Informationsmarktverzerrung durch Fundamentalismus am Beispiel der USA

Kapitel 6: Apokalyptische Außenpolitik


von Margarete Payer

mailto: payer@payer.de


Zitierweise / cite as:

Payer, Margarete <1942 - >: Informationsmarktverzerrung durch Fundamentalismus am Beispiel der USA. -- Kapitel 6: Apokalyptische Außenpolitik. -- Fassung vom 2005-04-18. -- URL: http://www.payer.de/fundamentalismus/fundamentalismus06.htm

Erstmals publiziert: 2005-03-30

Überarbeitungen: 2005-04-18 [Ergänzungen]; 2005-04-08 [Ergänzungen]; 2005-04-06 [Ergänzungen]

Anlass: Lehrveranstaltung an der Hochschule der Medien Stuttgart, Sommersemester 2005

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0. Übersicht



1. Mottos


My hope is built on nothing less
Than Scofield's notes an Moody Press. . .

Traditionell bei Born agains

Erläuterung: Scofield's notes: die Anmerkungen in der Scofield Reference Bible (1917); Moody Press: die Verlagsprodukte des Moody Bible Institute

"When [Antichrist is sitting there with his finger on the button, what will the nations of the world do?
They will do exactly what he wants them to do! He will be an absolute dictator."

J. Vernon McGee, 1961

[Zitiert in: Boyer, Paul <1935 - >: When time shall be no more : prophecy belief in modern American culture. -- Cambridge, Mass. : Belknap Press of Harvard University Press, 1992. -- xiv, 468 S., [16] p. of plates : Ill., map ; 25 cm.  -- ISBN: 067495128X. -- S. 125. -- {Wenn Sie HIER klicken, können Sie dieses Buch bei amazon.de bestellen}]

"On the one hand, Christians argue that we live in a fallen world, a world which is in rebellion against God, a world where sin is so pervasive that every institution, relationship and faculty of mankind is corrupted in some degree.

On the other hand, Christians are aware that the radical ethic of Jesus calls upon us to love our enemies . . . For these Christians a unilateral freeze on nuclear weapons (or even dismantling of the weapons) seems to be the trusting thing to do. The lines were drawn in this debate long before the discovery of the atom.

. . . Given the fallen condition of our world, I am opposed to a unilateral freeze. Christmas angels proclaimed "peace on earth" but that will never come until all people acknowledge the claims of the one who was born "a savior... Christ the Lord."

Dr. James Hickman, Baptist minister, Dawn, Texas, letter to the editor, the Amarillo News-Globe, March 20, 1983.

[Zitiert in: Mojtabai, A. G. (Ann Grace) <1937 - : Blessèd assurance : at home with the bomb in Amarillo, Texas. -- 1st Syracuse University Press ed.  -- Syracuse, N.Y. : Syracuse University Press, 1997.  -- xvi, 255 S. ; 21 cm.  -- ISBN: 0815605080. -- Originally published: Boston : Houghton Mifflin, 1986.  -- S. 109. -- {Wenn Sie HIER klicken, können Sie dieses Buch bei amazon.de bestellen}]

 

"Leute verschicken Weihnachtskarten, auf denen sie ihre Freunde auffordern,
am islamischen Terrorismus auch das Positive zu sehen,
denn das Jüngste Gericht stehe nun offenbar bevor."

[Quelle: Frank, Thomas: Was ist mit Kansas los? : wie die Konservativen das Herz von Amerika eroberten. -- Berlin : Berlin-Verl., 2005. --  302 S. ; 22 cm. -- Originaltitel: Whats the matter with Kansas (2004). -- ISBN: 3-8270-0608-2. -- S. 40f. -- {Wenn Sie HIER klicken, können Sie dieses Buch bei amazon.de bestellen}]


2. Einleitung


Schon Thomas von Aquin (1225 - 1274) sagte

Quidquid recipitur ad modum recipientis recipitur — Alles was wahrgenommen wird, wird nach der Art des Wahrnehmenden wahrgenommen

Dies gilt auch ganz besonders für politische Ereignisse. Wenn man grundsätzlich dazu neigt, alles unter dem Gesichtspunkt der Wiederkunft Christi wahrzunehmen, schaut das Weltgeschehen ganz anders aus als z.B. für einen Marxisten oder einen Liberalen.

Da Wahrnehmung Voraussetzung von Handeln ist, ist eine endzeitliche Weltsicht nicht einfach eine persönliche Schrulle, sondern ist dann von politischer Bedeutung, wenn sie von einer beträchtlichen Anzahl (in den USA vielen Millionen) von Wählern geteilt wird. Nicht mehr übersehen darf eine solche Weltsicht dann nicht mehr werden, wenn sie von Präsidenten der USA geteilt wird. Wenn dann eine solche Weltsicht auch noch den wirtschaftlichen und machtpolitischen Interessen entgegenkommt, dann ist sie bestens geeignet zur ideologischen Verbrämung der Politik.

Die endzeitliche Sicht der Geschichte gehört wesentlich zur Geschichte des Christentums, wie folgender Lexikonartikel von 1905 zeigt:

"Chiliásmus (griech.), der Glaube an ein künftiges tausendjähriges, mit Christi sichtbarer Wiederkunft anhebendes Gottesreich auf Erden. Der Chiliasmus ist älter als die christliche Kirche, denn seine Wurzeln liegen im Judentum und in seinen sinnlichen Vorstellungen von einer irdischen Blütezeit des Reiches Gottes. Schon die Propheten hatten ein irdisches Reich des Messias verheißen, in dem das Glück der Nation sich auch durch äußern Wohlstand und Frieden der verklärten Natur kundgeben werde. Aus dieser prophetischen Perspektive griff das spätere Judentum mit Vorliebe die politische Seite heraus. Neben blutiger Rache an den Unterdrückern forderte man auch für die inzwischen verstorbenen Israeliten Anteil an dem Heil des Messiasreichs. So entstand der jüdische Volkstraum von einem theokratischen Weltreich, in dem unter der sichtbaren Herrschaft des Messias das aus der Zerstreuung gesammelte und vom Tod erweckte Israel nach Zerstörung der Weltreiche, im alleinigen Dienst Jahves, über die Heiden herrschen werde. Dieser chiliastische Volksglaube ist auch in die judenchristliche Zukunftshoffnung übergegangen. Die Offenbarung des Johannes lehrt (20,4), dass nach der Wiederkunft Christi seine standhaften Bekenner mit ihm auferstehen und 1000 Jahre herrschen werden. Der Bestimmung der Dauer liegt eine bereits den Juden geläufige Projektion der Schöpfungswoche in sechs oder sieben Jahrtausenden zu Grunde, so dass die 1000 Jahre der Herrschaft der Heiligen dem Sabbat entsprechen. Gleichfalls aus der Johanneischen Offenbarung (20,7ff.) stammt die Vorstellung, dass am Ende der 1000 Jahre der Satan wieder los werden und seine letzten Kräfte gegen das Gottesreich aufbieten werde; erst nach seiner Vernichtung beginnt dann die ewige Seligkeit, das reine Jenseits, »ein neuer Himmel und eine neue Erde«. In der Ausmalung der dieser letzten Katastrophe vorangehenden paradiesischen Glückseligkeit gab die urchristliche Phantastik der jüdischen nichts nach. Bei Papias von Hierapolis um die Mitte des 2. Jahrh. finden wir angebliche Aussprüche Jesu über die monströse Fruchtbarkeit der Natur im Tausendjährigen Reich. Justin der Märtyrer sieht im Chiliasmus den Schlussstein der orthodoxen Lehre; der 190 schreibende Bischof Irenäus erweist Recht und Wahrheit des Chiliasmus aus Schrift und Tradition, Tertullian aus der neuen Prophetie des Montanismus. Gerade diese Richtung aber führte durch ihre schwärmerische Übertreibung eine Ernüchterung innerhalb der Kirche herbei, und um 200 tritt in dem römischen Presbyter Cajus der erste Bekämpfer des Chiliasmus auf. Mit noch größerm Erfolg trat Origenes von seinen spiritualistischen Voraussetzungen aus gegen die sinnliche Zukunftserwartung auf. Durch die seit Konstantin politisch veränderte Stellung der Kirche wurde die Niederlage des Chiliasmus besiegelt. Sobald die siegreiche Kirche es sich auf dem Boden dieser Erde wohnlich gemacht hatte, machte sie sich mit dem Gedanken vertraut, das Tausendjährige Reich sei schon mit dem Christentum selbst gekommen, und Augustin erhob diese Auffassung zur herrschenden. Seitdem galt schlechtweg die Kirche als Reich Gottes und Erfüllung aller Weissagungen einer bessern Zukunft. Um so mehr gaben sich unter den mit der päpstlichen Hierarchie unzufriedenen Sekten, die durch Verfolgungen zu fanatischen Hoffnungen aufgeregt wurden, jeweilig auch chiliastische Anschauungen kund (s. Ewiges Evangelium). Zur Zeit der Reformation aber standen neue Propheten des Tausendjährigen Reiches auf, die durch radikale Wiedergeburt der verderbten Welt dem Kommen Christi die Bahn brechen wollten. Die Reformatoren selbst teilten zwar den Glauben an die Nähe des Weltendes, verwarfen jedoch in der Augsburgischen Konfession (Art. 17) die eigentlich chiliastischen Hoffnungen als jüdische Träumerei. Hauptherd des Chiliasmus wurden dagegen die Sekten der reformierten Kirche in England, Holland und später besonders in Amerika. Auch die Theosophie Valentin Weigels (gest. 1588), Jakob Böhmes und der Rosenkreuzer nährte sich von chiliastischen Hoffnungen; gleichzeitig brachten die Böhmischen und Mährischen Brüder chiliastische Propheten hervor, deren Weissagungen Comenius, selbst Chiliast, sammelte. Da Spener nicht unbedingt in das Verdammungsurteil der Orthodoxie über den 1692 als Chiliast abgesetzten Petersen einstimmte, kam er selbst in den Verdacht des Chiliasmus Sicher ist, dass der Pietismus sich aufs neue mit großer Liebhaberei der Hoffnung auf Besserung der Zustände in der Christenheit, bald auch der Erklärung der Johanneischen Offenbarung als eines prophetischen Kompendiums der Kirchengeschichte annahm und auf diese Weise auch den Chiliasmus wieder zu Ehren brachte, dem endlich J. A. Bengel (s.d.) das Bürgerrecht in der protestantischen Theologie eroberte. Dieser neuere Chiliasmus betont übrigens im Gegensatze zum alten mehr den Begriff der Verklärung; namentlich brachte ihn der geistvolle Theosoph Ötinger in Verbindung mit seinem Thema von der Geistleiblichkeit. Die Irvingianer gründeten 1832 ihre apostolische Kirche auf das Feldgeschrei, dass das Reich der Herrlichkeit nahe sei; andre Schwärmer, besonders aus Württemberg, wanderten in ähnlichem Glauben nach dem Morgenland, und die Mormonen haben den Grund zum neuen Zion am Salzsee gelegt."

[Quelle: Meyers großes Konversations-Lexikon. -- DVD-ROM-Ausg. Faksimile und Volltext der 6. Aufl. 1905-1909. -- Berlin : Directmedia Publ. --2003. -- 1 DVD-ROM. -- (Digitale Bibliothek ; 100). -- ISBN 3-89853-200-3. -- s.v.. -- {Wenn Sie HIER klicken, können Sie diese DVD bei amazon.de bestellen}]

Siehe auch die ausgezeichnete Darstellung:

Holtzmann, Heinrichch Julius <1832 - 1910>: Geschichte der Auslegung der Apokalypse des Johannes. -- 1893. -- URL: http://www.payer.de/christentum/holtzmann01.htm. -- Zugriff am 2005-03-23   

Die apokalyptische Sicht der Welt führt allerdings bei vielen Fundamentalisten zu einem widersprüchlichen Verhalten:

"Dispensational Premillennialism contains an internal conflict. Its advocates generally believe "that the moral conditions of the world and the church are destined get increasingly worse. When they get almost unbearably bad, the Lord Jesus will return in the clouds to 'rapture' the living saints up to heaven." 11 However, they tend to be very outspoken and active in their opposition to many behaviors that they consider to be extremely sinful: abortion access, equal rights for homosexuals, same-sex marriage, pre-marital sex, adultery, sex education in schools, access to physician assisted suicide, the use of embryonic stem cells in healing, etc. By their opposition to these "hot" religiously controversial topics, they are delaying Jesus' return to earth, the rapture and the 1000 year millennium. "

[Quelle: http://www.religioustolerance.org/millenni.htm. -- Zugriff am 2005-04-06]

"Still, there are anomalies in this moral crusade being waged in the precincts of Iowa and the purlieus of New Hampshire. The mood of triumphalism that surrounds Pat Robertson's campaign is curious in that most of Robertson's evangelical followers still claim to be premillennialists—that is, they expect the imminent return of Christ and the judgment of a sinful world—but they are acting increasingly like postmillennialists who have taken it upon themselves to usher in Christ s millennial kingdom. Indeed, there are many evangelicals whose premillennial scruples still will not allow them to participate in politics. In the course of our conversations, Keith Marsh recounted an argument that Robertson faced at the pastors' luncheon in Concord as he was deciding whether to run for president. "Wait a minute," one of the ministers said. "The next event on the es-chatological clock is the return of Christ. Things in society should get worse rather than better. If Christians worked to turn our nation around, that would be a humanistic effort and delay Christ's return." In the euphoria of the 1988 presidential campaign, however, many evangelicals have brushed aside such naysayers, even though they may not admit to a shift in theology or even be aware of any contradiction between their premillennial convictions and their post-millennial activities."

[Quelle: Balmer, Randall Herbert <1954 - >: Mine eyes have seen the glory : a journey into the evangelical subculture in America. -- 3rd ed.  -- New York : Oxford University Press, ©2000.  -- xviii, 327 S. ; 21 cm.  -- ISBN: 0195131800. -- S. 173. -- {Wenn Sie HIER klicken, können Sie dieses Buch bei amazon.de bestellen}]

Nebenbei bemerkt:

"Beverlie Tuttle of Danbury, a born-again Christian for ten years and a member of Concerned Women for America, is a veteran of political battles. She and her husband publish a newspaper called The Truth, the cover of which carried a picture of a wooden horse with a sign that read: "The I.N.F. Treaty is a trojan HORSE." Tuttle believes that Ronald Reagan sold out to the communists by signing the treaty limiting nuclear warheads in Europe, and she cloaked her opposition to the treaty in biblical terms. "The Bible tells us not to be unequally yoked with unbelievers," [2. Korintherbrief 6,14: "Beugt euch nicht mit Ungläubigen unter das gleiche Joch! Was haben denn Gerechtigkeit und Gesetzwidrigkeit miteinander zu tun? Was haben Licht und Finsternis gemeinsam?"]  she said. "Signing a treaty with atheists is being unequally yoked. ""

[Quelle: Balmer, Randall Herbert <1954 - >: Mine eyes have seen the glory : a journey into the evangelical subculture in America. -- 3rd ed.  -- New York : Oxford University Press, ©2000.  -- xviii, 327 S. ; 21 cm.  -- ISBN: 0195131800. -- S. 168. -- {Wenn Sie HIER klicken, können Sie dieses Buch bei amazon.de bestellen}]


Die beiden wichtigsten apokalyptischen Texte mit klassischen Illustrationen:


Dieses Kapitel besteh aus folgenden Teilen:


3. Weiterführende Ressourcen



Abb.: Einbandtitel

Boyer, Paul <1935 - >: When time shall be no more : prophecy belief in modern American culture. -- Cambridge, Mass. : Belknap Press of Harvard University Press, 1992. -- xiv, 468 S., [16] p. of plates : Ill., map ; 25 cm.  -- ISBN: 067495128X. -- {Wenn Sie HIER klicken, können Sie dieses Buch bei amazon.de bestellen}. -- [Empfehlenswerter Überblick bis ca. 1990]

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Armageddon Books. -- http://www.armageddonbooks.com/. -- Zugriff am 2005-03-24. -- Ist eine ausgezeichnete Quelle, um einen Überblick zu bekommen, was gerade aktuell ist


Zu Kapitel 6.1.: Weltgeschehen als Endzeit