Religionskritik

Antiklerikale Karikaturen und Satiren XXI:

Jesuiten


kompiliert und herausgegeben von Alois Payer

(payer@payer.de)


Zitierweise / cite as:

Antiklerikale Karikaturen und Satiren XXI: Jesuiten  / kompiliert und hrsg. von Alois Payer. -- Fassung vom 2013-11-27. -- URL:  http://www.payer.de/religionskritik/karikaturen21.htm   

Erstmals publiziert: 2004-06-10

Überarbeitungen: 2013-11-27 [Ergänzungen]; 2012-06-10 [Ergänzungen]; 2012-05-25 [Ergänzungen]; 2012-05-18 [Ergänzungen]; 2005-07-09 [Ergänzungen]; 2005-02-10 [Ergänzungen]; 2005-01-20 [Ergänzungen]; 2004-12-26 [Ergänzungen]; 2004-10-26 [Ergänzungen]; 2004-09-22 [Ergänzungen]; 2004-07-27 [Ergänzungen]; 2004-07-08 [Ergänzungen]; 2004-06-14 [Umstellung]; 2004-05-16 [Ergänzungen]

©opyright: Abhängig vom Sterbedatum der Autoren

Dieser Text ist Teil der Abteilung Religionskritik  von Tüpfli's Global Village Library


Siehe auch:

Antiklerikale Karikaturen und Satiren IX: Schweiz  /  kompiliert und hrsg. von Alois Payer. -- URL:  http://www.payer.de/religionskritik/karikaturen9.htm. -- Zugriff am 2004-05-06


Diese Zusammenstellung widme ich

allen Jesuiten, mit denen ich zu tun hatte

besonders im Jesuiteninternat Stella Matutina, Feldkirch (Vorarlberg) von 1954 bis 1962, an der Theologischen Fakultät der Universität Innsbruck von 1962 bis 1965 sowie im Priesterseminar Collegium Canisianum in Innsbruck 1964 bis 1965. Obwohl ich die ganze Menschenfeindlichkeit, Repression und Reaktion des katholischen Systems bei den Jesuiten erfahren musste, bin ich dennoch der Überzeugung, dass von allen katholischen Orden und ordensähnlichen Organisationen die Jesuiten noch am wenigsten korrupt und menschenfeindlich sind. Auf alle Fälle verdanke ich meinen 11 Jahren bei Jesuiten, dass ich zeitlebens "radikal-liberal und antiklerikal" (P. Josef Bruhin SJ) geblieben bin.

Neben wirklich verabscheuenswerten Kreaturen, die ich unter Jesuiten angetroffen habe, und vielem Mittelmaß und Untermittelmaß  gibt es aber einige Jesuiten, denen gegenüber ich immer dankbar gewesen bin und bleibe. Ich möchte von diesen nennen:

Aus meiner Kindheit:

P. Füssl SJ, Pfarrhelfer in meiner Heimatpfarrei Lainz (Wien XIII.), der mir Sechsjährigen 1950/1951 einen solchen Eindruck machte, dass ich fest entschlossen war, Jesuit zu werden

Aus der Zeit in der Stella Matutina:


Abb.: P. Otto Gaupp SJ / Zeichnung von Robert Kutschera. -- 1999  [Bildquelle: Gaupp, Otto <1928 - 1998>: Bildmeditationen : im Glauben an den Auferstandenen / Otto Gaupp. Hrsg. von Josef Dewald und Albert Käuflein. -- Karlsruhe : Braun, 1999. -- 120 S. : zahlr. Ill. ; 32 cm. -- ISBN 3-7650-8223-6. -- S. 6] 

P. Otto Gaupp SJ (1928 - 1998), Präfekt während meiner beiden ersten Stella-Jahre 1954 - 1956, ein Jesuit aus tiefster Überzeugung


Abb.: P. Hans Hobi SJ, 1968

P. Hans Hobi SJ,  mein immer geduldiger Religionslehrer und Spiritual  1958/59, der mir im Privatissimum die ganze Fundamentaltheologie beibrachte


Abb.: P. Josef Bachmann SJ, 1961

P. Josef Bachmann SJ (1922 - 2013), mein immer geduldiger Religionslehrer und Spiritual bis 1962, der sich durch meine Attacken aufs Christentum nie aus der Ruhe bringen ließ; er ist mir auch insofern ein Vorbild, als er bis spät in die Nacht - bis zur völligen Erschöpfung - Skripten für seinen Unterricht erstellte.


Abb.: P. Paul Erbrich SJ, 1977

P. Paul Erbrich SJ (1928 - 2009), mein Biologielehrer und Beichtvater 1957/58, ein hochintelligenter Erzreaktionär, der aber selbständig dachte


Abb.: P. Justin Leibenguth SJ

P. Justin Leibenguth (1892 - 1966), mein Griechischlehrer von 1960 bis 1962, dem ich verdanke, wie man mit Unterricht in toten Sprachen begeistern kann

Aus meiner Innsbrucker Zeit:


Abb.: P. Franz Dander, 1961

P. Franz X. Dander SJ (1901 - 1991), mein Spiritual in Innsbruck, ein - im katholischen Sinn - wahrer Heiliger und großartig gütiger Mensch


Abb.: P. Vladimir Richter SJ

P. Vladimir Richter SJ (1925 - 2013), Professor der Naturphilosophie und mein Freund


Heute hat die alten Funktionen des Jesuitenordens längst das OPUS DEI übernommen.
Die heutigen Jesuiten sind bestenfalls Papiertiger.



Abb.: Erste Strophe der Hymne des Jesuitengymnasiums Stella Matutina Feldkirch
Melodie: Ludwig Stark (1831–1884)
Text: P. Theodor Schmid SJ

2. Stella matutina! Schönste Jungfrau, reichste Zier, selig dich zu schauen, schwebt der Engelchor zu dir; herrlichste der Frauen, aller Zungen Jubelweisen, wollen deine Wunder Preisen dort und hier, wollen deine ...

3. Stella matutina! Süßes heil'ges Mutterherz, hast für uns getragen deinen Sohn in Leid und Schmerz, alle Herzen schlagen Dir entgegen, du dich neige, gnadenvoll den Pfad uns zeige himmelwärts, gnadenvoll ...

4. Stelle matutina! Stern der Meere, goldne Pracht, deinen Strahl uns sende mitten durch die Sturmesnacht; unser Schifflein wende von der Klippe, dass es lande sicher an dem Heimatstrande, Deine Macht, sicher ...

Klicken: Stellalied

Wenn Sie Hier Klicken, hören Sie eine midi-Datei der Melodie der Stellahymne


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Text und Melodie: P. Josef Kreitmaier S.J. (1874 - 1946)

1. Gonzaga, Fürst der Jugend,
Dir rauscht der Deinen Sang,
Du Held im schwersten Sturme,
Im tiefsten Wogengang:
Dir wollen wir vertrauen,
Dich hat der Herr bestellt,
Daß wir dein Beispiel schauen
Im Dunkel dieser Welt.
O Aloysius!
 
  2. Gonzaga, Fürst der Jugend,
Zum Berge hilf empor,
Wir stehn in tiefen Talen,
Zum Lichte drangst du vor;
Zum Berg der Seligkeiten,
Wo Christus leuchtend steht,
O wolle uns geleiten,
Er höre das Gebet:
O Aloysius!
 
3. Gonzaga, Fürst der Jugend,
Beim Heiland halt uns fest,
Daß niemals unsre Seele
Von seiner Liebe läßt:
Sein Arm nur wird uns wahren
Der Lilie starke Kraft,
Sein Arm, der aus Gefahren
Nur Sieg und Segen schafft:
O Aloysius!

[Quelle der Midi-Datei: http://www.ingeb.org/spiritua/gonzagaf.html. -- Zugriff am 2005-01-20]


Abb.: "Gonzaga, Fürst der Jugend": Hl. Aloysius von Gonzaga S.J. (1568 - 1591), Patron der studierenden Jugend, einer der drei Hauptheiligen des Jesuitenordens (seine Reliquien befinden sich in der Kirche San Ignazio in Rom). -- Heiligenbildchen. -- Frankreich, Ende 19. Jhdt.


Der Jesuitenorden



Abb.: Ochs und Esel, die erste Gesellschaft Jesu (Alter Witz der Franziskaner: Was war der erste Gedanke des neugeborenen Jesuskinds: Jesus machte die Augen auf, sah Ochs und Esel bei der Krippe, und dachte: "Das ist also die Gesellschaft Jesu")

"Jesuiten (Gesellschaft Jesu, lat. Societas Jesu, daher die Abkürzung S. J.), geistlicher Orden, gestiftet mit dem Zwecke, sich nicht nur dem eignen Heil und der eignen Vollkommenheit, sondern auch der der Mitmenschen mit Gottes Gnade angelegentlich zu widmen. Die weltgeschichtliche Bedeutung des Ordens besteht darin, dass er zur Erreichung dieses Zweckes die dem römischen Katholizismus innewohnenden geistlichen und weltlichen Kräfte, zumal im Kampfe gegen den sie bedrängenden Protestantismus, neubelebt und ihnen zur schärfsten Ausprägung verholfen hat, mit unerbittlicher Folgerichtigkeit und unter oft skrupelloser Verwertung des Grundsatzes: wenn der Zweck erlaubt ist, sind es auch die Mittel (si finis est licitus, etiam media sunt licita). Den Namen Compañia Jesu, Fähnlein Jesu, gab ihm der Stifter, Ignaz von Loyola (s. hierüber und über die Anfänge des Ordens den Art. »Loyola«), nachdem er (1538) in einer Vision gesehen hatte, wie Gott Jesu den besondern Schutz der kleinen Gesellschaft übertrug, die sich aus einer frommen Studentenverbindung (1 ö. Aug. 1534) zu einer Priestergesellschaft für innere Mission zu entwickeln begonnen hatte. Entscheidend für die Zukunft wurde, dass die Mitglieder zu den drei Mönchsgelübden als viertes fügten, ihr Leben dem beständigen Dienst Christi und der Päpste zu widmen, unter dem Kreuzesbanner Kriegsdienste zu leisten, nur dem Herrn und dem römischen Oberpriester, als dessen irdischem Stellvertreter, zu dienen, so dass, was immer der gegenwärtige Papst und seine Nachfolger in Sachen des Heils der Seele und der Verbreitung des Glaubens ihnen befehlen, und in welche Länder immer er sie entsenden möge, sie ohne jegliche Zögerung und Entschuldigung sogleich, soweit es in ihren Kräften liege, Folge zu leisten gehalten sein wollten. In einem Zeitpunkt, da alle Welt dem Papste den Gehorsam aufkündigte, legte sich ihm hier ein neuer Orden unbedingt zu Füßen. Am 27. Sept. 1540 bestätigte ihn Papst Paul III. durch die Bulle Regimini militantis ecclesiae, und Julius III. erweiterte seine Vorrechte in ausgedehnter Weise. Die Jesuiten wurden mit den Rechten der Bettelmönche und der Weltgeistlichen zugleich ausgestattet, mit ihren Gütern von aller weltlichen Gerichtsbarkeit und Besteuerung, auch von bischöflicher Abhängigkeit befreit und hatten demnach außer ihrem Ordensobern und dem Papst keinen Herrn an zuerkennen; sie erhielten die Befugnis, alle Priesterfunktionen, sogar während eines Interdikts, zu verrichten, von allen Kirchenstrafen und Sünden loszusprechen, die Gelübde der Laien in andre gute Werke zu verwandeln, von Fastengeboten, von Abwartung der kanonischen Stunden, vom Gebrauch des Breviers sich selbst zu dispensieren sowie überall Kirchen und Güter zu erwerben und Ordenshäuser anzulegen. Dazu erhielt ihr General neben einer ausgedehnten Gewalt über alle Ordensglieder die Befugnis, sie in jederlei Aufträgen überall entsenden, sie allerwärts als Lehrer der Theologie anstellen und mit akademischen Würden bekleiden zu können.

Organisation des Jesuitenordens.

In den Konstitutionen und der darauf beruhenden gesellschaftlichen Gliederung des Ordens charakterisiert sich aufs sprechendste die schon im Stifter zu bemerkende Verbindung schwärmerischer Frömmigkeit und weltkluger Berechnung. Religiös-sittliche Motive und politische Kunst und Klugheit haben zusammen gewirkt, um eine mannigfaltig verzweigte, aber einheitliche Ordensregel zu schaffen und der Gesellschaft ihre einzigartige Organisation zu geben. Wille und Einsicht der ganzen Gesellschaft werden in der Hand des Generals zu einem gefügigen Werkzeug, das keinem Befehl versagt. Dem alten Soldaten, der den Orden gestiftet hatte, galt die Subordination als das Geheimnis aller Machtentfaltung, als die Seele aller Tugend. »Ein jeder sei überzeugt, dass diejenigen, die unter dem Gehorsam leben, von der göttlichen Vorsehung durch Vermittelung ihrer Vorgesetzten sich ebenso bewegen und regieren lassen müssen, wie wenn sie ein Leichnam wären (perinde ac si cadaver essent).« Innerhalb des durch die Konstitution gezogenen Spielraums schaltet der in Rom residierende General (Pater Generalis, in der Anrede: Admodum Reverende P. Generalis) souverän, so dass der einzelne, nicht aber die Gesellschaft in seine Hand gegeben ist. Nur dem Papst verpflichtet, setzt er alle höhern Beamten ein und ab, verfügt über den Rang und die Wirksamkeit der Mitglieder, handhabt die vom heiligen Stuhl erhaltenen Privilegien, Gerechtsame und Konstitutionen und übt überhaupt volle Regierungs- und Jurisdiktionsgewalt aus. Er hat in den fünf (früher sechs) Beisitzern (Assistenten) gleichsam genossenschaftliche Anwalte, die ihn bei schwierigen Geschäften durch Rat und Tat unterstützen, aber auch beobachten und, wenn er trotz der von dem Warner (Zensor, Admonitor) ausgehenden Abmahnung bei Missgriffen oder den Ordensregeln zuwiderlaufendem Leben verharrt, vor die Generalkongregation bescheiden und hier auf Absetzung antragen dürfen. Diese Generalkongregation, die den General wählt, besteht aus den Assistenten, Provinzialen und je zwei Abgeordneten jeder Provinz. Ähnlich dem General, der ihn ernennt, übt der Provinzial (praepositus provinciae) in seinem bald größern, bald kleinern Kreis die gleichfalls von Beisitzern und dem Warner gezügelte Amtsgewalt aus, untersucht jährlich einmal sorgfältig den Stand des Bezirks und überwacht auf Hochschulen und in Kollegien Lehrer und Schüler. Dem Provinzial unmittelbar untergeordnet sind die Vorsteher der Professhäuser (superiores), in denen die vollendeten Jesuiten (professi quatuor votorum) wohnen. Die gleichfalls von Räten und Mahnern (monitores) umgebenen Rektoren oder Vorsteher der Kollegien leiten die wissenschaftliche Tätigkeit und den Schulbetrieb des Ordens. Ein geregelter Briefwechsel verknüpft alle Gebiete und vermittelt alle Gesellschaftsbeziehungen. Wöchentlich einmal statten die Rektoren und Vorsteher der Professhäuser dem Provinzial Bericht ab, worauf jeden Monat Bescheid erteilt wird. Sämtliche Provinziale in Europa schreiben dem General monatlich einmal, die Rektoren und Hausvorsteher alle drei Monate. Die Beamtenkontrolle wird so geführt, dass der General nicht nur im Besitz vollständiger Kataloge ist, worin die einzelnen Ordensglieder nach Namen, Alter, Studien, Beschäftigungen, geistiger Befähigung charakterisiert sind, sondern auch über die Entwickelung und Bewährung aller Arbeiter beständig auf dem Laufenden gehalten und dadurch in den Stand gesetzt wird, für jeden Posten sofort den geeigneten Mann zu ersehen. Aus den einlaufenden zahllosen Einzelberichten geht der jährlich in Rom in lateinischer Sprache abgefasste Generalbericht über den Stand der Provinz hervor. Den untersten Grad des Ordens bilden die Novizen, die der von einem Gehilfen (socius) unterstützte Novizenmeister (magister novitiorum) im Probehaus (domus probationis) beaufsichtigt und leitet. Zwanzig Tage lang dauert die Kandidatur binnen der man den Kandidaten vorläufig beobachtet und durch bestimmte vom Prüfer (Examinator) gestellte Fragen zu erforschen trachtet. Für den Zugelassenen, der vor allem körperlich gesund und geistig befähigt sein muss, beginnt nun die Probezeit (Noviziat). Die von 4 Uhr morgens bis 9 Uhr abends genau geregelte Tagesordnung leitet den Neuling zur Entsagung und zum Gehorsam an: er lernt beten und meditieren, in rechter Weise beichten und dem Gottesdienst beiwohnen. Daneben hat er sich auch in niedern Dienstleistungen zu üben. Mit Strenge wird darauf gesehen, dass er die Andachtsübungen und Kasteiungen nicht übertreibt. Nach zweijähriger Probezeit tritt der Novize, nach Ablegung der Ordensgelübde (Armut, Keuschheit und des Gehorsams) als Scholastikus der Gesellschaft bei, deren Zwecke er von nun an tätig fördert, ohne noch die innersten Einzelheiten des großen Maschinenwerkes zu kennen. Seine Gelübde binden ihn und auch den Orden insofern, als der Scholastiker nicht ohne wichtige und gerechte Gründe entlassen werden darf. In dieser Klasse bleibt der Jesuit je nach seinen Fortschritten 8-15 Jahre. Die dritte Klasse der Ordensmitglieder bilden die Koadjutoren (Mithelfer). Man unterscheidet zeitliche Koadjutoren (coadjutores temporales), Laienbrüder, die als Verwalter, Diener, Köche, Handarbeiter für die physischen Bedürfnisse des Ordens sorgen, und bei denen nicht einmal Lesen und Schreiben vorausgesetzt wird, und geistliche Koadjutoren (coadjutores spirituales), Priester, die den Jugendunterricht besorgen und im Beichtstuhl und auf der Kanzel wirken. Den höchsten Grad erlangt in der Regel nur, wer als Scholastikus in einem Ordenskollegium jahrelang sich mit allgemein wissenschaftlichen Fächern beschäftigt, diese wiederum jahrelang als Hilfslehrer vorgetragen, hierauf vier Jahre lang Theologie studiert und noch ein Jahr auf Wiederholung der Noviziatsübungen verwendet hat (das sogen. Tertiat). So kann er etwa im 18. Jahr seines Ordenslebens Aufnahme in die Zahl der Professen von vier Gelübden (professi quatuor votorum) finden.


Wappen des Jesuitenordens

Diese allein, als die eigentlichen Jesuiten, verwalten die höchsten Ämter, wählen aus ihrer Mitte den General und erscheinen auf den in Rom abgehaltenen Generalkongregationen. Hinsichtlich des Vermögens gilt der Unterschied, dass die Professhäuser von milden Gaben lebten, die Kollegien und Novizenhäuser aber gemeinschaftliche Einkünfte erwerben durften. Regel und Einrichtung des Ordens, dessen Wappen die obenstehende Abbildung zeigt, ist enthalten in dem amtlichen Institutum Societatis Jesu (Prag 1757, 2 Tle.; neueste Ausgabe, Rom 1869 ff., 3 Bde.).

Inneres Ordensleben.

Das innere Ordensleben charakterisiert sich besonders nach den vier Seiten der häuslichen Zucht, des Gottesdienstes, des Unterrichts und des Missionswesens. Die Hausregel oder Tagesordnung strebt möglichstes Aufgehen der individuellen Triebe und Kräfte im Gesamtinteresse an. Obenan steht die Pflicht, gegenüber den Befehlen der Obern dem eignen Willen zu entsagen. Niedrige, ja widerwärtige Geschäfte (officia abjecta) muss man so lange betreiben, bis die ursprüngliche Abneigung besiegt ist, für jeden Brief die Erlaubnis des Obern nachsuchen, alle Falten und Geheimnisse des Herzens, alle Fehler und Gebrechen nicht nur im Beichtstuhl enthüllen, sondern auch sonst über solche, wenn sie an einem Mitbruder entdeckt werden, freilich mit der dem Bruder schuldigen Liebe, berichten, endlich zweimal des Tages sein Gewissen prüfen. Der dem Jesuiten zur unausweichlichen Pflicht gemachte blinde Gehorsam gegen die Obern (»Kadavergehorsam«, vgl. oben) findet seine freilich leicht verrückbare Grenze nur an sündigen Forderungen. Die Selbstüberwindung gegenüber den Banden des Blutes fordert Unterordnung auch der angebornen Naturgefühle, einschließlich der Liebe zu Eltern und Verwandten, unter den höchsten Zweck. Nicht weniger soll die Eifersüchtelei der Nationalität im Kreis der Bruderschaft verschwinden, daher Streitigkeiten über politische Gegenstände verboten sind. Jedes Mitglied soll nach Kräften Engelsreinheit des Geistes und Leibes erstreben. Gang, Schritt, Gestikulation, Stimme, Haltung sind genau vorgeschrieben. Der Jesuit wandelt in der Kleidung der Weltpriester, zu Hause mit dem Biret (s. d.), in der Öffentlichkeit meist mit dem flachbodigen Krempenhut angetan; sein Haupt soll er mit leichter Beugung nach vorn tragen; die Augen sollen den Boden suchen und nur den untern Teil des Gesichtes des Angeredeten fixieren. Auch auf etwaigen Wanderungen soll der Jesuit sich in den Ordenskreis hineindenken und in bestimmten Fristen vorgeschriebene Reisegebete wiederholen. Die Armut soll als eine eherne Ordensmauer (religionis murus) geliebt und geübt werden. Niemand soll irgendwie Eigentum haben, jedermann mit dem geringsten Hausgerät und Bedarf zufrieden und, im Fall Not oder Gebot es erfordern, bereit sein, das Brot von Tür zu Tür zu erbetteln, auch nicht Lohn und Almosen nehmen für geistliche Handlungen, als k Neffe, Beichte, Predigt, Unterricht. So wenigstens lauten die Konstitutionen, die freilich durch päpstliche Dispense gerade auf diesem Punkt Änderungen erfuhren, in deren Folge der Orden bald zu großem Reichtum gelangte.

Gottesdienst, Predigt und Seelsorge sind streng an die Überlieferung der römisch-katholischen Kirchenlehre gebunden; der Erreichung des höchsten Zweckes dient vornehmlich die Förderung des Empfanges der Sakramente und werktätigen christlichen Lebens. Während die Jesuiten in der Verfolgung dieses Zieles die Lehren von der Gnade und Vorherbestimmung im Gegensatz zu Bajus (s. d.) und Jansen (s. d. 1) einer fast rationalistischen Kritik unterwarfen, beförderten sie auf der andern Seite das phantastische Moment in der Religion, vornehmlich im Marienkult (s. Marianische Kongregationen). Aber auch sonst fand aller Heiligen-, Bilder- und Reliquiendienst die eifrigste Unterstützung, Fortbildung und Verbreitung. Nichts wurde verabsäumt, um neben der schlagfertigen Frömmigkeit, die jede Kapitulation mit dem Feinde verschmäht, den religiösen Sinn an die Interessen des Ordens zu knüpfen. Für diesen bringt man im Beginn des Jahres, Monates, der Woche ein besonderes Messopfer dar; die Wohltäter und Gönner finden in Gebeten und Messen dankbares Gedächtnis, kein wichtiges, der römisch-katholischen Kirche und Bruderschaft günstiges Ereignis bleibt ohne gottesdienstliche Feier. Das ganze Räderwerk der mannigfaltig abgestuften Kultusangelegenheiten ist durch bestimmte Vorschriften geregelt.

Eine bestimmte Eigentümlichkeit der jesuitischen Askese bildet die unter dem Namen der geistlichen Übungen künstlich gegliederte Andacht. Den methodisch-didaktischen Leitfaden gewähren Loyolas »Exercitia spiritualia« (s. d.; Übersetzung von Handmann, Regensb. 1904), denen schon 1548 Papst Paul III. durch besonderes Breve gleichsam kanonische Weihe verlieh. Es enthält eine nach vier Wochen, der religiös-geistlichen Dienstzeit, geordnete förmliche Anweisung zur Prüfung des eignen Gewissens und zum Beten. Diese geistlichen Übungen, die jeder Jesuit während des Noviziats und Tertiats, in abgekürzter, auf 8-10 Tage ausgedehnter Form, aber auch sonst mehrfach durchmachen muss, konnten um so weniger ihre Wirksamkeit verfehlen, je planmäßiger das wissenschaftlich-pädagogische Element von dem Orden entwickelt und für praktische Endergebnisse benutzt wurde. Wollte man den Siegesgang der Reformation aufhalten, so erschien vor allem wirksamste Konkurrenz auf dem Gebiete des Unterrichts notwendig. Daher hat der Orden, der ursprünglich nur den Unterricht der niedern Klassen im Katechismus, also eine Art Christenlehre, beabsichtigt hatte, sein Augenmerk immer mehr auf die Erziehung und Bildung der heranreifenden Generationen überhaupt gerichtet und den Zweck des Jugendunterrichts in seine Ordensregel aufgenommen. Um möglichst viele Zöglinge zu gewinnen, ward der Unterricht im Prinzip unentgeltlich erteilt, und zwar den Kindern aller Stände. Abgesehen aber war es besonders auf Söhne aus bessern Ständen und talentvolle Köpfe. Hatte bei der Wiederaufnahme des Studiums des klassischen Altertums in Italien und Deutschland teils die ästhetisch-sprachliche, teils die kritisch-historische Seite das Übergewicht erhalten, so trat in den Jesuitenschulen der Humanismus in den Dienst des römisch-mittelalterlichen Kirchentums. Freilich war es fast ausschließlich das Lateinische, nicht das Griechische, was die Gesellschaft pflegte. War doch das Latein zugleich Kirchen- und Gelehrtensprache des ganzen Abendlandes. Als solche passte es vortrefflich zu den römischen Tendenzen des Ordens: die nationale Bildung ward vielfach zurückgedrängt und die katholische Theologie unumschränkte Königin der Wissenschaften. Die Ausbildung einer schlagfertigen Geistlichkeit und einer von Ehrfurcht vor dem priesterlichen Stand erfüllten, unterwürfigen Laienschaft, dies ist das Ziel aller Lehranstalten. Ihre Grenzen und Befugnisse, ihre Hilfsbücher, Arbeits- und Mußestunden, Strafen und Belohnungen etc., alles ist durch feste Vorschriften gegen Ungewissheit oder Willkür sichergestellt. Selbst in Dingen, die nicht dem Glauben und der Frömmigkeit angehören, soll jeder Lehrer, auf eignes Urteil verzichtend, die Ansichten bewährter Meister und die Gebräuche katholischer Schulen darlegen. So wurden Aristoteles auf philosophischem, Hieronymus auf exegetischem, Thomas auf dogmatischem Gebiet Vorbilder des großen Gedankenregenten in Rom, für dessen Dienst die Jesuiten erzogen wurden. Der unter dem General Aquaviva 1584 ausgearbeitete Studienplan (»Ratio atque institutio studiorum Societatis Jesu«, neueste Ausg. von Pachtler in den »Monumenta Germaniae paedagogica«, Berl. 1887-94, 4 Bde.) lehnt sich eng an humanistische Vorbilder, wie die Schulordnung des evangelischen Straßburgers Joh. Sturm und die Schola aquitanica (Collège de Guienne), an. Erst eine zweite Bearbeitung von 1599 erlangte wirkliche Geltung. Mit wenigen Zusätzen vom Jahr 1616 und einigen, die Grundsätze nicht berührenden Änderungen des Generals Roothaan vom Jahr 1832 gilt die Ratio studiorum noch heute; wo staatliches Öffentlichkeitsrecht erworben wurde, ist sie dem staatlichen Studienplan angepasst. Nach ihr ist der Lehrgang so eingerichtet, dass die niedern Studien (studia inferiora) den fünf oder sechs Gymnasialklassen (Principia, Rudimentum. Syntaxis, Humanitas, Rhetorica), die höhern Studien (studia superiora, d. h. Philosophie und Theologie) den beiden Lyzealklassen (Facultas artium und Theologia) zufallen. Die drei untern Gymnasialklassen werden auch unter der Bezeichnung Grammatik, wie die beiden obern unter dem Namen Humanität zusammengefasst. Die Gymnasialklassen bis auf die zweijährige Rhetorik haben einjährigen Lehrgang. Die philosophischen Studien sind auf drei, die theologischen auf vier Jahre berechnet. Die Realien mit Ausnahme von etwas Physik und der den Handelszwecken dienstbaren Mathematik wurden vernachlässigt, und ganz besonders suchte man rhetorisch-dialektische Gewandtheit zu erzielen. Diesem Zweck dienten namentlich die sogen. akademischen Vereine, in denen die Zöglinge unter der Vorsteherschaft eines Lehrers und nach ihren verschiedenen Stufen als Grammatiker, Humanisten, Rhetoriker, Philosophen, Theologen Aufgaben in mündlicher und schriftlicher Rede behandelten, Vorträge hielten und beurteilten, Sätze verteidigten und angriffen etc. Als Zuchtmittel gebrauchte man vorwiegend stark gespornte Ehrliebe und führte nach den Kenntnissen und Sitten bestimmte Klassenplätze sowie Prämien ein. Auch hier hatte jeder Schüler seinen Nebenbuhler und in ihm zugleich seinen Aufseher. Auf Wetteifer (aemulatio) beruhte die ganze Disziplin. So erhielt der Orden nach und nach einen Stamm von Zöglingen, denen in den meisten katholischen Ländern die Leitung des Unterrichts zufiel, und die dabei einer religiös-körperschaftlichen Richtung folgten, deren Endergebnisse weniger der Wissenschaft als dem kirchlichen Leben förderlich werden mussten.

Der letzte Hebel des wachsenden Einflusses des Jesuitenordens war endlich der, dass er die Mission oder Heidenbekehrung in den Bereich seiner Tätigkeit zog. Dies hatte schon in dem ursprünglichen Gedanken Loyolas gelegen, und in dem Mitbegründer des Ordens, Franz Xaver (s. d.), erstand ihm einer der größten Heidenmissionare, die das Christentum aufzuweisen hat. Aber auch auf dem im äußersten Notfall betretenen Weg der den Deckmantel des Glaubenseifers umwerfenden Eroberung oder einer schlauen Handelspolitik haben die I. in Ost- und Westindien, in Japan wie in China und Abessinien dem Christentum und ihrer Gesellschaft Tausende von Anhängern gewonnen. Dabei wendete man alle erdenklichen Mittel und Künste der Bekehrung an, verschmolz althergebrachte Vorstellungen und Gebräuche mit christlich-katholischen Begriffen und Gewohnheiten, bahnte sich in Ostindien bald als christlicher Brahmane zu den Großen, bald als Freiheit verkündender Apostel zu den unterdrückten Volksmassen den Weg, trat in Japan als Lehrer und Vollstrecker eines strengen Sittengesetzes den wollüstiger Trägheit sich hingebenden Priestern entgegen und machte Partei bei dem der üppigen geistlichen Standesgenossenschaft grollenden Adel, gewann in China durch Messkunst und Sterndeuterei Eingang und Ansehen, übernahm im spanischen Südamerika die Anwaltschaft der unterdrückten Eingebornen, handhabte das christliche Gebot der Bruderliebe durch Kampf wider Sklaverei und Gründung des sozialistisch-theokratischen Jesuitenstaats Paraguay. Indessen erlahmte die Kraft der jesuitischen Mission in demselben Maß, als die von ihr geübte Anbequemung an heidnischen Kult und Aberglauben von den Päpsten untersagt und der anfänglich versuchte Widerstand des Ordens gegen solche Maßregelung gebrochen wurde.

Geschichte und Ausbreitung des Jesuitenordens.

Nach dem Tode des Stifters zählte die Gesellschaft über 1000 Mitglieder, unter denen sich jedoch nur 35 Professen befanden, 51 Wohnsitze (Häuser) und 12 Provinzen, von denen 7 auf die Pyrenäische Halbinsel und die spanisch-portugiesischen Kolonien kamen. Die Mittelpunkte der jesuitischen Wirksamkeit, die Kollegien, gingen meist aus freiwilligen Gaben und Schenkungen hervor. So stiftete der spanische Vizekönig, Juan de la Vega, in Palermo, Karls V. Bruder Ferdinand in Wien und Prag, seine Töchter in Innsbruck, seine Schwester Magdalena in Hall Kollegien. In Spanien waren Salamanca und Alcalá die ersten Niederlassungen, die gegen Ende des Generalats Loyolas in Kollegien umgewandelt wurde. Nach und nach entstanden deren 25. In Portugal, wo die Gesellschaft an König Johann III. den ersten freigebigen Gönner und an seinem Enkel Sebastian (gest. 1578) einen untertänigen Schüler gewann, dienten die Kollegien in Coimbra, Lissabon, Evora, Braga und Oporto als Stützen und Werkstätten einer wahrhaft theokratischen Macht, der nicht nur Glaube und Wissenschaft, sondern auch Leben und Sitten des portugiesischen Volkes gehorchten. In Italien bildete das durch den Herzog Borgia, nachmaligen dritten Ordensgeneral (gest. 1572), in Rom gestiftete Kollegium (1551) den Mittelpunkt, von dem aus auf 120 Pflanzschulen eingewirkt wurde. Daneben diente das nur von jungen Deutschen besuchte deutsche Kollegium (s. Collegia nationalia) in Rom als ein Hauptrüstzeug für die Ordenszwecke jenseits der Alpen. In Frankreich, wo die Jesuiten 1562 nur unter sehr beschränkenden Bedingungen Aufnahme gefunden hatten, zählte man 1610: 36 Kollegien, 5 Noviziate, ein Professhaus. In Deutschland breitete sich der Jesuitenorden von drei Zentralpunkten, Ingolstadt, Wien und Köln, aus. Nachdem die Gesellschaft mit Beihilfe der bayrischen Herzoge Wilhelm IV. und Albrecht V. auf der Universität Ingolstadt steigendes Ansehen erworben und daselbst ein Kollegium gegründet hatte (1556), wurden in Dillingen (1563) und Augsburg (1579) Filialanstalten, in München (1559) ein selbständiges Kollegium errichtet und der höhere wie der untere Schulunterricht in die Hand genommen, indes Wien, wo Canisius (s. d.) ein rasch aufblühendes Kollegium (1551) stiftete, den Weg nach Prag (1556), Olmütz, Brünn in Mähren (1561), Tyrnau in Ungarn (1561), Graz in Steiermark, Innsbruck und Hall in Tirol bahnte. Von Köln aus, wo der Orden zuerst das akademische Kollegium der drei Kronen (1556) und bald die gesamte Universität unter seine Aussicht brachte, entstanden Pflanzungen in Trier (1561), Mainz (1561), Speyer, Aschaffenburg und Würzburg, ferner in Antwerpen, Löwen, St.-Omer, Cambrai und Tournai. Auch in Polen siedelten sich die Jesuiten in Braunsberg an (1565) und fanden bald danach auch Eintritt in Posen, Pultusk, dem livländischen Riga und Wilna (1570). Dagegen blieben Russland, Norddeutschland, Skandinavien und Großbritannien dem Orden nach kurzen Schwankungen verschlossen. Überall ging das Hauptbestreben des Ordens dahin, dem Protestantismus Gebiete wieder zu entreißen, die er früher erobert hatte. Seit der Vorsteherschaft des fünften Generals, Aquaviva (1582-1615), der den drei Spaniern Ignaz Loyola, Laynez und Borgia nach der schwachen Regierung Mercurians (1573-81) folgte und seine monarchische Stellung allen Anfechtungen der spanischen Ordensbrüder gegenüber aufrecht erhielt, begann die Zeit der großen politischen Unternehmungen, der Intrigen, Gewalttaten und Erfolge. 1616 zählte der Orden 32 Provinzen, 13,112 Mitglieder, 803 Häuser, darunter 15 Professhäuser, 467 Kollegien, 63 Missionen, 165 Residenzen und 136 Seminare.

Diese Richtung des Ordens erweckte, abgesehen von dem natürlichen Neid, der ihm aus seiner gebietenden Macht- und Ausnahmestellung in der Kirche erwuchs, den Jesuiten unter der nicht jesuitischen Geistlichkeit und den alten Mönchsorden viele Gegner. Ihre Einmischung in politische Fragen führte, zumal in Frankreich, zu schlimmen Verdächtigungen. Schon die Ermordung Heinrichs III. wurde ihnen in die Schuhe geschoben, und nach dem Mordversuch ihres Schülers Châtel auf Heinrich IV. wurden sie 1595 feierlich aus Frankreich verbannt, freilich schon 1603 wieder zurückgerufen. Der Teilnahme an der Ermordung Heinrichs IV. durch Ravaillac konnte man sie nicht überführen; das Buch des Jesuiten Mariana, das den Fürstenmord verteidigt, halfen sie selbst mit verdammen, und durch ihre geschickte Haltung gegen die Höfe sowie durch eine auf die Schwächen der Vornehmen klug berechnete beichtväterliche Praxis wussten sie sich in dem Besitz der Macht zu erhalten. So beherrschten sie vom Beichtstuhl aus nicht bloß die Bourbonen bis auf Ludwig XV., sondern errangen auch große Erfolge in den Niederlanden, besonders in Belgien, in Polen, wo sie die Könige seit Stephan Bathory (1575-86) fast durchgängig beherrschten, und in Deutschland, wo die Kaiser Ferdinand II. und Ferdinand III. ganz unter ihrem Einfluss standen, und wo sie im Dreißigjährigen Kriege die Seele der Liga waren. Durch den Pater Lamormain wurde der Sturz Wallensteins herbeigeführt und das schwankende Bayern in der Bundesgenossenschaft mit Österreich erhalten. In Frankreich traf sie ein empfindlicher Schlag durch den Jansenismus (s. d.). Beschuldigungen wurden gegen sie laut, die sie nicht widerlegen konnten; die in den »Lettres provinciales« von Pascal gegen sie erhobenen Anklagen waren das Signal zum Sturm. Man tadelte laut ihr theatralisches Unterrichtswesen, die Seichtigkeit ihrer Lehrart, die kasuistische Gewissenlosigkeit ihrer Moral. Dazu kamen die von wenig Gewissenhaftigkeit zeugenden Mittel, die sie bei ihren Heidenbekehrungen anwendeten, ihre Unverträglichkeit gegenüber den übrigen Missionaren, die offene Widersetzlichkeit, die sie in China und Indien sogar dem römischen Stuhl gegenüber entfalteten, der Handelsgeist, der ihre Unternehmungen charakterisierte. Unter dem Eindruck dieser Beschuldigungen kam es seit der Mitte des 18. Jahrh. zu einer umfassenden Reaktion gegen die Jesuiten, die in der Aufhebung des Ordens durch den Papst gipfelte. Er zählte damals (1750) in 37 Provinzen 22,126 Mitglieder (darunter 10,594 Priester), 578 Kollegien, 150 Seminare, 60 Probehäuser, 25 Professhäuser, 195 Residenzen, 172 Missionen. In Portugal benutzte Pombal (s. d.) den Verdacht ihrer Mitschuld an dem Attentat auf König Joseph I. (1758) zur Erwirkung eines königlichen Edikts, durch das der Orden 3. Sept. 1759 in Portugal aufgehoben, die Mitglieder in gewalttätiger Weise in Schiffe gepackt und »als Geschenk für den heiligen Petrus« an den Küsten des Kirchenstaats ausgesetzt wurden.

In Frankreich wurde der Sturz der Jesuiten besonders durch die Ungunst, in der sie beim Minister Choiseul- Amboise und bei der Marquise Pompadour standen, und durch eine in ihren Folgen verderbliche Handelsunternehmung herbeigeführt. Der Pater Lavalette halte 1743 unter dem Vorgeben einer Mission zu Martinique ein Handelshaus gegründet, das den Handel fast aller benachbarten westindischen Inseln an sich zog; als zwei Schiffe, die er an das Handelshaus Lioncy in Marseille an Zahlungs Statt gesandt hatte, unterwegs von den Engländern gekapert wurden und Lavalette sich weigerte, Ersatz zu leisten, wurde vom Haus Lioncy ein Prozess gegen die Jesuiten anhängig gemacht, der sie nicht nur zur Leistung des Schadenersatzes verurteilte, sondern auch sonstige Missbräuche aus Tageslicht förderte. Sie wurden zur Abänderung ihrer Ordensstatuten angehalten; allein ihr damaliger Beschützer, Papst Clemens XIII., erklärte: »Sint, ut sunt, aut non sint.« So wurde der Orden in Frankreich 1764 durch königliches Dekret aufgehoben. Darauf erfolgte 1767 auch die Verbannung der Jesuiten aus Spanien, wo der Minister Aranda ihrer 5000 in einer Nacht verhaften und nach dem Kirchenstaat abführen ließ. Aus Neapel vertrieb sie gleichzeitig der Staatsmann Tanucci; auch aus Parma musste der Orden 1768 weichen. Endlich hob ihn Papst Clemens XIV. 21. Juli 1773 mit dem Breve »Dominus ac redemptor noster« gänzlich auf. Ordensgeneral war damals Lorenzo Ricci. Jetzt kam es auch in Österreich und im katholischen Deutschland zur Aufhebung des Ordens. Mit Ausnahme von Spanien und Portugal verfuhr man jedoch allenthalben ziemlich gelind gegen die Jesuiten, verwilligte ihnen Jahresgehalte von ihren eingezogenen Gütern und forderte bloß, dass sie sich unter die Aussicht eines Bischofs stellen oder andern Orden anschließen sollten. Friedrich II. von Preußen ließ sie sogar unter dem Namen von Priestern am königlichen Schulinstitut unterrichten und verbot ihnen nur das Tragen ihres Ordenskleides. 1786 wurden sie auch aus Preußen ausgewiesen. Aus Russland waren sie zwar schon 1719 durch Peter d. Gr. verbannt worden, allein durch die Einverleibung des östlichen Teils von Polen fanden sie wieder Eingang und wurden nach der Auflösung des Ordens nicht nur geduldet, sondern erhielten 1782 sogar die Erlaubnis, sich einen Generalvikar zu wählen. Papst Pius VI. schenkte ihnen seine Gunst und beförderte die Exjesuiten zu wichtigen Stellen. Liguorianer oder Redemptoristen (s. d.) und Paccanaristen (s. d.) bildeten eine Zeitlang Ersatz für den Jesuitenorden. Der Plan, sich 1787 unter dem Namen Vinzentiner wieder aufzutun, scheiterte. Dagegen bestätigte Pius VII. 1801 ihren Orden in Weißrussland und Litauen, wo er unter dem Generalvikar Gruber sich von politischer Wirksamkeit fern hielt, und drei Jahre nachher stellte der Papst den Orden auch in Sizilien wieder her. Das Jahr 1811 brachte die Bestätigung des Ordens für ganz Russland.

Am 7. Aug. 1814 verfügte endlich die Bulle Pius' VII.: »Sollicitudo omnium ecclesiarum« die allgemeine Wiederherstellung des Jesuitenordens. Am 11. Nov. 1814 erfolgte in Rom die feierliche Wiedereröffnung ihres Noviziats. Damals (1816) zählte der Orden nur 674 Mitglieder, die bis 1841 auf 3565 anwuchsen. Überall fanden die Jesuiten um so bereitwilliger Aufnahme, als man im Orden einen Bundesgenossen gegen den Geist der Revolution erblickte. In Modena erhielten sie 1815 ein Kollegium eingeräumt, und gleichzeitig fand ihre Restitution in Sardinien, Neapel und Spanien statt. In letzterm Lande hatte zwar die liberale Bewegung im März 1820 ihre abermalige Vertreibung, die Herstellung des Absolutismus 1823 aber auch ihre Rückkehr zur Folge. Abermals wurde der Orden 1835 und 1868 in Spanien verboten. In Portugal stellte ihn Dom Miguel 1832 wieder her; unter Dom Pedro 1834 musste er das Land wieder verlassen. Später haben sich die Jesuiten in Lissabon und in andern Städten der Pyrenäischen Halbinsel wieder angesiedelt. 1892 gab es ihrer 1501 in Spanien, 149 in Portugal. In Frankreich gewährte ihnen selbst die Restauration bloß Duldung, und infolge der Julirevolution wurde der Orden für alle Zeiten aufgehoben. Gleichwohl bestanden sie auch unter Ludwig Philipp mehr oder weniger offen fort und zählten 1845: 351 Priester, 202 Scholastiker und 182 Laienbrüder. Besonders unter Napoleon III. trat ihr Einfluss im gleichen Verhältnis mit der wachsenden Macht des Klerus (s. Gallikanische Kirche) hervor. 1880 erfolgte ihre Austreibung. 1889 zählte man 2848 französische Jesuiten, darunter 1598 Priester. Bei ihrer Austreibung 1880 betrug ihre Zahl in Frankreich 2464; sie verfügten über 60 Institute. In Belgien, wo die Jesuiten bei der Revolution von 1830 sehr tätig gewesen waren, haben sie auf das Unterrichts- und Erziehungswesen immer größern Einfluss erlangt. Das kleine Land beherbergte 1892 neben 405 Priestern 322 Kleriker des Ordens. In England besitzen sie seit dem Anfang des 19. Jahrh. Kollegien mit Erziehungsanstalten wie Stonyhurst mit Hodderhouse bei Preston in Lancashire u. a. 1892 hatte England 266 Priester und 216 Kleriker des Ordens. In Irland errichteten sie seit 1825 Ordenshäuser und Schulen. In den Vereinigten Staaten von Nordamerika ist ihr Einfluss ebenfalls im Zunehmen begriffen, ebenso in Südamerika trotz wiederholter Verbote und Austreibungen. Ungünstiger gestalten sich die Verhältnisse in Mexiko, wo der Orden 1868 verboten wurde. Gleichwohl standen schon 1892 wieder 25 Priester und 78 Scholastiker des Ordens in Mexiko. In Russland erfolgte durch Ukas vom 25. März 1820 seine Aufhebung im ganzen russischen Reich und für immer. Ebenso ist der Einfluss der Jesuiten in Italien, wo Viktor Emanuel Jesuiten von Sardinien sie begünstigte, seit der Umwälzung von 1859 im Sinken begriffen; Korporationsrechte haben sie, seitdem der Orden im Königreich Italien verboten ist, nur in Rom. In der Schweiz fanden sie zuerst im Kanton Wallis Aufnahme, wo ein Kollegium in Brig entstand. Dann gründeten sie (1818) ein größeres Kollegium in Freiburg. Später fassten sie auch in andern Kantonen, namentlich in Luzern, Fuß; doch hatte ihre offizielle Berufung dorthin (im Herbst 1844) zuerst die Gründung des Sonderbundes, dann aber auch den Sonderbundskrieg und dadurch einen ihnen entschieden ungünstigen Umschwung der gesamten politischen Verhältnisse der Eidgenossenschaft zur Folge. Trotz ihrer Austreibung aus der Schweiz gibt sich ihr Einfluss noch hier und da kund; die Universität Freiburg ist freilich zurzeit antijesuitisch. In Deutschland fanden sie Aufnahme zunächst in Innsbruck, Graz und Linz und für einige Zeit auch in Anhalt-Köthen, als dessen Fürst zum katholischen Glauben übertrat. Die politische Reaktion nach 1848, in Verbindung mit der eintretenden Abspannung, die der revolutionären Aufregung folgte, war der Gesellschaft Jesu so günstig, dass sie durch Missionen und durch die geflissentliche Hervorhebung ihres die Revolution bekämpfenden Wirkens ihren Einfluss selbst über die Grenzen des katholischen Deutschland hinaus geltend gemacht hat. In Österreich hatten die Jesuiten bereits 1854 wieder drei Kollegien, und 1857 wurde ihnen die theologische Fakultät in Innsbruck übertragen; doch haben sie nicht alle Professuren der Fakultät inne. In Bayern, Preußen und in den Staaten der oberrheinischen Kirchenprovinz haben sie seit 1850 besonders als Reiseprediger (die Patres Roh, Klinkowström u. a.) eine große Tätigkeit entwickelt, und namentlich in der Rheinprovinz und in Westfalen war ihr Einfluss von Jahr zu Jahr in starkem Wachstum begriffen.

Aber die goldenen Tage der Jesuiten sollten erst in den spätern Zeiten der Regierung Pius' IX. (1846-78) anbrechen, der mit der Zeit ganz unter ihren Einfluss geriet. Neben ihm, dem »weißen Papst«, regierten in Rom als »schwarzer Papst« der Jesuitengeneral Pater Roothaan (1829-53) und sein Nachfolger, Pater Beckx (bis 1884). Dessen Nachfolger Anderledy (bis 1892) erhielt vom Papst Leo XIII. die Bestätigung aller Privilegien, die dem Orden jemals von Päpsten verliehen worden waren. Auf diese drei Generale aus der deutschen Assistenz folgte der Spanier Pater Martin, gewählt 1. Okt. 1892 im Kollegium Loyola. Unter Leitung der Genannten haben die Jesuiten es fertig gebracht, der katholischen Kirche des 19. Jahrh. ihren Ordensstempel auszudrücken, ihr Prinzip zum herrschenden in der Kirche zu machen. Die katholische Presse, namentlich die vom Vatikan inspirierte, von Jesuiten geschriebene »Civiltà cattolica«, lässt keinen Zweifel darüber, dass die herrschende Meinung in der Kirche genau den Ideen Gregors VII. und Bonifatius' VIII. entspricht. Schon 1854 wurde das von den Jesuiten gegen die Dominikaner verfochtene Dogma von der unbefleckten Empfängnis der Maria vom Papst kanonisiert. Zehn Jahre später verkündigten Enzyklika und Syllabus der erstaunten Welt, dass auch die politischen und kirchenpolitischen Theorien der Jesuiten vom heiligen Stuhl akzeptiert werden sollten. Erst die Jesuiten haben die ultramontane Theologie aus dem Gebiete der bloßen Spekulation in das praktische Leben zu übertragen und zur äußerlichen Geltung in der Kirche zu bringen gewusst, bis 1870 ihr Werk mit der Proklamierung der päpstlichen Unfehlbarkeit seine Krönung fand. In eindrucksvoller Weise haben im Gefolge Liguoris (s. d.) die modernen jesuitischen Ethiker, wie Gury (s. d.) und Lehmkuhl (s. d.), die moralischen Grundsätze des Ordens vertreten und gezeigt, wie diese Grundsätze in den tausendgestaltigen Fällen der Wirklichkeit zu verwenden sind. Steht es auch buchstäblich in keinem ihrer Lehrbücher geschrieben, so fasst man doch den Geist derselben sachentsprechend in dem Grundsatz zusammen, dass der Zweck (bez. Ordenszweck) die Mittel heilige. Freilich ist es ein Missverständnis, dass die Jesuiten diesen Grundsatz geschaffen haben, denn sie sind in diesem Stücke wie in manchen andern nur Erben der Scholastik. Aber sie haben ihn in einer Weise theoretisch erläutert und praktisch ausgenutzt, die ihn für alle Zeiten als das Grundmerkmal jesuitischer Moral erscheinen lassen wird. Eingekleidet wird der Grundsatz in die Losung des Ordens, wonach sein letzter Zweck die größere Ehre Gottes ist, sämtliche Mittel, sie zu vergrößern, daher gut sein müssen (omnia in majorem Dei gloriam), was natürlich unter der Voraussetzung zu verstehen ist, dass der Orden stets wisse, was zur größern Ehre Gottes dient. Jedenfalls verzichtet die jesuitische Moraltheologie grundsätzlich auf das Gesetz, das die sittliche Natur des Menschen mit sich bringt, und gibt anstatt dessen ein Gesetzbuch, in dem alle möglichen und unmöglichen Gewissensfälle spitzfindig erörtert und zugunsten des kirchlichen Interesses entschieden werden. Ein besonders charakteristischer Zug liegt dabei in dem sogen. Probabilismus (s. d.), d. h. der Lehre, dass in solchen Fällen, wo das Urteil über eine Sache Gründe für sich wie gegen sich hat, dasjenige ohne Gewissensnot und selbst gegen eigne Überzeugung geschehen und als »wahrscheinlich« richtig angenommen werden dürfe, was auch nur einige oder nur ein einzelner angesehener Theolog (doctor gravis et probus) billigen. Ferner wird gelehrt, der sittliche Charakter jeder einzelnen Handlung werde durch die dabei obwaltende Absicht bestimmt, so dass selbst eine verbotene Handlung dadurch, dass man ihr eine gute Absicht unterschiebt, gerechtfertigt erscheint (methodus dirigendae intentionis). Endlich wird jede Wahrhaftigkeit des Verkehrs dadurch gestört, dass bei Eiden, Versprechungen oder Zeugnissen ein geheimer Vorbehalt (reservatio mentalis) und Zweideutigkeit des Ausdrucks als zulässig gelten.

Zu der wachsenden Empörung, die diese in Predigt, Beichtstuhl und Jugendunterricht verbreiteten Grundsatze allmählich hervorriefen, trat nun seit 1871 ein politischer Gesichtspunkt, der in den Jesuiten eine Gefahr für das neue Deutsche Reich erkennen ließ. Dem Jesuitismus erschien dasselbe, weil durch das protestantische Preußen entstanden, von vornherein als ein Gegenstand des Abscheues und der entschiedenen Bekämpfung. In steigendem Maße suchte der Orden bei den Wahlen, in der Volksvertretung und im kirchlichen und bürgerlichen Gemeinwesen seine antinationalen Zwecke zu fördern, was um so gefahrdrohender erschien, als seit der Unterwerfung der deutschen Bischöfe unter die vatikanischen Dekrete auch die übrige katholische Geistlichkeit, selbst wo sie den Jesuiten durchaus nicht günstig gestimmt war, sich den Zielen des Ordens dienstbar hatte machen lassen. Unter diesen Verhältnissen schien ihre Ausweisung Pflicht der Selbsterhaltung, sie erfolgte durch das Reichsgesetz vom 4. Juli 1872 (s. Jesuitengesetz). Am 8. März 1904 wurde der zweite, auf den Aufenthalt der einzelnen Jesuiten bezügliche Paragraph des Gesetzes wieder aufgehoben.

Der Jesuitenorden zählte 1904: 15,404 Mitglieder (darunter 6992 Priester) in 23 Provinzen, die zu fünf Assistenzen zusammengelegt sind. Die Verteilung ist folgende: 1) die italienische Assistenz (Rom, Neapel, Sizilien, Turin, Venedig): 1920 Mitglieder (darunter 865 Priester); 2) die deutsche (Deutschland, Österreich-Ungarn, Galizien, Belgien, Holland): 4302 (1918), davon auf die deutsche Provinz entfallend: 1438 (605); 3) die französische (Isle de France, Lyon, Champagne, Toulouse): 3083 (1638); 4) die spanische (Kastilien, Aragonien, Toledo, Portugal, Mexiko): 3354 (1311); 5) die englische (England, Irland, Maryland-New York, Missouri und die drei Missionsbezirke Kanada, New Orleans und Sambesi): 2745 (1260). Das Wachstum des Ordens in den verschiedenen Perioden seiner Entwickelung veranschaulicht nachstehende Tabelle (vgl. Boehmer-Romundt in der unten aufgeführten Schrift, S. 118 u. 163):

In neuerer Zeit haben die Jesuiten eine besonders rege und vielseitige schriftstellerische Tätigkeit auf dem gelehrten und dem schönwissenschaftlichen Gebiet entfaltet, indem sie sich dabei den Forderungen der modernen Zeit mit Geschick und ohne ihren höchsten Zielen untreu zu werden anpassten. Philosophie, Geschichtswissenschaft, Nationalökonomie, Rechtswissenschaft, Naturwissenschaft und nicht zuletzt Theologie suchen sie nach ihren Grundsätzen neu zu gestalten. In mehr als 25 erbaulichen u. wissenschaftlichen Zeitschriften kämpfen sie für ihre Ideale. Als die wichtigsten darunter sind zu nennen. die »Civiltà cattolica« (Rom, seit 1850), die »Études religieuses« (Par., seit 1854), die »Stimmen aus Maria Laach« (Freiburg, seit 1871), »Die katholischen Missionen« (das., seit 1073), »The Month« (Lond., seit 1873), die »Zeitschrift für katholische Theologie« (Innsbr., seit 1876), dazu die verschiedenen »Sendboten des Herzens Jesu«. Als Schulorden arbeitet der Orden mit wechselndem Glück, am erfolgreichsten wohl in Belgien, in England, Süd- und Nordamerika. Seine größten Niederlagen erlebte er in Frankreich, während ihm in Deutschland nur die Gründung einer einzigen Lehranstalt (Maria-Laach bei Andernach, 1863-72, jetzt Benediktinerkloster) gelang. Mit besonderer Eindringlichkeit hat der Orden, wo er es vermochte, das Mädchenschulwesen bearbeitet. Unter den von ihm gegründeten weiblichen Unterrichtskongregationen ist die der Damen vom heiligen Herzen Jesu (Dames du sacré coeur; s. Gesellschaft des heiligen Herzens Jesu) die einflussreichste. Auf dem Gebiete des Kultus haben sich die Jesuiten des »Heiligen Herzens Jesu« (s. Heiliges Herz Jesu) mit besonderer Wärme angenommen. Ihre Erfolge in der äußern Mission sind im 19. Jahrhundert verhältnismäßig unbedeutend gewesen."

[Quelle: Meyers großes Konversations-Lexikon. -- DVD-ROM-Ausg. Faksimile und Volltext der 6. Aufl. 1905-1909. -- Berlin : Directmedia Publ. --2003. -- 1 DVD-ROM. -- (Digitale Bibliothek ; 100). -- ISBN 3-89853-200-3. -- s.v.]

"Jesuiten sind, ähnlich wie die Bettelorden, stets den Angriffen der Aufklärungsschriftsteller hinsichtlich ihrer sexuellen Moral ausgesetzt gewesen. Während aber die Bettelorden (Kapuziner, Franziskaner usw.) nur als unverblümte und kräftige Vertreter der Freuden der Liebe hingestellt werden, hat man bei den Jesuiten ihre »sexuelle Kasuistik«, ihre Heuchelei und besondere Perversität stets hervorgehoben. Als besondere Einzelerscheinungen in dieser Hinsicht wurden der Pere de la Chaise, als Kuppler Ludwigs XIV., und der berüchtigte J. B. Girard (s. d.) hervorgehoben, die mit der Skandalliteratur um ihre Person herum typisch für den ganzen Orden wurden. Ganz besonders hat man die Jesuiten aber der Homosexualität bezichtigt, welchem Gegenstand Grecourt ein ganzes Epos, den »Philotanus«, gewidmet hat. Eine bekannte Skandalaffäre in dieser Hinsicht war jene des Paters Marell in Bayern im 17. Jahrhundert, worauf die Schrift von C. H. Lang »Abenteuer des Pater Jac. Marell usw., Bautzen 1845« mit zahlreichen ähnlichen Fällen Bezug nimmt."

[Quelle: Bilderlexikon der Erotik : Universallexikon der Sittengeschichte und Sexualwissenschaft / Institut für Sexualforschung. -- 
Wien, 1928-1932. -- CD- ROM-Ausgabe: Berlin : Directmedia, 1999. -- (Digitale Bibliothek ; 19). -- ISBN 3932544242. -- s.v. {Wenn Sie HIER klicken, können Sie diese CD-ROM  bei amazon.de bestellen}]


1569




Abb.: Die Ankunft der Jesuiten und ihre unartigen Manieren. -- 1569



Abb.: Wahre Geschichte über einen Jesuiten, der sich als Teufel verkleidet hatte. -- 1569



Abb.: Von einem Jesuwider, wie der zu Wien inn Oestereich die Todten lebendig zu machen unterstanden .... -- 1569



Abb.: Der Suiten [= Suiden = Schweineartigen], welche sich Jesuiten nennen, Ankunft, Art und Eigenschaft. -- 1569


Zweite Hälfte 16. Jhdt.



Abb.: Nachricht aus Wien über die Geburt eines Kindes von einem Jesuiten. -- 2. Hälfte 16. Jhdt.



Abb.: Denkmal zur Schande der Jesuiten, Paris. -- 16. Jhdt.

[Bildquelle: Fülöp-Miller, René <1891 - 1963>: Macht und Geheimnis der Jesuiten : Kulturhistor. Monographie. -- Leipzig : Grethlein,  [1930]. -- 576 S. : Mit 228 Abb. -- Nach S. 412]


17. Jahrhundert



Abb.: Jansenistisches Spottbild auf die Jesuiten. -- 17. Jhdt.

[Bildquelle: Fülöp-Miller, René <1891 - 1963>: Macht und Geheimnis der Jesuiten : Kulturhistor. Monographie. -- Leipzig : Grethlein,  [1930]. -- 576 S. : Mit 228 Abb. -- Nach S. 138]



Abb.: Satirischer Stich auf die Handelstätigkeit der Jesuiten. -- 17. Jhdt.

[Bildquelle: Fülöp-Miller, René <1891 - 1963>: Macht und Geheimnis der Jesuiten : Kulturhistor. Monographie. -- Leipzig : Grethlein,  [1930]. -- 576 S. : Mit 228 Abb. -- Nach S. 442]


1620



Abb.: Das Wappen der Jesuiten. -- Antijesuitisches Flugblatt aus dem dreißigjährigen Krieg. -- 1620

[Bildquelle: Fülöp-Miller, René <1891 - 1963>: Macht und Geheimnis der Jesuiten : Kulturhistor. Monographie. -- Leipzig : Grethlein,  [1930]. -- 576 S. : Mit 228 Abb. -- Nach S. 404]



Abb.: Allgemeiner Landschwarm der jesuitischen Heuschrecken, aus der Offenbarung S. Johannis am 9. Kapitel. -- Um 1620

Erläuterung: Offenbarung ), 1-12: "Und der fünfte Engel blies seine Posaune; und ich sah einen Stern, gefallen vom Himmel auf die Erde; und ihm wurde der Schlüssel zum Brunnen des Abgrunds gegeben. Und er tat den Brunnen des Abgrunds auf, und es stieg auf ein Rauch aus dem Brunnen wie der Rauch eines großen Ofens, und es wurden verfinstert die Sonne und die Luft von dem Rauch des Brunnens. Und aus dem Rauch kamen Heuschrecken auf die Erde, und ihnen wurde Macht gegeben, wie die Skorpione auf Erden Macht haben. Und es wurde ihnen gesagt, sie sollten nicht Schaden tun dem Gras auf Erden noch allem Grünen noch irgendeinem Baum, sondern allein den Menschen, die nicht das Siegel Gottes haben an ihren Stirnen. Und ihnen wurde Macht gegeben, nicht dass sie sie töteten, sondern sie quälten fünf Monate lang; und ihre Qual war wie eine Qual von einem Skorpion, wenn er einen Menschen sticht. Und in jenen Tagen werden die Menschen den Tod suchen und nicht finden, sie werden begehren zu sterben und der Tod wird von ihnen fliehen. Und die Heuschrecken sahen aus wie Rosse, die zum Krieg gerüstet sind, und auf ihren Köpfen war etwas wie goldene Kronen, und ihr Antlitz glich der Menschen Antlitz;  und sie hatten Haar wie Frauenhaar und Zähne wie Löwenzähne  und hatten Panzer wie eiserne Panzer, und das Rasseln ihrer Flügel war wie das Rasseln der Wagen vieler Rosse, die in den Krieg laufen,  und hatten Schwänze wie Skorpione und hatten Stacheln, und in ihren Schwänzen war ihre Kraft, Schaden zu tun den Menschen fünf Monate lang;  sie hatten über sich einen König, den Engel des Abgrunds; sein Name heißt auf Hebräisch Abaddon und auf Griechisch hat er den Namen Apollyon.  Das erste Wehe ist vorüber; siehe, es kommen noch zwei Wehe danach."


1626


Stefan Fadinger (1580 - 1626)1. -- Gmunden. -- 1626-11-01

Der Jesuiter Gleißnerei2
Und des Statthalters Tyrannei,
Des Vicedoms3 Dieberei
Und der Amtleut Dieberei,
Darzu der schwere Gwissenszwang,
Der Auflagen unerschwinglich Drang:
Die habn gemacht in diesem Land
Unter der Baurschaft den Aufstand.

Erläuterungen:

1 Stefan Fadinger:

"Fadinger, Stephan, * um 1580 Praz (Oberösterreich), † 5. 7. 1626 Ebelsberg bei Linz (Oberösterreich; gefallen), Anführer ("Oberhauptmann") des oberösterreichischen Bauernkriegs 1626 gegen die bayerische Pfandherrschaft; Schwager von Christoph Zeller. Schuf kurzzeitig eine schlagkräftige Organisation der Aufständischen und bekämpfte auch die Durchführung der Gegenreformation. Nach seinem Tod konnten die Bauern keine größeren Erfolge mehr erzielen und wurden bald besiegt."

[Quelle: http://www.aeiou.at/aeiou.encyclop.f/f027894.htm. -- Zugriff am 2004-10-11]

2 Gleißnerei = Heuchelei

3 Vicedom = stellvertretender Statthalter

[Quelle: Deutsche Volkslieder demokratischen Charakters aus sechs Jahrhunderten : Bd. 1 u. Bd. 2 reprinted u. zusammengebunden / Wolfgang Steinitz
Sonderausg. -- Frankfurt am Main : Zweitausendeins, 1979. --  XLIV, 630 S. : Noten ; 21 cm. --  Nebentitel: Der grosse Steinitz. -- ISBN: 3-88436-101-5. -- Bd. I, S. 27]


1632




Abb.: Der verloffene Esauiter mit seinem siebenfältigen Sack. -- 1632

Erläuterung: Spottblatt auf die Vertreibung der Jesuiten aus Würzburg, Frankfurt, Koblenz, Köln usw.


1696



Abb.: Titelkupfer zu "Les Jésuites de la maison professe de Paris en belle humeur et leurs intrigues galantes avec diverses dames de la cour." -- 1696.

"Jésuites, Les, de la maison professe de Paris en belle humeur et leurs intrigues galantes avec diverses dames de la cour. Pampelune, Colin Matras, 1696, 12°. Erschien auch in Verbindung mit: »Les moines en belle humeur«. Das Erotikum bringt eine Reihe obszöner Liebeshändel der Jesuiten. Pater Bourdaloue hat ein Verhältnis mit einer schönen Marquise, die ihn so anstrengt, daß er schlaftrunken seine Liebschaft auf der Kanzel verrät. Er soll nun die Marquise mit einem anderen Pater teilen. Inzwischen erfährt der Marquis von diesem Liebeshandel und als der neue Pater sein Glück probiert, wird er von dem Marquis überrascht und rettet sich nur durch Flucht; die Marquise aber kommt in ein Kloster. In einer anderen Erzählung verführen die Jesuiten eine zur Christin gewordene Türkin und verkaufen sie in ein Bordell. Auch eine Jüdin wird ähnlich mißbraucht, ein anderes Mädchen zu Tode geschändet. In einem Kloster, in dem die Nonnen mit Keuschheitsgürteln versehen sind, werden nach Beseitigung der Keuschheitsgürtel durch die Jesuiten Orgien veranstaltet. Dorfmädchen werden verführt, schließlich eine anständige Schustersfrau vergewaltigt und ermordet. Dieses Erotikum erschien deutsch unter den Titeln: Der verliebte Jesuite. Mit 1 Kupf. Pariss (sic), b. Mons. Brunet, o. J. (ca. 1696), 12°; Der Jesuit in guter Laune, Ein getreues Charaktergemälde in Hogarths Manier und Stil. Mit Titelkupf. Mohilow (Wien, Mösle), 1785, 8°, 259 S. (Wien. Stadtbibl.) und: Jesuitenliebschaften oder die Väter der Gesellschaft Jesu in gutem Humor. Rom und Paris 1869, 8°, 77 S. und 1 Bl. Eine weitere Bearbeitung s. unter »Pfaffengalanterien«. Die Behauptung Gays, daß »Les moines en belle humeur« mit »Les Jesuites de la maison etc.« identisch wäre, ist unrichtig, wie sich schon aus der Sachlage ergibt, daß beide Werke zusammen in einem Buch erschienen."

[Quelle: Bilderlexikon der Erotik / Mathias Bertram (Projektleitung, Red.) ... -- Berlin : Directmedia Publ., 1999. -- 1 CD-ROM. -- (Digitale Bibliothek ; Bd. 19). -- ISBN 3-932544-24-2. -- s.v.]


1729



Abb.:  Titelkupfer zu »Les amours de Sainfroid«. -- 1729

Erläuterung:

"Amours, Les, de Sainfroid, jésuite, et d'Eulalie, fille dévote, histoire véritable. La Haye 1729,12°; dass. Suivie de quelques Nouvelles nouvelles. La Haye, chez Isaac van der Kloot, 1748, 12°, XVI, 428 S. (Wien. Stadtbibl.). Dieses gegen die Jesuiten gerichtete Skandalosum, das noch verschiedene Auflagen erlebte, erfuhr auch Uebersetzungen in fremde Sprachen, in die englische als: »Venus in the Cloister, or Sainfroid et Eulalie«, in die holländische als »De Minnehandel van den Jesuit Sainfroid et Eulalie«, in die holländische als »De Juffer, Alkmar 1730, 12°«, und in die deutsche als: »Wahrhaffte und curieuse Liebes-Geschichte des Jesuiten Sainfroids und der scheinheiligen Eulaliae. O. O. 1729, 8°, Titelkupf., 7 B., 304 S. (Berlin, Nationalbibl.)«. Dieses, übrigens in dezenten Ausdrücken abgefaßte Skandalosum richtet sich indessen nicht gegen die heuchlerische Unzucht des Jesuiten Girard gegen die Cadière, welche cause célèbre erst in das Jahr 1731 fällt, jedoch ist das Faktum der Geschichte ein ganz ähnliches und wie in einer Vorahnung des berüchtigten Falles geschrieben, jedenfalls aber, um die verbrecherische Tartüfferie der Jesuiten an den Pranger zu stellen. Sainfroid, ein Jesuit, schleicht sich in das Vertrauen seines Beichtkindes Eulalie ein, die er mit allerlei Spitzfindigkeiten so weit bringt, um sie, während ihr Onkel auf der Totenbahre liegt, unter dem Versprechen der Heirat zu verführen. Wiederholte Schwangerschaften weiß er durch Abtreibungen zu entfernen, schließlich beraubt er den Kirchenschatz und flieht mit Eulalie nach England. Dorf vertröstet er sie mit der Heirat, um indessen ein anderes Mädchen zu ehelichen und eine Pension für Schüler zu gründen. Eulalie kommt auf seine Hinterlist, stellt ihn vor allen Leuten bloß und zieht sich reuig nach Frankreich in die Abgeschiedenheit zurück. Sainfroid zündet indessen seine Pension an, vergiftet seine schwangere Frau und verschwindet mit einer größeren Summe Geldes spurlos."

[Quelle: Bilderlexikon der Erotik : Universallexikon der Sittengeschichte und Sexualwissenschaft / Institut für Sexualforschung. -- 
Wien, 1928-1932. -- CD- ROM-Ausgabe: Berlin : Directmedia, 1999. -- (Digitale Bibliothek ; 19). -- ISBN 3932544242. -- s.v. {Wenn Sie HIER klicken, können Sie diese CD-ROM  bei amazon.de bestellen}]


1773



Abb.: Symbolisch- und Historisches Andenken von der Religion und gottlos Mörderisch-Kirch entheiligender Lehr, welche fortgepflanzt, unterhalten und beständig praktiziert durch die Schüler Ignatii de  ..., des Haupts der Gesellschaft, die sich nennt Jesu, an die Nachwelt. -- Nach 1773

Erläuterung:

"Schandbild des Jesuitenordens in Form eines Altars

Symbolisch- und Historisches Andenken von der Religion, und gottloß Moerderisch-Kirch entheiligender Lehr, welche fortgepflanzt, unterhalten und beständig practiciert durch die Schüler Ignatii de,,., des Haupts der Gesellschaft, die sich nennt von Jesu, an die Nachwelt.

Nach 1773

Die großformatige Zeichnung zeigt einen stark verfremdeten Altar, dessen wesentliche Strukturelemente jedoch noch zu erkennen sind. Drastische Anspielungen auf die den Jesuiten angelasteten Verbrechen und Vergehen machen aus diesem Objekt einen Schandaltar des Jesuitenordens. Auf der Spitze des Auszugs steht eine mehrgesichtige Gritzengestalt mit vier Armen, die auf Christus und Belial verweist. Sie symbolisiert die Anpassung der katholischen Religion in den Missionsgebieten der Jesuiten an die Gewohnheiten und Riten der jeweiligen Völker. Der Auszug besteht zum größten Teil aus Büchern, deren Rücken die Namen der jesuitischen Schriftsteller und Missionare Molina, Sanchcz, Lessius, Busenbaum, Escobar und anderer aufweisen. Diese sollen die vier apokalyptischen Tiere und die Gesellschaft der 24 Alten aus der Offenbarung verkörpern (Offenbarung 4, 6—9). Der Auszug des Altars ruht auf einem wiederum aus Büchern bestehenden Gebälk, auf dem die »Vergehen« der Jesuiten vermerkt sind (Wucher, Probabilismus, Unglauben, Totschlag, Vater-, Mutter- und Königsmord). Die Säulen, die den Oberbau des Altars tragen, kritisieren den Handel der Jesuiten mit Gold, Edelsteinen, Stoffen und Lebensmitteln. Das Zentrum des Altars, das eigentlich dem Altarblatt vorbehalten ist, wird von einem auf dem Boden sitzenden, auf Büchern sich stützenden Jesuiten ausgefüllt, der ein Szepter in der Hand hält. Das von einer Fledermaus bekrönte Szepter bezeichnet die Jesuiten als Herrscher über ein Reich, das aus den Kindern der Finsternis besteht. Der von einem Löwenkopf gehaltene Vorhang (Theatrum sacrum) zeigt, dass das Jesuitendrama abgeschlossen ist. Die linke auf der Altarplatte stehende Figur mit Maske und Dolch symbolisiert die Heuchelei, die rechte mit Hundeohren, Hundepfoten und Geißel den Fanatismus der Jesuiten.

Auf der Altartreppe sind zwei in Fesseln gelegte Menschen zu sehen, ein Indianer (links) und ein Chinese (rechts). Sie verweisen auf die durch die Verkündigung des jesuitischen Evangeliums unterjochten Völker. In die beiden Stufen sind die Totenköpfe von Jesuitengegnern eingezeichnet (jeweils mit einer typischen Kopfbedeckung), die laut Begleittext von den Jesuiten verfolgt oder getötet wurden. Es handelt sich u.a. um den Mathematiker und Religionsphilosophen Blaise Pascal, den jansenistischen Schriftsteller Arnauld, den mexikanischen Bischof Palafox, der Auseinandersetzungen mit dem Orden in Übersee hatte, König Heinrich IV. von Frankreich, Kaiser Leopold, Königin Elisabeth und König Jakob I. von England.

Die Chorschranken vor dem Altar bilden Säulenstümpfe (u.a. des jansenistischen Klosters Port Royal), Urnen mit Gift sowie Pulverfässer. Die Aufschrift des linken Fasses spielt auf das gescheiterte »Gunpowder Plot« in England im Jahr 1605 an; das andere Fass symbolisiert die den Jesuiten angelastete Verschwörung gegen König Joseph I. von Portugal im Jahre 1759. Die Zeichnung vereinigt in sich sämtliche Klischees der Kritik am Orden wie Mord, Unterdrückung, Machtgier, persönliche Bereicherung, Verfälschung der Religion usw.

Federzeichnung auf Papier, Holz, 91 x 64 cm.

München, Bayerische Staatsbibliothek, Cod. icon. 428. li."

Christoph Bachmann

[Quelle für Bild und Erläuterung: Die Jesuiten in Bayern : 1549 - 1773 ; Ausstellung des Bayerischen Hauptstaatsarchivs und der Oberdeutschen Provinz der Gesellschaft Jesu ; [Ausstellung in München, 5. April bis 2. Juni 1991] / [Ausstellung und Katalog: Joachim Wild ...]. -- Weissenhorn : Konrad, 1991. -- XII, 336 S. : Ill. ; 22 cm. -- (Ausstellungskataloge der Staatlichen Archive Bayerns ; Nr. 29). -- ISBN 3-87437-307-X. -- S. 281ff.]


1774



Abb.: Gedenkmedaille zur Aufhebung des Jesuitenordens / von Johann Leonhard Öxlein (1715 -1787). -- 1774

Erläuterung: Vorderseite: Papst Clemens XIV., Rückseite: Christus, Petrus und Paulus vertreiben die Jesuiten. Inschrift: Nunquam novi vos, discedite a me omnes. Exaugurationis Societatis Jesu memoriae. MDCCLXXIII. Psalm CXVII, 23 (Ich habe euch nie gekannt, weichet alle von mir. Zur Erinnerung an die Abschaffung der Gesellschaft Jesu. 1773. Psalm 117, 23)

[Bildquelle: Die Jesuiten in Bayern : 1549 - 1773 ; Ausstellung des Bayerischen Hauptstaatsarchivs und der Oberdeutschen Provinz der Gesellschaft Jesu ; [Ausstellung in München, 5. April bis 2. Juni 1991] / [Ausstellung und Katalog: Joachim Wild ...]. -- Weissenhorn : Konrad, 1991. -- XII, 336 S. : Ill. ; 22 cm. -- (Ausstellungskataloge der Staatlichen Archive Bayerns ; Nr. 29). -- ISBN 3-87437-307-X. -- S. 290.]


1783


Aloys Blumauer (1755-1798): Schwesterngesundheit am Namenstage des Hochw. Großm. von B*n. -- 1783

Wenn unser Meister Ignaz1 heißt,
Und unser Mund den Namen preist,
So müsst ihr d'rum nicht glauben,
Dass wir auch Jesuiten sind,
Und gerne jedem schönen Kind
Die jungen Männer rauben.


Abb.: Ignatius von Loyola / von Juan Martínez Montañés (1568 - 1649). -- um 1610 [Bildquelle: http://www.wga.hu/frames-e.html?/html/m/montanez/. -- Zugriff am 2004-09-22]

Nein, Schwestern, unser Ignaz hat
Noch keinen Heiligenornat
Vom obern Kirchenhirten;
Doch schätzen wir den Edlen sehr,
Und lieben ihn unendlich mehr
Als den Kanonisierten2.

Der Orden3, dem wir zugetan,
Baut nicht am röm'schen Vatikan,
Baut Menschenwohl hienieden,
Und alle seine Satzungen
Sind von den Jesuitischen
Gar himmelweit verschieden.

Sankt Ignaz schuf aus Überdruss
Ob seinem Loch im rechten Fuß
Sich seinen neuen Orden;
Der uns zusammen hat gesellt,
Ist nicht aus Spleen und Hass der Welt
Zum Logenstifter worden.

Sankt Ignaz war den Mädchen gram,
Und wo ihm ein's nur nahe kam,
Da fing er an zu lästern;
Wir hegen keinen solchen Groll,
Wir feuern oft auf euer Wohl,
Und nennen euch gar Schwestern.

Wir prüfen unsern Heldenmut
Durch Wind und Wasser, Feu'r und Blut,
Und wagen Leib und Leben;
Sankt Ignaz, dass er Mut bewies,
Ließ in der Schule zu Paris
Sich einen Schilling geben.

Sankt Ignaz sandte Jünger gar
Nach Indien, der Heiden Schar
Zu töten und zu plündern;
Wenn Maurer nach den Ländern zieh'n,
So werden sie die Heiden d'rin
Eh' mehren, als vermindern.


Abb.: Der Jesuitenorden mit seinen Niederlassungen auf der ganzen Welt, Stich zur Jahrhundertfeier der Jesuiten. -- 1640

[Bildquelle: Fülöp-Miller, René <1891 - 1963>: Macht und Geheimnis der Jesuiten : Kulturhistor. Monographie. -- Leipzig : Grethlein,  [1930]. -- 576 S. : Mit 228 Abb. -- Vor S. 95]

D'rum, dass wir nicht wie Ignaz tun,
Das glaubt ihr, liebe Schwestern, nun
Wohl ohne mein Beteuern:
Denn stünden wir in seiner Pflicht,
Wir würden aus Kanonen nicht
Auf eurer Wohl jetzt feuern.

Erläuterungen: Freimaurergedicht (Exjesuit Blumauer ist seit 1782 Mitglied der Wiener Freimaurerlogen "Zur wahren Eintracht"  und "Zur Wahrheit"

1 Ignaz: Anspielung auf Ignatius von Loyola, den Gründer des Jesuitenordens

2 Kanonisierten = Heiliggesprochenen

3 Orden, dem wir zugetan = Freimaurerorden


1788


Gottlieb Konrad Pfeffel (1736-1809): Der Kater. -- 1788

Ein Kater, welcher sich den Ruhm des Weisen
Bey seinem Volk erwarb, fiel in Melancholie
Und sah durchs Mikroskop der düstern Phantasie,
Wo er nur ging und stand ein Heer von Fledermäusen.
Umsonst bemühte sich der Freunde treues Chor,
Von Ärzten unterstützt, den Irrwahn zu besiegen,
Er sah die Tiere nach wie vor
Um seinen Kopf, wie Jesuiten, fliegen:
Oft schoss er als ein Pfeil auf die verwünschte Brut
Und haschte nichts; allein statt sie zu dämpfen
Vermehrte das nur seine Wut.
Oft schloss er, matt von den erhitzten Kämpfen,
Die Augen zu. Vergebens schloss er sie:
Auch dann noch sah er Fledermäuse.
So trieb ers lang. Einst jagt ihn die Manie
In eines Kirchturms Uhrgehäuse;
Hier fing er wirklich eine Fledermaus.
Da sieht mans, rief nun Murner aus,
Die Narren wollten mir die Wahrheit disputieren,
Nun kann ich sie handgreiflich überführen.


1827


Adalbert von Chamisso (1781-1838): Nachtwächterlied (Erstdruck 1827 anonym)

Eteignons les lumières
Et rallumons le feu.
Béranger

Hört, ihr Herrn, und lasst euch sagen,
Was die Glocke hat geschlagen:
Geht nach Haus und wahrt das Licht,
Dass dem Staat kein Schaden geschicht.
Lobt die Jesuiten!

Hört, ihr Herrn, wir brauchen heute
Gute, nicht gelehrte Leute,
Seid ihr einmal doch gelehrt,
Sorgt, Dass keiner es erfährt.
Lobt die Jesuiten!

Hört, ihr Herrn, so soll es werden:
Gott im Himmel, wir auf Erden,
Und der König absolut,
Wenn er unsern Willen tut.
Lobt die Jesuiten!

Seid, ihr Herrn, es wird euch frommen,
Von den gutgesinnten Frommen;
Blase jeder, was er kann,
Lichter aus, und Feuer an.
Lobt die Jesuiten!

Feuer, ja, zu Gottes Ehren,
Um die Ketzer zu bekehren,
Und die Philosophen auch,
Nach dem alten, guten Brauch.
Lobt die Jesuiten!

Hört, ihr Herrn, ihr seid geborgen,
Geht nach Haus, und ohne Sorgen
Schlaft die lange, liebe Nacht,
Denn wir halten gute Wacht.
Lobt die Jesuiten!


1830/1850


August Heinrich Hoffmann von Fallersleben (1798-1874): Der finstere Geist

Es geht ein finstrer Geist umher,
Nehmt euch in Acht!
Wohl überall die Kreuz und Quer.

|:Wacht, Deutsche, wacht,
Wie der Hahn in der Nacht!
Potz Donnerwetter, Deutsche, Deutsche,
wacht, wacht, wacht!
Ihr lieben Deutschen, wacht!:|

Er schleichet unter jedes Dach,
Nehmt euch in Acht!
Er dringt in jegliches Gemach.

|:Wacht, Deutsche, wacht,
Wie der Hahn in der Nacht!
Potz Donnerwetter, Deutsche, Deutsche,
wacht, wacht, wacht!
Ihr lieben Deutschen, wacht!:|

Er macht, was grad ist, schief und krumm,
Nehmt euch in Acht!
Was gut und klug ist, schlecht und dumm.

|:Wacht, Deutsche, wacht,
Wie der Hahn in der Nacht!
Potz Donnerwetter, Deutsche, Deutsche,
wacht, wacht, wacht!
Ihr lieben Deutschen, wacht!:|

Er sucht und wittert Ketzerei,
Nehmt euch in Acht!
Er hasst, was fröhlich ist und frei.

|:Wacht, Deutsche, wacht,
Wie der Hahn in der Nacht!
Potz Donnerwetter, Deutsche, Deutsche,
wacht, wacht, wacht!
Ihr lieben Deutschen, wacht!:|

Er tuts zu Gottes größerm Ruhm1,
Nehmt euch in Acht!
Sein Gott ist Papst und Pfaffentum.

|:Wacht, Deutsche, wacht,
Wie der Hahn in der Nacht!
Potz Donnerwetter, Deutsche, Deutsche,
wacht, wacht, wacht!
Ihr lieben Deutschen, wacht!:|

Er führet Jesu Namen2 im Schild,
Nehmt euch in Acht!
Und ist des Teufels Ebenbild.

|:Wacht, Deutsche, wacht,
Wie der Hahn in der Nacht!
Potz Donnerwetter, Deutsche, Deutsche,
wacht, wacht, wacht!
Ihr lieben Deutschen, wacht!:|

Seid auf der Hut vor diesem Feind,
Nehmt euch in Acht!
Er ist euch näher, als ihrs meint.

|:Wacht, Deutsche, wacht,
Wie der Hahn in der Nacht!
Potz Donnerwetter, Deutsche, Deutsche,
wacht, wacht, wacht!
Ihr lieben Deutschen, wacht!:|

Drum singet fleißig dieses Lied:
Nehmt euch in Acht!
Dass euch nicht holt der Jesuit.

|:Wacht, Deutsche, wacht,
Wie der Hahn in der Nacht!
Potz Donnerwetter, Deutsche, Deutsche,
wacht, wacht, wacht!
Ihr lieben Deutschen, wacht!:|

Erläuterungen:

1 Zu Gottes größerm Ruhm: der Wahlspruch der Jesuiten ist Omnia ad maiorem Dei gloriam = Alles zur größeren Ehre Gottes

2 Jesu Namen: offizielle Bezeichnung der Jesuiten ist Societas Jesu (SJ) = Gesellschaft Jesu

[Quelle: Wider Pfaffen und Jesuiten, Wider Mucker und Pietisten! : Eine Anthologie aus der Blütezeit der politischen Dichtkunst in Deutschland 1830-1850 / Hrsg. von Politicus. -- Frankfurt a. M. : Neuer Frankf. Verl., 1914. -- 224 S. -- (Bibliothek der Aufklärung). -- S. 105f.]


August Heinrich Hoffmann von Fallersleben (1798-1874): Himmlisches Abenteuer

Jüngst kam ein König vor das Himmelstor
Und schien in aller Zuversicht zu hoffen,
Wenn eine Majestät kommt nur davor,
So steh ihr gleich der ganze Himmel offen.
Der König hört Sankt Paters Wort:
"Du darfst hier keine Hoffnung fassen!
Bleib draußen stehn nur immerfort,
Du wirst fürwahr nie eingelassen."

Darauf erscheint ein deutscher Jesuit
Und spricht um Einlass an den heilgen Peter.
Sobald Sankt Petrus ihn  nur eben sieht,
Da  schreit er ihm entgegen Mord und Zeter.
"Was willst du hier? Auf! mach dich fort!
Ich kann euch Heuchler nicht vertragen;
Geh, setz dich zu dem König dort!
Im Himmel darfst du uns nicht plagen."

Zum König setzt sich da der Jesuit
Und tröstet ihn mit manchem frommen Worte:
"Ich weiß gewiss, auch unsre Qual entflieht,
Bald öffnet sich auch uns die Himmelspforte;
Bald findet sich Gelegenheit,
Dann werden wir auch eingelassen,
Dann ist vorbei auch unser Leid —
Drum lass uns ruhig Hoffnung fassen."

Der Jesuit weiß die Gelegenheit
So ganz und gar fürtrefflich abzupassen:
Gefahren kommt des Papstes Heiligkeit,
Die wird sogleich von Petrus eingelassen.
"Jetzt," ruft er, "Majestät, mit mir!
Jetzt ist es Zeit: nur frisch, Courage!"
Doch Petrus fragt: "Wer seid denn ihr?"
"Wir sind die päpstliche Bagage1."

Erläuterung:

1 Bagage: Reisegepäck, aber auch "Pack, Gesindel"

[Quelle: Wider Pfaffen und Jesuiten, Wider Mucker und Pietisten! : Eine Anthologie aus der Blütezeit der politischen Dichtkunst in Deutschland 1830-1850 / Hrsg. von Politicus. -- Frankfurt a. M. : Neuer Frankf. Verl., 1914. -- 224 S. -- (Bibliothek der Aufklärung). -- S. 107.]


Heinrich Grahl: Der Jesuit. -- 1830/1850

Wenn leis die Nacht die müden Fluren küsste,
Und rings die Welt im leichten Schlummer ruht,
Da schleichet, wie der Tiger in der Wüste,
Umher ein Scheusal mit Hyänenwut;
Das legt den Mordzahn an des Tempels Hallen,
Das streckt die Tatzen nach der Wiege aus,
Schlägt in die Herzen seine Teufelskrallen,
Streut überall die Saat des Todes aus.

Kennst du das Scheusal, das im Truggewande,
Ernst wie der Tod, in deine Kreise tritt?
Das dich umstrickt, mit seinem Würgerbande?
Kennst du's, mein Volk? — Es ist der Jesuit!
Es ist die Schlange, die mit falschem Lächeln
Den Tod im Kuss dir auf die Lippen haucht,
Es ist der Vampir, der im kühlen Fächeln
Den Frieden dir aus deinem Herzen saugt.

Wo sich das stille Glück den Herd gegründet,
Reißt er die Schwelle ein mit frechem Spott,
Ihn fesselt kein Gesetz, kein Eidschwur bindet
Den Heuchler, nur sein Orden ist sein Gott,
Ihm glänzten nie im Aug des Mitleids Tränen,
Er fühlte nie den druck von Freundeshand,
Er kennt es nicht, der Liebe süßes Sehnen,
Er kennt kein Vaterglück, kein Vaterland.

Und wo das Licht die Nebel will verjagen,
Da tötet er's, der schwarze Sohn der Nacht;
Die Wahrheit wird ermordet und erschlagen,
Der fromme Glaube meuchelnd umgebracht;
Es stirbt das Recht von seinen blutgen Streichen,
Die Freiheit muss zum feuchten Kerker gehn,
Und triumphierend über Schutt und Leichen
Lässt er das Banner der Tiara wehn!

Und du, du öffnest gastlich ihm die Toren,
Dem größten Feind, betrognes Vaterland!
Du hast aufs neu die Pest heraufbeschworen,
Die du so kräftig in das Grab gebannt!
Du lässt die Natter dir den Busen küssen
Und hüllst sie warm in deinen Busen ein!
Weh dir, weh dir! in ihren Schmeichelbissen
Saugst du das schwarze Gift des Todes ein!

Siehst du sie nicht, die Jesuitenfährte,
Die blutigrot in allen Landen glüht?
Siehst du den Henker nicht mit seinem Schwerte,
Der wie ein giftger Wind vorüberzieht?
Hängt sich der Aufruhr nicht an seine Tritte,
Der Schloss und Hütte und Altar zerbricht?
Folgt nicht der Sturm des Krieges seinem Schritte,
Siehst du des Brandes blutge Lohe nicht?

Hörst du's nicht wimmernd aus dem Kerker stöhnen,
Der unerbittlich seine Opfer birgt?
Hörst du den Glockenruf zum Mord nicht tönen,
Der deine Glaubensbrüder einst erwürgt?
Ihr Kronenträger, lasset euch nicht blenden,
Euch schützt kein Rosenkranz, kein Schild von Erz,
Seht ihr den Stahl nicht in des Mörders Händen?
Das kalte Eisen sucht das Königsherz!

Wach auf!, mein Volk, und höre auf zu buhlen
Um ein erträumtes, heuchlerisches Glück,
Nicht aus dem Vatikan und Jesuitenschulen
Bricht deiner Freiheit heilger Sonnenblick!
Und wie die Woge die verwesten Leichen
Voll Ingrimm auswirft an dem nackten Strand,
So wirf auch du mit deines Zornes Streichen
Die Jesuiten aus dem Vaterland!!

[Quelle: Wider Pfaffen und Jesuiten, Wider Mucker und Pietisten! : Eine Anthologie aus der Blütezeit der politischen Dichtkunst in Deutschland 1830-1850 / Hrsg. von Politicus. -- Frankfurt a. M. : Neuer Frankf. Verl., 1914. -- 224 S. -- (Bibliothek der Aufklärung). -- S. 68f.]


Anastasius Grün (1808-1876): Ferdinand I. und die Jesuiten

Auf dem Thron sitzt Ferdinand1 in der Fürstenburg zu Wien,
Sorgen, schwarz wie freche Raben, wollen seinen Geist nicht fliehn,
Trägt er doch mit Östreichs Krone Deutschlands Kaiserdiadem,
Und die Zahl der Ketzer steiget, trotzend Acht und Anathem2.

Mög er auch die Wälder lichten, Scheiterhaufen zu erbaun,
Und, da sie nicht ewig brennen, drohen mit der Hölle Graun,
Aus der Flammenpyramide, die die Lebenden begräbt,
Schallt, als wärs ein Haus der Wonne, laut ihr Lied, das Gott erhebt.

"Dass ich keine Donner habe, dass kein Schwert mir zu Gebot,
Das mit einem einzgen Streiche gäb der ganzen Brut den Tod!
Muss ich doch, wie Gott befohlen, sorgen für der Meinen Heil,
Doch der Weg zum Abgrund, seh ich, wird der Menge nie zu steil."

Und er winkt. Da eilen seine weisen Räte rasch herbei,
Löst den Knoten, spricht der Kaiser, oder haut ihn mir entzwei.
Da entfalten die Gedanken ihren wunderbaren Gang,
Und empfohlen und vertreten wird gar mancher Himmelszwang.

Doch mit all den feinen Plänen kann nicht stimmen Ferdinand,
Tausende, so spricht er finster, hab zu Asche ich verbrannt.
Tausend haben auf der Folter ausgerungen ihren Geist,
Dennoch wächst das Heer der Frechen, das die neue Lehre.3 preist.

Jetzt tritt aus der Schar der Weisen zuversichtlich vor ein Rat,
Stolz und doch voll Demut ist er, sein Gewicht ist groß im Staat.
Wie man Keime hindern könne, dass sie schwellen, weiß er wohl,
Zuerkannt ward ihm des hohen, tiefen Geistes Monopol.

Mehr als mit dem Schwerte Helden, wirkt mit seinem Wort der Mann.
Herr, spricht er, ich weiß ein Mittel, das den Sturm beschwören kann.
Ruf die Jünger des Loyola4 in dein schönes Österreich,
Fassen können sie den Giftbaum an den tiefsten Wurzeln gleich.

Voll von Rat ist ihre Seele, stilles Wirken ihr Gesetz,
Nicht aus Seilen, Herr aus Fäden stricken sie ihr feines Netz.
Leise wissen sie zu siegen, Pfeil auf Pfeil entsenden sie,
Und wenn hundert Bolzen fehlen, fehlen doch die letzten nie.

Tiefer als ein Flammenwirbel, welcher nur den Leib verzehrt,
Dringt ihr Dolch, der der Gedanken nattervoll Gezücht verheert.
Ruf sie, Herr. Du wirsts erfahren, eh zwei Lenze noch entflohn,
Droht der Geist, der schlimme Zänker, nimmer deinem mächtgen Thron.

Bald, wie trockne Wetterwolken, die des Himmels licht Gebiet
Frech zu einem Schlachtfeld machen, wo dann Stern auf Stern verglüht,
Zieht ein schwarzes Heer der Jünger des Loyola in das Land,
Rasch befreit vom Geist des Landes wurde Kaiser Ferdinand.

Erläuterungen:

1 Ferdinand: Ferdinand I. (1503 - 1564), von 1558 bis 1564 Kaiser des Heiligen Römischen Reichs und bereits ab 1526 König von Böhmen und Ungarn.  In Böhmen erhoben sich gegen Ferdinand die zahlreichen Anhänger der Reformation, die er jedoch nach der Schlacht bei Mühlberg (1547) unterdrückte.

2 Acht und Anathem: Reichsacht und Kirchenbann

3 Neue Lehre: Reformation

4 Jünger des Loyola: Jesuiten

[Quelle: Wider Pfaffen und Jesuiten, Wider Mucker und Pietisten! : Eine Anthologie aus der Blütezeit der politischen Dichtkunst in Deutschland 1830-1850 / Hrsg. von Politicus. -- Frankfurt a. M. : Neuer Frankf. Verl., 1914. -- 224 S. -- (Bibliothek der Aufklärung). -- S. 68f.]


1831


Anastasius Grün (1808-1876): Die Dicken und die Dünnen. -- 1831

Fünfzig Jahre sind's, da riefen unsre Eltern zu den Waffen:
Krieg und Kampf den dicken, plumpen, kugelrunden, feisten Pfaffen!
Auch in Waffen steh'n wir Enkel; jetzt doch muss die Losung sein:
Krieg und Kampf den dünnen, magern, spindelhagern Pfäffelein!

Aber wo gab's größre Arbeit, welcher Kampf bot mehr Gefahren?
Wo galt's fester auszudauern, wo galt's klüger sich zu wahren?
Lauthin schnaubt die plumpe Wildsau, wenn sie durch das Dickicht keucht,
Aber leise kriecht die Viper, die nach deinen Fersen schleicht!

Einst verschnarchten dicke Pfaffen ganze Tag' in süßem Schläflein,
Jetzt doch liegen auf der Lauer immer wach die dünnen Pfäfflein;
Jene brüllten ihre Inbrunst heulend in die Welt hinein,
Diese winseln ihren Jammer, Katern gleich im März, so fein.

Mächt'gen, schweren Folianten glichen einstens jene Dicken,
»Allgemeines großes Kochbuch« stand als Inschrift auf dem Rücken;
Einem schmalen kleinen Büchlein sind die Dünnen gleich, fürwahr,
»Kurzgefasste Gaunerstücklein« beut das Titelblatt euch dar.

Mit der Grobheit und der Dummheit hattet einst den Kampf, ihr Alten,
Doch der Artigkeit und Schlauheit müssen wir die Stange halten!
Einstens rannten euch die Dicken mit dem Wanst die Türen ein,
Doch es kriechen jetzt die Dünnen uns durchs Schlüsselloch herein.

Längst schon hat ein tapfrer Ritter kühn der Dicken Heer gebändigt,
Und als goldner Stern des Tages jene finstre Nacht geendigt,
Joseph1 hieß der Stern und Ritter! Wien, du kannst sein Denkmal seh'n
Ach und will denn gen die Dünnen nimmer solch ein Held ersteh'n?


Abb.: "Wien, du kannst sein Denkmal seh'n": Denkmal für Joseph II., Wien, Josephsplatz / von Franz Anton Zauner, Edler von Falpetan (1746 - 1822). -- 1807

O so steigt ihr Dicken wieder lebend aus der Todesurne!
Doch mit altem gutem Magen! Werdet christliche Saturne2!
Und verschlingt den magern Nachwuchs, o dann sind wir beider los,
Denn nicht lange mehr kann leben, wer solch' gift'ge Kost genoss!

Erläuterungen:

1 Joseph II. (1741- 1790) Kaiser (1765-1790), Alleinherrscher in den österreichischen Ländern von 1780-1790, löste u.a. die kontemplativen Klöster auf bzw. wandelte sie um.

2 Saturn (= Kronos) fraß der griechischen Sage nach seine eigenen Kinder, wurde dann von seinem Sohn Zeus, der durch einen Betrug überleben konnte, entmachtet.


1839


Franz Grillparzer (1791-1872): Epigramme: 1839

Homöopathisch ist die Kur,
Heilt man mit Rückwärtsschritten,
Was Pfaffen und Ignoranz getan,
Durch Dummheit und Jesuiten.


Franz Grillparzer (1791-1872): Epigramme: 1839

Eisenbahnen, Anlehn und Jesuiten
Sind unbestritten
Die Wege, die wahren,
Zum Teufel zu fahren.


um 1842


Hermann von Gilm, Ritter zu Rosenegg (1812 - 1864): Jesuitenlieder. -- um 1842


Hermann von Gilm, Ritter zu Rosenegg (1812 - 1864): Der Jesuit. -- um 1842

Es geht ein finstres Wesen um,
Das nennt sich Jesuit;
Es redet nicht, ist still und stumm,
Und schleichend ist sein Tritt.
 
Es trägt ein langes Trau'rgewand
Und kurzgeschornes Haar
Und bringt die Nacht zurück ins Land,
Wo schon die Dämm'rung war.
 
Es hat nicht Rast und hat nicht Ruh'
Und hat ein fahl Gesicht;
Es drückt beim Tag die Augen zu
Als beiße es das Licht.
 
Es wohnt in einem öden Haus
Und sinnt auf neuen Zwang,
Und schaut es in die Welt hinaus,
So wird der Menschheit bang.
 
Und Jesu trug ein farbig' Kleid,
Und seine Brust war bloß,
Und was er sprach, war Seligkeit,
Und was er tat, war groß.
 
Und Jesu trug ein wallend Haar,
Und seine Wang' war rot,
Und Jesu offnes Auge war
So frei - wie sein Gebot.
 
Am dattelreichen Palmenbaum
Da lehrt' er sein Gebet
Und träumte seiner Liebe Traum
Am See Genezareth. -
 
Drum seh' ich solch 'nen Finsterling,
So fällt mir immer ein:
Wie kann man doch solch' wüstem Ding
So schönen Namen leihn.

Hermann von Gilm, Ritter zu Rosenegg (1812 - 1864): Die Liedertafel und die Jesuiten. -- um 1842

Das Wort ist tot, das freie Wort gekettet,
Der alten Zeiten unheilschwangre Nacht
Hat mit dem jungen Morgenstern gewettet,
Ihr bleib in diesem Lande noch die Macht.
Lasst ihr die Macht des Sieges nicht, ihr Brüder,
Und singt im Lied, was man nicht sagen kann;
Den Hahenenschrei, die Nachtigallenlieder
Vernichtet uns kein Jesuitenbann.

Wenn sie mich hören, ihre bleichen Wangen,
Sie werden bleicher, werden fahl wie Lehm;
Das Lied ist Licht! — Wo Licht ist aufgegangen,
Da flüstern sie ihr heimlich Anathem1.
Sie hassen ja den Frühling und den Morgen
Und jede offne Menschenstirn — Warum?
Sie glauben ihre Feinde drin verborgen
Wie einst in jenem Ross von Ilium2.

Sie wissen, dass die Wälder sie nicht wollen —
Kein Laut der Furcht aus ihren Lippen bricht;
Sie wissen, dass die Berge heimlich grollen,
Doch keine Angst verändert ihr Gesicht.
Sie wissen, dass in jeder keuschen Seele
Der Hass erstarkt an ihrem Übermut, —
Sie ändern keinen Ton in ihrer Kehle,
Sie schneiden keinen Zoll von ihrem Hut.

Wo waren sie, als aus der Schützen Röhren
Das Feuer blitzte und die Kugel pfiff,
Als unser Adler, satt des Grüns der Föhren,
Nach einem Zweig der deutschen Eiche griff?
Tiroleradler! nicht vom Frührotglanze
Der Gletscher, nicht vom Wein und Feindesblut,
Du bist so rot aus Scham, dass mit dem Kranze
Du tragen musst den Jesuitenhut.


Abb.: Tiroleradler

Als aus der Heimat seiner grünen Berge
Der Zillertaler3 schied, verfemt, verbannt,
Und als nach ihnen — draußen sind nur Zwerge —
Zum letztenmal er grüßend hob die Hand:
Da schlich herein ein Paar mit hohlen Augen;
Nichts gattet sich so schnell, mehrt sich so stark
Als Ungeziefer. Seht nun, wie sie saugen
An Weiberherzen und am Männermark.

Seid klug wie sie; noch müsst ihr Masken tragen,
Die Nacht taugt für solch Mummenschanz; zu früh
Ist's noch zu offnem Kampf; es will nicht tagen;
Der Freiheit süße Braut, die Poesie
Ist noch ein Kind und tändelt mit den Sternen:
Nützt wohl die Zeit, bis völlig sie erwacht,
Und tragt  Geduld: Auch junge Lerchen lernen,
Und alle Rosen knospen über Nacht! —

Erläuterungen:

1 Anathem = Bannspruch

2 Ross von Ilium = Trojanisches Pferd

3 Zillertaler: bezieht sich auf die Zillertaler Inklinanten

"Zillertaler Inklinanten, Bezeichnung für rund 430 Evangelische, die 1837 wegen ihres religiösen Bekenntnisses aus dem Zillertal ausgewiesen wurden. Durch die Teilung des Tals zwischen Salzburg und Tirol (bis 1803) war es möglich, dass sich in ihm eine Gruppe von Geheimprotestanten hielt; 1826 kam es zum Austritt zahlreicher Familien aus der katholischen Kirche; darin wurde von Vertretern des Landes Tirol, des Adels und der Kirche eine Gefahr für die religiöse Einheit des Landes gesehen. Die Berufung der Zillertaler Inklinanten auf das Toleranzpatent (1781) blieb erfolglos, Kaiser Franz I. lehnte dies ausdrücklich ab, Kaiser Ferdinand I. befahl die Emigration. Der Großteil der Protestanten aus dem Zillertal wanderte nach Preußisch-Schlesien aus (Erdmannsdorf, Zillertal).Evangelische Gemeinden wurden in Tirol erst 1875 gegründet. "

[Quelle: http://www.aeiou.at/aeiou.encyclop.z/z552301.htm. -- Zugriff am 2004-10-05]


Hermann von Gilm, Ritter zu Rosenegg (1812 - 1864): Die Grundsteinlegung des Jesuitenkollegiums zu Innsbruck. -- um 1842

Ihr habt im Herzen längst die Scham getötet!
Aus Millionen Augen schaut auf euch
Der Morgen, der die Felsenspitzen rötet,
Doch ihr steht unverändert, schwarz und bleich.
Tut, was ihr wollt in eurer finstren Zelle —
Was wir nicht wissen, tadeln wir auch nicht —
Doch heute geht mit Hammer und mit Kelle
Im großen Prunke ihr ans Tageslicht.


Abb.: Tafel am Jesuitenkolleg Innsbruck [Bildquelle: http://www.jesuitenkolleg-innsbruck.at/. -- Zugriff am 2004-10-05]

Wen trifft die Schmach, dass ihr ohn' alle Sorgen
Und ohne Angst, als gält' es unser Wohl,
Hinaus euch wagt in einen Frühlingsmorgen?
Ihr wisst, dass in den Bergen von Tirol
Das Lied verstummt; die Blumen sind geduldig,
Die Vögel jetzt verliebt, und selbst der Sill1
Vorlaute, kecke Reden sind unschuldig,
Und diese alten Felsen schweigen still.

Doch mag die Erde, mag der Himmel schweigen,
Ich schweige nicht! Ergreift den ersten Stein,
Senkt ihn hinab, lasst Weihrauch drüber steigen
Und spritzt ihn mit geweihtem Wasser ein!
Du Fürst der Kirche nimm die Maurerkelle
Nunmehr zur Hand, gib auf das Handwerk acht
Und wirf den Mörtel kunstrecht an die Stelle,
Und sage nun, was Großes du vollbracht!

Ein Meisterstück! Weißt du, was du begraben?
Des Landes Jugend und des Landes Wohl,
Die Seligkeit von vielen hundert Knaben,
Die Hoffnung und den Frühling von Tirol!
Da liegt der Duft von dunklen Föhrenwäldern,
Die Heimatshütte nah' am Wasserfall,
Der Jubel und die Lieder auf den Feldern,
Die wilden Rosen und die Nachtigall!

Verweile noch; noch einmal nimm die Kelle!
Ich weiß, ihr hasst den Dichter und das Lied.
Nehmt mich und legt mich an des Steines Stelle,
Der Abend naht, ich bin des Lebens müd':
Wenn diese Mauern fallen und wenn wieder
Ein Morgensturm euch fegt aus diesem Land,
Die Toten auferstehn — dann sind die Lieder,
Wie sie die Freiheit braucht, gleich bei der Hand.


Abb.: Eingang zum Jesuitenkolleg Innsbruck, Sillgasse [Bildquelle: http://www.jesuitenkolleg-innsbruck.at/. -- Zugriff am 2004-10-05]

Erläuterungen: Die theologische Fakultät an der staatlichen Universität Innsbruck wurde 1857 der österreichischen Jesuitenprovinz übertragen: Der Jesuitenprovinzial stellt der Fakultät gegen eine Jahressumme von 8000 Gulden acht Professoren aus dem Jesuitenorden, ernennt den Dekan der Fakultät und überwacht die Einhaltung der Gesetzesvorschriften. Der Provinzial kann Professoren abberufen und durch andere ersetzen. Von seinen Maßnahmen braucht er nur dem Ministerium kurze Mitteilung zu machen. Diese Bestimmungen galten noch im Jahre 1965!!! Die Jesuitenprovinziale machten von diesen Befugnissen weidlich Gebrauch. So wurde z.B. der Moraltheologe Professor Johannes Kleinhappl SJ (1893-1979) 1947 wegen angeblich marxistischer Ansichten vom Provinzial abgesetzt.

1 Sill: Nebenfluss des Inn, das Jesuitenkolleg liegt in der Sillgasse


Hermann von Gilm, Ritter zu Rosenegg (1812 - 1864): Ein Hindernis. -- um 1842

Es geht durchs blühende Haidenfeld
Mit klösterlichem Schritt,
Mit breitem Hut und weitem Gewand
Ein langer Jesuit.

Ein alter, kahler Tannenbaum
Am Waldessaume steht;
Der spricht für sich: "Könnt' ich vom Platz,
Ich wüsste, was ich tät'!"


Hermann von Gilm, Ritter zu Rosenegg (1812 - 1864): Der Tiroler Landtag. -- um 1842

I.

In Innsbruck tagen die Gesetzverfasser.
Da brüllt es plötzlich laut vor dem Portale;
Und von der Sill, der Ziller und der Passer
Drängt Rind um Rind sich nach dem goldnen Saale:

"Schafft uns das Salz zum kargen Mittagsmahle,
Das sündhaft wird geworfen in das Wasser,
Wir dulden viel, sind sonst auch keine Prasser,
Doch täglich schlechter wird die Kost im Tale."  —

An eure Pflüge, Stiere, Bärenhäuter,
Schallt's von den ersten Bänken der Leviten
Auf fetter Trift, ihr Kühe, füllt die Euter;

Wir meinen, euch genügen Gras und Kräuter —
Doch untertänigst wollen wir erbitten
Von seiner Majestät die Jesuiten!

II.

Die Rinder gehn, die Frechheit abzubüßen, —
Horch, welch ein seltsam Rauschen an den Türen,
Die Antipoden sind's von unsern Flüssen,
Der Inn, die Etsch in Nymphen-Coiffuren.

"Wir sind es satt, die Blumen abzuküssen
Und Scheiter Tag für Tag talab zu führen;
Baut Schiffe, welch' Bewegen, welches Rühren,
Wenn unsre Flagge wird zwei Meere grüßen."

Hei! wie die Äbte springen auf die Stühle,
Dass keiner an den Beinen sich verkühle:
Wir halten fest an unsern alten Sitten,

Was Schiffe, Flaggen! geht und treibt die Mühle —
Indessen untertänigst wir erbitten
Von seiner Majestät die Jesuiten!

III.

Die Nymphen gehn, der Redner soll beginnen —
Es klopft — Was gibt's? Ein Fass voll Wein, getragen
Von Mädchen, blühend gleich den Maientagen,
Blauäugig, wie sie sind, die Winzerinnen.

Sie neigen sich, sie bücken sich, sie sagen::
"Gar ungeduldig wird der Wein da drinnen,
In alle deutschen Lande möcht' er rinnen,
Der Einheit rosig Band um sie zu schlagen!"

Die Junker auf den Adelsbänken wiken
Den Mädchen gnädig zu, die Zenobiten
Jedoch im heil'gen Zorn: Uns will bedünken,

Dass wir den Wein, wie früher, selber trinken
Und untertänigst sollen uns erbitten
Von seiner Majestät die Jesuiten

IV.

Zur Ordnung ruft des Präsidenten Zeichen;
Da poltert's in den Vorsaal ganz gewaltig —
Aufspringt die Tür! Ein Felsstück missgestaltig,
Vermodert, eine unsrer Alpenleichen!

"Seht mich Geschundenen! Und meinesgleichen
Sind Hunderte! Weil Früchte tausendfaltig
Euch nicht genügen, fällt ihr unnachhaltig
Die Wälder mit selbstmmörderischen Streichen!

Die Väter starr, wie Bilder in den Rahmen,
Nur einer mutig: Wind und Wetter nahmen
Die letzte Hand voll Erd den Dolomiten;

Wir können nackte Felsen nicht besamen —
Dagegen aber können wir erbitten
Von seiner Majestät die Jesuiten!

V.

Und wieder tönt die Glocke, Ruh' zu schaffen,
Doch sieh, da naht mit flehender Gebärde
Ein Greis im Lodenrock; — die Väter gaffen
Ihn fragend an, was er begehren werde.
"Ich stand mit Hunderttausenden in Waffen,
Zum Schutz dem deutschen Recht, dem deutschen Herde,
Nun stehlen welsche Lehrer, welsche Pfaffen
Heimtückisch Stück um Stück von unsrer Erde!"

Der gute Mann beliebe abzutreten —
Wenn wir nur an dem Glauben nicht gelitten,
Hilft uns der liebe Gott aus allen Nöten!

Ob deutsch, ob welsch, wenn wir nur fleißig beten,
Und darum wollen wir uns jetzt erbitten
Von seiner Majestät die Jesuiten!

VI.

Wir haben sie, nach denen ihr gerufen —
Nun schützet sie, sie können es verlangen,
Vor all dem Vieh, das hungernd weggegangen,
Vor Rinderhörnern und vor Rosseshufen.

Schützt sie vor der Empörung in den Kufen,
Den Winzerinnen, die mit glühenden Wangen
Die Freiheit des Tiroler Weines sangen
An ihrer Häuser rebumrankten Stufen.

Schützt sie vor unsrer Flüsse bitterm Grollen —
Schützt sie vor der Lawine Niederrollen,
Der waldberaubten Berge Hochgericht!

Schützt sie vor deutschem Geist und deutschem Grimme,
Schützt sie nun vor des Weltgewissens Stimme,
Vor meinen Liedern schützet ihr sie nicht!


1844


Franz Grillparzer (1791-1872): Epigramme: Namensunterschied 1844

Was nennt ihr nicht von Christus euch,
Warum mit Jesus brüsten?
Weh! Dass ihr Jesuiten seid,
Indes wir andern Christen.


1846


Hermann von Gilm (1812 - 1864): Aus: Sonette an eine Roveretanerin. -- 1846

Neugierig läuft das Volk mit Eilesschritten
Zur fremden Predigt; unsre Priester taugen
Nichts mehr; der Reiz ultramontaner Laugen
Ist die geheime Kunst der Jesuiten.

Ein armes Pferd steht vor der Kirch' inmitten
Der frommen Büßer, scharfe Bremsen saugen
An seinen offnen Wunden; in den Augen
Die stumme Schrift, wie viel es schon gelitten.

Zur Erde tief senkt es das Haupt, das kranke,
Es betet wohl; sein Dränger treibt es fort,
Den Peitschenstock ihm stoßend in die Flanke.

Das ist der Gottesdienst in diesem Ort,
Im Tempel drinnen sein entstelltes Wort
Und draußen sein geschundener Gedanke.


Hermann von Gilm (1812 - 1864): Aus: Sonette an eine Roveretanerin. -- 1846

Was doch ein Jesuit kann alles wissen!
Er predigte: Der Mensch kann nichts vollbringen;
Wenn ich und du auf diesen Rasen springen,
So hat es Gott getan mit unsern Füßen.

Und wenn wir etwas tun von bösen Dingen,
Zum Beispiel stehlen, raufen oder küssen —
Was wir uns aber niemals unterfingen —
Hat Gott im Himmel mit uns stehlen müssen.

Daraus ergab sich nun der Sünden Schwere,
Weil Gott, der Reinste, Lob der Engelzungen,
Vom Sünder wird zum Sündigen gezwungen.

Der Jesuit bringt dich zu großer Ehre,
Nicht ich, nach dieser orthodoxen Lehre:
Gott selbst hat die Sonette dir gesungen.


Hermann von Gilm (1812 - 1864): Aus: Sonette an eine Roveretanerin. -- 1846

Die Jesuitenmission1 — ich schriebe
Es nicht, wär' nicht bewiesen die Geschichte —
Trägt  auf dem faulen Stamm doch gute Früchte;
Denn wundertätig wirkt sie auf die Diebe.

Wenn nur das Mädchen, das ich heimlich liebe —
Auf dem madonnahaften Angesichte
Mischt sich der Glaube mit dem Morgenlichte —
Den Vätern Jesu nicht so ferne bliebe.

Vielleicht, dass den geraubten Schlaf der Nächte,
Den Seelenfrieden, der von dannen schied,
Mir bald die schöne Diebin wiederbrächte;

Vielleicht sind meine Tage schon verblüht,
Dass sie dem armen Vaterland vermächte
Ihr reiches Herz und mein gestohlnes Lied.

Erläuterung:

1 es handelt sich um eine Volksmission, die der religiösen Erweckung der Gläubigen dient.


1848



Abb.: Anonyme österreichische Karikatur auf die Jesuiten. -- 1848

Vergiss das Wort nicht, Freund, schafft Trübsinn dir jetzt Qual,
Das sterbend ausrief unser General:
„Wie Lämmer seid ihr in die Welt gekommen,
Habt grimmig euch wie Wölfe drin benommen,
Zwingt man euch drob wie Hunde zum Entweichen,
Ihr werdet doch empor als Adler wieder steigen!"
 

[Bildquelle: Fuchs, Eduard: Die Karikatur der europäischen Völker vom Jahre 1848 bis zur Gegenwart. -- Berlin : Hofmann, 1903. -- 486 S. : Ill. -- Nach S. 40; Textquelle: Wendel, Friedrich <1886 - >: Die Kirche in der Karikatur : eine Sammlung antiklerikaler Karikaturen, Volkslieder, Sprichwörter und Anekdoten. -- Berlin : Der Freidenker, 1927. -- 154 S. : Ill. -- S. 108.]



Abb.: "Schöne Seelen treffen sich": Jesuitengeneral Rothan, Louis Philipp, Metternich und der Preußenprinz treffen sich an der Themse. -- Leipzig. -- 1848

[Quelle: Fuchs, Eduard: Die Karikatur der europäischen Völker vom Jahre 1848 bis zur Gegenwart. -- Berlin : Hofmann, 1903. -- 486 S. : Ill. -- S. 55]



Abb.: "Marsch, Kinder, mordet die ruchlosen Bösewichte! Seid tapfer ... ihr werdet für alles Ablass erhalten!". -- Karikatur auf die Beteiligung der Jesuiten an der Gegenrevolution

[Quelle: Fuchs, Eduard <1870 - 1940>:  Die Karikatur der europäischen Völker. -- München : lange. -- Teil 1: Vom Altertum bis zum Jahre 1848. -- 4., vermehrte Aufl. -- 1921. -- 480 S. : Ill. -- S. 311]


1853


Ludwig Eichrodt <1827-1892>: An die Deutschen des 19. Jahrhunderts. -- 1853

Schiller und Goethe hat gar nicht gelebt, ihr deutschen Barbaren?!
Amaranth1 lest ihr und hört Schülern des Loyola zu.

Erläuterung:

1 Amaranth

Amaranthes [= Corvinus, Gottlieb Siegmund <1677 - 1746>]: Nutzbares, galantes und curiöses Frauenzimmer-Lexicon : Worinnen nicht nur Der Frauenzimmer geistlich- und weltliche Orden, Aemter, Würden, Ehren-Stellen, Professionen und Gewerbe, Privilegia und Rechtliche Wohlthaten, Hochzeiten und Trauer-Solennitäten, Gerade und Erb-Stücken, Nahmen und Thaten der Göttinnen, Heroinen, gelehrter Weibes-Bilder, Künstlerinnen, Prophetinnen, Affter-Prophetinnen, Märtyrinnen, Poetinnen, Ketzerinnen, Quackerinnen, Schwärmerinnen ... ; Sondern auch Ein vollkommenes und auf die allerneueste Art verfertigtes Koch- Torten- und Gebackens-Buch, Samt denen darzu gehörigen Rissen, Taffel-Auffsätzen und Küchen-Zettuln, Ordentlich nach dem Alphabet ... abgefaßt ... dem weiblichen Geschlechte insgesamt zu sonderbaren Nutzen, Nachricht und Ergötzlichkeit auff Begehren ausgestellet / Von Amaranthes. -- Leipzig : ... bey Joh. Friedrich Gleditsch und Sohn, 1715. -- [XVI] S., 2176 Sp., [32] S. : Ill.

 

"Frauenzimmerlexikon von Amaranthes, eigentlich Gottlieb Sigmund Corvinus (1677-1746), ist 1715 in Leipzig erschienen. Sein Titel ist 36 Zeilen lang, sein Inhalt auf 1176 Spalten gedruckt. »Frauenzimmer« ist ihm die gebildete Frauenwelt, der er einen Begriff alles Wissenswerten geben will. Seine medizinischen Kenntnisse sind elend, wie die Artikel über Bleiche- Farb-Sucht, das Wüten der Mutter, Mann-Tollheiten und Kutten-Tollheiten, Liebes-Fieber und andere Frauenkrankheiten beweisen. Das Buch hat als kulturgeschichtliches Kuriosum hohen Wert."

[Quelle: Bilderlexikon der Erotik : Universallexikon der Sittengeschichte und Sexualwissenschaft / Institut für Sexualforschung. -- 
Wien, 1928-1932. -- CD- ROM-Ausgabe: Berlin : Directmedia, 1999. -- (Digitale Bibliothek ; 19). -- ISBN 3932544242. -- S. 12309. -- {Wenn Sie HIER klicken, können Sie diese CD-ROM  bei amazon.de bestellen}]


1855


Paul Heyse (1830-1914): Distinguendum est [= "Man muss unterscheiden"]. -- 1855

Wie hochempört wir den Jesuiten grollen,
Weil mit den Mitteln sie der Zweck versöhnt!
Doch »wer den Zweck will, muss die Mittel wollen« -
Wie tüchtig das und biedermännisch tönt!


1856


Kaiser Franz Joseph I. von Österreich (1830 - 1916): anlässlich der Gründung des Jesuitenkollegs Stella Matutina in Feldkirch (Vorarlberg). -- 1856 (ernst gemeint!)

Ein gutes Jesuitenkolleg in Unserem Reiche ist Uns lieber als einige neue Regimenter Soldaten.


Abb.: Stella Matutina, 1860: im Vordergrund die ehemalige Kaserne, das erste Gebäude des Kollegs 1856


1866


Georg Herwegh (1817-1875): München. -- Mai 1866

Sachsen bessert Waldheim aus,
Preußen flickt am Kölner Dome,
Baue du ein Opernhaus,
Junger Fürst am Isarstrome!

Mach' Musik! und lass beim Krug
Den Philister Pfeifen stopfen;
Mach Musik! die Muse trug
Niemals einen Kranz von Hopfen.

Lies den Schiller! mit der Zeit
Kannst du Goethe dir erlauben;
Stärk an ihrer Herrlichkeit
Dir zuweilen deinen Glauben!

Lies den Aristophanes
Lieber als den Jeremias;
Läuft der Pfordten1 in die Mess'
Lass ihn laufen — samt der Trias2.

Mach' Musik! wenn Meyerbeer
Dir missfällt, so stell Beethoven,
Wie der Grieche den Homer,
Über alle Philosophen.

Den Homeros nannt' ich hier,
Die ambrosischen Gesänge —
Lies auch sie — vielleicht wird dir
Mazedonien zu enge.

Mach' Musik, wie ehedem
Judas edle Potentaten;
Sie regierten so bequem
Mit dem Taktstock ihre Staaten.

David war ein Virtuos!
Seine Lieder sind kein Guano;
Auf der Harfe war er groß,
Wie der Liszt auf dem Piano.

Von der Sulamith3 behext,
Hat sein Leiden und sein Lieben
Uns in einem Operntext
Salomon sehr schön beschrieben.

Bist auch du des Gottes voll,
So besteige kühn den Renner;
Aber merke dir: Apoll
Ist kein Gott der Dunkelmänner.

Höre, was er zürnend spricht:
"Kommen seh' ich alle Eulen,
Nur Minervas Eule4 nicht,
Unter diese Marmorsäulen.

"Kommen seh' ich Mönch und Nonn'
In den schwärzesten Kapuzen,
An der Isar euch die Sonn'
Des Jahrhunderts auszuputzen.

"Scheu am Tage kriecht das Pack
Knechtisch um des Thrones Stufen,
Um dir nächtlich Ravaillac5,
Henri quatre ins Ohr zu rufen.

Pater Roh6 und Pater Beckx7!
Welch ein Spuk im Jahr der Gnade
Achtzehnhundertsechzigsechs!
Welche Blocksbergsmaskerade8!

"Hätten gar zu gern erweckt
Neue Glut in frommen Herzen,
Scheiterhaufen angesteckt
Mit dem Licht geweihter Kerzen!

"Schade! murmelt Satanas:
Wär' das Holz nur nicht so teuer.
Doch Geduld! wir brennen Gas
Nächstens für ein Ketzerfeuer.

"Schwärm' für Tell,  doch zeig auch Mut!
Sei des Bayerngeists Entfessler!
Weg den Jesuitenhut!
Weg wie mit dem Hut von Gessler!"

Erläuterungen: Angesprochen wird Ludwig Friedrich Wilhelm von Wittelsbach (1845 - 1886), als Ludwig II. von Bayern König von Bayern (10. März 1864 - 13. Juni 1886).

1 Pfordten = Ludwig Freiherr von der Pfordten

"Pfordten, Ludwig Frh. von der, Jurist, Staatsmann, geb. 11.9.1811 Ried/Innkreis (Oberösterreich), gest. 18.8.1880 München

Der Sohn eines Landrichters studierte Rechtswissenschaften in Erlangen und Heidelberg, habilitierte sich 1833 für römisches Recht in Würzburg und wurde hier 1834 a.o., 1836 o.Prof. des römischen Rechts. Wegen seiner freisinnigen Haltung wurde Pfordten 1841 als Appellationsgerichtsrat nach Aschaffenburg versetzt, folgte 1843 einem Ruf als Prof. nach Leipzig und wurde als einer der Führer der sächsischen Liberalen im März 1848 sächsischer Minister für Auswärtiges und für Kultus. Im April 1849 wurde er Außenminister in Bayern, übernahm im Dezember 1849 auch das Amt des Ministerpräsidenten und versuchte als einer der Hauptvertreter der Triasidee, durch den Zusammenschluss der deutschen Mittelstaaten neben Preußen und Österreich eine dritte Macht innerhalb des Deutschen Bundes zu schaffen. Als sich diese Politik nicht realisieren ließ, trat Pfordten zurück, war seit 1859 bayerischer Gesandter beim Deutschen Bund in Frankfurt/Main und nach dem Regierungsantritt König Ludwigs II. von Bayern seit 1864 erneut Ministerpräsident. 1866 scheiterte er bei Vermittlungsversuchen zwischen Preußen und Österreich, schloss einen Separatvertrag mit Österreich und musste nach der Niederlage im Deutschen Krieg von 1866 zurücktreten."

[Quelle: Deutsche biographische Enzyklopädie & Deutscher biographischer Index. -- CD-ROM-Ed. -- München : Saur, 2001. -- 1 CD-ROM. -- ISBN 3-598-40360-7. -- s.v.]

2 Trias = Bund der deutschen Mittel und Kleinstaaten als dritte Kraft (Trias) im Deutschen Bund neben Österreich und Preußen

3 Sulamith: siehe Hoheslied 7

4 Minervas Eule = Vogel der Weisheit

5 Ravaillac

"François Ravaillac (* 1578 in Touvre bei Angoulême, † 27. Mai 1610), war der Mörder von Heinrich IV. von Frankreich.

Ravaillac war einfacher Herkunft und arbeitete zunächst als Diener und später als Lehrer. In hohem Maße religiös, trat er dem Orden der Feuillants bei, wurde jedoch nach kurzer Zeit wegen seines Hanges zu Visionen entlassen. 1606 versuchte er vergeblich, in die Gesellschaft Jesu einzutreten.

1609 hatte er eine Vision die ihn beauftragte, Heinrich IV. zu überzeugen, den Hugenotten beizutreten. Da es ihm nicht gelang, mit dem König in Kontakt zu treten, interpretierte er die Entscheidung des Königs, die Niederlande zu überfallen, als den Beginn eines Krieges gegen den Papst. Um den König davon abzuhalten, beschloss er, ihn zu töten. Er stach Heinrich IV. am 14. Mai 1610 in der Rue de la Ferronnerie in Paris nieder. Er wurde umgehend festgenommen und in das Hôtel de Retz gebracht, um zu verhindern, dass er vom Mob gelyncht würde. Während seiner Verhöre wurde er mehrfach gefoltert, blieb aber dabei, dass er keine Auftraggeber oder Komplizen hatte.

Am 27. Mai wurde er auf der Place de Grève hingerichtet. Seine Eltern wurden des Landes verwiesen und der Rest der Familie angewiesen, nie wieder den Namen Ravaillac zu verwenden."

[Quelle: http://www.aberhallo.de/lexikon/index.php/Fran%E7ois_Ravaillac. -- Zugriff am 2004-09-15]

6 Pater Roh

"ROH, Peter, volkstümlicher Prediger und Volksmissionar aus dem Jesuitenorden, * 14.8. 1811 Conthey (Wallis), + 17.5. 1872 Bonn. - Nach der Schulzeit in den Jesuitenkollegien in Brig und Sion seit 1829 Jesuit, studierte Roh in Brig und Freiburg/Schweiz (Priesterweihe 1840) und lehrte dort ab 1842 als Professor für Dogmatik, ebenso 1845-47 in Luzern. Im Sonderbundskrieg als Feldprediger tätig, floh Roh 1847 nach Italien, Österreich und ins Elsass, wo er als Hauslehrer wirkte, und wurde 1849 Professor in Löwen. Seit 1850 war Roh mit der Evangelisation Deutschlands durch den Orden beauftragt und war bei Volksmissionen, Konferenzen und Exerzitien in fast ganz Deutschland und darüber hinaus tätig, 1858-66 auch Theologieprofessor in Paderborn und Maria Laach. Er wirkte bei der Zeitschrift »Stimmen aus Maria Laach« mit; am I. Vatikanischen Konzil nahm er als Berater des Paderborner Bischofs Martin teil. Er gehörte mit zur infallibilistischen Kerngruppe und entwarf das erste Schema der Forderung, die Unfehlbarkeit des Papstes zu sanktionieren (Unfehlbarkeitsaddresse Anfang Januar 1870). - Roh war einer der talentiertesten Redner und Prediger des 19. Jahrhunderts, der seine Zuhörer gefangen nahm, wovon die zahlreichen veröffentlichten Predigtmitschriften zeugen; daher Rohs Berühmtheit als einer der tätigsten und beredsten Volksmissionare. Hinzu kam seine Bedeutung als apologetischer Schriftsteller. Viele seiner Schriften wurden mehrfach aufgelegt und in andere Sprachen übersetzt. So kann Roh wohl als der bekannteste Schweizer Jesuit des 19. Jahrhunderts gelten. "

[Quelle: Klaus-Bernward Springer. -- http://www.bautz.de/bbkl/r/roh_p.shtml. -- Zugriff am 2004-09-15] 

7 Pater Beckx

"BECKX, Pierre Jean, General des Jesuitenordens, * 5.2. 1795 in Sichem (Brabant) als Sohn eines Schuhmachers, † 4.3. 1887 in Rom. - Beckx besuchte seit 1815 das Seminar in Mecheln, empfing am 6.3. 1819 die Priesterweihe und war kurze Zeit Kaplan in Uecle bei Brüssel. Er trat am 29.10. 1819 in Hildesheim in die Gesellschaft Jesu ein und wirkte als Seelsorger in Hamburg, Hildesheim und Braunschweig und als Professor des Kirchenrechts am Seminar in Hildesheim. Nach dem Übertritt des Herzogs Friedrich Ferdinand von Anhalt-Köthen zur katholischen Kirche wurde Beckx 1826 sein Hofkaplan. Nach dem Tod des Herzogs siedelte Beckx 1830 als Beichtvater der verwitweten Herzogin Julie mit ihr nach Wien über und blieb dort bis zu ihrem Tod im Jahr 1848. Da die Jesuiten 1848 aus Österreich vertrieben wurden, begab er sich nach Belgien und wurde 1851 Rektor ihres Kollegs in Löwen, kehrte aber, als die österreichische Regierung die Jesuiten in ihr Land zurückrief, nach Wien zurück und wurde 1852 Provinzial von Österreich und am 2.7. 1853 als Nachfolger des Johannes Roothan der 22. General der Gesellschaft Jesu. Beckx entfaltete bis zu seiner Abdankung am 11.5. 1884 eine erfolgreiche propagandistische, diplomatische und organisatorische Wirksamkeit. Die Zahl der Ordensmitglieder stieg von 5209 im Jahr 1853 auf 12070 im Jahr 1887, obwohl der Orden in mehreren Ländern verboten wurde. Beckx gründete in Rom die »Civiltà Cattolica«, das einflussreiche Hauptorgan des Jesuitismus, in Frankreich die »Etudes«, in Deutschland die »Stimmen aus Maria Laach« und in Österreich die »Zeitschrift für katholische Theologie«. Auf Pius IX. übte er starken Einfluss aus. 1872 weihte Beckx alle Provinzen des Ordens dein Göttlichen Herzen Jesu. 1873 siedelte er nach Fiesole bei Florenz über, wo der Sitz der Ordensregierung bis 1895 blieb. Beckx war ein eifriger Verbreiter der Marienverehrung. Ihm wurde auf seinen Wunsch 1883 Antonius Anderledy als Generalvikar cum iure successionis beigegeben. Die letzten Jahre seines Lebens verbrachte Beckx in Rom. "

[Quelle: Friedrich Wilhelm Bautz. -- http://www.bautz.de/bbkl/b/beckx_p_j.shtml. -- Zugriff am 2004-05-07] 

8 Blocksberg = Brocken (Harz): Versammlungsort der Hexen


Georg Herwegh (1817-1875):  aus: Ballade vom verlorenen König. -- Mai 1866

"Der Dunkelmann, der Jesuit
Begegnen mir auf jedem Schritt;
Stänk's nur nach Käs' und Rettich,
Ich trüg' es — doch wie rett' ich
Mich vor dem Duft aus Petri Stuhl,
Ich armes Lamm in diesem Pfuhl!"


1872



Abb.: Vor Pilatus. -- Katholische antisemitische Karikatur. -- Bayer. -- In: Bremse. -- 1872-03-20

"Kreuzige ihn; denn er ist ein Jesuit! Wenn du diesen loslässt, so bist du kein Freund des Kaisers"

Erläuterung: Anspielung auf Johannesevangelium 19,12: "Von da an trachtete Pilatus, wie er ihn losließe. Die Juden aber schrieen und sprachen: Lässt du diesen los, so bist du des Kaisers Freund nicht; denn wer sich zum König macht, der ist wider den Kaiser." Bismarck ist als Pilatus dargestellt. Der Ankläger ist eindeutig Jude und Freimaurer.

[Bildquelle: Dr. Sigl, ein Leben für das Bayerische Vaterland / hrsg. von Rupert Sigl. -- Rosenheim : Rosenheimer, 1977. -- 327 S. : Ill. ; 21 cm. -- (Rosenheimer Raritäten). --  ISBN 3-475-52201-2. -- S. 199]



Abb.: In Bayern studiert man der Klöster Jesuitenverwandtschaft. -- Katholische Karikatur. -- Bayern. -- Um 1872

Erläuterung: Bezieht sich auf das Jesuitengesetz, das Reichsgesetz vom 4. Juli 1872, betreffend den Orden der Gesellschaft Jesu. Das Gesetz bestand bis zum 8. März 1904 aus nachfolgenden drei Paragraphen:

[Bildquelle: Dr. Sigl, ein Leben für das Bayerische Vaterland / hrsg. von Rupert Sigl. -- Rosenheim : Rosenheimer, 1977. -- 327 S. : Ill. ; 21 cm. -- (Rosenheimer Raritäten). --  ISBN 3-475-52201-2. -- S. 230]


Georg Herwegh (1817-1875): Jesuiten-Feldzug. -- 1872

Trotz ungeheurer Strategie
Und wunderbarer Führung.
Trotz Stiebers1 Polizeigenie
Und Attentats-Erspürung:

Trotz eurem großen Schlachtengott
Und eurem Schlachtengötzen,
Trotz Festung, Zuchthaus und Schafott
Hubertusburg und Lötzen2;

Trotz Kanzelparagraphen3 und
Hochverratsprozessen
Trotz eurer Dichter feilem Mund
Und eurer feilen Presse:

Trotz eurem Militärarrest —
In finsteren Verließen
Das dulce et decorum est
pro patria4 zu genießen;

Trotz allem Rheuma, allem Ruhm
Trotz Krupp und allen Krüppeln,
Trotz allem Flintenstudium —
Und Laskers5 Zukunftsknüppeln;

Trotz allem Heldenübermut
Der neuen Weltzerzauser,
Trotz allem noch verheißnen Blut
Durch Werder oder Mauser6;

Trotz allem Barbarossaspuk
Und anderen Phantomen,
Trotz Auerbach im Ordensschmuck
Mit seinen „Astronomen":

Trotz Fahnenweihn und Vivatschrein
Und Transparent-Verschwendung.
Und Siegesfests-Salbaderein
Von Zollerns hoher Sendung;

Trotz einer Beute, fabelhaft,
Und trotz der Fonds der Welfen7.
Die beide mit vereinter Kraft
Zwing-Deutschland bauen helfen;

Trotz allem war der Fuß von Ton
Nicht länger zu verstecken,
Trotz allem könnt ein Steinchen schon
Den Reichskoloss erschrecken! —

Von Nebenbuhlern schwer bedroht.
War euer Herr und Lenker;
Herbei, ihr Freunde in der Not.
Ihr wohldressierten Denker!

Die ihr Gewalt lasst auf Gewalt
Ihn türmen, und dem Fetisch
Andächtig alles nachgelallt
Im Bierhaus und am Teetisch —

Herbei ihr Weisen an der Spree.
Ihr unbefleckten Lilien,
Erklärt den Krieg zu Land und See
Den römischen Reptilien!

Erheitert "Ihn" — tut in den Bann
Den Syllabus-Verbreiter8
Und lasst dafür vermehren dann
Kanonen, Fußvolk, Reiter!

Erläuterungen:

1 Stieber: Wilhelm Stieber (1818-1882 ), Criminal-Polizei-Director beim Polizei-Präsidium zu Berlin, Geheimdienstschef

2 Hubertusburg (Sachsen): Festungshaftanstalt;  Lötzen = heute Gizycko (polen, Masuren), Festungsstadt, Gefängnis

3 Kanzelparagraph: Der Kanzelparagraph verbietet es den Geistlichen, in ihren Predigten Stellung gegen die Politik der Regierung zu beziehen.

4 dulce et decorum est pro patria mori (lateinisch) = "süß ist's und ehrenvoll, fürs Vaterland zu sterben" (Horaz, carmina III, 2, 13)

5 Lasker: Eduard Lasker

"Lasker, Eduard, Politiker, Publizist, geb. 14.10.1829 Jarotschin (Prov. Posen; heute Jarocin, Polen), gest. 5.1.1884 New York

Der Sohn eines wohlhabenden Nagelfabrikanten besuchte zunächst die Talmudschule in Ostrowo und wechselte dann auf ein Breslauer Gymnasium. Dort änderte er seinen Vornamen Jizchak in Eduard und studierte 1846-50 Jura. Während der Revolution 1848 gab er eine eigene Zeitung "Der Socialist" heraus, beteiligte sich im Oktober an der Verteidigung Wiens gegen die Truppen der habsburgischen Reaktion und lernte dabei Robert Blum kennen. Nach Studien bei Rudolf von Gneist legte er die juristischen Staatsexamina ab und arbeitete 1853-56 für eine Firma in London, wo er sich mit dem Emigranten Gottfried Kinkel anfreundete. Lasker hat darüber in dem Roman Erlebnisse einer Mannes-Seele (1873) berichtet. Nach Berlin zurückgekehrt, war er zunächst als Journalist tätig und bald ein wichtiger Autor des wiedererstarkten Liberalismus. Sein erster Essay in den "Deutschen Jahrbüchern" behandelte das zentrale Problem Polizeistaat und Rechtsstaat (1861). Von 1865 bis 1879 Mitglied des preußischen Abgeordnetenhauses und seit 1867 auch des Reichstags, wurde der Nationalliberale bekannt dafür, dass er gewissenhaft keine Sitzung versäumte und kompetent zu Themen aller Art Stellung nahm. Als Führer des linken Flügels seiner Partei hatte er eine Schlüsselposition inne, und Bismarck meinte im Scherz, es bewege sich im Reichstag nur noch, was "den Stempel Lasker" trage. Neben Johannes Miquel beeinflusste er maßgeblich die einheitliche Neugestaltung der Verfassung und der Gerichtsverfahren. Als besonders gelungen empfand Lasker den Aufbau der Verwaltungsgerichtsbarkeit von der lokalen Ebene bis zum neuen Reichsgericht in Leipzig. Dagegen erreichte er weder eine Stärkung der Rechte des Parlaments noch einen besseren Schutz der Pressefreiheit. Als einziger Nationalliberaler stimmte Lasker gegen die "Kulturkampf"-Gesetze.

Soziale und emotionale Konflikte spielten im Weltbild des nüchternen Juristen keine Rolle, doch war Lasker Mittelpunkt eines literarischen Kreises, dem neben Politikern auch Schriftsteller wie Berthold Auerbach, Friedrich Spielhagen und Julius Rodenberg angehörten. Seine eigenen Vorträge erschienen unter dem Titel Wege und Ziele der Culturentwicklung (1881). Darin kommt ein unerschütterliches Vertrauen in den "breiten Fluss der Civilisation" zum Ausdruck. Die Erziehung habe das Individuum "auf alle denkbaren Lagen vorzubereiten". Noch geprägt vom pädagogischen Optimismus der Aufklärung erklärte Lasker, allein wissenschaftliche und künstlerische Bildung führe zu Fortschritt und dauerhaftem Glück.
Als Nachfolger von Karl Twesten bezog er selbst nur ein bescheidenes Gehalt des Berliner Pfandbriefamtes. Als Lasker 1873 öffentlich auf die undurchsichtige Praxis der Eisenbahnkonzessionen und Beziehungen zwischen Bethel Henry Strousberg und Regierungskreisen hinwies, löste das eine Reihe von Enthüllungen über den "Gründerschwindel" aus, die zum Sturz Hermann Wageners und des Handelsministers Heinrich von Itzenplitz führten. Bis dahin wegen seiner kleinen Gestalt eher ein Motiv der Karikaturisten, wurde der mit Gerson von Bleichröder befreundete Lasker nun auch zum Ziel antisemitischer Angriffe, die durch anonyme Artikel der "Kreuzzeitung" gegen die angebliche "Ära Lasker -- Bamberger -- Oppenheim" 1875 eröffnet wurden. Auf Laskers Widerstand gegen eine das Budgetrecht des Reichstags einschränkende Finanz- und Zollpolitik reagierte Bismarck 1879 mit dem verächtlichen Wort über Berufspolitiker als Volksvertreter: "Sie säen nicht, sie ernten nicht, sie weben nicht [...] und doch sind sie gekleidet". 1880 verließ Lasker an der Spitze der "Secession" seine Fraktion, die sich dem Kurs des Kanzlers unterordnete, und begann mit der Fortschrittspartei Eugen Richters zusammenzuarbeiten.

Gesundheitlich völlig erschöpft, trat er 1883 eine als Erholungsurlaub gedachte Reise durch die USA an, wo er zu den Ehrengästen der Eröffnungsfahrt der "Northern Pacific Railroad" gehörte. Die freundliche Begrüßung durch deutsche Einwanderer, Unternehmer, Parlamentarier und jüdische Organisationen zeigte, mit wieviel Sympathie Lasker in einer liberalen Gesellschaft rechnen konnte. Als das Repräsentantenhaus nach seinem Tod dem Reichstag kondolierte, verweigerte Bismarck die Annahme des Schreibens, denn dieser Mann habe ihm zu oft "die Suppe versalzen". Das konnte die persönliche Integrität und die historischen Verdienste L.s nicht berühren, dessen großes Ziel, der von seinen Bürgern mit Leben erfüllte Rechtsstaat, seither an Aktualität nur gewonnen hat. "

[Quelle: Michael Matthiesen. -- In: Deutsche biographische Enzyklopädie & Deutscher biographischer Index. -- CD-ROM-Ed. -- München : Saur, 2001. -- 1 CD-ROM. -- ISBN 3-598-40360-7. -- s.v.]

6 Werder, Mauser: Waffenfabriken

7 Fonds der Welfen

"Als Welfenfonds bezeichnet man das aus dem beschlagnahmten Vermögen des hannoverschen Königshauses gebildete, durch Vertrag vom 29. September 1867 dem früheren König Georg V. von Hannover zugewiesenen, am 2. März 1868 aber wieder sequestrierte Vermögen von 48 Millionen Reichsmark, das durch eine besondere preußische Kommission in Hannover verwaltet und dessen Ertrag "zur Bekämpfung welfischer Umtriebe" verwendet wurde. ...

Die Erträge aus dem geheimen Welfenfonds wurden für verschiedene Zwecke verwendet. Seit 1879 erhielt die Witwe Georgs V., Königin Marie, nebst ihren Töchtern eine jährliche Rente von 240.000 Reichsmark aus dem Welfenfonds ausgezahlt. Der größte Teil aber wurde vom preußischen Reichskanzler Otto von Bismarck verwendet, um sich mittels finanziellem Druck und Bestechung die Presse gefügig zu machen (s.a. Reptilienfonds). Auch der Bayernkönig Ludwig II. erhielt - als Gegenleistung für seine Zustimmung zur Kaiserkrönung Wilhelms I. - mehrere Millionen Mark und eine regelmäßige jährliche Zuwendung für seine Schlossbauten. "

[Quelle: http://de.freeglossary.com/Welfenfond. -- Zugriff am 2004-10-08]

8 Syllabus-Verbreiter = Papst Pius IX. Siehe:

Pius <Papa, IX.> <1792 - 1878>: Syllabus Pii IX, seu Collectio errorum in diversis Actis Pii IX proscriptorum = Syllabus von Papst Pius IX. oder Sammlung der von Papst Pius IX. in verschiedenen Äußerungen geächteten Irrtümer (1864-12-08). #-- URL:  http://www.payer.de/religionskritik/syllabus.htm. -- Zugriff am 2004-1008


1875



Abb.: Ein jesuitisches Insekt: die Reblaus (Phylloxera vastatrix = Dactylosphaera vitifolii) [Bildquelle: http://www.poissons52.fr/economie/agriculture/vigne/vigne.php. -- Zugriff am 2004-09-15]

Georg #
 (1817-1875): Phylloxera ante portas
1. -- Januar 1874

Ein neuer Reichsfeind ist in Sicht!
Wär' das die Frucht von unsern Siegen?
Und müssen nun dem welschen Wicht
Die deutschen Reben unterliegen?

Ade, du Nektar, weiß und rot,
Ade, ade, du Trank der Labe!
Es hilft kein Landsturmaufgebot,
Um dich zu schützen, Gottesgabe.

Kein Wasser, kein Petrol vermag
Ans Leben diesem Strolch zu gehen,
Kein Leibgardist — Berliner Schlag —
Ihn im Kulturkampf zu bestehen.

Der Bismarck selbst, der alles kann,
Kann ihn des Landes nicht verweisen;
Für solches Vieh gibt's keinen Bann,
Es frägt nicht viel nach Blut und Eisen.

Ein jesuitische Insekt!
Auch ihr diätenlosen Braven
Habt seinesgleichen nie erschreckt
Durch einen Rettungsparagraphen.

1 "Die Reblaus (Phylloxera vastatrix = Dactylosphaera vitifolii) steht vor der Tür": "Die aus Nordamerika stammende Blattlaus-Verwandte wurde Mitte des 19. Jahrhunderts nach Frankreich eingeschleppt (ab ca. 1860 nachgewiesen) und breitete sich rasant von dort über sämtliche europäische Weinbaugebiete aus („Reblausinvasion“). In Klosterneuburg bei Wien 1867, in Deutschland erstmals 1874 in der Nähe von Bonn in der Gartenanlage Annaberg, 1907 an der Mosel und 1913 in Baden." [Quelle: http://de.wikipedia.org/wiki/Reblaus. -- Zugriff am 2004-09-15]


1880



Abb.: Jules Cazot. -- Karikatur von Alfred Le Petit (1841 - 1909). -- In: Le Charivari. -- 1880-06-02

"Ein ziemlich überraschender Fall: Justitias Minister ist diesmal ein Jurist. Für die armen Jesuiten bedeutet dies freilich: Da er die Gesetze kennt, wird er sie auch anwenden."

"Die 1870 gegründete Dritte Republik war zunächst reaktionär, wurde aber bei jeder Parlamentswahl etwas liberaler und damit auch antiklerikaler. Der Justizminister des Jahres 1880, ein ehemaliger Staatsanwalt, wendet die Verordnungen über die Austreibung der Jesuiten [29. März] mit juristischer Genauigkeit an. Die Gesellschaft Jesu war unter Napoleon III. sehr mächtig gewesen. Daher später die Maßnahmen gegen den Orden, der übrigens aus Deutschland schon durch das Jesuitengesetz vom 4. Juli 1872 vertrieben worden war."

[Quelle: Le Charivari : die Geschichte einer Pariser Tageszeitung im Kampf um die Republik (1832 - 1882) ; ein Dokument zum deutsch-französischen Verhältnis / von Ursula E. Koch ; Pierre-Paul Sagave. Mit e. Geleitw. d. Chefred. von "Le Monde" André Fontaine. -- Köln : Leske, 1984. -- 426 S. : Ill. -- (iLv leske republik. Satire und Macht). -- ISBN 3-921490-29-4. -- S. 272]


1902



Abb.: Der Jesuit und der Vatikan. -- In: Asino. -- Rom, 1902

[Quelle: Wendel, Friedrich <1886 - >: Die Kirche in der Karikatur : eine Sammlung antiklerikaler Karikaturen, Volkslieder, Sprichwörter und Anekdoten. -- Berlin : Der Freidenker, 1927. -- 154 S. : Ill. -- S. 138.]


1910


Clara Müller-Jahnke (1860-1905): Die frommen Jesuiten (In: Gedichte, 1910)

Alle Lust der Welt ist eitel,
sündig ist ihr Glanz zu schaun -
tuet in den Klingelbeutel
eure Scherflein, fromme Fraun!
Könnt ihr auch das Brot nicht zahlen,
schüttelt euch der Kälte Pein:
eure Tränen, eure Qualen
werft sie alle mit hinein!
Klingelingling!

Ach, wie gingen wir in Sorgen
um der Armen Wohl gebückt,
bis am heil'gen Sonntagmorgen
den Tarif wir durchgedrückt!
Da entschwanden unsre Plagen,
denn nun wussten wir aufs best:
überladen tut den Magen
ihr euch nicht am Weihnachtsfest!
Klingelingling!

Ja, wir sorgten treu und weise,
wie's von alters bei uns Brauch:
Fasten ist 'ne Himmelsspeise
und ein Satansknecht der Bauch.
Wer verhungert fromm und bieder,
kommt ins himmlische Revier;
selig lacht er dann hernieder -
für die Witwen sorgen wir!
Klingelingling!


1922



Abb.: Ohne Worte

[Bildquelle: Beißwanger, Konrad: Illustrierter Pfaffenspiegel : kritisch-historisches Handbuch der Verirrungen des menschlichen Geistes und des Lasterlebens in der christlichen Kirche. -- 2. Aufl. --  Nürnberg: Beißwanger, 1922. -- 420 S. : Ill. -- S. 299]



 

Abb.: Ohne Worte

[Bildquelle: Beißwanger, Konrad: Illustrierter Pfaffenspiegel : kritisch-historisches Handbuch der Verirrungen des menschlichen Geistes und des Lasterlebens in der christlichen Kirche. -- 2. Aufl. --  Nürnberg: Beißwanger, 1922. -- 420 S. : Ill. -- S. 298]


Abb.: Ohne Worte

[Bildquelle: Beißwanger, Konrad: Illustrierter Pfaffenspiegel : kritisch-historisches Handbuch der Verirrungen des menschlichen Geistes und des Lasterlebens in der christlichen Kirche. -- 2. Aufl. --  Nürnberg: Beißwanger, 1922. -- 420 S. : Ill. -- S. 299]


Nicht datiert



Abb.: Jesuitenpater Girard und Fräulein Cadière


Abb.:  Titelkupfer zu einem Pamphlet gegen P. Girard / Vanloo pinx., N. de Larmessin sc.


Abb.: Girard verführt Mlle. de Cadière. -- 18. Jhdt.


Abb.: Titelkupfer  zu einem Pamphlet gegen P. Girard. -- 18. Jhdt.

Erläuterung:

"Girard, Jean B. (1680-1733), französischer Jesuitenpater, der als Gewissensrat verschiedener Mädchen und Frauen in Toulon diese in flagellantischer und auch in sexueller Weise missbrauchte, schließlich Cathérine Cadiere, geb. 1709, unter dem Vorwand der Züchtigung verführte und schwängerte, hierauf die Leibesfrucht abzutreiben versuchte, was zu einem Riesenskandal auswuchs und zu einem Prozesse führte, aus dem die Jesuiten eine sie alle berührende Ehren- und Lebensfrage machten. Girard wurde allerdings am 10. Okt. 1731 freigesprochen, aber die auf ihn geschriebenen Angriffe (s. die Literatur bei Hayn- Gotendorf, III, 398 ff.) erschütterten das Ansehen der Jesuiten sehr. Girards Liebeshändel gaben das Urbild zu d'Argens' berüchtigtem Roman »Thérese Philosophe, 1748« ab."

[Quelle: Bilderlexikon der Erotik : Universallexikon der Sittengeschichte und Sexualwissenschaft / Institut für Sexualforschung. -- 
Wien, 1928-1932. -- CD- ROM-Ausgabe: Berlin : Directmedia, 1999. -- (Digitale Bibliothek ; 19). -- ISBN 3932544242. -- {Wenn Sie HIER klicken, können Sie diese CD-ROM  bei amazon.de bestellen}]

"Girard, J. B. (s. Bd. I). Der Prozess gegen den Jesuiten Girard wegen der von ihm verführten Cadière löste eine große Flut von Skandalliteratur und obszönen Karikaturen aus, die namentlich von protestantischer Seite und von Holland aus verbreitet wurden. Zuerst wurden die Prozessakten breitgetreten oder in kürzeren Auszügen, die sich nur auf die skandalöseren Partien beziehen, herausgegeben. Wir führen von den umfangreicheren Darstellungen »Procedure sur laquelle le Père Jean B. Girard Jésuite, Cathérine Cadière .... 1731, 8°« (deutsch: Prozess zwischen dem P. Girard ... und der Jungfer Cadière etc. 2 Teile, mit 2 Kupf. Cölln 1731-32, 8°, ca. 900 S.) und »Recueil général des pièces contenues au procez du P. J. B. Girard etc. 6 tom. avec 32 grav. Aix 1731, 8°« an. Eine kleinere, aber sehr pikante Darstellung des Prozesses bietet »Die erstaunungswürdige Historie des Jesuiten P. J. B. Girard ... welcher unter dem Schein der Heiligkeit die Jungfer Cadière nebst noch unterschiedenen Seiner Beicht-Töchter zur entsetzlichsten Unzucht verführet und dabey des Lasters der Zauberey, geistlichen Blut-Schande, Abtreibung der Leibes- Frucht etc. gerichtlich .... verurtheilet worden. Cölln 1732, 8° (Slg. Gugitz)«. Ein sehr anstößiges satirisches Gedicht auf den Fall erschien unter dem Titel: »Die von dem Jesuiten Joh. Bapt. Girard verführte Cadière ex actis in gegenwärtigem Gedichte mitgetheilet. Gedr. im rothen Meer 1732, 8°, 6 Bl. u. 63 S.« Wir geben daraus zur Probe für den Ton:

»Und als sie dieses auch nach seinem Wunsch getan,
So musste sie sogleich entblößt ins Bette steigen.
Drauf schlug er zwei-, dreimal mit seiner Rute zu,
Und küsste ganz entzückt die angenehmen Hügel,
Die er zuvor gepeitscht (bewundert doch den Gou),
Hier ließ er seiner Lust nunmehr den vollen Zügel.
Sie richtete sich auf, und da sie vor ihn trat,
Verlangte er von ihr, sich nackend auszuziehen,
Wie seht das arme Mensch ihn auch mit Tränen bat;
Hier half kein kläglich tun, hier half kein niederknien.
Sie sank in Ohnmacht hin, da er von ausziehn sprach;
Und dennoch konnte sie unmöglich widerstreben.«

Ein ähnliches Stück ist: »Le Jésuite Girard et sa pénitente Cathérine Cadière. 1732, 8°.« Auch ein Dramatiker (Lebel oder P. Bougeant) versuchte sich an dem Stoff mit einem sehr frechen Vaudeville unter dem Titel: »Le nouveau Tarquin, comédie en 3 a. (Hollande 1730), 8°«. Ein skandalöses Bilderwerk von 32 Tafeln und größter Seltenheit auf diesen Skandalprozess wurde in »Histoire du père J. B. Girard et de la demoiselle Cadière, divisée en 32 planches. S. 1. n. d. kl. Fol.« geboten, das in »Historische Print en Dicht Taferalen von J. B. Girard etc. 1735, 4°« holländisch wiederholt wurde. Doch haben sich noch verschiedene Künstler, größere und unbedeutendere, an diesem Gegenstand in zahlreichen satirischen und anstößigen, meist auf Flagellationsszenen bezüglichen Blättern und Flugblättern versucht. Wir erwähnen hier noch eine seltene Suite von fünf hübschen Gravüren in 8° von Larmessin nach Vanloo."

[Quelle: Fuchs, Eduard <1870 - 1940>:  Geschichte der erotischen Kunst. -- München : Langen. -- Bd. 1: Das zeitgeschichtliche Problem. -- 1908. -- 412 S. : Ill. -- S. 222]


Adolf Glaßbrenner (1810 - 1876)


Abb.: Jesuitismus Und Nepotismus Krönen Ein Reich


Adolf Glaßbrenner (1810 - 1876)

Jesuiten von Pol zu Pol:
Schlafen Sie auch recht wohl!


Georg Herwegh (1817-1875)

Der Dunkelmann, der Jesuit
Begegnen mir auf jedem Schritt;
Stänk's nur nach Käs' und Rettich,
Ich trüg' es, — doch wie rett' ich
Mich vor dem Duft aus Petri Stuhl,
Ich armes Lamm in diesem Pfuhl!


Theodor Fontane (1819-1898):  An den Orden Jesu

Die Bibel haben Menschen nur geschrieben,
Ein Mensch war unser Heiland Christus nur,
Drum, wenn es mich so recht zu Gott getrieben,
Sucht' ich ihn immer nur in der Natur.

Doch wen es treibt an Christum fest zu glauben,
An seines Gottes eingebornen Sohn,
Wie soll mein Zweifel ihm Gefühle rauben,
Die seines Busens ganzer Himmel schon.

Führt in Moscheen mit luft'gen Minaretten,
Führt zum Brahminen mich im Lotoskranz.
In Sonnentempel, drinnen Perser beten,
Ich bleibe treu der Glaubenstoleranz.

Ernst werd' ich selbst den Unsinn noch betrachten,
Wenn ein Zuviel des Glaubens ihn erzeugt,
Doch jede Seele hassen und verachten,
Die nur zu Schein sich ihrem Gotte beugt.

Drum hass' ich Euch von allen — Jesuiten,
Euch blendet nicht der falsche Heil'genschein,
Und hattet Ihr den Himmel mir zu bieten,
So wollt' ich freudig in der Hölle sein.

Ihr gleicht dem schlauen Arzt, der in Gedanken,
Sich seines Wissens Stückwerk nicht verhehlt,
Und doch aus Selbstsucht einen armen Kranken,
Aus Eitelkeit den schon Gequälten quält.

Nicht will ich mit Euch ob des Satzes rechten,
Ob stets der Zweck das Mittel heil'gen kann,
Wählt Mord und Brand, die Schlechtesten der Schlechten,
Kommt es auf edle Zwecke nur Euch an.

Doch ach! Das Ziel, nach dem Ihr stets getrachtet,
Es heißt: die Menschheit soll ein Sklave sein,
Mit Dummheit habt die Völker Ihr umnachtet,
Gehemmt ein freies geistiges Gedeihn.

Wer fasst in Blei die schönsten Edelsteine?
Wer trinkt den Wein aus einem eklen Glas?
Und doch, das Christentum, das göttlich reine,
Wir sollen trinken es aus Schmutz und Hass!

Aus Eurem Ordensbund, der gleich der Mistel
Dir, deutsche Eiche, Kraft und Saft entsaugt,
Der wie in Rosenkränze keine Distel
Nicht in den Kreis der Jünger Christi taugt.

Gleich einem Münster in die Wolke strebend
Stand einst das Papsttum trotzend jedem Sturm,
Bis Luthers Wort, wie Donner sich erhebend,
Hm Blitz zugleich, geschlagen in den Turm.

Es haben sich wie Efeu ihn umschlingend
Die Jesuiten dran emporgerankt.
Doch mit den Wurzeln in die Quadern dringend
Nur um so schneller die Ruine wankt.

Sie wankt! Der letzte Stein ist bald zertrümmert,
Der Efeu schuttbegraben welkt, erstickt,
Ob Fürstenegoismus schwer bekümmert
Auch immerhin den alten Münster flickt.

Die Throne schwanken und Tyrannen wanken,
Die Völker rüsten sich zum letzten Krieg,
Mit Schwertern hier und dorten mit Gedanken,
Erringen endlich, endlich sie den Sieg! —


Ludwig Thoma (1867-1921): Jesuitendebatte

Der Fuchs stand vor dem Hühnerstalle
Und merkte in der Winternacht,
Die Einschlupflöcher waren alle
Just seinetwegen zugemacht.

Da fing er jämmerlich zu klagen
Und bitterlich zu weinen an:
Warum wollt ihr nur mich verjagen,
Der euch doch nie ein Leids getan?

Ihr guten Hühner, hört die Bitte!
Ihr seid so viele, ich allein, -
Der kleinste Platz in eurer Mitte
Genügt, und ich will glücklich sein!

Das Federvieh hat lang beraten
Und manches wohlerfahrne Huhn
Vermeinte, was sie früher taten,
Das würden Füchse immer tun.

Doch gab es viele ganz Gerechte,
Die waren aus Prinzip dafür,
Dass keinem aus dem Tiergeschlechte
Verschlossen bleibe ihre Tür.

Kaum war die weise Tat geschehen,
War von dem ganzen Hühnerhof
Nichts mehr als das Prinzip zu sehen
Und Krallen und ein Federschwof.


Zu: Antiklerikale Karikaturen und Satiren XXII: Mönche und Nonnen

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