Internationale Kommunikationskulturen

10. Kulturelle Faktoren: Kleidung und Anstand


von Margarete Payer

mailto: payer@hdm-stuttgart.de


Zitierweise / cite as:

Payer, Margarete <1942 - >: Internationale Kommunikationskulturen. -- 10. Kulturelle Faktoren: Kleidung und Anstand. -- Fassung vom 2001-05-13. -- URL: http://www.payer.de/kommkulturen/kultur10.htm. -- [Stichwort].

Erstmals publiziert: 2001-05-13

Überarbeitungen:

Anlass: Lehrveranstaltung, HBI Stuttgart, 2000/2001

Unterrichtsmaterialien (gemäß § 46 (1) UrhG)

©opyright: Dieser Text steht der Allgemeinheit zur Verfügung. Eine Verwertung in Publikationen, die über übliche Zitate hinausgeht, bedarf der ausdrücklichen Genehmigung der Herausgeberin.

Dieser Text ist Teil der Abteilung Länder und Kulturen von Tüpfli's Global Village Library


0. Übersicht


Teil I: Stile und Moden. -- URL: http://www.payer.de/kommkulturen/kultur101.htm

Teil II: Bekleidungsstücke. -- URL: http://www.payer.de/kommkulturen/kultur102.htm

Teil III: Accessoires und Schmuck. -- URL: http://www.payer.de/kommkulturen/kultur103.htm

Teil IV: Körpergestaltung. -- URL: http://www.payer.de/kommkulturen/kultur104.htm

Teil V: Anstand. -- URL: http://www.payer.de/kommkulturen/kultur105.htm


Statt eines Motto:

"Die Schönheit flieht; doch Sittsamkeit
Und Sanftmuth stets verschönt,
Der wird das Leben Seligkeit,
Die sich daran gewöhnt."

[Abb.: Goldenes ABC für Jungfrauen. -- II. Blatt. --  Neu-Ruppin : Kühn, o.J. -- ([Neuruppiner Bilderbogen] ; 2332)] 


1. Einleitung


In diesem Kapitel werden Kleidung und "Anstand" vor allem in ihrer Bedeutung für Kommunikation behandelt. Da ich in Fragen der Mode keine besondere Kompetenz habe, zitiere ich reichlich aus den Werken von Fachleuten.


2. Kleidung



Abb.: Paul, Bruno: Das weiß Gott!. -- In: Simplizissimus. -- 1906
"Man kann sagen, was man will, Herr Oberstudienrat, der nackte Körper ist doch etwas Scheußliches!"


Abb.: Reichspräsident Friedrich Ebert (1871 - 1925; Deutscher Reichspräsident 1919 - 1925) und Reichswehrminister Gustav Noske (1868 - 1946; Reichswehrminister 1919 - 1920), beide SPD bei der Eröffnung eines Kinderheims im Ostseebad Haffkrug, 1919. Das Bild sorgte für einen Skandal (Foto: Ullstein)

Kleidung ist Ausdruck von vielerlei: von praktischen Bedürfnissen wie Schutz, und von vielen nicht-praktischen -- zum Teil sogar unpraktischen Bedürfnissen -- wie

Hier geht es vor allem um Kleidung als Mittel der Kommunikation und um Kleidung als Code.

"Der berühmte französische Soziologe [Jean] Baudrillard [geb. 1929] hat einmal in einem amüsanten Essay beschrieben, wie es gewesen wäre, wenn am Vorabend der Revolution [1789] ein Fremder die Stadt Paris betreten hätte. Er hätte jedermann dechiffrieren können. Er hätte genau erkannt, welche soziale Position jeder, der ihm begegnet wäre, gehabt hätte. Er hätte Edelmänner, Huren und Handwerker auf einen Blick an ihrer Kleidung erkennen können. Warum? Weil jedermann in einer sozial genau geordneten Gesellschaft zunächst einmal durch seine Kleidung gekennzeichnet war. Und diese Ordnung durfte niemand durchbrechen. Es musste eine furchtbar blutige, welterschütternde Revolution kommen, um diese soziale Ordnung für immer und ewig zu zerstören. Für immer und ewig? Nein. Auch heute noch sind viele um uns herum durch ihre Kleidung gekennzeichnet. Bis auf einige Berufsgruppen sind freilich die Kleiderordnungen aufgehoben. Trotzdem funktioniert in merkwürdiger Weise die soziale Zuordnung von Menschen über das Erkennen und Beurteilen von Kleidern und Accessoires. Innerhalb der Kulturen speichern wir Wissen über Dresscodes. Früher war das vorzugsweise national. Heute funktioniert immer stärker die Entzifferung internationalisierter Codes. Die Welt wächst zusammen. "

[Polte, Peter Paul. -- In: Koch-Mertens, Wiebke <1943 - >: Der Mensch und seine Kleider. -- Düsseldorf [u.a.] : Artemis & Winkler. -- Teil 2: Die Kulturgeschichte der Mode im 20. Jahrhundert. -- ©2000. -- ISBN 3538071047. -- S. 9. --  {Wenn Sie HIER klicken, können Sie dieses Buch  bei amazon.de bestellen}]


Abb.: Schiff, Friedrich <1908 - 1968>: "Die Lehren der westlichen Zivilisation". -- China, 1940er-Jahre

[Bildquelle: Kaminski, Gerd <1942 - > ; Unterrieder, Else <1937 - >: Von Österreichern und Chinesen. -- Wien [u.a.] : Europaverlag, ©1980. -.- ISBN 3-203-50744-7. -- S. 768]

Kleidung so als Code verstanden ist ein wichtiges Element von sowie eine wichtige Grundlage für Kommunikation. Da die Kleidungscodes zwar immer internationaler verständlich werden, aber dennoch viele regionale und subkulturelle Eigenarten beibehalten oder neu erwerben, muss Kleidung im Rahmen internationaler Kommunikationskulturen behandelt werden.

Welche Kleidung man trägt, ist von vielen Faktoren abhängig, z.B. von

Webportale für Kleidung:

2.1. Zum Beispiel: Bäuerliche Trachten in Deutschland, 19. bis erste Hälfte 20. Jahrhundert



Abb.: Menzel, Adolf <1815 - 1905>: Zwei Generationen auf dem Weg zum nächsten Dorf in der Marburger evangelischen Tracht

Zur Einführung in Kleidung im Zusammenhang mit Kommunikationskulturen ist ein Blick auf den traditionellen Gebrauch bäuerlicher Trachten sehr lehrreich.

In ihrem Buch

Weber-Kellermann, Ingeborg: Landleben im 19. Jahrhundert. -- München : Beck, ©1987. -- 461 S. : Ill. -- ISBN 3-406-32177-1

schreibt die Autorin zu "Die Kleidung als soziales Zeichen" u.a.:

"«Breit an den Lindenbaum hingelehnt saß der Großbauer da und stemmte die Fäuste auf den Tisch. Er hatte eine kohlschwarze Fellhose an, die von den Knien ab mit steifem Leder besetzt war bis nieder zu den beschlagenen Bundschuhen; dann eine schwarze Weste mit einer Reihe großer Silberknöpfe. Und er hatte eine kurze Jacke aus dunkelbraunem Tuche an und einen schwarzen seidenwolligen Hut mit schmaler eingeringelter Krempe auf. An seinen Ohrläppchen blinkten zwei goldene Scheiblein. Um den Bauch trug er einen breiten, mit weißer Seide ausgesteppten Ledergurt, auf dessen Schild unter vielem Zierrat die Buchstaben F. G. standen. Das war der Guldeisner Franz in seiner Großbauerntracht.»

Mit den Zeichen der Kleidung präsentierte sich hier ein steirischer Großbauer. Und erstaunt beobachtete ein Berliner Stadtkind, die spätere Kammersängerin Frida Leider (1888 - 1975), welche Plagen ihre Lausitzer bäuerliche Tante auf sich nahm, um würdig am Sonntag in der Kirche ihrem Stande gemäß aufzutreten:

«Die friedlichen Sonntage, an denen die Landbevölkerung in ihren heimatlichen Trachten von nah und fern in der Kirche zusammentraf, brachten etwas Abwechslung. Ich musste meine Tante auf den sonntäglichen Kirchgängen begleiten und jammerte viel über den langen, ermüdenden Weg bis zur Kirche, die in Dolzig lag. Zwei Stunden mussten wir in der Sommerhitze zu Fuß gehen, bis wir endlich in dem idyllisch gelegenen Ort ankamen . . . Meine Tante, die sich in ihrer geschnürten Taille und den vielen übereinander gezogenen schwarzen Taftröcken sicherlich viel ungemütlicher fühlte als ich, redete mir immer wieder zu und erklärte mir, dass man im Sommer nicht mit Pferd und Wagen zur Kirche fahren könne, da die Pferde auch ihre Sonntagsruhe brauchten. »

Hier kann nicht ein Überblick über die Volkstrachten im deutschen Sprachgebiet gegeben werden. Vielmehr geht es um den Zeichencharakter der Tracht für Jung und Alt, um ihre Rolle im Mentalitätshaushalt des Dorfes, um bäuerliche Anmut und Ästhetik, die aber nie einen einzelnen betraf. Vielmehr umfasste sie immer Mitglieder einer Gruppe im materiellen oder im altersmäßigen Sinne: ein Kind, eine reiche Braut, eine Tagelöhnerin, einen behäbigen Altbauern. ...

Die erste strukturelle Frage heißt also: Was ist -- oder was war -- eine Tracht? Tracht kommt von Tragen. Sie war nicht die Summe einer Reihe ländlicher Kleidungselemente, sondern Schnitt und Stoffwahl, Farben und Formen, Gestik und Gang bildeten ein Kleidungssystem als zeichenhaften Ausdruck einer dörflich-bäuerlichen Lebensordnung mit den bestimmenden Werten 

«Tracht» umschloss also eine ganze Fülle von wirtschaftlichen und sozialen Tatsachen. Sie erstarrte nicht in einer bestimmten Form, sondern blieb eine wandlungsfähige, den Dorfmoden folgende Bekleidungsweise, aus der viel über den «Stand» ihrer Träger zu entnehmen war. Allerdings vollzogen sich die Veränderungen innerhalb der Dorftrachten nicht mit dem raschen Tempo der Stadtmoden, so dass oberflächlich gesehen für das Dorf der Eindruck des Traditionell-Dauerhaften entstand, bemerkten doch die fremden Besucher kaum etwas von diesem langsamen und nur am Detail zu beobachtenden Wandel. Grundsätzlich ging es bei der Tracht immer um Einzelheiten
der Kleidung in Farbe, Form und Zahl der Elemente.

Im Gegensatz zu der von einem Zentrum -- Paris, London oder Berlin -- gesetzten und kommerziell geplanten Stadtmode war also Tracht der formalisierte Ausdruck von Gruppendenken. Stets enthielt sie Zeichen einer dörflichen Hierarchie, und solange die Regeln des Abstandes von 

gleich blieben, änderte sich wenig Grundsätzliches an den Trachten. 

Auch die Konfessionen der Trachtenlandschaften spielten für die Bekleidung, besonders für die Farben, eine bedeutende Rolle. Das galt vor allem für die Festtrachten. 

Aber noch andere Motive begründeten eine Vielfalt der Trachtenausstattung. Das dörfliche Leben war in seinem Kleidungsverhalten auch durch den Jahresrhythmus von Arbeit und Fest gegliedert, und innerhalb dieser beiden Oppositionen gab es wiederum eine Menge von Variationen; so bei der Festtracht: 

Auch die Arbeitskleidung war keineswegs gleichförmig und sah anders aus bei der Heu- oder Getreideernte als beim Stallausmisten oder beim Dreschen, trug man doch zur Ernte wegen der Hitze weiße Leinensachen von fast festlichem Zuschnitt.

Aus dieser skizzenhaften Vorstellung einer breiten Skala von Trachten zu allen Gelegenheiten geht bereits hervor, welche Fülle von sozioökonomischen Daten notwendig wäre, um jeweils den Kontext des spezifischen landschaftlichen Kleidungsverhaltens im dörflichen Leben ausreichend darzustellen.


Abb.: Karte von Hessen mit der Schwalm (©MS-Encarta)

Für Hessen hat Adolf Spamer die Sprache der Zeichen und Farben, die sich in den Trachten äußern, anschaulich interpretiert:

«Spiegelt die Festtracht des bäuerlichen Menschen unverhüllt seinen künstlerischen Geschmack, so offenbart das Schmuckbedürfnis mit seiner landschaftlichen Abstufung von ernster Zurückhaltung bis zu hemmungsloser Prunksucht allgemeinere seelische Züge. Aber auch im Äußerlichsten zeigt sich die Tracht als eine durch Sitte und Brauch streng geregelte sinnbildhafte Abstempelung ihrer Träger. Schon an den Farben der Kleidungsstücke wie ihrer Zierrate unterscheidet man 

in der Schwalm auch den Knaben vom Jüngling und Mann (durch grüne, rote und schwarze Achselstücke) und selbst das 'gefallene' Mädchen vom jungfräulichen. Im Hüttenberg waren früher auch Zusammenstellungen von Hellblau und Kirschrot für unverheiratete Mädchen und Grün und Veilchenblau für junge Frauen beliebt. Diese Farbenskala wirkt sich in allen Einzelheiten der Kleidung bis auf die Knöpfe (Schwalm) und Schuhlaschen (Hinterland) aus. 

mit genauer Abstufung nach den Verwandtschaftsgraden regeln Werktags-, Festtags- und Brauttracht. Die trauernde Schwälmerin trägt Strümpfe, deren Muster im Gegensatz zur rechtsmaschigen Ornamentik der Freudenstrümpfe linksmaschig gestrickt sind, und in der Tracht westlich Marburgs wurden früher die Schuhe der trauernden Frau mit schmalem statt breitem Band gebunden. Auch vertauschen die Schwälmer Neuverheirateten am ersten Ehetag die viereckigen 'Freudenschnallen' der Schuhe mit den ovalen 'Trauerschnallen', da der Ernst des Lebens begonnen, und die junge Hüttenberger Frau schnürt ihr Mieder im Zickzack statt parallel, wie sie es als Mädchen tat. 


Abb.: Brautpaar aus der Schwalm, um 1930/40 (Vitrine im Museum für Deutsche Volkskunde, Berlin)

Den Wohlstand kennzeichnen 

Das reichste Mädchen von Schrecksbach trug 16 Röcke [zur Kirmes], während im Hüttenberg des vorigen Jahrhunderts nur ein Dutzend für die Braut bezeugt ist. Auch die Zahl der im Kreise Biedenkopf früher in die Strümpfe eingenähten Wülste soll Gradmesser des Wohlstandes der einzelnen Mädchen gewesen sein. 


Abb.: Schwälmer Mädchen in Festtracht, um 1950 (Bild: Museum für Deutsche Volkskunde, Berlin)

Ebenso hoben Einzelzüge der Festtracht den Schwälmer Stammhalter aus seinen Brüdern hervor. 

Der Unterschied von Werktags- und Sonntagstracht erstreckt sich auf alle Einzelheiten der Kleidung bis zu den Strumpfbändern. Doch geht die Sitte in ihren strengen Unterscheidungen noch weiter. Trägt der Schwälmer Bauer zum Abendmahlsgang den schwarzen Rock, so ist das 'Kamisol', der lange dunkelblaue Tuchrock mit violetter Stickerei, das Kleidungsstück für den zweiten Kirchgang am Abendmahlstag, das indessen nach dem Tode eines Kindes nie mehr getragen werden darf. Die weißen Leder- und Leinenhosen der Schwälmer Burschen sind Kirmestracht, aber die einzelnen Kirmestage lassen erneut die Kleidung wechseln, die am Samstag am reichsten ist. 

So ist alles in der ländlichen Tracht alten Schlages nach strenger Sitte geregelt und die Kleiderordnung nur Ausdruck der allgemeinen Lebensordnung, die nicht selten das einzelne Trachtenstück aus allgemeineren Vorschriften der Haltung und des Benehmens erklärt. Erst der vorschriftsmäßige gebeugte Gang des Trauergeleites, früher im Gänsemarsch, heute zu zweien, verleiht dem Trauermäntelchen die volle Wirkung.»" [S. 226 - 231, dort Quellenangaben]


3. Funktionen von Kleidung


Als Grundfunktionen von Bekleidung werden z.B. angegeben

Im Folgenden behandeln wir außerdem die Schamvermeidungsfunktion und teilen die Kennzeichnungsfunktion bzw. Ausdrucksfunktion weiter unter (Identität, Geschlechterrolle, Balz und Imponiergehabe, Lebensstadium, Status und Autorität usw.).

Mit Ausnahme der reinen Schutzfunktion dienen alle genannten Funktionen der Kennzeichnung, dem Ausdruck, der Signalisierung, also der Kommunikation. 


3.1. Schutzfunktion von Kleidung


Die unter vielen klimatischen Verhältnissen für den "nackten Affen" unerlässliche Grundfunktion von Kleidung ist Schutz. Auf diese Grundfunktion soll ein buddhistischer Mönch -- nicht ein  Laie! -- den Gebrauch seiner Kleidung reduzieren. Dies wird in der Betrachtung über den besonnenen Gebrauch des Mönchsgewandes ausgedrückt, die ein Angehöriger des buddhistischen Mönchsordens täglich anstellen soll:

pa.tisankhâ yoniso cîvara.m pa.tisevâmi: yâvad eva 
  • sîtassa pa.tighâtâya, 
  • u.nhassa pa.tighâtaya,
  •  .da.msa-makasavâtâtapa-siri.msappa-samphassâna.m pa.tighâtâya, 
  • yâvad eva hiri-kopina-pa.tichâdanattha.m.

[Text in Pali z.B. Sabbâsavasutta : Majjhimanikâya I, 10]

"Besonnen will ich mein Mönchsgewand gebrauchen: nur 
  • zum Abhalten von Kälte, 
  • zum Abhalten von Hitze, 
  • nur um nicht mit Bremsen, Moskitos, Wind, Sonne und Reptilien in Berührung zu kommen, 
  • nur um meine Schamteile zu bedecken."

Auch Arbeitskleidung und andere Schutzkleidung (z.B. für Feuerwehr, Chemiearbeiter) hat vor allem diese Funktion.


3.2. Schmuckfunktion von Kleidung



Abb.: Indische Musiker (©Corel)

Kleidung als Schmuck hat dieselben Funktionen wie Schmuck im allgemeinen. Schmuck wird in Teil II  ausführlich behandelt.


3.3. Schamvermeidung als Funktion von Kleidung


"Anne aus Hamburg ist mit einem Kenianer verheiratet. Mit ihrem Mann verbrachte sie einen zweimonatigen Urlaub in dessen Heimatdorf. Sie lernte Afrika anders als die Touristen kennen. Sie lebte in der großen Familie ihres Mannes, schloss sich nicht aus der dörflichen Gemeinschaft aus. Mit ihrer Schwägerin Awiny führte Anne lange Gespräche über Europa und Afrika. Dabei kamen eine Menge Vorurteile auf beiden Seiten zum Vorschein. Sie sind so typisch, dass es sich lohnt, einige davon aufzuzeigen; scheinen aber nicht so tief, dass man sie nicht abbauen könnte. Man muss sich der Maßstäbe bewusst sein, mit denen man misst, mit denen man gemessen wird. Man muss wissen, dass der andere einem anderen Kulturkreis angehört, dass er anders ist.

Nachfolgend die Berichte von Anne und Awiny.

»Der Busen ist hier kein Tabu« . . . das fiel Anne bei ihren Verwandten auf.

Mir ist es ziemlich peinlich, mit den Frauen auf dem Land zu sprechen, die barbusig herumlaufen. Ich versuche krampfhaft wegzuschauen, aber irgendwie macht das keinen guten Eindruck. Ich muss versuchen, mich etwas gelassener zu verhalten, zumal sie ja selbst nichts dabei finden. Auch die Männer nicht. Es mag ja sein, dass in Afrika der Busen total für Kinder reserviert ist. Und da Kinder hoch erwünscht sind, ist ein Busen hier nicht mehr oder weniger als eine Babyflasche.

Auf der anderen Seite: Als ich neulich mein Hotel in Shorts verließ, versammelte sich in Windeseile ein Schwarm junger Afrikaner um mich, die wie Teenager kicherten. Damals habe ich gedacht: Ich kann mich doch über meine Beine weiß Gott nicht beklagen und hatte keine Ahnung, worum es ging. Heute ziehe ich nur noch lange Röcke an. ...

»Schamlos zeigen sie ihre Beine« . . . das versteht Awiny bei den Weißen nicht.

Die Frauen der Touristen aus Europa zeigen schamlos ihre Beine. kein Wunder, dass sie auf diese Weise unsere jungen Männer verderben. Wenn wir unsere Kinder stillen, starren ihre Männer uns mit unverschämten Blicken an. Stillen ihre Frauen etwa nicht? ...

Ich könnte niemals tanzen wie die Europäer. Sie umfassen sich in aller Öffentlichkeit dabei, sogar ihre eigenen Verwandten. Sie tanzen mit ihrer Kusine, mit ihrer Schwester, sie tanzen sogar mit der eigenen Mutter."

[Weltblick. -- 4 (1976). -- Zitiert in: Fohrbeck, Karla ; Wiesand, Andreas Johannes: «Wir Eingeborenen». - Reinbeck : Rowohlt, 1983. -- (rororo ; 7764). - ISBN 3810001767. -- S. 22f.]

"Das Vorurteil: Sittenlose Nacktheit

Der Übergang des Menschen vom paradiesischen (Natur-)Zustand zum menschlichen (Kultur-)Zustand wird von alters her mit Hilfe der Feigenblätter von Adam und Eva markiert. Inzwischen trägt man in den meisten Teilen der Welt etwas mehr auf dem Leibe, denn in allgemeinen soll ja weniger die Abgrenzung vom unzivilisierten Naturzustand geleistet werden, sondern eher die von Nachbarn und anderen Konkurrenten um das bessere Aussehen.

Wie viele modische Zwiebelschalen zum Zwecke dieser Unterscheidung an- oder abgelegt werden, ist weitgehend abhängig von den jeweiligen klimatischen und geografischen Umweltbedingungen: Die Wüstengebiete mit ihren tageszeitlichen und die nördliche Erdhalbkugel mit ihren jahreszeitlichen Temperaturschwankungen liefern gewiss mehr Anlass zu dichter Körperbedeckung als die wärmeren und warmfeuchteren Erdgebiete.

Was man dagegen im einzelnen bedeckt oder unbedeckt lässt, ob Busen oder Beine, und mit welcher Art von Kleidungsstücken man dies tut, wird nicht nur von der «Mode», sondern auch von Geschichte, Brauchtum, Geschlecht, Religion, beruflicher Tätigkeit, sozialem Stand oder Tageszeit beeinflusst.

Wer ist schamloser?


Abb.: Strand, Rio de Janeiro (©Corel)


Abb.: Mandarikrieger, Afrika (Photo: Hugo Adolf Bernatzik, um 1940)

Nackte Scham . . .

Nach unserer Vorstellung besteht ein enger Zusammenhang zwischen vollständiger Bekleidung und Schamhaftigkeit, oder umgekehrt, zwischen Nacktheit und sexueller Zügellosigkeit. Diese Vorstellung übersieht aber die Tatsache, dass im oben beschriebenen Sinne eigentlich praktisch niemand völlig «nackt» herumläuft: Ohne Körperbemalungen, passende Frisuren, Lendenschnur, Stammestätowierungen, Schmuck oder eben nur die Bedeckung bestimmter Körperpartien kamen sich die in tropischen Regionen lebenden Landbewohner genauso schamlos nackt vor wie wir ohne entsprechenden Anzug im Büro.
Moderne Verhaltensforscher wie Eibl-Eibesfeldt (hier bei seinem Besuch der Yanomani-Indianer in Brasilien) gehen an diesen interkulturellen Vergleich heute mit weit größerer Offenheit heran als einst christliche Missionare und puritanische Krämerseelen:

«Auch die Frauen (der Yanomani) gingen für unsere Begriffe splitternackt. Sie trugen nichts außer einer dünnen, fein gearbeiteten Schnur um den Leib. Ihre Scham war vollkommen unbedeckt. Eine trug zusätzlich zwei dünne Schnüre kreuzweise über Schulter und Brust.

Die Frauen wähnten sich aber mit ihrer einfachen Lendenschnur durchaus züchtig bekleidet, das merkte ich, als ich bald darauf eine solche Lendenschnur haben wollte. Zuerst verstanden sie mich nicht recht, dann gab es ringsum ein Gekicher und Gelächter, und die befragte Schöne verbarg lachend ihr Untergesicht hinter einer Hand, neigte den Kopf zur Seite, stieß dann ihre Nachbarin an, kurz, sie war höchst geniert. So lernte ich, dass die Frauen und Mädchen sich ohne diese Schnur unanständig nackt fühlten, was nicht hinderte, dass einige sie dann doch gegen weiße Glasperlen eintauschten. Sie zogen sich allerdings sogleich eine andere an, um wieder ordentlich gekleidet zu sein.

In ähnlicher Weise fühlten sich die Männer nackt, wenn sie ihre Penisschnur lösten oder wenn sie von selbst aufging.
Es handelt sich bei diesen Schnüren wohl um Überbleibsel einer Bekleidung, denn nackt kamen die Ahnen der Yanomani ganz sicherlich nicht während der Eiszeit über die Beringstraße. Hier im tropischen Regenwald legten sie die Kleidung als unzweckmäßig ab, bis auf jenes Restchen, das sie brauchten, um sich <kultiviert> zu fühlen und vielleicht auch, um die Spannung der Koketterie erleben zu können. In diesem Sinne ist die Bekleidung, rudimentär, wie sie ist, doch funktionell, weil symbolisch.» [Eibl-Eibesfeld, Irenäus <1928 - >: Menschenforschung auf neuen Wegen : die naturwissenschaftliche Betrachtung kultureller Verhaltensweisen. -- Wien [u.a.] : Molden, 1976.  -- ISBN 3-217-00622-4. -- S. 99 f.]

. . . und angezogene Schamlosigkeit

Paradox genug: Während die «Wilden» offenbar Scham empfinden können, obwohl sie nach unseren Begriffen nahezu nackt herumlaufen, muss ein unvoreingenommener Beobachter unserer Gesellschaft praktisch zu einem entgegengesetzten Schluss gelangen: Kleidung und Schamlosigkeit sind durchaus gleichzeitig denkbar, wie der (fiktive) Südseehäuptling Tuiavii aus Tiavea, der vor etwa fünfzig Jahren Europa bereist haben soll, feststellt:

«Weil nun die Leiber der Frauen und Mädchen so stark bedeckt sind, tragen die Männer und Jünglinge ein großes Verlangen, ihr Fleisch zu sehen, wie dies auch natürlich ist- Sie denken bei Tag und Nacht daran und sprechen viel von den Körperformen der Frauen und Mädchen und immer so, als ob das, was natürlich und schön ist, eine große Sünde sei und nur im dunkelsten Schatten geschehen dürfe. Wenn sie das Fleisch offen sehen lassen würden, möchten sie ihre Gedanken mehr an andere Dinge geben, und ihre Augen würden nicht schielen und ihr Mund würde nicht lüsterne Worte sagen, wenn sie einem Mädchen begegnen.» [Tuiavii <Tiavea>: Der Papalagi : die Reden d. Südseehäuptlings Tuiavii aus Tiavea. -- Hamburg : Release-Verlag, 1973. -- (Edition Luta, Indianer heute). -- S. 13]

Diesen Aspekt der Doppelmoral unserer Bekleidungsrituale beschreibt auch R. König in seiner Soziologie der Mode:

«In der Tat versucht die Kleidung zwei in sich widersprüchliche Dinge zum Ausgleich zu bringen: Sie unterstreicht unsere Reize und dient gleichfalls der Sicherung des Schamgefühls. Beidem gemeinsam liegt aber die geschlechtlich-triebhafte Wurzel zugrunde, die das eine Mal bejaht, das andere Mal verneint wird.» [König, René <1906 - >: Kleider und Leute : Zur Soziologie d. Mode. -- Frankfurt/M. [u.a.] : Fischer-Bücherei, 1967. -- (Fischer-Bücherei ; 822 : Bücher des Wissens). -- S. 15]"

[Fohrbeck, Karla ; Wiesand, Andreas Johannes: «Wir Eingeborenen». - Reinbeck : Rowohlt, 1983. -- (rororo ; 7764). - ISBN 3810001767. -- S. 21 - 24]


3.4. Ausdruck von Identität als Funktion von Kleidung


Kleidung dient der Selbstdarstellung, der Darstellung des Selbst das man sein will oder muss, d.h. sowohl der persönlichen als auch der sozialen Identitäten bzw. Rollen.

Webportal:


3.4.1. Ausdruck von persönlicher Identität


Die folgende Bilderserie demonstriert  sehr deutlich die Funktion von Kleidung als Selbstdarstellung.

Wandlungen in der Selbstdarstellung Gandhis

1. Mohandas K. Gandhi (1869 - 1948) als anglifizierter Inder, Südafrika, um 1900 2. Gandhi als eingeborener Inder im weißen Baumwollgewand, das zur "Uniform" der Kongresspartei wurde. Das Gewand ist nicht ursprünglich indisch, sondern die südafrikanische Gefangenenkleidung, um 1910

3. Gandhi als Asket in selbstentworfener Uniform, einer Mischung aus südindischer Kleidung, Mönchstracht und Soldatenuniform, um 1920 4. Gandhi in seiner endgültigen Kleidung hier mit britischem Indienstaatsekretär Lord Pethik-Lawrence, um 1945

3.4.2. Ausdruck von ideologischer und religiöser Identität


"Die Taliban-Miliz in Afghanistan hat den Turban für Schüler und Studenten zur Pflicht gemacht. Wie es in einem Erlass des Taliban-Führers Mullah Mohammed Omar heißt, droht bei Missachtung der Ausschluss von Schule oder Hochschule. «Das Tragen von Turbanen ist eine Tradition des Großen Propheten Mohammed und Teil der afghanischen Kultur», erläuterte ein Sprecher. Bis zur dritten Klasse dürfen die Schüler eine Kappe tragen."

afp, Kabul. -- 2001-03-29

Selbstdarstellung indischer Unabhängigkeitsführer

Dr. Bhimrao Ambedkar (1891 - 1956), selbst Unberührbarer, Führer der Unberührbaren, Buddhist, militant Anti-Hindu Mohandas K. Gandhi (1869 - 1948), frommer Hindu Pandit Jahwarlal Nehru (1889 - 1864), freigeistiger Hindu, 1947 - 1964 Ministerpräsident von Indien Maulana Azad (1888 - 1958), Muslim, Erziehungsminister 1947 - 1958 Mohammed Ali Jinnah (1876 - 1948), 1847 - 1848, freigeistiger Muslim,  Generalgouverneur von Pakistan
Vgl. die Hagiographien in: Indian freedom fighters. -- URL: http://swaraj.net/iffw/. -- Zugriff am 2001-04-01 


3.4.2.1.  Kleidung als Erfüllung religiöser oder moralischer Pflichten



Abb.: Anpassung und Abgrenzung: Schweizer orthodoxe Juden in Eisgrotte

[Bildquelle: Piatti, Livio <1952 - >: Schtetl Zürich : von orthodoxen jüdischen Nachbarn. -- Zürich : Offizin, ©1997. -- ISBN 3907495780. -- {Wenn Sie HIER klicken, können Sie dieses Buch  bei amazon.de bestellen}]


Abb.: Musliminnen in Schador, (©Corel)


Abb.: Muslimin (©Corel)

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3.4.3. Ausdruck von nationaler und ethnischer Identität



Abb.: Pariser Damenmode ist "undeutsch". -- Werbung für "deutsche" Reformkleider, um 1920


Abb.: Jüdischer Immigrant und Palästinenser, Palästina, 1937


Abb.: Dirndl (©Corel)

Webportale:


3.4.4. Ausdruck anderer Gruppenidentitäten


Z.B. :


3.5. Ausdruck von Geschlechterrolle und Geschlechterbild als Funktion von Kleidung


Die folgenden Beispiele zeigen, wie Kleidung, Körpergestaltung und Accessoires Ausdruck vom jeweiligen Bild von "Frau", "Mann" oder "Kind" sein können.

"Der Ver"herr"lichung entgegen

Kein Leugnen hilft, keine Ausflüchte werden geglaubt. Die Lady up to date fühlt sich am wohlsten im Sportkleid, im herrenmäßig zugeschnittenen Kostüm, im Filzhütchen, in der Weste mit Krawatte und Taschentuch an der Seite.

Ihre Figur hat sich gewandelt -- ist knabenhafter, prononcierter, lebendiger geworden. Nun hat sie Anspruch auf anderen Dress, Schleppröcke und Faltenfahnen hindern ihre Bewegungsfreiheit. Nicht übertrieben, nicht outriert -- aber geeignet für ihre hastigen Schritte, ihr Achtzigkilometertempo -- ihr jungenhaftes Gesicht.

Sie will nicht kopieren oder Rechte fordern. Sie übernimmt das, was ihr steht und zusteht. Dabei wird das notwendige Feminine in der Kleidung nicht übergangen. An Ort und Zeit kommt es bestimmt zur Geltung.

Ein galantes Jahrhundert, das der zwiespältigen Natur der Frauen nicht nur entgegenkommt --, nein, auch ihren verschiedenen Reizen weitestgehend huldigt."

[Reznicek, Paula von: Die perfekte Dame. -- Stuttgart : Dieck, 1928. -- vor S. 24]

Die postfeministische Frau der DDR:


Abb.: Jutta Voigt, Journalistin, Berlin, DDR, 1962 (Foto: ©Arno Fischer <1927 - >)

"Die Porträts bekannter Frauen aus der DDR sind allesamt Fotos von Frauen einer bestimmten sozialen Schicht und eines bestimmten Individualitätstyps. Der lässt sich gut beschreiben: selbstbewusste, attraktive Frauen, die keine Püppchen, keine Muttis und keine pin-up-girls sind. Frauen, die interessant aussehen und sehr individuell, selbstbestimmt, nicht Rollenträgerinnen. Emanzipierte Frauen der 60er bis 80er Jahre, und das heißt auch: Frauen, die auf erotische Ausstrahlung sehr wohl Wert legen. - In solcher Beschreibung habe ich ein gutes Stück Ideologie versteckt: die (Selbst-)Illusionierung von der gelungenen Emanzipation in der DDR. »Unsere« Frauen waren anders, weiter -- eine ganze historische Epoche weiter hieß das -- als die Frauen in der BRD."

[Hirdina, Karin <1941 - >: Gute Nacht, ihr Schönen : das Frauenbild in den Bildern von Frauen. -- In: Sibylle :Modefotografie aus drei Jahrzehnten DDR / hrsg. von Dorothea Melis. -- Berlin : Schwarzkopf & Schwarzkopf, ©1998. -- ISBN 3896021648. -- S. 20. -- {Wenn Sie HIER klicken, können Sie dieses Buch  bei amazon.de bestellen}]


3.6. Ausdruck von Balz und Imponiergehabe als Funktion von Kleidung



Abb.: Balz (©Corel)


Abb.: Phallisches Imponiergehabe: Papua mit Penisfutteral (©Corel)


Abb.: Bauchnabelbalz (©IMSI)

" Dem Ursprung der Kleidung als einem Mittel des Schmuckes, der Verschönerung und Anlockung gemäß, ist die Mode seit jeher im Dienste dieses Zweckes gestanden. Und zwar hauptsächlich im Dienste der geschlechtlichen Anlockung und stets auf irgendeinen Teil des weiblichen Körpers durch verhüllende oder enthüllende Kleidung besonders hingewiesen. Bis diese Körperstelle so bekannt geworden ist, dass man sich nach neuen, stärkeren oder auch schwächeren Reizen umsehen musste.

  Es sei nur an die besondere Vorliebe erinnert, die einmal die Mode für 

Eine wichtige Modetendenz war auch die Betonung 

Jeder einzelne dieser weiblichen Reize kam im Laufe der Zeiten immer wieder an die Reihe, um durch Betonung hervorgehoben zu werden. Und was lange missachtet war, wurde immer wieder einmal auffallend zur Geltung gebracht. So war 1875 etwa der Cul der erotische Konzentrationspunkt. Weit ausladend, akzentuierte er die weibliche Sitzgelegenheit und machte sie zur gewichtigen Augenweide der Männerwelt. Und als 1890 der Cul verschwand, wurden wieder die Schultern betont. Doch man zeigte sie nicht etwa, sondern man erfand den Puffärmel. Dann wieder ließen dekolletierte Kleider den Ansatz der Büste ahnen und tiefe Schulterausschnitte entblößten die reizvollen Linien des Oberarms, bis man eines Tages in der jüngsten Zeit den Reiz des Beines entdeckte, nicht des Beines, das auf einmal aus lang verhüllenden Röcken emporschnellte, sondern des ganzen zur Schau gestellten Beines. 

Nicht so ausgeprägt, aber doch unverkennbar ist der Zusammenhang zwischen Männermode und Geschlechtsleben. Die geschlechtliche Anreizung durch Exhibition und Akzentuierung traf bei der Männermode besonders im Mittelalter deutlich zutage. Schon im Jahre 927 musste der Erzbischof Adalbert von Reims gegen die schamlose Kleidung des Klerus eifern. Die Priester trügen Hosen, sagte er, die eine Weite von sechs Fuß hätten und doch wegen der Durchsichtigkeit des Stoffes nicht einmal die Schamteile den Blicken entzogen. Nicht weniger »schamlos« war die gegen Ende des 14. Jahrhunderts getragene enge »bruche«, durch die das natürliche Spiel der Muskeln vom Gesäß bis auf die Füße sichtbar wurde und die die Geschlechtsteile deutlich markierte. Einen besonderen Zusammenhang zwischen Mode und vita sexualis zeigten die um die Mitte des 15. Jahrhunderts in Mode gekommenen Hosenlätze (braguettes) oder Schamkapseln, in deren Form »die Männer das, was sie damit bedecken sollten, recht nachahmten« (Joh. Scherr)."

[Bilderlexikon der Erotik : Universallexikon der Sittengeschichte und Sexualwissenschaft / Institut für Sexualforschung. -- 
Wien, 1928-1932. -- CD- ROM-Ausgabe: Berlin : Directmedia, 1999. -- (Digitale Bibliothek ; 19). -- ISBN 3932544242. -- S. 3214f. -- {Wenn Sie HIER klicken, können Sie diese CD-ROM  bei amazon.de bestellen}]


3.7. Ausdruck des Lebensstadiums als Funktion von Kleidung


Kleidung signalisiert das Lebensstadium, z.B.:


3.8. Ausdruck von Status und Autorität als Funktion von Kleidung



Abb.: Schlemo, E.: Personen jeglichen Status (durch Kleidung eindeutig erkennbar) grölen einträchtig mit dem Münchner Kindl beim Oktoberfest, München. -- Postkarte

[Bildquelle: Das Oktoberfest : einhundertfünfundsiebzig Jahre bayerischer National-Rausch / Münchner Stadtmuseum ... -- München : Münchner Stadtmuseum, ©1985. -- ISBN 3-7654-2028-X. -- S. 323]

"Die Bezeichnung Gentleman wird nun gemeinhin jenen zuteil, die sich durch gute Kleidung von den einfachen Leuten unterscheiden."

1840


Abb.: Unterschicht (©Corel)


Abb.: Selbst im australischen Outback demonstriert der Chef seinen Status und seine Autorität durch formelle Kleidung (Photo: New South Wales Government Printer)


3.9. Angeben, mit Luxus Prahlen bzw. Demonstration von Bescheidenheit als Funktion von Kleidung



Abb.: Zum Pferderennen gehen, um gesehen zu werden. -- Pidgeon, William Edwin: Cup parade. -- The Australian women's weekly. -- Melbourne. -- 1950-11-07


3.10. Ausdruck des »In«-Seins als Funktion von Kleidung


"Tatsache ist: du bist, was du -- an deinen Füßen -- trägst."

Ein amerikanischer Jugendlicher


Abb.: "Zeige mir, was für Sneakers du trägst, und ich sage dir, wer du bist": ®Nike Air Jet Flight (men)

Webpräsenz von ®Nike: http://www.nike.com/. -- Zugriff am 2001-04-03

Wie wichtig diese Funktion z.B. für amerikaniche Teenager ist, zeigen folgende Angaben über ihre Ausgaben:


Abb.: Wieviel amerikanische Teenager wofür ausgeben (Juli 2000)

[Datenquelle: http://www.look-look.com/looklook/html/Test_Drive_Look_Out.html. -- Zugriff am 2001-04-10]


4. Weiterführende Ressourcen


4.1. Yahoo Categories



4.2. Organisationen


Dress for Success. -- URL: http://www.dressforsuccess.org/. -- Zugriff am 2001-03-26. -- [" Dress for Success is a non-profit organization that helps low-income women make tailored transitions into the workforce. Each Dress for Success client receives one suit when she has an interview and a second suit when she gets the job. Women are referred to Dress for Success by a continually expanding number of diverse, non-profit member organizations which include homeless shelters, domestic violence shelters, job training programs and English as a second language programs. These suits symbolize our faith in every woman's ability to succeed. Since being founded in 1996, Dress for Success has opened in over 60 cities in four countries and suited over 60,000 clients! Dress for Success addresses the "Catch-22" that, without a job, how can you afford a suit? But without a suit, how can you get that job?"


4.3. Ressourcen in Printform


1000 extra/ordinary objects. -- Köln [u.a.] : Taschen, ©2000. -- 760 S. : Ill. -- ISBN 3822860212. -- {Wenn Sie HIER klicken, können Sie dieses Buch  bei amazon.de bestellen}

Fachwissen Bekleidung. -- 5. Aufl. -- Haan-Gruiten : Europa-Lehrmittel, ©1998. -- 268 S. : Ill. -- ISBN 3898562056. -- {Wenn Sie HIER klicken, können Sie dieses Buch  bei amazon.de bestellen}

Hofer, Alfons: HAKA : Citykleidung, Sportswear, Jeanswear. -- 3. Aufl. -- Frankfurt a. M. : Deutscher Fachverlag, ©1990. -- 479 S. : Ill. -- ISBN 3-87150-312-6

Hofer, Alfons: Textil- und Modelexikon. -- 7., vollständig überarbeitete und erweiterte Auflage. -- Frankfurt a. M. : Deutscher Fachverlag, ©1997. -- 1103 S. in 2 Bänden : Ill. -- ISBN 3871505188. -- {Wenn Sie HIER klicken, können Sie dieses Buch  bei amazon.de bestellen}

Koch-Mertens, Wiebke <1943 - >: Der Mensch und seine Kleider. -- Düsseldorf [u.a.] : Artemis & Winkler. -- Teil 2: Die Kulturgeschichte der Mode im 20. Jahrhundert. -- ©2000. -- 399 S. : Ill. -- ISBN 3538071047. -- {Wenn Sie HIER klicken, können Sie dieses Buch  bei amazon.de bestellen}

Mode! : das 20. Jahrhundert / hrsg. von Gerda Buxbaum ... -- München [u.a.] : Prestel, ©1999. -- 192 S. : Ill. -- ISBN 3791321919. -- {Wenn Sie HIER klicken, können Sie dieses Buch  bei amazon.de bestellen}

Repinski, Karyn: The complete idiot's guide to successful dressing. -- New York, NY : alpha book, ©1999. -- 342 S. : Ill. -- ISBN 0028627296. -- {Wenn Sie HIER klicken, können Sie dieses Buch  bei amazon.de bestellen}

Roetzel, Bernhard <1966 - >: Der Gentleman : Handbuch der klassischen Herrenmode. -- Köln : Könemann, ©1999. -- 357 S. : Ill. -- ISBN 3895086371. -- {Wenn Sie HIER klicken, können Sie dieses Buch  bei amazon.de bestellen}

Verrückte Modewelt / von der Redaktion der Time-Life Bücher. -- Amsterdam : Time-Life, ©1993. -- (Bibliothek erstaunlicher Fakten und Phänomene). -- 143 S. : Ill. -- ISBN 90-6182-317-X


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