Religionskritisches von Hugo Preuß

Die zwiespältige Haltung der Zeit gegenüber der Religion (1885)

von

Hugo Preuß


Herausgegeben von Alois Payer (payer@payer.de)


Zitierweise / cite as:

Preuß, Hugo <1860 - 1925>: Die zwiespältige Haltung der Zeit gegenüber der Religion.  -- 1885. -- Fassung vom 2005-01-24. -- URL:  http://www.payer.de/religionskritik/preuss01.htm   

Erstmals publiziert: 2005-01-24

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Dieser Text ist Teil der Abteilung Religionskritik  von Tüpfli's Global Village Library


Erstmals veröffentlicht in:

Preuß, Hugo <1860 - 1925>: Deutschland und sein Reichskanzler gegenüber dem Geist unserer Zeit. -- Berlin : Habel, 1885. -- 44 S. 1885. -- (Deutsche Zeit- und Streitfragen : Flugschriften zur Kenntnis der Gegenwart / hrsg. von Franz von Holtzendorff ; Heft 209). -- S. 17ff.

Wieder abgedruckt in:

Geist und Gesellschaft der Bismarckzeit : [1870 - 1890] / [Von] Karl Heinrich Höfele. -- Göttingen ; Zürich ; Berlin ; Frankfurt : Musterschmidt, 1967. --  519 S. ; 8°. -- (Quellensammlung zur Kulturgeschichte ; Bd. 18). -- S. 364 - 367. [Die Wiedergabe folgt diesem Text]



Abb.: Hugo Preuß [Bildquelle: http://www.dhm.de/lemo/html/biografien/PreussHugo/. -- Zugriff am 2005-01-249

"Hugo Preuß

* 28.10.1860  in Berlin
9.10.1925 in Berlin

Staatsrechtler
DDP ( Deutsche Demokratische Partei, ab 1919)

1919 bis 1919 Reichsinnenminister

Der aus einer wohlhabenden jüdischen Kaufmannsfamilie stammende Hugo Preuß wurde 1860 in Berlin geboren. Er studierte in Berlin und Heidelberg Rechtswissenschaften und wurde 1883 zum Dr. jur. promoviert. Sechs Jahre darauf habilitierte er sich an der Berliner Universität für das Fach Staatsrecht und wurde Privatdozent für öffentliches Recht. Sein besonderes Interesse galt dem deutschen und preußischen Verfassungsrecht, dem Verwaltungs- und dem Kommunalrecht. Zweimal bewarb sich Preuß um eine außerordentliche Professur, doch verhinderte der an den deutschen Hochschulen verbreitete Antisemitismus seine Berufung. Erst 1916 wurde er Professor an der neugegründeten privaten Berliner Handelsakademie, der er 1918 auch als Rektor vorstand.

Seit 1895, als er in die Stadtverordnetenversammlung gewählt wurde, war der Liberale Preuß politisch aktiv. 1910-18 gehörte er als ehrenamtlicher Stadtrat dem Berliner Magistrat an. Sein freisinniger Liberalismus war demokratisch orientiert, und Preuß trat schon früh für eine Zusammenarbeit mit den Sozialdemokraten ein. Sein Ideal war ein auf starke Institutionen gestützter Rechtsstaat. 1919 wurde er Staatssekretär des Innern, dann im Kabinett Scheidemann erster Innenminister der Weimarer Republik. Er wurde mit der Vorbereitung und Durchführung der Wahlen zur Weimarer Nationalversammlung sowie der Ausarbeitung der neuen republikanischen Verfassung beauftragt.

Als bekannt wurde, dass er einen Zentralstaat vor der Erhaltung des Landes Preußen den Vorzug gab, verhinderten seine Parteifreunde in der von ihm mitbegründeten DDP seine Kandidatur für den Reichstag. Statt dessen gehörte er der preußischen verfassungsgebenden Versammlung und dem preußischen Landtag an. Er starb 1925."

[Quelle: http://www.preussen-chronik.de/person.jsp?key=Person_Hugo_Preu%DF. -- Zugriff am 2005-01-24]


Die zwiespältige Haltung der Zeit gegenüber der Religion

. . . jene Art von Atavismus1, die der Geist unserer Zeit in religiöser Hinsicht aufweist. Die Geistesrichtung, welche in der der unsern vorangehenden Epoche im wesentlichen überwunden zu sein schien, hat sich in der unsrigen aufs neue erhoben, freilich ohne entfernt zu der Bedeutung gelangen zu können, welche sie in früheren Epochen als herrschende Richtung besessen. Aber ihre Existenz vermehrt noch die Zahl unvereinter Widersprüche, aus welchen sich der problematische Charakter unsrer Zeit ergibt. Muss es nicht den Beobachter mit grenzenlosem Staunen und Befremden erfüllen, wenn er sieht, wie mitten im politischen Treiben des
modernsten Deutschlands als mächtigste und ausschlaggebende Partei jene papistisch-guelfische2 Koalition sich erhebt, gegen welche vor langen Jahrhunderten die Hohenstaufenkaiser vergeblich ankämpften? Als das neue deutsche Reich erstand, da sang man gar viel vom alten Barbarossa3, der aus dem Kyffhäuser emporsteigt und die schwarzen Scharen der Raben verscheucht. Es scheint dem alten Herrn nicht gelungen; die Raben waren seitdem fruchtbar und mehrten sich.


Abb.: "die Raben waren seitdem fruchtbar und mehrten sich": Barbarossa im Kyffhäuser lässt nachschauen. ob die Raben immer noch kreisen
[Bildquelle: http://www.mathias-online.de/barbarossahoehle.htm. -- Zugriff am 2005-01-24]

Das schneidigste und gewaltigste Elitekorps der ecclesia militans4, der Jesuitenorden5, organisiert zur Zeit der Hochflut religiöser Bewegung, unterlag in der vorigen Epoche dem siegreich herrschenden Zeitgeist der Aufklärung. Der Papst selbst sah sich genötigt, das Verdikt des Zeitgeistes zu vollstrecken. Und da die einheitliche Macht jenes Zeitgeistes dahin, da unsere problematische Zeit begonnen, da erstand der Jesuitenorden von neuem. Um sich dann vor des Ordens gefährlicher Wirksamkeit zu schützen, ruft man den "herrlichen Gendarm" und treibt die Männer, die den Mut der Überzeugung haben, sich offen als Jesuiten zu bekennen, aus dem Vaterlande ins Exil. Da geht es ihnen recht gut, und die Wirksamkeit wird durch den billig erworbenen Schein des Martyriums verzehnfacht. Seltsam, dass man aus tausendjährigen Erfahrungen nicht gelernt hat, wie diese Art, eine geistige Richtung zu bekämpfen, ebenso roh wie unwirksam ist.

Nein, wenn man — anstatt alle Tore der wahren Aufklärung des Volksgeistes zu öffnen, mag sie so irrreligiös und heidnisch aussehen, wie sie will — künstlich mit heißem Bemühen religiöse Heuchelei und Bigotterie großzieht, wenn man es als eine Art capitis deminutio6 betrachtet, dass jemand von dem Rechte, welches ihm die moderne Gesetzgebung verleiht, Gebrauch macht und sich die Assistenz der Kirche bei seiner Verheiratung, bei Geburt und Tod eines Angehörigen höflichst verbittet — dann darf man sich nicht wundern, wenn diese künstlich genährte Richtung auch Blüten zeitigt, die man nicht gewünscht. Wenn man eine Besserung und Erneuerung des Geistes der Zeit von einer Neubelebung religiöser Bestrebungen erwartet, dann ist es nur folgerichtig, dass dem religiös bewegten Gemüt die geistliche Autorität so hoch über der weltlichen steht wie die Majestät Gottes über der des irdischen Königs; dann muss man sogar der Auffassung den Vorzug geben, welche glaubt, dass für das Seelenheil der Gläubigen und für die Stärkung und Ausbreitung des Glaubens besser gesorgt werde durch eine über alle weltlichen Mächte erhöhte, unabhängige geistliche Gewalt; den Vorzug vor jener Halbheit, welche in abhängigen, dürftigen Hofpredigern7 die Verkörperung des Reiches Gottes auf Erden sehen möchte, welche dieselbe Macht der Leitung, die die Fülle päpstlicher Unfehlbarkeit auf blind gläubige Gemüter übt, einer simplen Generalsynode beilegen möchte. Wenn man dem Volke die Religion wiedergeben will, dann darf man keinen Priester bestrafen, welcher der ihm heiligen Autorität seiner geistlichen Obern mehr gehorcht als höchst unheiligen Polizeiverordnungen und Strafgesetzen. Dann darf man aber auch nicht mit der Einräumung der der Religion gebührenden Rechte politischen Handel treiben; dann hat man sich unbedingt vor der Kirche zu beugen und darf nicht von ihr Entgelt in Konzessionen fordern. Wenn man das Volk auf den früheren religiösen Standpunkt zurückführen will, dann müssen an seiner Spitze die Führer des Volkes den Weg nach Canossa8 antreten, und nicht im Pomp der Macht, sondern im härenen Gewand des Büßers. Denn wenn überhaupt, so kann man eine wirksame Hilfe doch nur von einer herrschenden und siegreichen, nicht von einer gedemütigten und besiegten Kirche erwarten.

Freilich, wo dabei der Geist des modernen Staates bleiben soll — das mag ein anderer wissen. Das aber sollte man nie verkennen, dass mit dem modernen Geiste jegliche Art von religiöser Orthodoxie ewig unvereinbar ist; in seinem Lichte erscheint der Talar des römischen Prälaten gerade so fadenscheinig wie der des evangelischen Hofpredigers oder des jüdischen Rabbiners. Es hieße wahrhaftig Eulen nach Athen tragen, wollten wir hier auseinandersetzen, aus welchen Gründen allen die Herrschaft religiöser Orthodoxie9 in unsern Tagen unhaltbar und widersinnig wäre. Die unermesslichen Fortschritte und Entdeckungen der Naturwissenschaften, die kritische Art des Denkens, welche Philosophie und Geschichte dem Geiste der Gebildeten eingeprägt und welche durch tausend Kanäle sich mehr und mehr den weitesten Kreisen mitgeteilt hat, sind hervorragende, aber nicht die einzigsten Faktoren, aus denen jenes Fazit sich ergibt. In der Tat ist es denn wohl auch außer Frage, dass sowohl in den gebildeten Schichten des Volkes wie in den großen Massen des städtischen Proletariats religiöse Gläubigkeit im Verschwinden begriffen ist. Dass aber trotzdem nicht ohne einen gewissen äußeren Erfolg der Versuch gemacht wird, gegen den Strom zu schwimmen, dass mitten im tosenden Meer des modernen Lebens der Fels der Kirche fester steht als vor einem Jahrhundert, das ist eines der Zeichen für den problematischen Geist der Zeit: Man empfindet den Mangel jener einheitlichen Richtung und Kraft, die die ringenden Elemente zu fruchtbarer Harmonie zusammenzufassen vermöchte, und angstvoll will man sich anklammern an den Anker des Glaubens, welcher ja einstmals Millionen und Abermillionen Halt gewährte in allen Stürmen des Lebens. Aber dasselbe ist nicht immer dasselbe! Was einst einigend und festigend wirkte, das vermehrt jetzt noch die Zahl unlöslicher Widersprüche. Schon dem erwachenden Sinn des Knaben muss sich ein solcher Widerspruch schmerzlich fühlbar machen, wenn er fähig wird, die religiösen Lehren der Schule und ihre Beachtung und Befolgung im Leben — selbst des elterlichen Hauses — zu vergleichen. Er soll andächtig der Predigt lauschen, soll zur Kirche und zum Abendmahl gehen, und wieviele Knaben besitzen Väter, die dergleichen täten?

Nur der Gedankenlose vermag sich leicht über solche Widersprüche hinwegzusetzen; gerade bessere und wertvolle Geister müssen bald dahin gelangen, entweder die Welt der Gegenwart für das Reich des Antichrists und zum Untergange reif zu halten, oder aber die Lehren des religiösen Dogmas und Ritus für Märchen anzusehen von geringerem Werte als die unterhaltenderen der Gebrüder Grimm. Zu der Erkenntnis, welch' wichtige und bedeutsame Rolle jene Lehren in der Erziehungsgeschichte der Menschheit gespielt haben, dass sie mit zu den Grundsteinen gehören, auf denen unsere heutige Kultur sich aufbaut, dass aber eben deshalb auch ein Grundstein nicht hineinragen soll in die Räume des Oberbaues, zu dieser Erkenntnis kann sich billigerweise die große Menge der Menschen nicht erheben. Und sie würden mit dieser historisch gerechten Würdigung auch durchaus nicht den sehr aktuellen Herrschaftsgelüsten der Orthodoxen9 Genüge tun. Diesen ist annoch unfasslich, dass im modernen Staate die Religion genau so Privatsache des einzelnen sein sollte wie etwa philosophische oder belletristische Geschmacksrichtung, dass aber der religiöse Glaube kein einigendes Band für die Gesamtheit mehr sein kann und daher den heutigen Staat nichts angeht. Da man aber von der Höhe herab doppelt deutlich sieht, wie dem Geistesleben unserer Zeit jede dominierende, einigende Richtung fehlt, so ist dort auch das Bestreben, eine solche künstlich zu schaffen, ein doppelt ängstliches, und uralten Reminiszenzen folgend, glaubt man sie in der Religion zu finden. Dieser Hochdruck von oben, verbunden mit der eigenen Empfindung, dass es an einer andern Macht fehle, welche alle Kräfte zu konzentrieren vermöchte, bringt auch diejenigen Kreise, welche innerlich den engen religiösen Standpunkt selbst längst überwunden haben, dahin, sich äußerlich vor der geistlichen Autorität zu beugen oder doch wenigstens ihre ketzerischen Ansichten für sich zu behalten.


Erläuterungen: Hintergrund zu diesem Text  ist der preußische Kulturkampf. Zum Kulturkampf siehe:

Luthardt, Christoph Ernst <1823 - 1902>: Wirkungen des Kulturkampfes.  -- 1880. -- URL:  http://www.payer.de/religionskritik/luthardt01.htm. -- Zugriff am 2004-01-24

1 Atavismus:  Rückfall auf eine frühere Entwicklungsstufe

2 Guelfen: Parteiname für die Anhänger des Papsttums und die Gegner der deutschen Kaiser in Italien, hergeleitet von dem den Hohenstaufen verfeindeten Geschlecht der Welfen

3 Barbarossa

"Friedrich I., Barbarossa, »der Rotbart«, als Herzog von Schwaben (seit 1147) Friedrich III., geb. um 1123, gest. 10. Juni 1190, Sohn Herzog Friedrichs II., des Einäugigen, von Schwaben, Bruders von König Konrad III., und Judiths, einer Schwester des Welfen Heinrich des Stolzen, nahm, seiner Abstammung entsprechend, in Konrads III. Streit mit den Welfen eine vermittelnde Stellung ein und bewährte sich, auf dem unglücklichen Kreuzzug Konrads III. (1147-49) in Kleinasien als tüchtiger Feldherr. 1149 eilte er Konrad voraus nach Deutschland, stellte die durch die Welfen gestörte Ruhe wieder her, vermittelte aber einen Konrads Absichten nicht entsprechenden für sie noch günstigen Frieden und hielt sich auch von dem letzten, kläglich endenden Kampfe Konrads gegen Heinrich den Löwen (s.d.) fern. In der Erkenntnis von der Notwendigkeit eines dauernden Friedens empfahl Konrad III. selbst sterbend Friedrich zum Nachfolger. Am 5. März 1152 wurde Friedrich von den Fürsten in Frankfurt a. M. zum deutschen König gewählt und 9. März in Aachen gekrönt. Sein Ziel war die Begründung einer starken Kaisermacht. Im reichen Italien hoffte er die Mittel dazu zu erlangen und unternahm schon im Herbst 1154 seinen ersten Römerzug, hielt auf den Ronkalischen Gefilden Gericht und Heerschau und ließ sich 1155 in Pavia mit der lombardischen und in Rom 18. Juni von Hadrian IV. mit der Kaiserkrone krönen, nachdem er dem Papste den Reformprediger Arnold von Brescia zum Feuertod ausgeliefert hatte. Nach seiner Rückkehr nach Deutschland schlichtete er 1156 den Streit über das Herzogtum Bayern, das Heinrich der Löwe verkleinert zurückerhielt, nachdem das neue Herzogtum Österreich abgetrennt worden war. Nach Herstellung des Friedens zog Friedrich im Frühjahr 1158 mit einem stattlichen Heer wieder nach Italien, wo sich seine Gegner, vom Papst unterstützt, an das mächtige Mailand anschlossen. Nach vierwöchiger Belagerung ergab sich Mailand im September 1158, und eine große Versammlung der italienischen Großen auf den Ronkalischen Feldern beschloss die volle Herstellung aller einst den römischen Imperatoren zustehenden Rechte. Als die Durchführung dieses Beschlusses die Freiheit der Städte zu vernichten drohte, griffen diese, voran wieder Mailand, zu den Waffen. Deshalb zerstörte Friedrich im Winter 1159-60 Crema und hielt dann ein Konzil zu Pavia, wo er den ungesetzlich erwählten Viktor IV. als Papst anerkannte, den tatkräftigen und begabten, aber hierarchischen Alexander III. dagegen verwarf: seitdem fiel Friedrichs Kampf gegen die Lombarden und gegen die Hierarchie zusammen. Nach zweijähriger Belagerung wurde 1162 Mailand bezwungen, seine Einwohnerschaft zerstreut angesiedelt, die Stadt ihren lombardischen Gegnern zur Zerstörung preisgegeben. Alle Städte beugten sich und nahmen die von Friedrich ihnen gesetzten Podestàs (Statthalter) auf. Friedrich kehrte nach Deutschland zurück, belehnte König Waldemar mit Dänemark, vermochte aber die wachsende Anerkennung Alexanders III. nicht zu hindern, selbst als er auf dem Reichstag zu Würzburg 1165 die Fürsten zur Anerkennung des nach Viktors IV. Tod neugewählten Gegenpapstes Paschalis III. genötigt hatte. Zur Abschüttelung der strengen deutschen Herrschaft entstand im Osten Oberitaliens unter Leitung Veronas und Paduas ein Bund. Zu dessen Bezwingung sowie um den aus Frankreich nach Rom zurückgekehrten Alexander III. zu stürzen und die Anerkennung des Gegenpapstes zu erzwingen, zog Friedrich 1166 zum drittenmal mit Heeresmacht nach Italien, belagerte das von den Griechen und den dem Papste verbündeten Normannen aufgereizte Ancona vergeblich, zog dann vor Rom, erstürmte 1167 die Leostadt und die brennende Peterskirche und ließ seine Gemahlin dort durch Paschalis III. krönen. Schon hatten nach Alexanders III. Flucht die Römer sich unterworfen, als eine furchtbare Pest (August 1167) ausbrach und Friedrich mit seinem zusammenschwindenden Heere zu schleunigster Flucht nötigte. Nun brach der Aufstand auch in der Lombardei offen aus. Unter großen Gefahren entkam Friedrich nach Burgund, fand aber auch in Deutschland traurige Zustände: die sächsischen Fürsten standen in offenem Kampfe gegen den übermächtigen Heinrich den Löwen, der Landfriede war überall gestört. Mit Nachdruck stellte Friedrich die Ordnung wieder her, ergriff aber, um dem dritten Gegenpapst, Calixtus III., Anerkennung zu verschaffen, zu den äußersten Gewaltmaßregeln, unter denen namentlich die zu Alexander III. haltenden Gebiete von Salzburg, Österreich und Böhmen schwer litten, und drang dennoch nicht durch. Erst 1174 konnte Friedrich wieder nach Italien ziehen, wo inzwischen ein großer lombardischer Städtebund gebildet, Mailand wiederhergestellt und der Anhang Friedrichs zum Anschluss an seine Feinde gezwungen worden war. Alessandria, die Bundesfestung der Lombarden, wurde belagert, aber bei Annäherung eines Entsatzheeres freigegeben. Friedrich forderte Verstärkungen aus Deutschland; Heinrich der Löwe verweigerte jede Hilfe, und selbst Friedrichs persönliche Bitte auf einer Zusammenkunft im März 1176 blieb erfolglos (der Fußfall Friedrichs gehört in die Sage). Am 29. Mai 1176 von den Lombarden bei Legnano völlig geschlagen, entschloss sich Friedrich auf Andringen der geistlichen Fürsten Deutschlands zu Verhandlungen mit Alexander III., die aber, da dieser nicht ohne seine lombardischen Bundesgenossen handeln wollte, erst 1. Aug. 1177 in Venedig zum Frieden führten: Alexander ward anerkannt und ein sechsjähriger Waffenstillstand mit den in ihren Rechten gelassenen lombardischen Städten vereinbart. Auf derselben Grundlage kam 1183 zu Konstanz der endgültige Friede mit ihnen zustande. Auf der Rückkehr nach Deutschland ließ sich Friedrich zum König von Burgund krönen, ächtete den treubrüchigen Heinrich den Löwen, der mit seinen Vasallen in Sachsen in erbittertem Kampfe lag, besiegte ihn 1180 und 1181 mühelos, teilte wie vorher Bayern so nun auch das Herzogtum Sachsen und ließ Westfalen an das Erzbistum Köln, Ostsachsen an Bernhard von Anhalt gelangen; Braunschweig und Lüneburg blieben dem Welfen. Friedrichs Macht stand glänzender da als zuvor: festlich wurde Pfingsten 1184 zu Mainz die »Schwertleite« seiner beiden ältesten Söhne, König Heinrichs (seit 1169) und Friedrichs, gefeiert. Wegen der endgültigen Entscheidung über die streitigen Mathildischen Güter, die Friedrich 1177 behalten hatte, und über seinen Plan, seinen Sohn Heinrich noch bei seinen Lebzeiten zum Kaiser gekrönt zu sehen, zerfiel Friedrich noch einmal mit der Kurie, siegte aber, durch die Lombarden und die deutschen Bischöfe unterstützt, und vermählte 1186 zu Mailand seinen Sohn Heinrich mit Konstanze, der Erbin des Normannenreichs in Unteritalien und Sizilien. Als erster Fürst der Christenheit geehrt, wollte Friedrich auch den Pflichten eines solchen nachkommen, nahm 1188 das Kreuz und rüstete zum Zug zur Befreiung Jerusalems. Im Mai 1189 brach er von Regensburg mit einem glänzenden Heer auf, zog durch Ungarn, Serbien und Griechenland, Verrat und Feindschaft durch Strenge vergeltend, und betrat, von Gallipoli aus übersetzend, 29. März 1190 den Boden Asiens. Unter furchtbaren Entbehrungen und großen Verlusten erreichte das Heer Ikonion, besiegte hier die feindliche Übermacht (18. Mai) und kam ungefährdet in das christliche Armenien. Den Taurus übersteigend, wendete sich das Heer südwärts nach Seleske (Seleukia), aber Friedrich ging, um den Weg abzukürzen, 10. Juni 1190 direkt in das Tal des Kalykadnos (des heutigen Göksu) hinab. Bei der Mittagsrast am Flusse suchte er trotz der Warnungen seiner Begleitung Erquickung in einem Bad, aber von einem Schlagfluss gelähmt, ward er von den Wellen weggerissen und als Leiche aus dem Fluss gezogen. Friedrichs Herz und Eingeweide wurden in Tarsos, das von den Gebeinen gelöste Fleisch in Antiochia, die Gebeine wahrscheinlich in Tyrus bestattet.

In Deutschland erregte die Kunde allgemeine Trauer, in den spätern Zeiten der Ohnmacht Deutschlands galt Friedrich als der mächtigste Herrscher des Reiches; daher wurde die eigentlich seinen Enkel Friedrich II. betreffende Sage, er sei gar nicht gestorben, auf ihn übertragen (Rückerts Gedicht). Er schläft nur, so heißt es, im Untersberg bei Salzburg oder in dem Kyffhäuser in Thüringen, um, wenn es nottut, zu künftiger Rettung Deutschlands wieder aufzustehen. Unterdes wächst der rote Bart durch den Tisch von Stein, und von Zeit zu Zeit bewegt der Kaiser das blonde Haupt, um zu vernehmen, ob die Raben noch um den Berg kreisen oder die Stunde des Erwachens für ihn erschienen sei und das goldene Zeitalter für Deutschland beginnen solle.

In seinem Äußern schildern die Zeitgenossen Friedrich als von frischer, weiß und roter Gesichtsfarbe, mit blondem, ins Rötliche spielendem, lockigem Haar und Bart, klarem und lebhaftem Blick, kräftigen und schnellen Bewegungen, von heiterm Gesichtsausdruck, den fast stets ein Lächeln umschwebte. In Friedrich lebte ein frischer und männlicher Geist. Scharfsinn, Entschlossenheit, Leutseligkeit und Freigebigkeit, ein edles Streben nach Ruhm werden ihm nachgerühmt. Aber auch unerbittliche Strenge und, gereizt, sich zur Grausamkeit verirrende Härte waren ihm eigen."

[Quelle: Meyers großes Konversations-Lexikon. -- DVD-ROM-Ausg. Faksimile und Volltext der 6. Aufl. 1905-1909. -- Berlin : Directmedia Publ. --2003. -- 1 DVD-ROM. -- (Digitale Bibliothek ; 100). -- ISBN 3-89853-200-3. -- s.v.]

4 ecclesia militans: kämpfende Kirche

5 zum Jesuitenorden siehe:

Antiklerikale Karikaturen und Satiren XXI: Jesuiten  / kompiliert und hrsg. von Alois Payer. -- URL:  http://www.payer.de/religionskritik/karikaturen21.htm. -- Zugriff am 2005-01-24

6 Capitis deminutio (lat.), bei den Römern diejenige Veränderung, die eine Person in ihrer bürgerlichen Rechtsfähigkeit erlitt.

7 Hofprediger

"Hofprediger. In der seit Konstantin bestehenden engen Verbindung von kaiserlichem Hof und Kirche, im Eigenkirchen-Wesen und Landeskirchentum des MA vorgebildet ( Kirche und Staat), hat sich das Amt des Hofpredigers zuerst auf ev. Boden in Deutschland, Holland und in den nordischen Ländern entwickelt. Ihm entspricht an kath. Höfen die Stellung des Beichtvaters. Spalatin, 1522 zum Hofprediger ernannt, war schon seit 1517 Beichtvater und Seelsorger Friedrichs d. W. - Die Vermehrung der Hofprediger durch die Ausbreitung der Reformation und durch die Errichtung neuer Hofhaltungen hatte auch ihre Abstufung in Hofkaplane und Ober-Hofprediger zur Folge. Oft waren nur die Ober-Hofprediger persönliche Seelsorger und Hausgeistliche ihres Landesherrn, während den Hofpredigern die Versorgung der Hofgemeinde oblag. Diese, ursprünglich eine reine Personalgemeinde aus Hof und Familien der Hofbeamten, war oft auch mit einer Militärgemeinde verbunden. - Wegen der Bedeutung ihres Amtes erhielten die Hofprediger auch verantwortliche Stellungen in den kirchlichen Oberbehörden. In Sachsen hatte der Ober- Hofprediger nahezu die Stellung eines Landesbischofs (F. Dibelius), in Preußen wurden sie gelegentlich zu Bischöfen, Staatsräten oder Erzbischöfen ernannt ( Borowski, Eylert, F. S. G. Sack). Dryander und Conrad waren geistliche Vizepräsidenten des Ev. Oberkirchenrates, W. Hoffmann und Kögel Mitglieder des Staatsrates. - Die Berufung der Hofprediger erfolgte durch den Landesherrn, dem sie oft unmittelbar unterstanden. Ihr kirchlicher und politischer Einfluß hing von ihrem persönlichen Verhältnis zu ihm ab; oft waren sie die Erzieher seiner Kinder. - In Preußen waren im 18. Jh. wegen der besonderen Beziehungen der ref. Konfession zur Person und Familie des Landesherrn fast alle ref. Prediger in den Städten Hofprediger Dieser Brauch wurde jedoch durch Kabinettsordres von 1833 und 1846 auf die Hauptstädte der preußischen Provinzen und auf die Geistlichen beschränkt, die vom König berufen waren oder tatsächlich im geistlichen Dienst des Hofes standen. - Mit dem Ende der Monarchie traten die Hofprediger in den allgemeinen kirchlichen Dienst oder in den der betreffenden Dom- oder Schloßgemeinden."

[Quelle: Hans Hohlwein <1902 - >. -- In: Die Religion in Geschichte und Gegenwart (RGG3). -- Bd. 3. -- 1959. -- Sp. 424]

8 Canossa

"Canossa, verfallene, auf steilem Felsen gelegene Burg in der ital. Provinz Reggio nell' Emilia, gehörte einem Geschlechte, das im 11. Jahrh. in den Besitz der Mark Tuscien gelangte, und wurde berühmt durch die Buße des Kaisers Heinrich IV. vor Papst Gregor VII., der sich dorthin zur Markgräfin Mathilde begeben hatte. 25.-28. Jan. 1077. Nach dem Tode der Mathilde teilte Canossa die Geschicke ihrer Erbschaft; das dort hausende Adelsgeschlecht kam also im 13. Jahrh. unter päpstliche Lehnshoheit. 1255 wurde die Burg von den Bürgern von Reggio zerstört. Vgl. Ferretti, Canossa; studi e ricerche (2. Aufl., Turin 1884).

Bismarcks Ausspruch im Reichstag 14. Mai 1872: »Nach Canossa gehen wir nicht!« wurde zum geflügelten Wort."

[Quelle: Meyers großes Konversations-Lexikon. -- DVD-ROM-Ausg. Faksimile und Volltext der 6. Aufl. 1905-1909. -- Berlin : Directmedia Publ. --2003. -- 1 DVD-ROM. -- (Digitale Bibliothek ; 100). -- ISBN 3-89853-200-3. -- s.v.]

9 Orthodoxie, heute würde man sagen "Fundamentalismus"


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