Materialien zum Buddha des Glaubens

1. Einleitung


herausgegeben von Alois Payer

mailto:payer@payer.de


Zitierweise / cite as:

Payer, Alois <1944 - >:  Materialien zum Buddha des Glaubens. -- 1. Einleitung. -- Fassung vom 2007-09-17. -- URL: http://www.payer.de/glaubensbuddha/buddhglaub01.htm 

Erstmals publiziert: 2007-09-17

Überarbeitungen:

Anlass: Lehrveranstaltung HS 2007

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Die Bedeutung des historischen Buddha für die Buddhisten

Jede theravādabuddhistische Zeremonie und jedes Pāliwerk beginnt mit der dreimal wiederholten Verehrungsformel für den historischen Buddha Gotama:

Namo tassa bhagavato arahato sammāsambuddhassa

(tikkhatuṃ)

Verehrung dem Ehrwürdigen, Heiligen, Vollkommen Erwachten

(dreimal)

z.B. Kāraṇapālisutta (Aṅguttaranikāya, PTS I, 237)  

Schon dies zeigt die Bedeutung des historischen Buddha für den gläubigen Theravādabuddhisten. Dies ist auch verständlich und konsequent, denn Buddhismus ist eine Stifterreligion, d. h., die verschiedenen buddhistischen Denominationen leiten sich von einer historischen Persönlichkeit, dem Buddha Gautama, ab. Welche Bedeutung hat aber diese historische Persönlichkeit für einen gläubigen Buddhisten?

Buddha als Gegenstand der dreifachen Zuflucht

Nach traditionellem Verständnis aller buddhistischen Überlieferungen und Denominationen wird man ein Buddhist durch die dreifache Zuflucht (tisaraṇaṃ): zu Buddha, seiner Lehre und der Gemeinschaft derer, die Buddhas Lehre verwirklicht und so die Erlösung realisiert haben. Dies geschieht Formel:

Buddhaṃ saraṇaṃ gacchāmi
dhammaṃ saraṇaṃ gacchāmi
saṅghaṃ saraṇaṃ gacchāmi

dutiyaṃ pi Buddhaṃ saraṇaṃ gacchāmi
dutiyaṃ pi dhammaṃ saraṇaṃ gacchāmi
dutiyaṃ pi saṅghaṃ saraṇaṃ gacchāmi

tatiyaṃ pi Buddhaṃ saraṇaṃ gacchāmi
tatiyaṃ pi dhammaṃ saraṇaṃ gacchāmi
tatiyaṃ pi saṅghaṃ saraṇaṃ gacchāmi

Ich nehme Zuflucht zum Buddha.
Ich nehme Zuflucht zum Dhamma/Dharma (zur Lehre).
Ich nehme Zuflucht zum Saṅgha (zur Gemeinschaft).

Ein zweites Mal nehme ich Zuflucht zum Budhha.
Ein zweites Mal nehme ich Zuflucht zum Dhamma/Dharma (zur Lehre).
Ein zweites Mal nehme ich Zuflucht zum Saṅgha (zur Gemeinschaft).

Ein drittes Mal nehme ich Zuflucht zum Budhha.
Ein drittes Mal nehme ich Zuflucht zum Dhamma/Dharma (zur Lehre).
Ein drittes Mal nehme ich Zuflucht zum Saṅgha (zur Gemeinschaft).

Vgl. Methunasutta (Aṅguttaranikāya, PTS II, 56)

Diese dreifache Zuflucht ist äußerst wichtig, um auf dem Weg zur Erlösung die nötige Motivation, Energie und Ausdauer zu haben.

Es gab und gibt ja eine unüberschaubare Zahl von Weisheitslehrern und Religionsstiftern. Es ist unmöglich, allen einzeln zu folgen, um zu erproben, was ihre Lehren taugen. So muss man eine Auswahl treffen. Die Persönlichkeit eines solchen Lehrers muss als besonders vertrauenswürdig erscheinen, so dass man sich auf ihn einlassen kann und will. Dieses Vertrauen, dieser Glaube ist der Inhalt der ersten Zuflucht, der Zuflucht zu Buddha.

Das Wesentliche für Buddhisten ist aber nicht eine Erlöserpersönlichkeit im „Dass ihres Gekommenseins"1, sondern das Wesentliche für Buddhisten ist die Erlösungslehre, die es dem Einzelnen ermöglicht, den Weg zur Erlösung selbst zu gehen und so Erlösung selbst zu verwirklichen. Dazu muss man von dieser Lehre vorläufig – d. h., solange man noch nicht aus eigener Erfahrung weiß, dass sie zum Ziel führt – so überzeugt sein, dass man die Energie aufbringt, diese Lehre auf ihren Wahrheitsgehalt zu testen. Dies ist der Inhalt der zweiten Zuflucht, der Zuflucht zur Lehre Buddhas oder dem Dharma/ Dhamma, wie diese Lehre auf Sanskrit bzw. Pāli heißt.

1  Rudolf Bultmann (1884-1976): "Entscheidend ist nur das Daß des Gekommenseins Jesu, nicht das Was, das heißt nicht die historisch verifizierbaren Daten seines Lebens und Wirkens."

Auch der beste Lehrer und die beste Lehre sind für mich nutzlos, wenn sie für einen normalen Sterblichen nicht nachvollziehbar sind. Deshalb ist es wichtig, überzeugt zu sein, dass es auch andere auf diesem Weg geschafft haben. Dies ist der Inhalt der dritten Zuflucht, der Zuflucht zur Gemeinschaft derer, die auf dem Weg Buddhas zur Erlösung gelangt sind, auf Sanskrit bzw. Pāli zum Saṅgha.

Die „Vergegenwärtigung Buddhas" als Entfaltung des Inhalts der ersten Zuflucht

Die Stellungnahme Buddhas an erster Stelle der dreifachen Zuflucht zeigt die Bedeutung Buddhas für den Buddhisten. Welche Vorstellungen von Buddha, welche Buddha zugeschriebenen Eigenschaften sind Gegenstand dieser Zuflucht? Das Buddhabild dieser Zuflucht wird in einer Form der Ruhigwerde-Meditation, der „Vergegenwärtigung Buddhas" (Buddhānussati), entfaltet, einer Betrachtung der Eigenschaften Buddhas, die für das Vertrauen des Buddhisten besonders wichtig sind. Nach der Textvorlage für diese Betrachtung ist Buddha,

iti pi so bhagavā: arahaṃ sammā-sambuddho vijjā-caraṇasampanno sugato loka-vidū anuttaro purisa-damma-sārathi satthā deva-manussānaṃ buddho bhagavā ti Der Ehrwürdige (bhagavā) ist so: vollkommen zur Erlösung gelangt (arahaṃ), vollkommen richtig von selbst zur Wahrheit erwacht (sammā-saṃbuddha), in Wissen und Wandel vollendet (vijjā-caraṇa-saṃpanna), hat den Weg durch die Wiedergeburten gut beendet (sugata), ist ein Kenner der Welten (loka-vidū), ein unübertrefflicher Lenker der bezähmbaren Menschen (anuttara purisa-damma-sārathi), Lehrer der Götter und Menschen (satthā deva-manussānaṃ), ein Buddha (buddha), ein Ehrwürdiger (bhagavā).
z.B. Saṅgītisutta (Dīghanikāya, PTS III, 227) und viele andere Stellen.

Für das Vertrauen des Buddhisten kommt es also auf Buddhas existentielle und didaktische Kompetenz als Erlösungslehrer an. Ein Buddha zu sein ist die bestmögliche Existenzform, und ein Buddha steht als Lehrer der Götter und Menschen auch weit über allen übermenschlichen Wesen (Einen Buddha vergöttlichen, hieße ihn verniedlichen!). Seine Autorität beruht auf seiner eigenen Erfahrung und Einsicht und leitet sich nicht von einem anderen ab, der ihn gesandt hat.

Der Weg zur Erlösung, den Buddha gegangen ist und den er lehrt, ist für Buddhisten der einzig mögliche Weg. Buddhismus erhebt bezüglich des Erlösungsweges Exklusivitätsanspruch. Nicht ein Buddha ist eine einmalige Erscheinung: Es gab vor Buddha Gautama verschiedene Buddhas, und es wird in Zukunft wieder Buddhas geben,- der Weg, den all diese Buddhas selbst finden und lehren, ist aber ein einziger und ausschließlicher. In der Überlieferung des Theravāda-Buddhismus zeigt diese Art von Exklusivitätsanspruch die anschließende Erzählung1: Sāriputta, einer der beiden wichtigsten Jünger, gab folgendes Bekenntnis zu Buddha ab: Kein vergangener, gegenwärtiger oder zukünftiger Buddha oder Weisheitslehrer hatte oder wird eine größere erlösende Erkenntnis haben als Buddha Gautama. Buddha fragte ihn darauf, ob er dies sage, weil er alle vergangenen und zukünftigen Buddhas kenne. Dies verneinte Sāriputta und antwortete mit dem Katzenlochgleichnis: Wie man in eine Stadt, die von einer Stadtmauer mit nur einem einzigen Tor umgeben ist und deren Stadtmauer nicht einmal einen Durchlass für eine Katze hat, nur durch das Tor aus- und eingehen kann, so können alle vergangenen und zukünftigen Buddhas und Erlösungslehrer nur auf einem einzigen Weg zur erlösenden Einsicht kommen.

1 Mahāparinibbāṇasutta, Dīghanikāya , 81 - 83 =  Sampasādanīyasuttanta, Dīghanikāya III,  99 - 101 = Nālandasutta, Saṃyuttanikāya V, 159 - 61:

Das Katzenlochgleichnis
Da ging der ehrwürdige Sāriputta zum Buddha, grüßte ihn respektvoll, setzte sich so vor Buddha, dass er ihm nicht die Sicht versperrte, und sprach: Atha kho āyasmā Sāriputto yena Bhagavā ten' upasaṃkami. Upasaṃkamitvā Bhagavantaṃ abhivādetvā ekamantaṃ nisīdi. Ekamantaṃ nisinno kho āyasmā Sāriputto Bhagavantaṃ etad avoca:
"Ich bin der festen Überzeugung, dass es weder in Vergangenheit, Gegenwart oder Zukunft einen anderen Weisen oder Geistlichen gibt, der dich in der vollkommenen erlösenden Einsicht übertrifft." Evaṃ pasanno ahaṃ bhante Bhagavati na cāhu na ca bhavissanti na c' etarahi vijjati añño samaṇo vā brāhmaṇo vā Bhagavatā bhiyyo 'bhiññataro yadidaṃ sambodhiyan ti
"Sāriputta, du sprichst erhabene und kühne Worte, nimmst Partei und posaunst deine Meinung in die Welt hinaus. Uḷāra kho te ayaṃ Sāriputta āsabhī vācā bhāsitā, ekaṃso gahito sīhanādo nadito: Evaṃ pasanno ahaṃ bhante Bhagavati na cāhu na cha bhavissanti na c'etarahi vijjati añño samaṇo vā brāhmaṇo vā Bhagavatā bhiyyo 'bhiññataro yadidaṃ sambodhiyan ti.
Hast du denn allen vergangenen Buddhas ins Herz geschaut und gesehen, welche Sittlichkeit, welche Lehre, welche Weisheit, welches Verhalten, was für eine Erlösung sie hatten?" Kin nu Sāriputta ye te ahesuṃ atītaṃ addhānaṃ arahanto sammāsambuddhā sabbe te Bhagavanto cetsā ceto paricca viditā: Evaṃsīlā te Bhagavanto ahesuṃ iti pi evaṃdhammā evaṃpaññā evaṃvihārī evaṃvimuttā te Bhagavanto ahesuṃ iti pī ti.
"Keineswegs, Ehrwürden." No h'etaṃ bhante
"Schaust du denn allen zukünftigen Buddhas ins Herz und siehst all das Genannte?" Kiṃ pana Sāriputta ye te bhavissanti anāgataṃ addhānaṃ arahanto sammāsambuddhā sabbe te Bhagavanto cetsā ceto paricca viditā: Evaṃsīlā te Bhagavanto bhavissanti iti pi evaṃdhammā evaṃpaññā evaṃvihārī evaṃvimuttā te Bhagavanto bhavissanti iti pī ti.
"Keineswegs, Ehrwürden." No h' etaṃ bhante
"Siehst du denn mir ins Herz und siehst all das Genannte?" Kiṃ pana Sāriputta ahaṃ te etarahi arahaṃ sammāsambuddho cetsā ceto paricca vidito: Evaṃsīlo Bhagavā iti pi evaṃdhammo evaṃpañño evaṃvihārī evaṃvimutto Bhagavā iti pī ti.
"Keineswegs Ehrwürden." No h' etaṃ bhante.
"Sāriputta, du hast also keine Herzensschau, weder der vergangenen, noch der zukünftigen noch des gegenwärtigen Buddha. Warum machst du dennoch diese kühne Behauptung?" Etth' eva hi te Sāriputta atītānāgatapaccupannesu arahantesu sammāsambuddhesu cetopariyañāṇaṃ natthi. Atha kiñ carahi te ayaṃ Sariputta uḷāra āsabhī vācā bhāsitā, ekaṃso gahito sīhanādo nadito: Evaṃ pasanno ahaṃ bhante Bhagavati na cāhu na cha bhavissanti na c'etarahi vijjati añño samaṇo vā brāhmaṇo vā Bhagavatā bhiyyo 'bhiññataro yadidaṃ sambodhiyan ti.
"Ich kann zwar den Buddhas nicht ins Herzen schauen, aber ich weiß das, was ich behauptete, aufgrund einer Schlussfolgerung aus den Gesetzmäßigkeiten der Wirklichkeit. Na kho me bhante atītānāgatapaccupannesu arahantesu sammāsambuddhesu cetopariyañāṇaṃ atthi. Api ca dhammanvayo vidito.
Es verhält sich damit wie mit einer königlichen Grenzstadt, rundum mit einem starken Befestigungswall und mit nur einem einzigen Tor. In dieser Stadt gibt es einen klugen Torhüter, der die, die ihm bekannt sind hereinlässt, Unbekannte aber abwehrt. Angenommen, dieser Torwächter macht rund um die Stadt einen Inspektionsgang und findet im Befestigungswall kein Loch und keine Spalte, auch nur so groß, dass eine Katze hindurchschlüpfen könnte. Ein solcher Torwächter wüsste dann, dass kein größeres Lebewesen in diese Stadt hinein oder aus ihr hinaus kommen könnte, es sei denn durch das Stadttor. Seyyathā pi bhante rañño paccantimaṃ nagaraṃ daḷhuddāpaṃ daḷhapākāratoraṇaṃ ekadvāraṃ. Tatr' assa dovāriko paṇ.dito viyatto medhāvī aññātānaṃ nivāretā ñātānaṃ pavesetā. So tassa nagarassa samantā anupariyāya pathaṃ anukkamamāno na passeyya pākārasandhiṃ vā pākāravivaraṃ vā antamaso biḷāranissakkanamattaṃ pi. Tassa evaṃ assa: Ye kho keci oḷārika pāṇā imaṃ nagraṃ pavisanti vā nikkhamnti vā sabbe te iminā va dvārena pavisanti vā nikkhamanti vā ti.
Ebenso weiß ich aufgrund einer Schlussfolgerung aus den Gesetzmäßigkeiten der Wirklichkeit, dass alle Buddhas in Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft die unübertreffliche vollkommene erlösende Einsicht verwirklichen nachdem sie
  • die fünf Hindernisse überwunden haben, die Beschmutzungen des Herzens, die die Weisheit schwächen
  • ihr Bewusstsein fest auf den vier Grundlagen der Achtsamkeit verankert haben
  • die sieben Glieder der erlösenden Erkenntnis wirklichkeitsgemäß verwirklicht haben:"
Evam eva kho me bhante dhammanvayo vidito.

Ye te bhante ahesuṃ atītaṃ addhānaṃ arahanto sammāsambuddhā sabbe te Bhagavanto pañca nīvaraṇe pahāya cetaso upakkilese paññāya dubbalīkaraṇe catusu satipaṭṭhānesu supatiṭṭhitacittā satta bojjhaṅge yathābhūtaṃ bhāvetvā anuttaraṃ sammāsambodhiṃ abhisambujjhiṃsu.

Ye pi te bhante bhavissanti anāgataṃ addhānaṃ arahanto sammāsambuddhā sabbe te Bhagavanto pañca nīvaraṇe pahāya cetaso upakkilese paññāya dubbalīkaraṇe catusu satipaṭṭhānesu supatiṭṭhitacittā satta bojjhaṅge yathābhūtaṃ bhāvetvā anuttaraṃ sammāsambodhiṃ abhisambujjhissanti.

Bhagavā pi bhante etarahi arahaṃ sammāsambuddho pañca nīvaraṇe pahāya cetaso upakkilese paññāya dubbalīkaraṇe catusu satipaṭṭhānesu supatiṭṭhitacitto satta bojjhaṅge yathābhūtaṃ bhāvetvā anuttaraṃ sammāsambodhiṃ abhisambuddho ti.

Erklärung siehe: Texte zum buddhistischen Erloesungsweg / hrsg. von Alois Payer <1944 - >. -- 2. Der einzige Weg.-- URL: http://www.payer.de/textezurerloesung/texterloes02.htm

Buddha ist für die Buddhisten wie ein Arzt, der die Diagnose stellt und Heilungsmaßnahmen verschreibt. Ob der Patient die Heilungsmaßnahmen sachgemäß anwendet, ist Sache des Patienten und liegt nicht in der Macht des Arztes. Oder, um ein anderes buddhistisches Gleichnis zu verwenden: Buddha ist wie jemand, der einen Weg weist. Ob der andere diesen Weg geht, ist dessen Sache und nicht die des Wegweisenden.

Der Buddha des Glaubens und der historische Buddha

Der Buddha der ersten Zuflucht ist zunächst ein Buddha des Vertrauens, ein Buddha des Glaubens. Solange man die Erlösung nicht verwirklicht hat, kann man die Richtigkeit der Aussagen der „Vergegenwärtigung" nur soweit erkennen, wie einen die überlieferte Persönlichkeit des Buddha überzeugt. Diese Überzeugung ist aber weitgehend eine Angelegenheit des noch nicht voll gerechtfertigten Vertrauens, des Glaubens. Ja selbst wenn man den Weg zur Erlösung verwirklicht hat, weiß man zwar über die Nützlichkeit und Richtigkeit der dem Buddha zugeschriebenen Lehre aus eigener Erfahrung Bescheid, man weiß aber strenggenommen immer noch nicht, ob die Zuschreibung dieser Lehre zu Buddha historisch richtig ist oder nicht bzw. wie sich der Buddha des Glaubens zum historischen Buddha verhält. Für die meisten Buddhisten – zumindest außerhalb Japans – dürfte auch heute noch die Identität des Buddha des Glaubens mit dem historischen Buddha außer Frage stehen. Doch welche Bedeutung hat für die buddhistischen Denominationen diese Frage nach dem Verhältnis des Buddha des Glaubens zum historischen Buddha, zu Buddha, wie er Gegenstand kritischer historischer Forschung ist?1

1 Unerlässlich ist für jeden, der sich mit der Frage nach einem historischen Religionsstifter beschäftigt die Lektüre von Albert Schweitzers (1875–1965) epochalem Werk:


Abb.: Albert Schweitzer, Theologe, Musiker und Arzt ("Urwalddoktor") / Radierung von Arthur William Heintzelman
[Bildquelle: Wikipedia, public domain]

Schweitzer, Albert <1875 - 1965>: Geschichte der Leben-Jesu-Forschung. -- 2. neu bearb. u. verm. Aufl. d. Werkes "Von Reimarus zu Wrede" --Tübingen : Mohr, 1913. -- XII, 659 S. -- (Verschiedene Nachdrucke)

Darin stellt Schweitzer die – in der Religionsgeschichte wohl einmalige – "Wahrhaftigkeitstat des protestantischen Christentums" dar. Nach Schweitzer kann kein seriöser Religionswissenschaftler leichtfertig vom "historischen Jesus", "historischen Buddha" usw. sprechen.

So wird z.B. das sonst lesenswerte Buch

Schumann, Hans Wolfgang <1928 - >: Der historische Buddha : Leben und Lehre des Gotama. -- Aktualisierte Neuausg. -- Kreuzlingen ; München : Hugendubel, 2004. -- 319 S. : Ill. ; 20 cm (Diederichs gelbe Reihe)

dem Anspruch, eine historische Darstellung zu sein, weder von der Methode noch von den benutzten Quellen her gerecht.

Vorbildlich für das vorsichtige Herantasten an den historischen Buddha ist das Werk


Abb.: Ernst Waldschmidt, 1936 - 1965 Professor für Indologie in Göttingen

Waldschmidt, Ernst <1897 - 1985>: Die Überlieferung vom Lebensende des Buddha. Eine vergleichende Analyse des Mahāparinivānasātra und seiner Textentsprechungen. Göttingen 1944-1948. 2 Teile, 367 S. (Abhandlungen der Akademie der Wissenschaften in Göttingen. Phil.-hist. Klasse; 3. Folge, Nr. 29)

Eine gute Darstellung des Buddhas des Glaubens der Theravādabuddhisten ist:

Nārada <Mahā Thera> <1898 - 1983>: The Buddha and his teachings. [Colombo] 2517 -1973. --  713 S.

Textsammlungen:

The splendour of enlightenment : a life of the Buddha / compiled by Khantipālo. -- 2. Aufl. -- Bangkok, Mahämakut Rājavidyālaya Press, 2530-2533 = 1987-1990. - 2. Bde. - 197, 404 S. (Hervorragende Sammlung von ins Englische übersetzten Texten alter Überlieferungen. Erhältlich von: Mahāmakut Rājavidyālaya Press, 241 Phra Sumeru Road, Bangkok 2, Thailand).

Die Legende vom Leben des Buddha: in Auszügen aus den heiligen Texten/ aus dem Sanskrit, Pali und Chinesischen übersetzt und eingeführt von Ernst Waldschmidt. - Vermehrter und verbesserter Nachdruck der Ausgabe von 1929. - Graz: Verlag für Sammler, 1982. - 266 S. (Gute Einführung in die Legendenbildung).

Letztendlich ist für den, der den Erlösungsweg vollendet hat, der historische Buddha ziemlich gleichgültig. Die Lehre hat das gehalten, was sie versprochen hat, unabhängig davon, ob sie so, wie sie angewandt wurde, auf den historischen Buddha Gautama zurückgeht oder nicht. Für einen solchen gilt das Wort, das Buddha in seinen letzten Tagen zugeschrieben wird, dass ein Jünger sich selbst eine rettende Insel, eine Leuchte sein soll und dass ihm niemand anders rettende Insel und Leuchte sein soll; dass ihm die Lehre eine rettende Insel und Leuchte sein soll und nichts anderes. Um Missverständnisse zu vermeiden, sei betont, dass es für traditionelle Buddhisten undenkbar ist, ein Erlöster könne an Buddha Zweifel haben.

Buddha ist kein Erlöser, der durch seine Existenz und sein Handeln die Welt in irgendeinem metaphysischen Sinne erlöst hat. Buddha ist für Buddhisten „nur" ein unübertrefflicher Lehrer. Auch in dieser Hinsicht ist sein Erdendasein und Wirken nicht heilsnotwendig. Nur die Lehre ist heilsnotwendig.

Es hieße die Psychologie vieler Menschen verkennen, wenn man meint, dass ein schöner Mythos, eine großartige Idee, die nicht auf einer historischen Wirklichkeit beruht, für den Glauben eine genügende Motivation wäre. Es ist also nicht nebensächlich, dass wohl die meisten Buddhisten das, was sie vom Buddha Gautama glauben, als historische Gegebenheiten ansehen. Deshalb wird vermutlich die Frage nach dem Verhältnis des Buddha des Glaubens zum historischen Buddha in Zukunft große Bedeutung gewinnen.1

1 Siehe den Versuch

Nakamura, Hajime [中村元] <1911 - 1999>: Gotama Buddha : a biography based on the most reliable texts / Hajime Nakamura ; translated by Gaynor Sekimori. -- Tokyo : Kosei, 2000 - 2005. -- 2 vol. : 528 S. , 350 S. ; 23 cm.  -- ISBN: 4333018935. --Originaltitel: ゴータマ・ブッダ (1992).

Die früheren Leben eines Buddha als Bestandteil seiner „Persönlichkeit"

Im Westen gilt es meist als selbstverständlich, dass die Persönlichkeit einer Person aus dem gegenwärtigen Leben zu erschließen ist. Im Gegensatz dazu gehören für die meisten Menschen, die in den Regionen Asiens aufgewachsen sind, wo Wiedergeburtsglaube zur kulturellen Grundlage gehört, die früheren Geburten ebenso zur Persönlichkeit wie die gegenwärtige und etwaige zukünftige. Da also für Buddhisten der Lauf durch Wiedergeburten fraglos ist, sind für einen gläubigen Buddhisten die früheren Geburten auch eines zukünftigen Buddha Bestandteil seiner „Persönlichkeit" wie seine letzte - „historische" - Geburt, in der er die erlösende Einsicht und damit die Buddhaschaft aus eigener Kraft verwirklicht. Dies gilt auch für frühere Geburten in nichtmenschlichen Daseinsbereichen, z.B. als Tier oder Gottheit.

Für Buddhisten wichtige frühere Geburten des Buddha Gautama sind:

Die Allwissenheit des Buddha

Ein weiterer wichtiger Unterschied zwischen der Betrachtung Buddhas durch einen Historiker und durch gläubige Buddhisten ist der, dass die meisten Buddhisten Buddha als virtuell allwissend (sabbaññū) ansehen. Das heißt, dass ein Buddha zwar nicht aktuell jederzeit alles Wissbare in seinem Bewusstsein hat, dass er aber alles, worauf er seine Aufmerksamkeit richtet, unfehlbar weiß. Das bedeutet, dass alles, was als Buddhas Wort gilt, als absolute Wahrheit betrachtet wird, zumindest soweit Buddha sich nicht dem Fassungsvermögen der Hörer angepasst hat. Diese Allwissenheit gilt auch für Buddhas kosmographische Aussagen über übermenschliche Welten oder für Buddhas Erklärung der Ursachen von Erdbeben. Damit steht den meisten buddhistischen Denominationen das Problem der Entmythologisierung noch bevor.

Die Überzeugung von der virtuellen Allwissenheit des Buddha ist schon in manchen frühen Texten angelegt und wird ziemlich bald zum festen Glaubenssatz. Es gehört von früh an zum festen Glaubensbestand, dass sich ein Buddha an frühere Geburten so weit erinnern kann, wie er will. Damit erhalten die Erzählungen über seine früheren Geburten festen Wirklichkeitscharakter. Obwohl ein Buddha virtuell allwissend ist, erzählt er nach Überzeugung der Buddhisten nur das, was ihm für seine Zuhörer nützlich erscheint.

Relativierung der Aussagen Buddhas im Großen Fahrzeug (Mahāyāna)

Während für die alten Richtungen des Buddhismus, die vom Großen Fahrzeug (Mahāyāna) bis 1950 verächtlich Minderes (Kleines) Fahrzeug (Hīnayāna) genannt wurden, die überlieferten Aussagen Gautama Buddhas im allgemeinen absolute Wahrheiten sind, werden diese Aussagen im Großen Fahrzeug teilweise relativiert. Dies geschieht vor allem in zwei Formen:

Die Frage nach dem historischen Buddha

Da für die Überlieferung der Buddha in seiner Bedeutung für die Buddhisten, d. h. der Buddha des Glaubens, im Vordergrund stand, ergeben sich für die historische Forschung ähnliche Probleme wie bei wohl allen Religionsstiftern. Es sind zwei Problemkreise deutlich zu unterscheiden:

Beides darf man nicht vermengen. Historische Nähe bedeutet nicht unbedingt historische Zuverlässigkeit, wir können in der Gegenwart bei charismatischen religiösen Führern, wie z. B. bei Sathya Sai Baba1 (geb. 1926/1929), beobachten, wie noch zu ihren Lebzeiten Legenden und sich teilweise widersprechende Überlieferungen entstehen. Andererseits können Überlieferungen, die als ganze jüngeren Datums sind, historisch zuverlässige Züge enthalten.

1


Abb.: Sathya Sai Baba
[Bildquelle: Wikipedia]

Hauptquelle sowohl für das Bild des Buddha des Glaubens als auch für die historische Erforschung sind die verschiedenen alten Überlieferungen, wie sie von den verschiedenen Traditionsrichtungen des Buddhismus gesammelt wurden. Die wichtigsten Sprachen der noch heute erhaltenen Überlieferungen sind Pāli, Sanskrit, Chinesisch und Tibetisch. Daneben gibt es Überlieferungen in weiteren altindischen Sprachen, in Mongolisch, Turksprachen u. a. Obwohl aufs Ganze gesehen die Überlieferung in Pāli, wie sie von der Theravāda-Tradition vorliegt, wohl die älteste und historisch zuverlässigste ist, darf man nicht sie allein einer historischen Darstellung zugrunde legen; andere, auch jüngere Traditionen enthalten viele Züge und Einzelheiten, die ursprünglicher zu sein scheinen. Nur durch einen in die Einzelheiten gehenden Vergleich entsprechender Texte der verschiedenen Traditionen kann man versuchen, sich historisch an die Ursprünge des Buddhismus heranzutasten. Nur ein solcher Vergleich erlaubt auch ein Urteil über die Zuverlässigkeit buddhistischer Überlieferungen sowie Ansätze zu einer Überlieferungsgeschichte. Ein solcher Vergleich zeigt, dass buddhistische Überlieferungen in vielen Punkten sehr getreu sind. Vor allem darf man aus der Tatsache, dass die Weitergabe buddhistischer Texte relativ lange nur mündlich erfolgte, nicht auf ihre Unzuverlässigkeit schließen: In Indien sind mündliche Überlieferungen aufgrund besonderer Tradierungstechniken oft treuer als schriftliche Überlieferungen.

Obwohl der Umfang der alten Überlieferungen beträchtlich ist (allein die Überlieferung in Pāli umfasst ca. 15.000 Seiten), enthalten sie dennoch nirgends so etwas wie eine vollständige Erzählung des Lebens Buddhas, die dem Buddha selbst zugeschrieben wird. Auch haben es die frühen Kompilatoren der Sammlungen nicht für nötig gehalten, ein solches Leben Buddhas zusammenzustellen. So sind Details über das Leben Buddhas in der gesamten Überlieferung verstreut. Eine chronologische Anordnung dieser Ereignisse ist oft nicht möglich, da die Lehrreden nicht chronologisch angeordnet sind, zwar meist mit einer Ortsangabe beginnen, aber nur selten dem 45 Jahre dauernden Wirken Buddhas zeitlich zugeordnet sind. Dieses mangelnde Interesse für historische Abläufe steht im Einklang damit, dass Buddha für Buddhisten vor allem als Lehrer von Bedeutung ist und dass somit seine Lehre im Mittelpunkt steht. Diese Lehre ist aber nach buddhistischer Ansicht zeitlos (akālika), d. h. sie hat im Leben des Buddha nach dessen erlösender Einsicht keine wesentliche Entwicklung genommen. (Anders steht es mit der Ordenszucht (vinaya), die von Buddha aufgrund von Erfahrungen mit den Mönchen entwickelt und modifiziert wurde).

Später wurden Viten Buddhas1 verfasst, die als Devotionalliteratur bedeutend sind, für ein historisches Buddhabild aber nur geringen Wert haben.

1z.B. das Sanskrit-Kunstgedicht (mahākāvya) Buddhacrita von Aśvaghoṣa (2. Jhdt n. Chr.)

Der historische Buddha

Ein Versuch, die historische und glaubensbezogene Persönlichkeit des Gautama Buddha zu skizzieren, beginnt am besten mit den wichtigsten Ereignissen seines Lebens. Man möge bitte bei allem folgenden immer mitbedenken, dass der heutige Forschungsstand es noch (?) nicht erlaubt, ein historisch voll abgesichertes Buddhabild zu geben. So sagt jede Darstellung Buddhas mindestens ebensoviel über ihren Verfasser aus wie über den historischen Buddha. Um angesichts dieser Quellenlage nicht in völligen, für den Leser uninteressanten Subjektivismus nach dem Motto „Was gefällt, ist alt" zu verfallen, habe ich mich bemüht, in der Gewichtung das hervorzuheben, was den alten buddhistischen Überlieferungen wichtig erschienen ist.

Während z.B. die Theravāda-Buddhisten das endgültige Erlöschen Gautama Buddhas – seinen „Tod" – ins Jahr 543 v. Chr. datieren, waren die meisten westlichen Forscher bis vor kurzem der Meinung, dieses endgültige Erlöschen sei um 480 v. Chr. erfolgt. Diese Hypothese wurde gründlich erschüttert, und namhafte Gelehrte1 halten es nun für möglich, dass der „Tod" Buddhas erst ins vierte Jahrhundert vor Christus fällt. Da Buddha 80 Jahre alt wurde, wäre dann seine Geburt im 5. und nicht im 6. oder 7. Jh. v. Chr. anzusetzen. So dramatisch diese Meinungsverschiedenheiten für einen westlichen Religionshistoriker erscheinen mögen, der es gewohnt ist, sich um den Tag von Luthers Thesenanschlag zu streiten, so unbedeutend sind solche Datierungs-Zwistigkeiten um knapp 200 Jahre im indischen Kontext, wo in diesem Zeitbereich Datierungsdifferenzen von 500 Jahren eher die Regel als die Ausnahme sind. Da fast alle Texte und Ereignisse vor dem 3. Jahrhundert v. Chr. mit gleichen chronologischen Unsicherheiten behaftet sind, hat eine solche zeitliche Ungewissheit über die Person Buddhas keine gravierenden Einflüsse auf die Interpretation der Lehre und Texte: Gleichzeitigkeiten und unmittelbare Vorzeitigkeiten anderer Texte, die als Interpretationshintergrund dienen könnten, können bestenfalls aus inhaltlichen Gründen postuliert werden, sind aber nicht aufgrund einer absoluten Chronologie feststellbar.

1 Siehe:

Bechert, Heinz <1932 - 2005>: Die Lebenszeit des Buddha - das älteste feststehende Datum der indischen Geschichte? -- Göttingen : Vandenhoeck & Ruprecht, 1986. -- 58 S. -- (Nachrichten der Akademie der Wissenschaften in Göttingen, Philologisch-Historische Klasse ; Jg. 1986, Nr. 4). -- ISBN 3-525-85116-2

The dating of the historical Buddha = Die Datierung des historischen Buddha / ed. by Heinz Bechert. -- Göttingen : Vandenhoeck und Ruprecht. -- (Symposien zur Buddhismusforschung ; 4,1 - 4,3)(Abhandlungen der Akademie der Wissenschaften in Göttingen, Philologisch-Historische Klasse ; Folge 3, Nr. 189, 194, 222)
Band 1. --  1991. -- XV, 525 S.
Band 2. --  1992. -- X, 530 S.

Die vier wichtigen Ereignisse im Leben Gautama Buddhas

Welches sind die wichtigsten Ereignisse im Leben Buddhas? Die meisten Überlieferungen vom Lebensende des Buddha enthalten eine Verkündigung des Buddha über vier Stätten, an denen die Hauptereignisse seines Lebens stattfanden. Ein Gläubiger solle dieser Stätten sein Leben lang gedenken, sie möglichst oft besuchen, und wenn er an einer dieser Stätten sterbe, werde er in einen Himmel gelangen. Diese vier Stätten und damit die Hauptereignisse im Leben des Buddha sind die Orte

  Stätte Ortschaft
1. der Geburt Lumbinī
2. der erlösenden Einsicht (Mahābodhi (f.)) Bodh Gayā
3. der ersten Predigt (Dhammacakkappavattana (n.)) Sārnāth (Isipatana)
4. des endgültigen Erlöschens (Mahāparinibbāna (n.)) Kusināra


Abb.: Lage der vier Stätten
[Vorlage der  Abb.: Schumann, Hans Wolfgang <1928 - >: Auf den Spuren des Buddha Gotama : eine Pilgerfahrt zu den historischen Stätten. -- 1992. -- ISBN 3530799890. -- S.25.]


Abb.: "Marker stone. The exact birth-place of Buddha", Lumbinī
[Bildquelle: Wikipedia]
 

Obwohl der Geburtsort Lumbinī (im nepalischen Distrikt Rupandehī - रुपन्देही an der heutigen Grenze zwischen Nepal und Indien) zu den vier Wallfahrtsstätten der Erinnerung gehört, berichten die alten kanonischen Schriften sehr wenig über die Geburt des Buddha Gautama. Bezeichnenderweise finden sich die ausführlichsten Angaben in einem Text des Alten Kanon mit Aussagen über einen früheren Buddha, den Buddha Vipassī1. Diese Begebenheiten werden dann als Gesetzmäßigkeiten (dhammatā) für jeden Buddha deklariert. Die Aussagen über die Ereignisse um Empfängnis, Embryonalzustand und Geburt Buddhas, über die Eigenschaften des neugeborenen Buddhas usw. sind also buddhologische Postulate. Kommentare und spätere Texte schmücken die Geburtslegende weiter aus. Für spätere bildliche Darstellungen werden diese Erzählungen ikonographisch sehr wichtig, z.B. wie die Mutter Buddhas bei seiner Empfängnis träumt, dass ein weißer Elefant in ihre Seite eintritt oder wie der neugeborene Buddha sieben Schritte tut und dgl.2


Abb.: Die Geburt Buddhas aus der Seite seiner Mutter, Gandhara, 2./3. Jhdt. n. Chr.
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1 im Mahāpadānasutta des Dīghanikāya (PTS II, 6 - 54)

2 Quellennachweise dazu und zum Folgenden findet man übersichtlich in: Malalasekera, G. R. <1899 - 1973>: Dictionary of Pāli proper names. - Nachdruck der Ausgabe 1938. - London, Pali Text Society, 1974. - 2 Bde. - 1163, 1370 S. -- Bd. 1, s.v. Gotama

Gautama wurde als Fürstensohn (im Stande der Kṣatriya, des Wehrstandes) geboren. Dies nach Ansicht der Buddhisten deswegen, weil dieser Stand zu jener Zeit der angesehenste war und weil jeder Buddha in den höchsten sozialen Status geboren wird. Wegen des höheren sozialen Status, den ein Mann gegenüber einer Frau hat, wird Buddha auch als Mann geboren. Sein Name war Siddhārtha Gautama (Siddhattha Gotama). Er wuchs verwöhnt und wohlbehütet heran. Die Erkenntnis, dass niemand Krankheit, Alter und Tod entgehen kann, machte das Bewusstsein der Vergänglichkeit und damit Leidhaftigkeit zur grundlegenden Ausrichtung Gautamas. Deswegen verließ er Wohlstand, Eltern, Frauen und Kind, um Erlösung von diesem Leid zu suchen. Die Überlieferung betont, dass Gautama nicht aus Mangel und Not, sondern aus Überfluss, Wohlergehen und Wohlstand in die Heimlosigkeit gegangen ist.

Nach verschiedenen vergeblichen Versuchen, mit Hilfe anderer Lehrer und durch strenge asketische Praktiken Erlösung zu verwirklichen, kam Gautama im heutigen Bodh Gayā (बोधगया) (südlich von Patna - पटना) in meditativer Zurückgezogenheit aus eigener Kraft und ohne fremde Anleitung zur erlösenden Einsicht und wurde damit ein Buddha.


Abb.: Mahābodhi-Tempel in Bodh Gayā
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Die buddhistischen Überlieferungen behandeln die erlösende Einsicht Buddhas unter verschiedenen Aspekten:


Abb.: Ruinen des Dhammarājikā-Stūpa in Sārnāth
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(Das In-Bewegung-Setzen des Rades der Lehre - Dhammacakkappavattana1) In der Nähe von Vārāasī (Hindi: वाराणसी, Urdu: وارانسی), im heutigen Sārnāth, verkündete Buddha erstmals seine Lehre. Seine Zuhörer waren seine fünf Gefährten aus der Zeit seiner strengen asketischen Versuche. Buddha bezeichnete seine Lehre als mittleren Pfad, der die beiden Extreme vermeidet, die Buddha zuvor selbst praktiziert hatte: Hingabe an Sinnengenuss (als Prinz) und Selbstpeinigung (als Asket). Dieser mittlere Pfad ist der edle achtfache Pfad, der in der vierten edlen Wahrheit ausgedrückt wird. Die drei übrigen edlen Wahrheiten, die Grundlage für das Begehen des edlen achtfachen Pfades, sind die Wahrheit vom Leid, vom Entstehen des Leides und vom Aufhören des Leides. Der edle achtfache Pfad ist der Weg zum Aufhören des Leides. Einer der ersten Hörer fasste bei dieser Gelegenheit die ganze Lehre, den Dharma (Dhamma) Buddhas, in der Formel zusammen: Alles, was entsteht, muss vergehen. Deshalb ist der Inhalt der Lehre Buddhas die Beendigung des Entstehens dadurch, dass die Bedingungen des Entstehens vermieden werden.

1 Dhammacakkapavattanasutta (Vinayapiṭaka, PTS I, 10ff. = Saṃyuttanikāya, PTS V, 420ff.)

In seiner zweiten Lehrrede1 zeigte Buddha die drei Merkmale aller Wirklichkeit, die nicht Nirvāṇa ist: unbeständig, deswegen leidvoll, deswegen nicht Ich, nicht Mein. Wäre etwas mein, dann wäre es unter „meiner" Herrschaft, deswegen nicht leidvoll (ich würde ja das Leid vermeiden) und deswegen beständig, da Unbeständigkeit Trennungsschmerz verursacht.

1 Anattalakkhaṇasutta (Vinayapiṭaka, PTS I, 13f.)

Um Buddha sammelten sich „Jünger", die er zu Mönchen ordinierte. Häufig kamen diese Jünger aus angesehenen Familien. Auch den Mönchen gab Buddha die Erlaubnis, neue Mönche zu ordinieren. Für die Mönche erließ Buddha im Laufe der Zeit anlässlich entsprechender Vorkommnisse und Notwendigkeiten juristisch formulierte Ordensregeln. Dabei zeigte Buddha ein ausgeprägtes Rechtsempfinden. So hielt er sich z. B. im Ordensstrafrecht an die Regel: „Keine Strafe ohne zuvor verkündigtes Gesetz." Deswegen wurden auch moralisch eindeutig verwerfliche Handlungen, wie z. B. Diebstahl, so lange nicht ordensrechtlich bestraft, wie Buddha vor der Handlung nicht eine entsprechende ordensrechtliche Bestimmung erlassen hatte. Auch das Verfahrensrecht1 für rechtliche Handlungen des Ordens, wie z. B. die Ordination, zeigt Buddhas ausgeprägt juristisches Denken, das vielleicht durch seine Herkunft aus dem Fürstenstand geprägt war, dem ja die Rechtsprechung oblag. Die Organisationsstruktur des Mönchsordens war dezentral und gewährte den einzelnen Mönchen weitgehende Gleichberechtigung. Die Mönchsregeln legen großen Wert darauf, dass die Mönche den Laien nicht unnötig zur Last fallen, sich anständig und würdig benehmen und keine Landplage werden. Gegen die Gründung eines Ordens für Frauen hatte Buddha große Bedenken und gründete einen Nonnenorden nur zögernd und mit frauendiskriminierenden ordensrechtlichen Vorbehalten.

1 siehe dazu anhand eines Beispiels:

Kieffer-Pülz, Petra: Die Sīmā : Vorschriften zur Regelung der buddhistischen Gemeindegrenze in älteren buddhistischen Texten. -- Berlin : Reimer, 1993. -- 473 S. : Ill., graph. Darst. ; 25 cm. -- Monographien zur indischen Archäologie, Kunst und Philologie ; Bd. 8). -- Zugl.: Göttingen, Univ., veränd. Diss., 1989. -- ISBN: 3-496-00435-5

Obwohl der Mönchs- und Nonnenweg deswegen eingesetzt wurde, weil der Weg zur Erlösung für jemanden, der im Weltleben mit all seinen Sorgen steht, sehr schwierig zu gehen ist, zog der buddhistische Orden von Anfang an auch Personen an, die Ordensprivilegien, z. B. kostenlose medizinische Versorgung, zu nutzen suchten.

Nur während der Regenzeiten waren Buddha und seine Mönche an einen festen Ort gebunden, um Flurschaden durch Herumziehen zu vermeiden. Während der übrigen Zeit zogen Buddha und die Mönche einzeln oder in Gruppen frei im Lande herum, auch so ihre Freiheit von Bindungen manifestierend. Buddha zog sich täglich und auch immer wieder für längere Zeit in die Einsamkeit zurück, um zu meditieren.

Auch Laien bekannten sich als Anhänger Buddhas, indem sie die dreifache Zuflucht nahmen. Da die Mönche nach den Mönchsregeln nicht durch ihrer Hände Arbeit, sondern von Almosen zu leben hatten, ist die Existenz von Laienanhängern für das Überleben des „Buddhismus" wesentlich. Man darf dabei nicht die westliche Vorstellung von einem einzigen Leben, in dem die Entscheidung über Heil oder Unheil zu fallen hat, auf „den" Buddhismus übertragen. Auch Buddha selbst brauchte ja unzählige Existenzen. Deshalb war er auch denen gegenüber geduldig, die in diesem Leben noch nicht Erlösung verwirklichen, sondern durch mehr oder minder große Verwirklichung von Sittlichkeit oder Unsittlichkeit in Gedanken, Worten und Werken die Grundlage für Gedeih und Verderb in künftigen guten oder schlechten Wiedergeburten schaffen. Im Gegensatz zum Mönchsund Nonnenorden blieben die Laienanhänger unorganisiert. Von Anfang an stifteten wohlhabende Laien dem Orden Haine und Klöster und legten so den Grund dafür, dass in späteren Zeiten der buddhistische Orden oft Großgrundbesitz hatte.

So sehr die buddhistischen Mönche in Frauen eine Bedrohung ihrer zölibatären Existenz sahen, so wichtig waren viele Frauen als Unterstützerinnen des Ordens. Buddha selbst war gewiss kein Vorkämpfer der Frauenemanzipation. Er hielt an der untergeordneten Rolle der Frau fest, und es war wohl auch für ihn selbstverständlich, dass er als Buddha ein Mann war. Er sah andererseits aber in den Frauen Wesen, die zur Erlösung fähig sind, und es wird von zahlreichen Anhängerinnen Buddhas berichtet, dass sie die Erlösung verwirklicht haben.

Buddha pflegte Umgang mit allen Schichten und Ständen der Bevölkerung, mit hohen und niederen. Wichtig war ihm auch der Umgang mit Asketen, Brahmanen, Kaufleuten, Fürsten und Königen. Fürsten und Könige suchten Buddhas Rat und erhielten ihn auch. Als Ratgeber war der Asket Buddha ein politisches Wesen: Er versuchte vernünftiges Handeln und Frieden zu stiften.

Für die buddhistische Überlieferung ist es wichtig, dass übermenschliche Wesen - Gottheiten - dem Buddha Ehre erwiesen und so Buddhas Einzigartigkeit bezeugten. Auch Wunder aufgrund außergewöhnlicher „psychischer" Fähigkeiten spielten manchmal eine Rolle, um Gautamas Buddhaschaft manifest zu machen und so Anhänger zu gewinnen.

Im Mönchsorden genossen manche Jünger hervorragendes Ansehen wegen bestimmter Kenntnisse und Fähigkeiten. Dennoch weigerte sich Buddha, jemanden mit der Leitung des Ordens für seine Nachfolge zu betrauen. Offenkundig gab es schon zu Buddhas Lebzeiten in seinem höheren Alter eine Rivalität zwischen ihm und Devadatta, einem Vetter Buddhas, um die Leitung des Ordens. Devadatta wollte strengere asketische Regeln, u. a. Vegetarismus für alle Mönche obligatorisch machen. Da Buddha sich weigerte, dem Devadatta die Führung des Ordens zu überlassen, intrigierte dieser gegen ihn, und seine Feindschaft gipfelte angeblich in drei Attentatsversuchen.

Das endgültige Erlöschen (Mahāparinibbāna)

Am Körper des alten Buddha zeigten sich Zeichen des Verfalls: seine Haut war welk, er bekam einen Buckel, musste auf Krücken gehen, und auch seine Sinnesorgane ließen nach. Trotzdem behielt er seine Lebensfreude und fand Nordostindien, das er nach wie vor durchwanderte, weiterhin wunderschön. Er hatte ja Alter, Krankheit und Tod bewältigt. Noch kurz vor seinem endgültigen Erlöschen erklärte Buddha, welche Bedingungen ein weltliches und geistliches Gemeinwesen unangreifbar machen: im wesentlichen Einigkeit und Konservativismus.

1 Dazu und zum Folgenden: Mahaaparinibbānasutta (Dīghanikāya, PTS II, 72ff.)

Bald darauf erkrankte Buddha ernsthaft und war dem Tode nahe. Er ertrug die Qualen der Krankheit „achtsam" und unerschüttert. Er sagte sich jedoch, dass er ohne Abschied von seiner Gemeinde nicht sterben dürfe, und überwand deshalb durch Energie – wir würden sagen durch Aktivierung seiner Selbstheilungskräfte – seine Krankheit.

Nach seiner Genesung schilderte ihm Ānanda, sein Sekretär, die schrecklichen Sorgen, die er sich um Buddha während seiner Krankheit gemacht habe. Der einzige Trost sei ihm die Gewissheit gewesen, dass Buddha nicht ins endgültige Erlöschen eingehen werde, ohne zum Orden seinen letzten Willen zu äußern. Darauf erklärte ihm Buddha, dass er keine besonderen, esoterischen Lehren habe, die er in der „Faust des Lehrers" zurückhalte. Auch sei er nicht der Meinung, dass der Orden von ihm abhängig sei oder dass er den Orden leiten müsse. Deshalb gebe es auch keine letzten Anordnungen, kein „Testament" Buddhas. Auch gebe es keinen Grund zur Trauer, denn auch bezüglich eines Buddha gelte, dass man von allem Liebgewordenen einmal Abschied nehmen müsse. Nach dem „Tode" Buddhas solle man zu sich selbst und zur Lehre Buddhas Zuflucht nehmen.

Buddha versuchte, den Ānanda darauf aufmerksam zu machen, dass es ihm in Nordostindien gut gefalle, dass er also keine Todessehnsucht habe und es ihm darum auch nicht lästig wäre, durch bewusste Aktivierung von Lebensenergien länger zu leben, wenn Ānanda ihn darum bäte. Doch Ānanda begriff diese Anspielungen nicht. Nun forderte – nach allen buddhistischen Überlieferungen – Māra, das personifizierte Böse, Buddha auf, das Versprechen wahrzumachen, das er nach seiner erlösenden Einsicht Māra gegeben hatte, nämlich ins endgültige Erlöschen einzugehen.

Bei seinen letzten Reden an die Mönche gab Buddha nochmals eine Zusammenfassung des Wesentlichen seiner Lehre, also eine Selbstdefinition des Buddhismus als Erlösungslehre. Danach sollen die Mönche folgende Wahrheiten studieren, üben und vollenden1:

  1. Vier Satipaṭṭhāna -- Grundlagen der Achtsamkeit:
    1. kāyānupassanā f. -- Betrachtung des Körperlichen
    2. vedanānunpassanā f. -- Betrachtung der Gefühle
    3. cittānupassanā f. -- Betrachtung des Bewusstseins
    4. dhammānupassanā f. -- Betrachtung der Bewusstseinsobjekte
  2. Vier Padhāna n. -- Die rechten Anstrengungen:
    1. saṃvara-ppadhāna n. -- Anstrengung zum Abwehren
    2. pahāna-ppadhāna n. -- Anstrengung zum Aufgeben
    3. bhāvana-ppadhāna n. -- Anstrengung zum Entfalten
    4. anurakkhaṇa-ppadhāna n. -- Anstrengung zum Erhalten
  3. Vier Iddhi-pāda m. -- Pfade zur übermenschlichen Macht (iddhi):
    1. chanda m. -- Wollen
    2. viriya n. -- Energie
    3. citta n. -- Klarbewusstsein
    4. vimaṃsā f. -- Erwägung, Abwägung
  4. Fünf Indriya n. -- Fähigkeiten:
    1. saddhindriya n. -- Vertrauensfähigkeit
    2. viriyindriya n. -- Energiefähigkeit
    3. satindriya n. -- Achtsamkeitsfähigkeit
    4. samādhindriya n. -- Sammlungsfähigkeit
    5. paññindriya n. -- Einsichtsfähigkeit
  5. Fünf Bala n. -- Kräfte:
    1. saddhā-bala n. -- Vertrauenskraft (zu den drei Juwelen)
    2. viriya-bala n. -- Energiekraft
    3. sati-bala n. -- Achtsamkeitskraft
    4. samādhi-bala n. -- Sammlungskraft
    5. paññā-bala n. -- Einsichtskraft
  6. Sieben Bojjhaṅga m. -- Glieder der erlösenden Erkenntnis:
    1. sati-sambojjhaṅga -- Achtsamkeit
    2. dhamma-vicaya-sambojjhaṅga -- klares Erfassen der Lehre
    3. viriya-sambojjhaṅga -- Energie
    4. pīti-sambojjhaṅga -- Verzückung
    5. pasaddhi-sambojjhaṅga -- Ruhe
    6. samādhi-sambojjhaṅga -- Sammlung
    7. upekkhā-sambojjhaṅga -- Gelassenheit / Gleichmut
  7. Ariya aṭṭhaṅgika magga m. -- Der edle achtgliedrige Pfad:
    1. sammā-diṭṭhi f. -- Rechte Ansicht
    2. sammā-saṅkappa m. -- Rechte Gesinnung
    3. sammā-vācā f. -- Rechte Rede
    4. sammā-kammanta m. -- Rechtes Handeln
    5. sammā-ājīva m. -- Rechter Lebensunterhalt
    6. sammā-vāyāma m. -- Rechte Anstrengung
    7. sammā-sati f. -- Rechte Achtsamkeit
    8. sammā-samādhi m. -- Rechte Sammlung

1 Mahāparinibbānasutta : Dīghanikāya II, 120. Weiteres bei: Nāgārjuna: La traité de la grande veru de sagesse (Mahāprajñāpāramitāśāstra) / [trad. par] Étienne Lamotte. -- Tome III. -- p. 1119-1207; bes. 1119-1137. (Zusammenstellung aller wichtigen Texte und Stellen!)

Diese Punkte hier zu erläutern, würde den Rahmen einer Einleitung zur Lehrveranstaltung Darstellung bei weitem übersteigen. Für eine ernsthafte Beschäftigung mit dem Buddhismus als Erlösungslehre ist diese Selbstdefinition aber zentral.

Bezeichnend für Buddhas Interesse an ordensrechtlich-disziplinarischen Dingen ist, dass er – nach einem Teil der Überlieferungen – noch unmittelbar vor seinem endgültigen Erlöschen für einen Mönch eine Disziplinarstrafe angeordnet habe.

Nach einem letzten Mahl erkrankte Buddha - nach einem Teil der Überlieferung an blutigem Durchfall. In der letzten Nacht seines Lebens leuchtete seine Haut nochmals auf. Buddha fragte seine Mönche nach noch eventuell vorhandenen Zweifeln oder Unklarheiten über seine Lehre, doch es gab keine Unklarheiten mehr. Dann zeigte Buddha den Anwesenden seinen Körper, vermutlich um ihnen die Vergänglichkeit alles Irdischen an seinem eigenen Körper vor Augen zu führen, und sprach: „Alles bedingt Entstandene muss vergehen." Seine letzten Worte waren: „Bemüht euch ohne Unterlass!" Dann ging er nach Ablegung von Körper und Mentalem in das endgültige Erlöschen ein, in die Erlösung.

Buddhisten sprechen nicht vom „Tode" Buddhas, sondern von seinem „endgültigen Erlöschen" (Parinirvāṇa/Parinibbāna): Buddha hat ja schon zu seinen Lebzeiten das Nirvāṇa/Nibbāna, das Leidfreie und deshalb Todlose, verwirklicht.

Was bisher über den historischen Buddha bzw. den Buddha der buddhistischen Überlieferungen berichtet wurde, gibt uns nur ein ungefähres Bild der Persönlichkeit des Buddha. Dazu noch einige Ergänzungen.

Für die Buddhisten zeigte sich die Außergewöhnlichkeit Buddhas auch in seiner körperlichen Erscheinung. Es gibt eine ganze Buddhologie, in der die körperlichen und psychischen Eigenschaften und Kräfte eines Buddha systematisiert werden1. Sie wurde später, als man begann, Buddha bildlich darzustellen, für die Ikonographie wichtig. Buddha ist gemäß den Überlieferungen schön. Seine ganze Erscheinungsweise ist ruhig, abgeklärt, seine Haut rein, klar und hell, ja goldfarbig, ohne starken Schweiß. Sein Haar war tiefschwarz. Sein Fußabdruck zeigte 1000 Radspeichen, eine Eigenschaft, die später bei den vielen Abbildungen von Buddhas Fußabdruck verwendet wurde.

1 32 Merkmale eines großen Wesen (mahāpurisalakkhaṇa n.): Der Bodhisatta ist großes Wesen (mahāpurisa), als solcher kann er entweder Weltenherrscher (Cakkavattī) werden oder Buddha. Ein solches großes Wesen können Zeichendeuter an den 32 Merkmalen eines großen Wesen (mahāpurisalakkhaṇa n.) erkennen:

  1. Er hat Füße die fest auf dem Boden stehen
  2. Auf jeder Fußsohle hat er ein Rad mit 1000 Speichen
  3. Er hat breite Fersen
  4. Er hat lange Finger und Zehen
  5. Er hat zarte und weiche Hände und Füße
  6. Er hat Hände und Füße wie Gitterstäbe an einem Fenster
  7. Er hat höhere Knöchel als normale Menschen und darum frei drehbare Füße
  8. Er hat Waden wie eine Antilope
  9. Er hat Arme bis zu den Knien
  10. Sein Geschlechtsteile sind in einem Schatzkästchen verhüllt
  11. Seine Haut ist goldglänzend
  12. Er schwitzt nicht und bindet keinen Staub
  13. Er hat einzelne Körperhaare, in jeder Pore nur eines
  14. Seine Körperhaare sind aufgerichtet, blauschwarz, sich rechtsläufig ringelnd
  15. Seine Glieder sind gigantisch und gerade
  16. Er hat sieben Wölbungen: Hände, Füße, Schultern, Rücken
  17. Sein Körper ist wie die vordere Hälfte eines Löwen (imponierend)
  18. Der Zwischenraum zwischen den Schultern ist aufgefüllt (nicht hohl)
  19. Seine Armweite ist wie die Körperlänge
  20. Seine Schultern sind gleichmäßig rund
  21. Er entlässt keinen Urin, sondern einen wohlschmeckenden Saft
  22. Er hat Kinnbacken wie ein Löwe
  23. Er hat 40 Zähne
  24. Seine Zähne sind gleich(mäßig)
  25. Seine Zähne sind lückenlos
  26. Seine Zähne sind ganz weiß
  27. Seine Zunge ist lang (er kann damit Nasenlöcher, Ohren, Haaransatz berühren)
  28. Er hat eine Stimme, die nicht verschleimt, und spricht wie ein indischer Kuckuck.
  29. Er hat tiefschwarze (purpurblaue) Augen
  30. Er hat Wimpern wie eine Kuh
  31. Er hat zwischen den Augenbrauen einen weißen, weichen, rechtsdrehenden Haarwirbel
  32. Er hat auf dem Kopf einen turbanartigen Auswuchs

Diese Liste findet man im Pālikanon in Dīghanikāya II, 17f. ; III, 142 ff. ; Majjhimanikāya II, 136f.

Buddha war in seinem ganzen Auftreten, z. B. beim Gehen und Essen, anständig, ruhig und würdevoll. Er kleidete sich immer ordentlich und sauber in die für Mönche zugelassenen Tücher. Er war stets zufrieden, war aber zugleich darauf bedacht, mit der ihm gebührenden Höflichkeit und Ehrfurcht behandelt zu werden.

Buddha schlief immer gut, da er frei war von Hass, Gier und Verblendung. Wenn er sprach, sprach er deutlich, melodiös, höflich und verständlich. Er passte seine Rede dem Auffassungsvermögen der Hörer an. Deshalb verkündete Buddha seine Lehre oft stufenweise aufbauend; er begann mit dem Lob der Freigebigkeit, dann ging er zur Sittlichkeit über, die eine gute Wiedergeburt in einem Himmel gewährt. Sah er, dass seine Hörer reif dafür waren, zeigte er die Nichtigkeit der – auch himmlischen – Sinnengenüsse. Bemerkte er, dass die Hörer aufnahmebereit und verständnisfähig waren, verkündete er ihnen schließlich die vier edlen Wahrheiten.1

1 Siehe: Payer, Alois <1944 - >: Der Buddismus -- eine atheistische Religion : Vortrag. -- URL: http://www.payer.de/einzel/buddhath.htm

Trotz all seiner Vollkommenheiten war der Leib Buddhas, wie bereits gesagt, durchaus Alter und Krankheit unterworfen. Der alte Buddha bedurfte der Krücken, und er hatte Durchfallerkrankungen.

„Wer die Lehre - den Dharma - sieht, sieht mich. Wer mich sieht, sieht den Dharma." Diese dem Buddha zugeschriebenen Worte drücken die Gegenwart Buddhas in seiner Stiftung, dem Buddhismus, aus. Wer räumlich und zeitlich direkt dem Buddha folgt, aber von Gier, Hass und Verblendung geleitet wird, ist dem Buddha fern. Wer aber frei ist von Gier, Hass und Verblendung, der ist dem Buddha nahe, auch wenn er räumlich und zeitlich weit von ihm entfernt ist.

Buddhas Stiftung breitete sich unter dem Patronat der Herrschenden in ganz Südasien aus. Bald schon entstanden durch Differenzen in der Lehre verschiedene Denominationen und durch Differenzen in der Ordensdisziplin verschiedene ordensrechtliche Traditionen mit wiederum unterschiedlichen Ordinationstraditionen. Von Südasien aus wurden die verschiedenen buddhistischen Richtungen nach Westasien (Afghanistan), Zentralasien, Ostasien und Südostasien verbreitet. Aus Indien, seinem Ursprungsland, verschwand der Buddhismus weitgehend mit der muslimischen Eroberung. Erst in neuester Zeit erlebte der Buddhismus unter den Entrechteten Indiens durch das Wirken ihres charismatischen Führers B. R. Ambedkar (1891 - 1956) ein modernisiertes Wiederaufleben. Betrachtet man eine Karte der Ausbreitung „des" Buddhismus, dann sieht man, dass die Stiftung des Buddha Gautama nicht nur ihrem Anspruch, sondern auch ihrer Ausbreitung nach zu den Weltreligionen gehört.


Zu: 2. Buddhavandana - Grundformeln der Buddhaverehrung