Kulturen von Arbeit und Kapital

Teil 1: Betriebs- und Unternehmenskulturen

3. Auf Gruppenebene

1. Gruppenverhalten


von Margarete Payer

mailto: payer@payer.de


Zitierweise / cite as:

Payer, Margarete <1942 - >: Kulturen von Arbeit und Kapital. -- Teil 1: Betriebs- und Unternehmenskulturen. -- 3. Auf Gruppenebene. -- 1. Gruppenverhalten. -- Fassung vom 2006-06-08. -- URL: http://www.payer.de/arbeitkapital/arbeitkapital01301.htm    

Erstmals publiziert: 2005-11-04

Überarbeitungen: 2006-06-08; 2005-11-24 [Ergänzungen]; 2005-11-21 [Ergänzungen]; 2005-11-17 [Ergänzungen]

Anlass: Lehrveranstaltung an der Hochschule der Medien Stuttgart, Wintersemester 2005/06, Sommersemester 06

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0. Übersicht



1. Mottos


Man kann "nicht nicht kommunizieren .... Handeln und Nichthandeln, Worte und Schweigen haben alle Mitteilungscharakter: Sie beeinflussen andere, und diese anderen können ihrerseits nicht nicht auf diese Kommunikation reagieren und kommunizieren damit selbst.

Paul Watzlawick <1921 - >

Abgesehn von der neuen Kraftpotenz, die aus der Verschmelzung vieler Kräfte in eine Gesamtkraft entspringt, erzeugt bei den meisten produktiven Arbeiten der bloße gesellschaftliche Kontakt einen Wetteifer und eine eigne Erregung der Lebensgeister (animal spirits), welche die individuelle Leistungsfähigkeit der einzelnen erhöhen, so dass ein Dutzend Personen zusammen in einem gleichzeitigen Arbeitstag von 144 Stunden ein viel größres Gesamtprodukt liefern als zwölf vereinzelte Arbeiter, von denen jeder 12 Stunden, oder als ein Arbeiter, der 12 Tage nacheinander arbeitet. Dies rührt daher, dass der Mensch von Natur, wenn nicht, wie Aristoteles meint, ein politisches, jedenfalls ein gesellschaftliches Tier ist.

Karl Marx (1818 - 1883): Das Kapital. 1. Band. -- 1867. -- MEW Bd. 23, S. 345-346


2. Gruppe

(group, groep, groupe, grupo, gruppo, csoport, グループ)



Abb.: Typische Gruppe: Brixener Schützen. -- Liebig's Sammelbilder, 1914 - 1917


Abb.: Das innere und äußere System einer Gruppe, deren Aktivität durch Forderungen der Umwelt angeregt wird

[Quelle der Abb.: Hofstätter, Peter Robert <1913 - 1994> ; Tack, Werner H.: Menschen im Betrieb : Zur Sendung Rädchen Im Getriebe. -- Stuttgart : Klett, 1967. -- 178 S. : Ill. ; 22 cm. -- S. 61.]

Peter R. Hofstätter unterscheidet folgende Formen menschlicher Plurale (Vielheiten):

Man muss also zuerst einmal "Menge" und "Klasse" unterscheiden. Eine Klasse umfasst alle Menschen, die eine bestimmte Eigenschaft besitzen. Hofstätter nimmt als Beispiel die Klasse der Volkswagenbesitzer, diese Leute kennen sich normalerweise nicht und haben abgesehen vom gleichen Auto wenig gemeinsame Interessen. In dieser Klasse könnte es sein, dass sich Leute zusammentun, die für den "Käfer" schwärmen und ihre gemeinsamen Interessen pflegen wollen. Das könnte dann die Umwandlung in einen Verband sein. Die Mitglieder in einem Verband müssen sich nicht persönlich kennen, aber sie handeln gemeinsam. Hofstätter spricht von einer "aktivierten Klasse", denn es geht um Handlung.

Im Gegensatz zur Klasse ist eine Menge eine konkrete Gemeinschaft, die sich zufällig zur gleichen Zeit am gleichen Ort befinden. Jeder Mensch in der Menge verfolgt sein eigenes Ziel. Nach Hofstätter kann man von "Masse" sprechen, wenn diese Menge plötzlich gemeinsam handelt, z..B. eine Panik ausbricht. Aus der Menge heraus könnte sich aber auch eine Gruppe bilden, wenn z.B. eine Person die Initiative ergreift und Leute auffordert etwas gemeinsam zu tun.

"Der Verband erscheint demnach als eine Klasse, deren Definitionsmerkmal handlungsrelevant geworden ist. Man könnte auch von einer aktivierten Klasse sprechen. Diese Situation kann sich einstellen, sie muss es aber nicht. Wo in Anlehnung an Karl Marx von Klasse und Klassenbewusstsein die Rede ist, bekundet sich die Aufforderung zum verbandsmäßigen Zusammenschluss bzw. dazu, das gemeinsame Beschreibungsmerkmal (<Fabrikarbeiter> z.B.) handlungsrelevant werden zu lassen.

Von der Klasse als einer abstrakten Gemeinschaft lässt sich die Menge als eine konkrete Gemeinschaft unterscheiden. Das Wort bezeichnet alle Personen, die zur gleichen Zeit am gleichen Ort - z. B. in einer U-Bahnstation - anwesend sind. Dabei handle es sich aber nur um ein reines Nebeneinander, nicht also um ein Miteinander oder ein Zueinander. Abermals können wir uns Fälle ausmalen, in denen die Gemeinsamkeit des Ortes und der Zeit handlungsrelevant werden könnte, derart nämlich, dass sämtliche Anwesende durch ein Ereignis gemeinsam betroffen werden. Man denke z. B. an eine Störung im Lichtnetz. In dieser Situation kann es entweder zur Ausbildung einer unstrukturierten, johlenden und drängenden Masse kommen oder zu einer Strukturierung der anwesenden Menge im Sinne einer Gruppe. Die letztere Entwicklung beginnt in dem Moment, wo sich Ansätze zu einer Rollenverteilung erkennen lassen."

[Quelle: Hofstätter, Peter Robert <1913 - 1994>: Gruppendynamik : Kritik der Massenpsychologie. -- Vollst. überarb. und erw. Neuausg., 3., rev. Aufl., 9. - 11. Tsd. -- Reinbek bei Hamburg : Rowohlt, 1993. -- 253 S. : Ill., graph. Darst. ; 19 cm. -- (Rowohlts Enzyklopädie ; 430). -- ISBN: 3-499-55430-5. -- S. 29f.]

"Der Begriff soziale Gruppe bezeichnet eine Sammlung von mindestens drei Personen (umstritten, auch "zwei" wird genannt), die in einer unmittelbaren Beziehung zueinander stehen. Der Begriff "soziale Gruppe" grenzt sich (was die Dreizahl der Mitglieder angeht) von der Zweierbeziehung (Dyade) ab, die noch einmal gesondert betrachtet werden kann, sowie von einer Organisation, einer Sozialform, die eine sehr große Ausdehnung in Bezug auf Mitgliederzahl, sowie in Hinsicht auf eine komplexe Sozialstruktur haben kann (gelegentlich als formelle Gruppe bezeichnet). Die unten genannten Merkmale der Gruppe gelten hier nicht, da es oft eine anonyme Struktur gibt, formalisierte, anonyme Begegnungen u.a.

Definition

Eine soziologische Definition von Friedhelm Neidhardt lautet: "Gruppe ist ein soziales System, dessen Sinnzusammenhang unmittelbar durch diffuse Mitgliederbeziehungen sowie durch relative Dauerhaftigkeit bestimmt ist". Gruppe ist häufig eine wiederkehrende Interaktion zwischen Menschen, jedoch nicht zwangsläufig. Jemand gehört einer Gruppe an, wenn

  • ein sozialer Akteur sich der Gruppe zugehörig fühlt
  • dies von der Gruppe nicht dementiert wird

Damit die erste Bedingung erfüllt sein kann, muss diese Gruppe zumindest in der Vorstellung eines Akteurs existieren. Sie wirkt dann als seine "Bezugsgruppe", obwohl sie z.B. nicht nur aus lebenden Akteuren bestehen muss (z.B. "meine Sippe") oder nichts davon weiß, dass sie als Bezugsgruppe wirkt (z.B. "alle Menschen mit Selbstachtung").

Um die Gruppenzugehörigkeit überhaupt dementieren zu können, muss darüber hinaus eine "Gruppe" so etwas wie eine Gruppenidentität (Wir-Gefühl) entwickelt haben. (Vgl. auch: Eigengruppe.)

Das Wir-Gefühl ist ein wesentlicher, konstituierender Ausgangsfaktor für den Erhalt und Bestand von Gruppen, denn dieses "Gruppengefühl" gründet in den Gefühlen von Zugehörigkeit und Zusammengehörigkeit. Unmittelbare Interaktion eines Mitgliedes mit jedem anderen, Vertrautheit und Intimität, gehören ebenso zu den Qualitäten der Gruppe.

Eine gängige sozialpsychologische Definition ist die von Tajfel und Turner (1986, The social identity theory of intergroup behavior): Sie definieren eine (soziale) Gruppe als eine Ansammlung von Individuen, die sich selber als Mitglieder derselben sozialen Kategorie wahrnehmen, die ein gewisses Maß an emotionaler Bindung an diese Kategorie aufweisen und die einen gewissen sozialen Konsens über die Beurteilung und ihre Mitgliedschaft in dieser Gruppe aufweisen.

Struktur

Das soziale Zusammenleben innerhalb der Gruppe ist geprägt durch dauerhafte soziale Beziehungen und Kontakte, durch Eigen- und Zusammenhandeln, durch Einheit sozial Handelnder mit gemeinsamen Werten und Interessen, durch Unmittelbarkeit von Beziehungen, durch wechselseitige Wahrnehmung der Beteiligten, durch Anwesenheit und direkte Interaktion, sowie durch aufeinander abgestimmte soziale Rollen. Hiermit sind einige grundlegende, gruppensoziologische Merkmalbestimmungen genannt, die die Basis für die sozialen Prozesse innerhalb einer Gruppe ergeben und die im speziellen Sinne dann Gruppenprozesse genannt werden können. In der Interaktion der Individuen ergeben sie die Gruppendynamik.

Aufschlussreich sind bei der Untersuchung der Struktur zunächst die verschiedenen sozialen Rollen und Positionen (Status) in Hinblick auf die Verteilung von Macht, Kompetenz, Autorität oder anderer signifikanter Sozialressourcen. Wie auch der Blick auf Unterwerfung oder Anpassung als spezifische Verhaltensweisen, aus denen sich möglicherweise eine Hierarchie oder eine andere spezifische Struktur ergibt.

Ein weiterer wesentlicher Faktor ist das Innen-Außen-Verhältnis der Gruppe. Wie definiert sie sich nach innen als Gemeinschaft, z.B. über Inhalte, Gefühle, Rituale, Werte. Daraus folgt die Frage, wie sich die Gruppe überhaupt vom Umfeld, von anderen Gruppen (vgl. Fremdgruppe) oder der Gesellschaft, abgrenzt. Die mehr oder weniger klar definierte Art und Weise dieser Grenze stellt einen determinierenden Analysefaktor dar.

Einige Rollen innerhalb von Gruppen

In der Regel kristallisieren sich innerhalb kurzer Zeit in den Gruppen einzelne Positionen heraus, die von einzelnen Gruppenmitglieder eingenommen werden und unterschiedlich ausgefüllt werden (die soziale Rolle kann unterschiedlich gespielt werden). Mit den meisten Rollen identifizieren sich einzelne Gruppenmitglieder bewusst oder unbewusst.

Empirische Beispiele:
 

  • Ein Gruppenführer hat die Funktion, die Gruppe zusammenzuhalten, und bestimmt und koordiniert die Gruppenziele. In Gruppen, in denen es keinen offiziellen Gruppenleiter gibt, wetteifern meist der Beliebteste und der Normentreueste ("Tüchtigste") um diese Position (nach George C. Homans sind beide soziale Rollen unvereinbar).
    • Wer beliebt ist, hat die Funktion, die Gruppe zusammen zu halten; er wird von allen gemocht und verkörpert die emotionale Seite der Gruppenbedürfnisse. Da er die 'Strenge' der Gruppenmaßstäbe gerade nicht verkörpert, ist er als Gruppenführer meist erfolglos, oder er wird unbeliebter.
    • Wer tüchtig ist, verkörpert die normativen Ziele der Gruppe. Damit kann er der Beliebteste nicht sein: "Es recht zu machen jedermann, ist eine Kunst, die keiner kann."
  • Mitläufer orientieren sich am Gruppenleiter.
  • Der Opponent hat eine besondere Beziehung zum Gruppenführer und hat als starkes Mitglied ebenfalls Leitungsqualitäten, ist jedoch nicht zum Führer gemacht worden und macht diesem (unter)bewusst seine Position streitig. Der Opponent ist oft auch dafür verantwortlich, dass soziale Konflike akut werden. Die dabei entstehenden Aggressionen richten sich nicht selten gegen schwächere Mitglieder. Im Kleinen spielt er die Rolle der "Gegenelite" bei Vilfredo Pareto.
  • Sündenbock ist allgemein das schwächste Gruppenmitglied, und er wird verantwortlich gemacht, wenn die Gruppe ein Ziel nicht erreicht hat und die genaue Ursache dessen zu nennen, einer sozialen Zensur unterliegt.
  • Der Außenseiter nimmt ggf. durchaus eine Position in der Gruppe ein, er kann eine Beraterfunktion übernehmen, aber auch der Kasper sein.
Handeln und Verhalten

Menschen handeln bzw. verhalten sich in einer Gruppe anders als allein (Beispiel: Gruppenpolarisierung).

Gruppen, Verhaltensweisen zwischen Gruppen (Intergruppenverhalten) und Verhaltensweisen von Individuen innerhalb von Gruppen (Intragruppenverhalten) sind der primäre Forschungsgegenstand der Sozialpsychologie und spielen auch in der Soziologie eine Rolle, sowie, bezogen auf Gruppen in Organisationen, in der Organisationspsychologie.

Grundlagenliteratur

Grundlegende soziologische Beiträge hat George C. Homans (The Human Group) vorgelegt."

[Quelle: http://de.wikipedia.org/wiki/Soziale_Gruppe. -- Zugriff am 2005-10-26]


2.1. Gruppe in DDR-Sicht



DDR-spezifisch

Eine große Rolle spielte die Gruppe in der DDR. Man hoffte, dass die Menschen in der Gruppe die Werte und Normen des Staates lernen und übernehmen. So befaßte man sich sehr gründlich mit dem  Gruppen-Begriff in der offiziellen Psychologie und Soziologie des sozialistischen Staates, wobei man in der Psychologie eher von kleineren Gruppen mit einer engen Beziehung zwischen den Gruppenmitgliedern und in der Soziologie neben den Klein-Gruppen eher von größeren Gruppen bis zu sozialen Klassen und Schichten ausging. Als qualitativ neu und am meisten entwickelte Gruppe wurde das sozialistische Kollektiv angesehen, weshalb dieses dann auch von der Partei besonders gepflegt wurde, weil man sich erhoffte, dass man in diesem Gebilde die Einstellungen der Arbeiterschaft beeinflussen kann.

"1. Gruppe als Begriff der Psychologie. [...]

Die Bedeutung der Gruppe liegt nach marxistisch-leninistischer Auffassung darin, dass die konkrete Vermittlung zwischen den politisch gewollten Wertvorstellungen und Normen und den bei den Gruppen-Mitgliedern vorhandenen sich innerhalb von Gruppe vollzieht: »Die Gruppe übernimmt gesamtgesellschaftliche Zielstellungen, Normen, Werte u.a., transformiert sie, d.h., bringt sie mit gruppenspezifischen Zielen, die natürlich letztlich auch aus gesamtgesellschaftlichen resultieren, in Einklang und entwickelt so ein gruppeninternes Normensystem mit Geboten und Verboten u.a. Diesem haben sich die Gruppenmitglieder unterzuordnen; seine Einhaltung unterliegt der Kontrolle. In diesem Feld vollzieht sich die gesellschaftliche Determination des Menschen.« (Wörterbuch der Psychologie, a.a.O., S. 244) Demnach finden in den Gruppen die eigentlichen Sozialisationsprozesse statt. Die Analyse von Gruppen ist somit Voraussetzung, den realen Bewusstseinsbildungsprozessen, den Motivationen für tatsächliches Sozialverhalten usw. nachzugehen.

Derartige Untersuchungen dienen ferner dazu, das Fortwirken traditioneller Einstellungen, von überkommenen Sitten und Bräuchen ebenso zu analysieren wie regionale und schichtspezifische Entwicklungen. Aus marxistisch-leninistischer Sicht besteht bei derartigen Untersuchungen jedoch die Gefahr, dass das postulierte »Klasseninteresse«, das »gesellschaftliche Bewusstsein« und andere zentrale ideologisch gesetzte Bewusstseinsphänomene, in denen sich die angenommene neue Qualität der eigenen Ordnung als bestimmender Faktor manifestieren soll, hinter den Besonderheiten der jeweiligen Gruppen-Interessen verschwinden, bzw. sich in den Untersuchungsergebnissen nicht mehr nachweisen lassen. Deswegen hat es verschiedentlich politisch-ideologische Kritik an der gruppenanalytischen Forschung gegeben; trotzdem hat sich die Analyse von Gruppen in der Sozialpsychologie, in der Jugendforschung usw. wegen ihrer Realitätshaltigkeit durchgesetzt. Die Kenntnis der Differenziertheit der eigenen Gesellschaft und der in ihr ablaufenden Prozesse gilt als Voraussetzung für gesellschaftspolitische Eingriffe ( Sozialindikatoren; Sozialplanung).

2. Gruppen-Begriffe in der Soziologie. Der Gruppen-Begriff in der Soziologie ist, soweit er sich auf Klein-Gruppen erstreckt, im wesentlichen mit dem der Psychologie identisch. Da die Soziologie sich allerdings stärker der Untersuchung formaler Gruppen zuwendet, werden von ihr auch große strukturierte soziale Einheiten »in der nicht mehr jeder jeden kennt, aber in der dennoch ein bewusstes Verhältnis zur Gruppe selbst besteht und auf der Grundlage der Teilnahme an der für die jeweilige soziale Einheit wesentlichen gesellschaftlichen Tätigkeit sich eine Vielzahl von sozialen Beziehungen zwischen den Gruppenmitgliedern entwickelt, als soziale Gruppe bezeichnet« (z.B. Belegschaft des Betriebes, eine LPG, ein Forschungsinstitut u.a.) (Wörterbuch der marxistisch-leninistischen Soziologie, 2., überarb. Aufl. 1977, S. 231). – Als soziale Groß-Gruppe gelten soziale Klassen ( Klasse/Klassen, Klassenkampf) und Schichten sowie Merkmalseinheiten innerhalb dieser Gruppen (z.B. Facharbeiter als Gruppe in der Arbeiterklasse, Werktätige, die in Großbetrieben beschäftigt sind, Unterscheidungen nach dem Geschlecht usw.). – Davon zu unterscheiden sind statistische Gruppen, die sich aufgrund der in der Statistik verwendeten Kriterien ergeben und als solche in soziologische Untersuchungen eingehen ( Sozialstruktur; Soziologie und Empirische Sozialforschung, IV. A.).

3. Das sozialistische Kollektiv als Gruppe In der Soziologie und in der Psychologie wird gleichermaßen das Sozialistische Kollektiv als qualitativ neue und höchste Form der Gruppe angesehen. In ihm sollen die gesellschaftlich geforderten und die tatsächlich in der Gruppe vorhandenen Normen und Verhaltensweisen in ein optimales Verhältnis gebracht worden sein."

[Quelle: DDR-Handbuch / hrsg. vom Bundesministerium für Innerdeutsche Beziehungen. Wissenschaftliche Leitung: Hartmut Zimmermann unter Mitarbeit von Horst Ulrich und Michael Fehlauer. -- 3., überarb. u. erw. Aufl. -- Köln : Verlag Wissenschaft u. Politik, 1985. -- 2 Bde. -- s.v.]


2.2. Soziogramm
(sociogram)


Mit Hilfe eines Soziogramms (die Technik hat der Arzt und Psychologe L. Moreno entwickelt) kann man sich ein gutes Bild von einzelnen Mitgliedern einer Gruppe machen, denn bekanntlich sind Gruppenmitglieder nie gleich. Manche sind fleißig, andere faul, einige zu ehrgeizig oder schwierig usw. Die Technik des Soziogramms hilft z.B. bei der Auswahl eines Vorgesetzten, denn durch Befragen jedes einzelnen Mitglieds kann man besser die jeweiligen Rollen in der Gruppe herausbekommen, also auch denjenigen, der die Rolle des Vorgesetzten voraussichtlich am besten spielen wird. Hofstätter und Tack gehen sogar davon aus, dass diese Methode mindestens so gut ist wie manche psychologischen Tests (vgl. Hofstätter, Tack, Menschen im Betrieb, S. 64).

Beim Soziogramm befragt man jeden einzelnen, mit wem aus der Gruppe man am liebsten zu einem Bier gehen würde oder wer aus der Gruppe die beste Arbeit leistet. Jeder Befragte darf nur 2 Gruppenmitglieder nennen. Man zeichnet dann die Beziehungen zueinander auf und kann recht schnell erkennen, wer z.B. der Beliebteste ist. die folgende Abbildung ist das Ergebnisses eines entsprechenden Versuchs in einer Gruppe von 8 Malern, der von Hofstätter und Tack durchgeführt wurde.


Abb.: Das Soziogramm einer Gruppe

[Quelle: Hofstätter, Peter Robert <1913 - 1994> ; Tack, Werner H.: Menschen im Betrieb : Zur Sendung Rädchen Im Getriebe. -- Stuttgart : Klett, 1967. -- 178 S. : Ill. ; 22 cm. -- S. 62f.]


2.3. Gruppengröße


Gruppen sollten möglichst nicht über 12 Personen umfassen, da sonst die Gefahr besteht, dass viele sich nicht äußern bzw. nicht zu Wort kommen.


Abb.: Beteiligung an der Diskussion und Gruppengröße

[Quelle der Abb.: Rosenstiel, Lutz von <1938 - >: Grundlagen der Organisationspsychologie : Basiswissen und Anwendungshinweise. -- 5., überarb. Aufl. --Stuttgart : Schäffer-Poeschel, 2003. .. XIV, 539 S. : Ill.. ; 19 cm. -- (Sammlung Poeschel ; 95). -- ISBN 3-7910-9236-7. -- S. 322. --  {Wenn Sie HIER klicken, können Sie dieses Buch  bei amazon.de bestellen}]


2.4. Experimentelle Gruppendynamik und Betriebswirklichkeit


Vorsicht bei der unbesehenen Übernahme von Ergebnissen gruppendynamischer Experimente! Manfred Sader weist daraufhin, dass viele Ergebnisse zur Gruppenforschung auf der Untersuchung von kleinen für die Untersuchung zusammengestellten Gruppen entstanden sind, dass aber die Wirklichkeit anders aussieht, da

[vgl: Sader, Manfred <1928 - >: Psychologie der Gruppe. -- 8. Aufl. -- Weinheim [u.a.] : Juventa-Verl., 2002. -- 324 S. ; 23 cm. --  (Grundlagentexte Psychologie). ..  ISBN: 3-7799-0315-6. -- S. 40f. -- {Wenn Sie HIER klicken, können Sie dieses Buch  bei amazon.de bestellen}]


2.5. Gruppen im Betrieb


Dass ein Mitarbeiter in einem Betrieb zu den verschiedenen Gruppen Arbeitsgruppe, Ranggruppen, Interessenvertretungsgruppen und autonomen Gruppen gehören kann, zeigt folgende Abbildung


Abb.: Gruppenbindungen im Betrieb

[Bildvorlage: Friedrich Fürstenberg <1930 - >. -- In: Betriebspsycholgie / hrsg. von A. Mayer ; B. Herwig. -- Göttingen : Verlag für Psychologie, Hogrefe, 1961. -- (Handbuch der Psychologie ; Bd. 9). -- S. 439]


3. Leistungen der Gruppe


Bei Gruppenleistungen kann man drei Arten unterscheiden:

Leistungen


3.1. Leistungen vom Typus des Hebens und Tragens



Abb.: 88 Sklaven transportieren die sieben Meter hohe Alabasterstatue de Pharao. -- Relief von El Berscheh. -- um 2000 v. Chr.

Im grundlegenden Werk

Moede, Walther <1888 -1958>: Experimentelle Massenpsychologie : Beiträge zur Experimentalpsychologie d. Gruppe. -- Leipzig : Hirzel,1920. -- IX, 239 S. : Ill. -- (Psychotechnische Bibliothek ; Bd. 2)

teilt der Autor seine Untersuchungen beim Seilziehen mehrerer Personen mit. Dabei ergibt sich, dass die Kollektivleistung nicht die Summe der Einzelleistungen ist, sondern darunter liegt, da eine genaue Koordination aller Kräfte äußerst schwierig ist.

Abb.: Kollektivleistung von n Personen beim Tauziehen (nach Moede)

[Quelle der Abb.: Hofstätter, Peter Robert <1913 - 1994>: Gruppendynamik : Kritik der Massenpsychologie. -- Vollst. überarb. und erw. Neuausg., 3., rev. Aufl., 9. - 11. Tsd. -- Reinbek bei Hamburg : Rowohlt, 1993. -- 253 S. : Ill., graph. Darst. ; 19 cm. -- (Rowohlts Enzyklopädie ; 430). -- ISBN: 3-499-55430-5. -- S. 37.]

Durch den Einsatz von Maschinen hat die Zusammenfassung menschlicher Körperkräfte viel von ihrer ehemaligen Bedeutung verloren.


3.2. Leistungen vom Typus des Suchens und Beurteilens


 Viele Köche verderben den Brei

Sprichwort

Vier Augen sehen mehr als zwei
 Quatre yeux voient plus que deux.
Vier oogen zien meer dan twee.
Quattr' occhi vedono più che un solo.
Oculi plus vident, quam oculus.

Sprichwörter

[993a][30] ἡ περὶ τη̂ς ἀληθείας θεωρία τῃ̂ μὲν χαλεπὴ τῃ̂ δὲ ῥᾳδία. σημει̂ον δὲ τὸ μήτ' ἀξίως μηδένα δύνασθαι θιγει̂ν αὐτη̂ς μήτε πάντας ἀποτυγχάνειν, [993b][1] ἀλλ' ἕκαστον λέγειν τι περὶ τη̂ς φύσεως, καὶ καθ' ἕνα μὲν ἢ μηθὲν ἢ μικρὸν ἐπιβάλλειν αὐτῃ̂, ἐκ πάντων δὲ συναθροιζομένων γίγνεσθαί τι μέγεθος: ὥστ' εἴπερ ἔοικεν ἔχειν καθάπερ τυγχάνομεν παροιμιαζόμενοι, [5]  τίς ἂν θύρας ἁμάρτοι; Die Aufgabe der Wissenschaft, die auf Erforschung der Wahrheit gerichtet ist, darf man wohl in einer Beziehung als schwierig, in anderer Beziehung wieder als leicht bezeichnen. Ein Anzeichen davon ist schon dies, dass kein Denker zwar die Wahrheit in völlig zutreffender Weise zu erreichen, keiner aber auch sie völlig zu verfehlen vermag, sondern jeder wenigstens etwas vorzubringen weiß, was der Natur der Sache entspricht, und dass, wenn auch der einzelne sie gar nicht oder nur in geringem Maße trifft, doch aus dem Zusammenwirken aller sich schließlich ein gewisses Quantum des Wissens ergibt. Wenn es also etwas für sich hat, was man im Sprichwort sagt: ein rechter Schütze, der ein Scheunentor verfehlt! so würde in diesem Sinne die Aufgabe immerhin leicht sein.
Aristoteles (384 - 322 v. Chr.): Metaphysik, 2. Buch, 1. Kapitel  (Griechischer Text: http://www.perseus.tufts.edu. Übersetzung: Adolf Lasson (1832 - 1917), 1916)

Verschiedene Versuche belegen, dass bei Aufgaben, z.B. den Flächeninhalt komplexer Figuren zu bestimmen, die gemittelten Ergebnisse der Einzelbestimmungen der verschiedenen Teilnehmer viel genauer sind als jedes individuelle Ergebnis. Voraussetzung ist allerdings, dass in der Menge der Beurteilenden die Durchschnittsrichtigkeit der Urteile größer als Null ist. Die neutrale Urteilszusammenfassung (Bildung von Mittelwerten) führt zu einem statistischen Fehlerausgleich.


Abb.: R20, die richtige Reihung der Flächeninhalte, stimmt genau mit der gemittelten Reihung der Reihungen der 7 Versuchsteilnehmer überein (die alle nicht völlig korrekt geschätzt hatten)

[Quelle der Abb.: Hofstätter, Peter Robert <1913 - 1994>: Gruppendynamik : Kritik der Massenpsychologie. -- Vollst. überarb. und erw. Neuausg., 3., rev. Aufl., 9. - 11. Tsd. -- Reinbek bei Hamburg : Rowohlt, 1993. -- 253 S. : Ill., graph. Darst. ; 19 cm. -- (Rowohlts Enzyklopädie ; 430). -- ISBN: 3-499-55430-5. -- S. 40.]

Beachte, dass es sich bei diesen Versuchen nicht um Teamwork handelt, sondern um die gemittelte Zusammenfassung von Einzelleistungen bei derselben Aufgabe!


3.3. Leistungen vom Typus des Bestimmens


Die wichtigste Gruppenleistung ist die Setzung von ausdrücklichen und faktischen (expliziten und impliziten) Normen. Dies entlastet den Einzelnen, da er in vielen Situationen nicht entscheiden muss, wie er sich verhalten soll, sondern sich nach den Gruppennormen, Gruppenerwartungen und Rollenvorgaben der Gruppe richtet.

Der Mensch in der Gruppe bestimmt Normen und Rollen, ist sich dessen aber nur selten bewusst. Man sieht die menschengemachten Normen als naturgegeben oder gottgegeben an. Wer diese Normen anzweifelt, gilt dann als widernatürlich (pervers, abartig), gewissenlos oder gottlos, als Außenseiter, Ketzer oder Umstürzler usw.


Abb.: "Natürliche" Rollenverteilung in der Familie (©IMSI)

Vergleicht man nach Stücklohn bezahlte Arbeiter, die nebeneinander schaffen, stellt man fest, dass sie je nach Schnelligkeit, Fleiß und Geschicktheit in der gleichen Zeit unterschiedliche Mengen herstellen. Wenn diese Arbeiter in einer Gruppe arbeiten, wird sich bald eine Norm bilden, die bestimmt, wieviel die Gruppe in einer bestimmten Zeit herstellt. Dabei wird der Gruppendruck sich sowohl auf den Faulen, dass er mehr tun soll, als auch auf den Fleißigen, damit er gebremst wird, auswirken. Das Ergebnis muss nicht unbedingt das sein, was machbar wäre.

Bei Untersuchungen solcher Gruppen konnte man feststellen, dass in Gruppen, deren Zusammenhalt gut war, die Leistungen der einzelnen Mitarbeiter recht gleichmäßig waren. Wie gut der Zusammenhalt in der Gruppe ist, kann man u.a. daran sehen, wie die Mitglieder übereinander sprechen, aber auch daran, dass man es unverantwortlich findet, willkürlich zu fehlen z. B. bei leichten Erkältungen. Wichtig dabei ist, dass die Gruppe selbst bestimmt, was sie tun will.(vgl. Hofstätter, Gruppendynamik, S. 74ff)

Folgende Beispiele bei Hofstätter aus dem Arbeitsleben illustrieren die Gruppenleistung des Bestimmens:




Abb.: Wir mögen Stachanow. -- Plakat. -- Baku (Bakı), Aserbaidschan. -- 1936
[Bildquelle: http://www.kraftaverk.is/ussr/pages/WeDoLikeStachanov!.htm. -- Zugriff am 2005-10-03]

"Einen Versuch zur Nutzbarmachung des Konvergenzprinzips und damit gleichzeitig zur Beeinflussung gruppenspezifischer Normen stellt die russische Methode der <STACHANOFF-Arbeit> dar [benannt nach dem Rekordarbeiter Alexei Grigorjewitsch Stachanow = Алексей Григорьевич Стаханов, 1906 - 1977] . Dass die Leistung späterhin besonders ausgezeichneter Arbeiter mitunter sehr weit über den Durchschnitt herausragt, berechtigt keineswegs immer zu der Annahme einer gefährlichen und ungesunden Übersteigerung des Leistungsanspruchs; solche Leistungen weisen nicht selten auf die Existenz allgemein anerkannter, aber sachlich nicht begründeter Gewohnheitsnormen hin. Auf Grund des SHERIFschen Experiments würden wir freilich erwarten, dass der im Extrem Schaffende sich durch Produktionsverringerung der in seiner Gruppe eingestellten Norm anpassen würde. Gerade in diesem Punkt schaltet sich aber die mit dem Begriff des STACHANOFF-Arbeiters verbundene Unternehmer-Taktik ein; sie besteht vor allem darin, dass dem Normbrecher nicht nur die regulären finanziellen Vorteile seiner Mehrarbeit zugänglich gemacht werden, sondern weit höhere Kompensationen durch <Ehrengeschenke>, Auszeichnungen usw. Auf diese Weise trachtet die Werksleitung der Konvergenztendenz entgegenzuwirken. Sie fixiert den Maximalwert und hofft, dass dadurch die Leistungswerte der übrigen Gruppenmitglieder aufwärtsgezogen werden. Inwieweit ein solches Vorgehen ethisch zu rechtfertigen ist, braucht hier nicht untersucht zu werden; für uns genügt der Hinweis auf eine durchaus ernsthafte Parallele zu dem völlig harmlosen Laboratoriumsexperiment. Abermals sei angemerkt, dass die Erklärung der Stachanoff-Wirkung im Sinne einer suggestiven Einflussnahme des <Leistungshelden> auf seine Kameraden weder erforderlich noch auch nur plausibel ist.

Einen anderen Weg zur Steigerung der Produktivität haben L. Coch und J. R. P. French Jr. (1948) gezeigt. Arbeiter einer Pyjama-Fabrik, denen die schwierige wirtschaftliche Situation ihres Unternehmens klargeworden war, fassten den Beschluss, ihre tägliche Arbeitsleistung erheblich zu erhöhen. Zumindest für ein halbes Jahr hielten sie sich tatsächlich auf einem um etwa 18 Prozent höheren Niveau. Der Versuch einer Replikation dieses Resultats in einer norwegischen Fabrik (French u. a., 1960) vermochte allerdings nicht zu befriedigen. Sehr positive Ergebnisse berichtet jedoch W. Kellner (1961) aus einer Reihe industrieller Betriebe, in denen von Arbeitnehmern Bestimmungsleistungen getroffen wurden. Sie bestätigen Kurt Lewins (1947) Beobachtung, dass es häufig leichter ist, Verhaltensänderungen durch Gruppendiskussionen zu erreichen, an deren Ende eine Bestimmungsleistung erfolgt, als dadurch, dass man einzelnen Personen <gut zureden>. Dabei ist allerdings die Voraussetzung, dass die Gruppen selbst ein ziemlich starkes Gefühl des Zusammenhalts (Kohäsion) besitzen oder im Lauf der Zeit entwickeln müssen. Nicht zu übersehen ist, dass in einem solchen Sozialgebilde nicht nur Produktionssteigerungen beschlossen werden können, sondern auch Produktivitätssenkungen, Arbeitsniederlegungen, Qualitätsminderungen usw. Die Gruppe besitzt zwar das Machtmittel der Bestimmungsleistungen - das eben, was im politischen Raum als <Solidarität> bezeichnet zu werden pflegt -, aber sie kann es auch in destruktiver Weise einsetzen, wie ihr das die Ideologen des Anarchismus nicht selten empfehlen (G. Hillmann, 1970)."

[Quelle: Hofstätter, Peter Robert <1913 - 1994>: Gruppendynamik : Kritik der Massenpsychologie. -- Vollst. überarb. und erw. Neuausg., 3., rev. Aufl., 9. - 11. Tsd. -- Reinbek bei Hamburg : Rowohlt, 1993. -- 253 S. : Ill., graph. Darst. ; 19 cm. -- (Rowohlts Enzyklopädie ; 430). -- ISBN: 3-499-55430-5. -- S. 74 - 77.]


4. "Prozessverluste: Wenn die Interaktionen in Gruppen gutes Problemlösungsverhalten hemmen"



Abb.: Prozessverluste: nichts hören, nichts sehen, nichts sagen (©MS Office)

Solche Prozessverluste entstehen:

  1. Durch das Versäumnis, wichtige Informationen zu teilen (Illoyalität)
  2. Durch Groupthink


4.1. Illoyalität
(disloyality)



Abb.: Das Versäumnis, wichtige Informationen zu teilen: "Alles, was mir bleibt, ist meine Aufrichtigkeit" (Walter Matthau als Zahnarzt Dr. Julian Winston)

Eine Voraussetzung dafür, dass eine Gruppe "funktioniert" ist, dass die Gruppenmitglieder zur Gruppe loyal sind, d.h. vor allem dass sie aufrichtig sind und dass sie keine wichtigen Informationen zurückhalten.


4.2. Groupthink
(Gruppendenk, Gruppendenken, pensée de groupe, pensamiento de grupo, syndrom grupowego myślenia)



Abb.: "And we are firmely opposed to any form of groupthink." — "Right, J.B.!" ...
[Bildquelle: http://www.ibv.liu.se/eng/research/fog/members/groupthink.html. -- Zugriff am 2005-10-28]

"Gruppendenken bezeichnet einen Denkvorgang, bei dem eine Gruppe von Personen schlechte oder realitätsferne Entscheidungen trifft, weil jede Person ihre eigene Meinung an die vermutete Gruppenmeinung anpasst. Daraus können Situationen entstehen, bei der die Gruppe Handlungen oder Kompromissen zustimmt, die jedes einzelne Gruppenmitglied unter normalen Umständen ablehnen würde.

Es gibt den Vorschlag, für „Gruppendenken“ im Deutschen die Übersetzung des englischen groupthink = „Gruppendenk“ zu benutzen. Der Begriff wurde im Englischen in gewollter Ähnlichkeit zu George Orwells Wortneuschöpfungen wie beispielsweise Doppeldenk und Quaksprech der Sprache Neusprech in seinem Roman 1984 1972 von dem Psychologen Irving Janis geprägt. Nach Janis ist „Gruppendenk“ ein „Denkmodus, den Personen verwenden, wenn das Streben nach Einmütigkeit in einer kohäsiven Gruppe derart dominant wird, dass es dahin tendiert, die realistische Abschätzung von Handlungsalternativen außer Kraft zu setzen“ (Übersetzung von [1]).

Gruppendenken tritt gehäuft in Komitees oder großen Organisationen in Erscheinung. Es wird als einflussreicher Faktor beim Vietnamkrieg, bei der Schweinebucht-Invasion, dem Challengerunglück und dem Columbiaunglück, der Korruption im Enronkonzern sowie 2003 bei der Entscheidung des amerikanischen Kongresses zum Irakkrieg angesehen.

Symptome von Gruppendenken sind beispielsweise:

  • die Betrachtung von wenigen Alternativen
  • die Nichtbeachtung der Meinung von Experten oder Außenstehender
  • eine sehr wählerische Informationsbeschaffung
  • die Illusion von Unverwundbarkeit
  • ein starker Glaube an eine gruppeneigene Moral
  • Beschönigung schlechter Entscheidungen
  • Druck, sich der Gruppe anzupassen, Zurückhalten von Kritik
  • Druck, die Gruppe vor negativen Ansichten zu schützen, oder was dafür gehalten wird
  • Informationen über die Gruppe und den Informationsfluß nach 'draußen' zu kontollieren [!]
  • innerer und äußerer Druck zur Entscheidungsfindung
  • einzelne Gruppenmitglieder bestätigen sich gegenseitig ihre Theorien

In seiner extremen Ausprägung ist Gruppendenken das Unterwerfen des Einzelnen unter das Denken einer Gruppe, zu der die Einzelperson gehört oder gehören will: z.B. einer Religionsgemeinschaft oder Partei. In dieser Form steht Gruppendenk einem Gegensatz zum kritischen Denken, das von Immanuel Kant wie folgt definiert wurde: "Wage es, deinen eigenen Verstand zu gebrauchen".

Die Gefahr des Gruppendenkens besteht in seiner möglichen Starrheit und Irrationalität. Wenn die Gruppe über keinen Mechanismus zur Anpassung der gemeinsamen Denkvorstellungen verfügt, dann werden diese zum Dogma, das dennoch hohe Anziehungskraft entfalten kann und die Orientierung am wirklichkeitsfernen Dogma kann im ungünstigsten Fall bis zum Untergang der Gruppe führen.

In gemäßigter Form ist das Denken aller Menschen durch Gruppendenken beeinflusst: Wir alle orientieren uns ein Stück weit an den Ideen und Wertvorstellungen der Familie, des Freundeskreis, des Vereins, der Firma - bis hin zu Kirche, Partei und Staat. Gleichzeitig sind wir ein Stück weit an der Bildung des Gruppendenks beteiligt.

Ohne Gruppe ist auch das kritische Denken nicht möglich: Da niemand über den "Stein der Weisen" verfügt, ist der Weg zur Vermeidung von möglichen Fehlern im Denken der Gebrauch des eigenen Verstandes im kritischen Dialog mit anderen Mitgliedern der Gruppe, letztlich innerhalb der 'Gruppe Mensch', der die kulturelle Evolution mit Sprache und Schrift die Werkzeuge zum kritischen Denken in und mit der Gruppe gegeben hat (Karl Popper).

Es gibt verschiedene Ansätze, Situationen des Gruppendenkens vorzubeugen.

  • Beispielsweise können Verantwortlichkeit und die Macht, Entscheidungen zu treffen, in die Hände einer Person gelegt werden. Sie darf jederzeit andere Gruppenmitglieder um Rat bitten. Da Kompromisse und Handlungen nur von dieser einen Person bestimmt werden, ist sie nicht von einer angenommenen Gruppenhaltung abhängig. Diese Methode ist jedoch sehr fragwürdig, da sie entweder dieser Person zuviel Macht einräumt oder zu unproduktiven Machtkämpfen innerhalb der Gruppe führt, und schließlich, weil diese Person ja durchaus auch von einer Gruppe von Personen durch deren Denken unter Druck gesetzt werden kann bzw. sich gesetzt fühlt, also ebenfalls wieder einem Gruppendenken erliegt.
  • Durch die Auswahl eines Gruppenmitgliedes, das stets eine ablehnende Haltung einnimmt (Advocatus Diaboli), können andere Gruppenmitglieder zur Begründung von Vorschlägen motiviert werden. Auch sinkt der mit ersten Gegenargumenten verbundene Druck.
  • Schließlich haben sich Anonymes Feedback, Vorschlagsboxen sowie Online Chats als wirksame Mittel gegen Groupthink etabliert. Kritik und negative Ansichten können aufgeworfen werden, ohne dass ein bestimmtes Gruppenmitglied dafür verantwortlich gemacht werden kann.
  • Eine Alternative zum Gruppendenken ist ein formaler Entscheidungsfindungsprozess, welcher in kooperierenden Gruppen am effektivsten angewendet werden kann."

[Quelle: http://de.wikipedia.org/wiki/Gruppendenken. -- Zugriff am 2005-10-28]

Anschaulich beschreibt Dietrich Dörner die Entstehung von Groupthink. Er beschreibt eine Gruppe in einer Firma, die nach einem Streit, der bis ins Persönliche ging, beschlossen hatte, die Solidarität mit der Gruppe über alles andere zu stellen, weil man ja zusammen arbeiten muss. Eigentlich suchte man nach einer neuen Strategie sich dem wandelnden Markt anzupassen, da man aber Angst vor einer Diskussion und damit neuen Auseinandersetzungen hatte, hielt man an der einmal gewählten Strategie fest. Die Gruppe hat praktisch diese Strategie als Norm angenommen und war damit unbeweglich.

Im genannten Fall war die Strategie teilweise erfolgreich, so dass man keinen Grund sah, davon abzuweichen. Bei Misserfolgen versuchte man mit leichten Modifikationen der Sache Herr zu werden. Das Gruppendenken erlaubte nicht, die Strategie zu hinterfragen. Wenn dann noch dazu kommt, dass man für das Durchführen der Strategie viel Geld investiert hat, wird man erstmal auf der alten Vorgehensweise beharren, da man sonst zugeben müßte etwas Falsches getan zu haben.

"Je größer die Investitionen, desto größer die Tendenz, die Opfer nicht vergeblich sein zu lassen. Solche Beharrungstendenzen sind wichtige Kräfte und Determinanten des wirtschaftlichen, aber auch des militärischen und politischen Handelns. Je mehr Opfer man gebracht hat, desto höher wird das Bestreben sein, doch endlich auch die Belohnungen für die Opfer kassieren zu können. Man kann dann nicht mehr einfach sagen: «War ja nur so eine Idee, Jungs!»"

[Quelle: Dörner, Dietrich <1938 - >: Die Logik des Misslingens : strategisches Denken in komplexen Situationen. -- Erw. Neuausg. -- Reinbek bei Hamburg : Rowohlt-Taschenbuch-Verl., 2003. -- 346 S. ; 19 cm. -- (rororo ; 61578 : rororo science). -- ISBN 3-499-61578-9. -- S. 283 -287. -- {Wenn Sie HIER klicken, können Sie dieses Buch  bei amazon.de bestellen}]


4.3. Gruppenpolarisierung: Bis ins Extrem gehen
(group polarization)


Fast jeder, der regelmäßig an Sitzungen teilnehmen muss, wird schon erlebt haben, dass nach der Sitzung eigentlich alle Mitglieder unzufrieden sind, weil sie etwas beschlossen haben, dass der einzelne im Grunde nicht vertreten wollte. In einer Gruppe ist man entweder mehr dazu geneigt Sichheitsbedenken aufzugeben und sich einer extremen Vorgehensweise anzuschließen (man verantwortet das ja nicht allein) oder aber vorsichtiger zu sein, als man es eigentlich als notwendig ansehen würde.

Man sollte sich darüber klar sein, dass z.B.  bei politischen Entscheidungen es zu schlimmen Auswirkungen kommen kann, wenn solche Gruppenpolarisierung geschieht und vor allem der Einzelne meint sich aus der Verantwortung ziehen zu können.

"Gruppenpolarisierung: Die Tendenz von Gruppen, Entscheidungen zu treffen, die extremer sind als die anfängliche Neigung ihrer Mitglieder - in Richtung eines größeren Risikos, wenn die anfängliche Tendenz des Einzelnen zu großem Risiko hingeht, und zu größerer Vorsicht, wenn die anfängliche Tendenz des Einzelnen zur Vorsicht neigt."

[Quelle: Aronson, Elliot <1932 - > ; Wilson, Timothy D. ; Akert, Robin M.: Sozialpsychologie. -- 4., aktualisierte Aufl. -- München  [u.a.] : Pearson Studium, 2004. --  XXXIII, 723 S. : Ill.,  ; 29 cm. -- (Psychologie : Sozialpsychologie). -- Originaltitel: Social psychology (2004). -- ISBN 3-8273-7084-1. -- S. 340. -- {Wenn Sie HIER klicken, können Sie dieses Buch  bei amazon.de bestellen} ]


"Gruppen diskutieren, um zu einer Entscheidung zu gelangen und um handeln zu können. In diesem Sinn dürfte der Polarisations-Effekt durchaus zweckmäßig sein, da er ihnen das sprichwörtliche Schicksal des buridanischen Esels erspart. Erreicht wird die erhöhte Entscheidungsfähigkeit bisweilen allerdings mit Hilfe einer gefährlichen Illusion, bei der Erinnerungen an die Massenpsychologie anklingen. Gemeint ist die ungemein entlastende Vorstellung, es ließe sich im Fall eines Misserfolges einer Kollektiventscheidung die Gesamtschuld unter den Beteiligten so aufteilen, dass auf jeden einzelnen im Sinne einer „Diffusion der Verantwortung" nur ein geringer Bruchteil kommt. Eine solche Vorstellung wirkt enthemmend. Was alle in einer bestimmten Situation tun, kann man schließlich niemandem vorwerfen. Es muss, so heißt es, für ein solches Verhalten daher äußere, in den Umständen gelegene Gründe geben, nicht aber innere Gründe des eigenen Wesens, deren man sich später einmal vielleicht schämen müsste. Das ist der Inhalt der in den letzten Jahren entwickelten Theorie der Kausalitäts-Zuschreibung („Attribution"; H. H. Kelley u. a., 1980; W. Herkner, 1980), die zwischen „externaler" und „internaler" Zuschreibung unterscheidet. Verantwortung übernehmen, heißt, das eigene Tun „internal" aus der eigenen Persönlichkeit, deren Fähigkeiten, Erfahrungen und Motiven ableiten. Massen interpretieren dagegen in der Regel „external". Sie sind in ihrem Selbstbild fast immer unschuldig bzw. sogar „Opfer" der vorherrschenden Verhältnisse. Man frage nur randalierende Demonstranten! Nicht selten berufen sich Massen, wenn etwas schiefgegangen ist, auf einen Führer, der dann schnell zum Sündenbock wird: „Der Nimbus verschwindet immer im Augenblick des Misserfolges. Der Held, dem die Masse gestern zujubelte, wird morgen von ihr angespieen . . .", meinte Le Bon (S. 100). Die Massen mit ihrem „unstillbaren Bedürfnis, regiert zu werden", (1894, S. 17) zeigen „sich selbst überlassen, dass sie, ihrer Zügellosigkeit überdrüssig, instinktiv der Knechtschaft zusteuern" (S. 34). Beschrieben wird hier einerseits die „autoritäre Persönlichkeit" im Sinne T. W. Adornos (1950), andererseits „die einsame Masse" David Riesmans (1950), deren Angehörige sich der Außenlenkung überlassen, indem sie ihr Tun an dessen Resonanz rückkoppeln. Finden sie in der Umwelt Zustimmung, machen sie weiter, stoßen sie auf Ablehnung oder Widerstand, drehen sie blitzschnell um. In beiden Fällen wird das auf Unselbständigkeit oder auch auf Gehorsam programmierte Individuum dem innengelenkten Menschen gegenübergestellt, der sich in erster Linie seinem persönlichen Gewissen verpflichtet fühlt, und der es aushält, bisweilen sogar mit sich selbst uneins zu sein."

[Quelle: Hofstätter, Peter Robert <1913 - 1994>: Einführung. -- In:  Le Bon, Gustave <1841 - 1931>: Psychologie der Massen / Gustave Le Bon. Mit einer Einführung von Peter R. Hofstätter. -- 15. Aufl. -- Stuttgart : Kröner, 1982. -- XLII, 156 S. ; 18 cm. -- (Kröners Taschenausgabe ; Bd. 99). -- Originaltitel: Psychologie des foules (1895). -- ISBN: 3-520-09915-2. -- S. XXXII - XXXIV]


4.4. Soziales Faulenzen
(social loafing)


Die Gegenwart anderer kann zu sozialer Erleichterung aber auch zu sozialem Faulenzen führen:


Abb.: Soziale Erleichterung und soziales Faulenzen

[Bildquelle: Aronson, Elliot <1932 - > ; Wilson, Timothy D. ; Akert, Robin M.: Sozialpsychologie. -- 4., aktualisierte Aufl. -- München  [u.a.] : Pearson Studium, 2004. --  XXXIII, 723 S. : Ill.,  ; 29 cm. -- (Psychologie : Sozialpsychologie). -- Originaltitel: Social psychology (2004). -- ISBN 3-8273-7084-1. -- S. 328. -- {Wenn Sie HIER klicken, können Sie dieses Buch  bei amazon.de bestellen} ]

"Soziales Faulenzen: Die Tendenz, bei einfachen bzw. Routineaufgaben schlechtere Leistungen zu erbringen, aber bessere bei komplexen Aufgaben, wenn Sie sich in der Gegenwart anderer Menschen befinden und es nicht möglich ist, die individuelle Leistung zu beurteilen."

[Quelle: Aronson, Elliot <1932 - > ; Wilson, Timothy D. ; Akert, Robin M.: Sozialpsychologie. -- 4., aktualisierte Aufl. -- München  [u.a.] : Pearson Studium, 2004. --  XXXIII, 723 S. : Ill.,  ; 29 cm. -- (Psychologie : Sozialpsychologie). -- Originaltitel: Social psychology (2004). -- ISBN 3-8273-7084-1. -- S. 328. -- {Wenn Sie HIER klicken, können Sie dieses Buch  bei amazon.de bestellen} ]

"Soziale Erleichterung: Die Tendenz, dass Menschen bessere Leistungen erbringen bei einfachen Aufgaben und ein Leistungsabfall zu verzeichnen ist bei komplexen Aufgaben, wenn sie sich in der Gegenwart anderer befinden und ihre individuelle Leistung beurteilt werden kann."

[Quelle: Aronson, Elliot <1932 - > ; Wilson, Timothy D. ; Akert, Robin M.: Sozialpsychologie. -- 4., aktualisierte Aufl. -- München  [u.a.] : Pearson Studium, 2004. --  XXXIII, 723 S. : Ill.,  ; 29 cm. -- (Psychologie : Sozialpsychologie). -- Originaltitel: Social psychology (2004). -- ISBN 3-8273-7084-1. -- S. 326. -- {Wenn Sie HIER klicken, können Sie dieses Buch  bei amazon.de bestellen} ]

Soziales Faulenzen scheint nach einer Metastudie über 150 Untersuchungen bei Männern verbreiteter zu sein als bei Frauen.


4.5. Deindividuation: Wenn man in der Menge untergeht
(deindividuation)


"Deindividuation: Ein Lockern der normalen Verhaltenseinschränkungen beim Einzelnen, wenn er sich in einer Gruppe befindet, wobei es vermehrt zu impulsiven und von der gesellschaftlichen Norm abweichenden Handlungen kommt."

[Quelle: Aronson, Elliot <1932 - > ; Wilson, Timothy D. ; Akert, Robin M.: Sozialpsychologie. -- 4., aktualisierte Aufl. -- München  [u.a.] : Pearson Studium, 2004. --  XXXIII, 723 S. : Ill.,  ; 29 cm. -- (Psychologie : Sozialpsychologie). -- Originaltitel: Social psychology (2004). -- ISBN 3-8273-7084-1. -- S. 330. -- {Wenn Sie HIER klicken, können Sie dieses Buch  bei amazon.de bestellen} ]


5. Konformität (conformity) / Gruppenzwang (peer pressure, pression sociale)



Abb.: Konformität (©MS Office)

Bedürfnisse, die konformem Verhalten zugrundeliegen:


6. Konflikt
(conflict, conflit, conflicto, conflitto, konfliktas, конфли́кт, 紛争, konflik)



Abb.: Offener Konflikt (©IMSI)

"Konflikt

Definitionen

Ein Konflikt ist die Folge von wahrgenommenen Differenzen, die gegenseitig im Widerspruch stehen und eine Lösung erfordern. Die Konfliktforschung erforscht die Ursachen und entwickelt Lösungsstrategien, um die Auswirkungen eines Konfliktes begrenzen zu können. (aus Wikipedia (http://de.wikipedia.org/wiki/Konflikt))

   Es gibt allerdings keine allgemeinverbindliche Definition für "Konflikt"
Funktionen des Konflikts
  • Entwicklung von etwas Neuem, Kreativität
  • Verhalten dynamischer Systeme in der realen Welt, René Thom, Structural Stability and Morphogenesis
Konfliktkonstellationen und Beispiele
  • Kommunikationsfehler / Missverständnisse
    • unbewusste Integritätsverletzungen und daraus entstehende Missverständnisse
  • ungeklärte Erwartungen
  • Ressourcenverteilung (s. auch Gerechtigkeit)
Eskalationsautomatik - Eskalationsstufen des Konflikts

Konflikte besitzen eine gefährliche Eskalationsautomatik. Die Bewusstmachung der Eskalationsstufen eines Konflikts kann helfen, sich mental nicht vom Verhalten eines anderen abhängig zu machen. Im negativen Extremfall kann die Eskalationsautomatik als Strategie instrumentalisiert werden, die Eskalation provozieren will, etwa um im wirtschaftlichen und/oder politischen Bereich von den eigentlichen unvorteilhaften Kernproblemen abzulenken. Immer wiederkehrendes Beispiel aus Geschichte und Gegenwart: Kriegspolitik, um von innenpolitischer Schwäche abzulenken. Man kann sich auch nicht oft genug bewusst machen, dass insbesondere im Verhandlungsbereich, aber auch in Zusammenhang mit einer Eskalationsstrategie des Gegners, kleinste Unbeherrschtheiten - im Gegensatz zur kontrolliert eingesetzten Provozierbarkeit - so etwas wie den Verhandlungs-Super-GAU auslösen können. Der erfolgreiche Umgang mit Konflikten ist daher sicher auch zu verstehen als Entwicklung der eigenen Persönlichkeit und als erfolgreicher Umgang mit der eigenen Persönlichkeit.

Abbildung 1. Die Eskalationsstufen eines Konflikts, zurückgehend auf Glasl, (Quelle der Grafik: Management & Computer, MC 6/2002, S. 12 (http://www.lexxion.de/mc/archiv/fullmc6_2002.pdf))

  • (0) Auf Stufe 0 kann man den latenten, schwelenden Konflikt ansetzen.
  • (1) Auf der ersten Stufe verhärten sich dann die Standpunkte und prallen aufeinander, aber es besteht noch die Überzeugung, dass die Spannungen durch Gespräche lösbar sind.
  • (2) In der folgenden Debatte findet eine Polarisation im Denken statt, es setzt sich langsam Schwarz-Weiß-Denken durch sowie die jeweilige Sichtweise von Überlegenheit und Unterlegenheit.
  • (3) "Reden hilft nichts mehr" ist das Signal für die dritte Eskalationsstufe, die Strategie der vollendeten Tatsachen, der Taten statt Worte. Die Empathie (Einfühlungsvermögen) geht verloren, es wächst die Gefahr von Fehlinterpretationen.
  • (4) Bilder und Koalitionen: Die Parteien manövrieren sich auf der vierten Stufe gegenseitig in negative Rollen und bekämpfen sich. Sie werben um Anhänger.
  • (5) Auf Stufe fünf kommt es zu öffentlichen und direkten Angriffen, die auf den Gesichtsverlust des Gegners zielen,
  • (6) daran anschließend (Stufe 6) zu Drohstrategien und Gegendrohstrategien. Durch das Setzen von Ultimaten wird der Konflikt beschleunigt.
  • (7) Der Gegner wird auf Stufe sieben nicht mehr als Mensch gesehen. Begrenzte Vernichtungsschläge werden als "passende" Antwort eingesetzt. Es kommt zu einer Umkehrung der Werte. Ein kleiner eigener Schaden wird bereits als Gewinn bewertet. Es gibt auf Stufe 7 für beide Seiten kaum mehr ein zurück.
  • (8) Auf der vorletzten Stufe wird die Zerstörung und Auflösung des (nunmehr) feindlichen Systems zum Ziel.
  • (9) Schließlich schrecken die Parteien auf der letzten Stufe nicht mehr davor zurück, gemeinsam in den Abgrund zu gehen. Es kommt zur totalen Konfrontation ohne einen Weg zurück. Die Vernichtung des Gegners zum Preis der Selbstvernichtung wird in Kauf genommen.
Reagieren und Nicht-Reagieren

Aus der immer drohenden Eskalationsgefahr lässt sich folgende Regel ableiten:

Regel

Der größte Fehler ist zu reagieren in dem Sinne, dass man sich auf die Eskalationsautomatik eines Konflikts einlässt. Jede Konfliktpartei hat grundsätzlich die Möglichkeit, den Teufelskreis von Aktion und Reaktion einseitig zu durchbrechen, indem sie nicht reagiert.

Abbildung 2. Durchbrechen des Teufelskreises von Aktion und Reaktion durch Nichtreagieren

Nicht-Reagieren heisst nicht Nicht-Kommunizieren (Gefangenendilemma) !

ACHTUNG: Das Nicht-Reagieren bezieht sich so gut wie ausschließlich auf mentale Vorgänge und ist nicht mit Nicht-Kommunizieren gleichzusetzen, insbesondere bedeutet es nicht, auf einen Wunsch oder ein Angebot zu einem Gespräch nicht zu reagieren. Dies wäre ein Kardinalfehler, kann zu einer schweren Kränkung des um Kommunikation Ersuchenden führen und damit zu einer Verschärfung des Konflikts. Nichtreagieren im Sinne mentaler Beherrschung setzt Integrität voraus. [...]


Mentales Nicht-Reagieren und strategisches "Tit for tat"

Die Kunst des Nicht-Reagierens bezieht sich auf die rein mentale Fähigkeit der Selbstkontrolle bzw. Selbstbeherrschung, besser wohl noch des "Über den Dingen Stehen Könnens". Sie bedeutet nicht, gar nicht zu handeln oder gar sich alles gefallen zu lassen. Auch hat sie nichts mit Altruismus zu tun. Robert Axelrod, Professor für Politologie an der University of Michigan hat in Untersuchungen zum sog. Gefangenendilemma herausgefunden, dass folgendes Muster kooperativen Handelns, das er (vielleicht etwas missverständlich) "Tit for tat" (Wie Du mir, so ich Dir) nannte, die wohl wirksamste Strategie menschlichen Verhaltens - auch in evolutionstheoretischer Sicht - darstellt: der erste Zug ist dabei immer kooperativ, d.h. man versucht mit seinem Gegenüber zu kooperieren. Bei den weiteren Folgezügen handelt man genau so, wie das Gegenüber gehandelt hat, wobei das wohl Entscheidende ist, dass nach jedem "Zug" dem Gegenüber wieder die Hand zur Kooperation gereicht wird, und damit - bezogen auf den Konfliktfall - gerade eine Eskalationsautomatik vermieden wird. Die "Tit-for-Tat"-Strategie ist immer freundlich, sie versucht nie, den anderen zu übervorteilen oder zu schlagen und sie "schummelt" nie als erste. Man kann sie als "hart, aber herzlich" bezeichnen:

"Hinter seinem freundlichen, kooperativen Auftreten steht der feste Entschluss, den weniger Netten rasch eins auf die Finger zu geben." (William F. Allman, Mammutjäger in der Metro - Wie das Erbe der Evolution unser Denken und Verhalten prägt, S. 107)

Eine bedeutende Rolle nimmt dabei auch die Provozierbarkeit ein. Statt mit einer Reaktion zu warten, ist es besser, sofort auf eine Provokation zu reagieren, da sonst möglicherweise die Gefahr eines Missverständnisses überwiegt.

Die paradox klingende Ideallösung wäre danach also, mental auf der einen Seite "über den Dingen zu stehen" und (mental) nicht zu reagieren, sich das aber nicht anmerken zu lassen und jederzeit in der Lage zu sein auf eine Provokation strategisch mit einer Provokation zu antworten, dabei aber eben auch jederzeit in der Lage zu sein, dem Gegenüber in freundlicher Entschlossenheit die Hand zur Kooperation zu reichen. Entscheidend für den kooperativen Erfolg ist also auch, dass "Tit-for-tat", obwohl es schnell "wütend" wird, auch schnell wieder vergibt und nie schmollt, es besitzt die höchst wichtige Gabe Frieden zu schließen.

Konfliktanalyse

An Stelle der Reaktion steht im Rahmen eines professionellen Konfliktmanagements die Konfliktanalyse. Hierfür stehen zahlreiche Instrumente zur Verfügung:

Analyse der Beziehungsebene

Sach- und Beziehungsebene der Beteiligten stehen in einer unmittelbaren Wechselwirkung. Als Faustregel kann gelten: Störungen auf der Beziehungsebene verhindern eine konstruktive Kommunikation auf der Sachebene. Daraus abgeleitet folgt die Strategie, sich selbst nicht in einen Konflikt auf der Beziehungsebene hineinziehen zu lassen, und sich vielmehr darin zu üben, auch bei harten Sachthemen einen wertschätzenden Umgang mit dem Kontrahenten zu pflegen.

Abbildung 3. Sach- und Beziehungsebene

Regel:

Die Wahrscheinlichkeit einer Lösung des Konflikts auf der Sachebene steigt mit dem Maße einer intakten Beziehungsebene beziehungsweise der Bereitschaft der Parteien, ggf. an ihrer Beziehungsebene zu arbeiten.

Spiegelbildlich ausgedrückt sinkt die Wahrscheinlichkeit einer Lösung des Konflikts auf der Sachebene in dem Maße zunehmender Störungen auf der Beziehungsebene. Der Kardinalfehler überhaupt ist, den Kontrahenten sein Gesicht verlieren zu lassen oder sich selbst in eine Position des Gesichtsverlustes zu manövrieren.

Interessenanalyse

Eine Strategie der unbedingten Wertschätzung auf der Beziehungsebene steht in unmittelbarem Zusammenhang mit einer konsequenten Verfolgung der Strategie auf der Sachebene, entweder eine konsensorientierte Gewinn/Gewinn-Lösung zu erreichen oder seine beste Alternative zu verfolgen (z.B. der Delegation des Konflikts an eine dritte, unabhängige Partei – ein Gericht, eine Schiedsstelle, einen Mediator, kein Geschäft mit dem Kontrahenten abschließen). Dazu ist es erforderlich, die hinter den Verhandlungspositionen der Kontrahenten stehenden Interessen zu analysieren.

Erstellung eines Wahrscheinlichkeitsdiagramms

Es kann nach Analyse der persönlichen Beziehung und der sachlichen Interessen hilfreich sein, sich anhand der Konfliktstärke und der Kooperationsbereitschaft der Beteiligten ein Bild zu machen von der Wahrscheinlichkeit des weiteren Konfliktverlaufs bzw. einer konsensorientierten Konfliktlösung:

Abbildung 4. Wahrscheinlichkeitsdiagramm

Weitere Analysemöglichkeiten

Rollen

  • Insbesondere bei Beteiligung mehrerer Personen beziehungsweise bei Gruppenkonflikten ist es unentbehrlich, die Rollen zu analysieren, die die am Konflikt beteiligten Personen einnehmen (insbesondere die der Meinungsführer und dort gerade derer, die im Hintergrund stehen und erheblichen Einfluss auf die interne Meinungsbildung der Gruppe haben).
Konfliktgeschichte
  • Ferner kann es hilfreich sein die Konfliktgeschichte zu erforschen sowie der Frage nachzugehen, wer welchen Nutzen bzw. Gewinn aus dem Konflikt bzw. seiner Eskalation zieht.
Rechtslage
  • Zur Konfliktanalyse gehört auch die Analyse der Rechtslage sowie eingetretener und weiter zu erwartender Schäden.
Wahrnehmung der Beteiligten / Störungen
  • Schwierige Konfliktsituationen ergeben sich häufig auch aus der Tatsache, dass eine oder mehrere Konfliktbeteiligte die Realität verzerrt wahrnehmen (Panik, Suchtmechanismen, Unmündigkeit, fehlende Frustrationstoleranz etc.).
Konfliktauslöser und Konfliktursache
  • Bei der Analyse ist zwischen dem aktuellen Konfliktauslöser und der eigentlichen Konfliktursache zu trennen. Während Konfliktauslöser die berühmte falsch ausgepresste Zahnpastatube sein kann, können die Konfliktursachen z.B. in mangelhafter Kommunikation, gegenseitigen Abhängigkeiten, unvereinbaren Persönlichkeiten und Werthaltungen, Angst vor bzw. Wut über Gesichtsverlust usw. liegen.
Konfliktthema
  • Mit der Konfliktursache steht die Analyse des Konfliktthemas in Beziehung. Zu klären ist hier z.B., ob der Schwerpunkt der Konfliktthemas in der Verteilung von Ressourcen, im persönlichen Bereich, in den abweichenden Zielen der Beteiligten, in abweichenden Methoden (bei gleichem Ziel) oder in Wertedifferenzen liegt .
Emotionen
  • In Konflikten aktualisierte Emotionen verhindern eine Konfliktbearbeitung auf der Sachebene. Auf der Beziehungsebene sind Gefühle direkt angesprochen. Solange diese nicht erkannt und geklärt sind, wird eine Lösung nicht erreicht bzw. nicht von Dauer sein. Wichig ist es daher sich über eigene Emotionen klar zu werden und in der Lage zu sein, sich in den Konflikt"partner" hineinzuversetzen. Möglicherweise müssen zuerst Maßnahmen ergriffen werden, die Ängste, Wut u.a. auflösen und allen Beteiligten das Gefühl vermitteln, in der Konfliktbearbeitung als Partner ernst genommen zu werden.

Diese Analysen sind dynamisch und ständig fortzuschreiben. Zum Beispiel kann damit gerechnet werden, dass sich im Verlauf eines Konflikts der Konfliktschwerpunkt vom Ursprung abweichender Ziele in den persönlichen Bereich verlagern kann, insbesondere wenn keine oder wenig Kommunikation zwischen den Beteiligten stattfindet.

Konfliktlösungen

Abbildung 5. Konfliktlösungsstrategien, in Anlehnung an Schwarz, Konfliktmanagement (Quelle der Grafik: Management & Computer, MC 6/2002, S. 14 (http://www.lexxion.de/mc/archiv/fullmc6_2002.pdf))

Regel:

Zwei Konfliktparteien können eine gemeinsame Lösung auf jeweils einer Stufe nur erreichen, wenn beide auf derselben Stufe stehen."

Wenn also, um ein berühmtes Zitat zu benutzen, "die einen in den Panzern sitzen und die anderen am Verhandlungstisch", werden immer die in den Panzern zunächst gewinnen. Die Höherentwicklung von Stufe zu Stufe ist eine Zivilisationsleistung, die von Fall zu Fall wieder einbrechen kann (Schwarz, Konfliktmanagement, S. 298).

Während Kompromisse noch durchaus gesellschaftlicher Standard sind (von den Beteiligten werden sie oft als „fauler Kompromiss“ wahrgenommen), steckt die konsensorientierte Konfliktlösung noch im gesellschaftlichen Entwicklungsstadium.

Auch hier ist auf einen Widerspruch hinzuweisen: der Konsens als Konfliktlösungsmuster kann aus der Marktperspektive als Top-Down-Ansatz bezeichnet werden, da er als "wirtschaftlichste“ Form der Konfliktlösung ganz überwiegend akademisch entwickelt und in seinen Methoden ausgearbeitet wurde. Eine der konsensorientierten Konfliktlösungsmethoden stellt etwa die Mediation dar, die jedoch in der gegenwärtigen Marktsituation keine besondere Nachfrage (außer im Ausbildungsbereich) zu finden scheint . Wie Eingangs dargestellt, kann Konsens als Konfliktlösungsmuster nur dann erfolgreich sein, wenn die beteiligten Konfliktparteien sich auf der gleichen Ebene bewegen. Wer den Film „A beautiful mind“ gesehen hat, wird sich in diesem Zusammenhang vielleicht an das sog. Nash-Gleichgewicht im Rahmen der Spieltheorie erinnern:

Kein Spieler kann gewinnen durch Änderung seiner Strategie, wenn nicht auch die anderen Spieler ihre Strategie ändern.

Strategieüberlegungen
  • Konfliktlösung durch strategische Intervention auf Seiten der schwächeren Partei

Anmerkung: In einem von Kurt und Karin Kloeters, den Begründern des Familienbildungswerkes in NRW, entwickelten und erfolgreich erprobten Erziehungskonzept "Kindererziehung durch Selbsterziehung" ist folgender Erziehungsgrundsatz formuliert: In einer Situation sollte zunächst die Verfassung der Beteiligten (Kinder, Elternteile, die eigene, andere) eingeschätzt werden. Frage: In welcher Verfassung befindet sich X, Y... Und in Konflikt- und Problemsituationen dann: Wer leidet am meisten? Diejenigen, die sich in einer schlechten Verfassung befinden, müssen zunächst in eine gute Verfassung gebracht werden. Der Schwächste (das kann ggfs. auch der Erzieher selbst sein) muss zunächst gestärkt werden (z.B. durch Ruhe und Entspannung, positive Verstärkung, Selbstmotivation usw.). Erst danach (nicht dadurch) kann die Situation weiter "bearbeitet" werden, können Erziehungsmaßnahmen ergriffen, Konflikte und Probleme gelöst werden. Voraussetzung für Problemlösung und Konsensfindung ist also immer, dass die Beteiligten sich in einer "guten" Verfassung befinden.
Frage: was beinhaltet eine "gute" Verfassung? Ist es eine brauchbare Kategorie und bedeutet es dasselbe wie "auf einer Stufe stehen"?

Schlussfolgerungen und Zusammenfassung
  • Konflikte können - je nach Art mit ihnen umzugehen - Barriere und / oder Entwicklungspotenzial sein. Falsch behandelte Konflikte führen zu erheblichen negativen Folgen wirtschaftlicher und sozialer Art. Positiv ausgedrückt: richtig behandelte Konflikte können enormes wirtschaftliches und soziales Potenzial freisetzen.
  • Konsensorientierte Lösungen können nicht nur im Wege der Konfliktmoderation beziehungsweise Mediation erreicht werden, sondern auch und gerade über entsprechend qualifizierte Verhandler (z.B. Anwälte). Wichtiger als eine Mediatorenausbildung ist daher möglicherweise eine solide Ausbildung im Konfliktmanagement.
  • Vertrauenswürdigkeit ist ein entscheidender, wenn nicht der entscheidende Faktor im Konfliktmanagement: Vertrauenswürdigkeit entsteht aus den Faktoren Charakter und Kompetenz . Eine rein kompetenzorientierte Ausbildung reicht deshalb nicht aus. Charakter- und Persönlichkeitsbildung sind unverzichtbare Bestandteile der Qualifikation.
Zitate [...]
  • "Studien über die Entwicklung des Sozialverhaltens bei Kindern zeigen, wie wichtig es ist, dass Kinder lernen, wie man sich nach einem Streit wieder versöhnt.In einer solchen Studie wurden Kinder aus drei unterschiedlichen Familiensituationen untersucht: In der ersten Gruppestritten sich die Eltern selten (wenn überhaupt) vor den Augen ihrer Sprösslinge, in der zweiten lagen sich die Eltern sehr oft in den Haaren und in der dritten ebenfalls, doch hier söhnten sich die Eltern im Beisein der Kindern wieder aus. Die Forscher, die diese Studien durchführten, stellten fest, dass Kinder aus den "versöhnlichen" Familien ein viel besseres Sozialverhalten an den Tag legten als die übrigen Kinder - sogar noch besser als die Kinder, in deren Familien es gar keine Streitigkeiten gab. Die wichtigste soziale Fähigkeit, die Kinder lernen müssen, ist offensichtlich nicht das Vermeiden von Konflikten, sondern wie man sie richtig löst." (William F. Allman, Mammutjäger in der Metro - Wie das Erbe der Evolution unser Denken und Verhalten prägt, S. 109) "

[Quelle: http://wiki.kunstadt.de/index.php/Konflikt. -- Zugriff am 2005-11-02]


6.1. Konfliktscheu


Viele Kulturen fordern Konfliktscheu. Das wird dann fälschlicherweise als "Harmonie" bezeichnet.

Siehe:

"Zum Beispiel: Konfliktscheu als Grundhaltung von Thailändern und anderen Südostasiaten ". -- In: Payer, Margarete <1942 - >: Internationale Kommunikationskulturen. -- 7. Kulturelle Faktoren: Betriebskulturen und Entscheidungsfindung. 2. Teil II: Entscheidungsfindung. -- URL: http://www.payer.de/kommkulturen/kultur072.htm


7. Führung in Gruppen
(group leadership)


Siehe:

Payer, Margarete <1942 - >: Kulturen von Arbeit und Kapital. -- Teil 1: Betriebs- und Unternehmenskulturen. -- 3. Auf Gruppenebene. -- 3. Führung. -- URL: http://www.payer.de/arbeitkapital/arbeitkapital01303.htm


8. Heimliche Spielregeln am Arbeitsplatz



Abb.: Prozesse über und unter der Oberfläche

[Bildquelle: Gerhard Comelli <1941 - >. -- In: Führung von Mitarbeitern : Handbuch für erfolgreiches Personalmanagement / hrsg. von Lutz von Rosenstiel ... -- 5., überarb. Aufl. -- Stuttgart : Schäffer-Poeschel, 2003. -- XX, 890 S. : graph. Darst. ; 25 cm. -- ISBN 3-7910-2060-9. -- S. 431. -- {Wenn Sie HIER klicken, können Sie dieses Buch  bei amazon.de bestellen}]

Iris Surburg unterteilt die heimlichen Spielregeln in Betrieben in drei Kategorien, nämlich in persönliche Ziele (Eigenmotivation), Macht (Kontakt zu Leuten, die Macht haben) und Verhalten gegenüber diesen Menschen mit Macht.

Zu den persönlichen (geheimen) Zielen zählt z.B. das ständige Ausschauen nach einem neuen besser bezahlten Job. In der Kategorie Macht geht es u.a. darum, den eigenen Bereich zu schützen, gegen andere abgenzen, damit nur die eigenen Ergebnisse gut sind. In der 3. Kategorie versucht man, den Vorgesetzten zufrieden zu stellen oder alles um tun, um zu den Insidern zu gehören.

Surburg stellt die geheimen Spielregeln eines "Ellenbogen-Mitarbeiters" zusammen. Dazu gehören z.B. die Angabe "keine Zeit", um die eigene Wichtigkeit zu betonen; die Bereitsschaft zu jeder Tageszeit anwesend zu sein (als erster kommen und als letzter gehen) einschließlich Wochenende oder auch im Urlaub (Erreichbarkeit durch Handy); die Arbeit anderer Abteilungen schlecht machen und Fehler suchen; sich bei Mitarbeitern einschmeicheln, um an vertrauliche Informationen, die man dann gegen sie oder andere verwenden kann, zu erhalten. Und, was jeder kennt, der sich um Wissensmanagement in Betrieben kümmert,: das Wissen den anderen vorenthalten, um sich bei Gelegenheit damit zu profilieren.

[vgl.: Iris Surburg. -- In: Handbuch Betriebsklima / Uta-Maria Hangebrauck ... (Hg.). -- München [u.a.] : Hampp, 2003. -- 265 S. : Ill., graph. Darst. ; 21 cm. -- ISBN 3-87988-771-3. -- S. 68 -73. -- {Wenn Sie HIER klicken, können Sie dieses Buch  bei amazon.de bestellen}]


9. Bekanntschaften
(acquaintance)


Bekanntschaften bilden eine Struktur eines Betriebes, die nicht formell geplant und festgelegt ist. Für das Zustandekommen dieser Strukturen spielt Zufall eine große Rolle. In einem Großbetrieb mit tausenden von Beschäftigten dürfte der einzelne Beschäftigte im Durchschnitt kaum mehr als ein Dutzend Bekannte haben. In kleineren Firmen können solche Bekanntschaften durchaus wichtig sein, um an Informationen zu kommen (Kaffeepause, Rauchereck).


Abb.: Zwei Arbeiter und ihre Bekannten in einem Großbetrieb der Automobilindustrie

[Quelle der Abb.: Hofstätter, Peter Robert <1913 - 1994> ; Tack, Werner H.: Menschen im Betrieb : Zur Sendung Rädchen Im Getriebe. -- Stuttgart : Klett, 1967. -- 178 S. : Ill. ; 22 cm. -- S. 12]


9.1. Liebe am Arbeitsplatz


Was passiert, wenn sich zwei Firmenmitarbeiter ineinander verlieben? Während man in den USA die Sache eher als problematisch ansieht, weil man Angst hat, es könnte zu einer gerichtlichen Klage wegen sexueller Belästigung kommen, wenn die Beziehung auseinandergeht, ist man in Europa weniger skeptisch. Allerdings gibt es in Deutschland im öffentlichen Dienst die Regel, dass man nicht Vorgesetzter eines seiner Familienmitglieder sein darf. Sollte die Liebesbeziehung also in derselben Abteilung sein und es zu einer Heirat kommen, müßte einer von beiden zumindest versetzt werden. Laut Therese Jäggi setzt man in Japan interne Heiratsinstitute ein, weil man davon ausgeht, dass Verliebte motivierter zum Arbeiten kommen und eher gute Laune haben. (Die späteren Probleme der innerehelichen Auseinandersetzungen hat man in Japan allerdings wohl weniger, da es traditionell eher üblich ist, dass Frauen nach ihrer Heirat die Firma verlassen.)

Schwieriger für alle Mitarbeiter wird es allerdings dann, wenn die Liebesbeziehung auseinander geht und beide Beteiligten in der gleichen Abteilung arbeiten. Ein gutes Betriebsklima kann dadurch nachhaltig gestört werden.


Abb.. Buchtitel

Therese Jäggi berichtet u. a. über Liebesbeziehungen in Firmen der USA und in der Schweiz:

"Rendezvous im Büro


Eine Liebesbeziehung am Arbeitsplatz ist einigen Belastungsproben ausgesetzt. Was hält man in den Unternehmen davon, wenn Mitarbeitende sich verlieben?


Text: Therese Jäggi
 

Porträts: Tanja Seufert

Als Harry Stonecipher, CEO des US-Flugzeugherstellers Boeing, im März über eine Liaison mit einer Mitarbeiterin stolperte, und zwar so, dass er entlassen wurde, interpretierten dies einige Medien als konsequente Einhaltung des firmeninternen Verhaltenskodexes, denn damit war Stoneciphers Verbindung nicht zu vereinbaren. Vorbildliche Boeing. Doch lässt diese Entlassung wirklich den Schluss zu, dass in den USA interne Regeln konsequenter als andernorts umgesetzt werden? Dazu äußerte sich Freada Klein, US-amerikanische Unternehmensberaterin, in Cash: «Selbst chronische Casanovas werden nicht entlassen, wenn ihre Leistung stimmt. Lässt die Performance aber nach, ist eine interne Beziehung oft ein Entlassungsgrund.»
 

Ein Gesetz, welches Affären am Arbeitsplatz verbietet, existiert in den USA nicht. Es gibt aber eine ganze Reihe von firmeninternen Weisungen und individuellen Regelungen. Manche Unternehmen verbieten Beziehungen zwischen Angestellten unterschiedlicher Kaderstufen, einige untersagen Liebesbeziehungen jeder Art, andere lassen neu eintretende Mitarbeitende die altertümliche «no-hanky-pank-with-the-payroll»-Klausel unterschreiben, womit diese sich verpflichten, keine Beziehung mit Kolleg/innen einzugehen. Immer mehr Firmen verlangen – wenn sich eine Liebe partout nicht verhindern ließ – eine Unterschrift des «cupid contracts». Die Beteiligten beteuern damit, dass sie ihre Beziehung freiwillig eingegangen sind. Bei all diesen Maßnahmen geht es letztlich nur um eines: Es sollen damit Klagen wegen sexueller Belästigung vermieden werden. 
 

1986 traf der oberste Gerichtshof der USA eine Aufsehen erregende Entscheidung: Er befand in einem Fall von sexueller Belästigung am Arbeitsplatz, dass Unternehmen für das Verhalten ihrer leitenden Angestellten verantwortlich sind. Betroffene konnten in der Folge wegen sexueller Belästigung Klage erheben und Schadenersatzansprüche an den Arbeitgeber stellen. Seither haben US-amerikanischen Firmen Millionen von Dollar an Schadenersatzansprüche in solchen Klagen bezahlt. 
 

Spannungen vermeiden
 

Bei der Credit Suisse First Boston in den USA besteht eine Weisung, welche «intime oder sexuelle Beziehungen zwischen Vorgesetzten und den ihnen direkt oder indirekt unterstellten Mitarbeitenden verbietet».

Erklärtes Ziel der Policy ist es, «unfaire Entscheidungen von Vorgesetzten gegenüber den ihnen unterstellten Mitarbeitenden beispielsweise in Fragen der Zuweisung von Arbeit sowie betreffend Beförderungen und Bezahlung zu vermeiden». Zudem soll laut CS-Pressesprecherin Nicole Pfister-Bachmann verhindert werden, dass solche  Beziehungen zu unnötigen Spannungen zwischen den Mitarbeitenden führen. 
 

In der CS Schweiz gibt es keine entsprechende Weisung. «Ein generelles Verbot der Partnerwahl wäre nach schweizerischer Rechtsauffassung nicht verhältnismäßig», so Nicole Pfister-Bachmann. «Eine Beschränkung der Partnerwahl greift weit in die Privatsphäre und das außerdienstliche Verhalten der Mitarbeitenden ein.» Jeder Fall sei verschieden und werde individuell angegangen. Eine Versetzung von einem der beiden Partner sei jedoch möglich. Interne Regeln sowie die gesetzliche Grundlage reichten aus, um allfälliges Fehlverhalten von Vorgesetzten zu verhindern oder zu ahnden.[...]

 

 
Abb. (©MS Office)
 


 

Rechtslage

 


Nach Schweizer Recht!

 

Laut Rainer Mössinger vom Rechtsdienst des KV Schweiz gibt es im Arbeitsrecht keine Grundlage für die Regelung von Liebesbeziehungen. Die Fürsorgepflicht des Arbeitgebers beinhaltet den Schutz der Persönlichkeit, allerdings nur soweit die berechtigten Interessen des Arbeitgebers nicht tangiert sind. Das heißt, dass der Arbeitgeber Maßnahmen ergreifen kann und muss, wenn beispielsweise die Zusammenarbeit im Betrieb wesentlich beeinträchtigt ist. In einem solchen Fall kann der Arbeitgeber auch eine Kündigung aussprechen, ohne dass dies missbräuchlich wäre.
 

Bei Paaren im gleichen Betrieb taucht häufig die Frage auf, ob sie Anspruch auf gemeinsame Ferien haben. Diesbezüglich gilt, wie für alle anderen Mitarbeitenden auch, dass der Arbeitgeber den Zeitpunkt der Ferien bestimmen darf, wobei er insofern auf die Wünsche des Arbeitnehmers Rücksicht zu nehmen hat, als dies mit den Betriebsinteressen vereinbar ist."

 

[Quelle: Therese Jäggi ; Tanja Seufert. -- In: Context : das Magazin des Schweizerischen Kaufmännischen Verbandes. -- ISSN 1424-5345. -- Nr. 10 (2005). -- Online: http://www.kvschweiz.ch/sw15733.asp. -- Zugriff am 2005-10-26]


10. Cliquen


Auch in Betrieben kann es Cliquen geben, also informelle Gruppen mit gemeinsamen Interessen z.B. eine Raucherclique oder man war in derselben Ausbildungsgruppe. Cliquenmitglieder und vor allem der (nicht gewählte) Cliquenanführer kann Macht auf die Mitglieder ausüben. Es kann daher schwierig sein, sich einer Clique zu entziehen


Abb.: Filmplakat

"A clique is an informal and restricted social group formed by a number of people who share common interests - formal social groups are referred to as societies or organisations. Cliques are most notably found amongst groups of teenagers, primarily in high schools and colleges, but also in other similar environments. In a general manner, cliques are more prominent amongst females.

Cliques at times have complex structures, and characteristics tend to differ between one another. However, one characteristic which is common to all cliques is the existence of a defined power structure, generally comprised of a leader (or a few leaders), followers (refer to the article on leadership) and pariahs. Thus, it is innacurate to describe all social groups of teenagers as cliques, as often said groups do not have any particular power structure.

Structure

Social roles within cliques vary, but two roles commonly associated with female cliques are notably applicable to most cliques - that of the "queen bee" and that of the "outcast".

Queen bee

The queen bee is the clique's leader. Characteristics often associated to her are a pleasant appearance, charisma, skill in manipulation and monetary power. The queen bee has substantial influence and power over the clique, and is usually envied and looked upon as a role model by clique members and at times by outsiders to the clique. Her actions are closely followed and imitated, even though they may not be of a positive nature.

With this, the social role of the "outcast" is defined, as individuals that the queen bee dislikes may be classified by her as such, thus encouraging clique members to victimize the outcast, in order to continue to be part of the clique or to receive praise from the queen bee.

In most cliques there is, at least to some degree, a power struggle for the position of the queen bee. Hence, the clique's leader might change from time to time, for example due to a member (or non-member) exceeding the queen bee's abilities and thus attracting followers of the old clique leader. Outside influences may also act upon the social structure of the clique, such as changing interests or increasing maturity among clique members.

Outcast

The outcast is a person who does not fit into any specific clique, and as such, at times faces physical and psychological aggression from clique members. It is not common for witnesses to defend an outcast, as most fear being rejected and potentially becoming an outcast themselves.

Ultimately, most of the damage an outcast receives is psychological. Feelings of isolation and enmity may result into the outcast developing clinical depression, psychological trauma and, in some cases, suicidal thoughts. Outcasts may have difficulty seeking help from an adult or relative, as a collective impression that such an act is humiliating is present within adolescent social groups in general. It is plausible to assume that clique members themselves create this impression, in order to avoid being confronted by adults.

Arguments for and against cliques

For

It may be enjoyable to be part of a clique, as members are regularly involved in social and recreational activities, such as going out together. Clique members may also forge closer and more lasting friendships, as they socialise with each other more often and generally have common interests. It is also believed by some that being part of a clique creates a sense of belonging, and benefits the social skills of a person.

Against

Clique members may be influenced through peer pressure to engage in actions perceived by most as negative or damaging, such as smoking or drug use. Cliques may also be a source of distraction from studies, both for clique members and for the outcasts they victimize; outcasts may suffer long-term psychological damage resulting from the bullying they suffer. Arguments have been made that cliques have been responsible for tragedies such as the Columbine High School massacre."

[Quelle: http://en.wikipedia.org/wiki/Clique. -- Zugriff am 2005-11-17]


11. Weiterführende Ressourcen



Abb.: Einbandtitel

Hofstätter, Peter Robert <1913 - 1994>: Gruppendynamik : Kritik der Massenpsychologie. -- Vollst. überarb. und erw. Neuausg., 3., rev. Aufl., 9. - 11. Tsd. -- Reinbek bei Hamburg : Rowohlt, 1993. -- 253 S. : Ill., graph. Darst. ; 19 cm. -- (Rowohlts Enzyklopädie ; 430). -- ISBN: 3-499-55430-5


Abb.: Einbandtitel

Aronson, Elliot <1932 - > ; Wilson, Timothy D. ; Akert, Robin M.: Sozialpsychologie. -- 4., aktualisierte Aufl. -- München  [u.a.] : Pearson Studium, 2004. --  XXXIII, 723 S. : Ill.,  ; 29 cm. -- (Psychologie : Sozialpsychologie). -- Originaltitel: Social psychology (2004). -- ISBN 3-8273-7084-1. -- {Wenn Sie HIER klicken, können Sie dieses Buch  bei amazon.de bestellen}


Abb.: Umschlagtitel

Surowiecki, James: Die Weisheit der Vielen : warum Gruppen klüger sind als Einzelne und wie wir das kollektive Wissen für unser wirtschaftliches, soziales und politisches Handeln nützen können. -- München : Bertelsmann, 2005. -- 383 S. ; 23 cm. -- Originaltitel: The wisdom of crowds (2004). -- ISBN: 3-570-00687-5. -- {Wenn Sie HIER klicken, können Sie dieses Buch  bei amazon.de bestellen} 


Zu Kapitel 3.2.: Arbeitsgruppen und Gruppenarbeit