Materialien zur Religionswissenschaft

Menora

Menora -- der siebenarmige Leuchter nach Sacharja 4,2

Judentum als Lebensform

3. Tod und Trauer


von Alois Payer

payer@Well.com


Zitierweise / cite as:

Payer, Alois <1944 - >: Judentum als Lebensform. -- 3. Tod und Trauer. -- Fassung vom 26. April 1999. -- (Materialien zur Religionswissenschaft). -- URL: http://www.payer.de/judentum/jud503.htm. -- [Stichwort].

Erstmals publiziert: 21. Februar 1998

Überarbeitungen: 26. 4. 1999 [Hinzufügung von Buchbestell-Links zu amazon.de]

Anlaß: Lehrveranstaltung Wissenschaftskunde Religionswissenschaft / Theologie, HBI Stuttgart, WS 1995/96

Unterrichtsmaterialien (gemäß § 46 (1) UrhG)

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Übersicht



1. Die jüdische Kunst des Sterbens


"Weil wir nicht wissen, wann er [der Tod] an uns herantritt, weil 'mitten wir im Leben sind vom Tod umfangen', hat man uns im Talmud gelehrt, so zu leben, daß wir jeden Augenblick mit gutem Gewissen für uns und ohne Schaden für andere sterben können. Wie ein Kaufmann, dessen Bücher immer in klarer Ordnung, dessen Gläubiger bezahlt, dessen Schuldner wohl bedient sind. Was sind unsere 'Waren', unser Haben, unser wahres Guthaben in dieser Welt? Die Mizwot, die wir erfüllt haben. Mizwa heißt Pflicht, mit dreizehn Jahren wird jeder Jude ein Bar Mizwa, ein Sohn der Pflicht, aller Pflichten, die das Judentum uns auferlegt. Mizwa heißt Schuldigkeit, alles was wir Gott, unseren Mitmenschen, uns selbst zu tun schuldig sind. ... Eine Mizwa zu tun, seine Pflicht tun zu dürfen, ist ein jüdisches Vorrecht, worüber wir glücklich sind. Und darum wird mit Recht glücklich geschätzt und beneidet, wem ein freudiges Pflichtentun aus seinem Leben und aus seinem Tode zu machen gegeben ist, wer also auch mit Bewußtsein, nicht widerstrebend und selbst die letzten Gebete sprechend, sterben kann, die mit der Bitte beginnen:

Öffne mir die Pforten der Gerechtigkeit

Die Pforten der Gerechtigkeit kann der Sterbende selbst zu seinem Teil sich auftun helfen. Wenn er seine Stunde kommen fühlt, überblickt und prüft er noch einmal sein Leben und macht nicht bloß über sein Geld, das er nicht ins Grab mitnehmen kann, Testament, sondern versucht noch Gutes zu tun, soviel er kann, und Ungutes, dessen er sich erinnert, furchtlos wiedergutzumachen; das Grab ist keine Zufluchtsstätte für Defraudanten des Lebens, das Sterben ist ein Übergang in eine andere, neue Welt. Und wenn einem das Sterben schwer und schmerzensreich ankommt, soll wenigstens der Gedanke an Gott auch jetzt noch und jetzt wieder stärker sein als alle Schrecken vor dem Tode. Das Widduj, das Sündenbekenntnis, befreit zum letztenmal die Seele.

Ich danke dir, daß du mich ins Leben gerufen hast. Du hast mir eine Seele gegeben und für mein täglich Brot gesorgt. Nun kommt der Augenblick, da ich die Seele, die du mir gegeben hast, dir wiedergeben soll. Nimm du sie selbst von mir, wie mit Küssen deines Mundes, daß nicht der Todesengel mich quäle. Birg mich im Schatten deiner Flügel. Mag mein rückkehrender Sinn, mein Bußfertiger Wille, mein Leiden und Todeskampf mir Entschuldigung bringen von allem Schlechten.

Noch einmal segnet der Sterbende seine Kinder. Auf eines jeden Kindes Kopf legt er die Hände und spricht:

Gott lasse dich wie Ephraim und Manasse werden! (Und zu Mädchen und Frauen: Wie Sara, Rebekka, Rahel und Lea!) Der Herr segne und behüte dich. Der Herr lasse dir sein Antlitz leuchten und sei dir gnädig. Der Herr wende sein Antlitz dir zu und gebe dir Frieden ...

Und dann, als wenn der Segnende sich nun an Gott zu einer Zwiesprache über sich selbst und Fürbitte wendete:

O möchte doch der Geist Gottes auf ihm ruhen, der Geist der Weisheit und Vernunft, der Geist des Rates und der Stärke, der Geist der Erkenntnis und der Gottesfurcht ...

Und endlich, nach dem Segen, folgt wie ein Monolog das Gebet:

Der Engel, der von allem Übel mich erlöst, segne diese Knaben, mein Name und der Name unserer Urväter Abraham, Isaak und Jaakob dauern in ihnen, und sie mögen sich mehren und ausbreiten im Lande."

[Hirsch, Leo <1903 - 1943>: Jüdische Glaubenswelt. - Gütersloh : Bertelsmann, 1966. - S. 73 - 75]


2. Verhaltensmaßregeln gegenüber Sterbenden


"Die harmonische Auffassung vom Wesen des Todes hindert natürlich nicht, daß man alles aufbietet, um einen tödlich Erkrankten gleich wohl zu retten zu versuchen, das ist vielmehr Pflicht. Und es ist auch üblich, in besonderen Fällen für einen mit dem Tode Ringenden öffentlich zu beten. Sonderlich poetisch erscheint dabei ein im Osten lange volkstümlicher Brauch, für einen jungen, dem Tode nahen Menschen 'Jahre zu sammeln'. Das geschieht in der Weise, daß, wie zum Beispiel in einer ... Legende, die Mitglieder der Gemeinde sich bereit erklären, auf Jahre, Monate, Wochen ihres eigenen Lebens zugunsten des verfallenen Lebens eines noch jungen Rabbis zu verzichten, und ein junges Mädchen zeichnet sogar ihr ganzes Leben. In der Legende stirbt das junge Mädchen, der Rabbi aber wird gesund und lebt innerlich nun auch noch das Leben der für ihn Gestorbenen mit. Daß solche Vorstellungen mit einer strengen Auffassung des Judentums schwer vereinbar sind, braucht nicht weiter ausgeführt zu werden.

Die strengste Auffassung zeigt sich in den Verhaltensmaßregeln gegenüber dem Sterbenden.

Ehe der Tod eintritt, rufen die Menschen, die bei dem Sterbenden sind -- und man soll niemand allein lassen, der stirbt --, deutlich und ausdrücklich noch einmal jene Sätze, in welche der Lebensinhalt des Judentums gefaßt ist:

Gott herrscht, Gott herrschte, Gott wird herrschen in alle Ewigkeit.

Dann dreimal:

Gepriesen sei sein Name, der Ruhm seines Königtums in alle Ewigkeit."

[Hirsch, Leo <1903 - 1943>: Jüdische Glaubenswelt. - Gütersloh : Bertelsmann, 1966. - S. 76]


3. Nach Eintritt des Todes


"Dann legt man eine Feder auf seine Oberlippe, um sich vom Tode zu überzeugen. Und dann spricht man den Spruch, der sich später den andern, die Todesnachricht Hörenden auf die Lippen drängen wird:

Gepriesen sei, der richtet in Wahrheit!

und betet in angemessen klagendem Tone besondere Gebete. Man drückt dem Toten die Augen zu, bindet ein Tuch um Kinn und Schläfen über dem Kopfe zu, damit der Mund geschlossen bleibe, und die Umstehenden zerreißen etwas an ihren Kleidern zum Zeichen der Trauer. Man bettet den Leichnam zur Erde auf etwas Stroh, legt ihm ein Kissen unter den Kopf, reckt Arme und Füße gerade, deckt ihn mit einem schwarzen Tuche zu, man zündet ein Licht an und stellt es ihm zu Häupten und legt den Leichnam endlich mit den Füßen in der Richtung der Türe hin, aus der er hinausgetragen werden soll. Um nicht sagen zu müssen: Mir ist der und der gestorben, zeigt man es seinem Nachbarn durch ein Zeichen an, indem man alles Wasser ausgießt, das im Hause ist, das Wasser, worin der Todesengel sein Schwert gespült habe. Und man verhängt den Spiegel, um nicht zwei Tote sehen zu lassen. Bis zur Beerdigung läßt man auch jemand bei dem Toten wachen, erfahrene Menschen, die auch einem Scheintoten Hilfe leisten können. Alle diese Liebesdienste werden gewöhnlich von Mitgliedern der Chewra Kadischa, der Heiligen Bruderschaft, getan, die es in jeder Gemeinde gibt und die seit alters her sich guten Werken widmet."

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Abb.: Totenwache (Deutschland, 18. Jhdt.)

"Einige Stunden nach dem Tode findet die Tahara, die Reinigung des Leichnams statt, der nach gewissen Bestimmungen gesäubert und mit lauwarmem Wasser gewaschen wird, zuerst der Kopf, zuletzt die Füße, und nur der Teil, den man im Augenblick reinigt, darf unbedeckt bleiben. Man kleidet den Toten in sein einfaches, weißleinenes Sterbekleid, die Männer in ihre Sterbekittel, die sie das erstemal als Bräutigam, dann am Neujahrs- und Versöhnungsfest und an den Sederabenden getragen haben, und tut darüber den Tallit, den Gebetsmantel. Wie die Sterbekleider sind auch die Särge ohne Unterschied gemacht und schmucklos: Wie der Tod, so soll man auch fürs Kleid und Haus der Toten keine Unterschiede machen.

Was haben die Hinterbliebenen zu tun? Wenig. Bis zur Beerdigung -- in dieser Zeit nennt man den Trauernden Onen -- haben sie kein Gebet zu verrichten und keinen Segen zu sprechen, jeden Verkehr zu meiden und niemand zu grüßen, kein Fleisch zu essen und keinen Wein zu trinken, und die Männer legen keine Tefillin. Man macht als Onen nicht 'Hamozi' und benscht nicht, man sagt kein Amen und tut keine Mizwa, kann weder zum Minjan noch zum Mesuman-Benschen mitgezählt werden, und nur der Schabbat und Festtag unterbricht jede Trauer."

[Hirsch, Leo <1903 - 1943>: Jüdische Glaubenswelt. - Gütersloh : Bertelsmann, 1966. - S. 78f.]


Zur Frage der Autopsie

Das jüdische Gesetz verbietet die Verstümmelung des Körpers. Deshalb waren Autopsien in Israel Gegenstand zahlreicher Kontroversen. Autopsien wurden von rabbinischen Autoritäten nur als Ausnahme gestattet, wenn dadurch im Falle von erblichen Krankheiten überlebende Verwandte gerettet werden können oder wenn es zur Aufklärung von Verbrechen nötig ist.


4. Beerdigung


Tote müssen eine Erdbestattung erhalten, Verbrennung (Kremation) ist verboten. Als Begründung für das Kremationsverbot gilt Genesis 3,19.

Denn Erde bist du, und zur Erde kehrst du wieder

Außerdem muß die Beerdigung möglichst innerhalb von 24 Stunden nach Eintritt des Todes stattfinden (im Höchstfall dürfen drei Tage zwischen Tod und Beerdigung vergehen).

"Am Schabbat und am Versöhnungstag darf auch keine Beerdigung stattfinden. Im übrigen aber gehört die letzte Ehre, die man dem Toten erweist, indem man den Leichenzug, wessen auch immer, begleitet, zu den Mizwot [Pflichten], von denen es heißt, daß man ihre Früchte, gewissermaßen ihre Zinsen schon in diesem Leben genieße, während die Anrechnung ihres Hauptwertes, also des Kapitals, für die künftige Welt vorbehalten bleibe. Ein Gebet wird gesprochen, wen man auf dem Friedhof angekommen ist, den der Volksmund euphemistisch 'guten Ort' nennt, und wenn der Sarg ins Grab gesenkt ist, schüttet jeder drei Schaufeln Erde darauf, Staub bist du und zu Staube kehrst du heim ...

Wenn der Sarg ganz mit Erde bedeckt ist, sprechen die männlichen Hinterbliebenen jenes aramäische Kaddischgebet [s. unten], worin kein Wort vom Tod spricht und die Gottesliebe triumphiert. Dann bildet man Spalier aus zwei Reihen, zwischen denen die Leidtragenden hindurchgehen, und man spricht ihnen zu:"

Der Allgegenwärtige tröste Dich (Euch) inmitten der übrigen, die um Zion und Jerusalem trauern

"Man reißt Gras aus und wirft es hinter sich, die Vergänglichkeit des Irdischen zu bezeugen. Und man wäscht sich die Hände, ehe man den Friedhof verläßt."

[Hirsch, Leo <1903 - 1943>: Jüdische Glaubenswelt. - Gütersloh : Bertelsmann, 1966. - S. 79.]

Beim Händewaschen spricht man:

Er vernichtet den Tod in Ewigkeit, und der Ewige, Gott, wischt die Träne von jedem Angesichte, und die Schmach seines Volkes entfernt er von der ganzen Erde, denn der Ewige hat gesprochen.

Dann spricht man Psalm 91: "Wer im Schutz des Höchsten sitzt ..."


Sonderregeln zur Beerdigung

Selbstmörder müssen an gesonderter Stelle am Rande des Friedhofs begraben werden.

Ein Kohen (Priester) darf nur an Begräbnissen der Mitglieder der nächsten Familie teilnehmen. Will ein Kohen an einer anderen Beerdigung teilnehmen, muß er sich in beträchtlicher Entfernung vom Beerdigungsort aufhalten; Nähe zu einem Verstorbenen gilt als unrein und ist einem Kohen verboten.


5. Trauerzeiten


Schiwa -- die sieben Tage

"Für die Hinterbliebenen beginnt mit der Beerdigung die eigentliche Trauerzeit, deren erste und traurigste Phase die 'Schiwa' (Sieben), die erste Woche ist, in der sie 'Schiwa sitzen'. Die Hinterbliebenen, die Schiwa zu sitzen haben, sind:

Der Ausdruck 'Schiwa sitzen' kommt daher, daß man während dieser sieben Tage zu Hause trauert und wie unsere Vorfahren im Altertum auf keinem Stuhl oder Polster, sondern auf der Erde oder niederen, harten Schemeln sitzt; nur wer alt und sehr gebrechlich ist, mag sich ein Kissen unterlegen. Man tut keine Arbeit in diesen Tagen, und wer ein Geschäft hat, schließt es. Man läßt auch seine Angestellten nicht für sich arbeiten. Man liest und 'lernt' aus der Heiligen Schrift in dieser Zeit nur das Buch Hiob oder die düsteren Kapitel aus Jeremia. Man reißt sein Kleid ein, man trägt keine ledernen Schuhe. Man geht nicht aus, und in seiner eigenen Stube mag man wohl hin- und hergehen, aber wenn Menschen kommen -- und es ist eine Mizwa [Pflicht], Trauernde zu trösten --, bleibt man auf seinem niederen Sitz und grüßt niemand. Man badet nicht in warmem Wasser und schert sich weder Haupt- noch Barthaar. Während dieser sieben Tage ist es eine Mizwa [Pflicht], morgens und abends im Trauerhaus einen regulären Gottesdienst mit Minjan -- zehn erwachsenen Männern -- abzuhalten, um dem Adel, dem Trauernden, Gelegenheit zum Kaddisch

sagen zu geben.

Den Schabbat über wird die Schiwa unterbrochen, man geht in die Synagoge beten wie immer und am Freitagabend, wenn nach der letzten Strophe des Legal do die Gemeinde sich singend zur Tür umkehrt, holt der Rabbiner die Trauernden bei den Worten 'Bo beschlaf' (Komm in Frieden) feierlich ein und geleitet sie zum Zeichen der Teilnahme aller an ihrem Kummer, der nun vor der Festlichkeit des Schabbat schweigen möge, zu ihrem Sitz. Jeder Festtag vollends hebt die Schiwa vollständig auf. Alle diese Vorschriften bekunden das Vorrecht des Lebens über das Recht des Todes, der Freude über die Trauer."

[Hirsch, Leo <1903 - 1943>: Jüdische Glaubenswelt. - Gütersloh : Bertelsmann, 1966. - S. 79f.]


Scheloschim -- die dreißig Tage

"Auf die Schiwa folgen die Scheloschim, die dreißig Tage, die zweite Phase der Trauer, dieser Monat wird aber vom Todestage an gerechnet. Auch in dieser Zeit schert man sich nicht Haupt- und Barthaar, macht man kein Fest mit, weder eine Suda noch eine Hochzeit, und vermeidet es, Musik zu hören".

[Hirsch, Leo <1903 - 1943>: Jüdische Glaubenswelt. - Gütersloh : Bertelsmann, 1966. - S. 80]


Awelut -- das Trauerjahr

Die dritte Trauerperiode, Awelut, wird nur für die Eltern gehalten. Awelut endet nach dem Ablauf von zwölf jüdischen Kalendermonaten vom Todestag an gerechnet. Während dieser Zeit sollte man an keinen Festlichkeiten (Konzerten, Theateraufführungen, Festmählern mit Musik usw.) teilnehmen. Söhne sagen die ersten 11 Monate dieses Jahres täglich Kaddisch (s. unten). Nach Ablauf von Awelut darf man öffentlich keine Trauer mehr zur Schau stellen.


6. Kaddisch


Vom Tag der Beerdigung an ist ein Sohn 11 Monate lang verpflichtet, täglich beim öffentlichen Gottesdienst Kaddisch zu sagen. Zum Kaddisch-Sagen ist ein Minjan, ein Quorum von 10 erwachsenen Männern, erforderlich. Beim Kaddisch-Sagen steht man mit geschlossenen Füßen, in respektvoller Haltung. In manchen Gemeinden spricht nur eine Person Kaddisch, in vielen sprechen es alle Trauernden zusammen. Hat ein Verstorbener keinen Sohn, dann ist es Sitte, einen frommen Mann für ihn Kaddisch sagen zu lassen.

Kaddisch

Daß gehöht
und daß geweiht
Sein Name sei
im All, erschaffen, wies Ihm fromm',
und sein Reich, walt' ers, komm',
solang euch Leben
und Tag gegeben,
und beim Leben von ganz Haus Israel,
daß das bald so
uns in naher Zeit --
Drauf sprecht: AMEN
Sei Sein Nam' erhoben
Welt auf Welt auf Ewigkeit.
Preis und Dank --

Daß bedankt
und daß genannt
und daß umglänzt
und daß erhöht
und daß gefeit
und daß umkränzt
und daß geweiht
und daß gelobt
des Heilgen Name -- IHM RUHM --
Ob allem hoch,
was Preises Zungen
je Sang gesungen
je Klang geklungen
je Trost erschwungen
in dieser Welt Worten --
drauf sprecht: AMEN.

Sein großer Friede komm' von oben
uns Leben herab uns
und ganz Israel --
Drauf sprecht: AMEN.
Der Friede macht auf seinen Höhn,
der mache Frieden über uns
und über ganz Israel --
Drauf sprecht: AMEN

Übersetzung: Franz Rosenzweig. -- In: Gabe für Rabbiner Dr. Nobel. -- Frankfurt, 1921.
Zitiert in: Geis, Robert Raphael: Vom unbekannten Judentum. -- Freiburg [u.a.] : Herder, ©1961. -- (Herder-Bücherei ; 102). -- S. 28f.

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7. Grabsteinsetzung und Grabsteinenthüllung


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Abb.:  Jüdischer Friedhof in Jungholtz, Elsaß. Der Friedhof liegt außerhalb der Mauer des christlichen Friedhofs (= Kirchhofs) . [Quelle der Abb.: Assall, Paul: Juden im Elsaß. -- Bühl-Moos : Elster, ©1984. -- ISBN 3-89151-000-4. -- S. 50. --  {Wenn Sie HIER klicken, können Sie dieses Buch direkt bei amazon.de bestellen}]

Die Sitte, über dem Grab einen Grabstein zu errichten, wird auf Genesis 35,19 - 20 zurückgeführt:

"Rachel starb und wurde auf dem Wege nach Ephrata, d.h. Bethlehem, begraben. Jakob errichtete einen Gedenkstein auf ihrem Grabe. Es ist der Denkstein auf dem Rachelgrabe bis auf den heutigen Tag."

Auf dem Grabstein eines Kohen (Priester) sind oft ausgebreitete Hände abgebildet, als Symbol für den Priestersegen (Leviticus 6, 22 - 27):

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Abb.: Grabstein eines Kohen ('Kahn') im Elsaß. [Quelle der Abb.: Assall, Paul: Juden im Elsaß. -- Bühl-Moos : Elster, ©1984. -- ISBN 3-89151-000-4. -- S. 39. --  {Wenn Sie HIER klicken, können Sie dieses Buch direkt bei amazon.de bestellen}]

Grabsteine von Leviten tragen oft einen Krug oder einen Becher als Symbol für die Aufgabe der Leviten, über die Hände des Kohen vor dem Priestersegen Wasser zu gießen:

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Abb.: Grabstein eines Levi in Weikersheim [Quelle der Abb.: Liedel, Herbert <1949 - > ; Dollhopf, Helmut <1941 - >: Haus des Lebens : jüdische Friedhöfe. -- Würzburg : Stürtz, ©1985. -- ISBN 3-8003-0251-9. -- S. 48. --  {Wenn Sie HIER klicken, können Sie dieses Buch direkt bei amazon.de bestellen}]

Ein relativ neuer Brauch ist die Enthüllung des Grabsteins -- Gilui Mazewa --, bei der der Grabstein öffentlich eingeweiht wird.

Beim Grabbesuch legen manche Trauernde Steine auf den Grabstein zum Zeichen, daß man den Toten (die Tote) nicht vergessen hat.


8. Jahrzeit


Jahrzeit ist die Wiederkehr des Todestages. Söhne sind verpflichtet, am Jahrzeitstag Kaddisch zu sagen. Es ist Sitte, am Abend der Jahrzeit ein Licht anzuzünden (auch ein elektrisches Gedenklicht ist zulässig) und es 24 Stunden lang brennen zu lassen. Grundlage dafür ist Sprüche 20,27: "Ein Licht Gottes ist des Menschen Seele."


9. Beerdigung von Thorarollen, Gebetbüchern und sonstigen Ritualgegenständen


Früher wurden Schriftrollen und sonstige Ritualgegenstände, die nicht mehr zu gebrauchen waren, in einem Hinterzimmer der Synagoge (Geniza) aufgehoben. Heute begräbt man solche Gegenstände auf dem Friedhof mit der gleichen Würde und Sorgfalt wie einen Menschen.


Zum nächsten Abschnitt: 5.4. Kaschrut -- die Speisegesetze