteller, geb. 27. Jan. 1808 zu Ludwigsburg in Württemberg, gest. daselbst 8. Febr. 1874, bildete sich in dem theologischen Stift zu Tübingen, ward 1830 Vikar, 1831 Professoratsverweser am Seminar in Maulbronn, ging aber noch ein halbes Jahr nach Berlin, um Hegel und Schleiermacher zu hören. 1832 wurde er Repetent am theologischen Seminar in Tübingen und hielt zugleich philosophische Vorlesungen an der Universität. Damals erregte er durch seine Schrift »Das Leben Jesu, kritisch bearbeitet« (Tübing. 1835, 2 Bde.; 4. Aufl. 1840) ein fast beispielloses Aufsehen. S. wandte darin das auf dem Gebiete der Altertumswissenschaften begründete und bereits zur Erklärung alttestamentlicher und einzelner neutestamentlicher Erzählungen benutzte Prinzip des Mythus auch auf den gesamten Inhalt der evangelischen Geschichte an, in der er ein Produkt des unbewusst nach Maßgabe des alttestamentlich jüdischen Messiasbildes dichtenden urchristlichen Gemeingeistes erkannte. Die Gegenschriften gegen dieses Werk bilden eine eigne Literatur, in der kaum ein theologischer und philosophischer Name von Bedeutung fehlt. Strauß' Antworten erschienen als »Streitschriften« (Tübing. 1837, 3 Hefte). Für die persönlichen Verhältnisse des Verfassers hatte die Offenheit seines Auftretens die von ihm stets schmerzlich empfundene Folge, dass er noch 1835 von seiner Repetentenstelle entfernt und als Professoratsverweser nach Ludwigsburg versetzt wurde, welche Stelle von ihm jedoch schon im folgenden Jahre mit dem Privatstand vertauscht wurde. Früchte dieser ersten (Stuttgarter) Muße waren die »Charakteristiken und Kritiken« (Leipz. 1839, 2. Aufl. 1844) und die Abhandlung »Über Vergängliches und Bleibendes im Christentum« (Altona 1839). Von einer versöhnlichen Stimmung sind auch die in der 3. Auflage des »Lebens Jesu« (1838) der positiven Theologie gemachten Zugeständnisse eingegeben, aber schon die 4. Auflage nahm sie sämtlich zurück. 1839 erhielt S. einen Ruf als Professor der Dogmatik und Kirchengeschichte nach Zürich; doch erregte diese Berufung im Kanton so lebhaften Widerspruch, dass er noch vor Antritt seiner Stelle mit 1000 Frank Pension in den Ruhestand versetzt ward. 1841 verheiratete sich S. mit der Sängerin A. Schebest (s. d.), doch wurde die Ehe nach einigen Jahren getrennt. Sein zweites Hauptwerk ist: »Die christliche Glaubenslehre, in ihrer geschichtlichen Entwickelung und im Kampf mit der modernen Wissenschaft dargestellt« (Tübing. 1840-41, 2 Bde.), worin eine scharfe Kritik der einzelnen Dogmen in Form einer geschichtlichen Erörterung des Entstehungs- und Auflösungsprozesses derselben gegeben wird. Auf einige kleine ästhetische und biographische Artikel in den »Jahrbüchern der Gegenwart« folgte das Schriftchen »Der Romantiker auf dem Thron der Cäsaren, oder Julian der Abtrünnige« (Mannh. 1847; 3. Aufl., Bonn 1896), eine ironische Parallele zwischen der Restauration des Heidentums durch Julian und der Restauration der protestantischen Orthodoxie durch den König Friedrich Wilhelm IV. von Preußen. 1848 von seiner Vaterstadt als Kandidat für das deutsche Parlament aufgestellt, unterlag S. dem Misstrauen, das die pietistische Partei unter dem Landvolk des Bezirkes gegen ihn wachrief. Die Reden, die er teils bei dieser Gelegenheit, teils vorher in verschiedenen Wahlversammlungen gehalten hatte, erschienen unter dem Titel: »Sechs theologisch-politische Volksreden« (Stuttg. 1848). Zum Abgeordneten der Stadt Ludwigsburg für den württembergischen Landtag gewählt, zeigte S. wider Erwarten eine konservative politische Haltung, die ihm von seinen Wählern sogar ein Misstrauensvotum zuzog, in dessen Folge er im Dezember 1848 sein Mandat niederlegte. Seiner spätern, teils in Heidelberg, München und Darmstadt, teils in Heilbronn und Ludwigsburg verbrachten Muße entstammten die durch Gediegenheit der Forschung und schöne Darstellung ausgezeichneten biographischen Arbeiten: »Chr. Friedr. Daniel Schubarts Leben in seinen Briefen« (Berl. 1849, 2 Bde.); »Christian Märklin, ein Lebens- und Charakterbild aus der Gegenwart« (Mannh. 1851); »Leben und Schriften des Nikodemus Frischlin« (Frankf. 1855); »Ulrich von Hutten« (Leipz. 1858; 6. Aufl., Bonn 1895), nebst der Übersetzung von dessen »Gesprächen« (Leipz. 1860); »Herm. Samuel Reimarus« (das. 1862); »Voltaire, sechs Vorträge« (das. 1870; 8. Aufl., Bonn 1895; Frankf. a. M. 1906); ferner »Kleine Schriften biographischen, literatur- und kunstgeschichtlichen Inhalts« (Leipz. 1862; neue Folge, Berl. 1866; 3. Aufl., Bonn 1898), woraus »Klopstocks Jugendgeschichte etc.« (Bonn 1878) und der Vortrag »Lessings Nathan der Weise« (4. Aufl., das. 1896) besonders erschienen. Eine neue, für das Volk bearbeitete Ausgabe seines »Lebens Jesu« (Leipz. 1864; 13. Aufl., Stuttg. 1904) ward in mehrere europäische Sprachen übersetzt. Einen Teil der hierauf gegen ihn erneuten Angriffe wies er in der gegen Schenkel und Hengstenberg gerichteten Schrift zurück: »Die Halben und die Ganzen« (Berl. 1865), wozu noch gehört: »Der Christus des Glaubens und der Jesus der Geschichte, eine Kritik des Schleiermacherschen Lebens Jesu« (das. 1865). Noch einmal, kurz vor seinem Tod, erregte S. allgemeines Aufsehen durch seine Schrift »Der alte und der neue Glaube, ein Bekenntnis« (Leipz. 1872; 16. Aufl. als Volksausg., Stuttg. 1904), in der er mit dem Christentum brach, alle gemachten Zugeständnisse zurücknahm und einen positiven Aufbau der Weltanschauung auf Grundlage der neuesten, materialistisch und monistisch gerichteten Naturforschung unternahm. S.' »Gesammelte Schriften« (mit Ausschluss der spezifisch theologischen und dogmatischen), hat Zeller herausgegeben (Bonn 1876-78, 11 Bde., auch die von ihm hinterlassenen »Literarischen Denkwürdigkeiten« und die Gedichte enthaltend), dazu »Poetisches Gedenkbuch«, Gedichte (das. 1878) und »Ausgewählte Briefe« (das. 1895), die Briefe an Binder-Ziegler (in der »Deutschen Revue«, 1905)."

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10 Jakobinermütze: Kennzeichen der Jakobiner (Jacobins), eines einflussreichen politischen Klubs während der französischen Revolution.


Abb.: Jakobinermütze
 

11 ecclesia militans (lat.): streitende Kirche

12 Joseph Görres

"Görres, Johannes Joseph von, deutscher Publizist und Gelehrter, geb. 25. Jan. 1776 in Koblenz, gest. 29. Jan. 1848 in München, Sohn eines Flößhändlers und einer italienischen Mutter, studierte Medizin in Bonn, wurde aber 1793 in seinen Studien durch das Hereinbrechen der französischen Revolution unterbrochen. Er wandte sich nun ausschließlich der Politik zu, sprach in Klubs und Volksversammlungen für die Sache der Freiheit und gründete ein Journal: »Das rote Blatt«, das, von den französischen Machthabern unterdrückt, u. d. T. »Rübezahl« zwar wieder auflebte, aber nach kurzem Bestehen abermals einging. 1799 an der Spitze einer Deputation nach Paris gesandt, um die Einverleibung des linken Rheinufers in Frankreich zu erwirken, überzeugte sich G. dort, dass »in Napoleon der Welt eine Tyrannei erwachse, wie sie seit der Römerzeit nicht mehr eingetreten sei«, und verzichtete auf seine Mission. Seine Erfahrungen auf dieser Reise veröffentlichte er in einem besondern Schriftchen: »Resultate meiner Sendung nach Paris im Brumaire VIII«. Von der Überzeugung durchdrungen, dass die Sache der Freiheit vorderhand unwiederbringlich verloren sei, zog er sich aus dem öffentlichen Lehen zurück, nahm 1804 eine Stelle als Lehrer der Naturgeschichte und Physik bei der Sekundärschule in Koblenz an und widmete sich daneben dem Studium der Arzneikunde sowie der Schellingschen Naturphilosophie. Von seinen Schriften erschienen damals die »Aphorismen über die Kunst« (Kobl. 1802), die »Aphorismen über Organonomie« (das. 1802), die »Exposition der Physiologie« (das. 1805), die »Aphorismen über Organologie« (Frankf. 1805, Bd. 1) und »Glaube und Wissen« (Münch. 1806). Mit einjährigem Urlaub begab er sich 1806 nach Heidelberg, wo seine Privatvorlesungen großen Zulauf hatten, worauf er 1808 nach Koblenz zurückkehrte. Um jene Zeit gab er mit Brentano und Arnim die Aufsehen und Widerspruch erregende »Einsiedlerzeitung« heraus (deren Titel später in »Tröst-Einsamkeit« verwandelt wurde; Neudruck von Pfaff, Heidelb. 1883), hierauf allein »Die deutschen Volksbücher« (das. 1807). Eine Frucht seines Studiums der persischen Sprache war seine »Mythengeschichte der asiatischen Welt« (Heidelb. 1810, 2 Bde.). Auch die Poesie des Mittelalters beschäftigte ihn, und er bewährte seinen Scharfsinn in geistreichen, aber größtenteils unhaltbaren Kombinationen, die er in der Einleitung zu seiner Ausgabe des »Lohengrin« (Heidelb. 1813) niederlegte. 1813 warf er sich mit ganzer Macht in die nationale Bewegung und gab seit Februar 1814 den »Rheinischen Merkur« heraus, das bedeutendste politische Blatt jener Zeit, das die Franzosen »eine fünfte Macht« nannten. Mit flammenden Worten sprach es gegen die französisch Gesinnten in Deutschland und empfahl die Liebe zu deutscher Sprache und Sitte, die Eintracht der Fürsten und Völker, die Erneuerung des Kaisertums, Pressfreiheit, ständische deutsche Verfassungen. Als im Februar 1816 der »Rheinische Merkur« wegen seiner Angriffe auf die preußische Regierung unterdrückt und G. der ihm 1814 von J. Gruner übertragenen Stelle eines Studiendirektors des Bezirks Koblenz enthoben wurde, ging er mit seiner Familie nach Heidelberg, kehrte aber schon 1817 nach Koblenz zurück, wo er während der großen Teuerung einen Hilfsverein stiftete. Daneben arbeitete er fleißig an einer Sammlung »Altteutscher Volks- und Meisterlieder« (Frankf. 1817). Als er einige Jahre später seine Schrift »Teutschland und die Revolution« (Kobl. 1819) erscheinen ließ, worin er die revolutionären Bewegungen der Zeit unterstützte, wurde von Berlin aus ein Verhaftsbefehl gegen ihn erlassen, dem er durch die Flucht nach Straßburg und der Schweiz entging. Während dieser Zeit erschien von ihm »Das Heldenbuch von Iran aus dem Schah Nameh des Firdusi« (Berl. 1820, 2 Bde.). In den politischen Schriften: »Europa und die Revolution« (Stuttg. 1821), »In Sachen der Rheinprovinzen und in eigner Angelegenheit« (das. 1822), »Die Heilige Allianz und die Völker auf dem Kongress zu Verona« (das. 1822) gab er seinem Grimm über die Einverleibung seiner Vaterstadt und der Rheinlande in den preußischen Staat Ausdruck, während er in dem Buch »Emanuel Swedenborg, seine Visionen und sein Verhältnis zur Kirche« (Speyer 1827) eine starke Hinneigung zum Ultramontanismus und Mystizismus offenbarte. G. erwartete fortan die Verwirklichung seiner Hoffnungen von einer Erstarkung der katholischen Kirche und widmete demgemäß seine Feder der Verteidigung der kirchlichen Interessen. Dies führte zu seiner Berufung als Professor der Geschichte an die Universität zu München (1826), wo er bald als das Haupt der eifrigsten Katholiken galt und in seinen Lehrvorträgen und Schriften, namentlich in den »Historisch-politischen Blättern«, in enge Verbindung mit der herrschenden hierarchischen Partei trat. Er selbst stellte in der seit 1836 begonnenen Schrift »Die christliche Mystik« (Regensb. 1836-42, 4 Bde.; neue Aufl. 1879, 5 Bde.) ein ebenso vollständiges wie kunstvolles Lehrgebäude der katholischen Mystik auf. Die ganze Kraft seiner gewaltigen Polemik entwickelte er aber in der durch die Kölner Wirren veranlassten Schrift »Athanasius« (Regensb. 1837, 4. Aufl. 1838), worin er rücksichtslos gegen den Protestantismus und die preußische Bürokratie zu Felde zog. An Gegenschriften fehlte es nicht; nicht nur Heinrich Leo und Marheineke, der erstere in seinem »Sendschreiben an J. G.«, selbst Katholiken ergriffen in den zu Köln gedruckten »Rheinischen Provinzialblättern« die Feder gegen G. Dieser blieb in seiner Schrift »Die Triarier H. Leo, Ph. Marheineke und K. Bruno« (Regensb. 1838) die Antwort nicht schuldig und gab vier Jahre später in dem Buch »Kirche und Staat nach Ablauf der Kölner Irrung« (Weißenb. 1842) sein letztes Wort in dieser Angelegenheit. Zu derselben Zeit verfasste er auch die zum Besten des Kölner Dombaues bestimmte Schrift »Der Dom zu Köln und das Münster zu Straßburg« (Regensb. 1842). Die Schrift »Die Wallfahrt nach Trier« (Regensb. 1845) ist mehr polemischen Inhalts gegen die Richtungen der Zeit, die der kirchlichen Symbolik, deren Kern und Gehalt G. hier besonders ausführlich darlegt, feindlich entgegentreten. Sein Plan, eine ausführliche »Welt- und Menschengeschichte« zu schreiben, wurde durch seinen Tod vereitelt. Bruchstücke dieses Werkes sind die Abhandlungen: »Die Japhetiden« (Münch. 1845) und »Die drei Grundwurzeln des keltischen Stammes in Gallien« (das. 1845). Eine Gesamtausgabe seiner Werke besorgte seine Tochter Marie G. (Bd. 1-7, Münch. 1854-59; Bd. 8 u. 9, Freundesbriefe, hrsg. von Binder, 1874). Viel später erschienen seine »Vorträge über Enzyklopädie und Methodologie des akademischen Unterrichts 1841 bis 1842« (Münch. 1891)."

[Quelle: Meyers großes Konversations-Lexikon. -- DVD-ROM-Ausg. Faksimile und Volltext der 6. Aufl. 1905-1909. -- Berlin : Directmedia Publ. --2003. -- 1 DVD-ROM. -- (Digitale Bibliothek ; 100). -- ISBN 3-89853-200-3. -- s.v.]

13 ovieren = Ovationen (Huldigungen) darbringen

14 Votanten: Leute, die Gelübde machen

15 zu Halle hat sie ein Seminar, gemeint sind die pietistischen Frankeschen Stiftungen:

"Die Franckeschen Stiftungen sind das bleibende Vermächtnis A. H. Franckes und eine der ersten Zierden der Stadt Halle. Ausgestattet mit Grundbesitz und Kapitalvermögen sowie unterstützt durch Schul- und Pensionsgelder, Zuschüsse des Staates etc., umfassen sie außer Waisenhaus und Pensionsanstalt (mit 140, bez. 240 Zöglingen): das königliche evangelische Pädagogium, 1697 gegründet, als Gymnasium Ostern 1873 eingegangen (seitdem nur Alumnat für Schüler des Gymnasiums und der Oberrealschule), die latein ische evangelische Hauptschule (Latina: Gymnasium), die Oberrealschule, die höhere Mädchenschule mit Lehrerinnenseminar, eine Vorschule für die höhern Lehranstalten, Bürgerknabenschule und Bürgermädchenschule (Mittelschulen). Die Armen- und Freischule (1695) ist 1897 aufgehoben worden. Dagegen wurde 1881 das 1787 eingegangene Seminar für höhere Schulen (Seminarium praeceptorum) wieder eingerichtet. Außer den genannten Schulen etc. gehören zu den Stiftungen die großartige freiherrlich von Cansteinsche Bibelanstalt (1710), die Ostindische Missionsanstalt mit großer Bibliothek, eine Buchdruckerei (1701), Buchhandlung (Verlag und Sortiment, 1698), Apotheke etc. Sämtliche Schulen genießen eines wohlbegründeten Rufes; sie werden von mehr als 3000 Schülern und Schülerinnen besucht. Dem Direktor der Stiftungen stehen besondere Rechte zu: er beruft die Lehrer und stellt sie wie auch die übrigen Beamten an, darf seinen Nachfolger ernennen, verleiht Stipendien und Freistellen der Schule, der Waisen- und Pensionsanstalt und hat bei allen die Organisation der Stiftungen berührenden Maßregeln der zuständigen Behörde (Provinzialschulkollegium in Magdeburg) das Recht der Mitwirkung. Die Gebäude bilden eine aus zwei Hauptstraßen bestehende, nach Süden von Gärten und großen freien Plätzen begrenzte kleine Stadt. Das Wappen oder Wahrzeichen der Stiftungen sind zwei zur Sonne steigende Adler mit der Inschrift auf wehendem Bande: »Jesaias 40,31«. Am 5. Nov. 1829 wurde das Erzbild Franckes (modelliert von Rauch) auf dem Anstaltshof enthüllt, 1898 das 200jährige Bestehen der Anstalten gefeiert."

[Quelle: Meyers großes Konversations-Lexikon. -- DVD-ROM-Ausg. Faksimile und Volltext der 6. Aufl. 1905-1909. -- Berlin : Directmedia Publ. --2003. -- 1 DVD-ROM. -- (Digitale Bibliothek ; 100). -- ISBN 3-89853-200-3. -- s.v. "Francke"]

16 In Potsdam ist man sehr romantisch: d.h. am preußischen Hof, der in Potsdam seine zweite Residenz hatte.

17 Hengstenberg

"Hengstenberg, Ernst Wilhelm, Theolog, geb. 20. Okt. 1802 zu Fröndenberg in der Grafschaft Mark, gest. 28. Mai 1868 in Berlin, der einflussreichste Vorkämpfer der neulutherischen Orthodoxie des 19. Jahrh., widmete sich in Bonn philosophischen und orientalischen Studien und veröffentlichte schon in seinem 22. Jahr eine Übersetzung der »Metaphysik« des Aristoteles (Bonn 1824, Bd. 1) und eine Bearbeitung der »Moallakah« des Amrilkaïs (das. 1823). Während seines akademischen Lebens beteiligte er sich lebhaft an den damaligen burschenschaftlichen Bestrebungen. In Basel, wo er 1823-24 als Hauslehrer lebte, vollzog sich in ihm eine religiöse Wandlung nach der Seite der strengen Orthodoxie. Sofort habilitierte er sich 1824 an der philosophischen und 1825 (jetzt schon als ausgesprochener Gegner des Rationalismus und Hegelianismus) an der theologischen Fakultät zu Berlin, wo er 1826 außerordentlicher, 1828 ordentlicher Professor der Theologie wurde. Unter seinen wissenschaftlichen Arbeiten, die indessen vollständig im Dienste der dogmatischen Tendenz stehen, nennen wir: »Christologie des Alten Testaments« (Berl. 1829-35, 3 Bde.; 2. Aufl. 1854-58); »Beiträge zur Einleitung ins Alte Testament« (das. 1831-39, 3 Bde.); »Kommentar über die Psalmen« (das. 1842-47, 4 Bde.; 2. Aufl. 1849-52); »Das Hohelied Salomonis« (das. 1853); »Das Evangelium Johannis« (das. 1861-64, 3 Bde.; 2. Aufl. 1869-71, 2 Bde.); »Die Offenbarung Johannis« (das. 1849-1851, 2 Bde.; 2. Aufl. 1862); »Die Weissagungen des Propheten Ezechiel« (das. 1867-68, 2 Bde.). Den weitgreifendsten Einfluss hat H. durch seine 1827 gegründete »Evangelische Kirchenzeitung« ausgeübt, ein Parteiorgan der rücksichtslosesten Unduldsamkeit."

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18Leo

"Leo, Heinrich, deutscher Geschichtsschreiber, geb. 19. März 1799 in Rudolstadt, gest. 24. April 1878 in Halle, studierte seit 1816 in Breslau Medizin, dann auf den Rat des Turnvaters Jahn und Göttlings seit 1817 in Jena Philologie und beteiligte sich hier eifrig an allen Angelegenheiten der Burschenschaft; bei dem Wartburgfest trug er barhäuptig die deutsche Fahne von Jena bis Eisenach. Nach Göttingen übersiedelnd, begann er das Studium des Mittelalters und habilitierte sich mit der Abhandlung: »Über die Verfassung der lombardischen Städte« (Rudolst. 1820) in Erlangen. Hier brach er seine Beziehungen zur Burschenschaft plötzlich ab und ward Gegner der sogen. demagogischen Partei. Um die Geschichte der italienischen Städte im Mittelalter zu studieren, lebte L., von der Fürstin von Schwarzburg-Rudolstadt unterstützt, von 1823-24 in Italien. Nach seiner Rückkehr habilitierte er sich in Berlin für Geschichte, gab seine »Entwickelung der Verfassung der lombardischen Städte« (Hamb. 1824) heraus, lehnte einen Ruf nach Dorpat ab und wurde außerordentlicher Professor. 1827 gab er plötzlich seine Stellung in Berlin auf und begab sich nach seiner Heimat, übernahm aber 1828 wieder eine außerordentliche Professur der Geschichte in Halle und wurde 1830 dort ordentlicher Professor. Wie in seinen politischen Ansichten, so vollzog sich auch in seinen religiösen ein völliger Umschwung. Während die »Vorlesungen über die Geschichte des jüdischen Staates« (Berl. 1828) rationalistisch gefärbt waren, trat in seinem »Lehrbuch der Geschichte des Mittelalters« (Halle 1830, 2 Tle.) der ihn mehr und mehr beherrschende Geist des religiösen Obskurantismus und der politischen Reaktion bereits deutlich hervor. Weniger tendenziös sind: »Zwölf Bücher niederländischer Geschichten« (Halle 1832-35, 2 Bde.) und »Geschichte der italienischen Staaten« (Hamb. 1829-30, 5 Bde.). Seine Polemik gegen die neue Zeit eröffnete er (abgesehen von zahlreichen Aufsätzen für das »Berliner politische Wochenblatt«, die »Evangelische Kirchenzeitung« und das »Hallesche Wochenblatt«, das er durch seine drastischen, derb witzigen Ausfälle gegen den herrschenden Zeitgeist berühmt machte) mit seinen »Studien und Skizzen zu einer Naturgeschichte des Staats« (Halle 1833) und den Streitschriften: »Herr Dr. Diesterweg und die deutschen Universitäten« (Leipz. 1836), »Die Hegelingen« (Halle 1838, 2. Aufl. 1839, gegen A. Ruge und dessen »Jahrbücher« gerichtet), »Sendschreiben an J. Görres« (das. 1838) und »Signatura temporis« (das. 1849). In dem »Lehrbuch der Universalgeschichte« (Halle 1835-44, 6 Bde.; 3. Aufl. 1849-56), dem »Leitfaden für den Unterricht in der Universalgeschichte« (das. 1838-40, 4 Bde.) und den »Vorlesungen über die Geschichte des deutschen Volks und Reichs« (Bd. 1-5, das. 1854-1867) vertrat er seine reaktionären politischen und kirchlichen Anschauungen. Nach 1850 übte er als Mitarbeiter der »Kreuzzeitung« nicht unbedeutenden Einfluss, bekämpfte alle deutschen Einheitsbestrebungen und beteiligte sich auch an Verhandlungen der strengen Lutheraner über eine Vereinigung mit der katholischen Kirche. Am 20. Nov. 1863 zum lebenslänglichen Mitgliede des Herrenhauses ernannt, trat er nur selten als Redner auf und zog sich schließlich vor der siegreichen Gewalt der Ereignisse resigniert vom öffentlichen Leben zurück. Leos Leistungen im Gebiet der altgermanischen Sprache: »Altsächsische und angelsächsische Sprachproben« (Halle 1838), »Beowulf« (das. 1839), die »Rectitudines singularum personarum« (das. 1842), die »Malbergische Glosse« (das. 1842-45,2 Hefte) und die »Ferienschriften« (das. 1847-52,2 Hefte), die Frucht seiner Studien über keltische Sprache und keltisches Altertum, sind schätzenswerte Beiträge zur Literaturgeschichte. Zuletzt veröffentlichte er ein »Angelsächsisches Glossar« (Halle 1872-77, 2 Bde.). Nach seinem Tod erschien: »Aus meiner Jugendzeit« (Gotha 1880), eine durch ihre anschauliche Schilderung des damaligen Universitätslebens und ihre rücksichtslose Wahrheitsliebe ausgezeichnete Selbstbiographie, die bis 1822 reicht."

[Quelle: Meyers großes Konversations-Lexikon. -- DVD-ROM-Ausg. Faksimile und Volltext der 6. Aufl. 1905-1909. -- Berlin : Directmedia Publ. --2003. -- 1 DVD-ROM. -- (Digitale Bibliothek ; 100). -- ISBN 3-89853-200-3. -- s.v.]

19 Tholuk

"Tholuck, Friedrich August, prot. Theolog, geb. 30. März 1799 in Breslau, gest. 10. Juni 1877 in Halle, wurde 1824 außerordentlicher Professor der Theologie in Berlin, 1826 ordentlicher Professor in Halle, 1867 Oberkonsistorialrat. Der pietistischen Richtung angehörend, von der schon seine Erstlingsschrift: »Die wahre Weihe des Zweiflers« (1823; 9. Aufl. u. d. T.: »Die Lehre von der Sünde und dem Versöhner«, Gotha 1870) zeugte, wirkte T. namentlich auch durch seinen ausgedehnten Verkehr mit den Studierenden. Vorübergehend war er 1828 und 1829 preußischer Gesandtschaftsprediger in Rom. Außer der genannten Schrift und Kommentaren zur Bergpredigt (5. Aufl., Gotha 1872), zu den Psalmen (2. Aufl., das. 1873), zum Römerbrief (5. Aufl., Halle 1856), Johannesevangelium (7. Aufl., Gotha 1857) und Hebräerbrief (3. Aufl., Hamb. 1850) sowie zahlreichen Predigten (»Predigten über die Hauptstücke des christlichen Glaubens und Lebens«, 4 Bde.; Bd. 1 u. 2 in 6. Aufl., Gotha 1877; Auswahl hrsg. von Witte, Gotha 1888) veröffentlichte er: »Die Glaubwürdigkeit der evangelischen Geschichte« (Hamb. 1837, 2. Aufl. 1838); »Das Alte Testament im Neuen« (das. 1836, 7. Aufl. 1877); »Der Geist der lutherischen Theologen Wittenbergs im 17. Jahrhundert« (das. 1852); »Vorgeschichte des Rationalismus«, 1. Teil: Das akademische Leben des 17. Jahrhunderts (Halle 1853-1854, 2 Tle.) und 2. Teil: »Das kirchliche Leben des 17. Jahrhunderts« (Berl. 1862); »Lebenszeugen der lutherischen Kirche vor und während der Zeit des Dreißigjährigen Krieges« (das. 1861); »Geschichte des Rationalismus« (Bd. 1, das. 1865) und »Stunden christlicher Andacht« (Hamb. 1840; 8. Aufl., Gotha 1870). Eine Gesamtausgabe seiner Werke erschien Gotha 1863-73, 11 Bde."

[Quelle: Meyers großes Konversations-Lexikon. -- DVD-ROM-Ausg. Faksimile und Volltext der 6. Aufl. 1905-1909. -- Berlin : Directmedia Publ. --2003. -- 1 DVD-ROM. -- (Digitale Bibliothek ; 100). -- ISBN 3-89853-200-3. -- s.v.]

[Quelle: Wider Pfaffen und Jesuiten, Wider Mucker und Pietisten! : Eine Anthologie aus der Blütezeit der politischen Dichtkunst in Deutschland 1830-1850 / Hrsg. von Politicus. -- Frankfurt a. M. : Neuer Frankf. Verl., 1914. -- 224 S. -- (Bibliothek der Aufklärung). -- S. 87f.]


1850


Adolf Glaßbrenner (1810 - 1876): Kaspar, der Mensch <Auszug>. -- 1850

Kaspar:

Und endlich erkannte ich, dass die Pfaffen
Uns das Schönste als Sünde verblaffen;
Dass die Herren Theologen logen,
Uns um den Himmel diesseits betrogen,
Und dafür alten Vettern und Basen
Mit etlichen Phrasen und Paraphrasen
Einen jenseitigen zusammenblasen.

....

Du bist ein Popanz, Teufel, Satan, Höllenfürst, Versucher!
Die Krallen da hast Du vom gieren, nimmersatten Wucher,
Der wie ein Vampir an der Arbeit saugt. Den Fuß vom Pferde
Gab Dir die Herrschsucht, die den Segen unsrer reichen Erde
Zertritt; den Schwanz, das Hofgeschmeis, das immer kriecht und wedelt,
Und sich durch Plünderung, durch Raub und Mord emporgeedelt,

Um mitzuwürgen an dem Tisch des goldumstrahlten Würgers
Vom Fleiß und Schweiß des armen, tausendfach betrognen Bürgers.
Mit Hörnern endlich schmückten Dich des Staates Sklavenkinder,
Die man in Furcht und Dummheit hielt zu Gunsten ihrer Schinder;

Die Pfaffen griffen hastig zu, popanzten Dich zusammen,
Um Freiheit, Liebe und Genuss als Sünde zu verdammen.
Der Teufel holte unser Glück! Hat unser Recht gestohlen!
Doch Höllenfürst, gib Acht: das Volk — wird bald den Teufel holen!

....

Pudel-winsel-schwanz-kriech-mucker-speichelleck'ge Pietisten,

.....


1856


Franz Grillparzer (1791-1872): Epigramme 1856

Die Weiber, die Kinder, die Tiroler und die Pfaffen
Wollen uns ein neues Gottesreich erschaffen,
Doch der Gott in ihrem Gottesreich
Sieht Weibern, Kindern, Pfaffen und Tirolern gleich.


1857


Franz Grillparzer (1791-1872): Epigramme 1857

Mit drei Ständen habe [ich] nichts zu schaffen:
Beamte, Gelehrte und Pfaffen.


1859


Franz Grillparzer (1791-1872): Epigramme 1859

Militär und Pfaffen
Geben uns zu schaffen,
Pfaffen und Militär
Machen Kopf und Beutel leer.


1872


Johann Baptist Sigl (1839 - 1902): An Dr. Rampf. -- In: Bremse. -- 1872


Abb.: "Und weißt du auch gar schön dich violett zu kleiden". -- [Bildvorlage aus Gründen des Persönlichkeitsschutzes nicht angegeben]

Und weißt du auch gar schön
Dich violett zu kleiden,
Bist du kein Veilchen drum;
Denn Veilchen sind bescheiden.

Erläuterung: Dr. Rampf war graue Eminenz im bischöflichen Ordinariat.

[Quelle: Dr. Sigl, ein Leben für das Bayerische Vaterland / hrsg. von Rupert Sigl. -- Rosenheim : Rosenheimer, 1977. -- 327 S. : Ill. ; 21 cm. -- (Rosenheimer Raritäten). --  ISBN 3-475-52201-2. -- S. 278]


1874



Abb.: Cham [= Amédée de Noé] (1819 - 1879): C'es si bon la vengeance! Eh bien, eux autres, plus on les fusille, plus ils prêchent la charité — Rache ist süß! Die da, die andern, je mehr man sie füsiliert, desto besser predigen sie Mitleid. Das sind keine Menschen!. -- In. L'Ouvrier. -- 1874-04-18

Erläuterung: Dies ist eine proklerikale Karikatur: L'Ouvrier ist eine erzkonservative, katholische Zeitung.

[Bildquelle: Die Karikatur zwischen Republik und Zensur : Bildsatire in Frankreich 1830 bis 1880, eine Sprache des Widerstands? / Hrsg. und Red.: Raimund Rütten ... Unter Mitarb. von: Gerhard Landes ... -- Marburg : Jonas-Verl.,1991. -- 502 S. : zahlr. Ill. ; 29 cm. -- ISBN: 3-922561-97-7. -- S. 209]



Abb.: Cham [= Amédée de Noé] (1819 - 1879): — Il ne veut donc pas venir chaprder avec nous autres? — Excuse le, Gugusse, une éducation faussée par les frères de l'école chrétienne! — Er will nicht mitkommen, klauen? — Du musst ihn entschuldigen, Kumpel. Eine falsche Erziehung durch die Brüder an der christlichen Schule. -- In. L'Ouvrier. -- 1874-07-18

Erläuterung: Dies ist eine proklerikale Karikatur: L'Ouvrier ist eine erzkonservative, katholische Zeitung.

[Bildquelle: Die Karikatur zwischen Republik und Zensur : Bildsatire in Frankreich 1830 bis 1880, eine Sprache des Widerstands? / Hrsg. und Red.: Raimund Rütten ... Unter Mitarb. von: Gerhard Landes ... -- Marburg : Jonas-Verl.,1991. -- 502 S. : zahlr. Ill. ; 29 cm. -- ISBN: 3-922561-97-7. -- S. 209]


Wilhelm Busch (1832 - 1908): In: Kritik des Herzens, 1874

Wie schad, Dass ich kein Pfaffe bin.
Das wäre so mein Fach.
Ich bummelte durchs Leben hin
Und dächt' nicht weiter nach.

Mich plagte nicht des Grübelns Qual,
Der dumme Seelenzwist,
Ich wüsste ein für allemal,
Was an der Sache ist.

Und weil mich denn kein Teufel stört,
So schlief ich recht gesund,
Wär wohlgenährt und hochverehrt
Und würde kugelrund.

Käm dann die böse Fastenzeit,
So wär ich fest dabei,
Bis ich mich elend abkasteit
Mit Lachs und Hühnerei.

Und dich, du süßes Mägdelein,
Das gern zur Beichte geht,
Dich nähm ich dann so ganz allein
Gehörig ins Gebet.


Wilhelm Busch (1832 - 1908): In: Kritik des Herzens, 1874

Es ging der fromme Herr Kaplan,
Nachdem er bereits viel Gutes getan,
In stiller Betrachtung der schönen Natur
Einst zur Erholung durch die Flur.

Und als er kam an den Waldessaum,
Da rief der Kuckuck lustig vom Baum:
Wünsch guten Abend, Herr Kollege!
Der Storch dagegen, nicht weit vom Wege,

Steigt in der Wiese auf und ab
Und spricht verdrießlich: Plapperapapp!
Gäb's lauter Pfaffen lobesam,
Ich wäre längst schon flügellahm!

Man sieht, dass selbst der frömmste Mann
Nicht allen Leuten gefallen kann.


Johann Baptist Sigl (1839 - 1902): An Hofdekan Enzler. -- In: Bremse. -- 1874

Dich nennt man jetzt Dekanum
Ad sanctum Cajetanum.
Trotz allen Hindernissen
Ehrt man Genie und Wissen,
O Enzler!
Du glatter Reim auf Schwänzler!

Erläuterung: Kanonikus Enzler war ein Hoftheologe von reinstem wasser, der von einer hohen Dame und dem neuen Kabinettssekretär Eisenhardt protegiert wurde.

[Quelle: Dr. Sigl, ein Leben für das Bayerische Vaterland / hrsg. von Rupert Sigl. -- Rosenheim : Rosenheimer, 1977. -- 327 S. : Ill. ; 21 cm. -- (Rosenheimer Raritäten). --  ISBN 3-475-52201-2. -- S. 278]


1876


Anastasius Grün (1808-1876): Prinz Eugenius: Herr Abbé. -- 1876

Sprach der alte Prinz zum Sohn:
»Kind, ich dien' um Frankreichs Lohn,
Bin an Kindern reich,
Nicht an Gütern gleich;
Taugst zu anderm nicht auf Erden,
Magst mir ein Prälate werden.«

Hübsch in Notredame stehn,
Psalmen singen soll Eugen;
Seltsamer Abbé1,
Flieht des Münsters Näh',
Trägt Gesporn statt seidner Socken,
Schwingt Rappiere2 statt der Glocken!

Hält nicht sehr auf Kleiderpracht,
Ist der Dose3 mehr bedacht,
Ein Abbé zum Glück
Nur in diesem Stück;
Aber klopft er drauf, so schallt es
Wie ein Schuss, von Pulver wallt es!

Mädchen lässt er ungeneckt,
Tag und Nacht im Buch er steckt;
Grad in diesem Stück
Kein Abbé zum Glück!
Sein Brevier4 ist's, mögt ihr raten,
Nein, doch Alexanders Taten!

Glühend steigt es ihm zu Haupt;
Unfrisiert, tabakbestaubt
Fliegt er in das Schloss:
»Herrscher, kühn und groß,
Gib mir Rang in Frankreichs Heere
Dass ich's führ' in Sieg und Ehre.«

König Louis ihn scharf beschaut:
»Seid mit Pulver zwar vertraut,
Doch, mein Herr Abbé,
Bleibt nur beim Rapé5,
Das Rapier2 doch mögt Ihr lassen,
Einst den Bischofsstab zu fassen.«

Schönes Frankreich, nun Ade!
Gegen Wien trabt dein Abbé;
Kaiser Leopold,
Jedem Schwarzrock hold,
Heißt in Östreich ihn willkommen:
»Offen steht mein Reich den Frommen.«

»Ist im lieben Portugal
Sankt Antonius Feldmarschall,
Taugt wohl ein Abbé
Mir in Türkennäh';
Beten hilft so gut wie Raufen,
Und ein Sieg auch ist das Taufen.«

Die Dragoner, schlachtgereiht,
Sehn das kuttenbraune Kleid,
Lachen durch die Reihn:
»Kapuzinerlein,
Lies uns Messe, weih' die Fahne,
Pred'ge, neuer Kapistrane6

Und das Pfäfflein früh und spat
Predigt gut in Feld und Rat;
Springt einst rasch vom Pferd,
Hält im Mund sein Schwert,
Klimmt empor zum Türkenwalle;
Diese Predigt lobten Alle.

Und vor Belgrad auf der Schanz'
Betet er den Rosenkranz.
Riss vielleicht die Schnur?
Dass auf Stadt und Flur
Schwarz und dicht die Betkorallen7
Aus dem Paternoster8 fallen!

Dann in Wälschland und am Rhein
Räuchert er den Franzmann ein;
Dieser Weihrauch doch
Nicht nach Amber9 roch,
Rauchfass auch und heil'ge Kerze
War von etwas grobem Erze.

In Cremona holt vom Bett
Er den Feind zur frühen Mett';
Marschall Villeroi10
Stand im Schlafrock da,
Frierend auf des Lagers Wiese,
Eugens beste Morgenprise!

Dass solch frommes Tun geehrt,
Weiht der Pabst ihm Hut und Schwert,
Deutschlands Kaiser gab
Ihm den Marschallstab,
Hängt ihm selbst des Vließes Orden
Übers Kleid mit goldnen Borden.

Brittenschiffe schmückt sein Nam',
Auch ein Bot' aus Frankreich kam:
»König Louis Euch beut,
Eures Ruhms erfreut,
Gruß und Rang in Frankreichs Heere,
Dass Ihr's führt zu Sieg und Ehre.«

Prinz Eugenius sinnt nicht lang:
»Eurem König schönen Dank!
Folgsam seiner Lehr'
Ward ich Missionär,
Hab' in Östreich eine Sendung,
Führte gern sie zur Vollendung!

Auch den Bischofsstab ich fand
Freilich nicht in seinem Land;
Doch von Zeit zu Zeit,
Da die Grenz' unweit,
Komm' ich, will der Herr mich schirmen,
Gern auch in sein Kirchspiel firmen.«

Also ehrten Land und See
Östreichs kleinen Herrn Abbé.
Seiner Priesterhand
Segen strömt aufs Land;
Einig schwören's Pfaff und Laien:
»Ja, das sind die heil'gen Weihen!«

Erläuterungen:

1 Abbé

"Abbé (franz.), ursprünglich soviel wie Abt. Auf Grund eines zwischen Papst Leo X. und dem König Franz I. von Frankreich abgeschlossenen Kontrakts stand den Königen von Frankreich das Recht zu, 225 Abbés commendataires für fast alle französischen Abteien zu ernennen. Seit Mitte des 16. Jahrh. führten den Titel Abbé überhaupt junge Geistliche mit oder ohne geistliche Weihen. Ihre Kleidung bestand in einem schwarzen oder dunkelvioletten Gewand mit kleinem Kragen, und ihr Haar war in eine runde Haarlocke geordnet. Da von diesen nur wenige zum Besitz einer Abtei gelangen konnten, so fungierten einige als Hauslehrer, Gewissensräte etc. in angesehenen Familien, andre widmeten sich der Schriftstellerei. Erst mit der Revolution verschwanden sie aus der Gesellschaft. Vielfach wendet man den Titel Abbé (ital. Abate) noch in der Anrede an junge Geistliche an."

[Quelle: Meyers großes Konversations-Lexikon. -- DVD-ROM-Ausg. Faksimile und Volltext der 6. Aufl. 1905-1909. -- Berlin : Directmedia Publ. --2003. -- 1 DVD-ROM. -- (Digitale Bibliothek ; 100). -- ISBN 3-89853-200-3. -- s.v.]

2  Rappier (Rapier): Fechtwaffe mit gerader Klinge zu Hieb oder St ich, vorzugsweise Hiebwaffe auf Universitäten und Militärbildungsanstalten.

3 Schnupftabakdose

4  Brevier (Breviarium): das kirchengesetzliche Andachtsbuch der römisch-katholischen Geistlichkeit bei den vorgeschriebenen Gebetstunden

5 Rapé: eine Sorte Schnupftabak

6  Johannes Capistranus (1386 - 1456): Johannes, Franziskaner und Kreuzzugprediger

7 Perlen des Rosenkranzes

8 Paternoster: hier = Rosenkranz

9 Amber

"Ambra (grauer Amber, orientalischer Ag- oder Agtstein), Gallen- oder Darmstein oder ein ähnliches Produkt des Pottwals, findet sich in kleinen Stücken, auch in Massen bis 50 kg auf dem Meere schwimmend, an den Küsten, auch im Darm kranker oder toter Pottwale, am häufigsten bei Madagaskar, Surinam, Java und Japan, und wird besonders nach Stürmen mit Netzen gefischt. Ambra ist undurchsichtig. grau, bisweilen geädert, von schaliger Struktur, spez. Gew. 0,908-0,920, erweicht in der Hand, schmilzt bei 60° und riecht eigentümlich angenehm, löst sich nicht in Wasser, leicht in heißem Alkohol, in Äther und Olen. Sie besteht aus cholesterinartigem Ambrafett (Ambraïn) und ätherischem Öl. Der Geruch soll durch ein Bakterium Spirillum recti Physeteris erzeugt werden. Man benutzte Ambra früher als nerven- und magenstärkendes Mittel, auch in der feinen Küche, jetzt in der Parfümerie. Ihr Geruch ist ungemein haftend. Franzosen und Orientalen legen kleine Kügelchen von Ambra auf die brennende Pfeife. Die Ambra der Alten war wahrscheinlich der wohlriechende Balsam von Liquidambar styraciflua. Flüssige Ambra, soviel wie Styrax; gelbe Ambra, Bernstein."

[Quelle: Meyers großes Konversations-Lexikon. -- DVD-ROM-Ausg. Faksimile und Volltext der 6. Aufl. 1905-1909. -- Berlin : Directmedia Publ. --2003. -- 1 DVD-ROM. -- (Digitale Bibliothek ; 100). -- ISBN 3-89853-200-3. -- s.v.]

10 Villeroi

"Villeroi (spr. wil'ruá), François de Neufville, Herzog von Villeroi, geb. 7. April 1644, gest. 18 Juli 1730, war mit Ludwig XIV. erzogen worden, dessen Günstling er wurde. 1693 zeichnete er sich bei Neerwinden aus, ward dafür zum Marschall ernannt und befehligte 1695-96 in den Niederlanden, bewies aber militärische Unfähigkeit. Dennoch erhielt der gewandte Höfling im Spanischen Erbfolgekrieg (im Sommer 1701) das Kommando der in Italien gegen den Prinzen Eugen kämpfenden Armee, an deren Spitze er 1. Sept. den unklugen und verunglückten Angriff auf Chiari unternahm und 1. Febr. 1702 in Cremona von Eugen überfallen und gefangen genommen ward. Wieder in Freiheit gesetzt, erhielt er zu Anfang 1706 den Oberbefehl über die Armee in den Niederlanden, ward aber von Marlborough bei Ramillies geschlagen. Auf Antrieb der Maintenon bestimmte ihn Ludwig XIV. in seinem Testament zum Gouverneur des jungen Ludwig XV. Nachdem letzterer die Mündigkeit erlangt, ließ der Herzog von Orléans Villeroi 12. Aug. 1722 wegen Intrigen gegen ihn verhaften und verbannte ihn auf sein Gut V. Später übernahm er das Gouvernement von Lyon, und nach Ludwigs XV. Volljährigkeitserklärung erschien er wieder in Paris."

[Quelle: Meyers großes Konversations-Lexikon. -- DVD-ROM-Ausg. Faksimile und Volltext der 6. Aufl. 1905-1909. -- Berlin : Directmedia Publ. --2003. -- 1 DVD-ROM. -- (Digitale Bibliothek ; 100). -- ISBN 3-89853-200-3. -- s.v.]


1878


Friedrich Wilhelm Weber (1813 - 1894): Dreizehnlinden, XVII. Des Priors Lehrsprüche. -- 1878

Dienen muss der faltenreiche
Kirchenmantel hundert Zwecken:
Ehrsucht, Habsucht, Machtgelüste,
Hass und Rache muss er decken.


1889


Adolf Lapp (1847 - 1906): Der Bauer <Auszug>. -- 1889

Der Bauer, ja dem Bauer,
Das Leben wird ihm sauer,
Dem Bauer, der das Feld
Fürs ganze Volk bestellt.

...

Wohl predigt der Herr Paster
Den alten Duldungsknaster,
Der Nachbar Gutsherr lacht
Bei Hypothek und Pacht.

...

[Quelle: Des Morgens erste Röte : frühe sozialistische deutsche Literatur 1860 - 1918 / [hrsg. vom Zentralinst. für Literaturgeschichte d. Akad. d. Wiss. d. DDR. Auswahl: Norbert Rothe (Lyrik u. Prosa) u. Ursula Münchow (Dramatik). Nachw.: Ursula Münchow. Anm. zu d. Autoren: Hans Heinrich Klatt]. -- Leipzig : Reclam, 1982. -- 459 S. : 56 Ill. -- (Reclams Universal-Bibliothek ; Bd. 926 : Belletristik). -- S. 94f.]


1897


Otto Julius Bierbaum (1865 - 1910): Im Schlosse Mirabel. -- 1897


Abb.: Wolf Dietrich von Raitenau (1559 - 1617, Erzbischof von Salzburg)

Der Erzbischof von Salzburg,
Ein gar ein stolzer Mann,
Der liebt die schönen Jungfräulein
Und sieht sie freundlich an.
Er streichelt sie am Kinne,
Tut ihnen gar nit weh,
Es herrscht Frau Venusinne
Im Schlosse Mirabel1, juchhe,
Im Schlosse Mirabel.

Der Erzbischof von Salzburg,
Ein gar ein strenger Mann,
Der bindet die schnöden Ketzer
An glühende Öfen an
Und lässt sie weidlich schwitzen;
Derweil erkühlt am See
Er sich von Liebeshitzen
Im Schlosse Mirabel, juchhe,
Im Schlosse Mirabel.

Der Erzbischof von Salzburg,
O wehe, was geschah,
Traktieret nicht mehr Minne,
Traktiert Dogmatica.
Man setzte ihn gefangen
Zu seinem großen Weh.
Wie gern wär er gegangen
Zum Schlosse Mirabel, juchhe,
Zum Schlosse Mirabel.

Oh Erzbischof von Salzburg,
Dir ist ganz recht geschehn!
Es soll ein großer Kleriker
Nicht zu den Mädchen gehn.
Die blühen für die Laien,
Sogar für Ketzer, - weh!
Ich selbst erfuhrs im Maien
Im Schlosse Mirabel, juchhe,
Im Schlosse Mirabel.

1 Mirabel = Schloss Mirabell, von Erzbischof Wolf Dietrich von Raitenau für seine Geliebte errichtet

"Wolf Dietrich von Raitenau (* 26. März 1559 in Schloss Hof (nahe Bregenz); † 16. Januar 1617 auf der Festung Hohensalzburg) war Fürsterzbischof von Salzburg 1587-1612

Wolf Dietrich stammte aus einem Kleinadelsgeschlecht, das im Bodenseeraum begütert war, hatte über seine Mutter jedoch entfernte Verwandtschaftsbeziehung zu den Medici. 1587 als Kompromisskandidat zum Erzbischof gewählt führte er schon nach kurzer Zeit Reformen in der Liturgie und Verwaltung durch. Anfänglich strikt auf gegenreformatorischer Linie (sogar mit einer Protestantenausweisung 1589), fand er bald zu einer Politik der Toleranz, die ihn allerdings der Kurie entfremdete. Er stand mit Tycho Brahe in Kontakt und rezipierte Machiavellis Ideal vom souveränen Renaissancefürsten, das er in frühabsolutistischem Sinn umdeutete.

Er gilt als großer Kunstsammler. Bedeutend ist er aber vor allem als Bauherr, die meisten Bauten wurden allerdings von ihm wieder niedergerissen oder kamen unter seiner Regierungszeit nicht mehr zur Ausführung. Nach dem Brand des Salzburger Doms 1598 wurde die Ruine gemeinsam mit 55 Bürgerhäusern niedergerissen um Platz für einen neuen Dombau zu machen. Die Planungen wurden von Vincenzo Scamozzi durchgeführt, der zugleich ein neues Raster für die Innenstadt entwarf: Residenz- und Mozartplatz gehen auf diese Planungen zurück. Auch die Residenz und die Neue Residenz wurden von ihm gebaut; die Residenz wurde 1592 wieder abgerissen, da sie nicht mehr gefällig erschien und erst 1609 fertig gestellt.

Für seine Lebensgefährtin Salome Alt (mit der er 16 Kinder hatte) ließ er das Schloss Altenau bauen, das von seinem Nachfolger in Mirabell umbenannt wurde. Ein Bild von Camillo Procaccini (geb. 1546 in Bologna), das die Grablegung Christi darstellt, zeigt Salome Alt im Vordergrund als Maria Magdalena. W.-D. stiftete dieses Werk dem Paulinerkloster Langnau, wo sich das Familiengrab befand, von wo aus es dann ins benachbarte Hiltensweiler (bei Tettnang, Baden-Württemberg) kam und nun den dortigen barocken Hochaltar schmückt.

Zu Fall brachten ihn die politischen Konflikte mit Bayern: sein Fernbleiben von der Katholischen Liga lief der Politik Maximilians von Bayern zuwider. Weitere Streitpunkte waren der Salzpreis sowie die Abtei Berchtesgaden, die von Salzburg als Teil seines Territoriums, von Bayern jedoch als Satellitenstaat betrachtet wurde. Ein Einmarsch der Salzburger Truppen in Berchtesgaden 1611 wurde von den Bayern mit einem Einmarsch in Salzburg beantwortet; Wolf Dietrich wurde auf der Flucht gefasst und bis an sein Lebensende von seinem Nachfolger Markus Sittikus Graf von Hohenems zuerst in Hohenwerfen, später auf der Festung Hohensalzburg interniert.

Trotz des abrupten Endes seiner Regierung verdankt die Stadt Salzburg ihr barockes Aussehen in erster Linie ihm - dank seiner ist sie die älteste Barockstadt nördlich der Alpen und wurde von den späteren Zeitgenossen deswegen Deutsches Rom genannt. Diese Vorbildwirkung half dem Barockstil wesentlich bei seiner Verbreitung nördlich der Alpen."

[Quelle: http://de.wikipedia.org/wiki/Wolf_Dietrich_von_Raitenau. -- Zugriff am 2004-09-14]


1900


Aus: 33 Jahre währt die Knechtschaft schon. -- Um 1900

3.
Reißt die Konkubine
Aus des Fürsten Bett!
Schmiert die Guillotine
Mit der Pfaffen Fett!

Varianten:

An den Darm der Pfaffen
Hängt den Edelmann,
Lasst ihn dran erschlaffen
Bis er nimmer kann!

Wenn in Flammen stehen
Kirche, Schul und Staat,
Kasernen untergehen,
Dann blüht unsere Saat.

Drum Rache, Rache Völker,
Schwenkt das Henkerbeil,
Die Fürsten und die Pfaffen,
Die sind uns nicht zum Heil.

[Quelle: Deutsche Volkslieder demokratischen Charakters aus sechs Jahrhunderten : Bd. 1 u. Bd. 2 reprinted u. zusammengebunden / Wolfgang Steinitz
Sonderausg. -- Frankfurt am Main : Zweitausendeins, 1979. --  XLIV, 630 S. : Noten ; 21 cm. --  Nebentitel: Der grosse Steinitz. -- ISBN: 3-88436-101-5. -- Bd. II, S. 103f., 110]


1905



Abb.: Gabriele Galantara (Rata Langa) (1865 bis1937): Praktisches Christentum. -- 1905

"In Christi Namen — Barmherzigkeit! Wir haben Hunger!" — "Einen Moment ... Jesus hat Gesagt: 'Gebt den Armen von eurem Überfluss!' Wenn Sie nur zehn Minuten warten wollen, dann werden Sie sehen, dass von diesem Überfluss nur die Knochen übrigbleiben — und die sind für den Hund."

[Bildquelle: Piltz, Georg: Geschichte der europäischen Karikatur. -- Berlin : Deutscher Verlag d. Wiss., 1976. -- 328 S. : 310 Ill. ; 28 cm. -- S. 188]


Adolf Lepp (1847 - 1906): Zur Providenz1. -- 1905

„Vom Glauben kann niemand leben",
Schreibt Schreiner Säge soeben
Im „Wahren Jakob"2. Erwäge:
Dem ist nicht so, lieber Kollege.
Von Gottes lebendigem Worte
Lebt eine ganze Konsorte
Von Gottesdienern. Geschoren
Und auch gescheitelt, Pastoren,
Die pred'gen mit vielem Geräusch:
„Das Wort sei geworden zu Fleisch."3
Dass man vom Fleische leben kann,
Weiß heutigen Tages jedermann.
Und dieses Menschengeklügel
Verfängt sogar beim Geflügel.
Da Dohlen, Krähen und Raben
Nichts als die Vorsehung haben,
Verdanken sie ihr Gelingen,
Um zu entfalten die Schwingen
Und dass sie den Schnabel zu regen
Und Fleisch zu fordern vermögen.
Sie leben der eigenen Neigung,
Doch wen'ger der Überzeugung.
Sie leben vielmehr, da gibts keinen Streit,
Von anderer Glaubensseligkeit.
Du aber, werter Kollege,
Kannst nicht vom Glauben leben,
Das will ich dir gern zugeben —
Leb du von deiner Säge!

Erläuterungen:

1 Providenz: göttliche Vorsehung

2 Wahrer Jakob. Siehe:

Antiklerikale Karikaturen und Satiren X: Der wahre Jacob (1877 - 1933) /  kompiliert und hrsg. von Alois Payer. -- URL:  http://www.payer.de/religionskritik/karikaturen10.htm. -- Zugriff am 2004-12-02

3 Johannesevangelium 1,14: "Und das Wort ward Fleisch und wohnte unter uns"

[Quelle: Lepp, Adolf <1847 - 1906>: Ein deutscher Chansonnier : aus d. Schaffen Adolf Lepps / hrsg. von Ursula Münchow u. Kurt Laube. -- Berlin : Akademie-Verlag,1976. -- XXXV, 224 S. ; 20 cm. -- (Textausgaben zur frühen sozialistischen Literatur in Deutschland ; Bd. 16). -- S. 119.]


1909



Abb.: Karikatur von Heinrich Kley (1863 - 1945). -- In: Skizzenbuch. -- 1909

Herr Pastor schläft. Das Mittagessen
War reichlich und der Tag ist schwül.
Auch Karo hat sich vollgefressen.
Es herrscht ein sattes Wohlgefühl.

Indessen der Herr Pastor schliefe,
Kommt ihm ein Traum, der schrecklich ist,
Dass er mit einmal effektive
So arm sei wie Herr Jesus Christ.


1922


Es erscheint die zweite Auflage von:

Beißwanger, Konrad: Illustrierter Pfaffenspiegel : kritisch-historisches Handbuch der Verirrungen des menschlichen Geistes und des Lasterlebens in der christlichen Kirche. -- 2. Aufl. --  Nürnberg: Beißwanger, 1922. -- 420 S. : Ill.


Abb.: Titelblatt



Abb.: Die weltumspannende kirchlich-christliche Hydra

[Bildquelle: Beißwanger, Konrad: Illustrierter Pfaffenspiegel : kritisch-historisches Handbuch der Verirrungen des menschlichen Geistes und des Lasterlebens in der christlichen Kirche. -- 2. Aufl. --  Nürnberg: Beißwanger, 1922. -- 420 S. : Ill. -- S. 276]



Abb.: Ohne Worte

[Bildquelle: Beißwanger, Konrad: Illustrierter Pfaffenspiegel : kritisch-historisches Handbuch der Verirrungen des menschlichen Geistes und des Lasterlebens in der christlichen Kirche. -- 2. Aufl. --  Nürnberg: Beißwanger, 1922. -- 420 S. : Ill. -- S. 192]


1923


Aus: 33 Jahre währt die Knechtschaft schon. -- Fassung bei den Proletarischen Hundertschaften. -- 1923

Völker, Rache!
Wetzt des Henkers Beil!
Die Fürsten und die Pfaffen,
Die bringen uns kein Heil.

Die Fürsten und die Pfaffen,
Die bringen uns kein Heil,
Den Hitler und den Stahlhelm
Erschlagen wir mit dem Beil.

Völker, Rache!
Schwingt des Henkers Beil!
Der Stahlhelm, Jungdo, Werwolf,
Die müssen unters Beil!

[Quelle: Deutsche Volkslieder demokratischen Charakters aus sechs Jahrhunderten : Bd. 1 u. Bd. 2 reprinted u. zusammengebunden / Wolfgang Steinitz
Sonderausg. -- Frankfurt am Main : Zweitausendeins, 1979. --  XLIV, 630 S. : Noten ; 21 cm. --  Nebentitel: Der grosse Steinitz. -- ISBN: 3-88436-101-5. -- Bd. II, S. 111]


1927


Joachim Ringelnatz (= Hans Bötticher) (1883  - 1934): Sonntags. -- 1927

Du redest. Du redest doch auch zu mir?
Die Kanzel ist so hoch entfernt.
Was redest du auf Lateinisch zu mir!
Ich habe doch nie Lateinisch gelernt.

Was redest du so düster und fremd?
Lache doch einmal laut!
Was trägst du für ein feierlich Hemd?
Damit wir bangen? Damit uns graut?

Was gehst du so um den Brei herum,
Um den saftigen, würzigen Brei?
Ich war so froh; nun bin ich dumm
Und risse dir gern das Hemd entzwei.

Und sähe dich gerne splitternackt,
Verzweifelten Gesichts.
Ich bin vielleicht vom Teufel gepackt.
Aber er tut mir nichts.


1928


Maria Palme: Kleiner katholischer Pfaffenspiegel. -- 1928

Ein Pfarrer ist seiner Köchin überdrüssig. Gern möchte er sie weghaben, um sich wieder eine frische zulegen zu können.
Im Dorf weiß man von des Pfarrers Wünschen. Also fragt eines Tages der Krämer die Pfarrköchin, die gerade einkaufen kommt: „Ich habe gehört, Sie wollen uns bald verlassen?"
Die Pfarrköchin: „Wer hat's gesagt?"
Der Krämer: „Der Herr Pfarrer selbst."
Lacht die Köchin höhnisch: „Ich denke nicht ans Fortgehen. Der Pfarrer irrt sich. Wenn er das Fleisch gefressen hat, mag er jetzt auch die Knochen fressen!"

In einer Bischofsstadt gibt es verschiedene Merkwürdigkeiten, darunter auch drei im Ton aufeinander abgestimmte Glocken. Von denen sagen die Leute: Wenn in gewissen Kreisen ein Kind geboren wird, so läutet die erste Glocke fein: „Schon wieder ein Kind, ein Kind, ein Kind!"
Mit tieferem Stimmenschlag sagt die zweite Glocke: „Wer war's denn?"
Brummend antwortet die große dritte: „Ein Domherr, ein Domherr!"

Einer noch jungen kinderlosen Frau, die gern Familie haben wollte, wurde angeraten, nach Antonius-Einsiedeln zu wallfahren. Dort werde sicher ihr Wunsch Erfüllung finden.
Sie wallfahrtete also mit einer ledigen jüngeren Schwester nach Antonius-Einsiedeln, um sich den „Segen" zu holen. Und es ward gesegnet - die ledige Schwester. Nämlich die bekam ein Kind.
Als die junge Frau nach Jahr und Tag noch immer kinderlos war, machte sie sich abermals auf den Weg nach Antonius-Einsiedeln. Und nach Jahr und Tag war sie immer noch ohne Kind. -------
Sie beklagte sich bei ihrer Schwester, dass alles Wallfahrten nach Antonius-Einsiedeln nichts nütze - während sie (die Schwester) doch gleich -
Da sprudelte die Schwester in verwundertem Eifer heraus: „Wird halt jetzt ein anderer Frater dort den Segen geben, der frühere war schon gut!"

Der Bischof kam einmal unverhofft in eine Pfarre, und der Pfarrer war nicht daheim, nur die Häuserin, die den Bischof in Kirche und Pfarre herumführte. In des Pfarrers Studierzimmer musterte der Bischof die Bücher und fragte plötzlich die Häuserin, die ehrfurchtsvoll hinter ihm stand: „Wo hat der Herr Pfarrer die Bibel?" Die etwas schwerhörige Köchin antwortete vertraulich: „Jo, e Bübel hatt' mer, ober es is gestorben."

Ein Pfarrer hatte einen Bruder, der öfters zu ihm auf die Pfarre zu Besuch kam. Da fiel es mit der Zeit dem Bruder auf, dass er überall in Haus und Hof herumgehen konnte, nur zu des Pfarrers Schlafstube hatte er keinen Zutritt. Warum nicht? dachte er - wird doch nicht etwa der Pfarrer-Bruder mit seiner Wirtschafterin zusammen . . .?
Die Neugierde plagte ihn so sehr, dass er beschloss, eine Probe zu machen. Die Wirtschafterin hatte eine Kammer, in der sie angeblich schlief. Er nahm nun am Tage seiner Abreise von des Pfarrers Schreibtisch ein Buch, das der Pfarrer oft benötigte. Er steckte dieses Buch in das Bett in der Wirtschafterin Kammer und dachte, wenn sie wirklich darin schläft, muss sie das Buch heute abend noch finden!
Nach vier Wochen kam er wieder zu Besuch angereist, und des Pfarrers erste Frage war: „Hast du nicht neulich ein Buch von meinem Tisch mitgenommen? Wir suchen es schon seit vier Wochen; ich brauche es notwendig, und es ist nirgends zu finden."
Da lachte der Bruder dem Pfarrer schallend ins Gesicht. „Du brauchst deine Schlafstube nicht mehr vor mir zu verschließen. Hätte deine Wirtschafterin während der vier Wochen nur einmal in ihrer Kammer geschlafen, so wäre das Buch gefunden worden!"

Erschienen in:

Der Eulenspiegel : Zeitschrift für Scherz, Satire, Ironie und tiefere Bedeutung. - Berlin   1.1928 - 4.1931. -- 1928

Wieder abgedruckt in:

Feuilleton der roten Presse 1918 - 1933 / ausgewählt und hrsg. von Konrad Schmidt. -- Berlin : Verlag des Ministeriums für Nationale Verteidigung, 1960. -- 179 S. -- (Kämpfende Kunst). -- S. 52ff.


1931


Kurt Tucholsky (1890 - 1935): Der Predigttext. -- In: Die Weltbühne1931-07-14.

Bei einem skandinavischen Kurort - »nennen wir ihn N.«, wie es in den alten Romanen heißt - fährt ein mit vier Kindern, einer Frau und einem Chauffeur besetztes Auto über den gefrorenen See. Das Eis gibt nach; das Auto versinkt. Drei Kinder und die Mutter ertrinken - der Chauffeur rettet sich und ein Kind. Bei der kirchlichen Beerdigungsfeier wählte der protestantische Pastor als Unterlage zu seiner Predigt diesen Bibeltext, Psalm 69, 2, 3: »Gott hilf mir; denn das Wasser gehet mir bis an die Seele. Ich versinke in tiefem Schlamm, da kein Grund ist; ich bin im tiefen Wasser, und die Flut will mich ersäufen.«

Die frommen Herren wollen so oft wissen, was wir denn eigentlich gegen sie und ihre Religion, wie sie sie ausüben, vorzubringen hätten. Eines unsrer Argumente ist die trostlose Plattheit ihrer religiösen Gefühle.

Mir ist das ja gleich, ich bin dort nicht abonniert, und wers mag, der mags ja wohl mögen. Aber ist es nicht armselig, dass einem Pastor bei so einem schrecklichen Unglücksfall nichts weiter einfällt, als nach der Bibelkonkordanz zu greifen, dort unter 'Wasser' nachzusehn und nun etwas 'Bezügliches' aufzusagen? Ich höre ordentlich, wie er das Gegenständliche in das umgeredet hat, was er das Symbolische nennt, was aber hier nur das Allegorische gewesen ist. Die armen Wesen sind ins Wasser gefallen und darin ertrunken. »Also, auch, lieben Zuhörer . . . « Heißt das nicht die Religion herabwürdigen? Für einen wahrhaft fromm empfindenden Menschen muss so ein Handwerksstück von Predigt ein Greul und ein Scheul sein.

Und der Grund, aus dem der Kirche täglich mehr und mehr Leute fortlaufen, was nur zu begrüßen ist, liegt eben hierin: dass viele Diener dieser Kirche nur noch viel zu reden, aber wenig zu sagen haben. Wie schlecht wird da gesprochen! Wie oberflächlich sind die scheinbaren Anknüpfungspunkte an das Moderne, darauf sind diese Männer auch noch sehr stolz. Wie billig die Tricks, mit einer kleinen, scheinbar dem Alltag entnommenen Geschichte zu beginnen, um dann . . . emporzusteigen? Ach nein. Es ist so etwas Verblasenes - die Sätze klappern dahin, es rollen die Bibelzitate, und in der ganzen Predigt steht eigentlich nichts drin.

In diesem Fall scheint mir die Herbeizerrung des schönen 69, Psalms eine besondere Ungeschicklichkeit, mehr: eine grobe Taktlosigkeit zu sein. Auf Betreiben der katholischen Kirche, die manche ihrer Positionen wanken sieht - keine Angst, wir sind in Deutschland! - lässt sich Rom neuerdings mit vielen Paragraphen schützen: eine Frömmigkeit hinter dem Stacheldraht der Gesetze. Das Wort: Die Gottlosen kommen! geht um.

Aber eine so gute Propaganda, wie sie die Kirche  gegen die Kirche macht, können wir gar nicht erfinden. Und ich weiß viele, die mit mir denken: Wir sind aus der Kirche ausgetreten, weil wir es nicht länger mitansehn konnten. Wir sind zu fromm.

Ignaz Wrobel


1970er-Jahre



Abb.: Klosterfrauen bei Jubiläumsprofess als Bräute Christi geschmückt. -- 1970er-Jahre

Wegen des Persönlichkeitsschutzes wird die Bildquelle nicht angegeben


1988



Abb.: Das Domkapitel der Diözese Rottenburg-Stuttgart. -- 1988-04

[Bildvorlage: Das katholische Württemberg : die Diözese Rottenburg-Stuttgart ; Zeiten, Zeichen, Zeugen / [Hrsg.: Bischöfl. Ordinariat der Diözese Rottenburg-Stuttgart. Red. u. Bildausw.: Heinz Georg Tiefenbacher ; Wolfgang Urban]. -- 1. Aufl. -- Ulm : Süddt. Verl.-Ges., 1988. -- 327 S. : überwiegend Ill.  ; 25 x 26 cm. -- ISBN: 3-88294-129-4. -- S. 181.]


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Nicht datiert


Anonym: Auf die Knabenliebe des Klerus

Sollt ich, die Sodomitisch sind,
Der Wälschen Hochzeit grausam Schand
Erzählen, ihr würdet alle samt
Ein Gräuel han, erschrecken drob.

[Quelle: Beißwanger, Konrad: Illustrierter Pfaffenspiegel : kritisch-historisches Handbuch der Verirrungen des menschlichen Geistes und des Lasterlebens in der christlichen Kirche. -- 2. Aufl. --  Nürnberg: Beißwanger, 1922. -- 420 S. : Ill. -- S. 239]


Anonym: Auf die Knabenliebe des Klerus

Wann man die Buchstaben verkehrt,
Ist Roma Amor, das heißt Lieb,
Die Lieb steht in verkehrtem Trieb:
Denn Rom pflegt allezeit die Knaben
Ist genug, man sollts verstanden haben.

[Quelle: Beißwanger, Konrad: Illustrierter Pfaffenspiegel : kritisch-historisches Handbuch der Verirrungen des menschlichen Geistes und des Lasterlebens in der christlichen Kirche. -- 2. Aufl. --  Nürnberg: Beißwanger, 1922. -- 420 S. : Ill. -- S. 239]


Paul Fleming (1609 - 1640): Drei unmögliche Dinge (aus eines Andern seiner Erfindung)

Wenn Katzen, Hund' und Zank nur wären abzuschaffen,
so wär' ein Stillestand bei Mäusen, Wild' und Pfaffen.


Johann Grob (1643 - 1697): Auf einen tugendlosen Prediger

Du bist so lasterhaft, dass man es kaum mag leiden,
Und heißest doch das Volk die Laster ernstlich meiden.
Du sprichst: tut nicht wie Saul, der ungehorsam war,
Noch wie zu Noahs Zeit der losen Spötter Schar
Und was dergleichen mehr du weißest einzuführen.
Allein willst du dem Volk alsbald das Herze rühren,
So geh Exempeln nach so weit nicht hinter sich;
Sprich nur zu deiner Schar: Ihr sollt nicht tun wie ich.



Abb.: Christliche Nächstenliebe. -- Von Foltyn

[Quelle: Fuchs, Eduard <1870 - 1940>: Die Karikatur der europäischen Völker vom Jahre 1848 bis zur Gegenwart. -- Berlin : Hofmann, 1903. -- 486 S. : Ill. -- S. 453]


Der Papst hält für kein Schand und Sünd,
Dass Priester zeugen Hurenkind.
Nähm aber einer ein Eheweib,
Den würd' er strafen an seinem Leib!

[Quelle: Wendel, Friedrich <1886 - >: Die Kirche in der Karikatur : eine Sammlung antiklerikaler Karikaturen, Volkslieder, Sprichwörter und Anekdoten. -- Berlin : Der Freidenker, 1927. -- 154 S. : Ill. -- S. 66.]


Aus: Die schwäbische Bauernklage. -- 17. Jhdt.

7.
Der Pfarrherr weist uns zur Geduld
Und sagt, es sei der Sünden Schuld.
Er sieht, dass er sein Zehenten hab,
Das Wetter schlag auf oder ab.

Text und Melodie des ganzen Textes: http://www.lpb.bwue.de/aktuell/puu/2_3_01/M_absolutismus.htm. -- Zugriff am 2004-10-12]


Aus: Der Bauernhimmel

8.
Für die reichen Pfaffenhände
Hat der Dezem1 auch ein Ende.

9.
Und die bösen Kapläne
Fressen die verreckten Hähne.

Erläuterung:

1 Dezem = Zehnter (Abgabe von 10% der Ernte)

[Quelle: Deutsche Volkslieder demokratischen Charakters aus sechs Jahrhunderten : Bd. 1 u. Bd. 2 reprinted u. zusammengebunden / Wolfgang Steinitz
Sonderausg. -- Frankfurt am Main : Zweitausendeins, 1979. --  XLIV, 630 S. : Noten ; 21 cm. --  Nebentitel: Der grosse Steinitz. -- ISBN: 3-88436-101-5. -- Bd. I, S. 71]


Johann Wilhelm Ludwig Gleim (1719-1803): An unsern Superintendenten.

"Er war ein dicker Mann, mit Mantel und mit Kragen!"
Bei Gott, mmehr Gutes weiß ich nicht von ihm zu sagen.


Johann Wilhelm Ludwig Gleim (1719-1803): Diogenes


Abb.: Diogenes mit der Lampe / von Willam Gropper (1897-1977) [Bildquelle: http://carolinanavy.com/fleet2/f2/zphilosophy/DiogenesofSinopehall/cas/13.html. -- Zugriff am 2004-09-28]

Menschen suchend — ist die Sage —,
Ging an einem hellen Tage
Mit der Lampe Diogen,
Und ein Priester sah ihn gehn:
"Freund, was suchst du?" —  Lieber, ich
Suche Menschen! —  "Siehst du mich,
Lieber, an für einen Affen?" —
Lieber, nein, für einen —  Pfaffen!


Gottlieb Konrad Pfeffel (1736 - 1809): Das höfliche Bauernmädchen

"Wie heißt das sechste der Gebote?"
So fragte jüngst beim Kirchenunterricht
Ignaz, der finstre Dorfzelote,
Ein kleines artiges Gesicht.
Die Antwort war: "Ihr sollt nicht ehebrechen."
"Ei," rief Ignaz, "wer wird so albern sprechen?
Es heißt: Du sollst nicht ehebrechen."
Das arme kleine Mädchen warf
Die Augen auf den Katecheten.
"Ich wusste nicht," versetzt' es mit Erröten,
"Dass man den Pfarrer duzen darf."


Gottlieb Konrad Pfeffel (1736 - 1809): Der Opponent

Ein welscher Doktor, Fra Paphnuz,
Zog gegen Satan einst vom Leder,
Und bot vom ächzenden Katheder,
Ihm mit geballten Fäusten Trutz.
Der Teufel lässt sich nicht vexieren;
Er zeigte sich als Skaramuz1.
"Ich komme dir zu opponieren,"
Sprach er; "du selbst hast mich zitiert."
Der Mönch stand wie vom Blitz gerührt,
Und kratzte sich die Langen Ohren.
Schnell rief er: "Bist du graduiert?
Ich messe mich nur mit Doktoren."

Erläuterungen:

1 Skaramuz = Figur der Commedia dell'Arte: prahlsüchtiger Soldat


Gottlieb Konrad Pfeffel (1736 - 1809): Die Masken

Um einen Maskenball inkognito zu sehen,
Schlich sich, als Harlekin, ein junger Kardinal
Mit einem lockern Abt in den gedrängten Saal.
Von ungefähr trat er, wie leicht ist es geschehen!
Auf eines Tänzers Fuß. Von wildem Grimm entbrannt,
Rief dieser: "Warte, Schuft! ich werde dich schon finden!"
"Freund," sprach der Kardinal zum Abt, "lass uns verschwinden!
Du hast es selbst gehört, der Mensch hat mich erkannt."


Gottlieb Konrad Pfeffel (1736 - 1809): Der Spieler

Der Kanzelschwätzer Wist
Spielt aller Orten.
Wenn's nicht mit Karten ist,
So ist's mit Worten.


Gottlieb Konrad Pfeffel (1736 - 1809): Pastor Duns

Nur dreimal kräht der Hahn, und stracks erwacht Sankt Peter,
Der schwere Sünder, auf sein Schrein.
Zwo ganze Stunden kräht Herr Duns, der Bußtrompeter,
Und alle Sünder schlafen ein.


Gottfried August Bürger (1747-1794): Mittel wider die Schlaflosigkeit

"Die ganze Nacht hab' ich kein Auge zugetan,"
fing Ursula am Sonntagsmorgen an.
„Nun will ich in die Predigt gehen
und wundershalber sehen,
ob ich nicht da ein wenig nicken kann."


Aloys Blumauer (1755-1798): Die neue Pfründe

Nach dem Französischen.

Als jüngst der junge Pfarrer Kant
Mit seiner Dulcinea schmollte,
In deren Liebesold er stand,
Und sie sogar verlassen wollte,
Schrieb ihm Madam mit eig'ner Hand:
Mein Herr! Ein junges Weib ist eine Pfründe,
Die unter einer schweren Sünde
Den Mann, dem sie erteilet wird,
Zum residieren obligiert.


Johann Christoph Friedrich Haug (1761 - 1829): An Samuel M.

Heut, Samuel, ist
Das Glockengeläut
Viel Lärmen um Nichts!
Du predigst heut!


August Wilhelm Schlegel  (1767-1845): Bedeutsamer Name


Abb.: Friedrich Daniel Ernst Schleiermacher

Der nackten Wahrheit Schleier machen,
Ist kluger Theologen Amt,
Und Schleiermacher sind bei so bewandten Sachen
Die Meister der Dogmatik insgesamt.

Erläuterung:  Wortspiel mit dem Namen des bedeutenden protestantischen Theologen Friedrich Daniel Ernst Schleiermacher (1768 - 1834).


Anonym: Den Mamelucken1

Wär ich verdammt, als Kuli zu vertreten
Der heilgen Ordnung plärrende Partei,
Für die alltäglich tausend Pfaffen beten,
Die alles hassen, was da kühn und frei;
Wär ich verdammt, von früh bis spät zu kneten
Den alten, faulen, widerlichen Brei
Es würde mir ein Ekel unermessen
In kurzer Zeit das Herz im Leib zerfressen.

Wär ich verdammt, mit abgedroschnen Lügen
Das Recht zu schmähn, die Wahrheit und das Licht,
Wär ich verdammt zu all den Winkelzügen,
Mit denen man in jenem Lager ficht,
Wär ich verdammt, als Missetat zu rügen,
Wofür in mir die innre Stimme spricht
Es würde täglich mich die Gier durchzucken,
Im Spiegel mir ins Angesicht zu spucken.

Müsst ich für sie, die herrisch uns regieren,
Das Hirn verbrauchen in verhasster Fron
Und Ries2 auf Ries voll Überdruss verschmieren
Im Herrendienst für einen goldnen Lohn,
Müsst ich die Achtung vor mir selbst verlieren,
Die Stirne senken vor dem eignen Sohn
Und jeder Scham das Herz entkleiden, jeder
Dann mag der Schinder holen meine Feder.

Müsst ich als Waffenbruder mich gesellen
Der Mamelucken abgebrühter Schar,
Die jedem schlank sich zur Verfügung stellen,
Vorausgesetzt, er zahle gut und bar,
Müsst ich als Hund empor zum Monde bellen,
Der still am Himmel steht und groß und klar,
Müsst ich mich selber einen Schurken nennen
Zu Asche würd ich meine Hand verbrennen.

Wär ich verdammt, das alte Lied zu leiern
Mit Ernst und Eifer, Inbrunst und Geschick
Und mit der Phrasen hohlem Schwall zu feiern
Die kleinen Ränke feiger Politik,
Ich ginge hin mit meinen letzten Dreiern
Und kaufte mir beim Seiler einen Strick,
Und baumelnd hinge schließlich meine Leiche
Im tiefsten Walde an der höchsten Eiche.

Erläuterungen:

1 Mameluck: Abtrünniger (von der Religion, oder von der Liebe zum Vaterland)

2 Ries: ein bestimmtes Papiermaß, ein Papierbündel

[Quelle: Des Morgens erste Röte : frühe sozialistische deutsche Literatur 1860 - 1918 / [hrsg. vom Zentralinst. für Literaturgeschichte d. Akad. d. Wiss. d. DDR. Auswahl: Norbert Rothe (Lyrik u. Prosa) u. Ursula Münchow (Dramatik). Nachw.: Ursula Münchow. Anm. zu d. Autoren: Hans Heinrich Klatt]. -- Leipzig : Reclam, 1982. -- 459 S. : 56 Ill. -- (Reclams Universal-Bibliothek ; Bd. 926 : Belletristik). -- S. 200f.]


Anonym: Die sittliche Weltordnung

Eine ganz kleine Fabel will ich euch hier erzählen. Es gab einmal ein großes Volk, von dem es hieß, Wahrheitsliebe sei seine erste Tugend und es sei treu und gerade wie seine Eichen. Wenn nun einer der Männer aufstand und sprach vor dem versammelten Volke von den Fürsten des Landes, so nannte er sie weise, gütig und gerecht. Wenn einer einen Prozess hatte, so hieß es: Noch gibt es Richter. Und wenn man von den Priestern sprach, so sagte man, sie führen einen gottseligen Lebenswandel. Niemals hörte man auf offener Tribüne: Unser Fürst ist ein blöder Schwätzer, ein größenwahnsinniger Tor, unsere Priester sind elende Heuchler, die nur reden, was wohlklingt in den Ohren der Reichen und Mächtigen; auch nicht: Unsere Richter sind gewissenlose Streber, die jederzeit des Winkes von oben gewärtig sind, um das Recht zu beugen. Und doch dachten alle Verständigen des Landes so.

Das wäre die kleine Fabel, die ich euch hier erzählen wollte. Leider hat sie einen großen Fehler dass sie nämlich gar keine Fabel ist.

[Quelle: Des Morgens erste Röte : frühe sozialistische deutsche Literatur 1860 - 1918 / [hrsg. vom Zentralinst. für Literaturgeschichte d. Akad. d. Wiss. d. DDR. Auswahl: Norbert Rothe (Lyrik u. Prosa) u. Ursula Münchow (Dramatik). Nachw.: Ursula Münchow. Anm. zu d. Autoren: Hans Heinrich Klatt]. -- Leipzig : Reclam, 1982. -- 459 S. : 56 Ill. -- (Reclams Universal-Bibliothek ; Bd. 926 : Belletristik). -- S. 202.]


Ernst Arthur Lutze (†1870): Friedrich der Große

I. Pfarrer Hayne.

Am heil'gen ersten Ostertag des Jahres
Eintausendsiebenhundertsiebzig war es,
da sprach der alte, brave Pfarrer Hayne
in Wusterhausen also zur Gemeine:

„Als glücklich preis' ich den, und selig ist hienieden
wer in der Hoffnung findet seinen Frieden.
Wer an die Auferstehung glauben kann,
der ist gebenedeit und ist sehr wohl daran;
ich für mein armes Teil, ich kann daran nicht glauben,
doch will ich niemand seine Hoffnung rauben."

Kaum hat das Konsistorium dies vernommen,
hat Hayne schleunigst einen Brief bekommen.
Für's erste sei vom Amt er suspendiert
von wegen Gotteslästerung und Lügen.
Dann wurde an den König submittiert,
er mög' in Gnaden weiteres verfügen.

Der große König rief den Schreiber Heinrich Bill
und hieß ihn folgendes als Antwort schreiben:
„Der bleibt im Amt! Wenn er nicht auferstehen will,
mag er am jüngsten Tage liegen bleiben."

3. Gehet hin in alle Welt.

Ein Pfarrer hat von Friedrich einst begehrt,
er möge der Gemeinde doch befehlen,
Fourrage1 ihm zu liefern für ein Pferd;
er müsse sich zu sehr mit Wandern quälen.

Ein schweres Mühsal sei es ohnegleichen,
Zu Fuß die Pfarr-Filialen zu erreichen.
War' auch nicht Pferd und Wagen zu bestreiten,
es würde wohl genügen schon zu reiten.

Der König nahm die Feder schnell zur Hand
und schrieb höchst eigenhändig an den Rand:

„Dass Seine Bibelkenntnis gut bestellt,
das ist es, was Sein König ihm bestreitet.
Matthäus schrieb: Geht hin in alle Welt!
doch nirgendwo hat er geschrieben: Reitet!"

Erläuterung:

1 Fourrage (franz.) = Viehfutter


Eduard Mörike (1804-1875): An einen Prediger

Lieber! ganz im Vertrauen gesagt: Es buhlt mit dem Ehrgeiz
Deine Andacht: du trägst Hörnlein, und Satanas lacht.


Eduard Mörike (1804-1875): Pastor an seine Zuhörer

Gefall' ich euch nicht, ei, so bleibt doch zu Haus,
Oder geht zu einem andern!
Der zieht euch die Zähn' mit dem Stiefelknecht aus;
Wir sind noch von den Galantern.


Eduard Mörike (1804-1875): Neutheologische Kanzelberedsamkeit

A:

Der biblische Text ist gar nicht schlecht,
Nur sing' ich nach eigenen Noten.

B beiseite:

Ja, untersucht nur seine Kanzel recht:
Sie hat einen doppelten Boden.


Adolf Glaßbrenner (1810 - 1876)

Ob unsterblich du bist! Das frage die Pfaffen! Versprechen
Werden ein Dort sie gewiss für das gestohlene Hier.


Ludwig Pfau (1821 - 1894): Die neuen Crispine


Abb.: Heiliger Crispinus [Bildquelle: http://www.logodatenbank.de. -- Zugriff am 2004-09-23]

Die alten Pfaffen, die lass ich in Ruh',
Die stehlen doch noch den Reichen das Leder
Und flickten den Armen damit die Schuh'.
Doch mit den heut'gen bleibt mir zu Haus;
Ob auf der Kanzel, ob auf dem Katheder,
Ein umgekehrter Crispin ist ein jeder:
Zwar haben sie nicht verlernt das Gemaus
Doch stehlen sie jetzt den Armen das Leder
Und machen den Reichen Stiefel daraus.
 

Erläuterung: Anspielung auf den Heiligen Crispinus (gest. um 287), Patron der Schuhmacher. Über ihn gibt es das Sprichwort: "Crispin macht den Armen um Gotteslohn Schuh, er stahl aus Erbarmen das Leder dazu." Im 3. Akt, 5. Szene von Richard Wagners "Meistersinger von Nürnberg" (1868) singt die aufmarschierende Schusterzunft:

"Sankt Krispin,
lobet ihn!
War gar ein heilig Mann,
zeigt, was ein Schuster kann.
Die Armen hatten gute Zeit,
macht ihnen warme Schuh;
und wenn ihm keiner's Leder leiht,
so stahl er sich's dazu.."


Ludwig Pfau (1821 - 1894): Kirche

Es weht und rauscht ein uralt heil'ger Hain,
Die Kräfte steigen schaffend auf und nieder,
Die ew'gen Wasser stürzen aus dem Stein,
Und aus den Lüften tönen Frühlingslieder.

Die Blumen sprießen schön und farbenrein,
Die Wipfel breiten aus ihr Laubgefieder
Doch immer dringt der Priester Rotte ein
Und fällt das freie Gottesleben nieder.

Sie fügen aus den Bäumen sich ein Haus
Und jagen Liebe, Lenz und Licht hinaus:
Hier muss der Gott nach ihrem Willen leben!

Dem Geist, der sich sein Wohnhaus selber schafft,
Erbauen sie die enge Kerkerschaft —
Ein Totenhaus, dem Leben Raum zu geben!


Ludwig Pfau (1821 - 1894): Priester

Wer sind die Priester, so die Welt veredeln?
Sind's die Geschornen1, die den Segen geben,
Die Hände fromm, die Augen frömmer heben
Und wie entmannt, in Weiberröcken wedeln?


Abb.: Geschorner in Weiberrock [Bildquelle: http://www.spieker.ch/. -- Zugriff am 2004-09-23]

Sind's die Gescheitelten2 mit Muckenschädeln,
Die Demut pred'gen und in Hochmut leben?
Wenn das die Priester sind, so kann man eben
Auch ein Kamel in eine Nadel fädeln.


Abb.: Gescheitelter

Nein! die getrunken vom Erlösungstranke,
Am Quell der Freiheit, die, ein Sterngedanke,
Hell durch der Völker dunkeln Himmel zieh'n.

Sie gehn verlassen und verfolgt durchs Leben,
Das ew'ge Licht der blinden Schar zu geben,
Und Menschheit heißt der Tempel, drin sie knien.

Erläuterungen:

1 die katholischen Mönche, die Tonsur und Kutte tragen

2 die protestantischen (pietistischen) frömmelnden Pastoren


Ludwig Pfau (1821 - 1894): An manche Geistliche

Wie? Ihr blitzt und donnert herab auf die Kinder Judäas,
Dass sie geschlagen ans Kreuz, den ihr verstümmelt, den Gott?
Stiege er wieder herab, um eure Nacht zu erhellen,
Würdet als erste ihr schrein: Kreuzige, kreuzige ihn.


Ludwig Pfau (1821 - 1894)

Statt des Echten, des Menschen, gebt ein Surrogat ihr , den Christen
Aber euer Produkt sinkt bei uns täglich im Preis.
Lang genug schafft ihr daran, aus Menschen Christen zu machen;
Seid so gut und erlaubt Christen jetzt Menschen zu sein.


Johann Georg Jacobi (1740 - 1814): An die Herrn, die schwarze Mäntel tragen

Ehrwürdig ist der Mantel, der euch ziert;
Ihn zu verspotten wäre Sünde;
Doch traget ihn auch, wie sich's gebührt,
Und hängt ihn niemals nach dem Winde.


Johann Georg Jacobi (1740 - 1814): Gleichnis

Stax predigt nur um Lohn,
Wie man soll christlich wandeln:
So sah ich Juden schon
Mit Kruzifixen handeln.


Johann Heinrich Voß (1751-1826): Der fette Pastor

Wenn Pastor Schmidt
Mit schwerem Schritt
Die Straße tritt:
"Gott segn euch, Herr!",
Schrein um ihn her
Die Pflasterer
Und sehn in Ruh
Dem Rammeln zu.


Friedrich Hölderlin (1770-1843): Die Ehrsucht. -- 1784/1800

Großer Name! - Millionen Herzen
Lockt ins Elend der Sirenenton,
Tausend Schwächen wimmern, tausend Schmerzen
Um der Ehrsucht eitlen Flitterthron.

Seine schwarze, blutbefleckte Hände
Dünken dem Erobrer göttlichschön -
Schwache morden scheint ihm keine Sünde,
Und er jauchzt auf seine Trümmer hin.

Um wie Könige zu prahlen, schänden
Kleinre Wütriche ihr armes Land;
Und um feile Ordensbänder wenden
Räte sich das Ruder aus der Hand.

Pfaffen spiegeln um Apostelehre
Ihren Narren schwarze Wunder vor;
Um Mariasehre krächzen Nonnenchöre
Wahnsinn zum Marienbild empor.

Graue Sünder donnern, ihre Blöße
Wegzudonnern, rauh die Unschuld an;
Gott zu leugnen, hält so oft für Größe,
Hält für Größe noch so oft - ein Mann.

Göttin in des Buben Mund zu heißen,
Gibt das Mädchen ihren Reiz zum Sold;
Mitzurasen in Verführerkreisen,
Wird der Bube früh ein Trunkenbold.

Doch es sträubet sich des Jünglings Rechte,
Länger sing ich von den Toren nicht.
Wisse! schwaches, niedriges Geschlechte!
Nahe steht der Narr am Bösewicht.


Friedrich Hölderlin (1770-1843): Advocatus diaboli. -- 1784/1800

Tief im Herzen hass ich den Tross der Despoten und Pfaffen,
Aber noch mehr das Genie, macht es gemein sich damit.


August Graf von Platen (1796 - 1835)

Wie vor einer schädlichen Schlange, so geh' aus dem Wege den Priestern!
Ihnen versagte der Gott das, was sie scheinen, zu sein.
Täuscht ein solcher sich selbst, was kann er die frommen, der Schwachkopf?
Will er sich täuschen allein, kannst du ihn dulden, den Schelm.


Anonym: Es wollt` ein Bauer früh aufstehn. -- 19. Jhdt.

Für Melodie "Es wollt ..." hier drücken

[Quelle der midi-Datei: http://www.tourdenatur.net/lieder/bauer.htm.  -- Zugriff am 2004-12-01]

Es wollt ein Bauer früh aufsteh´n,
wollt raus auf seinen Acker geh´n,
falteri tirallala, falteritara. 

Und als der Bauer nach Hause kam,
da wollt´ er was zu fressen ha´m.

„Ach, Lieschen, koch mir Hirsebrei
mit Bratkartoffeln, Spiegelei!“

Und als der Bauer saß und fraß,
da rumpelt in der Kammer was.

 „Ach, liebe Frau, was ist denn das?
Da rumpelt in der Kammer was!“

 „Ach, lieber Mann, das ist der Wind,
der raschelt da am Küchenspind.“ 

Der Bauer sprach: „Will selber seh´n,
will selber in die Kammer geh´n!“ 

Und als der Bauer in die Kammer kam,
zog sich der Pfaff die Hosen an. 

„Ei Pfaff, was machst in meinem Haus?
Ich jag dich ja sogleich hinaus!“ 

Der Pfaffe sprach: „Was ich verricht?
Deine Frau, die kann die Beicht´ noch nicht!“ 

Da nahm der Bauer ein Ofenscheit
und schlug den Pfaffen, dass er schreit.

Der Pfaffe schrie: „O Schreck, o Graus!“
und hing den Arsch zum Fenster raus. 

Da kamen die Leut´ von nah und fern
und dachten, es sei der Morgenstern.

Der Morgenstern, der war es nicht,
es war des Pfaffen Arschgesicht.

So soll es allen Pfaffen geh´n,
die nachts zu fremden Weibern geh´n.

Und Die Moral von der Geschicht,
trau nie des Pfaffen Arschgesicht.


Hermann von Gilm (1812 - 1864): Idiosynkrasie1

Es scheint mir, ich werde
Ein gottloses Kind;
Denn seh' ich den Pfarrer,
So lauf ich geschwind.

Mir ist nicht behaglich
Bei diesem Mann,
Obschon er mir niemals
Ein Leides getan.

Doch unten im Felde
Beim Kruzifix
Bleib ich gern stehen
Und mach' einen Knix.

Erläuterung:

1 Idiosynkrasie:  das dem Individuum als solchem eigentümliche Verhalten gegen die von außen her auf den menschlichen Organismus einwirkenden Eindrücke; häufig aber wird der Sinn des Wortes Idiosynkrasie in der Weise verstärkt, dass wir damit ein bestimmtes abweichendes Verhalten eines Menschen gegen Eindrücke bezeichnen, die auf die große Mehrheit in ganz andrer Weise einwirken.


Ludwig Anzengruber (1839 - 1889): Der gute Hirte


Abb.: László  Frecskay (1844 - 1916): Ludwig Anzengruber. -- 1887

Als jüngstens beim Spazierengehen
Nach allen Seiten meine Augen irrten,
Da hab ich einen Schild gesehen
Vor einer Fleischerbank: "zum guten Hirten".

"Der gute Hirte", die Parabel
Tut mit viel Lehrnis in der Bibel stehen,
Doch leider darf bei keiner Fabel,
Noch irgend sonst, bis auf den Grund man gehen.

Den guten Hirten immer denn in Ehren,
Er sucht in Liebe das verirrte Lamm,
Er rastet nicht und bringt's zurück dem Herren.

Wozu er aber sich die Mühe nahm?
Je nun, 's ist Hirtenpflicht. Das Lamm indessen,
Es wird geschoren und dann aufgefressen.

Erläuterung: Das Gleichnis vom guten Hirten: Johannesevangelium 10, 12 - 16:

12Ich bin der gute Hirte. Der gute Hirte lässt sein Leben für seine Schafe. Der Mietling aber, der nicht Hirte ist, des die Schafe nicht eigen sind, sieht den Wolf kommen und verlässt die Schafe und flieht; und der Wolf erhascht und zerstreut die Schafe.
13Der Mietling aber flieht; denn er ist ein Mietling und achtet der Schafe nicht.
14Ich bin der gute Hirte und erkenne die Meinen und bin bekannt den Meinen,
15wie mich mein Vater kennt und ich kenne den Vater. Und ich lasse mein Leben für die Schafe.
16Und ich habe noch andere Schafe, die sind nicht aus diesem Stalle; und dieselben muss ich herführen, und sie werden meine Stimme hören, und wird eine Herde und ein Hirte werden.


Heinrich Seidel <1842 - 1906>: Die Gaben
Es war ein Pastor, wer weiß wo?
Der predigte nur leeres Stroh,
und manche Klage war geschehn.
Ihn selbst zu hören und zu sehn,
beschloss der Superintendent.
Und als die Predigt war zu End,
da musste er bedauernd sagen:
Die Leute haben recht, zu klagen.
Wie bring' ich ihm das glimpflich bei,
dass ihm das nicht zu schimpflich sei?
Und darum fing der gute Mann
ganz heimlich und verloren an:
"Ich hörte sie und war ganz Ohr.
Doch, wie bereiten sie sich vor,
mein lieber Bruder, möcht ich wissen?"
Und jener drauf: "Das kann ich missen!
So mancher druckt und sinnt und schreibt -
ich rede, wie der Geist nicht treibt!"
"Ei, ei, was sind mir das für Sachen!
So könnt' ich das fürwahr nicht machen!"
Sprach nun der Superintendent:
"Das wäre nicht mein Element.
Am Donnerstag schon fang ich an
und überlege mir den Plan.
Am Freitag wird er dann entfaltet
und durchgeführt und ausgestaltet.
Dann schreib ich alles sorglich auf
und lern' es in des Samstags Lauf
und bin dann sicher meiner Sachen -
so, denk' ich, müsst' es jeder machen!"
Der Pastor aber schmunzelt sehr,
als ob ihm stark geschmeichelt wär.
"Ja, ja, das glaub' ich. Sicherlich
kann das nicht jedermann wie ich -
das muss der Mensch so in sich haben,
mein lieber Bruder - das sind Gaben!"

Adolf Lepp (1847 - 1906): Der Pastor

"O bete! o bete mit mir mein Sohn!
In Demut und Wehmut vor Gottes Thron!
Gott gebe dir Glauben und Frömmigkeit
Und himmlisches Glück für irdisches Leid!"

"Ich will aber nichts vom himmlischen Glück!
Erobern will ich die Erde zurück!
Herr Pastor! Herr Pastor! es tut mir leid:
Ich habe zum Beten keine Zeit!" —

"O danke, o danke dem Geber dort
Für sein zu Fleisch gewordenes Wort!
Er hat dich von allen Übeln erlöst,
Den heiligen Geist dir eingeflößt." —

"Von allem Übel? Das seh' ich nicht ein!
Es herrscht der Hunger mit zwiefacher Pein!
Her Pastor! Herr Pastor! fürs karge Brot
Zu danken, das hat keine Not." —

"Knie nieder, knie nieder, ich zwinge dich!
Der Herr ist zugegen und schlägt dich durch mich!
Du bist verblendet, du wardst verführt,
Erleide die Strafe, die die gebührt!" —

"Ich denke: wir seien erlöst von der Sünd'?
Ich lass mich nicht schrecken und bin kein Kind!
Herr Pastor! Herr Pastor! Das fehlte mir just!
Ich habe zum Knieen keine Lust." —

"Verloren! verloren! Die Seele dein!
Du wirst, wenn du stirbst, in der Hölle sein!
Es schleicht ein brüllender Löwe herum
Und raubt die Lämmer dem Christentum." —

"Der brüllende Löwe, der bist Du!
Lass mich mit Deinem Geschwätz in Ruh!
Herr Pastor! Herr Pastor! ich sage Dir:
Die Hölle ist schon auf Erden hier!" —


Max Kalbeck [= Max Karpeles] (1850 - 1921): Einem Seelsorger

"Der treue Hirte starb —verstummt. ihr argen Feinde,
ihr tatet Unrecht stets dem auserwählten Mann!
Er starb als Christ" — Jawohl, und ging auch der Gemeinde
mit gutem Beispiel hier zum erstenmal voran.



Abb.: "Ich glaube, mein Kind, Sie haben Bohnen gegessen": -- Französische Postkarte

[Bildquelle: Kind, Alfred <1876-1927>: Die Weiberherrschaft in der Geschichte der Menschheit. -- München : Langen [1913]. -- 3 Bde. -- Bd.3. -- S. 310]


Anonym: Pastorensex

Der Pastor spricht:
"Mein geliebtes Weib,
lass mich besteigen deinen Leib."

Die Frau Pastor:
"Gott geb dir Kraft zu deinem Werke,
des Bären Kraft, des Löwen Stärke
und auch der Bienlein Emsigkeit
Von nun an bis in Ewigkeit."

Der Pastor:
"Amen!"


Schwäbisch

Mädle, wenn du dienen musst,
Diene nur bei Pfaffen;
Kannst den Lohn im Bett verdienen,
Brauchst nit viel zu schaffen!

[Quelle: Beißwanger, Konrad: Illustrierter Pfaffenspiegel : kritisch-historisches Handbuch der Verirrungen des menschlichen Geistes und des Lasterlebens in der christlichen Kirche. -- 2. Aufl. --  Nürnberg: Beißwanger, 1922. -- 420 S. : Ill. -- S. 377]


Zu: Antiklerikale Karikaturen und Satiren XXVIII: Sowjetunion

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