Ausgewählte Erzählungen aus Somadeva's
Ozean der Erzählungsströme

3. Buch I, Welle 2

5. Vers 41 - 53: Die Geschichte Vyāḍis und Indradattas


verfasst von Somadeva

übersetzt und erläutert von Alois Payer

mailto:payer@payer.de


Zitierweise / cite as:

Somadeva <11. Jhdt. n. Chr.>: Kathāsaritsāgara : der Ozean der Erzählungsströme : ausgewählte Erzählungen / übersetzt und erläutert von Alois Payer. -- 3. Buch I, Welle 2. -- 5. Vers 41 - 53: Die Geschichte Vyāḍis und Indradattas. -- Fassung vom 2006-12-14. -- http://www.payer.de/somadeva/soma035.htm       

Erstmals publiziert: 2006-11-09

Überarbeitungen: 2006-12-14 [Verbesserungen]

Anlass: Lehrveranstaltung WS 2006/07

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Dieser Text ist Teil der Abteilung Sanskrit  von Tüpfli's Global Village Library


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Der Sanskrit-Text folgt im Wesentlichen folgender Ausgabe:

Somadevabhaṭṭa <11. Jhdt.>: Kathāsaritsāra / ed. by Durgāprasād and Kāśīnāth Pāṇḍurāṅg Parab. -- 4. ed. / revised by Wāsudev Laxman Śāstrī Paṇśikar. -- Bombay : Nirnaya-Sagar Press, 1930, -- 597 S. -- [in Devanāgarī]


Die Verse sind, wenn nichts anderes vermerkt ist, im Versmaß Śloka abgefasst.

Definition des Śloka in einem Śloka:

śloke ṣaṣṭhaṃ guru jñeyaṃ
sarvatra laghu pañcamam
dvicatuṣpādayor hrasvaṃ
saptamaṃ dīrgham anyayoḥ

"Im Śloka ist die sechste Silbe eines Pāda schwer, die fünfte in allen Pādas leicht
Die siebte Silbe ist im zweiten und vierten Pāda kurz, lang in den beiden anderen."

Das metrische Schema ist also:

 ̽  ̽  ̽  ̽ ˘ˉˉ ̽ 
 ̽  ̽  ̽  ̽ ˘ˉ˘ ̽ 

 ̽  ̽  ̽  ̽ ˘ˉˉ ̽ 
 ̽  ̽  ̽  ̽ ˘ˉ˘ ̽

Zur Metrik siehe:

Payer, Alois <1944 - >: Einführung in die Exegese von Sanskrittexten : Skript.  -- Kap. 8: Die eigentliche Exegese, Teil II: Zu einzelnen Fragestellungen synchronen Verstehens. -- Anhang B: Zur Metrik von Sanskrittexten. -- URL: http://www.payer.de/exegese/exeg08b.htm


Mahākaviśrīsomadevabhaṭṭaviracitaḥ

Kathāsaritsāgaraḥ

Der von großen Dichter, dem Ehrwürdigen Gelehrten Somadeva verfasste Ozean der Erzählungsströme

Kommentar:

Zu Autor und Werk siehe:

Somadeva <11. Jhdt. n. Chr.>: Kathāsaritsāgara : der Ozean der Erzählungsströme : ausgewählte Erzählungen / übersetzt und erläutert von Alois Payer. -- 1. Einleitung. -- http://www.payer.de/somadeva/soma01.htm


dvitīyas tarangaḥ


vetasākhye pure mātar
devasvāmikarambakau |
abhūtāṃ bhrātarau viprāv
atiprītau parasparam |41|

41. "Mutter!, in der Stadt Vetasa1 lebten die beiden Brahmanen Devasvāmin und Karambaka, zwei Brüder, die einander sehr liebten.

Kommentar:

1 Vetasa ("Rotangpalme" - Calamus): eine Stadt, die ich nicht identifizieren kann.

tayor ekasya putro 'yam
indradatto 'parasya ca |
ahaṃ vyāḍiḥ samutpanno
matpitāstaṃ gatas tataḥ |42|

42. Der Sohn des einen der beiden ist der Indradatta, als Sohn des anderen wurde ich Vyāḍi geboren. Kurz nach meiner Geburt ist mein Vater dahingeschieden.

tacchokād indradattasya
pitā yāto mahāpatham |
asmajjananyoś ca tataḥ
sphuṭitaṃ hṛdayaṃ śucā |43|

43. Aus Kummer darüber ist Indradattas Vater auf den langen Weg gegangen1. Darauf ist das Herz unserer Mütter aus Trauer geborsten1.

Kommentar:

1 d.h. sie starben

tenānāthau sati dhane 'py
āvāṃ vidyābhikāṅkhinau |
gatau prārthayituṃ svāmi-
kumāraṃ tapasā tataḥ |44|

44. Obwohl ein Vermögen vorhanden war, waren wir beide schutzlos. Weil wir Wissen begehrten, sind wir zu Svāmikumāra1 gegangen, um ihn durch Askese zu darum zu bitten.

Kommentar:

1 Svāmikumāra = Svāmī = Kumāra = Skanda/Kārtikeya/Murugan


Abb.: Murugan, Sri Sivasubramaniya Swamy Temple, Colombo

[Bildquelle: HumanityAshore.org. -- http://www.flickr.com/photos/humanityashore/61112208/. -- Zugriff am 2006-11-05. -- AttributionNoncommercialNo Derivative Works Creative Commons Lizenz (Namensnennung, keine Bearbeitung, keine kommerzielle Nutzung)]

"Kartikeya (sanskrit: कार्तिकेय, Kārtikeya), auch als Skanda, Murugan (Tamil: முருகன்) oder Subramanya sowie diversen weiteren Namen bekannt, ist ein Gott des Hinduismus. Unter dem Namen Kartikeya verehren ihn die Gläubigen meist in Nord- und Südindien, wogegen Subramanya und Murugan hauptsächlich südindische Formen sind. Besonders für Hindus in Südindien ist er eine wichtige Manifestation des Göttlichen.

Kartikeya ist neben Ganesha der zweite Sohn Shivas, seine Mutter ist Parvati, in Nordindien jedoch gilt er auch oft als Sohn von Shiva mit Ganga. Seine Begleiterinnen sind 'Valli', die Tochter Indras, sowie Devasena. Oft sieht man ihn als Feind der Ehe an, und im indischen Bundesstaat Maharashtra besuchen Frauen seinen Tempel nicht.

Meist stellt man Kartikeya als Kumara, als göttlichen Buben, dar, mit einem, sechs und mehr Köpfen sowie mit zwei, zwölf oder mehr Armen, die seine mystischen Kräfte repräsentieren. Er gilt als Kriegsgott. Die Mythologie berichtet, er sei als Sohn Shivas geschaffen, um den dämonischen Taraka Asura, der die Welt tyrannisierte, zu überwinden. Darum wird er oft in Kampfrüstung auf einem Pfau, manchmal auf einem Hahn reitend dargestellt, mit einem Bogen in der Hand und in einem Köcher mit Pfeile auf dem Rücken. Sein wichtigstes Emblem ist der Speer, den laut Mythologie der göttliche Architekt Vishvakarman aus Teilen der Sonne angefertigt haben soll. Einerseits steht diese in der hinduistischen Ikonographie immer wiederkehrende Waffe in den alten Geschichten als Instrument zur Vernichtung von Feinden; andererseits symbolisiert der als „überaus strahlend“ beschriebene Speer das Licht der Sonne, und steht auf spiritueller Ebene für das geistige Licht zur Vernichtung von Unwissenheit. Damit weist der Speer den Träger als Kämpfer für Moksha, die Erlösung, aus.

Kartikeya wird heute auch als Schutzgott der Diebe angesehen."

[Quelle: http://de.wikipedia.org/wiki/Kartikeya. -- Zugriff am 2006-11-05]

tapaḥstithau ca tatrāvāṃ
sa svapne prabhur ādiśat |
asti pāṭalikaṃ nāma
puram nandasya bhūpateḥ |45|

45. Während wir dort Askese übten, gab uns der Herr im Traum folgende Weisung: "Es gibt eine Stadt namens Pāṭalika1. Sie gehört König Nanda2.

Kommentar:

1 Pāṭalika = Pāṭalīputra = heutiges Patna/पटना, Bihar


Abb.: Lage von Pāṭalīputra

2 Nanda = Mahāpadma Nanda (450 B.C - 362 B.C), der Begründer der Nanda-Dynastie

"


Abb.: Extent of the Nanda Empire.

Nanda dynasty is said to have been established by an illegitimate son of the king Mahanandin of the previous Shishunaga dynasty. Mahapadma Nanda died at the age of 88 and, therefore, he ruled the bulk of the period of this dynasty, which lasted 100 years. The Nandas were followed by the Maurya dynasty.

The first Nanda, the Mahapadma Nanda has been described as the destroyer of all the Kshatriyas. He defeated Ikshvakus, Panchalas, Kasis, Harhayas, Kalingas, Asmakas, Kurus, Maithilas, Surasenas, Vitihotras, etc. He expanded his territory till south of Deccan. The last of the Nandas was Dhana Nanda. Plutarch tells that Chandragupta Maurya had stated that he was able to overthrow Dhana Nanda as he was hated and despised by his subjects on account of the wickedness of his disposition:

"Androcottus, when he was a stripling, saw Alexander himself, and we are told that he often said in later times that Alexander narrowly missed making himself master of the country, since its king was hated and despised on account of his baseness and low birth." Plutarch 62-3

The Nandas who usurped the throne of the Shishunaga dynasty were of low origin. Some sources state that the founder, Mahapadma, was the son of a Shudra mother, others that he was born of a union of a barber with a courtesan. Nandas were the first of a number of dynasties of northern India who were of non-kshatriya origin.

The Nandas are sometimes described as the first empire builders of India. They inherited the large kingdom of Magadha and wished to extend it to yet more distant frontiers. To this purpose they built up a vast army consisting of 20,000 cavalry, 200,000 infantry, 2,000 chariots and 3,000 elephants. But the Nandas never had the opportunity to use this army against the Greeks, who invaded India at the time Dhana Nanda, since Alexander's campaign terminated in the Punjab.(Some scholars are of the opinion that Alexander confined his conquest to the plains of Punjab for fear of the Mighty Nandas).

The Nandas made the methodical collection of taxes by regularly appointed officials a part of their administrative system. The treasury was continually replenished, the wealth of the Nandas being well-known. The Nandas also built canals and carried out irrigation projects. The possibility of an imperial structure based on an essentially agrarian economy began to germinate in the Indian mind. But further development of the Nandas was cut short by Chandragupta Maurya and his mentor Chanakya. Chanakya dethroned Dhana Nanda in a battle of wits and replaced him with Chandragupta Maurya, a young adventurer. Dhana Nanda was murdered which finally signaled the advent of the Mauryan era in 321 B.C.

List of Nanda rulers
  • Mahapadma Nanda c. 424 BC – ?
  • Pandhuka
  • Panghupati
  • Bhutapala
  • Rashtrapala
  • Govishanaka
  • Dashasidkhaka
  • Kaivarta
  • Dhana (Argames) ? – c. 321 BC"

[Quelle: http://en.wikipedia.org/wiki/Nanda_Dynasty. -- Zugriff am 2006-11-04]

tatrāsti caiko varṣākhyo
vipras tasmād avāpsyathaḥ |
kṛtsnāṃ vidyām atas tatra
yuvābhyāṃ gamyatām iti |46|

46. Dort lebt ein Brahmane, ein gewisser Varṣa. Von ihm werdet ihre alles Wissen erhalten. Geht deshalb dorthin!"

athāvāṃ tatpuraṃ yātau
pṛcchatos tatra cāvayoḥ |
astīha mūrkho varṣākhyo
vipra ity avadaj janaḥ |47|

47. Da sind wir zu jener Stadt gegangen. Als wir danach fragten, antworteten uns die Leute: "Es gibt hier einen dummen Brahmanen namens Varṣa."

tato lolādhirūḍhena
gatvā cittena tatkṣaṇam |
gṛham āvām apaśyāva
varṣasya vidhurasthiti |48|

48. Unruhigen Herzens gingen wir sofort hin und sahen das Haus Varṣas in einem traurigen Zustand:

mūṣakaiḥ kṛtavalmīkaṃ
bhittiviśleṣajarjaram |
vicchāyaṃ chadiṣā hīnaṃ
janmakṣetram ivāpadām |49|

49. Ein von Mäusen gemachter Ameisenhaufen, gebrechlich durch aufgelöste Wände, ohne Dach und ohne Schatten, wie ein Geburtsplatz der Nöte.

Kommentar:


Abb.: Hütte von Salzarbeitern, Thoothukudi (தூத்துக்குடி)/Tuticorin, Tamil Nadu

[Bildquelle: Natmandu. -- http://www.flickr.com/photos/mybigtrip/4652248/. -- Zugriff am 2006-11-09. -- AttributionNoncommercialShare Alike Creative Commons Lizenz (Namensnennung, keine kommerzielle Nutzung)]

tatra dhyānasthitaṃ varṣam
ālokyābhyantare tadā |
upāgatau svas tatpatnīṃ
vihitātithyasatkriyām |50|

50. Dort im Inneren sahen wir Varṣa in Meditation1 versunken. Wir gingen zu seiner Frau, die uns gastlich empfing.

Kommentar:

1 Medidation = Dhyāna = Pāli Jhāna = Chinesisch (Chán) = Japanisch (Zen) = Koreanisch 선(Seon) = Vietnamesisch Thiền

Dhyāna ist auch ein Glied des aṣtāṅga-yoga:

Der Raja Yoga besteht aus acht „Stufen“ oder acht „Gliedern“, die aufeinander aufbauen:

  1. Yama
  2. Niyama
  3. Āsana
  4. Prāṇāyāma
  5. Pratyāhāra
  6. Dhāraṇā
  7. Dhyāna
  8. Samādhi

Merkvers:

yamo niyamaś cāsanaṃ
ca prāṇāyāmas tataḥ param |
pratyāhāro dhāraṇā ca
sārdhaṃ samādhinā |
aṣṭāṅgāny āhur etāni
yogināṃ yogasiddhaye ||

dhūsarakṣāmavapuṣaṃ
viśīrṇamalināmbarām |
guṇarāgāgatāṃ tasya
rūpiṇīm iva durgatim |51|

51. Sie hatte einen grauen, ausgetrockneten Körper, sie trug zerschlissene, schmutzige Kleidung. Sie hatte Lust an den Tugenden. Sie war gleichsam sein leibhaftiges Elend.

praṇāmapūrvam āvābhyāṃ
tasyai so 'tha niveditaḥ |
svavṛttāntaś ca tadbhartṛ-
maurkhyavārtā ca yā śrutā |52|

52. Wir verneigten uns zuerst vor ihr und berichteten ihr dann unser eigenes Geschick und das Gerücht, das wir über die Dummheit ihres Mannes gehört hatten.

putrau yuvāṃ me kā lajjā
śrūyatāṃ kathayāmi vām |
ity uktvā sāvayoḥ sādhvī
kathām etāṃ avarṇayat |53|

53. "Meine Söhne, warum sollte ich vor Euch Scham empfinden. Hört, ich werde es euch erzählen!" sprach die Gute und erzählte uns diese Geschichte:"


Zu: 6. Vers 54 - 83: Die Geschichte vom Brahmanen Varṣa