Materialien zur Religionswissenschaft

Menora

Menora -- der siebenarmige Leuchter nach Sacharja 4,2

Judentum als Lebensform

12. Sukkot (Laubhüttenfest) und Simchat Thora (Tag der Gesetzesfreude)


von Alois Payer

payer@Well.com


Zitierweise / cite as:

Payer, Alois <1944 - >: Judentum als Lebensform. -- 12. Sukkot (Laubhüttenfest) und Simchat Thora (Tag der Gesetzesfreude). -- Fassung vom 26. April 1999. -- (Materialien zur Religionswissenschaft). -- URL: http://www.payer.de/judentum/jud512.htm. -- [Stichwort].

Erstmals publiziert: 21. Februar 1998

Überarbeitungen: 26. 4. 1999 [Hinzufügung von Buchbestell-Links zu amazon.de]

Anlaß: Lehrveranstaltung Wissenschaftskunde Religionswissenschaft / Theologie, HBI Stuttgart, WS 1995/96

Unterrichtsmaterialien (gemäß § 46 (1) UrhG)

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Übersicht



Zitate im Folgenden:


1. Zeitpunkt und Dauer von Sukkot


Sukkot, das Laubhüttenfest, beginnt fünf Tage nach Jom Kippur (dem Versöhnungstag). Es beginnt am 15. Tischri, dem Vollmondtag im September/Oktober und dauert sieben Tage lang.

Sukkot (das Laubhüttenfest) gehört mit Pessach (dem Passahfest) und Schawuot (dem Wochenfest) zu den Wallfahrtsfesten, den Festen, die zur Zeit der beiden Tempel mit einer Pilgerfahrt nach Jerusalem und Opfern im Tempel begangen wurden.


2. Grundlage in der Thora


Dann sprach der Herr zu Moses: Sprich zu den Israeliten: Der 15. Tag desselben siebenten Monats ist das Hüttenfest sieben tage hindurch für den Herrn. Am ersten Tag ist heilige Versammlung.Da dürft ihr keinerlei Sklavenarbeit verrichten. Sieben Tage lang bringt dem Herrn ein Feueropfer dar; am achten Tag ist heilige Versammlung für euch: ihr sollt dem Herrn ein Feueropfer darbringen, eine Festversammlung sei es, und keinerlei Sklavenarbeit dürft ihr verrichten. ... Jedoch am 15. Tage des siebenten Monats, wenn ihr des Landes Ertrag einbringt, sollt ihr das Fest des Herrn sieben Tage lang feiern; der erste Tag ist heiliger Ruhetag und der achte ebenso. Holt euch am ersten Tag prächtige Baumfrüchte, Palmzweige, Äste von dichtbelaubten Bäumen und Bachweiden und seid vor dem Herrn, eurem Gott, sieben Tage lang fröhlich. Ihr sollt es als ein Fest des Herrn sieben Tage lang feiern; es ist dies eine immerwährende Satzung für eure Geschlechter; im siebenten Monat feiert es. In Hütten sollt ihr sieben Tage lang wohnen. Alle in Israel Einheimischen sollen in Hütten wohnen, damit auch eure künftigen Geschlechter erfahren, daß ich die Israeliten in Hütten wohnen ließ, da ich sie aus dem Ägypterland hinwegführte: Ich, der Herr, bin euer Gott.

Leviticus 23,33-43

Das Laubhüttenfest sollst du sieben Tage lang feiern, wenn du den Ertrag von deiner Tenne und deiner Kelter einerntest. Fröhlich sollst du an deinem Fest sein, mitsamt deinen Söhnen, Töchtern, Knechten, Mägden, Leviten, Fremdlingen, Waisen und Witwen, die sich in deinen Toren aufhalten. Sieben Tage lang sollst du zu Ehren deines Gottes feiern an dem Ort, den der Herr sich erwählt; denn der Herr, dein Gott, wird dich segnen bei allem Feldertrag und bei jeglichem Unternehmen deiner Hände; sei also nur fröhlich!

Deuteronomium 16,13-17


3. Sukka -- die Laubhütte


Das Merkmal des Sukkot-Festes, des Laubhüttenfestes, ist die Beobachtung des Gebots, in der Sukka, der Laubhütte, zu wohnen. Die Sukka muß eine zeitweilige Hütte sein. Für ihren Bau gelten folgende Vorschriften:

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Abb.: Laubhütten (Sukkot) orthodoxer Juden in Zürich [Vorlage der Abb.:  Schtetl Zürich : von orthodoxen jüdischen Nachbarn / Livio Piatti ; mit Texten von ... -- Zürich : Offizin, ©1997. -- ISBN 3-907495-78-0. -- S.  131. --{Wenn Sie HIER klicken, können Sie dieses Buch direkt bei amazon.de bestellen}]

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Abb.: Sukka (Laubhütte) in Hinterhof, Ungarn [Vorlage der Abb.: Féner, Tamás <1938 - > ; Scheiber, Sándor <1913 - >: Jüdisches Leben - jüdischer Brauch / Fotos von Tamás Féner, Text von Sándor Schreiber. -- Wiesbaden : Fourier, ©1984. -- Einheitssachtitel: és beszéld el fiadnak. -- ISBN 3-921695-89-9. -- S. 59.]

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Abb.: Sukka in Innenraum (nach orthodoxem Verständnis nicht koscher!) in Milano [Quelle der Abb.: Le grandi religioni. -- Bd. 2. -- Milano : Rizzoli, 1964. -- S. 463]

Man wohnt in der Sukka so oft wie möglich während der Sukkot-Woche. In kälteren Gegenden sollen wenigstens alle Mahlzeiten in der Sukka eingenommen werden. "Im Fall von Regen oder bitterer Kälte braucht man nicht in der Sukka zu essen. Ebenso ist man vom Sitzen in der Sukka befreit, wenn man krank ist, oder wenn man sich sorgt und ängstigt, daß man sich erkälten könnte, oder sonst durch schlechtes Wetter davon abgehalten wird. Diese Erleichterungen gelten nicht für den ersten Abend von Sukkot (in der Diaspora die beiden ersten Abende), wo die Verpflichtung, in der Sukka zu essen, alle anderen Erwägungen überwiegt.

Wer auf Reisen ist, ist vom Essen in der Sukka befreit, wenn keine vorhanden ist.

Frauen brauchen nicht in der Sukka zu essen, dürfen aber den entsprechenden Segensspruch sagen, wenn sie es doch tun." [Donin, S. 261]


4. Feststrauß (Lulaw) und Etrog -- die vier Arten


"Eine weitere besondere Mizwa [Pflicht] am Sukkot [Laubhüttenfest] ist das Gebot, vier Arten -- eine Zitrusfrucht (Etrog [= Citrus medica cedra]), einen Palmzweig (Lulaw), drei Myrthenzweige (Hadassim) und zwei Bachweidenzweige (Arawot) -- zu nehmen und sich mit ihnen vor dem Ewigen zu freuen.

Lulaw, Hadassim und Arawot werden zusammengebunden, und der Etrog bleibt gesondert. Jeder Mann sollte einen eigenen Satz der Arba'a minim [vier Arten] haben, um das biblische Gebot zu erfüllen."

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Abb.: Die vier Arten [Vorlage der Abb.: Ouaknin, Marc-Alain <1957 - > ; Hamani, Laziz <1959 - >: Symbole des Judentums / Text von Marc-Alain Ouaknin, Photographien von Laziz Hamani. -- Wien : Brandstätter, ©1995. -- Einheitssachtitel: Symboles du Judaïsme. -- ISBN 3-85447-587-X. -- S. 74. --{Wenn Sie HIER klicken, können Sie dieses Buch direkt bei amazon.de bestellen}]

"Der Lulaw, an den die Hadassim und Arawot angebunden sind, wird in der rechten Hand gehalten und er Etrog, mit dem Stiel (wo er vom Baum abgeschnitten wurde) nach oben, in der linken. Indem man sie zusammenhält, sagt man an jedem Tag Sukkot folgenden Segensspruch:

Gelobt seist Du, Ewiger, unser Gott, König der Welt, der uns durch Seine Gebote geheiligt und uns befohlen hat, den Lulaw zu nehmen.

Wenn man den Segensspruch beendet hat, dreht man den Etrog um, so daß der Stiel nach unten ... ist. Nun schüttelt man den Lulaw [d.h. den ganzen Strauß], mit dem Etrog zusammengehalten, in alle vier Himmelsrichtungen -- Osten, Süden, Westen, Norden -- und dann nach oben und nach unten."

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Abb.: Lulawschütteln [Quelle der Abb.: Seder hat-tefillôt, I, S. 351]

"Während Hallel (der Psalmen zum Preis Gottes), das während der Festwoche jeden Tag im Morgengebet rezitiert wird, hält man auch Lulaw und Etrog in der Hand. Bei den Versen ... werden sie in gleicher Weise in alle Richtungen geschüttelt.

Bei dem speziellen Festgebet hoschanot nimmt jedermann in der Synagoge, mit Lulaw und Etrog in der Hand, an einer Prozession um die Bima teil. Jeden Tag Sukkot findet eine solche Prozession statt, aber am siebenten Tag (der auch Hoschana rabba heißt) gibt es sieben Umzüge. Diese Prozession erinnert an solche Umzüge um den Altar am Sukkot, als der Tempel in Jerusalem noch stand.

Am Sabbat ... werden Lulaw und Etrog nicht genommen und auch kein Segensspruch über sie gesprochen." [Donin, S. 263  - 264]


5. Hoschana rabba -- der siebente Sukkot-Tag


"Der siebente Sukkot-Tag, Hoschana rabba, gilt als ein 'Tag des Gerichts': in der Nacht bleibt man auf, 'lernt' im Mischne Thora des Maimonides, liest das ganze Psalmenbuch und bittet Gott um ein gutes Jahr. Am Morgen entzündet man Jom-Kippur-Lichter, zu Schacharit [Morgengebet] spricht man einen großen Teil der Benediktionen des Schabbat, beim Thora-Ausheben die feiertäglichen Verse. Der Chasan [Kantor] trägt bei seinem Gottesdienst 'am Tag des großen Hosianna' den Totenkittel: im Osten wird die Heiligkeit des Tages mit der des Jom Kippur verglichen. Der Brauch der täglichen Sukkot-Prozession erreicht nun seinen Höhepunkt. Am Hoschana rabba werden sieben Umzüge mit sieben Thorarollen gemacht. Und schließlich kommt die Zeremonie des 'Hoschana-Schlagens': Je fünf blattreiche Weidenzweige werden zu einer 'Hoschana' zusammengebunden, der man dann die Blätter klatschend abschlägt: so möge alles Übel von uns abgetan werden." [Hirsch, S. 179]


6. Schemini Azeret -- Beschlußfest


Der achte Tag von Sukkot wird Schemini Azeret genannt. Er ist ein Fest für sich. An Schemini Azeret sind keine der speziellen Gebote für Sukkot zu beobachten. "Am Abend des hohen Feiertags macht man noch in der Sukka Kiddusch, spricht aber nicht mehr über sie den Segen. Nur diese Abendmahlzeit und die erste am Morgen darauf genießt man noch in der Sukka, und mit einem kurzen Gebet verläßt man sie dann. Im Gottesdienst spielt das Gebet um Regen im Mussafgebet [Zusatzgebet] eine zentrale Rolle ... Am Schemini Azeret ... wird auch das Buch Koheleth gelesen, der 'einst König über Jisrael zu Jerusalem' war, der das Verlangen trug, alles mit Weisheit zu prüfen und zu untersuchen, was unter der Sonne geschieht, und siehe, alles war Eitelkeit und vergebene Jagd nach dem Wind." [Hirsch, S. 179f.]

In Israel und den meisten Reformgemeinden wird Schemini Azeret zusammen mit Simchat Thora begangen.


7. Simchat Thora -- Tag der Gesetzesfreude


"Der letzte, neunte Tag heißt Simchat Tora, Gesetzesfreude, und ist ebenfalls ein vollkommener Feiertag wie Schemini Azeret und die ersten beiden Sukkot-Tage, an denen keine Arbeit getan werden darf. Simchat Tora aber ist geradezu der Inbegriff freudiger Festlichkeit, und an den Freuden an der Thora nehmen auch die Kinder teil. Seit dem elften oder zwölften Jahrhundert ist es üblich, am Simchat Tora die über das ganze Jahr verteilte Vorlesung der fünf Bücher Mosis mit dem Ende des fünften Buches abzuschließen und mit dem Anfang des ersten neu zu beginnen. Der zur Schlußvorlesung aufgerufene wird Chatan Tora, Bräutigam der Thora, genannt, der zum Anfang Aufgerufene Bräutigam des Anfangs, Chatan Bereschit. Außer diesen werden aber in der jubelnden Begeisterung des Festes noch weit mehr Männer aufgerufen, der sonst so strenge Rahmen der Vorschriften ist gesprengt, und selbst Knaben, die noch nicht Bar Mizwa sind, haben jetzt das langersehnte Recht, vor die Heilige Schrift zu treten und ihre Berachot [Benediktionen] aufzusagen. Es ist eine Überraschung, eine Freudenstimmung, wie das Bethaus sie das ganze Jahr nicht kennt. Anstatt einer einzigen werden sämtliche Thorarollen aus der heiligen Lade ausgehoben und von den Männern der Gemeinde -- sie wechseln einander ab, damit möglichst viele die hohe Ehre genießen -- in sieben langen feierlichen Umzügen durch das Gotteshaus getragen." [Hirsch, S. 180f.]

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Abb.: Umzug mit Thorarollen an Simchat Thora bei indischen (!) Juden [Quelle der Abb.: Lange, Nicholas de: Jüdische Welt. -- Augsburg : Bechtermünz, 1997 (© München : Christian, 1984). -- (Bildatlas der Weltkulturen). -- ISBN 3-86047-788-9. -- S. 214f.. --{Wenn Sie HIER klicken, können Sie dieses Buch direkt bei amazon.de bestellen}]

"Und ihnen voraus und hinter ihnen her zieht ein Zug von Kindern, kleinen und größeren, Fähnchen in den Händen, so daß die Freude an der Thora, unserem einzigen, letzten, höchsten Gemeinbesitz, keine Grenzen mehr kennt." [Hirsch, S. 181]

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Abb.: Ungarische jüdische Kinder mit Fähnchen zu Simchat Thora. Aufschrift der Fähnchen: "Jubelt und jauchzet am Fest der Freude über die Thora!"   [Vorlage der Abb.: Féner, Tamás <1938 - > ; Scheiber, Sándor <1913 - >: Jüdisches Leben - jüdischer Brauch / Fotos von Tamás Féner, Text von Sándor Schreiber. -- Wiesbaden : Fourier, ©1984. -- Einheitssachtitel: és beszéld el fiadnak. -- ISBN 3-921695-89-9. -- S. 63.]

"Die würdigsten Greise tanzen, die Thora im Arm, zwischen Kindern, und alle singen das kräftig, fast marschmäßig freudige Thoralied:

Jauchzen wir und freuen wir uns mit dieser Tora,
Denn sie ist uns Kraft und Licht!
Ein Baum des Lebens ist die Tora,
Leben für alle, denn in dir ist die Quelle des Lebens! ...
O Herr, hilf! O Herr, laß wohlgelingen!
O Herr, erhör uns, wenn wir rufen!
Gott allen Geistes, hilf! Erforscher der Herzen, laß wohlgelingen!
Gewaltiger Erlöser, erhör uns, wenn wir rufen!

Nach der Vorlesung findet wieder ein Umzug statt". [Hirsch, S. 181f.]

"Eine Simchat-Tora-Feier in Jerusalem zu sehen -- das bedeutet, bei höchster religiöser Begeisterung zugegen zu sein." [Donin, S. 265]


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