Wenn ein Mensch ein Buddha würde, einzig indem er in Meditation
sitzt,
dann wären alle Frösche längst Buddhas (Zenlehrer Sengai <1750 - 1837>)
(mailto: payer@well.com)
Viele Anregungen stammen von: Claudia Guggenbühl, Peter Schreiner, Markus Schüpbach, Christiane Schwarm, Edoardo Zentner.
Zitierweise / cite as:
Texte zum buddhistischen Erloesungsweg / hrsg. von Alois Payer <1944 - >. -- 4. Freigebigkeit.-- . Fassung vom 13. Mai 1998. -- URL: http://www.payer.de/textezurerloesung/texterloes04.htm
Erstmals publiziert: 13. Mai 1998
Überarbeitungen:
Anlaß: Lehrveranstaltung SS 1998
Unterrichtsmaterialien (gemäß § 46 (1) UrhG)
Copyright: Dieser Text steht der Allgemeinheit zur Verfügung. Eine Verwertung in Publikationen, die über übliche Zitate hinausgeht, bedarf der ausdrücklichen Genehmigung des Verfassers.
1. Die Unterweisung über Freigebigkeit (dânakathâ) steht in der stufenweisen Unterweisung in der Buddhalehre (anupubbikathâ) an erster Stelle:
|
|
2. Unter den Grundlagen für Verdienstvolles (puñña-kiriya-vatthu) kommt Freigebigkeit als erste
Mönche es gibt drei Grundlagen für verdienstvolles Tun:
|
Tî.n' imâni bhikkhave puññakiriyavatthûni. Katamâni tî.ni.
|
Puññakiriyavatthusutta : A°nguttaranikâya IV, 241
3. Freigebigkeit ist eine der Grundlagen sozialen Zusammenhaltes (Sa°ngaha-vatthu n.)
Mönche es gibt vier Grundlagen sozialen Zusammenhaltes:
|
Cattâr' imâni bhikkhave sa°ngahavatthûni. Katamâni cattâri.
Imâni kho bhikkhave cattâri sa°ngahavatthûnî ti |
Geben, liebe Worte, Hilfsbereitschaft, Gemeinschaftsgeist und
Nicht-Überheblichkeit, überall wo's nötig ist, halten diese Welt zusammen wie die
Achsenbolzen einen Wagen. Gäbe es diesen Zusammenhalt nicht würden die Eltern nicht
von ihren Kindern respektiert und geehrt. |
Dâna.m ca peyyavajja.m ca atthacariyâ ca yâ idha samânattatâ ca dhammesu tattha tattha yathâraha.m ete kho sa°ngahâ loke rathassâ.nîva yâyato
|
Sa°ngahasutta : A°nguttaranikâya II, 32
4. Freigebigkeit ist die erste der zehn Vollkommenheiten (Pâramitâ), die ein Bodhisatta verwirklichen muß
|
Einstmals weilte Buddha in Vesâlî (1), im Großen Wald, in der Spitzdachhalle (2). Da kam der General Sîha (3) zum Buddha, grüßte ihn respektvoll, setzte sich so vor Buddha, daß er ihm nicht die Sicht versperrte, und sprach: | Eka.m samaya.m Bhagavâ Vesâliya.m (1) viharati Mahâvane Ku.tâgârasâlâya.m (2). Atha kho Sîho (3) senâpati yena Bhagavâ ten' upasa°nkami. Upasa.kamitvâ Bhagavanta.m abhvâdetvâ ekamanta.m nisîdi. Ekamanta.m nisinno kho Sîho senâpati Bhagavanta.m etad avoca: |
"Kann man eine in diesem Leben sichtbare Frucht der Freigebigkeit zeigen?" | Sakkâ nu kho bhante sandi.t.thika.m dânaphala.m paññâpetu.n ti. |
"Ja, Sîha.
Weiters wird ein freigebiger Mensch, ein souveräner Geber nach seinem Tod in einer himmlischen Welt wiedergeboren. Dies ist eine Frucht der Freigebigkeit im zukünftigen Leben." |
Sakkâ Sîhâ ti Bhagavâ avoca:
puna c' apara.m Sîha dâyako dânapati kâyassa bhedâ param maran.nâ sugati.m sagga.m loka.m upapajjati. Ya.m pi Sîha dâyako dânapati kâyassa bhedâ param maran.nâ sugati.m sagga.m loka.m upapajjati ida.m pi samaparâyika.m dânaphalan ti |
Da sprach General Sîha zum Buddha: "Die vier in diesem Leben
sichtbaren Früchte der Freigebigkeit kenne ich aus eigener Erfahrung, nicht nur, weil ich
Dir vertraue. Ich bin ein freigebiger Mensch ein souveräner Geber und erfahre deshalb die
genannten vier in diesem Leben sichtbaren Früchte der Freigebigkeit:
|
Eva.m vutte Sîho senâpati Bhagavanta.m etad avoca: Yânîmâni bhante
Bhagavatâ cattâri sandi.t.thikâni dânaphalâni akkhâtâni nâha.m ettha Bhagavato
saddhâya gacchâmi aha.m p' etâni jânâmi:
Yânîmâni bhante Bhagavatâ cattâri sandi.t.thikâni dânaphalâni akkhâtâni nâha.m ettha Bhagavato saddhâya gacchâmi aha.m p' etâni jânâmi. |
Was Du aber über die Frucht im zukünftigen Leben sagst, über die Wiedergeburt in einer himmlischen Welt sagst, das weiß ich nicht aus eigener Erfahrung, sondern weil ich Dir vertraue." | Yañ ca kho ma.m bhante Bhagavâ evam âha: dâyako Sîha dânapati kâyassa bhedâ param maran.nâ sugati.m sagga.m loka.m upapajjatî ti etâha.m na jânâmi ethha ca panâha.m Bhagavato saddhâya gacchâmî ti. |
"Gewiß, Sîha, es ist so: nach dem Tod wird ein souveräner Geber in einer himmlischen Welt wiedergeboren." | Evam eta.m Sîha evam eta.m Sîha: dânapati kâyassa bhedâ param mara.nâ sugati.m sagga.m loka.m upajjatî ti. |
Einen Geber hat man gern, viele pflegen Umgang mit ihm, er hat einen guten Ruf, sein Ruhm wächst, selbstbewußt ist ein Mensch ohne Geiz, deshalb sind Weise freigebig, Glück suchend indem sie die Kruste des Geizes abwerfen. Lang in einem Himmel weilend erfreuen sie sich der Gemeinschaft mit Göttern. In diesem Leben haben sie die karmische Grundlage dazu gelegt, haben karmisch heilsames getan, deshalb wandeln sie nach dem Tode als selbstleuchtende Wesen im Gefilde der Seligen. Dort genießen sie glücklich die Genüsse aller fünf Sinne. Wenn sie die Worte des befreiten Buddha befolgen, machen alle Schüler des Leidüberwinders Fortschritte. |
Dadam pivo hoti bhajanti nam bahu kitti.m ca pappoti yas' assa va.d.dhati visârado hoti naro amaccharî tasmâ hi dânâni dadanti pa.n.ditâ vineyya maccheramala.m sukhesino te dîgharatta.m tidive pati.t.thitâ devâna.m sahabyagatâ ramanti te katâvakâsa katakusalâ ito cutâ sayampabhâ anuvicaranti nandane te tattha nandanti ramanti modare samappitâ kâmagu.nehi pañcahi katvâna vâkya.m asitassa tâdino kamanti sabbe sugatassa sâvakâ ti |
Sîhasutta, A°nguttaranikâya III, 38 - 41, Th 22, 42 - 43 [34]
(1) Vesâlî:
Hauptstadt der Adelsrepublik Licchavî, welche zusammen mit Videha die Vajjî-Konföderation bildet.
Abb.: Karte zur Lage von VesâlîAbbildungen des heutigen Zustands von Vesâli in: Schumann, Hans Wolfgang <1928 ->: Auf den Spuren des Buddha Gotama : eine Pilgerfahrt zu den historischen Stätten. -- Olten, Freiburg : Walter-Verl., 1992. -- ISBN 3-530-79989-0. -- S. 148 - 151.
(2) Kû.tâgârasâlâ -"Spitzdachhalle":
Ort von Audienzen Buddhas. Hier erfolgte die Gründung des Nonnenordens.
(3) Sîha, der General:
Sîha war ursprünglich ein Anhänger und Förderer von Niga.n.tha Nâtaputta, wurde aber dann ein Anhänger Gotamas. Buddha nahm ihn als Anhänger an unter der Bedingung, daß Sîha auch weiterhin alle Niga.n.tha's unterstützt, die zu seinem Hause kommen. Sîha bewirtete bei einer Einladung Buddha und die Mönche mit Ochsenfleisch. Daraufhin verbreiteten die Niga.n.tha's, Sîha habe einen großen Ochsen schlachten lassen, um die Mönche zu bewirten. Dies war Anlaß zur Ordensregel, daß Ordensmitglieder nur dann Fleisch zum Essen annehmen dürfen, wenn das Tier nicht extra für die Bewirtung der Ordensmitglieder geschlachtet wurde.
(4) dânapati -- Gabenherr / souveräner Geber:
Aus der Erklärung des Kommentars:
Gabenherr: wenn er eine Gabe gibt, ist er Herr
über sie, nicht ihr Sklave oder Gefährte:
Was er gibt, gibt er souverän als Herr indem er seine Gier richtig überwindet, Herr über die Gier wird, da er von der Gier nicht überwunden werden kann. ...
|
Dânapatî ti ya.m dâna.m deti tassa pati hutvâ deti na dâso na
sahâyo.
Ya.m dâna.m detî ti ... Tassa pati hutvâ detî ti lobha.m su.t.thu abhibhavanto tassa adhipati hutvâ deti tena anabhibhavanîyattâ. ...
|
Ma°galatthadîpanî 2, Th 69, 21 [25 - 26]
Mönche, es gibt folgende acht Arten zu geben:
|
A.t.h' imâni bhikkhave dânâni. Katamâni a.t.tha.
Imâni kho bhikkhave a.t.tha dânânî ti |
Pa.thamadânasutta, A°nguttaranikâya IV, 236
"Mönche, es gibt acht Motive des Gebens:
|
A.t.h' imâni bhikkhave dânavatthûni. Katamâni a.t.tha.
Imâni kho bhikkhave a.t.tha dânavatthûnî ti |
Dânavatthusutta, A°nguttaranikâya IV, 236 - 237
Mönche, ein schlechter Mensch gibt auf fünferlei Art:
|
Pañc' imâni bhikkhave asappurisadânâni. Katamâni pañca.
Imâni kho bhikkhave pañca asappurisadânâni. |
Ein guter Mensch gibt auf fünferlei Art:
|
Pañc' imâni bhikkhave sappurisadânâni. Katamâni pañca.
Imâni kho bhikkhave pañca sappurisadânânî ti |
Asappurisadânasutta, A°nguttarnikâya III, 171 - 172
Mönche, ein guter Mensch gibt auf fünferlei Art:
|
Pañc' imâni bhikkhave sappurisadânâni. Katamâni pañca.
|
Sappurisadânasutta, A°nguttarnikâya III, 172
Mönche, ein guter Mensch gibt auf achterlei Art:
|
A.t.th' imâni bhikkhave sappurisdânâni. Katamâni a.t.tha.
Imâni kho bhikkhave a.t.tha sappurisadânâni |
Sappurisadânasutta, A°nguttarnikâya IV, 244
(5) Geben zur rechten Zeit:
Mönche, es gibt fünf Arten des Gebens zur rechten Zeit:
|
Pañc' imâni bhikkhave kâladânâni. Katamâni pañca.
Imâni kho bhikkhave pañca kâladânânî ti. |
Kâladânasutta, A°nguttarnikâya III, 41
Bei diesen vierzehn Arten von Empfängern einer Gabe
|
Tatr' Ânanda
|
Dakkhi.nâvibha°ngasutta, Majjhimanikâya III, 255
(6) Stromeintritt bis Arahat:
Das sind die acht Arten von Edlen Personen (Ariya-puggala m.), die Heilsgewißheit besitzen, nämlich:
- sotâpanna m. - Stromeingetretener
- sotâpatti-phala-sacchikiriyâya pa.tipanna m. - Der, welcher auf dem Wege ist, die Frucht des Stromeintrittes zu verwirklichen
- sakad-âgâmî m. - Einmalwiederkehrer
- sakadagami-phala-sacchikiriyâya pa.tipanna m. - Der, welcher auf dem Wege ist, die Frucht des Eimalwiederkehrers zu verwirklichen
- anâgâmî m. - Nichtwiederkehrer
- anâgâmi-phala-sacchikiriyâya pa.tipanna m. - Der, welcher auf dem Wege ist, die Frucht des Nichtwiederkehrers zu verwirklichen
- araha.m m. - Arahat
- arahattâya pa.tipanna m. - Der, welcher auf dem Wege ist, die Arahatschaft zu verwirklichen
Pa.thama-puggalasutta und Dutiya-puggalasutta : A°nguttaranikâya IV, 292 - 293; Nal III, 383, 11-25; Th 23, 301
(7) Paccekabuddha -- Einzelbuddha:
"Welche Person ist ein Paccekasambuddha (Einzelbuddha)? Da erwacht eine Person vollkommen zu den Wahrheiten ohne diese Gesetzmäßigkeiten zuvor (von jemand anderem) gehört zu haben; aber er erlangt nicht (virtuelle) Allwissenheit und er erlangt nicht Macht über die (zehn) Kräfte. Eine solche Person nennt man Einzelbuddha." |
katamo ca puggalo paccekasambuddho? idh' ekacco puggalo pubbe ananussutesu dhammesu sâma.m saccâni abhisambujjhati; na ca ca sabbaññuta.m pâpu.nâti, na ca balesu vasîbhâva.m. aya.m vuccati puggalo paccekasambuddho. |
Puggalapaññatti I, 29
(8) Sammâsambuddha -- vollkommener Buddha:
"Welche Person ist ein Sammâsambuddha (vollkommener Buddha)? Da erwacht eine Person vollkommen zu den Wahrheiten ohne diese Gesetzmäßigkeiten zuvor (von jemand anderem) gehört zu haben; und er erlangt (virtuelle) Allwissenheit und Macht über die (zehn) Kräfte. Eine solche Person nennt man vollkommener Buddha." |
katamo ca puggalo sammâsambuddho? idh' ekacco puggalo pubbe ananussutesu dhammesu sâma.m saccâni abhisambujjhati; tathâ ca sabbaññuta.m pâpu.nâti, balesu ca vasîbhâva.m. aya.m vuccati puggalo sammâsambuddho. |
Puggalapaññatti I, 28
Es gibt, Ânanda, vier Arten der Reinheit bzw. Unreinheit einer Gabe
[Das Kriterium, das im folgenden genannt wird, ist, ob Geber bzw. Empfänger tugendhaft (sîlavâ) und von gutem Charakter (kalyâ.nadhamma) ist oder nicht.] |
Catasso kho imâ Ânanda dakkhi.nâvisuddhiyo. Katamâ catasso.
|
Die Vergegenwärtigung der Freigebigkeit (câgânussati) ist eine der zehn Vergegenwärtigungen (anussati).
Mahanâma, da vergegenwärtigt sich ein edler Schüler die eigene
Freigebigkeit: "Es ist ein Vorteil für mich, ein großer Vorteil, daß ich unter vom Schmutz des Geizes besessenen Wesen mit vom Schmutz des Geizes befreitem Sinn weile, freigebig, mit ausgestreckten Händen, am Weggeben Freude empfindend, für Bitten zugänglich, am Geben und Teilen Freude empfindend." |
Puna ca para.m Mahânâma ariyasâvako attano câga.m anussarati: lâbhâ vata me suladdha.m vata me yo 'ham maccheramalapariyu.t.thitâya pajâya vigatamalamaccherena cetasâ agâra.m ajjhâvasâmi muttacâgo payatapâ.ni vossaggarato yâcayogo dânasa.mvibhâgarato |
z.B. Mahânâmasutta, A°nguttarnikâya III, 287
In seiner vorletzten Geburt [D.h. in der Geburt vor der Geburt, in der er ein Buddha wurde] wurde der spätere historische Buddha Gautama als Sohn von Sanjaya [sprich Sandschaja], dem König der Sivi, eines Volks in Nordindien, geboren. Sein Name war damals Vessantara. Er konnte schon von Geburt an sprechen. Mit acht Jahren legte er das Gelübde ab, große Schenkungen zu machen. Bei diesem Gelübde erbebte die Erde. Im Alter von sechzehn Jahren heiratete Vessantara Maddî. Das Paar hatte zwei Kinder, den Knaben Jâli [sprich Dschâli] und das Mädchen Ka.nhajinâ [Sprich: Kanhadschinâ].
Als in Kâlinga [dem heutigen Orissa in Ostindien] eine große Dürre herrschte, kamen von dort acht Brahmanen zu Vessantara und forderten von ihm als Geschenk den weißen Elefanten, der - am selben Tag wie Vessantara geboren - die Fähigkeit besaß, Regen fallen zu lassen. Vessantara gewährte den Brahmanen ihre Bitte und gab ihnen den Elefanten samt seinen äußerst kostbaren Umhängen. Doch die Einwohner von Sivi waren sehr erbittert, daß ihr Elefant verschenkt worden war. Sie forderten deshalb von König Sanjaya, daß dieser seinen Sohn in die Verbannung schickt. Das Volk setzte so die Verbannung Vessantaras in den Himalaya durch. Vessantara stimmte seiner eigenen Verbannung zu. Er erhält vom König die Erlaubnis, vor seinem Wegzug in die Verbannung ein großes Almosenfest zu veranstalten, das "Gabe von Siebenhundert" hieß. Dabei verschenkte er von jedem Ding siebenhundert Exemplare. Aus ganz Indien kam Volk, um Gaben zu empfangen, und die Verteilung dauerte einen ganzen Tag.
Vessantaras Frau Maddî bestand darauf, mit ihren beiden Kindern Vessantara in die Verbannung zu begleiten. Die vier zogen mit einem prächtigen, von vier Pferden gezogenen Wagen aus der Stadt. Doch unterwegs begegneten ihnen vier Brahmanen, die zu spät zum großen Almosenfest gekommen waren. Diese verlangten nun die Pferde und erhielten sie sofort. Da nahmen vier Götter die Gestalt von vier Hirschen an, ließen sich anspannen und ersetzten so die Pferde. Da tauchte ein anderer Brahmane auf, verlangte den Wagen und erhielt ihn. Die Götter in Hirschgestalt verschwanden nun wieder, und die Familie setzte den Weg zu Fuß fort. Vessantara trug den Knaben, Maddî das leichtgewichtige Mädchen. Götter ebneten ihren Weg, und die Bäume beugten sich, damit die Familie ihre Früchte leicht essen konnte. Im Königreich Ceta [sprich: Tscheta] boten 60.000 Adelige dem Vessantara ihr Königreich an, er lehnte aber ab. Ja er weigerte sich sogar, die Hauptstadt zu betreten.
Schließlich kam Vessantara und seine Familie nach Vankagiri, jenem Ort im großen Wald, der ihnen zum Exil bestimmt war. Dort hatte Vissakamma, der Baumeister der Götter, im Auftrag des Götterkönigs Sakka zwei Einsiedeleien erbaut, eine für den Prinzen, die andere für Maddî und die Kinder. Dort lebten sie vier Monate. Durch Vessantaras Macht wurden die wilden Tiere in einem Umkreis von drei Meilen zahm. Maddî ging jeden Morgen in den Wald, um Früchte und Wurzeln zum Essen zu sammeln.
Da tauchte der Brahmane Jûjaka [sprich: Dschûdschaka] auf. Er war alt und häßlich und in seine junge Frau ganz vernarrt. Er hatte ein hübsches Mädchen geheiratet, das ihn mit Vorwürfen überhäufte; er zwänge sie zu den niedrigsten Arbeiten, da er ihr keine Sklaven zur Verfügung stelle. Solche zu kaufen, war ihm jedoch nicht gegeben, da er besitzlos war. Deshalb schickte die junge Frau Jûjaka zu Vessantara, da dieser so freigebig sei, daß er ihm gewiß seine beiden Kinder als Sklaven schenken würde. Jûjaka erfragte den Weg nach Vankagiri, kam dort am späten Abend an und übernachtete auf dem Berg. In dieser Nacht hatte Maddî einen bösen Traum, der ihr alles vorhersagte, was nun kommen sollte. Sie erzählte ihren Traum Vessantara, doch obwohl dieser wußte, daß der Traum sich bewahrheiten sollte, tröstete er Maddî und schickte sie in den Wald, um Nahrung zu suchen. Als Maddî fort war, kam Jûjaka und forderte die beiden Kinder. Von seiner Forderung zuerst entsetzt, wurde es Vessantara dennoch sofort klar, daß die Hingabe seines eigenen Fleisches, seiner Kinder, ein Geschenk darstellt, das alle anderen übertrifft und das er nicht verweigern kann. Während er die Schenkung vorschriftsgemäß vornahm, erbebte die Erde vor Freude. Die Kinder nahmen von Jûjaka Reißaus und rannten zu ihrem Vater zurück. Doch dieser bekräftigte seinen Entschluß mit Tränen in den Augen. Jûjaka führte nun die Kinder weg und schlug sie unterwegs bis das Blut floß.
Maddî kehrte erst spät am Abend aus dem Wald zurück, denn Götter hatten die Gestalt wilder Tiere angenommen, um Maddî auf ihrem Nachhauseweg aufzuhalten. Als sie nach ihren Kindern fragte, sprach Vessantara kein Wort. Sie suchte nun die ganze Nacht nach ihren Kindern. Am Morgen kehrte sie zur Einsiedelei zurück und fiel in Ohnmacht. Vessantara brachte sie wieder zu Bewußtsein, erzählte ihr, was geschehen war, und erklärte ihr, warum er es ihr nicht früher erzählt hatte. Als sie seine Worte gehört hatte, drückte sie ihre Freude aus und bestätigte ihm, daß er ein vornehmes Geschenk gemacht habe, um ein allwissender Buddha zu werden.
Nun blieb Vessantara nur noch Maddî zum Verschenken. Damit nicht irgendein Schuft dieses Geschenk fordert, nahm der Götterkönig Sakka selbst die Gestalt eines schwarzen, ausgezehrten Brahmanen an und verlangte Maddî als Geschenk. Vessantara blickte auf Maddî, und diese gab ihre Zustimmung. So gab Vessantara seine Frau dem Brahmanen, und die Erde erbebte vor Freude. Der Götterkönig offenbarte nun seine wahre Identität, gab Maddî ihrem Mann zurück und gewährte ihm acht Wünsche. Vessantara wünschte sich:
- er sollte wieder in seine Heimat zurückgerufen werden;
- er sollte niemanden zu Tode verurteilen;
- er sollte allen in gleicher Weise eine Hilfe sein;
- er sollte niemals Ehebruch begehen;
- sein Sohn sollte ein langes Leben haben;
- er sollte himmlische Speise haben;
- er sollte immer genügend haben, um schenken zu können;
- nach seinem Tod sollte er in einem Himmel wiedergeboren werden.
Inzwischen war Jûjaka in Begleitung der beiden Kinder, die er gefangen hielt, über die jedoch Götter wachten, in der Hauptstadt der Sivi eingetroffen. Er wollte nach Kâlinga, doch Götter hatten ihn in die Heimat Vessantaras geführt. Die Kinder wurden erkannt und zu ihrem Großvater, dem König, gebracht, der ihre Geschichte anhörte und sie um den Preis eines hohen Lösegeldes vom alten Brahmanen loskaufte. Dieser starb an überfressen. Da man keine Verwandten von ihm finden konnte, ging sein Vermögen zurück an den König.
König Sanjaya aber beschloß, die Verbannten zu suchen und eine Straße nach Vankagiri anlegen zu lassen. Von Vessantaras Sohn Jâli angeführt, setzte sich ein großer Heerzug mit König und Königin und Vessantaras Tochter nach Vankagiri in Bewegung. Im Heerzug war auch der regenspendende weiße Elefant, denn die Kâlinger hatten ihn zurückgeschickt, da sie ihn nicht unterhalten konnten. Als Vessantara den Heerzug näher kommen sah, wurde er unruhig, doch Maddî erkannte die königlichen Banner. Die Freude des Wiedersehens war so groß, daß die sechs Hauptpersonen in Ohnmacht fielen, die Erde erzitterte, der Ozean in Wallung geriet und der Weltenberg Meru sich neigte. Zur Wiederbelebung ließ der Götterkönig Sakka einen Regen fallen, der nur die benäßte, die es wollten.
Vessantara wurde nun zum König von Sivi gekrönt und nach einem Monat voller Feierlichkeiten kehrte der Zug in die Hauptstadt zurück. Am Tage seiner Rückkehr ließ Vessantara alle Gefangenen frei, sogar die Katzen. Am Abend ließ der Götterkönig Sakka so viele Schätze regnen, daß der Palastgrund hüfthoch damit gefüllt war. So konnte Vessantara seine Großzügigkeit bis ans Ende seiner Tage ausüben. Nach seinem Tod wurde Vessantara im Tusita-Himmel wiedergeboren. Von dort wurde er für seine letzte Geburt im Schoß der Königin Mâyâ wiedergeboren. In dieser letzten Geburt erreichte er die erlösende Einsicht und wurde zum Buddha Gautama.
Zur Diskussion um die Problematik des Wegschenkens der Kinder s. Milindapa.nha IV, Kap 8
de Silva, Lily: Giving in the Pali canon. - In: Dâna : the practice of giving / selected essays ed. by Bodhi <Bhikkhu>. - Kandy : Buddhist Publication Society, 1990. - (The Wheel publication ; no. 367/369). - S. 19-38
Nâgârjuna: Le traité de la grande vertu de sagesse (Mahâprajñâpâramitâ`sâstra) / [übersetzt von] Étienne Lamotte. -- Tome II, p. 658-769 (dâna)
Payer, Alois <1944 - >: Materialien zur buddhistischen Ethik. -- Kapitel 3: Freigebigkeit (dâna). -- Fassung vom 5. März 1996. -- URL: http://www.payer.de/buddhethik/ethbud03.htm.
Zu Kapitel 5: Sittlichkeit