Zitierweise / cite as:
Payer, Alois <1944 - >: Einführung in den Theravâdabuddhismus der Gegenwart. -- Teil 4: Der Mönchsweg: 4.1. Warum wird man Novize/ Mönch? ; 4.2. Wer wird Mönch? ; 4.3. Wie wird man Novize/Mönch?. -- Fassung vom 11. März 1996. -- URL: http://www.payer.de/theravgegenw/therav05.htm. -- [Stichwort].
Letzte Überarbeitung: 11. März 1996
Anlaß: Lehrveranstaltungen Einführung in den Theravâdabuddhismus der Gegenwart, Univ. Tübingen, SS 1982, SS 1991
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Als Erstes wollen wir folgende Fragen behandeln:
- Warum wird man Mönch/ Novize?
- Wer?
- Wie lange?
- Wie ?
Unterscheide:
- Bewußte Motive
- Mönch zu werden
- Mönch zu bleiben
- Sozialer und psychologischer Hintergrund dieser Motive (Familie, Erziehung, Kontakte zu Mönchen und Klöstern, ökonomische Verhältnisse, Psychogramm usw.)
Unterscheide:
- Novize
- auf Zeit: besonders Birma
- auf Dauer (meist forgeführt als Mönch auf Dauer)
- Mönch
- auf Zeit: besonders Thailand, Kambodscha, Laos
- auf Dauer
Unterscheide
- Eintritt in den Orden für bestimmte Zeit (z.B. eine Regenzeit)
- Eintritt in der Intention, zu bleiben.
Diese Unterscheidungen gelten aber nur für Südostasien. In Sri Lanka lehnen es alle Mönchsgruppen ab, Mönche nur für eine von vornherein begrenzte Zeitspanne zu ordinieren. Auch macht man sich in Ceylon sozial unmöglich, wenn man aus dem Kloster austritt (auch Sâmaneras nimmt man das Ablegen der geistlichen Robe übel). [Bechert, Heinz: Buddhismus, Staat und Gesellschaft in den Ländern des Theravada-Buddhismus. 3 Bde. - Wiesbaden, 1966 -1973. - Bd I, S. 252]
In Birma wird auch heute noch fast jeder Burmese, wenn er in Pubertät kommt, Novize auf Zeit[ausführliche Beschreibung dieses pompösesten Festes bei Spiro, Melford E.: Buddhism and society : a great tradition and its Burmese vicissitudes. - London : Allen & Unwin, 1971. - S. 234ff.]. Als Ideal gilt eine Verweildauer von drei Jahren als Novize. Bei einer Erhebung in einem birmanischen Dorf stellte Spiro folgende faktischen Dauern des Novizebleibens fest:
Dauer:
- 1-14 Tage: 8
- 14 Tage bis 1 Monat: 3
- 1-6 Monate: 4
- 6 Monate - 1 Jahr: 11
- 1-2 Jahre: 10
- 2-3 Jahre: 11
- über 3 Jahre: 5
- Summe: 52
Motive Mönch zu werden:
Motiv, Mönch zu werden, nach der akzeptierten Ideologie:
"Eng ist das Leben im Hause, ein Weg des Schmutzes / der Leidenschaft. Es ist nicht leicht, wenn man im Hause wohnt, den ganz reinen heiligen Wandel zu führen."
Zum ideologischen Hintergrund des Mönchtums vgl. auch das Sâmaññphalasutta des Dîghanikâya:
Übersetzung in: Gautama Buddha: Die vier edlen Wahrheiten ... / hrsg. von Klaus Mylius. - München, 1985. - (dtv ; 2166). - S. 57-92
Das Folgende in Burma nach Spiro, S. 321ff, in Thailand nach eigenen Beobachtungen und verschiedenen Quellen
Nach Anschauung der Burmesen stereotype Antwort: es gibt drei Motive, in den Orden einzutreten:
- aus religiösen Motiven
- aus dem Wunsch heraus, den Schwierigkeiten und dem Elend des menschlichen Lebens zu entgehen
- um ein angenehmes, leichtes Leben zu haben
Nach der Meinung vieler Burmesen überwiegt das dritte Motiv:
"Wegen des angenehmen Lebens gibt es fünfmal soviele Mönche als es sonst geben würde" [Zitat bei Spiro, S. 322].
Das dritte Motiv erklärt aber nicht, warum es trotzdem relativ so wenige Mönche gibt.
Terwiel [Terwiel, B. J.: Monks and Magic : an analysis of religious ceremonies in Central Thailand. - 2., rev. ed. - London : Curzon, 1979. - ISBN 0.7007.0126-5. - S. 103] zitiert folgenden Thaispruch:
- Ordination, um ein Gelübde an die Götter zu erfüllen
- Ordination, um der Armut zu entrinnen
- Ordination, um einer Frau zu entfliehen
- Ordination, um Geld zu sparen
- Ordination, um besser als zu Hause zu essen
- Ordination, um mit einem Freund gemeinsam im Kloster zu sein
Nach Terwiel ist aber das häufigste Motiv, um zu lernen (buad rian).
Bei einer Umfrage bei (nur) 20 Mönchen in Ober-Burma bekam Spiro [Spiro,S. 332] folgende Antworten:
Motive, warum sie Mönch wurden:
- Unzufriedenheit mit der Welt und ihrem Leid: 8
- Um der Arbeit zu entrinnen/ um ein leichtes Leben zu haben: 6
- Um das Nirvana zu erreichen: 6
- Um Verdienst und gutes kamma zu schaffen: 4
- Um den Buddhismus zu lehren und zu verbreiten : 3
Ruth-Inge Heinze [Heinze, Ruth-Inge: The role of the sangha in modern Thailand. - Taipei : The Chinese Association for Folklore, 1977. - S. 67] bekam bei einer Umfrage unter 155 Mönchen in Chiang Mai, warum sie für längere Zeit im Kloster sind, folgende Antworten:
- Um Buddhismus und weltliche Gegenstände zu studieren: 63
- Um innere Ruhe zu finden: 37
- Um den Buddhismus zu stützen und erhalten: 36
- Um den dhamma zu praktizieren: 33
- Um ihren Glauben an den Buddhismus zu zeigen: 24
- Um den dhamma zu lehren: 18
- Um de Thai-Tradition zu folgen: 14
- Um ein reines Leben zu führen und die Anhaftungen zu zerstören: 13
- Um anderen nicht zur Last zu fallen: 10
- Um den Buddhismus besser zu verstehen: 8
- Um den Buddhismus zu verbreiten: 8
- Um für die Eltern Verdienst zu erwerben: 7
- usw.
Gründe, längere Zeit Mönch zu bleiben (Umfrage unter 71 Mönchen in Bangkok) [Quelle: Heinze, S. 66.]
- Die buddhistische Lehre studieren: 47
- Moderne Fächer studieren: 29
- Buddhismus verbreiten: 20
- Die buddhistische Lehre verwirklichen: 13
- Ruhe suchen: 5
- In ländlichen Gegenden unterrichten / Entwicklungshilfe: 3
- u.a.
(Mehrfachnennungen möglich)
Gründe, längere Zeit Mönch zu bleiben (Umfrage unter 67 Mönchen in Udorn / Nordostthailand) [Quelle: Heinze, S. 68.]
- Buddhismus stützen und verbreiten: 31
- Buddhismus verwirklichen und lehren: 27
- Buddhismus und weltliche Fächer studieren: 23
- Glaube zeigen: 11
- Ein reines Leben führen: 7
- Zufriedenheit und Frieden: 7
- Niemandem zur Last fallen: 3
- u.a.
(Mehrfachnennungen möglich)
Versuchen wir, die wichtigsten Motive zusammenzufassen:
Zusammenfassung: Bewußte Motive, Mönch zu werden:
- 1. Weltliche Motive:
- Schulbesuch und Studium weltlicher Gegenstände
- um Tradition zu erfüllen
- seinen Verwandten (bes. Mutter) zuliebe
- um ein angenehmes Leben zu haben usw.
- um anderen nicht zur Last zu fallen
- weil das Horoskop ungünstig ist
- um der Justiz zu entgehen
- um Politik zu betreiben
- um Rechtsnachfolger des Abtes in einem Kloster mit sivuru-parampara zu werden (Sri Lanka)
- usw.
- 2. Nicht-weltliche Motive:
- um Buddhismus zu studieren
- um Leid zu entkommen
- um gutes kamma zu sammeln
- um für seine Mutter gutes kamma zu sammeln
- um zu meditieren
- um Buddhismus zu verbreiten
- um Nirvana zu verwirklichen
- u.ä.
Im Einzelnen:
weltliche Motive:
nicht-weltliche Motive:
- um dem Leid zu entkommen und zu diesem Ziel gutes kamma zu sammeln. (dabei ist für viele Mönche dukkha eher ein theoretischer Begriff und weniger eine persönliche Erfahrung)
Für Mönche, die erst später ins Kloster eintreten folgende Gründe:
- Wunsch, einem schweren Leben zu entkommen,
- Gewicht der sozialen (insbes. familiären) Verantwortung
- persönliche frustrierende und tragische Erfahrungen.(gute Beispiele bei Spiro 334ff).
- um als alter Mann einerseits seine Familie zu antlasten, andererseits um für eine künftige Geburt gute Voraussetzungen zu haben.
- um das Nirvana zu verwirklichen.
G e g e n ein Leben im Kloster sprechen nach burmes. Mönchen folgende Gründe:
In Burma (und auch Thailand) vorwiegend aus ländlichem Raum (weniger aus Städten). Spiro fand in 10 Klöstern in Rangoon keinen einzigen Mönch, der in einer Stadt geboren worden war. Ein Abt in Mandalay erklärte diesen Sachverhalt so: erstens sind Dörfler arm, sie kennen die Bedeutung von Leid (dukkha) (die meisten Mönche scheinen tatsächlich aus ärmeren Familien zu stammen) Zweitens werden Dörfler vor allem in den Klöstern (oft als Novizen) erzogen, Städter vor allem in staatlichen Schulen. Wichtig ist weiter die Familie, die ihr Kind anhält, ins Kloster zu gehen, bzw. man hat Verwandte in Klöstern, die als Vorbild gelten. Wichtig ist Einfluß der klösterlichen Lehrer auf jungen Novizen oder Schüler. (Unterschied zu Buddha: Buddha war reich, birmanische Mönche sind meist arm bevor sie Mönch werden).
Welche unbewußten Persönlichkeits-Faktoren spielen mit, daß einer Mönch wird ? Sehr schwer zu beantworten! Spiro meint folgende persönlichkeitsfaktoren gefunden zu haben:
- Bedürfnis, abhängig zu sein (von Laienunterstützern), d.h. Infantilismus
- Narzissmus
- Angst vor emotionalen Bindungen.
Text:
Payer, Alois: Materialien zu den Grundbegriffen des Buddhismus: Vinayamukha : Grundbegriffe der Ordensregeln und des Ordensrechts des Theravâda, Teil I. - URL:http://www.payer.de/buddhgrund/vinaya01.htm#Aufnahme
Ergänzungen zu diesem Text:
Für eine Upasampadâ genügt die Anwesenheit von fünf gültig ordinierten Mönchen. In Ceylon zieht man aber eine möglichst große Zahl von Bhikkhus zur Neuordination hinzu, weil man so die Gültigkeit der Ordination auch für den Fall sichern will, daß einige der anwesenden Mönche die Gültigkeit ihrer Upasampadâ verwirklicht haben sollten (durch parajika-Vergehen) [Bechert I, 251]).
(Eine weitere Eigenart Ceylons ist, daß bei der Ordination der der höchste Würdenträger eines Nik-aya anwesend sein muß und daß die Upasampada nur durch die zentrale Ordensversammlung erteilt wird.[ Bechert I; 214].
Da wir es im folgenden immer wieder mit ordensrechtlichen Vorschriften zu tun haben, für die auch Begründungen angegeben werden, möchte ich kurz auf folgende Schichten der Begründungen ordensrechtlicher Vorschriften hinweisen. Unhistorische, z.B. strukturalistische (aus der Struktur einer Initiation) Begründungen mögen gelegentlich stimmen, geben aber weder das Bewußtsein der Beteiligten noch überprüfbare historische Sachverhalte wieder.
"Schichten" der Begründungen für Vinayavorschriften:
- historisch ursprüngliche Begründung
- Begründung im Tipi.taka
- in den allgemein akzeptierten Kommentaren, insbesondere Buddhaghosas Samantapâsâdikâ
- in den Subkommentaren (.tikâ)
- spätere (u.U. unter verschiedenen, z.B. westlichen, Einflüssen)
Im folgenden Beschreibung vor allem des Vorgehens in Thailand.
Wenn man Novize oder Mönch werden will, muß man sich anmelden und der Chao Khana Tambol muß Zustimmung geben. Einer, der ins Kloster eintreten will, wird Nâga genannt (s. Mahavagga I: ein Nâga wollte Mönch werden, wurde aber entdeckt. Zu seiner Ehre dieser Name, nicht im Tipitaka). Man muß vor der Ordination die Palitexte (samt Thaiübersetzung) auswendig lernen. Für die Ordination wird nach Möglichkeit ein günstiger Tag festgelegt. Am Tag der Ordination geht man in den Tempel, bekommt seine Augenbrauen rasiert. Dann folgt daheim eine Abschiedszeremonie (auf die ich hier nicht eingehe, s. dazu Wells, Kenneth E.: Thai Buddhism : its rites and activities. - 3. printing (updated). - Bangkok : Suriyabun, 1975. - S. 138]. Schon bei dieserZeremonie trägt der Nâga weisses Gewand, manchmal stark bestickt (Buddha als Prinz). Dann Prozession wie Prinz Siddharta zum Tempel. Upasampadâ findet in Uposatha-Halle (Bot) statt.
Abbildungen zur Ordination in:
Blofeld, John: Bangkok / John Blofeld ; Photos von Philip Jones Griffiths. - Amsterdam : Time-Life, 1979. - (Die großen Städte). - S. 122-133
Inwood, Kristiaan: Bhikkhu : disciple of the Buddha. - Bangkok : Thai Watana Panich, 1981. - S. 32-45
"Fortgang in die Heimlosigkeit" = Aufnahme als Novize (Sâma.nera).
Text:
Payer, Alois: Materialien zu den Grundbegriffen des Buddhismus: Vinayamukha : Grundbegriffe der Ordensregeln und des Ordensrechts des Theravâda, Teil I. - URL:http://www.payer.de/buddhgrund/vinaya01.htm#Aufnahme
Text:
Payer, Alois: Materialien zu den Grundbegriffen des Buddhismus: Vinayamukha : Grundbegriffe der Ordensregeln und des Ordensrechts des Theravâda, Teil I. - URL:http://www.payer.de/buddhgrund/vinaya01.htm#Aufnahme
Diese Darstellung von Pabbajâ und Upsampadâ betonte den inhaltlichen und den rechtlichen Aspekt dieser Zeremonien, also die semantische Bedeutung und die rechtliche Seite. Diese beiden Aspekte sind keineswegs die einzigen, ja nicht einmal die wichtigsten. Weitere wichtige Aspekte sind:
- der metaphysische Aspekt: die Änderung der Seinsweise: dadurch wird für einen Mönch manches karmisch Unheilsam, was für einen Nicht-Mönch karmisch unbedeutend ist
- der Wandel des sozialen Status: Bewegung an die Spitze der sozialen Hierarchie
- die kulturelle Identifikation: in S-O-Asien identifiziert man sich, wenn man Novize bzw. Mönch auf Zeit wird, bewußt mit einer kulturellen Tradition (Vgl. bei uns: Konfirmation, Erstkommunion, wo man sich plötzlich auf das christliche Abendland besinnt)
- der folkloristische Aspekt (mit vorhergehendem verbunden)
- die emotionalen Aspekte
- in S-O-Asien der Aspekt des Lebensstadiumsritus: durch die Absonderung von seinem bisherigen Leben für eine gewisse Zeit wird der neue Status danach klar abgehoben
- usw.
Zum nächsten Kapitel: Was tun Mönche? Welche Regeln bestimmen ihr Leben?