Kulturen von Arbeit und Kapital

Teil 1: Betriebs- und Unternehmenskulturen

4. Auf Organisationsebene


von Margarete Payer

mailto: payer@payer.de


Zitierweise / cite as:

Payer, Margarete <1942 - >: Kulturen von Arbeit und Kapital. -- Teil 1: Betriebs- und Unternehmenskulturen. -- 4. Auf Organisationsebene. -- Fassung vom 2006-07-24. -- URL: http://www.payer.de/arbeitkapital/arbeitkapital014.htm   

Erstmals publiziert: 2005-12-01

Überarbeitungen: 2006-07-24

Anlass: Lehrveranstaltung an der Hochschule der Medien Stuttgart, Wintersemester 2005/06

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0. Übersicht



1. Mottos



Abb.: Deutsche Bank Frankfurt am Main
[Bildquelle: Alexander Johmann. -- http://www.flickr.com/photos/alexander_johmann/78248778/. -- Creative Commons Lizenz (Namensnennungt). -- Zugriff am 2006-07-25]

"Etliche Topmanager geben aber auch nicht gerade die besten Vorbilder ab. Bei manchen hat man den Eindruck, sie würden von einer Take the money and run - Mentalität geleitet: Wie es dem Unternehmen geht, ist gleichgültig — Hauptsache die eigene Kasse stimmt."

[Quelle: Manager Magazin. -- ISSN 0047-5726. -- 35. Jg. (2005), Nr. 9. -- S. 55.]

"Die Herren Wirtschaftsführer

Stets hat die Menschheit ihre Helden gehabt: Priester oder Ritter, Gelehrte oder Staatsmänner. Bis zum 14. Juli 1931 waren es für Deutschland die Wirtschaftsführer, also Kaufleute.

Die Kaufleute sind Exponenten des Erwerbsinnes; sie haben immer ihre Rolle gespielt, doch wohl noch nie so eine große wie heute. Weil das, was sie in Händen halten, das wichtigste geworden ist, werden sie in einer Weise überschätzt, die lächerlich wäre, wenn sie nicht so tragische Folgen hätte. Die deutsche Welt erschauert, sie braucht Götzen, und was für welche hat sie sich da ausgesucht –!

Man sollte meinen, dass der gesunde Menschenverstand wenigstens eines sehen könnte: den Misserfolg. Aber damit ist es nichts. Niemand von denen, die diese Wirtschaftsführer bewundern, behielte auch nur einen Tag lang einen Chauffeur, der ihm die Karre mit Frau und Kind umgeworfen hätte, auch dann nicht, wenn dem Chauffeur die Schuld nicht nachzuweisen wäre. Er kündigt, denn solchen Chauffeur will er nicht. Aber solche Wirtschaftsführer, die will er. Der unbeirrbare Stumpfsinn, mit dem diese Kapitalisten ihre törichte Geldpolitik fortsetzen, immer weiter, immer weiter, bis zur Ausblutung ihrer Werke und ihrer Kunden, ist bewundernswert. Alles, was sie seit etwa zwanzig Jahren treiben, ist von zwei fixen und absurden Ideen beherrscht: Druck auf die Arbeiter und Export.

Für diese Sorte sind Arbeiter und Angestellte, die sie heute mit einem euphemistischen und kostenlosen Schmeichelwort gern ›Mitarbeiter‹ zu titulieren pflegen, die natürlichen Feinde. Auf sie mit Gebrüll! Drücken, drücken: die Löhne, die Sozialversicherung, das Selbstbewusstsein – drücken, drücken! Und dabei merken diese Dummköpfe nicht, was sie da zerstören. Sie zerstören sich den gesamten innern Absatzmarkt. Sie scheinen ihn nicht zu wollen – dafür haben sie dann den Export. Was dieses Wort in den Köpfen der Kaufleute angerichtet hat, ist gar nicht zu sagen. Ihre fixe Idee hindert sie nicht, ihre Waren auch im Inland weiterhin anzupreisen; ihre Inserate wirken wie Hohn. Wer soll sich denn das noch kaufen, was sie da herstellen? Ihre Angestellten, denen sie zum Leben zu wenig und zum Sterben zu viel geben, wenn sie sie nicht überhaupt auf die Straße setzen? Die kommen als Abnehmer kaum noch in Frage. Aber jene protzen noch: dass sie deutsche Werke seien, und dass sie deutsche Kaufleute und deutsche Ingenieure beschäftigten – und wozu das? »Um den Weltmarkt zu erobern!« So schlau wie die deutschen Kaufleute sind ihre Kollegen jenseits der Grenzen noch alle Tage. Es setzt also überall jener blödsinnige Kampf ein, der darin besteht, einen Gegner niederzuknüppeln, der bei vernünftigem Wirtschaftssystem ein Bundesgenosse sein könnte. Die Engländer preisen rein englische Waren an, die Amerikaner rein amerikanische, und das Wirtschaftsinteresse tritt als Patriotismus verkleidet auf. Eine schäbige Verkleidung, ein jämmerlicher Maskenball.

Schuld –? Vielleicht gehört eine große geistige Überlegenheit dazu, aus diesem traurigen Trott des Geschäftes herauszukommen und auch einmal ein bisschen weiterzublicken als grade bis zum nächsten Ultimo. Aber das können sie nicht. Sie machen weiter, wie sie es bisher getrieben haben. Also so: Niederknüpplung des Inlandskunden; Spekulation auf einen Export, der heute nicht mehr so durchzuführen ist wie sich die Herren das träumen; Überlastung der gesamten Industrie durch ein gradezu formidables Schreibwerk, das hinter dem Leerlauf der Staatsbürokratie um nichts zurücksteht. Was da an Pressechefs, Syndicis, Abteilungsleitern, Bürofritzen herumsitzt und Papierbogen vollschreibt, ohne auch nur das leiseste zu produzieren, das belastet uns alle. Aufgeblasen der Verwaltungsapparat – man sehe sich etwa das Verwaltungsgebäude der IG-Farben in Frankfurt am Main an: das Ding sieht aus wie eine Zwingburg des Kapitalismus, weit ins Land dräuend. Früher haben die Ritter die Pfeffersäcke ausgeplündert; heute hat sich das gewandelt.

Wie immer in ungesunden Zeiten ist der Kredit in einer gradezu sinnlosen Weise überspannt. Das Wort ›Wucher‹ ist ganz unmodern geworden, weil der Begriff niemand mehr schreckt, er erscheint normal. Nun haben aber Kartelle und kurzfristige Bankkredite die Unternehmungslust und die sogenannte ›freie Wirtschaft‹ völlig getötet – es gibt sie gar nicht mehr. Fast jeder Unternehmer und besonders der kleinere ist nichts als der Verwalter von Bankschulden; geht's gut, dann trägt er den Ungeheuern Zins ab, und geht's schief, dann legen die Banken ihre schwere Hand auf ihn, und es ist wie in Monte Carlo: die Bank verliert nicht. Und wenn sie wirklich einmal verliert, springt der Steuerzahler ein: also in der Hauptsache wieder Arbeiter und Angestellte.

›Das Werk‹, dieser Götze, hat sich selbständig gemacht, und stöhnend verrichten die Sklaven ihr Werk, nicht mehr Sklaven eines Herrn, sondern Sklaven ihrer selbst Auch der Unternehmer ist längst zu einem Angestellten geworden, nur kalkuliert er für sich ein derartiges Gehalt heraus, dass er wenig riskiert. Die fortgeschrittenen Kommunisten tun recht daran, den Unternehmer nicht mehr damit zu bekämpfen, dass sie ihm Sekt und Austern vorwerfen, dergleichen verliert von einer gewissen Vermögensgrenze ab seine Bedeutung. Aber dass diese Kerle die Verteilung von Ware und Verdienst ungesund aufbauen, dass sie ihre Bilanzen vernebeln und den Angehörigen der wirtschaftlich herrschenden Klassen so viel Geld zuschieben, dass den andern nicht mehr viel bleibt: das und nur das ist Landesverrat.

Ohnmächtig sieht der Staat dem zu. Was kann er machen? Nun, er kann zum Beispiel eine Verordnung erlassen, wonach das zu verkaufende Brot sein Gewicht auf der Kruste eingeprägt erhalten muss, und das ist ein großer Fortschritt. Seine Gesetze berühren die Wirtschaft gar nicht, weil sie ihm ebenbürtig an Macht, weil sie ihm überlegen ist. Sie pariert jeden Schlag mit den gleichen Mitteln: mit denen einer ausgekochten Formaljurisprudenz, mit einer dem Staat überlegenen Bürokratie, mit Geduld. Schiebt ihm aber alle Lasten zu, ohne ihm etwa das Erbrecht zu konzedieren. Er hat zu sorgen. Wovon? Das ist seine Sache. Also unsre Sache. Für wen wird gelitten? Für wen gehungert? Für wen auf Bänken gepennt, während die Banken verdienen?

Für diese da. Es ist nicht so, dass sie sich mästen, das ist ein Wort für Volksversammlungen. Sie mästen den Götzen, sie sind selber nicht sehr glücklich dabei, sie führen ein Leben voller Angst, es ist ein Kapitalismus des schlechten Gewissens. Sie schwindeln sich vom Heute in das Morgen hinein, über viele Kinderleichen, über ausgemergelte Arbeitslose – aber das Werk, das Werk ist gerettet.

Selbst die ›Frankfurter Zeitung‹, die sich in einer gradezu rührenden Weise bemüht, diesen störrischen Eseln des Kapitalismus gut zuzureden, wobei jene wild hinten ausschlagen, gibt zu, dass »nach den Erhebungen, die das Institut für Konjunkturforschung und eine deutsche Großbank unabhängig voneinander durchgeführt haben, noch entbehrliche Läger im Werte von mehreren Milliarden vorhanden sind« – man male sich das angesichts dieser Not aus! Aber die Lager bleiben. Und das Werk ist gerettet. Wo steht geschrieben, dass es gerettet werden muss? Warum ist die Menschheit nicht stärker als dieser Popanz? Weil sie den Respekt in den Knochen hat. Weil sie gläubig ist. Weil man sie es so gelehrt hat. Und nun glaubt sie."

Kurt Tucholsky (alias Ignaz Wrobel) <1890 - 1935>. -- In: Die Weltbühne. -- 1931-08-18. -- Nr. 33. -- S. 254.


2. Organisation
(organisation, organization, organización, organização, organizacja, organizacija, szervezet, организация, 组织, organisasi, منظمة, ארגון)


"Organisation (von griech. organon = Werkzeug) lässt sich am treffendsten mit "Bewerkstelligung" übersetzen und meint: Planung und Durchführung eines Vorhabens.

Sowohl im allgemeinen Sprachgebrauch als auch in der Wissenschaft (Soziologie, Politikwissenschaft, Betriebswirtschaftslehre) wird der Begriff sehr vielfältig verwendet, wobei je nach Betrachtungsebene unterschiedliche Aspekte betont werden.

Organisationsbegriffe

Üblicherweise wird der Begriff Organisation streng vom Begriff Institution getrennt. Dies gelingt jedoch nicht immer.

In Bezug auf Institutionen gibt es drei wesentliche Betrachtungsweisen:

  • institutionell: ein Gebilde ist eine Organisation (Organisation als konkretes Sozialgebilde)
  • instrumental: ein Gebilde hat eine Organisation ("Organisiertheit")
  • prozessual: ein Gebilde wird organisiert (Organisation als Tätigkeit)

So gesehen ergibt diese letztere Sichtweise folgende Reihenfolge der Betrachtung:

  1. den Prozess der Organisation, das "Organisieren" (speziell in der Medizin das selbständige Umwandeln abgestorbenen Körpergewebes in gesundes Gewebe) und
  2. das Ergebnis, z.B. die Körperschaft, die gesellschaftliche Organisation.
Organisation in der Soziologie

In der Soziologie wird unter "Organisation" ein für bestimmte Zwecke eingerichtetes soziales Gebilde mit einem formell vorgegebenen Ziel, mit formell geregelter Mitgliedschaft, einer Verfassung (institutionellen Regeln, siehe auch Institution) und einem Erzwingungsstab zur Durchführung verstanden. Die Organisationssoziologie untersucht Organisationen in erster Linie aus institutioneller Sicht. Organisation ist dann eine dauerhafte Anordnung von Elementen, deren Tun durch Regeln so festgelegt ist, dass eine Aufgabenlösung in einer zusammenarbeitenden, koordinierten Weise stattfinden kann.
Doch werden auch entstehende Organisationen erforscht.

Organisation wird definiert durch die Festlegung

  1. ihrer Elemente, die Teil der Organisation sind (wer alles gehört dazu?),
  2. ihrer Kommunikationsstruktur (welches Element steht mit welchem anderen Element in welcher Weise im Austausch?),
  3. ihrer Autonomie (bei Max Weber, genauer: Autokephalie) (welche Veränderungen nimmt sie selbst oder ein Element von ihr autonom vor?) und
  4. ihrer Handlungsregeln gegenüber äußeren Ereignissen (woraufhin wird sie als "kollektiver Akteur" tätig?).

Der Grad der Organisiertheit ist demnach der Grad der Festlegung der Elemente in bezug auf die Verbindung mit anderen Elementen und ihrer Arbeitsweise.

Durch die koordinierte Zusammenarbeit der Elemente kann die Organisation Aufgaben lösen, die über die Möglichkeiten der Elemente ('als Einzelwesen') hinausgehen. Der Preis dafür ist die Einschränkung der Freiheitsgrade der einzelnen Elemente. Vorteile von Organisation sind Verstärkung (mehr von Demselben), Ergänzung (Kombination von Verschiedenem), Ausdehnung (Koordination im Raum). Nachteile können sein: Trägheit (durch Koordination), Verlust von Interaktion (insbesondere in der Selbstbestimmheit und Wahrnehmung der Elemente).

Organisation in der Betriebswirtschaftslehre

Die BWL interessiert sich hauptsächlich für Organisation in instrumenteller Sicht. Für ein Unternehmen ist Organisation ein Mittel zum Erreichen des Unternehmensziels.

In diesem Sinne kann man die Organisationen dann nach zwei grundsätzlich verschiedenen Zielsystemen unterscheiden:

  • Organisationen, deren Ziel darin besteht, Leistungen zu erbringen und/oder Produkte zu fertigen (Produktionsbetriebe und Dienstleistungsunternehmen) oder bestimmte Außenwirkungen zu erzielen (z.B. Verwaltungsbehörden, Polizei, Parteien, Interessenverbände, Gewerkschaften, usw.).
  • Organisationen, deren Zielerreichung auf die Veränderung von Personen gerichtet ist (z.B. Schulen, Universitäten, Krankenhäuser, Beratungsstellen, Gefängnisse usw.). Dieser Zieltyp wird meist Non-Profit-Organisation genannt.

In Bezug auf die Binnenstruktur unterscheidet man zwei Begriffe:

  • Aufbauorganisation ("Struktur"): Die hierarchischen Strukturen eines Unternehmens. (Wer hat welche Aufgaben und Entscheidungsbefugnisse?)
  • Ablauforganisation (früher: "Katallaktik"): Die Prozesse der Leistungserstellung im Unternehmen ("In welcher Abfolge wird wie etwas gemacht?")

Siehe auch: Organisation (Wirtschaft)

Organisation in der Politikwissenschaft

Eine eigene politologische Organisationslehre ist - trotz der Erforschung von z. B. Parteien - noch nicht durchgesetzt. Doch eröffnen sich mit dem 21. Jahrhundert durch die wachsende Bedeutung der NGO (nichtstaatlichen Organisationen) neue Forschungsfelder. Sie reichen - beispielsweise - vom Roten Kreuz bis zu Al-Qaida.

Organisation im Qualitätsmanagement

Im Zusammenhang mit Qualitätsmanagementsystemen ist eine Organisation definiert als eine „Gruppe von Personen und Einrichtungen mit einem Gefüge von Verantwortungen, Befugnissen und Beziehungen“. Dies kann beispielsweise ein(e) Gesellschaft, Körperschaft, Firma, Unternehmen, Institution, gemeinnützige Organisation, Einzelunternehmer, Verband oder Teile bzw. Mischformen solcher Einrichtungen sein.

Organisation ist aber nicht nur ein statisches Gefüge, sondern definiert auch Vorgehensweisen, Handlungsanweisungen, Eskalationsprozesse, Umgang mit Normverstößen usw.. Diese Bedeutung wird mit dem Wort „Prozessorganisation“ klarer bezeichnet.

Organisationstheorien

Wichtige Organisationstheorien sind:

  • Neo-Institutionalismus
  • Garbage Can Modell,
  • Taylorismus,
  • Human Relations Ansatz,
  •  Property Rights Ansatz,
  • Transaktionskostentheorie,
  • Evolutionstheoretischer Ansatz,
  • Situativer Ansatz,
  • Bürokratietheorie,
  • Systemtheorie und
  • Principal Agent Theorie"

[Quelle: http://de.wikipedia.org/wiki/Organisation. -- Zugriff am 2005-11-26


3. Der Betrieb als soziales System


Wie oben schon erwähnt ist eine Organisation ein für bestimmte Zwecke eingerichtetes soziales Gebilde. Dass ein Betrieb ein soziales System ist, versucht Heiner Minssen durch die drei Punkte des Betriebs als mikropolitisches Feld, als Mülleimer-Modell (Garbage can model) und als emotionales Spielfeld deutlich zu machen.

1. In Betrieben finden sich viele mikropolitische Arenen. Die Handelnden in diesen Arenen verfolgen ihre eigenen Ziele, indem sie die Ressoucen, die ihnen zur Verfügung stehen, nutzen. Wichtig ist, dass das Ressourcen z.B. Qualifikationen oder Informationen sind, die zu einem erfolgreichen Unternehmen führen, und die die anderen Handelnden nicht haben. Es geht um Kämpfe, bei denen es um den Gewinn oder die Sicherung von Macht im Betrieb geht. Minssen verweist auf die Arten von "Spielen", die Mintzberg (1983) aufgeführt hat: Autoritätsspiele (Kampf um die Autorität), Machtaufbauspiele, Rivalitätsspiele und Veränderungsspiele (man versucht durch organisatorische und personelle Veränderungen Macht zu bekommen).

Diese "Spiele" können von allen Betriebsangehörigen durchgeführt werden - also keines wegs nur vom oberen oder mittleren Management. Auch das Mitglied auf der untersten Ebene kann Macht ausüben, indem man sich zusammentut und z.B. streikt, wobei eine Streikandrohung oft schon genügt, um "Muskeln" zu zeigen.

2. Beobachtungen in Betrieben haben gezeigt, dass Entscheidungsprozesse oft nicht sehr rational sind und daher oft eher zu befriedigenden als zu wirklich guten Lösungen führen. Im Garbage can model geht man davon aus, dass Entscheidungen mehr oder weniger zufällig zusstande kommen, dass sogar Lösungen für Probleme, die es noch gar nicht gibt, gefunden werden. Sehr interessant ist, dass dieses Mülleimer-Modell durch Beobachtungen über Entscheidungsprozesse an Hochschulen entwickelt wurde.

Minssen weist daraufhin, dass die Rationalität von Entscheidungsprozessen Moden unterworfen ist; z.B. seit Lean Production als die gute Lösung angesehen wird, wird Gruppenarbeit nicht mehr hinterfragt.

3. Während man lange Zeit davon ausgegangen ist, dass in Organisationen Emotionen keine Rolle spielen dürfen, weil das zu ungunsten der Rationalität ist, weiß man inzwischen, dass Emotionen wie Freude, Angst, Wut, Frust und auch Sexualität eine große Rolle spielen. Auch Neid oder falsche Solidarität kann zu einer ungünstigen Entscheidung führen.

[vgl.: Heiner Minssen <1951 - >. -- In: Handbuch Betriebsklima / Uta-Maria Hangebrauck ... (Hg.). -- München [u.a.] : Hampp, 2003. -- 265 S. : Ill., graph. Darst. ; 21 cm. -- ISBN 3-87988-771-3. -- S. 58 - 61. -- {Wenn Sie HIER klicken, können Sie dieses Buch  bei amazon.de bestellen}]


4. Krankhafte Firmenkulturen


In dem sehr lesenswerten Buch von Staute wird gezeigt, welche Kräfte zu verheerenden Firmenkulturen führen können, wobei allerdings die beiden erst genannten Umstrukturierung und Personalabbau bzw. Einführung von Lean Management und die Erweiterung von Aufgaben der Vorgesetzten wohl am häufigsten auftreten. Die Folgen müssen sich auch nicht immer auf die ganze Firma auswirken, sondern können nur eine Abteilung betreffen.

In der Übersicht ist das schlimmste Szenarium abgebildet:


Abb.: Pathologische Firmenkulturen

[Staute, Jörg <1964 - >: Das Ende der Unternehmenskultur : Firmenalltag im Turbokapitalismus. --  Frankfurt a. M. [u.a.] : Campus, ©1997. -- ISBN 3593357909. -- S. 120. -- {Wenn Sie HIER klicken, können Sie dieses Buch  bei amazon.de bestellen}]


5. Organisitis


Ein typischer Fehler mancher Manager ist das ständige Reorganisieren und Umstrukturieren. Der Manager will als der große Macher auftreten. Ein Beispiel: in einen Betrieb, der gut durchorganisiert war und durchweg positiv eingestellte Mitarbeiter hatte, allerdings eine sanfte Modernisierung gut vertragen konnte, kam ein neuer Direktor, der sofort begann, gleichzeitig sämtliche Abteilungen zu reorganisieren. Dann nicht abwartete, wie sich diese neue Organisation auswirken würde, sondern ständig neue Umorganisationen forderte, nach außen wirkte er als der "dynamische Chef",  und damit sämtliche Mitarbeiter gegen sich aufbrachte oder in die innere Emigration schickte. Nach wenigen Jahren war das Chaos so groß und die Mitarbeiter entsprechend frustriert, weil in allen Abteilungen Organisationsbaustellen waren, dass der Chef es vorzog zu gehen. Der Nachfolger brauchte einige Jahre bis der Betrieb wieder in eine einigermaßen zufriedenstellende Organisation verwandelt war.

Fredmund Malik lehnt  solche Unternehmens- und Menschenführung als Fehler ab, denn ein Mitarbeiter kann zwar durchaus Änderungen verkraften, er braucht aber dazwischen Phasen von Ruhe und einem stabilen Umfeld. Nur dann kann er produktive Leistungen erbringen.

Manager, die der Krankheit "Organisitis" verfallen sind, gehen davon aus, dass sie die "gute" Organisation herstellen können. Laut Malik sind alle Organisationen nicht vollkommen, denn es gibt überall Konflikte, Aufwand an Koordination, mangelnde Information, Probleme zwischen den Mitarbeitern u.ä. Also wird man Kompromisse in der Organisationsform wählen.

Manche Probleme könnten durch gute Manager auch ohne Organisationsveränderungen gelöst werden, Es gibt Manager, die trotz einer miserablen Organisation gute Ergebnisse erzielen.

[vgl.: Malik, Fredmund <1944 - >: Führen, Leisten, Leben : wirksames Management für eine neue Zeit. -- Taschenbucherstausg. -- München : Heyne, 2001. -- 408 S. ; 19 cm. -- (Heyne-Bücher : 22 : Heyne Business ; 1078). -- ISBN 3-453-19684-8. -- S. 192 - 194. --  {Wenn Sie HIER klicken, können Sie dieses Buch  bei amazon.de bestellen}]


5.1. Reengineering



Abb.: Réingénierie
[Bildquelle: http://www.cpcml.ca/francais/lmlq/Q34044.htm. -- Zugriff am 2005-09-16]

Mit Reengineering - ein ziemlich neues Schlagwort von der Mitte der 90er Jahre - beschreibt man die durchgreifenden Veränderungen der Prozesse in einem Unternehmen. Alles in einem Unternehmen wird einer Prüfung unterworfen : Menschen und Sachen. Alles was nicht dem direkten Unternehmensprofit bzw. dem Shareholder value zuarbeitet wird gestrichen z.B. die Pflanzen im Verwaltungsbüro. Im allgemeinen werden Betriebsfremde also Unternehmensberater engagiert, um diese Prüfungen durchzuführen.

Diese Prüfungen führen zu sogenannten "Verschlankungen", d.h. im allgemeinen einem Teil der Mitarbeiter wird gekündigt, einige Arbeiten werden outgesourct oder nur bedingt rentable Produkte werden aus der Angebotspalette gestrichen.

Inzwischen kann wohl jeder aus seiner praktischen Erfahrung von solchen Vorgehensweisen berichten. Ein Beispiel: in einer großen Privatbank wurde ein Unternehmensberater beauftragt, Maßnahmen des Reengineerings vorzuschlagen: nach drei Monaten Prüfung im Haus, wodurch abgesehen von den Chefs alle Mitarbeiter in Existenzangst versetzt wurden, war das erste Ergebnis die sofortige Entlassung der beiden Hausmeister (defekte elektrische Birnen kann das Personal  selbst eindrehen, Botengänge können nebenher erledigt werden usw.) und das Outsourcen bestimmter Druckaufgaben an eine Druckerei (für die Sekretärinnen wesentlich umständlicher als vorher).

Gunter Duecks Untersuchungen haben ergeben, dass im Durchschnitt in deutschen Betrieben 55% der Arbeitszeit tatsächlich für echte produktive Arbeit verwendet wird und die andere Zeit in Meetings u.ä. verbraucht wird. Was könnte ein Unternehmensberater daraus machen? Lassen wir 100% der Arbeitszeit ausnützen, dann kann man ein Drittel der Mitarbeiter hinauswerfen. Alle anderen Mitarbeiter sind dann entsprechend verängstigt und strengen sich mehr an. Dueck weist daraufhin, dass gerade durch die Angst sich die Zahl der Meetings erhöht.

Aus meiner eigenen Erfahrung kann ich das nur bestätigen: ich war zufällig als Praktikantin in der Green Library in der Stanford University als die Androhung von einer großen Kündigungswelle auf die Mitarbeiter hereinbrach. Insbesondere die älteren und erfahreneren Mitarbeiter fürchteten sich vor der Kündigung, da sie die besser bezahlten waren. Die Arbeitsmotivation nahm rapide ab, nur noch das Notwendigste wurde lustlos durchgeführt und überall traf man Diskussionsgruppen, die darüber redeten, wer wohl alles von der Kündigung betroffen werde. Als besonderen Bonus hatte die Universität angekündigt, dass sie eine Kündigungsfrist von 3 Monaten einhalten wollte.

Dueck nennt die Verbindung von Reengineering und Shareholder value "Supramanie".

[vgl.: Dueck, Gunter <1951 - >: Supramanie : vom Pflichtmenschen zum Score-Man. -- Berlin [u.a.] : Springer, 2004. -- XIV, 350 S. : Ill., graph. Darst. ; 24 cm. -- ISBN 3-540-00901-9. -- S. 78 - 81. -- {Wenn Sie HIER klicken, können Sie dieses Buch  bei amazon.de bestellen}]

Zur Supramanie gehört das Suprasystem, in dem jeweils mehr Regeln ausgedacht werden als der Mitarbeiter erfüllen kann. Vor allem wird immer wieder gewechselt, welche Regelverletzungen hart bestraft werden. Von einer bekannten Versicherung hört man, dass immer wieder neu festgelegt wird, welche Fehler der Mitarbeiter auf keinen Fall machen darf und welche toleriert werden. Für den Mitarbeiter ist das nicht einsichtig, da er nicht informiert wird. Er wird gegängelt.

Ausgedacht werden diese "Schikanen" laut Dueck meist von Unternehmensberatern, denen immer wieder etwas Neues einfallen muss. Um den neuesten Trend heraus zu bekommen, erkundigen sich die Unternehmensberater bei Hunderten von Systemen, was denn nach deren Meinung im Argen liegt. Man sammelt diese Meinungen und zieht die durchschnittliche Meinung heraus, die man dann seinen zu beratenden Firmen vorträgt.Dueck vergleicht das mit dem Modesektor, in dem die führenden Firmen praktisch für jedes Jahr bzw. jede Jahreszeit bestimmte Farben festlegen, so dass alle Käuferinnen möglichst etwas Neues kaufen, da die Farben ja jeweils neue Namen haben.

In einem "Suprasystem" versucht man die Mitarbeiter 100% zu nutzen (Utilization), weil man z.B. als Ziel ein zweistelligen Umsatzwachstum haben möchte. Durch die Anwendung der IT hat man zusätzlich die Möglichkeit Real-Time-Bilanzen aufzustellen, wodurch mehr Druck ausgeübt werden kann.

[vgl.: Dueck, Gunter <1951 - >: Supramanie : vom Pflichtmenschen zum Score-Man. -- Berlin [u.a.] : Springer, 2004. -- XIV, 350 S. : Ill., graph. Darst. ; 24 cm. -- ISBN 3-540-00901-9. -- S. 133 - 136. -- {Wenn Sie HIER klicken, können Sie dieses Buch  bei amazon.de bestellen}]


6. Systematische "Müllabfuhr"



Abb.: Jede Organisation tendiert dazu, zu vermüllen
(©MS Office)

Organisationen sind - hoffentlich - gewachsene Gebilde. Dabei entsteht auch Wildwuchs. Etwas, was zu einem früheren Zeitpunkt sinnvoll gewesen sein kann, kann unnützer Ballast werden. Fehler können als Erfolge vertuscht werden. Auf diese Weise wird jede Organisation vermüllt, wenn nicht gar zugemüllt. Deswegen empfiehlt Fredmund Malik eine systematische Müllabfuhr ("Prozess des Ausmerzens von Altem, Überkommenen und Überflüssigen")  [s. Malik, Fredmund <1944 - >: Führen, Leisten, Leben : wirksames Management für eine neue Zeit. -- Taschenbucherstausg. -- München : Heyne, 2001. -- 408 S. ; 19 cm. -- (Heyne-Bücher : 22 : Heyne Business ; 1078). -- ISBN 3-453-19684-8. -- S. 373 - 301. --  {Wenn Sie HIER klicken, können Sie dieses Buch  bei amazon.de bestellen}]


7. KMU — Kleine und Mittelständische Unternehmen


Ein großer Teil der Forschung zu Organisationsfragen und Personalfragen beziehen sich auf große Unternehmen. Dabei sind in kleineren und mittleren Unternehmen in Deutschland etwa vier Fünftel aller Beschäftigten tätig.

Da kleinere Einheiten oft beweglicher sind und sich schneller anpassen können, geht man heute eher davon aus, dass der Bereich KMU das eigentliche Feld für wirtschaftlichen Wachstum bestellt, und dass dort eher Innovationen eingebracht werden als in den großen oft eher stark bürokratisierten Unternehmen.

Die kleineren Unternehmen können teilweise vom Outsourcing bzw. der Lean-Produktion in den großen Betrieben profitieren.  Ebenfalls können kleine Betriebe ihr Know-how im Anbieten von Produkten, für die sich eine Massenproduktion nicht lohnt, da sie individuell für einen bestimmten Bedarf hergestellt werden, einbringen. So hat z.B. eine Ofterdinger Firma eine ganz spezielle Tankanlage für Wein nach Frankreich exportiert.

Kleine Unternehmen können auch schneller reagieren, z.B. auf kurzfristige Modetrends bei teuren Produkten. (Man betrachte die Firmenpolitik bei dem Textilunternehmen Trigema.

[vgl.: Weinert, Ansfried B.: Organisations- und Personalpsychologie. -- 5., vollst. überarb. Aufl.. -- Weinheim : Beltz, PVU, 2004. -- XXV, 831 S. ; 25 cm. -- ISBN 3-621-27490-1. -- S. 636. -- {Wenn Sie HIER klicken, können Sie dieses Buch  bei amazon.de bestellen}]

Maßgeblich für die Einstufung als Kleinstunternehmen bzw. als ein kleines oder mittleres Unternehmen ist die Empfehlung der Kommission vom 6. Mai 2003 betreffend die Definition der Kleinstunternehmen sowie der kleinen und mittleren Unternehmen ABl. der EU L 124/36 vom 20.05.2003.

Kleinstunternehmen sind Unternehmen, die

Kleine Unternehmen sind Unternehmen, die

Mittlere Unternehmen sind Unternehmen, die


Dieser Teil besteht aus folgenden Kapiteln:


Zu Kapitel 4.1.: Organisationsstrukturen