Einführung in

Entwicklungsländerstudien

entwlogo.gif (4562 Byte)

Wir sind miteinander verknüpft

8. Grundgegebenheiten: Tierische Produktion

2. Ziegen und Schafe: 2. Schafe


zusammengestellt von Alois Payer

herausgegeben von Margarete Payer

mailto: payer@hdm-stuttgart.de


Zitierweise / cite as:

Entwicklungsländerstudien / hrsg. von Margarete Payer. -- Teil I: Grundgegebenheiten. -- Kapitel 8: Tierische Produktion. -- 2. Ziegen und Schafe. -- 2. Schafe / zusammengestellt von Alois Payer. -- Fassung vom 2018-10-07. -- URL: http://www.payer.de/entwicklung/entw0822.htm. -- [Stichwort].

Erstmals publiziert: 2000-02-01

Überarbeitungen: 2018-10-07 [grundlegend überarbeitet] ;2001-02-07 [Update] 2000-02-29 [Fehlerkorrektur]

Anlass: Lehrveranstaltung "Einführung in Entwicklungsländerstudien", HBI Stuttgart, 1998/99

©opyright: Dieser Text steht der Allgemeinheit zur Verfügung. Eine Verwertung in Publikationen, die über übliche Zitate hinausgeht, bedarf der ausdrücklichen Genehmigung der Herausgeberin.

Dieser Text ist Bestandteil der Abteilung Entwicklungsländer von Tüpfli's Global Village Library.


Skript, das von den Teilnehmern am Wahlpflichtfach "Entwicklungsländerstudien" an der HBI Stuttgart erarbeitet wird.


0. Übersicht



1. Allgemeines


Schafe (Gattung Ovis) haben von allen Hornträgern die weiteste Verbreitung. Es wurden annähernd 40 Formen beschrieben, die zwei Arten zugerechnet werden: dem Wildschaf (Ovis ammon) und dem Dickhornschaf (Ovis canadensis).

"Schon in der frühen Steinzeit, etwa um 6000 vor Christus, wurden Schafe zu Haustieren gemacht; seitdem liefern sie dem Menschen Fleisch, Milch und Wolle. Unter den frühen Schafrassen war das Torfschaf noch mufflonähnlich und spätreif. Vermutlich hat der Mensch an verschiedenen Stellen der Erde Wildschafe zu Haustieren gemacht, aber der wichtigste Mittelpunkt der Hausschafentstehung lag anscheinend in Kleinasien. Hier entwickelten sich aus Steppenschafen langschwänzige Hausschafe, unter ihnen die an trockene Steppen angepassten Fettschwanzschafe, die einen Fettspeicher im Schwanz haben. Die kurzschwänzigen, wollarmen Haarschafe gelangten jedoch wohl von Mittelasien nach Südeuropa und Nordafrika.

Im vierzehnten Jahrhundert begann dann in Spanien im großen die Schafnutzung zur Wollerzeugung. Hier weideten Herden von zehntausend und mehr Merinoschafen. Lange Zeit war es verboten, lebende Schafe aus Spanien auszuführen. Erst um 1800 kamen die ersten Merinos nach Australien und Südafrika, in die Länder also, die heute für den Welthandel mit Wolle maßgebend sind. Gleichzeitig begannen die ersten bedeutenden Merinozuchten in Deutschland, vor allem in Sachsen. Die Zahl der Schafe nahm immer mehr zu, um 1900 gab es etwa sechshundert Millionen. Nach dem Ersten Weltkrieg ging allerdings in vielen Ländern die Schafzucht zurück, man ließ auf den gleichen Weidegründen Rinder grasen. Später aber vergrößerte man vor allem in überseeischen Ländern die Schafherden wieder und veredelte sie durch Einkreuzungen. ...

Neben den Wollschafen hat auch das Karakulschaf eine große wirtschaftliche Bedeutung, vor allem in Südwestafrika. Ihre Lämmer schlachtet man in den ersten drei bis acht Tagen ihres Lebens, weil sie das vielbegehrte, schwarzlockige Persianerfell besitzen. Ungeborene Karakullämmer liefern den berühmten Breitschwanzpelz, die Zwischenstufe nennt der Kürschner Breitschwanz-Persianer. Bei den Zuchttieren öffnen sich die Locken nach drei Monaten.

Da man Schafherden mit guten Hütehunden leicht zusammenhalten kann, ist der Aufwand der Schafhaltung nicht groß. Die Tiere sind genügsam. Steppen- und Buschgebiete, vor allem auf Hochflächen, sind vorzügliche Weidegebiete für Schafe.

Nach einer Schwangerschaft von fünf Monaten bringt das Schaf ein bis vier Lämmer zur Welt. Lebensschwache Tiere fallen natürlichen Feinden zum Opfer oder werden vom Schäfer getötet, weil die Weidehaltung eine lange Betreuung nicht zulässt. Gerade dadurch haben sich wohl die guten Stämme der heutigen Schafrassen herausgebildet."

[Kraft, Helmut. -- In: Grzimeks Tierleben : Enzyklopädie des Tierreichs. -- Bd. 13: Säugetiere 4. -- Zürich : Kindler, ©1968. -- S. 502f.]

Einige Begriffe:

Einige Daten:


2. Verbreitung von Schafen und Eignung für Entwicklungsländer


"Entsprechend den geographischen und klimatischen Bedingungen ist die Verbreitung der Schafe in den subtropischen und tropischen Ländern unterschiedlich. In bestimmten Verbreitungsgebieten zwischen 15° und 30° nördlicher Breite - entspricht der nördlichen Hälfte Afrikas und dem südlichen Gebiet Asiens - können Temperaturunterschiede von 45°C auftreten, lokale Sandstürme bei Windgeschwindigkeiten bis zu 60 km/h sind häufig, und die jährlichen Niederschläge treten unregelmäßig auf oder sind quantitativ ungleichmäßig verteilt. Solche harten Umweltbedingungen verlangen von den Tieren eine hohe Widerstandsfähigkeit. In Südwestafrika sind z. B. weite Gebiete in Schafnutzung, in denen die jährliche Niederschlagsmenge nur bei 100 mm liegt.

Das Schaf hat sich in den tropischen und subtropischen Regionen schnell verbreitet, weil es unter den verschiedensten klimatischen und geographischen Bedingungen im Vergleich zum Kamel, welches sich am besten an die Wüstenregionen angepasst hat, und auch im Vergleich zum Pferd, das für die Steppengebiete gut geeignet ist, eine gute Adaptionseignung aufweist. Diese Adaptionseignung wird sichtbar durch die hervorragende Anpassung des Schafes an häufig wechselnde Umweltbedingungen (Wüsten-, Steppen-, Bergregionen), vor allem auf dem afrikanischen Kontinent. Der Futterbau ist in diesen Gebieten relativ unsicher. Deshalb werden vielerorts Schafe und Ziegen anstelle der Rinder gehalten. Die höchsten Besatzdichten für die Schafe sind in den semiariden Regionen vorhanden. In den Regionen zwischen 15° und 30° nördlicher Breite werden fast 30% aller Schafe der Welt gehalten. ... 

Auf dem afrikanischen Kontinent ist eine Vielzahl von Schafrassen beheimatet; ein Indiz dafür, dass sich Schafe den unterschiedlichen und wechselnden Umweltbedingungen relativ schnell anpassen können.

In Ländern, wie Äthiopien, Somalia, Sudan, Tunesien, Algerien, Marokko, einigen westafrikanischen Ländern (Nigeria) sowie im südlichen Teil des Kontinents sind beachtliche Besatzdichten festzustellen. In den Gebieten des tropischen Urwald- und Savannenklimas ist die Schafhaltung durch die hohen Niederschläge, die hohe Luftfeuchtigkeit und die hohen Temperaturen, das Auftreten einer Vielzahl von Parasiten und oft auch wegen fehlender Weideflächen meist nur schwach entwickelt.

Die natürlichen Standorte für die Schafhaltung und -produktion werden vor allem durch Klimafaktoren wie Temperatur und Niederschläge gekennzeichnet. Diese Faktoren sind bestimmend für die Herausbildung bestimmter Schaftypen. Das Schaf gilt als ein typisches Weidetier; es hat sich zum Teil hervorragend an die verschiedensten natürlichen Standortbedingungen angepasst und kann weltweit als die landwirtschaftliche Nutztierart mit der größten Rassenvielfalt angesehen werden.

Abb.: Günstige Standorte für Schafe (Quelle der Abb.: Brückner, Gottfried, a.a.O.)

In der Abbildung  werden die Zusammenhänge zwischen Temperatur und Niederschlägen hinsichtlich des Standortes für das Schaf aufgezeigt. 

  • In den Standorten mit geringen Niederschlägen im Jahresverlauf, aber einer relativ gleichmäßigen Verteilung über die Monate finden die Feinwollschafe (Merinos) gute Bedingungen, wenn der Futterwuchs den Anforderungen genügt. Prädestiniert dafür sind die zentralen Gebiete Australiens und Südafrikas sowie Uruguay und Argentinien. 
  • Bei geringen Niederschlägen mit ungünstiger Verteilung können nur noch misch- bzw. grobwollige Schafe oder Haarschafe gehalten werden, die zur Fleisch- und teilweise auch zur Milchproduktion dienen (Afrika, Asien) oder zur Lammfellerzeugung gehalten werden (Süden der UdSSR, Afghanistan, Pakistan, Südafrika, Namibia). 
  • In Gebieten der Niederschlagsbereiche von 500 bis 900mm und bei gemäßigten Temperaturen ist die Fleischschafhaltung verbreitet. 

Günstige Standorte für die Schafproduktion sind in Regionen außerhalb der Tropen und Subtropen vorhanden, wie z. B.: Großbritannien, Frankreich, UdSSR (zentrale Gebiete), Balkanländer und andere. Auf den tropischen und subtropischen Standorten ist mit Ausnahme der feucht-heißen Regionen durch die hervorragende Anpassungsfähigkeit des Schafes eine Schafproduktion gut möglich."

[Brückner, Gottfried. -- In: Nutztiere der Tropen und Subtropen / Hrsg. Siegfried Legel. -- Leipzig : Hirzel.. -- Bd. 2: Büffel, Kamele, Schafe, Ziegen, Wildtiere. --  ©1990. -- ISBN 3740101768. --  S. 213f.]


3. Zum Verhalten von Schafen


"Das Schaf ist ein Herdentier. Hört man gemeinhin von Schafen, denkt man ganz selbstverständlich an eine Schafherde von mehreren hundert Tieren, man spricht beim Schaf sogar von einem typischen Herdentier. In der freien Wildbahn lebten die Vorfahren unserer Schafe jedoch in weitaus kleineren Herden von 10 bis 30 Tieren zusammen. Diese Lebensform dürfte den kleinen Wiederkäuern (Mufflon und Arkal) in früheren Zeiten den besten Überlebensschutz vor Raubtieren wie Wolf und Luchs gegeben haben.

Bei Gefahr flüchtet auch das domestizierte Schaf instinktiv ins Herdenzentrum, wo vor allem die Lämmer Schutz  finden. Beim Hüten und Führen von Schafherden nützt man diese Verhaltensweise aus, wobei der Hütehund mit seiner »Wolfsautorität« Gehorsam durch Gebell und Zahn erzwingt.

Durch eine gezielte jahrhundertelange Auslese und Haltung in großen Herden hat sich beispielsweise der Herdentrieb der Merinolandschafe besonders entwickelt. Hinsichtlich des Herdentriebes haben dagegen die Texelschafe in den letzten Jahrhunderten eine andere Verhaltensweise angenommen, die auf die großflächige Haltung auf Deich und Koppel zurückzuführen ist. Den Tieren wurde dort viel Raum gelassen. Dadurch haben sich Individualisten entwickelt, die gerne einen größeren Abstand zum Nachbartier auf der Weide einhalten, als dies die Merinos tun.

Bei Gefahr aber ist der Urtrieb Flucht zur und mit der Herde bei allen Rassen gleich. Bei ungewohnten Geräuschen und Reizen unterbrechen die Schafe zum Beispiel sofort das Grasen und heben den Kopf, um die Gefahr erkennen und einordnen zu können.

Bei Gefahr setzt sich die ganze Herde in Bewegung und flieht. Dabei machen die Tiere oft große Sprünge und setzen teilweise gleichzeitig mit vier Beinen auf. Nach einer gewissen Entfernung wird angehalten und die Gefahr wieder neu eingeschätzt.
Wölfe in der freien Wildbahn sondern ihre Beutetiere während der Flucht von der Herde ab, so dass der Schaden meist gering bleibt. Dringen dagegegen jagdbegierige Hunde in einen geschlossenen Pferch ein, werden meist mehrere Tiere in Mitleidenschaft gezogen, weil sie nicht fliehen können."

[Rieder, Hugo: Schafe halten. -- 4., überarbeitete Aufl. -- Stuttgart : Ulmer, ©1998. -- ISBN 3800173867. -- S. 17.]


4. Fressverhalten von Schafen


"Weidegehaltene Schafe erfassen Gräser und Kräuter mit den Lippen, führen sie in das Maul und pressen die erfassten Pflanzenteile mit den Schneidezähnen des Unterkiefers gegen die Dentalplatte des Oberkiefers. Anschließend rupfen sie die Pflanzen mit einer kurzen, nach vorn geführten Kopfbewegung ab. Auf diese Weise kann die Vegetation bis zu einer Länge von 3 cm abgeweidet werden. Bei üppigem Bewuchs fressen Schafe auf Weiden jedoch nur die Spitzen der Pflanzen; erst bei längerer Weidedauer werden auch die übrigen Pflanzenteile abgeweidet. Obwohl das Schaf im allgemeinen nicht wählerisch ist, werden unter Umständen doch bestimmte Pflanzenarten bzw. Pflanzenteile bevorzugt. So fressen Heidschnucken vorzugsweise die Kurztriebe des Heidekrautes ab. Sie regen die Pflanze damit zum Wachstum und zu intensiver Blüte an. Moorschnucken zupfen im Herbst gezielt die noch knospenartig verborgenen Blütenstände des Wollgrases aus.

Schafe fressen durchaus auch Laub. Sie haben bei ausreichendem Angebot von Gräsern und Kräutern offenbar das Bedürfnis, einen gewissen Anteil des Futters in Form von Laub aufzunehmen. Diese Neigung kann genutzt werden, um Heide und Moor vor Verbuschung zu schützen.

Vor dem Abschlucken werden die Bissen nur grob zerkleinert. Die weitere Aufbereitung geschieht erst durch das Wiederkäuen. Schon mit wenigen Tagen kauen Lämmer auf einzelnen Halmen und Blättern herum. Nennenswerte Futtermengen werden erst im Alter von einigen Wochen aufgenommen."

[Sambraus, Hans Hinrich: Nutztierkunde : Biologie, Verhalten, Leistung und Tierschutz. -- Stuttgart : Ulmer, ©1991. -- (UTB ; 1622). -- S. 229f. --  ISBN 3825216225. ]

Bei gutem Futterangebot grasen Schafe täglich 8 bis 10 Stunden, bei kargem Futterangebot bis zu 12 Stunden.

Schafe sind sehr gut geeignet für Winterweide in frostigen Gegenden:

"Schafe mögen gefrorenes Gras. Als Winterweiden sind fette und magere Wiesen geeignet. Von dem Moment an, da Reif und Frost die Weiden im Flachland fürs Großvieh unbenützbar machen, liegen diese für die Bauern bis zum Erwachen der Vegetation im Frühjahr brach. Schafe aber sind winterharte Tiere, die gefrorenes Gras mögen und dieses dem nassen sogar vorziehen, die bei kalter Witterung mehr fressen (was für die Mast wiederum von Vorteil ist) und die sogar in der Lage sind, das Futter unter dem Schnee hervorzuscharren, solange die Schneedecke nicht hartgefroren ist. Die geeigneten Weiden für Wanderschafherden finden wir daher in den tieferen Lagen des Mittellandes und hier wiederum in den milden Zonen entlang von Seen und Flüssen. Pseudotierschützer, die Wanderschafherden als Tierquälerei verdammen, übertragen im Trugschluss der Vermenschlichung ihre eigene Verweichlichung auf Geschöpfe, die von Natur aus für das Leben in der Kälte geschaffen sind."

[Hofmann, Heini: Die Tiere auf dem Schweizer Bauernhof. -- 3. Aufl. -- Aarau : AT, 1985. -- ISBN 3855021678. -- S. 156]

"Die Meinung von der Anspruchslosigkeit des Schafes wurde im Vergleich zur Fruchtbarkeit und der Gewichtsentwicklung durch das von der Nährstoffversorgung weniger abhängige Wachstum der Wolle geprägt. Die Ansicht wurde dadurch begünstigt, dass die Folgen einer Mangelernährung durch das Wollvlies verdeckt werden. Darauf fußend, wird von nicht wenigen Schafhaltern die Mangelernährung der Schafe als Ideal angesehen und eine der Leistungsveranlagung entsprechende, optimale Ernährung als „intensiv", d. h. nicht schafgerecht diskriminiert.

Das Schaf gehört damit zu den wenigen Nutztierarten, bei denen die suboptimale Fütterung, d. h. die Mangelernährung, der Jungtiere die Regel und bei den hochtragenden und säugenden Mutterschafen weit verbreitet ist. Ein Phänomen, welches beim Vergleich der Ergebnisse von Wirtschaftlichkeitskontrollen in Praxisbetrieben mit denen von Mastleistungs- und Rassenvergleichsprüfungen offenbar wird. Die optimale, leistungsgerechte Fütterung hat somit eine entscheidende Bedeutung, wenn das Schaf im Wettbewerb mit den anderen fleischerzeugenden Nutztierarten bestehen soll. Sie ist kurzfristiger und einfacher zu realisieren, als es Leistungssteigerungen durch züchterische Maßnahmen sind. Ganz abgesehen davon ist es wenig sinnvoll, die genetische Leistungsveranlagung weiter zu verbessern, wenn nicht von den Möglichkeiten Gebrauch gemacht wird, die vorhandenen Anlagen durch die Verbesserung der Umweltbedingungen, d. h. auch der Fütterung, zu realisieren."

[Schloaut, Wolfgang ; Weichendörfer, Günter: Handbuch der Schafhaltung. -- 5., vollkommen überarbeitete und erweiterte Aufl. -- Frankfurt a. M. [u.a.] : Verlagsunion Agrar, ©1992. -- ISBN 3769004922. -- S. 140. ]


5. Formen der Schafhaltung


Die wichtigsten Formen der Schafhaltung sind:

Schafe können mit anderen Tierarten zusammen geweidet werden, entweder in

Wichtiger Helfer bei der Hütehaltung und Koppelhaltung sind die verschiedenen Rassen von Schäferhunden.

Schafhaltung


Abb.: Grasende Schafe, Ruanda, 1994 (Bildquelle: FAO)


Abb.: Schaftränke, Senegal, 1995 (Bildquelle: FAO)


Abb.: Ehemaliger Militärbunker als Schafstall, Albanien, 1994 (Bildquelle: FAO)


Abb.: Frau füttert Schafe mit Heu und Konzentraten unter Schutzstand, Senegal, 1985 (Bildquelle: FAO)



6. Krankheiten und Gesundheitsprobleme


Von den verschiedenen Infektionskrankheiten, Parasitosen, Stoffwechsel- und Mangelkrankheiten, Verdauungsstörungen, Intoxikationen usw. sei hier nur die ansteckende Klauenentzündung (Moderhinke) genannt: Sie kommt in allen Ländern der Schafzucht vor. 

"Haupterreger dieser Krankheit ist ein Bakterium, das nur in der Schafklaue vorkommt, sich unter dem Horn ausbreitet, dieses dabei unterminiert, ablöst, verformt und schmerzhafte Entzündungen an den Klauen hervorruft.

Außerhalb der Schafklaue überlebt es höchstens 30 Tage. Aber erkrankte Tiere verbreiten die Erreger auf den Weiden und Triebwegen, so dass innerhalb weniger Tage ein großer Teil des Bestandes infiziert werden kann, ohne dass dies zunächst erkennbar ist.

Umweltbedingungen spielen bei der Verbreitung dieser Krankheit eine große Rolle: bei nassem Wetter verbreitet sich die Krankheit besonders schnell; Nässe und morastiger Untergrund reizen die Haut im Zehenbereich, sie ist vorgeschädigt und das Klauenhorn aufgeweicht. Unzureichende Klauenpflege begünstigt das Auftreten dieser Krankheit entscheidend."

[Rieder, Hugo: Schafe halten. -- 4., überarbeitete Aufl. -- Stuttgart : Ulmer, ©1998. -- ISBN 3800173867. -- S. 73. ]

Wegen schafspezifischer Erkrankungen eignen sich nasse, sumpfige Wiesen nicht für Schafbeweidung.


Abb.: Schafimpfung im Rahmen einer staatlichen Impfkampagne, Eritrea, 1998 (Bildquelle: FAO)


7. Weltbestände an Schafen (1999)


Einzeln werden nur Länder mit über 10 Mio. Schafen aufgeführt

Welt insgesamt

1 Milliarde

Asien insgesamt

378 Mio.

  China

127 Mio.

  Indien

58 Mio.

  Iran

53 Mio.

  Pakistan

32 Mio.

  Türkei

30 Mio.

  Syrien

15 Mio.

  Afghanistan

14 Mio.

  Mongolei

14 Mio.

 Afrika insgesamt

240 Mio.

  Sudan

42 Mio.

  Südafrika

30 Mio.

  Äthiopien

22 Mio.

  Nigeria

20 Mio.

  Algerien

18 Mio.

  Marokko

16 Mio. 

  Somalia

13 Mio.

 Ozeanien insgesamt 166 Mio.
  Australien 120 Mio.
  Neuseeland 46 Mio.
 Europäische Union insgesamt

114 Mio.

  Großbritannien

44 Mio.

  Spanien

24 Mio.

  Italien

11 Mio.

  Frankreich

10 Mio.

  Deutschland (zum Vergleich)

2 Mio.

 Südamerika insgesamt

81 Mio.

  Brasilien

18 Mio.

  Uruguay

16 Mio.

  Argentinien

14 Mio.

  Peru

14 Mio.

 Ehemalige Ostblockstaaten (Transition Markets) insgesamt

72 Mio.

  Russland

16 Mio.

Nordamerika (USA + Kanada) insgesamt

8 Mio.

Zentralamerika und Karibik insgesamt

7 Mio.

[Quelle: FAOSTAT. -- URL: http://apps.fao.org/lim500/nph-wrap.pl?Production.Livestock.Stocks&Domain=SUA&servlet=1. -- Zugriff am 14.1.2000]


8. Schafrassen und Schafzucht


Abbildungen von Schafrassen siehe:

Entwicklungsländerstudien / hrsg. von Margarete Payer. -- Teil I: Grundgegebenheiten. -- Kapitel 8: Tierische Produktion. -- 2. Ziegen und Schafe / zusammengestellt von Alois Payer. -- Anhang B: Bilderbogen einiger Schafrassen der Entwicklungsländer. -- URL: http://www.payer.de/entwicklung/entw082b.htm

"Vom Mufflon über die Primitivhausschafe bis zum modernen Leistungsschaf gibt es, auch wenn das Arttypische in Aussehen und Verhalten bewahrt bleibt, grundsätzliche, systematisierbare Unterschiede, die auch zwischen andern Haustieren und ihren Stammarten festgestellt werden können. Lorenz (1959) unterscheidet im Vergleich zu den Wildformen bei den Haustieren 
  • reduzierte (Hypotrophien) und 
  • anderseits übersteigerte Verhaltensweisen (Hypertrophien). 

Hemmer 1983 spricht von einer allgemeinen Verhaltensdämpfung bei Haustieren gegenüber Wildtieren, die sich in einer verringerten Intensität bis hin zum Wegfall verschiedener Verhaltensweisen, in der geringern Reaktion auf Umweltfaktoren, in der Reduktion der Fortbewegungsaktivität, in geringerer Fluchtbereitschaft, in einer Vergleichmäßigung der zeitlichen Aktivitätsorganisation, in der Lockerung sozialen Zusammenhalts und einem Abbau sozialer Differenzierung äußert. 

Übersteigerung von Verhaltensweisen zeigt sich in intensiviertem Sexualverhalten und z. T. auch intensivierter innerartlicher Aggressivität. 

Diese Änderungen, steigern sich bei Schafen und Ziegen kontinuierlich von der Wildform über die Primitivrassen (Soay-Schaf, Zackelschaf etc.) bis zu den Hochleistungsrassen (Texelschaf, Merino etc.). Primitive Rassen scheinen also wildtiernäher zu sein als Hochleistungsrassen. Von Züchterseite wird ihnen zudem hohe Anpassung an ihr Ursprungsgebiet zugesprochen, während Leistungsrassen keine spezifische Angepasstheit an einen bestimmten natürlichen Lebensraum zeigen."

[Gratzfeld, Rachel: Das Schwarznasenschaf : seine Raumnutzung und Sozialstruktur im Vergleich zum Weißen Alpenschaf. -- Bern, Univ., Diplomarbeit. -- Zitiert in:  Theler, Luzius <1948 - >: Die Schwarznase : Schafrasse des Oberwallis / Luzius Theler. [Oberwalliser Schwarznasen-Schafzuchtverband]. -- [Visp] : [Rotten], 1986. -- S. 172]

"Es gibt große und kleine, hornlose und gehörnte Schafrassen mit und ohne Wolle. Das Tibetanische Einhornschaf trägt nur ein einziges Horn, nordische Inselrassen haben manchmal vier und mehr Hörner. Die Ohren können verlängert oder verkürzt sein oder gar fehlen. Nach der Entwicklung des Haarkleides kann man verschiedene Rassengruppen unterscheiden.
  • A. Haarschafe. Haarkleid kurz, mit groben, markhaltigen Grannen und feinen, markfreien Flaumhaaren. Böcke meist mit Halsmähne. Regelmäßiger Haarwechsel im Frühjahr und Herbst. Milch- und Fleischlieferanten:
    •  Fessanschaf, 
    • die schmalschwänzigen, gehörnten oder hornlosen Senegal-, 
    • Guinea- und 
    • Kamerunschafe; 
    • Südwestafrikanisches Fettschwanzschaf; 
    • Abessinisches Kurzohrschaf; 
    • die hornlosen, stummelschwänzigen Perser-, 
    • Massai- und 
    • Somalischafe 
    • u. a. m.
  • B. Wollschafe. Anteil der Flaumhaare vermehrt, wenig oder keine Grannenhaare, kein jahreszeitlicher Haarwechsel. 
    1. Mischwollige Schafe. Wolle vliesähnlich, verfilzt stark. Vor allem nördliche Rassen, darunter 
      • die kleine, kurzschwänzige, meist in beiden Geschlechtern gehörnte Heidschnucke der Lüneburger Heide, Woll-, Fleisch- und Milchlieferant; 
      • mittel- und ostasiatische Fettsteiß-Schafe; 
      • Fettschwanzschafe aus Westasien, den Balkanstaaten und Afrika, 
        • darunter das Karakulschaf; 
        • das osteuropäische Zackelschaf 
      • u. a. m. 
    2. Schlichtwollige Schafe mit Flaumhaar und marklosen Grannen, darunter 
      • die Hängeohrschafe als Fleischschafe der Alpen und 
      • die Marschschafe der Nordseeküste. 
    3. Merinowollige Schafe mit geschlossenem Vlies aus Flaumhaaren. Hierzu gehören 
      • das Merinoschaf, in zahlreichen Schlägen weltweit verbreitet, 

        Abb.: Merinovlies, Australien, 1978  (©Corbis)

      • die Anglomerinos (Kreuzungen von Merinos mit englischen Langwollschafen) und 
      • die feinwolligen Veredelten Landschafe in Süddeutschland, Frankreich und Südeuropa. Hauptsächlich Woll-Lieferanten."

[Kraft, Helmut. -- In: Grzimeks Tierleben : Enzyklopädie des Tierreichs. -- Bd. 13: Säugetiere 4. -- Zürich : Kindler, ©1968. -- S. 502f.]

"Die Zuordnung eines einzelnen Schafes zu einer bestimmten Rasse ist nicht in jedem Fall möglich. Eine auch für den Ungeübten einigermaßen sichere Identifizierung gelingt nur, wenn zumindest eine Gruppe von Schafen beurteilt werden kann.

Folgende Körperteile bzw. Vlieseigenschaften sollten der Reihe nach beurteilt werden:

  1. Hörner
    • Alle Tiere hornlos (Beispiel: Merinolandschaf)
    • Einzelne Tiere gehörnt (Beispiel: Waldschaf)
    • Nur Böcke gehörnt, Mutter hornlos oder mit Hornstummeln (Beispiel: Skudde)
    • Alle Tiere 2 Hörner (Beispiel: Graue Gehörnte Heidschnucke)
    • Etliche Tiere 4, die übrigen 2 Hörner (Beispiel: Jacobschaf)
  2. Schwanz: Oft nicht zu beurteilen, da bei vielen langschwänzigen Schafen der Schwanz üblicherweise kupiert wird.
    • Kurzer behaarter Schwanz (Beispiel: Moorschnucke)
    • Langer behaarter Schwanz (Beispiel: Ostfriesisches Milchschaf)
    • Langer bewollter Schwanz (Beispiel: Weißes Bergschaf) ...
    • Fettschwanz (Beispiel: Karakul)
    • Fettsteiß (Beispiel: Hissarschaf)
  3. Wolltyp
    • Stark gekräuselt (Beispiel: Merinolandschaf)
    • Weniger stark gekräuselt (Beispiel: Schwarzköpfiges Fleischschaf)
    • Geschmeidig wirkende, lang herabhängende Wolle (Beispiel: Weißes Bergschaf)
    • Derb wirkende, lang herabhängende Wolle (Beispiel: Graue Gehörnte Heidschnucke)
    • Körper behaart (Beispiel: Kamerunschaf)
  4. Vliesfarbe
    • Weiß bzw. gelblich (Beispiel: Texel)
    • Rötlich (Beispiel: Coburger Fuchsschaf)
    • Braun (Beispiel: Braunes Bergschaf)
    • Graumeliert (Beispiel: Graue Gehörnte Heidschnucke)
    • Gescheckt (Beispiel: Jacobschaf)
  5. Farbe der behaarten Körperteile (Gesicht und Unterbeine)
    • Weiß (Beispiel: Merinolandschaf)
    • Schwarz (Beispiel: Schwarzköpfiges Fleischschaf)
    • Rot (Beispiel: Coburger Fuchsschaf)
    • Gescheckt (Beispiel: Scottish Blackface)
    • Mit Pigmentspritzern (Beispiel: Bentheimer Landschaf)
    • Gesicht schwarz, Beine weiß (Beispiel: Rhönschaf)
  6. Schaupe (Wolle auf der Stirn)
    • vorhanden (Beispiel: Schwarzköpfiges Fleischschaf)
    • nicht vorhanden (Beispiel: Suffolk)
  7. Ohren
    • Stehend (Beispiel: Texelschaf)
    • Abwärtsgeneigt (Beispiel: Merinolandschaf)
    • Lang, breit und hängend (Beispiel: Weißes Bergschaf)"

[Sambraus, Hans Hinrich: Nutztierkunde : Biologie, Verhalten, Leistung und Tierschutz. -- Stuttgart : Ulmer, ©1991. -- (UTB ; 1622). -- S. 205f. --  ISBN 3825216225. ]


9. Nutzung von Schafen


9.1. Schafmilch und Schafmilchprodukte


"Hochwertige Schafmilch. Der weiße Saft aus dem Schafeuter ist gehaltvoll, trinkt sich fast so sahnig wie Kaffeerahm und ist ohne jeden Beigeschmack. Und wie alle eher raren Produkte gilt auch Schafmilch als speziell gesund, wobei «gesund» und «biologisch» heutzutage wohl zu den dehnbarsten Begriffen der Alltagssprache geworden sind... Auch Schafkäse wäre an sich ein beliebtes Produkt, was Schweizer Touristen beim Schafkäsekauf in Italien, Griechenland und Südfrankreich immer wieder bestätigen.

Das Leben eines Milchschafes besteht aus Geben: täglich Milch, einmal im Jahr die Wolle und schließlich Fell und Fleisch. Ein gutes Milchschaf der ostfriesischen Rasse kann in einer Laktationsperiode (250 bis 300 Tage) bis 600 Liter Milch mit ungefähr 6 Prozent Fett und 5 Prozent Eiweiß geben. Respektabel! Die höchste je registrierte Milchmenge lag knapp unter 1500 Litern. Enorm! Das ist natürlich eine extreme Ausnahme; doch im Zeitalter der Guinnessrekorde möchten auch die Milchschafe sich verewigt wissen ! ..."

[Hofmann, Heini: Die Tiere auf dem Schweizer Bauernhof. -- 3. Aufl. -- Aarau : AT, 1985. -- ISBN 3855021678. -- S. 172]

Schafe können gemolken werden durch

Schafmilchprodukte sind:


9.1.1. Schafskäse


"Das Eiweiß Kasein findet sich in der Milch weiblicher Säugetiere in großen Mengen und gerinnt spontan unter Säureeinwirkung. Lässt man Milch stehen, wird sie oft von selbst fest, wenn die darin enthaltenen natürlichen Enzyme den Milchzucker zu Milchsäure vergären. Die dabei entstehende Sauermilch muss die erste Form von Frischkäse gewesen sein, die unsere Vorfahren probierten. Die spontane Gerinnung ist schwer zu steuern, man kann sie jedoch mit Lab starten. Eine rasche, gleichmäßige Gerinnung, bei der ein schnittfester Bruch entsteht, kann mit verschiedenen Substanzen erzielt werden, beispielsweise dem speziellen Verdauungssaft, der im Labmagen von Kälbern, Zicklein oder anderen Wiederkäuern gebildet wird. Die Römer zogen noch das Lab von Wildtieren vor, beispielsweise von Rehen. Früher setzte man der Milch Streifen des Labmagens zu, heute jedoch -- wenn nicht sogar mikrobielles Lab verwendet wird -- Lab in flüssiger Form oder als Pulver. In sehr armen Gegenden des Mittelmeerraums und auf den Inseln, wo Schafe und Ziegen zu wertvoll sind, als dass man sie wegen des Labmagens schlachten könnte, verwendet man auch pflanzliche Labe, die man aus Distelblüten oder Feigenbaumsaft gewinnt. Die meisten Schafskäse auf der iberischen Halbinsel und den Mittelmeerinseln werden noch immer so gemacht. Auch in anderen Ländern ... stellt man mit pflanzlichem Lab Käse für Vegetarier her." 

[Alles Käse : die besten Sorten der Welt / Text: Bernard Nantet ... -- Köln : Dumont, ©1998. -- (Monte von DuMont). -- ISBN 3770146093. -- Originaltitel: Cheeses of the world (1993). -- S. 53ff. ]

Einige häufige Formen von Schafskäse:


9.2. Schaffleisch und Schaffleischprodukte


Schaffleisch spielt in manchen Gegenden eine sehr große Rolle bei der Eiweißversorgung. So beträgt der Pro-Kopf-Verzehr in der Mongolei pro Jahr 72 kg (zum Vergleich: BRD: 1 kg, Irland: 13 kg).

Auch im Vorderen Orient gibt es eine Schaffleisch-Esskultur:

Abb.: Länder des Vorderen Orients, die eine "kulinarische Einheit" bilden:

  1. Fleischbedarf wird meist durch Hammel gedeckt

  2. Weizenbrot ist Hauptquelle für Kohlehydrate

  3. Auberginen sind das beliebteste Gemüse

  4. Jogurt ist bevorzugtes Milchprodukt

[Quelle der Abb.: CIA; Vorlage: H. G. Nickles, a.a.O.]

Bei Schaffleisch unterscheidet man (in Deutschland) folgende Kategorien für die Handelsklassenbewertung:

Milchlammfleisch (M) von Milchlämmern, nicht über 6 Monate alt (in BRD: Schlachttierkörper bis höchstens 22 kg)
Mastlammfleisch (L) von Mastlämmern, nicht über 12 Monate alt
Hammelfleisch (H) von weiblichen Tieren, die nicht zur Zucht benutzt wurden sowie von kastrierten männlichen Tiere, nicht über 2 Jahre alt
Schaffleisch (S) von kastrierten männlichen Tieren über 2 Jahre alt, sowie von weiblichen Tieren
Fleisch von Böcken (B) von männlichen unkastrierten Tieren, über 12 Monate alt
Fleischstücke vom Schaf


Abb.: Schulter


Abb.: Rücken

 


Abb.: Brust


Abb.: Keule

[Vorlage der Abbildungen: Schweizerische Genossenschaft für Schlachtvieh- und Fleischversorgung]

Ein Problem bei Schaffleisch ist der hohe Schmelzpunkt des Fettes, der mit dem Alter des Tieres und Rohfaseranteil der Nahrung noch steigt: schon bei 30 bis 40°C gerinnt Schaffett auf dem Teller. Deshalb werden Hammelgerichte oft sehr heiß serviert. Schaffleisch hat einen geringeren Durchmesser der Muskelfasern als Rinds- und Schweinefleisch, deshalb ist Schaffleisch im allgemeinen zarter. Schaffleisch hat ein großes Wasserbindevermögen, deshalb verliert das Fleisch beim Anbraten wenig Flüssigkeit, schrumpft nicht und bleibt saftig. Lammfleisch verliert allerdings schnell seine Frische und sollte innerhalb einer Woche nach der Schlachtung verzehrt, eingefroren oder weiterverarbeitet werden.

Im Gegensatz zu vielen Berichten über zähes Schaffleisch schreibt Harry G. Nickles:

"Für Lammfleisch, das tierische Hauptnahrungsmittel des Vorderen Orient, trifft das Gegenteil [zu zäh und fade] zu. Obgleich es niemals auf die von westlichen Feinschmeckern bevorzugte Art serviert wird -- innen noch rosa --, fanden meine Frau und ich es selbst dann noch aromatisch und zart, wenn es lediglich in Salzwasser gekocht war. Lamm ist im Vorderen Orient so gut wie niemals länger als einen Tag abgehangen; wenn sich eine Karawane auf dem Marsch durch die Wüste befindet, wird manchmal vor jeder Mahlzeit frisch geschlachtet. Gelegentlich wird das ganze Lamm aufgespießt und im Freien über einem offenen Feuer in einen saftigen Braten verwandelt, oder man füllt es mit einer unerwarteten Mischung aus Reis, Pinienkernen, Mandeln und Korinthen. kleinere Fleischteile werden zu einer erstaunlichen Vielzahl von Schmorgerichten verarbeitet. Typischer ist es allerdings, das Fleisch in kleine Würfel zu schneiden und auf Spießen zu rösten. Diese Zubereitungsart ergibt den sis kebab, der uns als Kebab bekannt ist. (Das türkische Wort sis bedeutet Schwert oder Spieß, das Wort kebab Lamm oder Hammel.) Der Kebab zählt zu den wenigen Gerichten des Vorderen Orient, die sich in der westlichen Welt einen Namen gemacht haben. Es gibt freilich Variationen, die wohl kaum ein Mitteleuropäer kennt: Stücke von Herz, Leber und anderen Innereien, die beim Rösten einen verlockenden Duft entfalten, oder durchgedrehtes Lammfleisch, das durch Beigabe von etwas Kalbfleischhack ein besonderes Aroma bekommt."

[Nickles, Harry G.: Die Küche des Vorderen Orient. -- Amsterdam : Time-Life, ©1970. -- S. 10f.]

Der Dünndarm von Schafen wird als Saitlinge (Wursthäute) für die Wurstherstellung verwendet.

Schaffleisch kann zur Konservierung verarbeitet werden zu:


9.2.1. Zum Beispiel: Mishani -- Lammfleisch und Hochzeit in Kaschmir


Abb.: Lage von Kaschmir (Quelle: CIA)

"Der mogulischen Kochkunst ... ist die der Kaschmir-Hindus in Nordindien eng verwandt; das sind jene Hindus, die das Kaschmir-Tal vor 300 bis 400 Jahren verlassen haben, um sich -- größtenteils -- in Nordindien anzusiedeln. Dass die Kaschmir-Hindus auch heute noch Lammfleisch essen, geht auf einen geographischen Zufall zurück. Die Kaschmir-Brahmanen sind seit alten wedischen Zeiten Fleischesser; damals war Fleisch noch für alle Inder, eben auch für die Brahmanen, ein fester Bestandteil der Kost. In dem isolierten Tal von Kaschmir aber waren sie durch die unüberwindliche Barriere des Himalaja von den Wechselfällen religiöser Beschränkungen und den Wandlungen von Gefühlen und Gewohnheiten, die die Hindus im übrigen Indien zu Vegetariern machten, abgeschnitten. So aßen denn die Brahmanen, obwohl sie auf anderen Gebieten fromme Hindus waren, auch weiterhin Fleisch, sogar nachdem sie in andere Teile Nordindiens ausgewandert waren. Schweinefleisch und Huhn schlossen sie allerdings aus ihrer Kost aus, nur war ihre Begründung dafür nicht religiöser Natur. Sie hielten diese Tiere einfach für „Schmutzfresser", und demnach waren sie eine Bedrohung für die Gesundheit. Die Kaschmir-Brahmanen waren -- und sind -- durchaus bereit, Wildschwein, Urwaldgeflügel und jede Art von Jagdvögeln zu verzehren. Rindfleisch bleibt natürlich auch für sie verboten, ebenfalls Zwiebeln und Knoblauch, freilich gleichfalls nicht aus religiösen Gründen, sondern weil der starke, lang anhaltende Geschmack das Blut erhitzen und zügellose Leidenschaften entfachen soll.

Mit Ausnahme dieser selbst auferlegten Verbote verdankt die Kochkunst der Kaschmir-Brahmanen der mogulischen Küche viel. Im Laufe der Jahrhunderte haben sie viele mogulische Gerichte abgeändert und verfeinert und auch ihrerseits einige bemerkenswerte Spezialitäten hervorgebracht alle in Verbindung mit Lammfleisch.

Zu meinen Lieblingsgerichten aus der kaschmirischen Küche gehört ein „trockenes" Lammgericht, das sich qabargah nennt. Eine meiner Kusinen bereitet es mit größtem Geschick zu, wobei sie sich des klassischen Rezepts ihrer Schwiegermutter bedient. Sie nimmt dazu Lammrippen, Milch und Wasser in gleichen Mengen und kocht dies mit Salz und Gewürzen in einem fest verschlossenen Topf auf kleiner Flamme. Das masala [Gewürz-Kräuter-Mischung] wird für qabargah nicht gemahlen oder zu einer Paste verrührt, sondern die Bestandteile Kümmel, getrocknete Ingwerwurzel,12 Nelken, Zimt, 12 kleine und 4 große Kardamomkörner sowie ein paar Safranfasern -- werden in einen Mullbeutel gebunden und mit dem Fleisch zusammen in die Flüssigkeit gegeben.

In der mogulischen Küche -- insbesondere in der verfeinerten Form der kaschmir-brahmanischen -- liegt der besondere Nachdruck immer auf der größtmöglichen Üppigkeit. Alle Fleischgerichte und viele Gemüsearten werden in ghee [Schmelzbutter] gekocht, das teurer und schwerer ist als das Pflanzenöl, das im Süden verwendet wird. Hier wird größter Wert auf die Mengen und die komplizierte Zubereitung gelegt, nicht wie in Maharaschtra auf die Ansprüche, die man an die Vielfalt in Beschaffenheit und Geschmack stellt oder gar auf die Einfachheit wie im tiefen Süden. Das schönste Kompliment, das eine Köchin der mogulischen Küche von ihren Gästen erhoffen darf, ist „Auf dieses Mahl gibt es keine Antwort!" Der Gast soll viel zu satt sein, um wortreich loben zu können. ...

Hier, im Tal von Kaschmir, wird wohl die bedeutendste Leistung serviert, die je in Nordindien auf dem Gebiet der Lammfleischzubereitung vollbracht wurde: mishani, eines der traditionellen „Sieben Gerichte". Alle sieben sind Lammfleischzubereitungen, die bei glücklichen Anlässen aufgetischt werden, etwa bei einer Kaschmiren-Hochzeit. Selbst im heutigen Kaschmir werden die Bräuche für die Hochzeit selbst und das dazugehörige mishani streng beachtet. Die Vereinbarungen über die Heirat müssen mit schicklicher Langsamkeit getroffen werden (keine Seite darf zu eifrig erscheinen), und jeder größere Fortschritt in den Verhandlungen wird mit einem mishani gefeiert.

Das Kaschmir-Tal ist vorherrschend mohammedanisch, deshalb darf weder die künftige Braut noch eine andere Frau ihrer Familie den Bräutigam oder irgendeinen Mann aus seiner Familie sehen. (Auch bei den orthodoxen Hindus im übrigen Indien dürfen Braut und Bräutigam vor der eigentlichen Hochzeitszeremonie keinen Blick aufeinander werfen.) Die ersten Verhandlungen über eine Heirat werden von mehreren Mittelsleuten geführt. Der eigentliche Antrag wird dann dem Vater der Braut durch einen Heiratsvermittler im Auftrag des Vaters des Bräutigams überbracht -- freilich ist es durchaus üblich, dass die Familie eines Mädchens diskret in der Gemeinde oder bei dem Heiratsvermittler durchsickern lässt, dass sie eine schöne heiratsfähige Tochter hat. Jedenfalls zieht der Vater des Mädchens nun die notwendigen Erkundigungen über den jungen Mann ein -- teils über den Vermittler, teils unabhängig von ihm: über seine Familie, seine Ausbildung, seinen finanziellen Hintergrund und andere wichtige Dinge. Lauten die Auskünfte befriedigend, so deutet er an, dass seine Frau einen Besuch der Mutter des jungen Mannes begrüßen würde. Zu dieser Gelegenheit begleitet eine Schwester des Bräutigams ihre Mutter, denn man geht davon aus, dass sie, die der gleichen Generation angehört, die Vorstellungen des Bruders kennt und Aussehen und Verhalten der Braut besser beurteilen kann.

Wenn alle Seiten einverstanden sind, steckt in diesem Stadium die Mutter des jungen Mannes dem Mädchen einen Ring an den Finger, überreicht ihr ein symbolisches Geldgeschenk und setzt das Datum für die offizielle Verlobungszeremonie fest. Zur Feier der förmlichen Verlobung wird das erste mishani-Festmahl im Haus der Braut gegeben -- wobei der Bräutigam nicht anwesend sein darf.

Das erste der sieben mishani-Gerichte ist ein vielfältig verwendbares masala [Gewürz-Kräuter-Mischung], warri genannt, das aus Zwiebeln, Kreuzkümmel, Koriander, roten Chillies, garam masala und dem Saft einer kleinen, einheimischen lila Blume, mawal, hergestellt wird. Aus diesen Zutaten macht man eine Paste, die, zu kleinen Ziegeln geformt, zum Trocknen in die Sonne gelegt wird. Warri wird als Bestandteil des mishani entweder allein oder mit gehacktem oder gewürfeltem Lammfleisch gereicht. Die folgenden Gerichte sind scharfgewürzte Scheiben Lammleber, Nieren, Schulterfleisch und kababs [Fleischspieß] aus gehacktem Lammfleisch, die mit masala und geschlagenem Ei gemischt und zu kleinen Bällchen geformt über einem Holzkohlenfeuer gebraten werden. Es gibt Lammkeule, mit gesiebten aromatischen Gewürzen abgeschmeckt, und Portionen zarten Lammfleisches, die mit Kardamom, Kreuzkümmel und Zimt gewürzt, in Milch eingelegt, dann über kleinem Feuer gekocht und schließlich in Walnussöl gebraten werden.

Das letzte mishani-Gericht, das die Kaschmiren selbst als das Meisterstück ihrer Kochkunst bezeichnen, ist am umständlichsten und schwierigsten in der Zubereitung und am delikatesten in Beschaffenheit und Geschmack: goshtaba. Für goshtaba braucht man ganz zartes, fettes Fleisch, am besten Lammbrust. Dann wird das Fleisch einen ganzen Tag lang zusammen mit einer ziemlich starken Mischung aus Kardamom, Kreuzkümmel, Nelken, schwarzem Pfeffer und einer kleinen, dunkelbraunen, getrockneten Blüte, badiani genannt, geklopft und durchgedreht. Wenn dann eine völlig glatte Paste entstanden ist, in der es keine unerwünschten Fasern mehr gibt, wird das Fleisch mit gut geschlagenem Quark gemischt und zu großen Bällen geformt -- etwas größer als Tennisbälle --, die in ghee [Schmelzbutter] gebraten werden.

Von der Verlobungsfeier bis zum Tag der Hochzeit kann ein Zeitraum von einem Monat bis zu einem Jahr verstreichen. Am Hochzeitstag selbst finden keine religiösen Feiern statt. Doch wenn der Bräutigam die Braut im Haus ihrer Familie abholt, muss dies mit aller Eleganz und Förmlichkeit geschehen, die der Bräutigam aufzubieten vermag. Er kommt am Abend zu Pferde, von Musikanten und Fackelträgern begleitet und gefolgt von einer Prozession seiner Freunde, Verwandten und Gäste, die alle ihre prächtigsten Gewänder tragen. Im Haus der Braut gibt es weitere Geschenke und Zeremonien -- und der ganzen Hochzeitsgesellschaft wird das zweite mishani, wiederum alle sieben Gerichte, serviert. Gewöhnlich ziehen sich die Feierlichkeiten bis in die frühen Morgenstunden hin, bis schließlich die Braut, die immer noch tief verschleiert ist und sich in schicklicher Weise widerstrebend zeigt, in einen geschmückten Palankin -- eine Sänfte -- gehoben und in großer Prozession zum Haus ihres Mannes getragen wird.

Der nächste Tag, wathal, wird durch das dritte mishani gekennzeichnet, die größte Feierlichkeit und das verschwenderischste Festmahl überhaupt. Es findet im Haus des Bräutigams statt, um die Braut willkommen zu heißen, ihre Verwandten zu bewirten und sie formell dem Ehrenplatz in ihrer neuen Familie zuzuführen. Diesmal darf man erwarten, dass die „Sieben Gerichte" mit allen Beifügungen, Raffinessen und Extra-Delikatessen serviert werden. 

Erst wenn das abschließende wathal mishani stattgefunden hat, ist die Hochzeit richtig gefeiert worden. Danach empfängt die Braut alle Segnungen und nach alter Tradition wünscht man ihr, sie möge hundert Söhnen das Leben geben. Alles, was die Familien tun konnten, um dem Paar eine glückliche Zukunft zu sichern, ist damit getan."

[Rama Rau, Santha: Die Küche in Indien. -- Amsterdam : Time-Life, ©1970. -- (Internationale Speisekarte). -- S. 168 - 171]


9.3. Schafwolle


Abb.: Rasterelektronenmikroskopische Aufnahme einer Merinowollfaser (Quelle: CSIRO)

Trotz ihrer guten Eigenschaften musste Schafwolle gegenüber Baumwolle und Synthetikfasern aus Gründen der Kosten und der Rationalisierung der Verarbeitung sehr zurückweichen. Wollhaare des Schafes sind gekräuselt: von der Stärke der Kräuselung hängt Elastizität und Isolierfähigkeit der Wolle ab. Gute Wolle soll folgende Merkmale aufweisen:

[Quelle der beiden Abb.: Svinicki, Eunice: Spinnen & Färben : eine vollständige Einführung. -- Bonn-Röttgen : Hörnemann, 1976. -- ISBN 3873843161. -- Originaltitel: Spinning and dyeing (1974). -- S. 28]

Die geschorene Wolle eines Schafes nennt man Vlies.

Die wesentlichsten Arbeitsgänge bei der Wollgewinnung sind:

  1. Scheren: so erhält man die sogenannte Schweißwolle, die Wollfett (Lanolin) enthält


    Abb.: Frauen scheren Schafe, Peru, 1994 (Bildquelle: FAO)


    Abb.: Schafschur, Hunza, Pakistan, 1991  (©Corbis)


    Abb.: Schafschur im industriellen Umfang: Schafschererkolonne, Australien, 1932 [Quelle der Abb.: Frontier country : Australia's outback heritage. -- Vol. 1. -- Sydney : Russell, ©1989. -- ISBN 1875202013. -- S. 266f.]

  2. Sortieren

    Abb.: Qualität des Wollvlieses eines Schafes

    [Vorlage der Abb.: Svinicki, Eunice: Spinnen & Färben : eine vollständige Einführung. -- Bonn-Röttgen : Hörnemann, 1976. -- ISBN 3873843161. -- Originaltitel: Spinning and dyeing (1974). -- S. 27]

     

  3. Waschen, Spülen, Trocknen (kann bei sauberer Schweißwolle übergangen werden: dann enthält man wasserabstoßendes Garn)

  4. Kardätschen: reinigt die Wolle weiter und legt die Fasern in eine Richtung

    Abb.: Kardätschen mit der Handkarde, Mexiko, 1997 (©Corbis)

  5. eventuell Kämmen: macht Wolle sehr fein und glatt

  6. Herstellen des Vorgespinst: vorläufiges Zusammendrehen von Fasern 

  7. Spinnen


    Abb.: Schäferin, die gleichzeitig Wolle spinnt, Peru, 1994 (Bildquelle: FAO)


    Abb.: Spinnen mit Fallspindel, Trabzon, Türkei, 1990   (©Corbis)

     

     

  8. Zwirnen

  9. Färben


    Abb.: Frauen einer Frauenkooperative färben Schafwolle, Peru, 1994 (Bildquelle: FAO)


    Abb.: Färben von Teppichwolle, Konya, Türkei, 1992  (©Corbis)


    Abb.: Trocknen der gefärbten Wolle, Bhaktapur, Nepal, 1997   (©Corbis)

  10. Vermarkten (von Rohwolle oder zubereiteter Wolle)

    Abb.: Wollverkäufer, Marrakesch, Marokko, 1998  (©Corbis)

Auf dem Weltmarkt für Wolle sind nur Großproduzenten (Australien, Neuseeland, Argentinien u.a.) konkurrenzfähig. Außerdem ist der Weltmarkt für Wolle äußerst krisenanfällig. So mussten 1990 allein in Australien wegen des Zusammenbruchs auf dem Wollmarkt 20 Millionen [!] Schafe getötet werden, ohne irgendwie verwertet werden zu können. Der Wert des Schafes auf dem Weltmarkt wandelte sich eindeutig vom Wollproduzenten zum Fleischproduzenten: Anfang des 19. Jahrhunderts entsprach der Wert von 1 kg Merinowolle dem von 9 kg Schaffleisch, Ende 1990 entsprach der Erlös des Produzenten  für 1 kg Schaffleisch dem von über 8 kg Rohwolle!

Folgendes ist eine Beschreibung des Weltwollmarktes aus dem Jahr 1987, modifiziert gelten die Ausführungen noch heute:

"Obwohl in Westeuropa eigentlich nur noch in Großbritannien eine ins Gewicht fallende Eigenerzeugung von Wolle vorhanden ist -- seine Schafhaltung ist z. B. größer als die in allen anderen Ländern der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EG) zusammengenommen -- und insbesondere auch in der UdSSR, in Argentinien, China und den USA erhebliche Mengen Wolle erzeugt werden, sind weltwirtschaftlich gesehen jedoch nur die fünf eigentlichen » klassischen« Wollausfuhrländer 
  • Australien, 
  • Neuseeland, 
  • Südafrika, 
  • Argentinien und 
  • Uruguay

  von Bedeutung.

... wobei in den wichtigsten Wollerzeuger- bzw. Wollexportländern der Anteil etwa folgender ist: 

  • Australien: 3/4 Merino-, 1/4 Kreuzzuchtwolle
  • Neuseeland: fast ausschließlich Kreuzzuchtwolle
  • Südafrika: hauptsächlich Merinowolle, ein geringer Teil Eingeborenen- und Karakulwolle
  • Argentinien: 4/5 Kreuzzuchtwolle, 1/5 Merinowolle
  • Uruguay: über die Hälfte Merinowolle und sehr feine Kreuzzucht wolle, Rest größtenteils Kreuzzuchtwolle
  • USA: 2/3 Merinowolle, 1/3 Kreuzzuchtwolle
  • Großbritannien: 4/5 Kreuzzuchtwolle, 1/5 Teppichwolle
  • Indien: überwiegend Teppichwolle
  • Pakistan: überwiegend Teppichwolle

Unter den Exportländern ist Australien mit Abstand der größte Wollerzeuger. Sein wirtschaftliches Wohlergehen hängt eng mit der Schafzucht und Schafhaltung zusammen. Das ist auch der Grund dafür, dass es dort die meisten und größten, mit modernsten Laboratorien und Geräten ausgestatteten, und auch staatlich geförderten Wollforschungsinstitute gibt (CSIRO), die sich nicht nur mit der Analyse der Wollfaser selbst sowie mit Verarbeitungsfragen und der Entwicklung neuer Verfahrenstechniken befassen, sondern auch mit den Lebens- und Ernährungsbedingungen der Schafe, hauptsächlich in bezug auf eine Erhöhung des »Pro-Kopf-Wollertrages«, eine Verbesserung der Wollqualität oder auch zwecks Vermeidung von Krankheiten und Seuchen. Immerhin war Australiens Schafzucht schon mehrfach von schwersten Plagen bedroht, darunter auch eine Kaninchenplage. Zehn Kaninchen fressen soviel wie ein Schaf. Schließlich vermehrten sie sich so, dass sie die Weidefläche für 20-30 Millionen Schafe wegnahmen und die Weidegründe zerstörten. Erst durch die künstliche Verbreitung des »virus myxomatosis«, eines gezüchteten Krankheitserregers, der nur Kaninchen befällt und durch eine Moskitoart verbreitet wird, wurde man wieder Herr der Lage. Andererseits konnte durch planmäßige züchterische Arbeit das durchschnittliche Vliesgewicht, das in den Jahren 1934/38 noch bei 3,5 kg lag, auf 4,8 kg in der Gegenwart angehoben werden, also um 38 v. H. Nachdem in den Jahren 1972/73 durch Dürreperioden und hohe Lammsterblichkeit der Schafbestand erheblich dezimiert wurde, konnte er in den folgenden »Wolljahren« (die immer am 1. Juli beginnen) zwar wieder etwas ansteigen, blieb aber in den letzten 5 Jahren praktisch auf der gleichen Höhe von etwa 135 Millionen Tieren im Jahre 1985. Die Wollexperten Australiens sind der Auffassung, dass durch Verbesserung der Weiden und moderne Landerschließungsmethoden (Abbrennen von Buschwerk sowie Säen und Düngen vom Flugzeug aus) die Anzahl der Herden und damit auch das Wollaufkommen noch erheblich gesteigert werden könnte.

Die anfallende Australwolle wird zum größten Teil auf den nahe den Hauptzuchtgebieten gelegenen Auktionsplätzen von Neusüdwales (Sydney, Newcastle), Victoria (Geelong, Melbourne), Queensland (Brisbane), Südaustralien (Adelaide) und Westaustralien (Perth, Freemantle, Albany) versteigert. Die Insel Tasmanien südlich Australiens ist der kleinste Wolldistrikt mit nur 2 v. H. der australischen Schur, ist aber bekannt als Lieferant allerfeinster Merinowollen.

Die von den Schaffarmen gelieferte und in Ballen gepresste Wolle wird zunächst in riesigen Lagerhallen untergebracht. Ein australischer Wollballen wiegt etwa 140 kg und enthält die Vliese von rund 35 Schafen. 

Da die Wolle je nach Rasse der Tiere, aber auch in Abhängigkeit von den Klima-, Boden- und Witterungsbedingungen sehr verschieden ausfallen kann, hat der Wolleinkäufer vor der Auktion Gelegenheit, die Ballen zu besichtigen, Proben zu ziehen und eine entsprechende Taxe vorzunehmen. Neben anderen wertbestimmenden Faktoren kommt hierbei dem sog. Rendement eine besondere Bedeutung zu, also dem prozentualen Schweiß- bzw. Rohgewicht der Wolle zum Reingewicht, das sehr unterschiedlich sein kann, von erfahrenen Wolleinkäufern im allgemeinen aber ziemlich genau geschätzt wird.

Ähnlich liegen die Verhältnisse in Südafrika, das ebenfalls ein ausgesprochenes Merinoland ist. Der Anteil der Merinowollen an der Gesamtschur beträgt etwa 90 v. H. Zur Differenzierung von den Australwollen ist für die in Südafrika erzeugten Merinowollen auch die Bezeichnung Kapwollen handelsüblich. Auktionsplätze sind Kapstadt, Port Elisabeth, East-London und Durban. Daneben produziert Südafrika noch die bereits erwähnten Karakulwollen sowie in geringem Umfang sog. Eingeborenenwollen, auch Natives genannt, die jedoch meist von geringer Qualität sind.

Neuseeland hingegen ist das bedeutendste Land für Crossbred- bzw. Kreuzzuchtwollen. Der Sammelbegriff Crossbred umfasst hier nicht allein Kreuzungen, sondern auch reinrassige Tiere mit mittelkräftiger, weniger gekräuselter Wolle in einer Stapellänge bis zu ungefähr 15 cm. Unter den 5 Hauptexportländern nimmt Neuseeland mit einem Schafbestand von ca. 70 Millionen Tieren den zweiten Platz ein. Auktionsplätze sind auf der Nordinsel Auckland, Napier, Wanganui und Wellington, auf der Südinsel Christchurch, Timaru, Dunedin und Invergargill. Daneben ist Neuseeland auch noch Hauptlieferant von Hautwollen.


Die in Südamerika erzeugten sog. La Plata-Wollen stammen hauptsächlich aus Argentinien und Uruguay. Argentinien rangiert mit einem Schafbestand von 34 Millionen hinter Neuseeland, Uruguay hingegen mit rund 21 Millionen an letzter Stelle der klassischen Wollerzeugerländer. Wollen aus Brasilien, Peru, Chile und den Falklandinseln spielen nur eine geringe Rolle. Argentinien erzeugt etwa 4/5 Crossbredwollen, der Rest sind Merinowollen, während Uruguay über die Hälfte Merino- und feine Crossbredwollen liefert, und nur in geringem Umfang gröbere Crossbreds. In beiden La Plata-Staaten kennt man kein Auktionssystem, vielmehr erfolgt der Wollhandel vorwiegend auf den großen Märkten von Buenos Aires, Bahia, Blanca und Montevideo, nachdem die Wolle durch Wollhändler und Exporteure angekauft, nach Feinheiten sortiert, klassiert und zu Ballen gepresst wurde."

[Schiecke, Hans Erich: Wolle als textiler Rohstoff. -- 2., ergänzte und erweiterte Aufl. -- Berlin : Schiel & Schön, ©1987. -- (Modernes Fachwissen Textil und Bekleidung). -- ISBN 379490446X. -- S. 28 - 32. ]


Schafwolle wird weiterverarbeitet zu:


9.3.1. Zum Beispiel: Filz bei den Jurtenbewohnern Zentralasiens


Abb.: Ungefähres Verbreitungsgebiet der Jurte (Kartenquelle: CIA)

"Jurte und Filz sind beides Erfindungen Zentralasiens. Die Filzherstellung ist ein altehrwürdiges Handwerk, älter noch als Spinnen und Weben und darüber hinaus ein sehr einfacher Vorgang. Wolle wird flockig gemacht, auf einer Rohrmatte ausgebreitet, gewässert, aufgerollt und solange geschlagen, bis die Wollfäden fest aneinander kleben. In Zentralasien ist Filz Basismaterial für Hüte, Oberbekleidung, Stiefel, Teppiche und für die Seitenwände der Jurte. Filz bietet gegen Kälte, Wind und Regen einen Schutz, der durch kein anderes Material zu übertreffen ist. Im Winter können die Wände einer Jurte aus bis zu acht Filzschichten bestehen. Die oberste Schicht wird meist eingeölt, so dass das Wasser daran ablaufen kann. Filz hat nur einen Nachteil, er hält keine Spannung aus und reißt leicht. Der Rahmen, der den Filz trägt, muss also freistehend sein; Filz kann unmöglich durch Spannung die Zeltstangen aufrecht halten wie der Stoff das schwarze Zelt in der Senkrechten hält. Die Jurte entstand aus der Notwendigkeit, für eine Filzbedeckung den notwendigen Rahmen zu schaffen. Darüber hinaus musste der Rahmen aus Materialien bestehen, die in einer holzarmen Gegend zu finden sind, wo es keine langen und dicken Äste gibt. Ein Vorteil der Jurte ist, dass der Rahmen keine dicken Stangen erfordert. Weidenholz genügt diesen Ansprüchen bestens. Es ist stabil und wächst auf den Steppen in Hülle und Fülle. Die Seitenwände einer Jurte bestehen aus Weidenruten von weniger als 2,5 cm Durchmesser, die in der Mitte durchteilt sind und kreuzförmig übereinander gelegt werden; die aufklappbaren Gelenkstellen werden durch Schnüre aus ungegerbtem Leder zusammengehalten."

Abb.: Kirgisische Jurte, Pamir, Sinkiang, China (©Corbis)

"Es wird für sehr unhöflich gehalten, wenn man beim Betreten einer Jurte auf die Schwelle tritt oder die Zeltseile berührt. Der Boden ist im Sommer mit einem dünnen Filzteppich ausgekleidet. Im Winter wird zuerst eine Filzschicht ausgelegt, darauf schichtet man etwa zehn Zentimeter Heu und bedeckt schließlich das Ganze mit Filzteppichen. In der Mongolei werden heutzutage Holzfußböden bevorzugt, aber auch sie werden mit Filz- und Webteppichen ausgelegt." 

[Faegre, Torvald: Zelte : die Architektur der Nomaden. -- Hamburg : Papyrus, 1980. -- ISBN 3922731007. -- Originaltitel: Tents : architecture of nomads (1979). -- S. 85, 91]

Was im Folgenden für die Mongolen beschrieben wird, gilt für alle Jurtenbewohner:

"Filzerzeugnisse. Filz dient zunächst der Bedeckung der Jurte; aber auch der Boden -- der nur bei ständig auf einem Platz stehenden Jurten aus einem Holzriemenboden besteht -- wird mit Filzmatten ausgelegt, wobei man den dem Eingang gegenüberliegenden Ehrenplatz mit besonders schön bestickten, applizierten oder sogar bemalten Filzen belegt. Decken, Sitz-, Rücken- und Kopfkissen sind außerdem zumeist aus Filz.

Zum Reparieren der Jurten, das in die Herbstzeit fällt, schneidet man die defekten Stellen heraus und wechselt die der Wetterseite ausgesetzten Teile aus. Von der üblichen Jurtenform weichen die ebenfalls filzbedeckten tipiartigen Stangenzelte armer Mongolen ab. Allein Reisende begnügen sich meist mit dem Spannen einer Filzmatte zwischen zwei Pfosten als Windschutz. Ganz arme Stadtmongolen bedeckten ihre Jurten mit Lehm, um sie so haltbarer und dichter zu machen, wie Pälsi beobachtete.

Pferdedecken und Sattelpolster -- zum Teil aus stoffbezogenem Filz -- spielen für die Hirten eine wichtige Rolle. Die Reitsättel für Kamele sind aus verschiedenen Filzunterlagen und Knüpfteppichen zusammengestellt; sie bestehen aus einer, außen mit Stoff bezogenen Filzdecke, einem ebenfalls stoffbezogenen Sitzkissen aus Filz und zwei Haltebändern. Die Schäfer benützen kastenförmige Umhängetaschen aus Filz, um neugeborene Lämmer darin zu transportieren.

In der Bekleidung ist Filz als Material für Socken und Stiefelstrümpfe, die im Winter getragen werden, sehr wichtig; da die innenstiefelartigen Strümpfe meist einen gut Teil über den Stiefelschaft hinausragen, sind sie mit einer breiten Ornamentbordüre aus Seide oder Leder in verschiedenen Farben und Mustern versehen. Heute werden gepresste Filzstiefel in großen Mengen fabriziert. Es werden im Winter aber auch Fäustlinge aus Filz, ja sogar aus Filzschnüren gestrickt, getragen.

Filzherstellung. Die Schafe werden zumeist Anfang des Sommers und zu Beginn des Herbstes ein weiteres Mal geschoren. Die Wolle sortiert man nach dreierlei Längen: das Sommerhaar ist kurz, das Winterhaar ist mittellang und das sogenannte Jahreshaar ist sehr lang. Sie wird, auf einem Lederfleck ausgebreitet, mit Weidenstäben gelockert. Filz stellt man vorzugsweise im Herbst, im September her. Es sind vier Prozesse, die nacheinander stattfinden: die Schur, das Lockern der Wolle, das Auflegen der Wollflocken sowie das Walken bzw. Rollen des Filzes. Die Wollsorten werden in unterschiedlicher Reihenfolge verarbeitet; verwendet man alle drei Arten, so bildet das lange Haar die Grundlage, den »Mutterfilz«, darüber 1egt man eine Schicht kurze Sommerwolle und zuoberst erst mittellange Winterwolle.

Abb.: Filzherstellung, Undursant, Mongolei (©Corbis)

Bei einer alternativen Herstellungsart legt man an einer windgeschützten Stelle ein oder zwei alte Filzmatten auf den Boden und besprengt sie mit Wasser; auf diese Unterlage presst man mit der linken Hand die Wollsträhne mit dem Daumen fest nieder. Überflüssige Wolle wird mit der Rechten weggezupft und dann wieder aufgelegt, wichtig für die Qualität des neuen Filzes ist das gleichmäßige Legen der Wolle. Zuunterst legt man die feine Herbstwolle aus und besprengt sie mit Wasser, dann folgt eine Lage Frühjahrswolle, auf die nochmals Herbstwolle gelegt wird. Die Ränder können mit andersfarbiger, grauer oder brauner Wolle belegt werden. Über die oberste Lage streut man Gras, damit die Wolle beim Zusammenrollen nicht verfilzt. Darüber sprengt man nochmals Wasser und rollt sodann alle Schichten samt dem etwas größeren Mutterfilz ein. Später kann man diese Rolle zusätzlich in ein feuchtes Stück Leder einwickeln, das mit einem Lederriemen fest verschnürt wird; in die Rollenenden gießt man zusätzlich Wasser. An den Enden hängen lange Lederriemen, die zwei Reiter mit einem Knebel am Bauchriemen ihres Pferdes befestigen. Nachdem die Rolle über Stunden hin und her gerollt wurde, wird sie geöffnet und man begutachtet den »Tochterfilz«. Darauf kann man drei neue Lagen Wolle ausbreiten; nun dient der Tochterfilz beim nächsten Walkvorgang als »Mutterfilz«. Ein Hilfsmittel beim Walken ist eine Holzwalze, um die man die Filzlagen rollt und an deren Enden die Riemen für die Pferdebespannung befestigt sind. Um den fertigen Filz weißer und heller zu machen, kann man ihn mit Kumiss besprengen.

Filzdekor. Die Mongolen kennen zahlreiche Musterungsmöglichkeiten für Filzteppiche:

  1. Applizieren bunter Figuren auf einfarbigem Untergrund durch Einwalken oder Aufnähen, sogar Verkleben, wobei die Nähte mit Stickerei dekorativ verdeckt werden.
  2. Die Innenfläche eines Filzes wird mit applizierten Filzbändern, -rosetten usw. verziert und von einer Bordüre eingefasst.
  3. Beim Walken breitet man verschiedenfarbige Wollflocken in Mustern auf dem »Mutterfilz« aus und bedeckt sie erst anschließend mit einfarbiger Wolle.
  4. Besticken von Filzteppichen oder stoffbezogenen Filzen.
  5. Mosaik-Applikation: aus dem dicken Filz werden die gewünschten Muster mit einem Messer geschnitten und entsprechend ausgeschnittene, farblich kontrastierende Filzstücke eingelegt. Man vernäht von der Rückseite, so dass die Stiche unsichtbar bleiben. In dieser Technik werden Ornamente, wie »Wolkenkopf« oder »Widderkopf« dargestellt."

[Ronge, Veronika. -- In: Die Mongolen / Hrsg.: Walther Heissig ... -- Innsbruck [u.a.] : Pinguin, ©1989. -- ISBN 3701622973. -- S. 173 - 175]


9.3.2. Zum Beispiel: Knüpfteppiche in den Teppichkulturen des Orients


Als wir mit unserer kasachischen Freundin das schweizerische Freilichtmuseum in Ballenberg besuchten, war etwas vom ersten, was ihr auffiel, dass die traditionellen Schweizer  Bauernhäuser nicht in jedem Raum Teppiche hatten. Im Gegensatz zur schweizerischen traditionellen Kultur ist die kasachische Kultur eine ausgesprochene Teppichkultur. Neben Filzteppichen (s. oben) spielen in Teppichkulturen auch Knüpfteppiche aus Wolle (vorwiegend Schafwolle) eine zentrale Rolle der Wohnkultur.

"Nützlichkeit. Der Teppich ist ein Gegenstand, der eine Funktion erfüllt, er wird andauernd gebraucht. Er findet seinen Platz in jeder iranischen Behausung, von der armseligsten bis zur prunkhaftesten, vom Zelt des Nomaden bis zum fürstlichen Palast.

Auf dem Teppich trinkt, isst, plaudert, arbeitet und schläft man. Dort erfindet man auch die Wonnen des Paares immer wieder aufs neue.

Der Teppich ist ein Stück Hausgerät, das Hausgerät der persischen Behausung im wahrsten Sinne des Wortes. ...

Abb.: Frau flickt Kelim, Istanbul, Türkei, 1990er Jahre (©Corbis)

Am Anfang waren die Teppiche also gewoben. Diese Technik wird noch immer angewandt: Beim Kilim oder Kelim. « Der Kilim oder Kelim unterscheidet sich von dem gewöhnlichen Gewebe dadurch, dass sein Einschuss, anstatt über die ganze Breite des Stoffes auf und ab zu verlaufen, am einen oder andern Ort, der vorher bestimmt wurde, innehält und dann zurückkehrt. Man kann dieses Vorgehen in der Breite mehrere Male wiederholen. Zwischen den Enden und den Anfängen bleibt somit eine leere Stelle, die man durch einen oder mehrere Nadelstiche ausmerzt. Normalerweise sind die Kelims zweiseitig, das heißt, sie weisen auf beiden Seiten dasselbe Dessin auf.

Abb.: Eine der Kelimbindungen

Der Kilim wird vor allem von Nomaden gewoben, und auf Grund seiner relativen Anfälligkeit gebraucht man ihn im Wesentlichen als Türvorhang oder Wandbekleidung.

Abb.: Teppichweberin, Istanbul, Türkei, 1994 (©Corbis)


Abb.: Symmetrische Teppichknoten

Abb.: Asymmetrische Teppichknoten

Abb.: Asymmetrischer Teppichknoten um zwei Kettfäden

[Vorlage der Schemata für Kelim und Teppichknoten: Seiler-Baldinger, Annemarie: Systematik der textilen Techniken. -- Völlig überarbeitete und erweiterte Neuauflage. -- Basel : Wepf, ©1991. -- ISBN 385977185X. -- Abb. 124c, 194b, 195b, 196b]

Was die Technik des Knüpfens anlangt, ist es schwierig, den Zeitpunkt ihres Aufkommens festzulegen. Was das geographische Gebiet betrifft, glaubt man, die iranische Hochebene sei die Wiege dieser Technik, die sich in der Folge bis nach China und Ägypten ausgebreitet hat, und von dort aus bis nach Nordafrika und dann nach Spanien. Die Knüpftechnik «besteht darin, im allgemeinen zwei, manchmal auch vier Kettenfäden zu verbinden, indem man einen Wollfaden darüber schlingt und die beiden Enden nach vorn zurückführt. Wenn die ganze Reihe so fertig ist, zieht man den Einschuss ein, zwei, am häufigsten aber drei Mal mit einer Wendung durch und drückt das Ganze mit einem schweren Kamm oder einem Bügel nach unten, und zwar so waagrecht wie möglich... Die Fäden, welche vorstehen, können mehr oder weniger lang sein, je nachdem, ob man den Teppich weich oder kurz geschoren wünscht.»"

[Delapraz, Alain: Iran : das Land der Perserteppiche. -- Neuchâtel : Avanti, ©1974. -- S. 36f.]


9.3.3. Zum Beispiel: Wollweberei bei den Mapuche (Chile)


Die Mapuche-Indianer (Araukaner) leben im südlichen Mittelchile 

Abb.: Gebiet der Mapuche (Quelle: CIA)

"Die einzige bedeutende, historisch fassbare Zäsur in der Weberei der Mapuche war die Einführung von Schafen und Pferden durch die Spanier zu Beginn der Kolonialzeit. Beide Tierarten wurden schon wenige Jahre nach Ankunft der Spanier von den Mapuche übernommen. Die Schafzucht eröffnete den Mapuche erstmals einen unlimitierten Zugang zu einer Wollressource und führte zu einer vollständigen Verdrängung der bis dahin zur Gewebeherstellung verwendeten Materialien. Alle uns heute bekannten Mapuche-Gewebe sind daher aus Schafwolle gefertigt und nur in Ausnahmefällen findet auch Baumwolle Verwendung. Letztere wird bereits industriell versponnen -- von den Mapuche in den größeren Städten des Landes gekauft. Die Übernahme der Pferde bewirkte auf dem Gebiet der Weberei insofern eine Veränderung, als sie zur Entwicklung neuartiger Textilprodukte wie Satteldecken und -gurte führte. Diese sind heute fester Bestandteil der 'traditionellen' Weberei der Mapuche und stellen, nach den für die persönliche Kleidung gefertigten Geweben, die wichtigsten Endprodukte der Weberei dar.

Mit Ausnahme der Schafschur, die gewöhnlich in den Monaten Oktober oder November stattfindet, wird der gesamte zur Gewebeherstellung nötige Arbeitsprozess von den Frauen durchgeführt. Diese geben ihre Kenntnisse an ihre Töchter weiter, die bereits vom 7. Lebensjahr an aktiv an den verschiedenen mit der Weberei verbundenen Tätigkeiten beteiligt werden und somit durch Nachahmung lernen. Das weitergegebene Wissen beschränkt sich dabei nicht nur auf manuelle Tätigkeiten wie z.B. Spinnen und Weben, sondern schließt auch die Kenntnis zahlreicher in der Gewebeproduktion genutzter natürlicher Ressourcen der Umgebung ein. 

  • So kennen z. B. die Mapuche einige Pflanzen, die auf Grund der in ihnen enthaltenen seifenartigen Substanzen beim Waschen der Rohwolle verwendet werden. 
  • Ferner sind ihnen mehr als hundert verschiedene Färbepflanzen bekannt, die, alleine oder in Kombination mit mineralischen Farben (Erden) angewendet, das Einfärben der Wolle in jedem gewünschten Farbton ermöglichen.
  •  Zusätzlich werden beim Färben natürliche Beizen (Alaun, Urin) eingesetzt und einige weitere -- zumeist mineralische -- Zusätze, die die Farbintensität erhöhen sollen. 

Dieses über Jahrhunderte hinweg durch genaue Beobachtung der Natur erworbene Wissen ist jedoch in Gefahr, verloren zu gehen. Anstatt mit dem Sud seifenhaltiger Pflanzen, wird die Wolle heutzutage vielfach mit industriellen Waschmitteln gewaschen, und die Verfügbarkeit von Anilinfarben hat fast im gesamten Mapuchegebiet zur teilweisen oder vollständigen Aufgabe der .althergebrachten Färbemethoden geführt.

Von solchen neueren Entwicklungen weitestgehend unberührt blieben hingegen das Spinnen und Weben. Hier werden nach wie vor die gleichen Arbeitsgeräte und Techniken angewandt, die bereits in den Schilderungen der Reisenden des 19. Jahrhunderts Erwähnung finden. Gesponnen wird mit einer relativ großen Handspindel vom Bakairi-Typ, die vertikal -- entweder frei schwebend oder auf dem Boden aufsitzend  -- gehalten wird. Ihr ca. 30 - 40 cm langer, hölzerner Spindelstab ist mit einem Spinnwirtel aus Stein, Ton oder anderem Material versehen, dessen Position auf dem Spindelstab je nach Region unterschiedlich zu sein scheint. So erwähnt Balassa, dass im östlichen Teil der Provinz Malleco die Spinnwirtel am oberen Ende des Spindelstabes befestigt werden, während sie im Norden und im westlichen Andengebiet der Provinz Malleco am unteren Ende sitzen. Die unterschiedliche Position der Spinnwirtel scheint jedoch keinen Einfluss auf den Spinnprozess zu haben. Beim Spinnen wird die Spindel immer entgegen dem Uhrzeigersinn in Rotation gebracht, so dass Z-gesponnene Fäden entstehen, während das Zwirnen zweier oder mehrerer Fäden in entgegengesetzter Richtung erfolgt.

Das Weben erfolgt auf einem vertikalen Webgerät, das aus einem hölzernen, ca. 2-3 m hohen Rahmen, ein oder zwei Trennstäben und einem Litzenstab besteht. Zuweilen werden vor das Webgerät zwei vertikale Stangen gestellt, die als Lager für den Litzenstab dienen. Da die Hölzer des Rahmens nur durch Seile miteinander verbunden sind, können sie -- innerhalb der durch die Länge der Hölzer vorgegebenen Maße -- beliebig verstellt und somit der Länge und Breite des zu webenden Textils angepasst werden. Bei fortschreitendem Webprozess kann ferner der Kettbaum gesenkt und das bereits fertiggestellte Gewebe um den Brustbaum und ein zweite als Zeugbaum hinzugefügtes Holz herum aufgewickelt werden. Die Kettfäden werden zumeist direkt um die beiden horizontalen Hölzer des Rahmen (Kett- und Brustbaum) herum entweder spiral oder 8er-förmig geschert. Nur wenn ein Gürtel gewebt werden soll, erfolgt das Scheren der Kettfäden um vertikal in den Boden gesteckte Stöcke. Die anschließende Übertragung derart gescherter Kettfäden auf das Webgerät muss mit großer Sorgfalt geschehen, um ein Verrutschen oder Verheddern der einzelnen Kettfäden zu vermeiden.

Beim Weben verwenden die Mapuche zumeist mehrere Eintragfadensysteme, deren Anzahl zwischen 2 und 6 schwankt und sogar innerhalb eines Gewebes variieren kann. Die Eintragfadensysteme werden im Wechsel eingetragen und an den Webkanten auf recht unterschiedliche Art und Weise miteinander verflochten. Dabei lassen sich die Fadenführungen entlang der Webkanten grob in zwei Gruppen unterteilen: In solche die 'gerade' Webkanten produzieren und solche, die 'gewellte' Webkanten ergeben. ...

Folgende Gewebebindungen werden von den Mapuche bei der Fertigung ihrer Gewebe verwendet: 

  • Kettreps [= Leinwandbindung, bei der die Kettfäden so eng beieinander gezogen sind, dass die Kettfäden den Schuss ganz decken] , 
  • Zierkettentechnik [beim Weben werden ins Gewebe zusätzliche Kettfäden eingezogen, mit denen ein Muster gebildet wird], 
  • komplementäre Kettentechnik [auf der Vorderseite dominieren die Kettfäden], 
  • Doppelgewebe in Kettentechnik [zwei Systeme von Kettfäden werden zur Musterbildung vertauscht] und eine 
  • Sonderform der Gaze [aktive Kette durch Dreherbindung]. 

Abb.: Kettreps

Abb.: Zierkettentechnik

Abb.: Komplementärtechnik

Abb.: Doppelkette

Abb.: Aktive Kette durch Dreherbindung (Gaze)

[Vorlage der Webschemata: Seiler-Baldinger, Annemarie: Systematik der textilen Techniken. -- Völlig überarbeitete und erweiterte Neuauflage. -- Basel : Wepf, ©1991. -- ISBN 385977185X. -- Abb. 168c, 170a, 175a, 176c]

Dies bedeutet, dass mit Ausnahme der Florgewebe (s. u.), in allen anderen Geweben die Musterung ausschließlich durch die Kettfäden erzielt wird. Die Anzahl, Lage und Reihenfolge der Kettfäden beim Scheren ist daher von eminenter Bedeutung, da sie die Musterung des zukünftigen Gewebes -- seien es einfache Streifen oder komplizierte Motive -- bis zu einem gewissen Grad festlegen. Anders als z. B. bei in Broschier- oder Wirkereitechnik gefertigten Geweben, die der Weberin auch noch nach dem Spannen der Kettfäden die Umsetzung graphisch gedachter Motive erlauben, müssen in Kettentechnik gewebte Muster vor Arbeitsbeginn in »semantische Einheiten, die aus einer Zahl und einer Farbe bestehen« zerlegt werden: Das Design wird im strikten Sinne des Wortes kalkuliert. Es ist daher nicht verwunderlich, dass mit komplizierten Motiven verzierte Gewebe nur von einigen wenigen Weberinnen hergestellt werden, die ob dieser Fähigkeit auch als 'Meisterinnen' bezeichnet werden.


Abb.: Abgebundene Ikat-Wolle beim Trocknen

Abb.: Weben von Kett-Ikat

Ebenfalls nur von den 'Meisterinnen' in Angriff genommen werden auch jene Ponchos, die entweder flächendeckend in Kettenikat gemustert sind, oder aber in dieser Technik gefertigte Musterstreifen aufweisen. Sie sind ebenso wie die Ponchos, die Musterstreifen in Kettentechnik aufweisen, äußerst selten und gelten (galten) als Statussymbole, die den hohen sozialen Status ihrer Träger manifestieren (manifestierten). Beim Kettenikat handelt es sich um ein sogenanntes Reserveverfahren, bei dem die Kettfäden zunächst entsprechend ihrer späteren Disposition im Gewebe auf den Webrahmen gespannt werden. Alle Musterpartien, die später in Weiß vor dem zumeist blauschwarzen Grund erscheinen sollen, werden dann mit Fäden dicht umwickelt, wobei zumeist Gruppen von 8-10 Kettfäden von einer Umwicklung erfasst werden. Zuweilen imprägniert man die Fadengruppen an den entsprechenden Stellen vor Anbringung der Umwicklungen zusätzlich mit einer weißen Tonerde, um so einen noch effektiveren Schutz der nicht zu färbenden Kettfadenpartien zu erreichen. Die Kettfäden werden dann vom Webgerät genommen und gefärbt. Die durch die Fadenumwicklungen geschützten Motivzonen nehmen hierbei keine Farbe an, jedoch dringt diese zuweilen an den Rändern der Umwicklungen ein wenig in den geschützten Bereich ein. Die hieraus resultierenden 'fließenden' Übergänge an den Farbwechseln machen den besonderen Reiz der Ikatgewebe aus. Nach dem Färben werden die Kettfäden gewaschen, getrocknet und erneut auf das Webgerät gespannt. Anders als sonst vielfach üblich, lösen die Mapuche die Fadenumwicklungen nicht vor dem erneuten Scheren der Kettfäden, sondern belassen diese, um ein Verrutschen einzelner Kettfäden und somit eine Verschiebung innerhalb der Motive zu verhindern. Auch für den Webprozess lösen sie die Umwicklungen immer nur partienweise, doch zeigen die Gewebe, dass sich trotz dieser Vorsichtsmaßnahmen Verschiebungen innerhalb der Motive kaum vermeiden lassen.

Wie oben bereits kurz erwähnt, gibt es bei den Mapuche eine Gruppe von Geweben, deren Musterbildung nicht durch die Kettfäden, sondern durch kurze, während des Webprozesses in den kettrepsbindigen Grund eingeknüpfte Florfäden erzielt wird. In diesem umschlingen die Florfäden jeweils ein Kettfadenpaar und werden zwischen jenem nach oben geführt, so dass ein sogenannter Ghiordes-Knoten entsteht, der zur Gruppe der »echten« Teppichknoten gehört. 

Abb.: Ghiordes-Knoten

[Vorlage der Abb.: Seiler-Baldinger, a.a.O., Abb. 194a]

Die Einträge des Grundgewebes fixieren die Florfäden in vertikaler Richtung. Um die Florfäden herzustellen, wickelt man einen Faden um einen zylindrischen Holzstab und schneidet diesen dann an einer Seite auf, wodurch gleichmäßig lange Fadensegmente entstehen. Ursprünglich wurden nur Satteldecken oder als Sitzunterlagen genutzte Gewebe mit Florfäden verziert. Sie waren zumeist einfarbig weiß oder schwarz oder wiesen ein einfaches geometrisches Muster auf. Heutzutage jedoch produzieren die Mapuche regelrechte Teppiche mit bunten 'Fleckenmustern', da diese sich besonders gut an Touristen verkaufen lassen. Die Qualität dieser Teppiche -- also die Knotendichte der Florfäden -- ist weitaus geringer als diejenige der für den Eigenbedarfhergestellten Satteldecken. Hier manifestiert sich eine Senkung des Qualitätsstandards, die durch die marktorientierte Gewebeproduktion bedingt wird und die auch in anderen Bereichen spürbar ist. So werden heutzutage kompliziertere Muster selten in komplementärer Kettentechnik, sondern zumeist in der weniger aufwendigen Zierkettentechnik gewebt. Die neuen Gewebe sind wesentlich gröber als die alten und ihre Randabschlüsse weniger sorgfältig gearbeitet."

[Prümers, Heiko: Die Textilkunst der Mapuche. -- In: Schindler, Helmut: Bauern und Reiterkrieger : die Mapuche-Indianer im Süden Amerikas. -- München : Hirmer, ©1990. -- ISBN 3777452408. -- S. 126 -131, Abb. 133,139]


9.4. Schafhäute


Gegerbte Schafhäute (Schafleder) sind dünner als Rindsleder. Sie werden verwendet, für u.a.

Durch Sämisch Gerbung mit Dorsch- bzw. Walöl werden Schafhäute zu gelbem Leder verarbeitet (z.B. Fensterleder, Handschuhleder).


9.5. Schaffelle


Es gibt ausgesprochene Pelzschafrassen, wie

Schaffelle werden verwendet für


9.6. Schafhörner


Die bekannteste Nutzung von Schafhörnern ist wohl der Schofar der Juden. Der Schofar ist das ausgehöhlte Horn eines Widders oder einer Antilope, dessen Spitze zu einem einfachen Mundstück geformt ist. 

jud127.gif (40805 Byte)

Abb.: Demonstration des Schofar-Blasens 

[Vorlage der Abb.:  Schtetl Zürich : von orthodoxen jüdischen Nachbarn / Livio Piatti ; mit Texten von ... -- Zürich : Offizin, ©1997. -- ISBN 3-907495-78-0. -- S.  59.]

Ausführlich zum Schofar:

Payer, Alois <1944 - >: Judentum als Lebensform. -- 11. Die hohen Feiertage : die ehrfurchtbaren Tage. -- (Materialien zur Religionswissenschaft). -- URL: http://www.payer.de/judentum/jud511.htm.


9.7. Schafdung


Schafdung dient als


9.8. Nutzung von Schafen in Religion und Aberglauben


Abb.: Der Hirt und seine Herde, Wewak, Papua-Neuguinea, 1950er Jahre: 
der Bischofsstab ist ein stilisierter Schäferstab: mit ihm fangen Schäfer Schafe

[Quelle der Abb.: Überall bist du zu Hause : dokumentarischer Bildband aus dem Leben der Weltkirche / zusammengestellt von Bertram Otto ... -- Bonn :Borromäus-Verein, 1957. -- Abb. 40]

Im Christentum genießt das (dumme?) Schaf höchste Verehrung. Folgende Darstellungen aus christlichen Missionen und Jungen Kirchen illustrieren das:

Schafkult im Christentum


Abb. (1): Jesus, der gute Hirte, Altarpredella, Ngasegalatu, Neuguinea


Abb. (2): Jesus, der gute Hirte / von A.D. Thomas, Indien

Jesus, der gute Hirte: "Ich bin der gute Hirt. Der gute Hirt gibt sein Leben für die Schafe. .. Ich bin der gute Hirt. Ich kenne die Meinen, und die Meinen kennen mich" (Johannes 10, 11.14)


Abb. (3): Jesus, das Lamm Gottes, Kanzel, Ngasegalutu, Neuguinea


Abb. (4)

Jesus, das Lamm Gottes: "Am anderen Tage sah Johannes [der Täufer] Jesus auf sich zukommen und sprach: »Seht das Lamm Gottes, das hinwegnimmt die Sünde der Welt!«" (Johannes 1,29) "Weil ich Jesu Schäflein bin"/ von Johane Kimambo, in der Gegend des Kilimandscharo, 1911

[Quelle von Abb. (1): Lehmann, Arno <1901 - >: Afroasiatische christliche Kunst. -- Konstanz : Bahn, ©1967. -- Abb. 271; Quelle von Abb. (2) - (4): Lehmann, Arno <1901 - >: Die Kunst der Jungen Kirchen. -- 2. Aufl. -- Berlin : Evangelische Verlagsanstalt, 1957. -- Abb.5 4,141,32]

Abb.: Sternbild des Widders

Allgemein bekannt ist die Nutzung des Widders in der Astrologie: als Beginn des Tierkreiszyklus (21. März bis 20. April):

"Das Bild des Widders hat genauso wie die Jahreszeit -- der Frühling -- Symbolkraft. Es gehört zu den hervorstechenden Eigenschaften des Widders, sich ungeachtet aller auftretenden Hindernisse und der möglichen Folgen vorwärtszudrängen. Diese ungebändigte und auch unberechenbare Kraft des Widders kann sich aber auch äußerst zerstörerisch auswirken. Es ist deshalb eine wichtige Aufgabe für jeden Widdergeborenen, seine Kraft vordringlich auf wohldurchdachte Ziele zu richten. Er muss es zudem lernen, sich zu beherrschen, wenn die Vorhaben, die er mit spontaner Begeisterung begonnen hat, auch vollendet werden sollen."

[Die Astrologie / von der Redaktion der Time-Life Bücher. -- Amsterdam : Time-Life, ©1989. -- ISBN 9061829992. -- S. 80]

Das Folgende sind Beispiele für die "Nutzung" des Schafes in Mythen und Ursprungserzählungen:

"Der Himmelswidder: Die Berber Nordafrikas bewohnen das Hinterland Algeriens sowie das Atlasgebiet Südmarokkos. Beim Kabylenstamm erzählt man sich eine eigenartige Geschichte über die Entstehung ihrer Herden.

Erste Frau knetete einst einen Teig aus Mehl und Wasser und formte daraus ein Mutterschaf. Ihre Hände waren vom Herdfeuer rußig, und so wurde der Kopf des Schafes ein wenig schwarz. Dann legte sie ihre feuchte und kraftlose Schöpfung in einen Steintrog mit etwas Gerstenspreu. Am nächsten Tag formte Erste Frau einen Widder. Seine Hörner bog sie nach unten, damit er niemanden aufspießen konnte. Als sie ihn in den Trog legte, hörte sie das Schaf blöken. Die Spreu war an seinem mit vielen Härchen bedeckten Fleisch als Wolle hängen geblieben. Erste Frau gab dem Schaf von ihrem Kuskus zu essen. Am dritten Tag formte die Frau ein zweites Mutterschaf aus Teig; am vierten einen weiteren Widder. Diese beiden Tiere waren ganz weiß. Danach machte sie keine Schafe mehr. Doch bald darauf paarten sich die ersten vier Schafe und warfen Lämmer. Der erste Widder, den Erste Frau geschaffen hatte, starb auf ungewöhnliche Weise. Er kletterte auf die Berge und versuchte, die aufgehende Sonne mit seinen Hörnern zu stoßen. Die Sonne packte den Widder und nahm ihn so hoch mit hinauf, dass man ihn nicht mehr sehen konnte.

Ein Bild dieses Widders findet sich auf dem Felsen von Haiter, dem Wüstenheiligtum der Kabylen. Die Malerei ist sehr alt. Teile davon wurden durch Witterungseinflüsse zerstört. Unter dem Widder lässt sich jedoch noch eine menschliche Gestalt erkennen. Ihre Haltung drückt Verehrung, aber zugleich auch eine Frage aus. Die Stammesangehörigen sagen, jener Mensch sei hinausgegangen, um den Widder über die Einteilung des Jahres zu befragen; denn nachdem die Sonne den ersten Widder mitgenommen hat, kennt er ihren täglichen und jahreszeitlichen Weg.

Der folgende Mythos handelt von einem ungeheuer großen Widder; sein goldenes Fell war glühend heiß, und er schien maßlos in seiner Raserei. Seine Geschichte wird noch heute an der Küste des Golfs von Guinea bei stürmischem Wetter erzählt. Dieser Widder kann Kokospalmen entwurzeln, Häuser zum Einsturz bringen und sie in Brand stecken. Seine gebogenen Hörner sind weißglühend, und sein Atem riecht beißend wie Dynamit.

Die Mutter dieses Widders ist ein scheues altes Schaf mit gewaltiger Stimme. Früher tat sie ihr Bestes, um ihren Sohn zu Hause zu halten, aber er riss immer wieder aus, um die Wohnstätten der Menschen zu zerstören. Deshalb schleuderten ihn die Menschen, die damals sehr stark waren, zusammen mit seiner Mutter weit fort in den Himmel.

Die Mutter benahm sich am Himmel sehr vernünftig, doch noch immer ermahnt sie ihren Sohn mit Stentorstimme. Der Widder wurde nie erwachsen. Er wird weiterhin auf die Erde niederfahren in der zuckenden Gestalt des Blitzes."

"Unwürdige Boten. Die Nigerianer sind der festen Überzeugung, dass der Häuptling aller Götter den Tod niemals billigte. Als die Menschen zu sterben begannen, soll der höchste Gott entsetzt gewesen sein. Er schickte einen Hund zu den Menschen, um ihnen zu erklären, wie sie ihre unerwartete Schwäche überwinden könnten. Sobald ein Mensch starb, sollte er auf einen umzäunten Platz gelegt und mit etwas Holzasche bestreut werden. Nach einem Tag und einer Nacht würde sich der Leib wieder so lebendig wie zuvor erheben.

Nun ist der Hund ein kluges, aber leicht abzulenkendes Tier. Auf einem Abfallhaufen am Rand der menschlichen Siedlung fand er einen noch saftigen Knochen. Er machte sich sogleich darüber her und schlief anschließend ein.

Die Menschen starben, und niemand kümmerte sich um ihre toten Leiber. Da nahm der höchste Gott an, seinem Boten sei etwas zugestoßen, und er schickte das Schaf mit derselben Botschaft und dem dringenden Befehl, diese sofort zu überbringen. Das Schaf beeilte sich sehr. Obwohl es sich fürchtete, lief es zwischen den menschlichen Behausungen umher und blökte: «Ich habe eine dringende Nachricht!» Gehorsam versammelten sich die Menschen. Wegen ihrer vielen Toten fühlten sie sich außerordentlich schuldig. Sie hatten irgend etwas falsch gemacht, aber niemand wusste, was es war.

Als sich der Tumult unter den Menschen etwas gelegt hatte, rollte das Schaf seine wässrigen Augen und sprach. Doch in seiner Angst hatte es die Botschaft des höchsten Gottes vergessen, und die Bereitwilligkeit der Menschen, zu hören und zu gehorchen, machte die Sache noch schlimmer. «Ich denke», sagte das Schaf, «ihr sollt folgendes tun. Wenn jemand stirbt, begrabt ihn auf alle Fälle sechs Fuß tief und deckt ihn gut zu. »

Damit aber wurde die Macht des Todes über die Menschen bekräftigt. Enttäuscht und empört unternahm der himmlische Häuptling keinen weiteren Versuch in dieser Angelegenheit. Und so ist es nicht verwunderlich, dass unsere Beziehungen zu den Tieren nicht mehr das sind, was sie einst waren."

[Mythen der Welt / Alexander Eliot ... -- Luzern [u.a.] : Bucher, ©1976. -- ISBN 3765802255. -- Originaltitel: Myths (1976). -- S. 160 - 164]


10. Schafe und Ökologie


Der Tritt der Schafe verletzt die Pflanzendecke kaum und vermindert an Hängen die Erosion und bildet keine Treppen wie Rinder. Durch den Schaftritt wird der Boden verdichtet, darum verwendet man Schafe zur Befestigung von Deichen. Auf Brachflächen erleichtert die Bodenverdichtung das Aufgehen von Samen.

Bei Überweidung können Schafe allerdings die Umwelt ziemlich schädigen.


11. Zum Beispiel: Schwarznasenschafe im Oberwallis (Schweiz) zu Beginn des 20. Jahrhunderts


Folgender Bericht zeigt, dass die Probleme und Situation von Menschen in Entwicklungsländern auch in Mitteleuropa zur noch gar nicht so fernen Vergangenheit gehören:

Abb.: Schwarznasen sind ausgesprochen hochgebirgstauglich [Quelle: L. Theler, a.a.O. ; S. 8]

 

"Auf kargem Futter: Das Loblied des Anton Amherd auf die Schwarznase [in den Zwanzigerjahren des 20. Jahrhunderts] muss vor allem vor einem Hintergrund vernommen werden: Die Schafhaltung ist damals vorab zur Selbstversorgung und erst in zweiter Linie wegen des Erlöses aus den Verkäufen von Tieren betrieben worden. Das Schaf musste sich vor allem durch eine schier unglaubliche Genügsamkeit auszeichnen. Aus den verschiedenen schriftlichen Zeugnissen aus dem vorhergehenden Jahrhundert und den ersten Jahrzehnten unseres Jahrhunderts geht nicht hervor, dass die blökenden Vierbeiner auf kargem Futter gehalten worden sind. «Es gab schon immer besseres und geringeres Futter. Das schlechtere Heu fraß das Rindvieh nicht -- dafür waren die Schafe da!» so lautet der Bericht der Generation, die noch jene Zeiten miterlebt hat, die auch in unseren Landesgegenden blanke Armut und schiere Not sahen. Während vereinzelte Züchter ihren Schafen heute nicht zuletzt aus Prestigegründen das Kraftfutter am liebsten vorne und hinten hineinstießen, wenn das die Kreatur zuließe und darob noch «chächer» würde, mussten sich damals die Schafe während der Winterwochen oft genug mit trockenem Laub begnügen, mit «Fäsche» von Laubbäumen wie der Esche, der Erle, der Birke. Sobald ein Felsrücken apere Stellen aufwies, sind in einigen Gegenden gar diese «Faxen» abgeschlagen und verfüttert worden, wenn sie auch nur den Verdacht ersten zaghaften Grüns aufwiesen. Eine andere, heute ebenso seltsam anmutende «Nahrungsquelle» für das genügsamste unter den Nutztieren war das «Gragg», die Flechten an den Tannen im Frühjahr, wenn die Tiere wieder auf die Weiden getrieben wurden, konnte man die mit «Gragg» gefütterten Schafe deutlich an der rotverfärbten Wolle an der Hinterhand erkennen. Die Flechten enthalten nämlich einen Farbstoff, der sich im Harn ansammelte und so auf dem Fell abgelagert wurde. «Die Schafe sind einer richtiggehenden Überlebensprobe ausgesetzt worden. Im Frühjahr kamen vielfach nur noch «Bleger» (schwache, schlecht ernährte Tiere) aus dem Stall. Manchmal war man richtig froh, wenn sie nach den ersten Tagen auf dem Grünen im Frühjahr nicht eingingen. Bei den schlechtest gewinterten Tieren ist das immer wieder vorgekommen», berichten uns die Gewährsleute über die Schafzucht der früheren Jahrzehnte. Damals herrschte auch die von Tierarzt Amherd erwähnte Meinung vor, dass sich ein Schaf im Stall selber auffresse, das heißt, dass es bei einer nicht extensiven Haltungsweise nicht mehr rentieren könne.

Daran erinnern sich auch die ältesten der heute noch aktiven Schäfer: «Von «Gläck» war da keine Rede. Schon die Verabreichung von Salz stellte die große Ausnahme dar. Und die Verfütterung von ein paar Kartoffelschalen muss den guten Tieren wie zwei Festtage hintereinander vorgekommen sein. Die Tiere, die den ganzen Winter über im Freien blieben, waren nicht am schlechtesten dran.» Mit der Zeit aber sind in einigen Oberwalliser Dörfern auch Verbote für den Weidgang zwischen dem 1. Dezember und dem 1. März erlassen worden (so in Betten). Man fürchtete die Übernutzung der «Allmeinen» durch die Schafe und damit die Schmälerung des späteren, für die Rindviehhaltung dringend benötigten Graswuchses. 

Überhaupt ist das wohl der wesentlichste Unterschied zur heutigen Zeit: Damals waren die Weiden und Wälder, die Felder und Wiesen vom Grund bis in den Grat hinauf einer lückenlosen Nutzung ausgesetzt, während sich heute praktisch allenthalben und selbst in Gegenden mit einigermaßen großem Rindviehbestand die Schafe auf den besten und fettesten Alpwiesen tummeln dürfen. Untrügliche Zeichen für die chronische Übernutzung sind die Randungen der verschiedenen Alpen. Es scheint unglaublich, mit heutigen Maßstäben gemessen, wieviele Groß- und Kleinvieheinheiten selbst auf steilsten und kleinsten Alpen gesömmert wurden.

Aber wie sollte es den Tieren wohlergehen, wenn die Menschen oft kaum das Nötigste zum Leben hatten? Die Auswanderungswellen des 19. Jahrhunderts waren keine fröhlichen Sonntagsausflüge in ferne Länder, sondern die Flucht aus einem Gebiet der Erde, den Alpen, wo zu viele Menschen von zu kargem Boden leben mussten. Was uns heute -- bei der Schafhaltung -- fast wie Tierquälerei anmuten mag, ist vor dem Hintergrund einer Zeit zu sehen, wo für ein Kleinkind selten, für eine Kuh schon eher der Doktor in ein Dorf kam oder bis zu einem Alpstafel aufstieg. Milchkühe waren wertvoll, Esser gab es schon genug am Tisch. Noch für die Generation vor der unseren Eltern war -- so hart das tönen mag -- der Himmel der beste Doktor für ein Kind. Die meisten Bauernfamilien, die sich das leisten konnten, hielten Rindvieh, Geißen und Schafe. Dabei kamen die Schafe zweifelsfrei an letzter Stelle der «landwirtschaftlichen Hierarchie». Von den Geißen erwartete man Milch -- ob zur Zeit der Alpung des Großviehs oder dann, wenn sich eine Familie kein Großvieh halten konnte. Darum auch galt die Ziege als «Kuh des armen Mannes» und stand in der Wertskala der Bauernfamilien über dem Schaf. Übrigens -- eine interessante Nebenrolle sozusagen spielten die Schafe zur Winterszeit für die Schweinehaltung. Bekanntlich sind Schweine recht empfindliche Wesen und vertragen auch Kälte nicht. Darum wurden die Schafe meist in einem Vorstall gehalten, dem sich unmittelbar die Schweinekoben anschlossen. Unsere Schafe waren dann so etwas wie die «Zentralheizung» für die 
Schweine.

Natürlich gab es schon damals Züchter, bei denen sich die Schafe selbst am besten Emd gütlich tun durften. Und immer wieder berichteten unsere Gesprächspartner -- alles Schäfer aus Leidenschaft -- darüber, wie sie schon als junge Burschen verstohlen vom «Besseren» nahmen für die Schafe -- natürlich ohne Wissen der Eltern.Aber das war zu einer Zeit, wo doch über die Genossenschaften und die Bestrebungen zur Hebung der Zucht schon andere Zuchtziele vorgegeben waren als gerade nur das reine Überleben des Schafes. Dann berichten die Kenner der Materie auch davon, dass damals schon von einem Außerberger zwei Widder bei der Schau von Stalden aufgetrieben worden seien, die ihre 190 Pfund, also gegen 95 Kilogramm, auf die Waage brachten. Das sind selbst für heutige Verhältnisse respektable Vertreter der Gattung! 

Eine Rolle spielten hierbei zweifelsohne die Prämien aus den Punktierungen. Das Preisgericht für die Kleinviehschauen vom Jahre 1896 schreibt denn auch in seinem Bericht an den Staatsrat, «dass die Kleinviehzüchter ihre Aufgabe erfasst haben und die vom Preisgericht bei Anlass der alljährlichen Schauen ertheilten Rathschläge willig und gelehrig aufnehmen».

Und kam gar zu politischen Schlussfolgerungen: «Man kann sich im Allgemeinen zu der Einführung von Kleinviehschauen Glück wünschen, und der Staat darf sich die Opfer, welche er durch die Hebung der Kleinviehzucht für den nur zu oft vernachlässigten kleinen Mann bringt, nicht gereuen lassen.» Der Umstand, dass über das Gesetz aus dem Jahre 1884 Prämien für gutgehaltenes Kleinvieh verabfolgt wurden, dürfte wesentlich dazu beigetragen haben, dass sich auch der Speisezettel mancher Schwarznasen über Laub, «Gragg», «Faxen» und die auf den « Thelen» offenbar schon damals wuchernden Misteln hinaus erheblich erweiterte

Aber der eigentliche Aufschwung der Schafhaltung in der neueren Zeit ist eng verknüpft mit dem gleichzeitigen Niedergang der Rindviehhaltung. Freilich -- in den Kriegsjahren ist die Rottenebene entsumpft worden, die Futterproduktion wurde dank Düngung und Bewässerung in ungeahntem Masse gesteigert. Aber man stelle sich einmal vor -- wenn auch heute noch 600 Stück Großvieh allein auf den Alpen Brischern, Eril, Äbnet, Hohnalpa und Äusseres Senntum (im Bannbereich des Baltschiedertales befinden sich diese Alpen mehrheitlich) aufgetrieben würden, dann blieben wohl weniger und mit Sicherheit minder gute Alpweiden für die Schafhaltung übrig. Auf den erwähnten Alpen sind es heute, im Spätsommer 1986, noch höchstens 100 Häupter Vieh, die gesömmert werden. Er habe zwar so lässt man einen Gommer erzählen -- er habe zwar für drei Kühe Winterung geerbt, aber fressen tue es nun eine.

Es ist in diesem Zusammenhang nicht uninteressant, einmal zu erfahren, worin in der damaligen Zeit der Nutzen der Schafzucht bestand. Dazu zitieren wir aus den «Landwirtschaftslehren» von H. Blötzer von der Landwirtschaftlichen Schule in Visp einige Überlegungen zur «wirtschaftlichen Bedeutung der Schafzucht», die er wahrscheinlich Ende 1936 oder 1937 zu Papier gebracht hat.

« Wie die Bedeutung der Ziegenzucht, so liegt auch jene der Schafzucht in der Ausnützung jener Grasflächen in Berg und Tal, die wegen ihrer Steilheit vom Rindvieh nicht ohne Gefahr beweidet werden können, oder deren Aberntung sich nicht lohnt. Das Schaf ist also das Tier der extensiven Landwirtschaft. Es liefert uns Wolle, Fleisch, Fett und in manchen Haltungsgebieten auch Milch, sowie Leder und wertvollen Dünger. Raschwüchsigkeit, Fruchtbarkeit und Anspruchslosigkeit der Tiere in Bezug auf Stall, Fütterung und Pflege machen die Schafhaltung billig und gewinnbringend. Die Schafe können vom frühen Frühjahr bis zum späten Herbst, in tiefern Lagen sogar oft während des Früh- und Spätwinters, geweidet werden. Das Schaf verwertet sogar Futter, wie Unkraut. Dreschabfälle usw., dem sonst jede Verwendung fehlt. Es ist noch viel genügsamer und weniger wählerisch als die Ziege und daher ein noch besserer Futterverwerter. Zudem. ist es das gesündeste und seuchenfesteste Haustier. In unsern Bergtälern wird die Schafhaltung besonders durch die lange Stallfütterung im. Winter sehr- verteuert. Es sollten daher nur Zuchttiere überwintert werden.»"

[Theler, Luzius <1948 - >: Die Schwarznase : Schafrasse des Oberwallis / Luzius Theler. [Oberwalliser Schwarznasen-Schafzuchtverband]. -- [Visp] : [Rotten], 1986. -- S. 46 - 50]


12. Zum Beispiel: Wollschafhaltung in Patagonien (Argentinien)


Abb.: Lage von Patagonien (Quelle: CIA)

"Der Exportschlager des patagonischen Argentinien stammt ursprünglich aus Großbritannien. Zwischen 1885 und 1887 brachten Schotten ihre auf den Malwineninseln gezogenen Schafe, ihre Merinos und Hampshire Downs, in den Süden von Patagonien, und zwischen den Guanakos, den Straußenvögeln, den Pinguinen und Seelöwen entfaltete sich eine Tierkultur, die in ihrer Unbegrenztheit genauso unermesslich werden sollte wie das Land, das sein Format zur Verfügung stellte.

Die Herden kamen mit den rauen Wetterbedingungen gut zurecht, die hartfaserigen Sträucher und Polstergräser genügten ihrem Appetit. So ließen sich zwei Bedürfnisse gut verbinden: Die argentinische Regierung brauchte nach den Indianerfeldzügen Siedler für das leergeräumte Land, um Gebietsansprüche gegenüber Chile zu bekräftigen. Europa hingegen war zu klein geworden und zu unsicher, zu arm auch. Glückssucher aus Großbritannien, Italien, Deutschland und dem ehemaligen Jugoslawien begannen sich in der Folge in Patagonien niederzulassen, Herren nicht über Besitz oder Untertanen, sondern über Steine, Wind und Tiere.

Die Monotonie und Größe der Landschaft ließ an Grenzen nicht denken. War ein Hügel abgeweidet, kam eben der nächste dran. Bodenbesitz galt -- und gilt -- häufig als soziales Statussymbol oder Spekulationsobjekt und erst in zweiter Linie als Produktionsfaktor. Über die ökologischen Nachteile der extensiven Viehwirtschaft zerbrach man sich hier nicht den Kopf. Patagonien ist wie ein Spiegel, der die heimatlichen Wurzeln der estancieros reflektiert. Lebensform wie Hausmobiliar entstammen oft genug noch der Gründer-, der Aufbruchszeit; das färbt ein, und so hat der Wunsch nach unerprobten Erfahrungen nie aufgehört, die Bewohner Patagoniens zu befeuern. Eine eigene Welt ist da entstanden: Die großen estatacias gleichen eher kleinen Dorfanlagen als Viehbauernhöfen, sie haben eine eigene Schule und eine Kapelle, ihre Häuser sind Museen in eigener Sache, und das Gesetz macht der estanciero auch gleich selbst. Die Angestellten werden mit Produkten vom Hof versorgt, für ihre Unterbringung zeichnet ebenfalls der Besitzer verantwortlich. Die estancias können Horte der Rebellion sein oder Horte des unverhüllten Faschismus, je nach Geschmack.

Abb.: Schaffarm Estancia Maria Behety, Argentinien, mit 60.000 Schafen die größte Schaffarm der Welt, 1989 (©Corbis)

Um eine estancia führen zu können, braucht man normalerweise nicht viel Personal. Die mittleren Betriebe von 4000 bis 10000 Schafen kommen mit dem capataz, dem Obmann für die gesamten Arbeiten, einem mecanico, einem Handwerker, und einigen peones, Landarbeitern, aus. Größere Einheiten beschäftigen zusätzlich einen Verwalter, den rnayordomo, und puesteros, Verantwortliche für die Außenstationen im Gelände, die unabhängig arbeiten. Den mitunter frauenlosen Haushalt versorgt eine Köchin, am besten die Ehefrau eines der Angestellten, denn alleinstehende Frauen verursachen eine eigene Dynamik . . . Für zusätzliche Arbeiten werden Leute saisonal oder auch nur wöchentlich eingestellt.

Die Kontakte sind informell organisiert. Keinem estanciero würde es einfallen, eine Anzeige in einer Zeitung aufzugeben und nach einem Gehilfen zu suchen. Wo auch? Die Nachfahren der Gauchos streifen immer noch im Land umher und bieten ihre Arbeitskraft an. Sie wissen, wann die Zeit gekommen ist für die Schafschur, für das Schafbad, für das Einreiten. Sie finden sich ein.

Heute leben 20 Millionen Schafe auf patagonischer Erde; neben den Wolllieferanten 

  • Merino Argentina und 
  • Merino Australiana sind es der 
  • Corriedale und 
  • Lincoln, der 
  • Hampshire Down und der 
  • Karakul, von denen auch Fleisch und Häute verwendet werden. 

An den Besitzverhältnissen hat sich nichts geändert, noch immer befinden sich 20 Prozent der nutzbaren Fläche in den Händen von latifundistas, die nur ein Prozent der landwirtschaftlichen Betriebe stellen. Noch immer breiten handgemalte Schilder und vom starken Wind krumm geblasene tranqueeras, Zauntore, die die Viehkoppeln voneinander trennen, ihre Spurennetze über Patagonien aus, Wegweiser in einem unwegsamen Land."

[Stadler, Hubert <1954 - > (Fotos)  ; Asal, Susanne <1952 - > (Text): Begegnung mit dem Horizont : Patagonien. -- München : Bucher, ©1995. -- S. 66]


13. Weiterführende Ressourcen



13.3. Organisationen


Deutsches Wollforschungsinstitut an der RWTH, Aachen -- DWI. -- URL: http://www.dwi.rwth-aachen.de/. -- Zugriff am 2001-02-07. -- ["Das Deutsche Wollforschungsinstitut (DWI) wurde 1952 gegründet. Das DWI ist ein An-Institut der RWTH Aachen und ein eingetragener Verein. Die durchschnittliche Mitarbeiterzahl beträgt 130. Der Institutsdirektor ist gleichzeitig Inhaber des Lehrstuhls für Textilchemie und Makromolekulare Chemie der RWTH Aachen. Die Forschungsaktivitäten des DWI konzentrieren sich auf die drei Bereiche Wolle, Werkstoffe (Polymerabteilung) und Wirkstoffe (Insulin-/Peptidabteilung)."]


13.4. Andere Internetressourcen


Schafe / Schweizerischer Bauernverband. -- URL:http://www.bauernverband.ch/ldw/tiere.htm. -- Zugriff am 2001-02-07


13.5. Ressourcen in Printform


Fournier, Nola <1935 - > ; Fournier, Jane <1955 - >: In sheep's clothing : a handspinners guide to wool. -- Loveland, CO : Interweave, ©1995. -- 223 S. : Ill. -- ISBN 188301011X.

Jacobeit, Wolfgang: Schafhaltung und Schäfer in Zentraleuropa bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts. -- 2., bearbeitete Aufl. -- Berlin, DDR : Akademie, 1987. -- 462 S. :  Ill. -- [Aufschlussreich zum Vergleich der sozialen und ökonomischen Verhältnisse in den Entwicklungsländern heute]

Künzler, Roland: Milchschafe. -- 2. Aufl. -- Zollikofen [u.a.] : Landwirtschaftliche Lehrmittelzentrale, ©1988. -- 41 S. : Ill.

Müller, Hans Alfred: Schafe als Haustiere : alles über Unterbringung, Pflege, Fütterung und Krankheiten. -- München : Gräfe und Unzer, ©1984. -- 72 S. : Ill. -- ISBN 3774236348

Nutztiere der Tropen und Subtropen / Hrsg. Siegfried Legel. -- Leipzig : Hirzel.. -- Bd. 2: Büffel, Kamele, Schafe, Ziegen, Wildtiere. --  ©1990. -- ISBN 3740101768. --  S. 206 - 399

Rieder, Hugo: Schafe halten. -- 4., überarbeitete Aufl. -- Stuttgart : Ulmer, ©1998. -- 156 S. : Ill. -- ISBN 3800173867.

Schafzucht / Federführung: Karl-Heinz König ... -- Berlin, DDR : Deutscher Landwirtschaftsverlag, ©1988. -- 280 S. : Ill. -- (Tierproduktion). -- ISBN 3-331-00352-2. -- ["Die Schafproduktion wird in der DDR gegenwärtig sehr stark gefördert." -- Weswegen die DDR in Schafzuchtforschung zu den führenden Ländern gehörte] 

Schiecke, Hans Erich: Wolle als textiler Rohstoff. -- 2., ergänzte und erweiterte Aufl. -- Berlin : Schiel & Schön, ©1987. -- 306 S. : Ill. -- (Modernes Fachwissen Textil und Bekleidung). -- ISBN 379490446X.

Schloaut, Wolfgang ; Weichendörfer, Günter: Handbuch der Schafhaltung. -- 5., vollkommen überarbeitete und erweiterte Aufl. -- Frankfurt a. M. [u.a.] : Verlagsunion Agrar, ©1992. -- 411 S. : Ill. -- ISBN 3769004922.


Zu Kapitel 8.3: Kameliden:  Kamele, Lamas, Alpakas, Vicunjas